16.478 Parlamentarische Initiative Bundespatentgerichtsgesetz. Verschiedene organisatorische Änderungen Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 21. September 2017

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über das Bundespatentgericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

21. September 2017

Im Namen der Kommission Der Präsident: Jean Christophe Schwaab

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Übersicht Auf Ersuchen des Bundespatentgerichts schlägt die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates einige Anpassungen des Bundesgesetzes über das Bundespatentgericht vor. Die Änderungen tragen den Erfahrungen Rechnung, die das Bundespatentgericht in den ersten Jahren seit seiner Gründung sammeln konnte. Das Bundespatentgericht beschäftigt lediglich zwei hauptamtliche Richter, darunter den Präsidenten. Alle anderen Richterinnen und Richter sind nebenamtlich tätig und werden fallweise beigezogen. Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen die interne Organisation des Gerichts und sollen dessen Arbeit erleichtern und vereinfachen.

Gewisse Aufgaben sollen nicht mehr nur juristisch gebildeten Richterinnen und Richtern vorbehalten bleiben, sondern auch von hauptamtlichen Richterinnen oder Richtern mit technischer Ausbildung wahrgenommen werden können. Konkret handelt es sich um die Funktion des Vizepräsidenten bzw. der Vizepräsidentin und um die Aufgaben als Einzel- oder als Instruktionsrichterin oder -richter. Heute kann der Präsident diese Funktionen nur Richterinnen und Richtern mit juristischer Ausbildung übertragen.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Parlamentarische Initiative

Mit Schreiben vom 6. Mai 2016 wandte sich der Präsident des Bundespatentgerichts an die Gerichtskommission mit dem Anliegen, einige Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. März 20091 über das Bundespatentgericht (PatGG) im Lichte der in den ersten Betriebsjahren gesammelten Erfahrungen und vor dem Hintergrund der Gesamterneuerungswahlen des Bundespatentgerichts für die Amtsperiode 2018­2023 anzupassen. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Organisation des Bundespatentgerichts und sollen dessen Arbeit erleichtern und vereinfachen. Da die Gerichtskommission keine Legislativkommission ist, übermittelte sie das Anliegen den Kommissionen für Rechtsfragen mit der Bitte, die vom Gericht vorgeschlagenen Änderungen zu prüfen und gegebenenfalls die entsprechenden gesetzgeberischen Massnahmen zu ergreifen. Zum Inhalt der Revision äusserte sich die Gerichtskommission nicht. Am 4. November 2016 beschloss die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (nachfolgend: Kommission) ohne Gegenstimme, eine Revision des PatGG auszuarbeiten, um Richterinnen und Richtern mit technischer Ausbildung gewisse Aufgaben übertragen zu können, die heute Richterinnen und Richtern mit juristischer Ausbildung vorbehalten sind (Vizepräsidium, Entscheide als Einzelrichter und Verfahrensinstruktion). Nicht aufgenommen hat die Kommission das ursprüngliche Anliegen des Bundespatentgerichts, Englisch als Verfahrenssprache zuzulassen. Mit Schreiben vom 22. September 2016 hielt der Präsident des Bundespatentgerichts fest, auf die Einführung von Englisch als Verfahrenssprache zu verzichten, wenn dies der Behandlung der übrigen Änderungen dienen würde. Am 23. Januar 2017 beschloss die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates einstimmig, sich ihrer Schwesterkommission anzuschliessen und mittels einer Kommissionsinitiative eine Änderung des PatGG auszuarbeiten.

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission befasste sich am 31. Mai 2017 mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative. Sie hat einen Vorentwurf in einer provisorischen Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung angenommen und entschieden, diesen ausgewählten Fachkreisen und dem Bundesgericht zur Konsultation zu unterbreiten An ihrer Sitzung vom 31. August 2017 hat sie die Ergebnisse dieser Konsultation zur Kenntnis genommen und die endgültige Fassung des Entwurfs verabschiedet; den vorliegenden Bericht hat sie an ihrer Sitzung vom 21. September 2017 genehmigt. Die Kommission beantragt ohne Gegenstimme, diesem Entwurf zuzustimmen.

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SR 173.41

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Gestützt auf Art. 112 Abs. 1 des Parlamentsgesetzes2 wurde die Kommission bei ihren Arbeiten vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

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Grundzüge der Vorlage

2.1

Ausgangslage und Problematik des geltenden Rechts nach Ansicht des Bundespatentgerichts

Das Bundesgesetz vom 20. März 2009 über das Bundespatentgericht ist am 1. März 2010 in Kraft getreten. Das Bundespatentgericht ist das erstinstanzliche Patengericht des Bundes und zuständig für die Beurteilung zivilrechtlicher Streitigkeiten im Patentrecht. Es entscheidet als Vorinstanz des Bundesgerichts unter anderem über Bestandes- und Verletzungsklagen. Das Bundespatentgericht hat seine Arbeit am 1. Januar 2012 aufgenommen.

Das Bundespatentgericht beschäftigt lediglich zwei hauptamtliche Richter, darunter den Präsidenten. Alle anderen Richter sind nebenamtlich tätig und werden fallweise beigezogen. Die vom Bundespatentgericht vorgeschlagenen Änderungen betreffen die Organisation des Bundespatentgerichts und zielen darauf, dessen Arbeit zu erleichtern und zu vereinfachen. Gewisse Aufgaben sollen nicht mehr nur Richterinnen und Richtern mit juristischer Ausbildung vorbehalten bleiben, sondern auch von solchen mit technischer Ausbildung wahrgenommen werden können.

Vizepräsidium des Gerichts: Nach Art. 8 PatGG setzt sich das Bundespatentgericht aus Richterinnen und Richtern mit juristischer sowie Richterinnen und Richtern mit technischer Ausbildung zusammen. Dem Gericht gehören zwei hauptamtliche Richterinnen bzw. Richter und eine ausreichende Anzahl nebenamtlicher Richterinnen und Richter an. Das Präsidium des Gerichts wird von einer hauptamtlichen Richterin bzw. einem hauptamtlichen Richter wahrgenommen, der bzw. die über eine juristische Ausbildung verfügen muss (Art. 18 PatGG). Das Gesamtgericht wählt die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten aus dem Kreis der juristisch ausgebildeten Richterinnen und Richter (Art. 19 Abs. 1 PatGG). Wenn der zweite hauptamtliche Richter über eine technische Ausbildung verfügt, wie dies heute der Fall ist, kann er die Funktion des Vizepräsidenten somit nicht ausüben. Das hat sich in der Praxis als umständlich erwiesen, da deswegen die Vertretung des Präsidenten durch eine nebenamtliche Richterin bzw. einen nebenamtlichen Richter wahrgenommen werden muss, also eine Person, die nicht ständig am Sitz des Gerichts arbeitet.

Delegation der Aufgaben als Einzelrichter bzw. Einzelrichterin: Nach Art. 23 PatGG entscheidet die Präsidentin oder der Präsident als Einzelrichterin bzw. Einzelrichter über das Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Klagen, über
Gesuche um vorsorgliche Massnahmen und unentgeltliche Rechtspflege, über die Abschreibung von Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit, Rückzug, Anerkennung oder Vergleich sowie über Klagen auf Erteilung einer Lizenz nach Art. 40d des Patentgeset-

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Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG); SR 171.10.

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zes3. Diese Aufgaben können ganz oder teilweise einer Richterin oder einem Richter mit juristischer Ausbildung übertragen werden. Sie bieten aber nach Auffassung des Bundespatentgerichts keine besonderen juristischen oder technischen Schwierigkeiten, weshalb sie auch die zweite hauptamtliche Richterin bzw. der zweite hauptamtliche Richter wahrnehmen können sollte, selbst wenn diese bzw. dieser nicht über eine juristische Ausbildung verfügt.

Ferner sieht Art. 23 Abs. 3 PatGG heute vor, dass die Einzelrichterin bzw. der Einzelrichter mit zwei weiteren Richterinnen oder Richtern in Dreierbesetzung entscheiden kann, wenn es die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse erfordern.

Allerdings ist diese Möglichkeit auf Gesuche um vorsorgliche Massnahmen beschränkt. Diese Einschränkung hat sich nach der Erfahrung des Bundespatentgerichts in der Praxis aber als nicht sachgerecht erwiesen. So muss der Präsident bei Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege schon heute eine Richterin bzw. ein Richter mit technischer Ausbildung beiziehen, um die Aussichten der Rechtsbegehren beurteilen zu können. Die Einschränkung soll deshalb aufgehoben und ein Entscheid in Dreierbesetzung in allen Fällen von Art. 23 Abs. 1 PatGG möglich werden, in denen es die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse erfordern. In allen übrigen Fällen ohne besondere Schwierigkeiten sollte aber die zweite hauptamtliche Richterin bzw. der zweite hauptamtliche Richter auch dann als Einzelrichter entscheiden können, wenn sie bzw. er über eine technische und nicht über eine juristische Ausbildung verfügt.

Delegation von Aufgaben als Instruktionsrichterin bzw. Instruktionsrichter: Nach Art. 35 Abs. 1 PatGG leitet die Präsidentin oder der Präsident das Verfahren als Instruktionsrichter bis zum Entscheid. Diese Aufgabe kann einer anderen Richterin oder einem anderen Richter mit einer juristischen Ausbildung übertragen werden.

Nach Auffassung des Bundespatentgerichts kann diese Aufgabe aber ohne weiteres auch von der zweiten hauptamtlichen Richterin bzw. dem zweiten hauptamtlichen Richter wahrgenommen werden, auch wenn diese bzw. dieser über eine technische Ausbildung verfügt. Die entsprechende Änderung passt sich also an die vorgeschlagene Fassung von Art. 19 PatGG an. Zudem soll nach Ansicht des Bundespatentgerichts die Verfahrensleitung im Einzelfall und bezüglich eines bestimmten verfahrensleitenden Schrittes auch einer Gerichtsschreiberin oder einem Gerichtsschreiber übertragen werden können.

2.2

Vorgeschlagene Änderungen

Die Kommission begrüsst die Vorschläge des Bundespatentgerichts grundsätzlich.

Sie zielen darauf, die Arbeit des Gerichts zu erleichtern und zu vereinfachen und so zu effizienteren Abläufen beizutragen. Am Sitz des Bundespatentgerichts in St. Gallen sind heute lediglich zwei Richter hauptamtlich tätig. Die Verfahrensleitung und die Aufgaben als Einzelrichter werden aber in der Regel sinnvollerweise von Richterinnen oder Richtern wahrgenommen, die im Unterschied zu nebenamtlichen Richterinnen und Richtern ständig am Gerichtssitz tätig und regelmässig in die 3

Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG), SR 232.14.

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Verfahren involviert sind. Die Kommission schlägt deshalb vor, im Gesetz die Möglichkeit vorzusehen, das Vizepräsidium und einzelrichterliche Aufgaben auch hauptamtlichen Richterinnen und Richtern mit technischer Ausbildung zu übertragen.

Ebenso soll es künftig möglich sein, die Verfahrensinstruktion einer zweiten hauptamtlichen Richterin bzw. einem zweiten hauptamtlichen Richter mit technischer Ausbildung zu übertragen. Bei den Bundespatentrichterinnen und Bundespatentrichtern mit technischer Ausbildung handelt es sich in aller Regel um Patentanwältinnen und Patentanwälte. Diese verfügen neben ihrer naturwissenschaftlichen Grundausbildung nicht nur über über eine juristische Zusatzausbildung, sondern auch über viel Erfahrung in der Führung von Verfahren im Patentrecht. Hinzu kommt, dass die zweite hauptamtliche Richterin bzw. der zweite hauptamtliche Richter in die Mehrheit der Fälle beim Bundespatentgericht involviert ist und deshalb naturgemäss viel Erfahrung in der Verfahrensführung beim Bundespatentgericht hat. Es ist deshalb sachgerecht, die zweite hauptamtliche Richterin oder den zweiten hauptamtlichen Richter mit den einzelrichterlichen Aufgaben bzw. der Verfahrensinstruktion betrauen zu können, auch wenn diese bzw. dieser eine technische Ausbildung hat.

Nicht übernommen hat die Kommission dagegen den Vorschlag, dass ein bestimmter verfahrensleitender Schritt im Einzelfall auch an Gerichtsschreiberinnen oder Gerichtsschreiber übertragen werden kann.

2.3

Bedenken des Bundesamts für Justiz

Die vom Bundespatentgericht eingebrachten Vorschläge stiessen beim Bundesamt für Justiz auf gewisse Bedenken. Es hat der Kommission empfohlen, auf die geplanten Änderungen von Art. 23 und 35 PatGG zu verzichten. Es wies darauf hin, dass die geplante Delegation von Einzelrichterentscheiden und die Delegation der Instruktion an hauptamtliche Richterinnen oder Richter mit einer technischen Ausbildung grundsätzliche Fragen im Hinblick auf die Kohärenz der erst kürzlich totalrevidierten Bundesrechtspflege aufwerfen könnten. Nach Ansicht des Bundesamts für Justiz würde dadurch einer Richterin oder einem Richter ohne vollwertige juristische Ausbildung die alleinige Verantwortung für eine klassisch juristische Domäne übertragen, für die es aus Sicht des Bundesamts für Justiz jedoch vertiefte Kenntnisse des Verfahrensrechts, insbesondere der Schweizerischen Zivilprozessordnung4 erfordere. Nicht nur für Einzelrichterentscheide, sondern auch für die Durchführung des Instruktionsverfahrens seien fundierte juristische Kenntnisse nötig. Entsprechend sei zu befürchten, dass sich als Folge der geplanten Änderungen eine eigentliche Gerichtsschreiberjustiz herausbilde. Eine solche sei aber an sich problematisch, zumal lediglich die Richterinnen und Richter von der Bundesversammlung gewählt und damit zur Vornahme von richterlichen Amtshandlungen legitimiert seien. Aus dem Umstand, dass es sich beim Bundespatentgericht um eine unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts handelt. leite sich eine gewisse Anforderung an die kohärente Ausgestaltung der Gerichtsorganisation mit den anderen unmittelbaren Vorinstanzen des Bundesgerichts ab (Bundesverwaltungsgericht, Bundesstrafgericht, kantonale Obergerichte, Handelsgerichte und Verwaltungsgerichte). Eine Sonder4

Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272).

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stellung des Bundespatentgerichts, wie sie sich durch die geplante Delegation von Befugnissen ergäbe, sei nicht gerechtfertigt.

2.4

Konsultation der interessierten Kreise

Nach Art. 3a des Bundesgesetzes vom 18. März 20055 über das Vernehmlassungsverfahren kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn das Vorhaben vorwiegend die Organisation oder das Verfahren von Bundesbehörden oder die Verteilung von Zuständigkeiten zwischen Bundesbehörden betrifft (Art. 3a Abs. 1 Bst. a VlG).

Vor dem Hintergrund der Bedenken des Bundesamtes für Justiz hat die Kommission an ihrer Sitzung vom 31. Mai 2017 entschieden, diese gemeinsam mit dem Vorentwurf vom 31. Mai 2017 den für das Patentrecht massgeblichen Fachverbänden6 und dem Bundesgericht zur Konsultation zu unterbreiten.

In den eingegangenen Stellungnahmen wurde das Revisionsvorhaben grundsätzlich begrüsst und die Wichtigkeit der vorgeschlagenen Änderungen betont. Die Vorbehalte des Bundesamts für Justiz wurden kaum geteilt.

2.5

Erwägungen der Kommission

Die Kommission hat sich eingehend mit den Bedenken des Bundesamts für Justiz und den eingegangenen Stellungnahmen der interessierten Kreise auseinander gesetzt. Sie kommt zum Schluss, dass die vorgesehenen organisatorischen Anpassungen erforderlich sind, um das gute Funktionieren und die Effizienz des Bundespatentgerichts auch weiterhin zu sichern. Das Bundespatentgericht unterscheidet sich sowohl hinsichtlich Spezialisierung als auch in Bezug auf die Grösse von den anderen erstinstanzlichen Gerichten des Bundes erheblich. Damit ist es in den Augen der Kommission gerechtfertigt, diese Besonderheit auch in der Organisationsstruktur zu berücksichtigen, ohne dass sich damit ein Präjudiz für die weiteren erstinstanzlichen Gerichte des Bundes verbindet. Die Kommission ist der Ansicht, dass der zweite hauptamtliche Richter bzw. die zweite hauptamtliche Richterin mit einer technischen Ausbildung über ausreichend juristische Kenntnisse verfügt, um Instruktionshandlungen vorzunehmen oder als Einzelrichter bzw. als Einzelrichterin entscheiden zu können. Es erscheint der Kommission wichtiger, dass die Instruktion, wenn immer möglich, von einem hauptamtlichen Mitglied und nicht von einem nebenamtlichen Mitglied des Gerichts vorgenommen wird.

5 6

Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG) (SR 172.061).

Konsultiert wurden die Schweizerische Landesgruppe der AIPPI Schweiz, die Association Romande de la propriété intellectuelle (AROPI), das Institut für Gewerblichen Rechtsschutz, die Licensing Executives Society Schweiz (LES), der Schweizerische Anwaltsverband (SAV), die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter (SVR), der Verband der freiberuflichen Europäischen und Schweizer Patentanwälte (VESPA), der Verband der Industriepatentanwälte in der Schweiz (VIPS) sowie der Verband Schweizerischer Patent- und Markenanwälte (VSP).

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Die Kommission geht davon aus, dass die Gerichtskommission, welche die Wahlen zu Handen der Vereinigten Bundesversammlung jeweils vorbereitet, auch zukünftig ein spezielles Augenmerk auf die juristischen Kenntnisse der technisch ausgebildeten Mitglieder des Gerichts richten und die erforderlichen Qualifikationen in der Stellenausschreibung entsprechend wiedergeben wird. Aus diesem Grund lehnt es die Kommission ab, im Gesetz diese Anforderung näher zu konkretisieren (z. B.

durch das Erfordernis einer Ausbildung als Patentanwalt).

Die Kommission schliesst sich allerdings den Bedenken an, die gegen den verstärkten Einbezug der Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber vorgebracht worden sind. Sie erachtet es als nicht opportun, dass diese die Kompetenz erhalten sollen, gewisse verfahrensleitende Entscheide selber vorzunehmen. Die Kommission ist der Ansicht, dass diese genuin richterliche Tätigkeit auch weiterhin von den gewählten Mitgliedern des Gerichts vorzunehmen ist.

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Gesamter Erlass Im gesamten Erlass wird der Ausdruck «Gerichtsleitung» durch den Ausdruck «Verwaltungskommission» ersetzt und so mit den Gerichtsorganisationsgesetzen des Bundes (Bundesgerichtsgesetz7, Verwaltungsgerichtsgesetz8 und Strafbehördenorganisationsgesetz9) in Übereinstimmung gebracht.

Art. 19

Gesamtgericht

Art. 19 Abs. 1 PatGG sieht vor, dass die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident (wie schon die Präsidentin bzw. der Präsident) juristisch ausgebildet sein muss.

Damit kommt die zweite hauptamtliche Richterin oder der zweite hauptamtliche Richter für das Amt nicht in Frage, wenn sie oder er ­ wie dies gegenwärtig der Fall ist ­ über eine technische Ausbildung verfügt. Das hat sich in der Praxis als umständlich erwiesen, weil für die Vertretung der Präsidentin oder des Präsidenten eine nebenamtliche Richterin bzw. ein nebenamtlicher Richter beigezogen werden muss, die bzw. der nicht ständig am Sitz des Bundespatentgerichts tätig ist.

Die Übertragung des Vizepräsidiums an eine Richterin bzw. einen Richter mit technischer Ausbildung setzt voraus, dass diese bzw. dieser über die erforderlichen juristischen Kenntnisse und entsprechende Erfahrung verfügt. Darauf ist bei der Wahl der zweiten hauptamtlichen Richterin bzw. des zweiten hauptamtlichen Richters zu achten. Ohnehin müssen schon heute alle Richterinnen und Richter des Bundespatentgerichts über ausgewiesene Kenntnisse auf dem Gebiet des Patentrechts verfügen (Art. 8 Abs. 1 PatGG).

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Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG); SR 173.110.

Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG); SR 173.32.

Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG); SR 173.71.

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Ferner soll Art. 19 PatGG in zwei Punkten redaktionell bereinigt werden: Zum einen soll die Bestellung einer Ersatzperson von Art. 20 PatGG an die systematisch korrekte Stelle am Ende von Art. 19 Abs. 1 PatGG verschoben werden. Zum andern spricht Art. 19 Abs. 2 PatGG von «Beschlüssen und Wahlen». Beschlüsse des Gesamtgerichts waren zwar im Entwurf des PatGG vorgesehen, fehlen aber im geltenden Gesetz. Die Kompetenz des Gesamtgerichts beschränkt sich auf Wahlen, so dass dieser Absatz entsprechend angepasst werden soll.

Art. 20 Abs. 2 Gerichtsleitung Anpassung an die Änderung von Art. 19 Abs. 1 PatGG und redaktionelle Bereinigung.

Art. 22 Abs. 1 Abstimmung Anpassung an die Änderung von Art. 19 Abs. 2 PatGG und redaktionelle Bereinigung.

Art. 23 Abs. 2 und 3

Einzelrichterin oder Einzelrichter

Heute kann die Präsidentin bzw. der Präsident die Aufgaben als Einzelrichterin bzw.

Einzelrichter nach Art. 23 Abs. 2 PatGG nur an juristisch ausgebildete Richterinnen oder Richter delegieren. Verfügt die zweite hauptamtliche Richterin bzw. der zweite hauptamtliche Richter über eine technische Ausbildung, wie das heute der Fall ist, so kann sie oder er somit nicht als Einzelrichterin bzw. Einzelrichter eingesetzt werden. Das ist weder praktisch noch sachlich gerechtfertigt. Entscheide die weder rechtlich noch technisch schwierig sind, kann die zweite hauptamtliche Richterin oder der zweite hauptamtliche Richter ohne weiteres fällen, zumal wie oben zu Art. 19 PatGG dargelegt bei deren bzw. dessen Wahl ja darauf geachtet werden soll, dass die erforderlichen juristischen Kenntnisse vorhanden sind. Ist es hingegen wegen der besonderen Schwierigkeiten des Falles erforderlich, so soll die Einzelrichterin bzw. der Einzelrichter mit zwei weiteren Richterinnen oder Richtern in Dreierbesetzung entscheiden. Art. 23 Abs. 3 PatGG sieht diese Möglichkeit heute nur für Gesuche über vorsorgliche Massnahmen vor. Auch das hat sich in der Praxis als nicht sachgerecht erwiesen. Muss zum Beispiel bei einem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege Rechtsbeständigkeit und Verletzung des Streitpatentes beurteilt werden, so kann der Präsident diese Beurteilung nicht ohne Beizug technischen Wissens vornehmen. Deshalb soll in Absatz 3 die Beschränkung auf vorsorgliche Massnahmen entfallen.

Art. 35 Abs. 1 Instruktionsrichterin oder Instruktionsrichter Heute kann die Präsidentin bzw. der Präsident die Verfahrensleitung nach Art. 35 Abs. 1 PatGG nur an Richterinnen oder Richter mit juristischer Ausbildung delegieren. Verfügt die zweite hauptamtliche Richterin bzw. der zweite hauptamtliche Richter über eine technische Ausbildung, kann sie oder er keine Aufgaben als Instruktionsrichterin bzw. Instruktionsrichter übernehmen. Genau wie bei der Delegation von Aufgaben des Einzelrichters (oben zu Art. 23 PatGG) ist das nicht sach7535

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gerecht, muss der Präsident doch jedes Mal eine nebenamtliche Richterin bzw. einen nebenamtlichen Richter von extern beiziehen, was Verfahrensverzögerungen zur Folge haben kann. Die Verfahrensinstruktion kann ohne weiteres auch von einer hauptamtlichen Richterin bzw. einem hauptamtlichen Richter mit technischer Ausbildung wahrgenommen werden. Die vorgeschlagene Änderung von Art. 35 Abs. 1 PatGG verfolgt somit denselben Gedanken wie die Änderungen von Art. 19 und 23 PatGG. Die Kommission geht davon aus, dass die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung ausschliesslich Kandidierende zur Wahl empfehlen wird, die neben ihrer technischen Ausbildung auch juristische Kenntnisse vorweisen können wie beispielsweise eine Ausbildung als Patentanwalt.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Bundespatentgericht finanziert sich aus Gerichtsgebühren sowie aus Beiträgen des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE), die den jährlich vereinnahmten Patentgebühren entnommen werden (Art. 4 PatGG). Der Aufwand des Bundespatentgerichts belastet also den Finanzhaushalt des Bundes nicht. Die vorgeschlagenen Änderungen haben überdies kaum Auswirkungen auf die Finanzen des Bundespatentgerichts: Wird das Vizepräsidium künftig der zweiten hauptamtlichen Richterin bzw. dem zweiten hauptamtlichen Richter übertragen, ist nach Art. 6a Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 8 der Richterverordnung10 zwar ein entsprechender Zuschlag zu entrichten, der bei der heutigen Situation (zweiter hauptamtlicher Richter mit Arbeitspensum von 50 %) einen Mehraufwand von CHF 5000 ausmachen würde. Dem steht aber ein entsprechender Minderaufwand bei den Taggeldern für die nebenamtlichen Richterinnen und Richter gegenüber, so dass die Änderung von Art. 19 PatGG kaum finanzielle Auswirkungen hat. Die Änderungen der übrigen Bestimmungen haben ebenfalls kaum finanzielle Auswirkungen. Die Revision hat ferner auch keine personellen Auswirkungen.

5

Verfassungsmässigkeit und Erlassform

Die Zuständigkeit des Bundes zur Bestellung des Bundespatentgerichts stützt sich auf Art. 191a Abs. 3 der Bundesverfassung (BV)11.

Die Änderung eines Bundesgesetzes muss in derselben Form erfolgen wie dessen Erlass. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der Bundesversammlung (Art. 163 Abs. 1 BV). Bundesgesetze unterliegen dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV).

10

11

Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 2002 über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen des Bundesverwaltungsgerichts, der ordentlichen Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und der hauptamtlichen Richter und Richterinnen des Bundespatentgerichts; SR 173.711.2.

SR 101

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