09.086 Botschaft zur Änderung des Markenschutzgesetzes und zu einem Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen («Swissness»-Vorlage) vom 18. November 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, die Entwürfe zur Änderung des Markenschutzgesetzes sowie zu einem totalrevidierten Wappenschutzgesetz.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. November 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1654

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Übersicht In Anbetracht der wirtschaftlichen Realität und aufgrund des heutigen Gebrauchs der Herkunftsbezeichnung «Schweiz» verfolgt diese Revision folgendes Ziel: Sie will die Grundlage dafür schaffen, dass der Mehrwert «Schweiz», den das hohe Potenzial der «Swissness» in der Werbung darstellt, langfristig und nachhaltig gesichert ist. Dieses Ziel impliziert eine Verstärkung des Schutzes der Herkunftsangabe «Schweiz» und des Schweizerkreuzes im Inland und mit Blick auf die Rechtsdurchsetzung im Ausland. Eine glaubwürdige und praktisch anwendbare «Swissness» ist nötig, um die Grundfesten dieses Mehrwerts zu erhalten und Missbräuche besser bekämpfen zu können.

Ausgangslage Der wirtschaftliche Wert der schweizerischen Herkunft eines Produkts oder einer Dienstleistung in einer zunehmend globalisierten Welt ist von beträchtlicher Wichtigkeit. Zahlreiche Schweizer Produkte und Dienstleistungen geniessen sowohl im In- als auch im Ausland einen hervorragenden Ruf hinsichtlich der von ihnen vermittelten Werte wie Exklusivität, Tradition und Qualität. Dank dieses von den Konsumentinnen und Konsumenten hoch geschätzten guten Rufs lassen sich mit der Schweiz in Verbindung gebrachte Produkte und Dienstleistungen in einem höheren Preissegment positionieren. Bei typisch schweizerischen Produkten, bei landwirtschaftlichen Naturprodukten sowie bei gewissen zum Export bestimmten Konsumgütern kann der «Swissness-Mehrwert» gemäss neusten Studien bis zu 20 % des Verkaufspreises ausmachen. Nicht nur die als typisch schweizerisch geltenden Wirtschaftsbranchen Uhren/Schmuck, Käse und Schokolade profitieren davon substantiell: Zusammen mit der Maschinenindustrie ­ die wie andere Branchen auch, aber weniger als 20 % Nutzen zieht ­ beziffert sich dieser Mehrwert auf rund 5,8 Milliarden Franken1. Das entspricht bereits einem Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Dieser wirtschaftliche Mehrwert wird heute von den Unternehmen klar erkannt.

Immer häufiger verwenden diese für ihre Produkte oder Dienstleistungen nicht nur Bezeichnungen wie «Schweiz», «Schweizer Qualität» oder «Made in Switzerland», sondern auch das Schweizerkreuz. Die Vorteile und der Erfolg der «Marke Schweiz» in der Werbung haben die Aufmerksamkeit, aber auch die Begierde von einzelnen Unternehmen geweckt. Als unmittelbare Folge des zunehmenden Erfolges der
«Swissness» haben die missbräuchlichen Verwendungen im In- und Ausland in den letzten Jahren gleichermassen zugenommen. Diese immer häufigeren Missbräuche schaden dem guten Ruf der «Marke Schweiz», da sie die berechtigten Konsumentenerwartungen enttäuschen. Folglich verringert sich die Attraktivität sowie der Wert für die rechtmässigen Benutzer und für die Konsumentinnen und Konsumenten. Die negativen Auswirkungen dieser Missbräuche haben zu Klagen von Seiten der Schweizer Wirtschaft und zu einer erhöhten Sensibilität der Öffentlichkeit sowie zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen geführt.

1

Basierend auf dem aktuellen Exportvolumen der Schweiz.

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Angesichts dieser Entwicklung und aufgrund einer gründlichen Analyse des geltenden Rechts, die der Bundesrat 2006 durchgeführt hat, erweist sich die heutige Regelung als ungenügend und der wirtschaftlichen Realität zu wenig Rechnung tragend.

Sie regelt die Voraussetzungen für den Gebrauch von Herkunftsangaben («Genf», «Zürich» usw.) und somit auch der Bezeichnung «Schweiz» auf Waren nur sehr allgemein. Bis heute hat lediglich das Handelsgericht St. Gallen präzisere Kriterien entwickelt. Das Fehlen allgemeingültiger Kriterien führt zu einem Mangel an Transparenz sowie Rechtsunsicherheit bei den interessierten Unternehmen. Ähnlich unbefriedigend ist die Situation bezüglich der Benutzung des Schweizerkreuzes: Das Anbringen des Schweizerkreuzes auf Produkten zu gewerblichen Zwecken ist grundsätzlich unzulässig, seine Verwendung für Dienstleistungen jedoch erlaubt. Diese unterschiedliche Handhabung ­ die in der Praxis auch nicht befolgt wird ­ rechtfertigt sich nicht, ist doch das Schweizerkreuz in der Werbung die wertvollste Schweizer Herkunftsangabe.

Heute wird die missbräuchliche Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes weder in der Schweiz noch auf internationaler Ebene genug rigoros bekämpft, weshalb eine Verstärkung des Schutzes notwendig ist. Auf nationaler Ebene werden Missbräuche selten strafrechtlich verfolgt, obwohl sie von den Kantonen von Amtes wegen zu verfolgen wären. Im Ausland erweist sich die Durchsetzung des Schutzes der Herkunftsangaben im Allgemeinen und der Bezeichnung «Schweiz» im Besonderen als schwierig. Aufgrund des Territorialitätsprinzips kann jeder Staat ­ unter Vorbehalt der internationalen Verträge ­ eigene Bestimmungen über den Schutz von Herkunftsangaben und nationalen Flaggen erlassen. Das ausländische Recht unterscheidet sich oft deutlich vom Schweizer Recht. Die Auslegung der einschlägigen internationalen Abkommen und die Rechtsprechung zum Thema sind im Allgemeinen vage, was einen Prozess nicht nur kostspielig, sondern seinen Ausgang auch unsicher macht. Auch wird eine gerichtliche Durchsetzung im Ausland nur selten angestrengt, vor allem deshalb, weil es in den betroffenen Branchen keinen Rechtsinhaber der Bezeichnung «Schweiz» gibt, der entscheiden könnte, wie die Bezeichnung «Schweiz» und das Schweizerkreuz zu verwenden und zu verteidigen
sind, und welcher Fälle missbräuchlicher Verwendung vor Gericht bringen kann.

Inhalt der Vorlage 1. Die Vorlage will den Wert der «Marke Schweiz» langfristig erhalten und ihre Stellung sichern. Dazu sollen im Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz) neue Kriterien zur klareren und präzisieren Bestimmung der geografischen Herkunft eines Produkts verankert werden. Mit anderen Worten soll festgelegt werden: Wieviel «Schweiz» muss drin sein, damit «Schweiz» draufstehen darf? So wird gesetzlich geregelt, wer die Bezeichnung «Schweiz» unter welchen Voraussetzungen und auf welche Art und Weise verwenden darf. Diese präziseren Kriterien erhöhen die Transparenz und die Rechtssicherheit der von den Produzentinnen und Produzenten verwendeten Herkunftsangaben und sind im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten, die die Angaben besser verstehen und bei ihrem Kaufentscheid gezielter berücksichtigen können. Die Waren werden in drei Kategorien unterteilt: in Naturprodukte, verarbeitete Naturprodukte

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und andere, insbesondere industrielle Produkte (wobei die letzte Kategorie alle Produkte umfasst, die nicht unter die ersten beiden Kategorien fallen). Eine Herkunftsangabe wie «Schweiz» oder «St. Gallen» darf dann im Zusammenhang mit einem Produkt verwendet werden, wenn sie die Kriterien der entsprechenden Produktkategorie erfüllt.

Für die Naturprodukte (wie Pflanzen, Mineralwasser oder Tiere) bestimmt sich die Herkunft aufgrund eines einzigen Kriteriums, das je nach Art des Produkts variiert.

Es entspricht beispielsweise dem Ort der Gewinnung für die mineralischen Erzeugnisse oder dem Ort der Ernte für die pflanzlichen Erzeugnisse.

Für die verarbeiteten Naturprodukte (wozu die die meisten Lebensmittel gehören) und die industriellen Produkte (wie Maschinen oder Messer), die die Produzenten als Schweizer Produkte ausloben wollen, soll ein System, das auf kumulativen Kriterien basiert, die tatsächliche Anknüpfung des Produkts an den Ort der Herkunft sicherstellen. Diese Kriterien tragen der Tatsache Rechnung, dass gewisse Rohstoffe in einer globalisierten Wirtschaft nicht auf dem Binnenmarkt verfügbar sind und dass bestimmte Herstellungsschritte ­ sogar bei traditionellen Produkten ­ im Ausland stattfinden. Gleichzeitig müssen die Kriterien auch gewährleisten, dass die Anforderungen an die Produkte hoch genug sind, damit die Wirtschaftskreise, die (freiwillig) eine Schweizer Herkunftsangabe mit hohem wirtschaftlichem Wert zur Bezeichnung ihrer Produkte einsetzen (niemand ist verpflichtet, die «Marke Schweiz» als Herkunftsbezeichnung auf seinen Produkten oder Dienstleistungen anzubringen!), eine zutreffende Angabe verwenden, welche für die Konsumentinnen und Konsumenten nicht täuschend ist.

Das erste Kriterium ist ein Wertkriterium. Für die verarbeiteten Naturprodukte müssen mindestens 80 % des Gewichts der Rohstoffe oder der Zutaten, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, aus der Schweiz stammen. Für die industriellen Produkte müssen mindestens 60 % der Herstellungskosten des Produkts in der Schweiz anfallen. Die Kosten für Forschung und Entwicklung können bei der Berechnung berücksichtigt werden; nicht berücksichtigt werden können jedoch Kosten, die lediglich die Vermarktung der fertigen Ware betreffen, wie die Kosten für Werbung und Marketing, für die Verpackung der Ware oder für
Kundendienstleistungen, weil die zuletzt genannten Kosten allesamt nicht zur Herstellung des Produkts beitragen.

Der Revisionsentwurf sieht Ausnahmen zu diesem Kriterium vor, um den materiellen, strukturbedingten oder zufälligen Gegebenheiten Rechnung zu tragen welche die verarbeitende Industrie bei der Rohstoffbeschaffung zu gewärtigen hat. So können etwa Naturprodukte, die in der Schweiz nicht vorkommen (z.B. Kakao oder Gold) oder die ­ völlig unabhängig vom Willen der Produzenten ­ temporär nicht verfügbar sind (z.B. schlechte Ernten aufgrund ungünstiger Witterung, Tierseuche), von der Berechnung ausgenommen werden. Ebenfalls von der Berechnung ausgenommen werden können die Rohstoffe, die in der Schweiz aus objektiven Gründen nicht in genügender Menge verfügbar sind. Rein wirtschaftliche Gründe, wie vorteilhaftere Preise oder bessere Lieferbedingungen auf den ausländischen Märkten, reichen jedoch nicht aus, um diese Ausnahme geltend zu machen. Ferner kann diese Ausnahme auch nur geltend gemacht werden, wenn die ungenügende Verfügbarkeit

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des betreffenden Rohstoffes (z.B. Zucker oder Rindfleisch) in einer Verordnung des Bundesrats für die entsprechende Branche festgehalten ist. Der Bundesrat muss beim Verordnungserlass vorgängig die Kantone, die Branchen- oder Wirtschaftsverbände sowie die Konsumentenschutzorganisationen anhören.

Als zweite, kumulativ zu erfüllende Voraussetzung muss die Tätigkeit, durch welche das Produkt seine wesentlichen Eigenschaften erhält, am Ort der Herkunft stattfinden. Es kann sich um die Fabrikation im eigentlichen Sinne handeln (wie z.B. die Verarbeitung von Milch zu Käse, die Zusammensetzung einer Uhr oder die Herstellung eines Stoffes aus Fasern). Bei industriellen Produkten kann es sich bei dieser Tätigkeit auch um Forschung und Entwicklung handeln, wobei in diesem Fall zusätzlich ein wesentlicher Fabrikationsschritt im eigentlichen Sinne am Ort der Herkunft stattfinden muss, um einen ausreichenden «physischen Zusammenhang» mit diesem Ort zu gewährleisten.

Das Kriterium der Anknüpfung wird in der Gesetzesvorlage auch für die Herkunftsangaben von Dienstleistungen verstärkt. Ein Unternehmen kann in Zukunft seine Dienstleistungen als Schweizer Dienstleistungen ausloben, wenn es seinen Sitz in der Schweiz hat. Um zu vermeiden, dass eine Postadresse genügt, um diese formelle Voraussetzung zu erfüllen, muss sich zudem ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz befinden.

Ausländische Herkunftsangaben müssen die Kriterien erfüllen, die in der Gesetzgebung ihres Ursprungslandes definiert sind. Vorbehalten bleibt eine allfällige Täuschung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten.

2. Das neue Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen führt folgende klare Definition und Unterscheidung ein: Das Wappen (= Schweizerkreuz in einem Wappenschild) der Eidgenossenschaft darf grundsätzlich nur von dieser selbst oder von ihren Einheiten verwendet werden. Die Schweizerfahne und das Schweizerkreuz hingegen dürfen künftig von allen verwendet werden, welche die Voraussetzungen zur Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» erfüllen. Dies gilt neu nicht nur für Dienstleistungen, sondern auch für Produkte. Für Unternehmen, die das Schweizerwappen bereits seit Jahrzehnten für Waren und Dienstleistungen aus der Schweiz verwenden, ist ­ auf Antrag ans Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement (EJPD) innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes ­ ein Weiterbenutzungsrecht vorgesehen, das diesen Gebrauch bei berechtigten Interessen zulässt. Die neue Regelung trägt der wirtschaftlichen Realität und der hohen Attraktivität des Schweizerkreuzes für die Werbung Rechnung. Die Vorlage verstärkt ausserdem konsequent den Schutz der offiziellen Wappen. Insbesondere verschärft werden die strafrechtlichen Sanktionen, die nun den Sanktionen in den übrigen Bereichen des Immaterialgüterrechts entsprechen.

3. Auf nationaler Ebene sind zusätzliche Instrumente zur Verstärkung des Schutzes der Herkunftsangaben in der Schweiz und im Ausland vorgesehen. Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) hat fortan das Recht, in der Schweiz gegen die missbräuchliche Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes Zivilklage einzureichen. Strafrechtlich werden neu alle diese

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Widerhandlungen von Amtes wegen verfolgt und das IGE kann am Verfahren teilnehmen und die Rechte einer Privatklägerschaft ausüben. Zur Verstärkung des Schutzes der geografischen Angaben in der Schweiz und im Ausland soll zudem ein nationales Register für geografische Angaben für nicht landwirtschaftliche Kategorien von Waren geschaffen werden, welches vom IGE geführt werden soll. Heute besteht die Möglichkeit zum Registereintrag lediglich für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, die als Ursprungsbezeichnungen (AOC) und geografische Angaben (IGP) beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eingetragen werden können. Die Weinbezeichnungen können in kantonale Register eingetragen werden. Die neue Registrierungsmöglichkeit erlaubt es, den Schutz der Herkunftsangaben für alle Produkte offiziell anzuerkennen, was von zahlreichen ausländischen Staaten als Voraussetzung für den Schutz in ihrem Land gefordert wird.

Die Vorlage sieht ausserdem vor, dass sämtliche in ein Register eingetragenen Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben ebenso wie die auf kantonaler Ebene geschützten Weinbezeichnungen, als geografische Marke (eine neue Markenart) eingetragen werden können. Dasselbe gilt für geografische Angaben, die in einer Verordnung des Bundesrates geregelt sind (zum Beispiel in der heutigen «Swiss made»-Verordnung für Uhren). Wie ein Auszug aus dem Register für geografische Angaben stellt auch die Registrierung einer geografischen Marke eine offizielle Schutzanerkennung dar. Diese beiden zusätzlichen amtlichen Anerkennungsmöglichkeiten im Herkunftsland ­ in diesem Falle in der Schweiz ­ vereinfachen die Erlangung und Durchsetzung des Schutzes für den nunmehr klar identifizierbaren Rechtsinhaber im Ausland deutlich.

4. Schliesslich wird im Markenschutzgesetz ein vereinfachtes Löschungsverfahren der Marke wegen Nichtgebrauchs eingeführt. Jede Person kann neu beim IGE gegen eine Gebühr einen Antrag auf vollständige oder teilweise Löschung einer Marke stellen, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gebraucht worden ist.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Parlamentarische Vorstösse und Bericht des Bundesrates 1.3 Beantragte Neuregelung 1.4 Begründung und Bewertung der beantragten Lösung 1.4.1 Begründung 1.4.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.4.3 Ergebnis der Vernehmlassung 1.4.3.1 Durchführung und Ergebnis 1.4.3.2 Unbestrittene Punkte 1.4.3.3 Strittige Punkte 1.4.3.4 Diverse Anliegen 1.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.6 Rechtsvergleichung, insbesondere europäisches Recht

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2 Erläuterungen der einzelnen Artikel 2.1 Revision des Markenschutzgesetzes 2.1.1 Geografische Marke 2.1.2 Herkunftsangaben 2.1.2.1 Grundsätze 2.1.2.2 Herkunftsangabe für Waren 2.1.2.3 Herkunftsangabe für Dienstleistungen 2.1.2.4 Verordnungen des Bundesrates 2.1.3 Register für geografische Angaben 2.1.4 Beweislastumkehr 2.1.5 Klageberechtigung der Behörden 2.1.6 Strafbestimmungen 2.1.7 Weitere Revisionspunkte 2.1.7.1 Prioritätsbeleg 2.1.7.2 Terminologische Anpassungen an das Zollgesetz 2.1.7.3 Teilung der Eintragung oder des Eintragungsgesuchs 2.1.7.4 Mitteilung von Entscheiden und Abschreibungsbeschlüssen 2.1.7.5 Vereinfachtes Löschungsverfahren wegen Nichtgebrauch 2.1.7.6 Hilfeleistung der Zollverwaltung 2.1.7.7 Formelle Anpassungen 2.2 Andere Bundesgesetze 2.2.1 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum 2.2.2 Obligationenrecht 2.2.3 Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 1992 2.2.4 Topographiengesetz vom 9. Oktober 1992

8577 8577 8577 8582 8582 8585 8599 8600 8602 8606 8607 8608 8610 8610 8610 8610 8611 8611 8615 8615 8616 8616 8617 8617 8617 8539

2.2.5 Designgesetz vom 5. Oktober 2001 2.2.6 Patentgesetz vom 25. Juni 1954 2.2.7 Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 1998 2.2.8 Waldgesetz vom 4. Oktober 1991 2.3 Revision des Wappenschutzgesetzes 2.3.1 Titel 2.3.2 1. Kapitel: Öffentliche Zeichen der Schweiz 2.3.2.1 1. Abschnitt: Definitionen 2.3.2.2 2. Abschnitt: Gebrauch 2.3.2.3 3. Abschnitt: Eintragungsverbot 2.3.3 2. Kapitel: Öffentliche Zeichen des Auslandes 2.3.3.1 1. Abschnitt: Gebrauch und Ermächtigung 2.3.3.2 2. Abschnitt: Eintragungsverbot 2.3.4 3. Kapitel: Elektronisches Verzeichnis der geschützten öffentlichen Zeichen 2.3.5 4. Kapitel: Rechtsschutz 2.3.5.1 1. Abschnitt: Zivilrechtlicher Schutz 2.3.5.2 2. Abschnitt: Strafrechtlicher Schutz 2.3.6 5. Kapitel: Hilfeleistung der Zollverwaltung 2.3.7 6. Kapitel: Schlussbestimmungen

8618 8618 8619 8620 8620 8621 8621 8621 8627 8636 8637 8637 8639

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.3.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 3.3.2 Massnahmen und ihre Wirkung im Überblick 3.3.3 Auswirkungen auf einzelne gesellschaftliche Gruppen 3.3.4 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 3.3.5 Alternative Regelungen 3.3.6 Zweckmässigkeit im Vollzug

8653 8653 8654 8654 8654 8657 8659 8663 8668 8669

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.2.1 Multilaterale Abkommen 5.2.2 Eurokompatibilität 5.2.3 Freihandelsabkommen zwischen der Eidgenossenschaft und der EWG von 1972 5.2.4 Uhrenabkommen von 1967 und ergänzendes Abkommen von 1972 5.3 Erlassform 5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

8670 8670 8671 8671 8671

8540

8639 8640 8640 8644 8646 8648

8673 8674 8675 8675

Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) (Entwurf)

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Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen (Wappenschutzgesetz, WSchG) (Entwurf)

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Abkürzungsverzeichnis AOC AOC-IGP Vereinigung Arzneimittel-Zulassungsverordnung/AMZV BFS BGE BIO SUISSE BLW Botschaft 1991 Botschaft Patentgesetz

BSE Bundesgerichtsgesetz/BGG Bundesbeschluss von 1889 BV Designgesetz/DesG economiesuisse EDI EDMZ EFTA-Übereinkommen EGV EJPD EKK E-LwG E-MSchG

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Appellation d'Origine Contrôlée Schweizerische Vereinigung zur Förderung der AOC/IGP Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 9. November 2001 über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln; SR 812.212.22 Bundesamt für Statistik Bundesgerichtsentscheid Vereinigung Schweizerischer BiolandbauOrganisationen Bundesamt für Landwirtschaft Botschaft vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 1 Botschaft vom 23. November 2005 zu einer Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsordnung, BBl 2006 1 Bovine spongiforme Enzephalopathie Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht; SR 173.110 Bundesbeschluss vom 12. Dezember 1889 betreffend das eidgenössische Wappen; SR 111; AS 11 334 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999; SR 101 Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design; SR 232.12 Verband der Schweizer Unternehmen Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA); SR 0.632.31 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, konsolidierte Fassung, ABl C 321E vom 29.12.2006, S. 37 ff.

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Eidgenössische Kommission für Konsumentenfragen Entwurf Landwirtschaftsgesetz Entwurf Markenschutzgesetz

Ergänzendes Uhrenabkommen 1972

Erste Richtlinie 89/104/EWG

ETH EuGH E-WSchG FEA FHA

fial Französisch-schweizerischer Vertrag

GAFO

Genfer Abkommen

GGA GRUR

Ergänzendes Abkommen vom 20. Juli 1972 zum «Abkommen betreffend die Erzeugnisse der Uhrenindustrie zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten»; SR 0.632.290.131 Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. L 40 vom 11.2.1989, S. 1, aufgehoben durch Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung), ABl. L 299 vom 8.11.2008, S. 25 Eidgenössische Technische Hochschule Europäischer Gerichtshof Entwurf Wappenschutzgesetz Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe Schweiz Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (mit Anhängen und Briefwechseln), SR 0.632.401 Föderation der Schweizerischen NahrungsmittelIndustrien Vertrag vom 14. Mai 1974 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen; SR 0.232.111.193.49 Gemeinsame Ausführungsordnung vom 18. Januar 1996 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen (mit Gebührenverzeichnis und Verwaltungsvorschriften); SR 0.232.112.21 Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde; SR 0.518.12 (erstes Genfer Abkommen) Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See; SR 0.518.23 (zweites Genfer Abkommen) Geschützte geografische Angabe Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

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GRUR Int.

GUB GUB/GGA-Verordnung

HABM IGE IGEG IGP IKRK kf KMU Landwirtschaftsgesetz/LwG Lebensmittelgesetz/ LMG Lebensmittelverordnung/ LGV LKV Luftfahrtgesetz/LFG Madrider Abkommen/MMA Madrider Protokoll/MPP Markenschutzgesetz/ MSchG MGB MSchV NOGA OECD OR

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Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) Geschützte Ursprungsbezeichnung Verordnung vom 28. Mai 1997 über den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse; SR 910.12 Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum Bundesgesetz über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum; SR 172.010.31 Indication géographique protégée Internationales Komitee vom Roten Kreuz Konsumentenforum Kleine und mittlere Unternehmen Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft; SR 910.1 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände; SR 817.0 Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 2005; SR 817.02 Verordnung des EDI vom 23. November 2005 über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln; SR 817.022.21 Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt; SR 748.0 Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967; SR 0.232.112.3 Protokoll vom 27. Juni 1989 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken; SR 0.232.112.4 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben; SR 232.11 Migros-Genossenschafts-Bund Markenschutzverordnung vom 23. Dezember 1992; SR 232.111 Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht); SR 220

Patentgesetz/PatG PROMARCA Prométerre Proviande PVÜ Richtlinie 2005/29/EG

Rotkreuz-Gesetz RVOG SAA SBV SECO Seeschifffahrtsgesetz SFF SGB SGV sic!

SIHK SKS SNB Sortenschutzgesetz StGB

Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente; SR 232.14 Promarca ­ Schweizerischer Markenartikelverband Association vaudoise de promotion des métiers de la terre Die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967; SR 0.232.04 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22 Bundesgesetz vom 25. März 1954 betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes; SR 232.22 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997; SR 172.010 Swiss automative aftermarket Schweizerischer Bauernverband Staatssekretariat für Wirtschaft Bundesgesetz vom 23. September 1953 über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge; SR 747.30 Schweizer Fleisch-Fachverband Schweizerischer Gewerkschaftsbund Schweizerischer Gewerbeverband Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht Schweizer Industrie- und Handelskammer Stiftung für Konsumentenschutz Schweizerische Nationalbank Bundesgesetz vom 20. März 1975 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen; SR 232.16 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937; SR 311.0

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StPO SUVA «Swiss made»-Verordnung für Uhren THG Topographiengesetz/ToG TRIPS-Abkommen

Uhrenabkommen 1967

UNO-Gesetz

Urheberrechtsgesetz/URG UWG VBF VBS Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Verordnung (EG) Nr. 2081/92 Verordnung (EG) Nr. 510/2006

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Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, Referendumsvorlage, BBl 2007 6977; Entwurf BBl 2006 1389 Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Verordnung vom 23. Dezember 1971 über die Benützung des Schweizer Namens für Uhren, SR 232.119 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse, SR 946.51 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über den Schutz von Topographien von Halbleitererzeugnissen; SR 231.2 Abkommen vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (Anhang 1C zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation); SR 0.632.2 Abkommen vom 30. Juni 1967 betreffend die Erzeugnisse der Uhrenindustrie zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, SR 0.632.290.13 Bundesgesetz vom 15. Dezember 1961 zum Schutz von Namen und Zeichen der Organisation der Vereinten Nationen und anderer zwischenstaatlicher Organisationen; SR 232.23 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte; SR 231.1 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb; SR 241 Verband Bündner Fleisch-Fabrikanten Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Verordnung (EG) Nr. Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (kodifizierte Fassung), ABl. L 78 vom 24.3.2009, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 2081/92des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 208 vom 24.7.1992, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 93 vom 31.1.2006, S. 12, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 417/2008 der Kommission vom 8. März 2009, ABl. 125 vom 9.5.2008, S. 27

Verordnung (EWG) Nr. 2454/93

Verordnung (EWG) Nr. 2868/95

Verwaltungsgerichtsgesetz/VGG Verwaltungsstrafrecht/ VStrR VKCS VwVG Waldgesetz/WaG Wappenschutzgesetz/ WSchG WIPO WTO ZG ZGB Zivilprozessordnung/ZPO

Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 414/2009 der Kommission vom 30. April 2009, ABl. L 125 vom 21.5.2009, S. 6 Verordnung (EWG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 303 vom 15.12.1995, S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 355/2009 der Kommission vom 31. März 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren sowie der Verordnung (EG) Nr.

2868/95 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke, ABl. L 109 vom 30.4.2009, S. 3 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht; SR 173.32 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht; SR 313.0 Verband der Kantonschemiker der Schweiz Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren; SR 172.021 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über den Wald; SR 921.0 Bundesgesetz vom 5. Juni 1931 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen; SR 232.21 Weltorganisation für geistiges Eigentum mit Sitz in Genf (World Intellectual Property Organization) Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf (World Trade Organization) Zollgesetz vom 18. März 2005; SR 631.0 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907; SR 210 Schweizerische Zivilprozessordnung, vom 19. Dezember 2008, Referendumsvorlage BBl 2009 21; Entwurf BBl 2006 7413

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Zollkodex der Gemeinschaften

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Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1, aufgehoben durch Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (modernisierter Zollkodes), ABl. L 145 vom 4.6.2008, S. 1

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Das Schweizerkreuz, die Bezeichnungen «Schweiz», «Swiss», «Schweizer Qualität», «Made in Switzerland» und auf die Schweiz hinweisende Bildzeichen wie das Matterhorn oder Wilhelm Tell werden von den Produzenten, Herstellern und Dienstleistern immer häufiger verwendet. Damit wollen sie die geografische Herkunft der Produkte oder Dienstleistungen hervorheben, d.h. das typisch Schweizerische, das mit Qualitätsvorstellungen, Erwartungen eines exklusiven Nutzens und/oder emotionalen Inhalten zur schweizerischen Herkunft verbunden ist. Die «Swissness» gilt ausserdem auch als Synonym für Innovation und hervorragende Dienstleistungen und steht für ein kulturell vielfältiges, kosmopolitisches und weltoffenes Land2.

Die als Werbeinstrument neu entdeckte «Swissness» veranlasst immer mehr Unternehmen dazu, das Schweizerkreuz und Bezeichnungen wie «Swiss» auf ihren Produkten, für ihre Dienstleistungen und in der Werbung im In- und Ausland zu verwenden. Dabei häufen sich die als Missbräuche empfundenen Verwendungen, was zu Klagen aus der Wirtschaft und zu einer erhöhten Sensibilität von Bevölkerung und Presse in Bezug auf die Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes geführt hat. Das Beispiel, welches am meisten Aufsehen erregte, waren die im Rahmen einer Coop-Aktion verkauften SIGG-Pfannen. Sowohl die SIGG-Pfannen selber als auch ihre Verpackung trugen die Bezeichnung «Schweiz» und das Schweizerkreuz, obwohl sie in China hergestellt worden waren.

Im Zusammenhang mit dem Begriff «Swissness» wird in der Öffentlichkeit oft von der «Marke Schweiz» gesprochen, die es im In- und Ausland zu verteidigen gilt. Die «Marke Schweiz» als solches gibt es jedoch nicht. Der umgangssprachliche Begriff muss klar von der Marke im rechtlichen Sinne unterschieden werden, welche auf die betriebliche Herkunft hinweist und damit das Produkt oder die Dienstleistung einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Zusammenfassend stellt die «Swissness» den Gehalt dar, den Verweis auf die geografische Herkunft und den damit verbundenen Erwartungen, während die Marke das von einem Unternehmen oder einer Gruppe von Unternehmen verwendete Mittel ist, um die eigenen Produkte oder Dienstleistungen schweizerischer Herkunft zu kennzeichnen.

2

Siehe dazu Stephan Feige et al., Positionierungspotenzial «Swissness», Studie Universität St.Gallen et al., 2006 sowie Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008. Für eine aktuelle Zusammenfassung vgl. Stephan Feige/Sven Reinecke/Felix Addor, Das Kreuz mit dem Kreuz. Marketing mit der Schweizer Herkunft, in: IO New Management 2009, Nr. 3, S. ff.; vgl. auch Marco Casanova, Die Marke Schweiz ­ Gefangen in der Mythosfalle zwischen Heidi und Willhelm Tell: Aktuelle Herausforderung im Zusammenhang mit der Verwendung der Marke Schweiz als Co-Branding-Partner, in: Arndt Florack/Martin Scarabis/Ernst Primosch (Hrsg.), Psychologie der Markenführung, Vahlen, München 2007, S. 541 ff. Für weitere Angaben zum ökonomischen Wert der Bezeichnung Schweiz oder des Schweizerkreuzes vgl. die Regelfolgeabschätzung in Ziffer 3 dieser Botschaft.

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Heutige Voraussetzungen für die Verwendung von Herkunftsangaben am Beispiel der Bezeichnung «Schweiz» Der vom Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) gewährte Schutz für Herkunftsangaben gilt unabhängig von einer Registrierung oder von einem Schutztitel. Wird ein geografischer Name von den Wirtschaftskreisen und den Konsumentinnen und Konsumenten als Hinweis auf die geografische Herkunft eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Dienstleistung verstanden, so ist er ­ als Herkunftsangabe ­ nach den Artikeln 47 ff. MSchG geschützt. Diese Bestimmungen schützen alle Herkunftsangaben, sowohl die einfachen Herkunftsangaben, welche als Hinweise auf die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen verstanden werden, ohne dass mit ihnen eine bestimmte Qualität verbunden wird, als auch die qualifizierten schweizerischen wie ausländischen Herkunftsangaben. Die qualifizierten Herkunftsangaben werden als geografische Angaben bezeichnet. Sie kennzeichnen eine Ware als aus einem Hoheitsgebiet oder aus einer Region oder aus einem Ort in diesem Hoheitsgebiet stammend, wenn eine bestimmte Qualität, ein bestimmter Ruf oder ein anderes bestimmtes Merkmal der Ware im Wesentlichen diesem geografischen Ursprung3 zuzuschreiben ist (zum Beispiel «Genf» für Uhren). Im Falle eines Rechtsstreits über eine Herkunftsangabe ist es die Aufgabe der richterlichen Behörde, den Schutz zu konkretisieren. Sie hat zu entscheiden, ob es sich tatsächlich um eine Herkunftsangabe handelt und ob ihr Gebrauch rechtmässig ist oder nicht. Man spricht hier von einem Schutz ex post. Der Gebrauch ist unzulässig, wenn die Herkunftsangabe in unzutreffender Weise verwendet wird (Art. 47 Abs. 3 Bst. a MSchG).

Das geltende Markenschutzgesetz regelt die Voraussetzungen für den Gebrauch von Herkunftsangaben («Genf», «Zürich» usw.) und somit auch der Bezeichnung «Schweiz» auf Waren nur sehr (zu) allgemein. Das Fehlen präziser Kriterien bringt einen Mangel an Transparenz sowie Rechtsunsicherheit mit sich. Gemäss dem geltenden Artikel 48 MSchG bestimmt sich die Herkunft einer Ware nach dem Ort der Herstellung oder nach der Herkunft der verwendeten Ausgangsstoffe und Bestandteile. Der Bundesrat kann diese Voraussetzungen näher umschreiben, wenn das allgemeine Interesse der
Wirtschaft oder einzelner Branchen es rechtfertigt.

Bisher hat er dies einzig in der Verordnung vom 23. Dezember 1971 über die Benützung des Schweizer Namens für Uhren («Swiss made»-Verordnung für Uhren) ­ nach länger andauernder Auseinandersetzung mit den oft höchst kontroversen Interessen der Uhrenbranche ­ getan. Die Generalversammlung des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) hat im Übrigen einem Revisionsvorschlag für diese Verordnung zugestimmt und dem Bundesrat einen entsprechenden Entwurf unterbreitet4. Abgesehen von dieser Verordnung kann man sich zu diesem Thema einzig auf die spärliche kantonale Rechtsprechung stützen, insbesondere auf diejenige des Handelsgerichts St. Gallen5, welches sich zur Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» für industrielle Produkte wie folgt geäussert hat: Der schweizeri-

3 4 5

Art. 22 Abs. 1 TRIPS-Abkommen.

Die Prüfung dieses Entwurfs durch den Bundesrat setzt jedoch voraus, dass Klarheit über die zukünftige gesetzliche Regelung besteht.

Urteil vom 24. April 1968, Schweizerische Juristen-Zeitung 1972, S. 207 und Urteil vom 6. November 1992, St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 1992, Nr. 39.

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sche Wertanteil an den Herstellungskosten6 der Ware muss mindestens 50 % betragen und der wesentliche Fabrikationsprozess muss in der Schweiz stattgefunden haben. Gemäss dieser Rechtsprechung können Forschung und Entwicklung sowie Marketing bei der Feststellung, ob die beiden Voraussetzungen erfüllt sind, nicht berücksichtigt werden.

Die Herkunft von Dienstleistungen bestimmt sich gemäss Artikel 49 MSchG entweder nach dem Geschäftssitz derjenigen Person, welche die Dienstleistung erbringt, oder nach der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz der Personen, welche die tatsächliche Kontrolle über die Geschäftspolitik und Geschäftsführung ausüben.

Eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz kann deshalb folglich den Namen «Swiss Consulting» im Zusammenhang mit Dienstleistungen verwenden. Eine Gesellschaft mit Sitz im Ausland kann diesen Namen ebenfalls rechtmässig für ihre Dienstleistungen verwenden, sofern die Person, welche die tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft ausübt (z.B. die Direktorin), das Schweizer Bürgerrecht besitzt oder in der Schweiz Wohnsitz hat.

Heutige Verwendung des Schweizerkreuzes Die Verwendung des Schweizerkreuzes ist im Bundesgesetz vom 5. Juni 1931 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen (in der Folge: Wappenschutzgesetz, WSchG) geregelt. Danach darf das Schweizerkreuz nicht als Warenmarke eingetragen und nicht zu geschäftlichen Zwecken auf Waren angebracht werden. Wird das Schweizerkreuz auf Waren angebracht, um deren Herkunft (Schweiz) zu bezeichnen, so gilt dies als geschäftlicher Zweck. Das Anbringen des Schweizerkreuzes auf einem Joghurtbecher oder einer Brennpaste mit dem Ziel, den Konsumentinnen und Konsumenten deutlich zu machen, dass das Produkt aus der Schweiz kommt, ist folglich nicht gesetzmässig. Zulässig sind auf Produkten der nicht kommerzielle und der dekorative Gebrauch. So ist zum Beispiel das Anbringen des Schweizerkreuzes auf Souvenirartikeln erlaubt (z.B. ein grosses Schweizerkreuz auf einem T-Shirt oder einer Mütze). In diesem Fall dient das Schweizerkreuz rein dekorativen Zwecken und die Konsumentinnen und Konsumenten erwarten nicht, dass das T-Shirt oder die Mütze in der Schweiz hergestellt worden ist. Auch eine stark stilisierte Nachbildung des Schweizerkreuzes darf auf Produkten angebracht werden, wenn jede Verwechslungsgefahr
mit dem nationalen Hoheitszeichen ausgeschlossen werden kann.

Für Dienstleistungsmarken sowie in der Werbung und auf Prospekten darf das Schweizerkreuz hingegen verwendet werden, sofern es nicht täuschend ist in Bezug auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen. So darf beispielsweise das Unternehmen Swiss Life, das seinen Sitz in der Schweiz hat, das Schweizerkreuz in seinem Logo verwenden. Die Firma Swatch darf in ihrem Prospekt ihre «Swiss made»-Uhren mit einem Schweizerkreuz bewerben. Nicht zulässig wäre dagegen das Anbringen des Schweizerkreuzes auf dem Zifferblatt der Uhr.

Die heute in Bezug auf die Verwendung des Schweizerkreuzes bestehende unterschiedliche Behandlung von Waren (die Verwendung ist grundsätzlich verboten, auch wenn die Ware in der Schweiz hergestellt wird) und Dienstleistungen (die Verwendung ist insbesondere dann zulässig, wenn das Unternehmen seinen Sitz in der Schweiz hat) ist nicht mehr gerechtfertigt; dies vor dem Hintergrund, dass das 6

Bei der Berechnung berücksichtigt werden dürfen Rohmaterialien, Halbfabrikate, Zubehörteile sowie Löhne und Fabrikationsgemeinkosten, nicht aber die Vertriebskosten.

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Schweizerkreuz das marketingmässig wertvollste Schweizer Herkunftszeichen darstellt.

Die Dienstleistungsmarke wurde erst mit der Revision des Markenschutzgesetzes im Jahre 1992 eingeführt. Die damalige Revision sah vor, das Wappenschutzgesetz ganz aufzuheben. Die öffentlichen Zeichen wären den geografischen Herkunftsangaben (gemäss Art. 47 ff. MSchG) gleichgestellt worden, d.h. ihr nicht täuschender Gebrauch wäre grundsätzlich frei gewesen. Der vom damaligen Bundesamt für geistiges Eigentum in die Vernehmlassung gebrachte Vorentwurf löste diesbezüglich bei den Kantonen und den interessierten Kreisen heftige und kontroverse Reaktionen aus. Um die Revisionsvorlage nicht zu gefährden, wurde schliesslich auf die Aufhebung des Wappenschutzgesetzes verzichtet7. Die bestehende Privilegierung der Dienstleistungsmarken gegenüber den Warenmarken (Art. 75 Ziff. 3 MSchG) war schliesslich ein politischer Entscheid, der erst im Rahmen der parlamentarischen Diskussion eingebracht wurde.

Heute sind keine vernünftigen Gründe mehr erkennbar, die für eine Aufrechterhaltung dieser Unterscheidung sprechen. Zudem zeigt die trotz gesetzlichem Verbot weite Verbreitung des Schweizerkreuzes auf Produkten, dass Recht und Realität gegenwärtig weit auseinanderklaffen und Handlungsbedarf besteht. Ebenfalls einer Lösung bedürfen die heutigen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen kommerzieller und dekorativer Verwendung des Schweizerkreuzes.

Rechtsanwendung in der Schweiz und im Ausland Bei der Bezeichnung «Schweiz» stehen den Betroffenen in der Schweiz (typischerweise Schweizer Produzenten, die sich an die Voraussetzungen für den Gebrauch dieser Bezeichnung halten) sowie den Branchen- und Konsumentenorganisationen Zivil- und Strafklage offen, während der gewerbsmässige Missbrauch ein Offizialdelikt darstellt und von den Kantonen von Amtes wegen zu verfolgen ist. In diesem Bereich werden jedoch kaum Verfahren angestrengt. Wegen der spärlichen Rechtsprechung (sie betrifft ausschliesslich traditionelle Produkte wie Kopftücher oder Füllfederhalter und keine komplexeren Waren, die eine erhebliche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit voraussetzen, wie etwa kosmetische oder chemische Produkte) ist unsicher, ob und wie weit beispielsweise die Kosten für Forschung und Qualitätskontrolle als Herstellungskosten betrachtet werden und
falls ja, ob sie bei der Bestimmung der Herkunft berücksichtigt werden können. Verstösse gegen das Wappenschutzgesetz sind in der Schweiz von den Kantonen von Amtes wegen zu verfolgen und jedermann hat zudem die Möglichkeit, Strafanzeige einzureichen.

Auch hier werden Missbräuche nur selten verfolgt.

Im Ausland erweist sich die Durchsetzung des Schutzes der Herkunftsangaben im Allgemeinen und der Bezeichnung «Schweiz» im Besonderen als schwierig. Aufgrund des Territorialitätsprinzips kann jeder Staat ­ unter Vorbehalt der internationalen Verträge ­ eigene Bestimmungen über den Schutz von Herkunftsangaben und nationalen Flaggen erlassen. Das ausländische Recht unterscheidet sich bezüglich Schutzniveau und Legitimation zur Einleitung eines Verfahrens oft deutlich vom Schweizer Recht. Die Auslegung der einschlägigen internationalen Abkommen und die Rechtsprechung zum Thema sind im Allgemeinen vage, was einen Prozess im Ausland nicht nur kostspielig, sondern seinen Ausgang auch unsicher macht. Auch wird eine gerichtliche Durchsetzung im Ausland nur selten angestrengt, haupt7

Botschaft 1991, BBl 1991 I 1 14

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sächlich weil es in den betroffenen Branchen keinen Inhaber der Bezeichnung «Schweiz» gibt, der entscheiden könnte, wie die Bezeichnung «Schweiz» und das Schweizerkreuz zu verwenden und zu verteidigen sind und welcher Fälle missbräuchlicher Verwendung vor Gericht bringen kann.

1.2

Parlamentarische Vorstösse und Bericht des Bundesrates

Die Stärkung des Schutzes der «Swissness» war Inhalt von mehreren parlamentarischen Vorstössen8. Das Postulat 06.3056 Hutter («Schutz der Marke Schweiz») vom 16. März 2006 beauftragt den Bundesrat, dem Parlament die Möglichkeiten darzulegen, mit denen die «Marke Schweiz» besser geschützt werden kann, und insbesondere zu prüfen, inwiefern Handlungsbedarf für Gesetzes- und Verordnungsrevisionen besteht. Das Postulat 06.3174 Fetz («Verstärkung der Marke Made in Switzerland») vom 24. März 2006 beauftragt den Bundesrat, gesetzgeberische und andere Massnahmen zur Verstärkung des Schutzes der Herkunftsbezeichnung «Schweiz» zu prüfen und darüber zu berichten. Der Bundesrat hat beide Postulate am 17. Mai 2006 angenommen. Der Ständerat hat dem Postulat Fetz am 9. Juni 2006 und der Nationalrat dem Postulat Hutter am 23. Juni 2006 zugestimmt.

In Erfüllung der beiden Postulate hat der Bundesrat am 15. November 2006 den Bericht «Schutz der Bezeichnung und des Schweizerkreuzes» verabschiedet. Damit konnten beide Postulate in der Folge abgeschrieben werden9. Der Bericht schlägt vier kohärente Massnahmen für einen wirksameren Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes vor. Der vorliegende Revisionsentwurf kommt dem Hauptanliegen der Postulate nach, nämlich der Revision der heutigen gesetzlichen Regelung zur Verstärkung des Schutzes der Bezeichnung «Schweiz».

Mit der Motion 08.3247 Favre («AOC/IGP-Schutz für waldwirtschaftliche Erzeugnisse») wird der Bundesrat beauftragt eine gesetzliche Grundlage vorzulegen, welche einen wirksamen Schutz der Bezeichnung von traditionellen Erzeugnissen der Schweizer Waldwirtschaft ermöglicht; dies soll anhand einer Eintragung im eidgenössischen Register für geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische Angaben (AOC-IGP-Register) geschehen. Am 19. Dezember 2008 hat der Bundesrat die Annahme der Motion beantragt. Der Nationalrat hat die Motion am 20. März 2009 und der Ständerat am 14. September 2009 angenommen. In Erfüllung dieser Motion soll das Waldgesetz im Zuge der vorliegenden Revision mit dem neuen Artikel 41a (Kennzeichnung) ergänzt werden (vgl. Ziff. 2.2.8). Mit dieser

8

9

Interpellation 05.3211 Zuppiger («Missbräuchliche Verwendung des Schweizer Kreuzes»), Postulat 06.3056 Hutter («Schutz der Marke Schweiz»), Postulat 06.3174 Fetz («Verstärkung der Marke Made in Switzerland»), Anfrage 07.1001 Reymond («Wichtigkeit eines echten Swiss made für die Uhrenindustrie») und Interpellation 07.3666 Berberat («Uhrenbranche. Stärkung der Herkunftsbezeichnung Swiss made»).

Vgl. dazu Bericht des Bundesrates über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2006 vom 9. März 2007 und Anhang 1 des Berichts des Bundesrates vom 7. März 2008 über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahre 2007. Diese beiden Berichte sind auf der Internetseite der Schweizerischen Bundeskanzlei unter der folgenden Adresse publiziert: http://www.bk.admin.ch/dokumentation/publikationen/00290/ 04599/04601/index.html?lang=dt.

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Änderung wird dem Anliegen der Motion entsprochen, weshalb die Abschreibung der Motion beantragt wird.

1.3

Beantragte Neuregelung

Kriterien zur Bestimmung des Orts der Herkunft Die Revisionsvorlage zum MSchG (E-MSchG) legt die Kriterien zur Bestimmung der Herkunft einer Ware fest. Diese Kriterien gelten auch für schweizerische Herkunftsangaben (beispielsweise Bezeichnungen wie «Schweiz», «Genf», «Zürich» usw.). Die Waren werden in drei Kategorien unterteilt: in Naturprodukte, verarbeitete Naturprodukte und industrielle Produkte10. Konkret darf also unter Vorbehalt des geltenden Rechts (siehe den Hinweis bezüglich Medikamente in den Erläuterungen zu Art. 48 E-MSchG) eine Herkunftsangabe rechtmässig auf einem Produkt angebracht werden, wenn die Kriterien der entsprechenden Kategorie erfüllt sind.

Für Naturprodukte (wie Pflanzen, Mineralwasser oder Tiere) bestimmt sich die Herkunft aufgrund eines einzigen Kriteriums, das je nach Art des Produkts variiert.

Sie entspricht beispielsweise dem Ort der Gewinnung für mineralische Erzeugnisse oder dem Ort der Ernte für pflanzliche Erzeugnisse.

Für verarbeitete Naturprodukte (wie z.B. Käse) und für industrielle Produkte (wie z.B. Messer), sorgt ein System, das auf kumulativen Kriterien basiert, für die tatsächliche Anknüpfung des Produkts an den Ort der Herkunft. Für eine detaillierte Darstellung dieser Regelung mit Beispielen siehe die Erläuterungen zu den Artikeln 48 ff. E-MSchG (Ziff. 2.1.2.2). Es sind die folgenden Kriterien: 1.

Die Tätigkeit, mit der die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden (Verarbeitung, Fabrikation, Zusammensetzung, Forschung und Entwicklung), muss in der Schweiz stattfinden. Dabei handelt es sich um eine Tätigkeit, die massgeblich zur Schaffung des Endprodukts beiträgt, weshalb es unumgänglich ist, dieser bei der Bestimmung der Herkunft Rechnung zu tragen.

Bei einem verarbeiteten Naturprodukt wie beispielsweise Käse, muss die Verarbeitung (von der Milch zum Käse) in der Schweiz stattfinden. Ein industrielles Produkt, beispielsweise eine Uhr, muss in der Schweiz zusammengesetzt werden.

2.

10

Es muss ein physischer Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem geografischen Gebiet der Schweiz bestehen. Diese Mindestanforderung ist unerlässlich, um die Kohärenz des Systems der Herkunftsangaben zu gewährleisten. Ansonsten könnten nämlich gewisse Produkte, deren wesentliche Eigenschaften ausschliesslich (oder zu einem grossen Teil) durch Forschung und Entwicklung festgelegt werden, als «Swiss made» bezeichnet werden, obwohl kein einziger Fabrikationsschritt in der Schweiz stattgefunden hat. Folglich muss mindestens ein wesentlicher Fabrikationsschritt in

Die letzte Kategorie umfasst all jene Produkte, die nicht unter die ersten beiden Kategorien fallen. Dazu gehören beispielsweise die handwerklichen Produkte (vgl.

Erläuterungen zu Art. 48c E-MSchG). Der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber umfasst der in der Botschaft verwendete Begriff «industrielle Produkte» sämtliche zu dieser Kategorie gehörende Produkte.

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der Schweiz stattfinden. Entspricht die eigentliche Fabrikation dem Schritt, mit dem die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden, so ist die zweite Voraussetzung (der wesentliche Fabrikationsschritt) bereits mit Realisieren der ersten Voraussetzung erfüllt.

3.

Schliesslich muss ein prozentualer Mindestanteil der Bestandteile, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, oder der Tätigkeit, die zum Wert des Produkts beiträgt, aus der Schweiz kommen. Diese Bestandteile (zum Beispiel die Naturprodukte, aus denen sich das Endprodukt zusammensetzt) oder diese Tätigkeiten sind für die interessierten Verkehrskreise oft von entscheidender Bedeutung. Ohne eine solche Anforderung wäre es möglich, «Schweizer Käse» aus 100 % ausländischer Milch herzustellen. Bei verarbeiteten Naturprodukten wie Käse müssen mindestens 80 % des Gewichts aus schweizerischen Rohstoffen bestehen. Bei industriellen Produkten müssen mindestens 60 % der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen.

Für beide Produktkategorien sieht die neue Regelung Ausnahmen für diejenigen Rohstoffe vor, die nicht in der Schweiz produziert werden können oder die in der Schweiz nicht in genügender Menge vorhanden sind (vgl. Erläuterungen zu den Art. 48b und 48c E-MSchG).

Die ausländischen Herkunftsangaben werden im Ursprungsland definiert. Die Kriterien der Artikel 48a­48c E-MSchG finden auf sie deshalb keine Anwendung. Vorbehalten bleibt eine allfällige Täuschung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten11 sowie die Anwendung der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Der Gesetzesentwurf verstärkt auch das Kriterium der Anknüpfung für die Herkunftsangaben für Dienstleistungen. Ein Unternehmen erbringt Schweizer Dienstleistungen, wenn sein Geschäftssitz in der Schweiz ist und sich ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz befindet. Die bisher ebenfalls möglichen Anknüpfungskriterien der Staatsangehörigkeit bzw. des Wohnsitzes werden aufgehoben (siehe Erläuterungen zu Art. 49 E-MSchG; Ziff. 2.1.2.3).

Schweizerkreuz und andere öffentliche Zeichen Das geltende Wappenschutzgesetz entspricht nicht mehr den heutigen Gegebenheiten. Die Neuregelung ändert diese unbefriedigende Situation. Mit einer präziseren Definition von Wappen, Kreuz und Fahne wird eine klare Grundlage für deren Schutz geschaffen. Grössere Transparenz und Rechtssicherheit schafft die Kompetenz des Bundesrates, die anderen öffentlichen Zeichen der Eidgenossenschaft zu bezeichnen. Mit gleichem Ziel werden auch die kantonalen Hoheitszeichen in ein Verzeichnis aufgenommen, das öffentlich zugänglich ist. Die neu zulässige kommerzielle Verwendung des Schweizerkreuzes legalisiert die heute de facto schon bestehende Situation und stellt das Kreuz der Schweizer Wirtschaft unter klar vorgegebenen Voraussetzungen bewusst als Marketinginstrument zur Verfügung. So soll das Anbringen des Schweizerkreuzes auf einem Joghurtbecher oder einer Mineralwasserflasche mit dem Ziel, den Konsumentinnen und Konsumenten deutlich zu machen, dass das Produkt aus der Schweiz kommt, in Zukunft erlaubt sein. Dem Täuschungsverbot wird weiterhin vollumfänglich Rechnung getragen, indem das Kreuz nur für schweizerische Produkte verwendet werden darf. Im Gegensatz zur 11

Für die Einzelheiten siehe Erläuterungen zu Art. 48 Abs. 5 E-MSchG.

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liberaleren Verwendung des Schweizerkreuzes soll das Schweizerwappen grundsätzlich der Eidgenossenschaft vorbehalten bleiben. Nur wenn besondere Umstände vorliegen, kann das EJPD auf begründeten Antrag hin ausnahmsweise die Weiterbenützung des Schweizerwappens gestatten. Dies ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen oder ein Verein nachweist, dass es bzw. er das Wappen der Eidgenossenschaft oder ein damit verwechselbares Zeichen seit mindestens dreissig Jahren ununterbrochen und unangefochten als Kennzeichen für Waren und Dienstleistungen verwendet hat und dass an der Weiterbenützung ein schutzwürdiges Interesse besteht. Diese Ausnahmeregelung ermöglicht die Weiterbenutzung etablierter Kennzeichen durch Schweizer Traditionsunternehmen. Für die öffentlichen Zeichen des Auslandes wird das Schutzniveau beibehalten und geht somit weiterhin über den international vorgesehenen Mindestschutz hinaus: Auf der staatsvertraglichen Ebene sieht Artikel 6ter der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 1883 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) vor, dass die öffentlichen Zeichen der Mitgliedstaaten (u.a. Wappen, Fahnen, amtliche Prüf- und Gewährzeichen) vor Nachahmung geschützt sind und weder als Marke eingetragen noch kennzeichenmässig benutzt werden dürfen. Dabei beschränkt sich der Schutz dieser Zeichen jedoch auf die Irreführungsgefahr in Bezug auf die Herkunft von Waren und erstreckt sich lediglich auf die Nachahmung der charakteristischen heraldischen Merkmale. Eine heraldische Nachahmung liegt dann vor, wenn trotz der Abwandlung des öffentlichen Zeichens des Auslandes die Marke den Charakter einer Wappendarstellung aufweist und vom Publikum als staatliches Wappen aufgefasst wird. Die PVÜ-Bestimmung gilt zudem nur für Warenmarken, nicht jedoch für Dienstleistungsmarken. Das Wappenschutzgesetz dagegen verbietet die Aufnahme der geschützten Zeichen auch in Dienstleistungsmarken und Geschäftsfirmen. Der Schutz erstreckt sich überdies nicht nur auf heraldische, sondern ­ gleich wie beim Schweizerwappen ­ auf alle verwechselbaren Nachahmungen.

Einführung zusätzlicher Instrumente auf nationaler Ebene zur Verstärkung des Schutzes in der Schweiz und im Ausland Das Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung im Falle des unzulässigen Gebrauchs von Herkunftsangaben und öffentlichen Zeichen wird ausgeweitet:
Erstens soll nicht mehr nur der gewerbsmässige, sondern ­ wie bei den öffentlichen Zeichen ­ jeder vorsätzliche Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben von Amtes wegen strafrechtlich verfolgt werden. Zweitens wird das IGE ausdrücklich ermächtigt, im Falle von vorsätzlichem Missbrauch von Herkunftsangaben oder öffentlichen Zeichen bei der zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörde Strafanzeige einzureichen, und es erhält die Möglichkeit, im Verfahren die Rechte einer Privatklägerschaft wahrzunehmen. Schliesslich wird das Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung durch eine beschränkte zivilrechtliche Klageberechtigung der Behörden abgerundet: Die Klagemöglichkeit beschränkt sich einerseits auf die verschuldensunabhängigen Abwehransprüche der Artikel 52 und 55 Absatz 1 MSchG bzw. von Artikel 20 E-WSchG und besteht andererseits nur insoweit, als Zeichen benützt werden, an denen die betreffenden Gebietskörperschaften ein besonderes Interesse haben (vgl. dazu Ziff. 1.4).

Im Ausland ist das Schweizer Recht aufgrund des Territorialitätsprinzips nicht anwendbar. Die Auslegung der einschlägigen internationalen Abkommen und die Rechtsprechung zum Thema sind im Allgemeinen sehr vage. Zur Verstärkung des Schutzes von geografischen Angaben im Ausland sieht das revidierte Markenschutzgesetz die Schaffung eines Registers für geografische Angaben für andere 8556

Produkte als für Landwirtschaftsprodukte, verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Weine sowie waldwirtschaftliche Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte vor.

Für diese Produkte können Angaben schon heute oder in Zukunft beim BLW eingetragen werden, oder sie profitieren von einem Schutz nach kantonalem Recht gestützt auf die Grundlage des Bundesgesetzes vom 29. April 1998 über die Landwirtschaft (LwG; vgl. Erläuterungen zu Art. 50a E-MSchG; Ziff. 2.1.3). Das neue Register auf der Grundlage von Artikel 50a E-MSchG soll folglich das heutige, vom BLW geführte AOC- und IGP-Register für landwirtschaftliche Produkte ergänzen.

Mit der Möglichkeit der Eintragung in ein Register wird der Schutz der geografischen Angaben offiziell für alle Produkte anerkannt. Man spricht hier von einem Schutz ex ante. Weiter ist im revidierten MSchG vorgesehen, dass die in einem Register (dem heutigen Register des BLW oder dem neuen Register gemäss Art. 50a E-MSchG) eingetragenen Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben sowie die nach kantonalem Recht geschützten Weinbezeichnungen und die (qualifizierten) Herkunftsangaben, die in einer Verordnung des Bundesrates gemäss Artikel 50 MSchG geregelt sind (z.B. die heutige «Swiss made»-Verordnung für Uhren), als geografische Marke eingetragen werden können (vgl. Erläuterungen zu Art. 27a E-MSchG; Ziff. 2.1.1). Der Markeninhaber erhält damit einen Schutztitel. Im Ausland wird es bedeutend einfacher, Schutz zu erlangen und diesen auch durchzusetzen, wenn im Herkunftsland bereits eine staatliche Anerkennung für Ursprungsbezeichnungen oder geografische Angaben oder ein anderer Schutztitel vorliegt und der Inhaber einen entsprechenden Registerauszug vorweisen kann.

Die Herkunftsangaben sind heute schon Gegenstand verschiedener bilateraler Verträge, die die Schweiz abgeschlossenen hat, wie beispielsweise des Französischschweizerischen Vertrags12. Des Weiteren ist der Bundesrat bereits heute bestrebt, die Herkunftsangaben im Allgemeinen und die Bezeichnung «Schweiz» im Besonderen im Rahmen zusätzlicher bilateraler Abkommen oder im Rahmen seiner Verhandlungen über Freihandelsabkommen zu schützen. Der Bundesrat wird sich systematisch dafür einsetzen, das Thema des Schutzes von Herkunftsangaben und insbesondere der Bezeichnung «Schweiz» in diese Abkommen einzubringen, wie dies
zum Beispiel im Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Japan13 geschehen ist, welches am 19. Februar 2009 unterzeichnet wurde und am 1. September 2009 in Kraft getreten ist.

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Ähnliche Verträge hat die Schweizerische Eidgenossenschaft bis anhin abgeschlossen mit: Deutschland (SR 0.232.111.191.36), Spanien (SR 0.232.111.193.32), Ungarn (SR 0.232.111.194.18), Portugal (SR 0.232.111.196.54), der früheren Tschechoslowakei (SR 0.232.111.197.41; heute gültig für die beiden Nachfolgestaaten Tschechische Republik und Slowakei).

SR 0.946.294.632

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1.4

Begründung und Bewertung der beantragten Lösung

1.4.1

Begründung

Kriterien zur Bestimmung der Herkunft Die vorgeschlagenen präziseren Kriterien zur Bestimmung der Herkunft von Waren und Dienstleistungen verstärken den Schutz der Bezeichnung «Schweiz». Dies führt zu mehr Transparenz und erhöht damit die Rechtssicherheit.

Ein erhöhter Schutz und transparentere Kriterien sind notwendig, um den wirtschaftlichen Wert der «Swissness» zu erhalten. Gemäss den Ergebnissen einer neuen Studie14 können sich die Anbieter von Schweizer Produkten und Dienstleistungen dank des vorzüglichen Rufs auf dem Markt leichter positionieren, einen höheren Preis verlangen und ihre Botschaften glaubhafter kommunizieren, sofern diese mit den entsprechenden Werten korrespondieren15. Der wirtschaftliche Wert der «Swissness» wird heute klar erkannt: Eine im Jahr 2005 unter den Mitgliedern des Markenartikelverbandes Promarca durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass über die Hälfte der befragten Unternehmen die Marke «Schweiz» als Co-Brand verwendet und 40 % dies in den nächsten fünf Jahren noch stärker tun wollen16. Aus einer Ähnlichkeitsrecherche geht hervor, dass ungefähr 6400 eingetragene Marken in der Schweiz die Bezeichnung «Schweiz» ­ oder ähnliche Bezeichnungen wie «Switzerland», «Swiss» usw. ­ oder das Schweizerkreuz enthalten17.

Die in der Revisionsvorlage vorgeschlagenen präziseren Kriterien sollen in Bezug auf die Verwendung der Herkunftsangaben zu mehr Klarheit führen. Diese müssen von den Konsumentinnen und Konsumenten besser verstanden werden, damit sie bei Kaufentscheiden berücksichtigt werden können. Die neue Regelung, die auf kumulativen Kriterien beruht, kann dazu führen, dass gewisse Produkte keine Herkunft (im Sinne des Markenschutzgesetzes) mehr haben, da der Herstellungsprozess in zu 14

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Vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Mathias Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke: Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al.,2008; zwei kürzlich erschienene Studien der ETH Zürich zeigen zudem, dass auch im Inland die Konsumenten bereit sind, für Qualitätsprodukte aus der Schweiz beträchtliche Preisaufschläge zu bezahlen, vgl. Conradin Bolliger, Produktherkunft Schweiz: Schweizer Inlandkonsumenten und ihre Assoziationen mit und Präferenzen für heimische Agrarerzeugnisse, Tagungsband der 18. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie, 2008 sowie die Erläuterungen in der Regelfolgeabschätzung in Ziffer 3 dieser Botschaft.

Stephan Feige/Benita Brockdorf/Karsten Sausen, «Swiss made» ­ ein weltweites Gütesiegel, in: Persönlich, Mai 2008, S. 54: «Premium-Image von Leistungen aus der Schweiz wird erneut belegt. Swissness ist nach wie vor eine Markenbotschaft, die für hochwertige, solide und exklusive Produkte steht. Leistungen, die als schweizerisch erkennbar sind, profitieren von diesen Imagefaktoren gewissermassen als «Vorschusslorbeeren». Unternehmen eröffnet dieser Herkunftsnachweis die Möglichkeit, ein Preispremium abzuschöpfen. Denn ein Schweizer Produkt hat eine hohe Glaubwürdigkeit hinsichtlich Exklusivität, wodurch auch höhere Preise einfacher durchsetzbar sind. Generell hilft die Betonung der Schweizer Herkunft zur glaubhaften Unterstützung eine Kommunikationsbotschaft oder Positionierung, sofern diese mit den Werten von Schweizer Produkten korrespondieren».

Vgl. Marco Casanova, Die Marke Schweiz ­ Gefangen in der Mythosfalle zwischen Heidi und Willhelm Tell: Aktuelle Herausforderung im Zusammenhang mit der Verwendung der Marke Schweiz als Co-Branding-Partner, in: Arndt Florack/Martin Scarabis/Ernst Primosch (Hrsg.), Psychologie der Markenführung, Vahlen, München 2007, S. 541 ff.

Stand der Recherche: Ende 2006 (für eine Zusammenfassung der Ähnlichkeitsrecherche siehe http://www.ipi.ch/D/jurinfo/j108.shtm).

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vielen verschiedenen Ländern erfolgt ist und die Rohstoffe ­ trotz ihrer Verfügbarkeit in der Schweiz ­ aus dem Ausland kommen. Dies ist eine Folge der Globalisierung. Gerade das Weglassen der Herkunftsangabe für solche Produkte verhindert jedoch, dass die Konsumentinnen und Konsumenten getäuscht werden. Die Pflicht zur Angabe des Produktionslandes nach den Artikeln 20 und 21 des Lebensmittelgesetzes vom 9. Oktober 1992 (LMG) bleibt aber bestehen. Die neue Regelung verbietet inskünftig beispielsweise klar das Anbringen der Herkunftsangabe «Schweiz» auf der Verpackung von Käse, der in der Schweiz aus 100 % ausländischer Milch verarbeitet worden ist (für die detaillierten Erklärungen siehe die Erläuterungen zu Art. 48 ff. E-MSchG; Ziff. 2.1.2.2). Das Produktionsland (Schweiz) muss hingegen weiterhin angegeben werden, ebenso die Herkunft des ausländischen Rohstoffes nach den Artikeln 15 und 16 der Verordnung des EDI vom 23. November 2005 über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln (LKV).

Die neuen Kriterien schaffen zudem Anreize für die Unternehmen, mehr in der Schweiz zu investieren. Sie dienen als ökonomischer Anreiz für einen starken und innovativen Wirtschaftsstandort Schweiz. Für die industriellen Produkte beispielsweise sieht die Gesetzesvorlage ausdrücklich vor, dass die Kosten für Forschungsund Entwicklungstätigkeit künftig bei der Berechnung des schweizerischen Wertanteils von 60 % der Herstellungskosten berücksichtigt werden können. Die Berücksichtigung der F&E-Kosten bei der Berechnung stellt sicher, dass Unternehmen, die grosse Investitionen in die Forschung und Entwicklung ihrer Produkte getätigt haben, vom Mehrwert der Bezeichnung «Schweiz» respektive des Schweizerkreuzes profitieren können, sofern alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.

Die verstärkte Anknüpfung an den Herkunftsort des Produkts oder der Rohstoffe trägt schliesslich den mit jeder Produktion einhergehenden ökologischen Aspekten Rechnung. Aufgrund der neuen Regelung kann ein Unternehmen, das industrielle Produkte herstellt und unter dem Label «Swiss made» produzieren möchte, die Transportkosten (die erheblich sein können, wenn ein Bestandteil des Endprodukts aus dem Ausland kommt) nicht bei der Berechnung der 60 % der Herstellungskosten berücksichtigen (Art. 48c Abs. 3 Bst. d E-MSchG). Möchte ein
Produzent von verarbeiteten Naturprodukten vom Mehrwert der «Swissness» profitieren, so darf er nicht mehr als 20 % der Rohstoffe, aus denen das Produkt sich zusammensetzt, aus dem Ausland importieren.

Eine Neuregelung für geografische Angaben, die sich auf spezifische Orte der Schweiz beziehen (z.B. «Genf»), entspricht ­ auch wenn sie nicht zur eigentlichen Frage der «Swissness» gehört ­ dem gleichen Bedürfnis wie die Neuregelung für die Bezeichnung «Schweiz» und sollte daher gleich behandelt werden. Aus diesem Grund soll die Regelung als Ganzes revidiert werden.

Andere Schutzformen Artikel 50 MSchG gibt den Wirtschaftsbranchen die Möglichkeit, die Voraussetzungen näher zu umschreiben, unter denen eine (qualifizierte) schweizerische Herkunftsangabe gebraucht werden darf. Der Bundesrat hat in seinem Bericht vom 15. November 2006 an diese Möglichkeit erinnert (vgl. Ziff. 1.1), kommt jedoch zum Schluss, dass dieses Instrument allein nicht genügt, um den Schutz der Herkunftsangaben zu verstärken. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat zwei zusätzliche Massnahmen vor: erstens die Schaffung eines Registers für geografische

8559

Angaben für alle Produkte, mit Ausnahme der Landwirtschaftsprodukte, der verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte18, der Weine19 sowie der waldwirtschaftlichen Erzeugnisse und ihrer Verarbeitungsprodukte20; zweitens die Möglichkeit, beim BLW oder beim IGE registrierte Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben und Weinbezeichnungen, die gemäss kantonalem Recht geschützt sind, sowie geografische Angaben, die in einer Verordnung des Bundesrates im Sinne von Artikel 50 MSchG geregelt sind, als geografische Marke einzutragen.

Register für geografische Angaben Die Schaffung eines zweiten Registers für geografische Angaben hat in mehrfacher Hinsicht Vorteile. Sie ermöglicht einen Schutz ex ante und setzt der Unvorhersehbarkeit und der Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Schutzobjekt ein Ende. Der im MSchG vorgesehene Schutz ex post wird nämlich nur im Falle eines Rechtsstreits greifbar. Gleichzeitig schafft ein solches Register für geografische Angaben eine rechtliche Grundlage dafür, dass Produzenten sich für ein Produkt einsetzen können.

Die Publizität, die sich mit der Eintragung der geografischen Angabe ergibt, führt zu einer Verstärkung des Schutzes. Der Schutz ex ante hat überdies den grossen Vorteil, dass die Erlangung und die Durchsetzung des Schutzes im Ausland vereinfacht wird. Zudem wird die Position der Schweiz auf internationaler Ebene gestärkt, insbesondere im Rahmen der Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO), wo die Möglichkeit der Schaffung eines multilateralen Registers für alle geografischen Angaben der WTO-Mitgliedsländer verhandelt wird. Das Bestehen eines zweiten schweizerischen Registers für geografische Angaben stärkt die Glaubwürdigkeit der Schweiz im Rahmen dieser Verhandlungen. In diesem Sinne kommt die Schaffung eines Registers den Anliegen der Interpellationen 04.3350 von Ständerat Epiney und 04.3257 von Nationalrat Germanier («WTO. Schutz geografischer Angaben») vom 16. Juni 2004 und vom 7. Mai 2004 entgegen; diese verlangen, dass sich die Schweiz im Rahmen der WTO-Verhandlungen und im Interesse aller Benutzerinnen und Benutzer von geografischen Angaben für die Schaffung eines multilateralen Registers einsetzen soll. Auch für zukünftige Verhandlungen von bilateralen Verträgen oder von Freihandelsabkommen, welche den Schutz geografischer Angaben verstärken
wollen, ist ein Register für geografische Angaben nützlich. Aus Sicht der betroffenen Länder ist ein solches Register sogar notwendig, da die Listen mit geografischen Angaben, die in den Verhandlungen zu den Abkommen erstellt werden, an Glaubwürdigkeit gewinnen. Mit der weltweiten Entwicklung der geografischen Angaben führen immer mehr Länder (zum Beispiel Indien und Mexiko) Register für solche Angaben für alle Produkte ein. Das indische Register enthält 33 geografische Angaben für Landwirtschaftsprodukte und 84 Angaben für handwerkliche und industrielle Produkte. Der Schutz dieser Bezeichnungen durch Registrierung (Schutz ex ante) wird damit zum international anerkannten Standard. Entsprechend sollten auch die Schweizer Produzenten für alle Arten von Produkten von diesem rechtlichen Instrument profitieren können und nicht nur für Landwirtschaftsprodukte und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, für die auf Bundesebene bereits ein vom BLW geführtes Register besteht.

18 19 20

Ein Register für diese Erzeugnisse wird bereits in Art. 16 LwG geregelt.

Der Schutz von Weinbezeichnungen fällt in Zuständigkeit der Kantone.

Für den Schutz von geografischen Herkunftsangaben für waldwirtschaftliche und verarbeitete waldwirtschaftliche Erzeugnisse vgl. Ziffer 2.2.8.

8560

Geografische Marke Nach der geltenden Regelung kann eine Ursprungsbezeichnung (zum Beispiel «Gruyère») oder eine geografische Angabe (z.B. «Waadtländer Saucisson») nicht als Wortmarke eingetragen werden. Ursprungsbezeichnungen oder geografische Angaben müssen für alle frei verwendbar sein (sie gehören zum Gemeingut) und sind von der Eintragung als Marke ausgeschlossen (Art. 2 Bst. a MSchG). Die Eintragung als Marke ist jedoch möglich für ein Zeichen, bestehend aus einem Element, das frei verfügbar sein muss (i.S.v. Art. 2 Bst. a MSchG), in diesem Fall die Ursprungsbezeichnung oder die geografische Angabe, und einem Bestandteil, der dem Zeichen Unterscheidungskraft verleiht. Dies wäre beispielsweise der Fall bei einer Marke, die aus dem Wort «Gruyère» und einem grafischen Bestandteil besteht.

Der Revisionsentwurf gibt in Zukunft jeder Gruppierungen die Möglichkeit, ihre registrierte Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe21 in Abweichung von Artikel 2 Buchstabe a MSchG als geografische Marke (siehe Art. 27a E-MSchG; Ziff. 2.1.1) zu hinterlegen, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Marke besteht aus einer im Register des BLW eingetragenen Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe oder aus einer im neu vorgesehenen Register gemäss Artikel 50a E-MSchG eingetragenen geografischen Angabe (vgl. Art. 50a E-MSchG; Ziff. 2.1.3). Dieselbe Möglichkeit sieht der Revisionsentwurf auch für die Kantone vor, die Weinbezeichnungen nach Artikel 63 LwG schützen, sowie für die Dachverbände derjenigen Branchen, die von einer Verordnung des Bundesrates im Sinne von Artikel 50 Absatz 2 E-MSchG profitieren. In Übereinstimmung mit dem TRIPS-Abkommen und der PVÜ muss eine solche Registrierung auch für die geografischen Angaben möglich sein, die von einer gleichwertigen ausländischen Regelung profitieren (vgl. Art. 27a E-MSchG; Ziff. 2.1.1). Das von den Artikeln 27 ff. E-MSchG vorgesehene System der geografischen Marke setzt zwingend die vorgängige Registrierung der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe in ein schweizerisches Register, den Schutz der kantonalen und bundesrechtskonformen Weinbezeichnung oder das Bestehen einer Verordnung des Bundesrates gemäss Artikel 50 Absatz 2 MSchG voraus. Die geografische Marke hat eine Sonderstellung, da die Voraussetzungen für ihren Gebrauch
durch einen Verweis auf das Pflichtenheft, auf die kantonale Gesetzgebung oder auf die entsprechende Verordnung des Bundesrates geregelt werden.

Dieses Vorgehen stimmt mit der Position der Schweiz im Rahmen der WTOVerhandlungen überein. Die Schweiz strebt nach einem höheren internationalen Schutzniveau für geografische Angaben als ein eigenständiges Immaterialgüterrecht.

Dadurch könnten nämlich alle Besonderheiten des Schutzes solcher Angaben besser erfasst und ihre missbräuchliche Verwendung im Ausland wirksamer verhindert werden. Auch unter einem offensiven Blickwinkel ist der doppelte Schutz (als geografische Angabe und als geografische Marke) sinnvoll, da die Schutzstandards des TRIPS-Abkommens für die geografischen Angaben in verschiedenen Ländern über das Markenrecht und nicht über ein spezifisches Schutzsystem für die geografischen Angaben durchgesetzt werden. Die Schweiz hat demnach ein Interesse daran, für ihre Exportprodukte die bestmöglichen Schutzinstrumente zur Verfügung zu stellen. Mit Hilfe der geografischen Marke soll in erster Linie die Erlangung des Schutzes für die geografische Angabe im Ausland vereinfacht werden. Für Produzenten ist sie ein zusätzliches Instrument zur Verstärkung des Schutzes im Ausland für 21

Gemäss Art. 16 LwG.

8561

registrierte Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben, für nach kantonalem Recht geschützte und bundesrechtskonforme Weinbezeichnungen, sowie für geografische Angaben gemäss einer Verordnung des Bundesrates. Sie erlaubt es, gewisse Vorteile des Madrider Systems (System betreffend die internationale Registrierung von Marken) zu nutzen, wie zum Beispiel das Hinterlegen eines einzigen Gesuchs für die Eintragung einer Marke, in dem alle oder ein Teil der Mitgliedsländer benannt werden. Ausserhalb dieses Systems muss jedes Gesuch um Registrierung bei der jeweiligen nationalen Behörde des Landes hinterlegt werden, für welches der Schutz beantragt wird. Im Rahmen des Madrider Systems wird der Schutz nicht automatisch erteilt, denn jedes benannte Mitgliedsland wird das Gesuch um Registrierung entsprechend der nationalen Gesetzgebung prüfen. Wird der Schutz gewährt, so geniesst der Markeninhaber in den benannten Mitgliedsländern den gleichen Schutz, wie wenn er die Marke in diesen Ländern einzeln eintragen lassen hätte.

Schweizerkreuz und andere öffentliche Zeichen Das Wappenschutzgesetz ist der wirtschaftlichen Realität nicht mehr angemessen.

Es liegen keine hinreichenden Gründe mehr vor, die bisherige Regelung beizubehalten: Obwohl die Verwendung des Schweizerkreuzes auf Waren heute gesetzlich verboten ist, wird das Schweizerkreuz von unzähligen Firmen auf ihren Waren angebracht, um die Herkunft der Produkte zu bezeichnen. Zwei Beispiele: Die Firma Emmi AG bringt auf Milchprodukten und Eiscremes das Schweizerkreuz und die Firma Valser auf Mineralwasser das Wappen an. Eine Liberalisierung der Verwendung des Kreuzes für Produkte schweizerischer Herkunft drängt sich angesichts des grossen Bedürfnisses nach Gebrauch des Schweizerkreuzes als Marketinginstrument auf. Trotz der klaren gesetzlichen Lage, welche durch die kantonalen Behörden von Amtes wegen durchgesetzt werden müsste, werden zudem kaum Verfahren eingeleitet. Mit der nun ausdrücklich im Gesetz verankerten Kompetenz des Bundes, durch das IGE Strafanzeige einzureichen und in ausgewählten Fällen Zivilklage zu erheben, kann der Bund dort eingreifen, wo er es für erforderlich hält. Mit dieser ausdrücklichen Kompetenz wird die Stellung des IGE als zuständige Bundesbehörde im Zusammenhang mit dem Vollzug des neuen Wappenschutzgesetzes gestärkt,
und einem der Hauptziele der Gesetzesrevision ­ verbesserter und verstärkter Schutz des Schweizerkreuzes im Inland ­ kann Nachachtung verschafft werden. Unabhängig davon kann wie bisher jedermann Strafanzeige bei den zuständigen kantonalen Behörden einreichen.

Die geltende Abgrenzung zwischen kommerziellem und dekorativem Gebrauch des Schweizerkreuzes führt auch vermehrt zu Unsicherheiten. So ist zum Beispiel das Anbringen des Schweizerkreuzes auf Souvenirartikeln erlaubt (z.B. ein grosses Schweizerkreuz auf einem T-Shirt oder einer Mütze). In diesem Fall dient das Schweizerkreuz rein dekorativen Zwecken, und die Konsumentinnen und Konsumenten erwarten nicht, dass das T-Shirt oder die Mütze in der Schweiz hergestellt worden ist. Demgegenüber ist das Anbringen des Schweizerkreuzes auf einem Joghurtbecher oder einer Mineralwasserflasche mit dem Ziel, den Konsumentinnen und Konsumenten deutlich zu machen, dass das Produkt aus der Schweiz kommt, kommerzieller Gebrauch und nach geltendem Recht nicht zulässig. Dieses Abgrenzungskriterium soll daher für in der Schweiz hergestellte Erzeugnisse abgeschafft werden.

8562

Ebenso wenig rechtfertigt sich die unterschiedliche Behandlung von Produkten und Dienstleistungen. Gemäss geltendem Recht ist die Verwendung des Schweizerkreuzes für Dienstleistungen zulässig (sofern der Gebrauch in Bezug auf die Herkunft dieser Dienstleistungen nicht täuschend ist), während das Anbringen des Schweizerkreuzes zu geschäftlichen Zwecken auf Waren unzulässig ist. Die historisch begründete Unterscheidung wurde vom Gesetzgeber bei der letzten Revision des MSchG Anfang der neunziger Jahre aus politischen Überlegungen beibehalten. Dieses den Dienstleistungen eingeräumte «Privileg» rechtfertigt sich jedoch nicht mehr, und die ungleiche Behandlung wird aufgehoben. Schweizer Produkte und Dienstleistungen dürfen in Zukunft einheitlich nicht nur als solche bezeichnet werden, sondern auch mit der wohl stärksten Marke der Schweiz ­ dem Schweizerkreuz ­ ausgelobt werden. Damit soll der wirtschaftlichen Realität und dem grossen Marketingpotenzial des Schweizerkreuzes Rechnung getragen werden.

Schliesslich führt die Unterscheidung zwischen Schweizerwappen und Schweizerkreuz dazu, dass das Wappen als Zeichen der Eidgenossenschaft bewahrt wird und grundsätzlich nur noch von dieser gebraucht werden darf. Nur noch in begründeten Ausnahmefällen darf es in Zukunft von traditionellen Schweizer Firmen und Vereinen als Kennzeichen verwendet werden. In diesen Fällen wird den berechtigten Anliegen der Eidgenossenschaft und der Schweizer Wirtschaft in ausgewogener Weise Rechnung getragen und die Weiterbenützung etablierter Kennzeichen von Schweizer Traditionsunternehmen ermöglicht. Das Schweizerkreuz wird hingegen der gesamten Wirtschaft angemessen zur Verfügung gestellt.

Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung Die Rechtsdurchsetzung im Falle des unzulässigen Gebrauchs von Herkunftsangaben beruht heute weitestgehend auf privater Initiative: Einerseits ist zur zivilrechtlichen Leistungsklage berechtigt, wer in seinem Recht an einer Herkunftsangabe beeinträchtigt wird (Art. 55 Abs. 1 MSchG) ­ d.h. die rechtmässigen Benützerinnen und Benützer der Herkunftsangabe ­, andererseits können die in Artikel 56 MSchG genannten Verbände und Konsumentenorganisationen Klage erheben. Eine strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung beim vorsätzlichen Missbrauch von Herkunftsangaben setzt ebenfalls einen Strafantrag des
Verletzten voraus; nur bei gewerbsmässigem Handeln wird die Täterschaft von Amtes wegen verfolgt (Art. 64 MSchG). Demgegenüber wird der unzulässige Gebrauch von öffentlichen Zeichen generell als Offizialdelikt geahndet (Art. 13 WSchG); zivilrechtliche Klagen, die insbesondere auch bei nicht vorsätzlichem Handeln greifen würden, kennt das Wappenschutzgesetz nicht.

In der Rechtspraxis hat sich dieses Instrumentarium als ungenügend erwiesen: Zu oft bleiben ­ teils offensichtliche ­ Verstösse gegen das Gesetz ohne Konsequenzen, weil keine private Partei oder Organisation Klage erhebt bzw. die Strafbehörden von einer Strafuntersuchung oder Bestrafung absehen. Dies hängt insbesondere mit der Natur der Herkunftsangaben zusammen, zu deren Benützung stets ein mehr oder weniger grosses Kollektiv berechtigt ist. Aus der Sicht eines einzelnen klagebefugten Unternehmens mag es deshalb als unverhältnismässig erscheinen, die mit einer Zivilklage verbundenen Aufwände und Kostenrisiken auf sich zu nehmen, um ein Benützungsverbot oder eine andere gerichtliche Anordnung zugunsten des gesamten Kollektivs zu erwirken. Dies gilt erst recht für Bezeichnungen wie «Schweiz», «schweizerisch» oder Symbole wie das Schweizerkreuz, zu deren Gebrauch bei Einhaltung der Vorschriften von Artikel 48­49 MSchG potenziell jedes Unterneh8563

men in der Schweiz berechtigt ist. Bei diesen Zeichen erachten es die privaten Rechtsträger in der Regel nicht als ihre Aufgabe, im Interesse aller Berechtigter einen Rechtsstreit auszutragen. Aus den gleichen Gründen verzichten sie oftmals selbst dann auf eine Strafanzeige, wenn eine Verfolgung von Amtes wegen erfolgen müsste; stattdessen teilen sie den festgestellten Sachverhalt bestenfalls dem IGE mit.

Entsprechend erhalten die Strafverfolgungsbehörden nur selten Kenntnis von Missbrauchsfällen, und auch dann wird die Strafuntersuchung unter Hinweis auf die unklare oder nicht einfach zu eruierende Rechtslage oft entweder gar nicht eröffnet oder später wieder eingestellt.

Vor diesem Hintergrund und in Einklang mit den vom Bundesrat formulierten Massnahmen zur Verstärkung des Schutzes der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes sind Massnahmen zu treffen, welche die Rechtsdurchsetzung beim Missbrauch von Herkunftsangaben und öffentlichen Zeichen verbessern: Erstens soll nicht mehr nur der gewerbsmässige, sondern ­ wie bei den öffentlichen Zeichen ­ jeder vorsätzliche Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben von Amtes wegen strafrechtlich verfolgt werden. Die heutige Fassung von Artikel 64 MSchG lehnt sich an Artikel 61 MSchG betreffend die vorsätzliche Markenrechtsverletzung und damit an den Schutz eines Individualrechts an. Während jedoch aus dem Recht an einer Marke kein Anspruch der Konsumentinnen und Konsumenten auf Schutz gegen Täuschungen abgeleitet werden kann bzw. jener Schutz nur indirekt und insoweit besteht, als sich der Markeninhaber selbst gegen einen unbefugten Markengebrauch wehrt (eine Ausnahme besteht lediglich für Garantie- und Kollektivmarken, vgl. Art. 56 Abs. 2 MSchG), verbietet Artikel 47 Absatz 3 MSchG den Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben auch im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten und damit je nach gekennzeichneter Ware oder Dienstleistung einer breiten Öffentlichkeit. Es rechtfertigt sich deshalb, den vorsätzlichen Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben und denjenigen von öffentlichen Zeichen strafrechtlich gleich zu behandeln (vgl. auch die Angleichung des Strafrahmens bei Gewerbsmässigkeit in Art. 28 Abs. 2 E-WSchG) und Artikel 64 MSchG entsprechend anzupassen.

Zweitens soll das IGE, das Fehlbare bereits heute abmahnt, ausdrücklich
ermächtigt werden, im Falle von vorsätzlichem Missbrauch von Herkunftsangaben oder öffentlichen Zeichen bei der zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörde Strafanzeige einzureichen und damit ein Strafverfahren in die Wege zu leiten. Gleichzeitig soll das IGE im Sinne von Artikel 104 Absatz 2 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO)22 die Möglichkeit erhalten, im Verfahren die Rechte einer Privatklägerschaft wahrzunehmen. Damit kann das IGE neben der Staatsanwaltschaft auf den Gang des Verfahrens einwirken und insbesondere Rechtsmittel (z.B. gegen eine Einstellungsverfügung) ergreifen. Dies ist in den Artikeln 64 Absatz 3 E-MSchG und 31 Absatz 2 E-WSchG neu vorgesehen.

Das Instrumentarium zur Rechtsdurchsetzung wird schliesslich durch eine beschränkte zivilrechtliche Klageberechtigung der Behörden abgerundet: Während eine strafrechtliche Verfolgung stets vorsätzliches Handeln voraussetzt, besteht auch dann ein Interesse an einem gerichtlichen Verbot oder einer anderen Anordnung betreffend den unzulässigen Gebrauch von Herkunftsangaben oder öffentlichen Zeichen, wenn der beklagten Partei nur Fahrlässigkeit oder gar kein Verschulden vorzuwerfen ist. Eine entsprechende Klagemöglichkeit fehlt im WSchG gänzlich, 22

SR 312.0; BBl 2007 6977 (noch nicht in Kraft)

8564

für die Herkunftsangaben wird sie ­ wie oben erwähnt ­ nur ungenügend wahrgenommen. Es soll deshalb eine Klagemöglichkeit des IGE (für den Bund) und der Kantone eingeführt werden, welche sich einerseits auf die verschuldensunabhängigen Abwehransprüche der Artikel 52 und 55 Absatz 1 MSchG bzw. Artikel 20 E-WSchG beschränkt und andererseits je nur insoweit besteht, als Zeichen benützt werden, an denen die betreffende Gebietskörperschaft ein besonderes Interesse aufweist. Diese Klagemöglichkeit wird in den Artikeln 56 Absatz 1 E-MSchG und 22 E-WSchG verankert (siehe für Einzelheiten dazu Ziff. 2.1.5).

1.4.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Kriterien zur Bestimmung der Herkunft Bei der Festlegung der Kriterien zur Bestimmung der Herkunft von Waren ist es nicht angemessen, sich auf die St. Galler Kriterien zu beschränken (vgl. Ziff. 1.1).

Diese beziehen sich nämlich vor allem auf traditionelle Produkte, das heisst auf Waren, bei denen Forschung- und Entwicklung eine untergeordnete Rolle spielen.

Diese Tätigkeiten stellen heutzutage aber oft die Grundlage für die charakteristischen Eigenschaften eines Produktes dar und müssen deshalb mitberücksichtigt werden können.

Geografische Marke Der Bundesrat schlägt vor, das System der geografischen Marke auf eine bereits eingetragene Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe, eine nach kantonalem Recht geschützte und bundesrechtskonforme Weinbezeichnung oder eine bereits existierende Bundesratsverordnung abzustellen (vgl. Ziff. 1.3). Eine weitere Variante wurde vom Bundesrat geprüft und im Vorentwurf vom 28. November 2007 in die Vernehmlassung gegeben. Sie sah eine ähnlichen Lösung vor, wie sie das europäische Gemeinschaftsrecht oder das deutsche Recht kennt: Demnach wäre die Eintragung als Garantie- oder Kollektivmarke für alle Herkunftsangaben möglich, unabhängig davon, ob diese in einem amtlichen Register eingetragen oder durch eine gesetzliche Reglung reglementiert sind. Diese Variante birgt mehrere Nachteile.

Erstens erlaubt sie es nicht, die Repräsentativität der Gruppierung, welche die Garantiemarke hinterlegt, zu gewährleisten. Bei dieser Variante würde es ausreichen, dass sich einige Unternehmen der gleichen Branche mit gemeinsamen Interessen zusammenschliessen, um zu einer Markenhinterlegung berechtigt zu sein. Mit ihrer eingetragenen Marke könnten sie gegen jede Hinterlegung einer gleichen Marke Widerspruch erheben. Zweitens könnte die Gruppierung, welche die Kollektiv- oder die Garantiemarke als erste hinterlegt, Voraussetzungen für die Verwendung festlegen (z.B. Qualitätskriterien), welche über die gesetzlichen Kriterien zu den Herkunftsangaben hinausgehen. Schliesslich könnten Unternehmer der gleichen Branche unter Anwendung des Madrider Systems (vgl. Ziff. 1.4.1), in gewissen Ländern die Marke ­ mit dem Reglement ­ eintragen lassen und in diesen Ländern so ihre eigenen Kriterien auch allen anderen Produzenten, einschliesslich den Schweizer Produzenten, aufzwingen. Die
meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind der Ansicht, eine ungerechtfertigte Monopolisierung der geografischen Angabe müsse unbedingt verhindert werden, weshalb die dargelegte Variante abgelehnt wird. Hingegen wurde die Möglichkeit, eine geografische Angabe als Marke eintra-

8565

gen zu können, so wie sie im Entwurf mit der geografischen Marke vorgesehen ist, in der Vernehmlassung mehrheitlich unterstützt.

In Bezug auf die Möglichkeit der Schaffung einer der Schweizerischen Eidgenossenschaft gehörenden Garantiemarke «Schweiz», hat der Bundesrat die vom Fürstentum Liechtenstein und Italien in dieser Hinsicht ergriffenen Massnahmen analysiert. In Italien wurde am 30. Mai 2005 von der Abgeordnetenkammer ein Gesetzesentwurf angenommen, der die Marke «Made in Italy» schaffen soll (der Vorschlag muss im Senat noch diskutiert werden). Inhaber einer solchen Marke wäre der italienische Staat, und die wichtigste Voraussetzung für die Verwendung beträfe das Herstellungsverfahren, welches vollständig in Italien stattfinden müsste.

Der Entwurf sieht vor, dass die zuständigen Ministerien die genauen Modalitäten für die Verwendung dieser Marke präzisieren müssen. In Liechtenstein wurde eine Marke eingetragen, die sich aus dem in Grossbuchstaben geschriebenen Wortzeichen «Liechtenstein» und aus der Abbildung von fünf stilisierten Kronen zusammensetzt23. Inhaberin dieser Marke ist die Stiftung «Image Liechtenstein», die den Unternehmen, welche die Voraussetzungen gemäss Markenreglement erfüllen, die Verwendung der Marke erlauben kann. So muss das Unternehmen, das die Marke benutzen möchte, seinen Sitz in Liechtenstein haben und angeben, wie es die Marke zu verwenden gedenkt und der Stiftung über die zukünftige Verwendung Rechenschaft ablegen. Dieser Ansatz wurde im Entwurf aus folgenden Gründen nicht weiterverfolgt: Die Alternative einer Garantiemarke «Schweiz» mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Inhaberin trägt der Notwendigkeit nicht Rechnung, den Schutz geografischer Angaben in kohärenter und umfassender Weise zu regeln. Für diese Alternative wäre es nötig, dass sich eine bestimmte Branche, die von dieser Marke «Schweiz» Gebrauch machen möchte, vorgängig auf gemeinsame Kriterien für das Markenreglement einigt. Diese Lösung würde eine Doppelspurigkeit zu der von Artikel 50 MSchG bereits formulierten Möglichkeit darstellen, wonach eine Wirtschaftsbranche sich auf gemeinsame Kriterien einigen und vom Bundesrat die Ausarbeitung einer Verordnung verlangen kann, auf deren Grundlage die Dachorganisation dieser Branche eine geografische Marke im Sinne von Artikel 27a E-MSchG beantragen
kann. Die Verwaltung einer Garantiemarke «Schweiz» durch die Eidgenossenschaft und die konsequente Verteidigung dieser Marke im Ausland hätten für den Bund zudem sehr hohe Kosten zur Folge.

Register für geografische Angaben für Produkte Abstand genommen wurde auch von der Variante, ein Register für geografische Angaben zu schaffen, welche nur die Bezeichnung «Schweiz» enthalten. Diese Lösung trägt der Notwendigkeit nicht Rechnung, den Schutz geografischer Angaben in kohärenter und umfassender Weise zu regeln.

23

Die Marke Liechtenstein wird auf der Internet-Seite des Fürstentums Liechtenstein unter der folgenden Adresse beschrieben: www.liechtenstein.li/dt/ portal_fuerstentum_liechtenstein-fremdsprachig/fl-fremdsprachig-marke.htm.

8566

1.4.3

Ergebnis der Vernehmlassung

1.4.3.1

Durchführung und Ergebnis

Die Vernehmlassung wurde am 28. November 2007 eröffnet und dauerte bis zum 31. März 2008. Sie beinhaltete den Vorentwurf, begleitet von einem erläuternden Bericht. Der Bericht vom 15. Oktober 2008 über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens ist auf der Website des IGE publiziert24.

1.4.3.2

Unbestrittene Punkte

Die allgemeine Stossrichtung des Vorentwurfs ­ die Verstärkung des Schutzes der «Swissness» im Allgemeinen und die Kriterien zur Definition der Herkunft von industriellen Produkten im Besonderen ­ wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens begrüsst. Keine Einigkeit besteht hingegen in Bezug auf die genauen Kriterien. Aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung können im Entwurf jedoch Kompromisslösungen vorgeschlagen werden. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer begrüsst insbesondere das Kriterium, wonach mindestens 60 % der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen müssen. Dieses entspricht einer angemessenen Kompromisslösung zwischen der geringeren Anforderung von 50 % (die von IG Swiss Made, SGV, SFF, FEA, SAA, VBF, fial, SIHK, HaBa, MGB und Ligo Electric verlangt wurden) und einer strengeren Voraussetzung von im Durchschnitt 70 % (die von JU, EKK und kf gefordert wurden). Die Berücksichtigung der Forschungs- und Entwicklungskosten bei der Berechnung des Prozentsatzes wurde ebenfalls diskutiert. Die grosse Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüsst die Berücksichtigung der F&E-Kosten und weist darauf hin, dass dies für den Wirtschaftsstandort Schweiz und insbesondere für die Unternehmen, die grosse Investitionen in die Forschung und Entwicklung in der Schweiz getätigt haben, von grösster Wichtigkeit sei. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprechen sich dafür aus, dass Kosten für Verpackung, Marketing und Kundenservice von der Berechnung der Herstellungskosten auszuschliessen sind.

Die Verstärkung der Kriterien zur Definition der Herkunft von Dienstleistungen wird von praktisch allen Kantonen, den politischen Parteien und den meisten anderen Teilnehmenden begrüsst. Die Vorlage des Bundesrates geht in Richtung einer grundsätzlichen Verstärkung und trägt insbesondere auch den Interessen derjenigen Teilnehmenden Rechnung, denen besonders an der Definition der Herkunftsangabe von Dienstleistungen liegt (v.a. die Banken).

Die Schaffung eines Registers für geografische Angaben für alle Produkte (mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, der verarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, der Weine, der waldwirtschaftlichen Erzeugnisse und ihrer Verarbeitungsprodukte) und die Schaffung neuer Garantiemarken und Kollektivmarken25 wird von praktisch
allen Kantonen, den politischen Parteien und den meisten anderen Teilnehmenden unterstützt. Diese neuen Instrumente, welche die Erlangung und Durchsetzung des Schutzes im Ausland für die Berechtigten der

24 25

http://www.ige.ch/d/jurinfo/j10801.shtm Die Garantie- und Kollektivmarke des Vorentwurfs entsprechen in der vorliegenden Botschaft dem Begriff «geografische Marke» (vgl. Ziff. 2.1.1).

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betreffenden Zeichen vereinfachen, sind in der Vorlage weiterhin vorgesehen, wobei einige in der Vernehmlassung diskutierte spezifische Punkte angepasst wurden.

In Bezug auf die Revision des WSchG wird der Vorentwurf von einer überwiegenden Mehrheit begrüsst und unterstützt (so insbesondere von 20 Kantonen, CVP, FDP, SP, SVP, economiesuisse, SGV, SBV und SGB). Es herrscht Einigkeit darüber, dass das Wappenschutzgesetz nicht mehr der Realität angemessen ist und keine hinreichenden Gründe mehr vorliegen, die bisherige Regelung beizubehalten.

Einigkeit besteht ebenfalls über die Stossrichtung der vorgeschlagenen Revision, die mehr Klarheit und Rechtssicherheit für die Verwendung des Schweizerkreuzes schaffen soll. Die gleichzeitige und koordinierte Revision des MSchG und des WSchG wird als sinnvoll erachtet, die vorgesehene Reservation der öffentlichen Wappen für den hoheitlichen Gebrauch sowie das Gestatten des Flaggengebrauchs für Wirtschaft und Private werden als zweckmässig beurteilt. Mehrheitlich wird mit Nachdruck unterstützt, dass in Zukunft das Schweizerkreuz oder die Schweizerfahne von jedermann sowohl auf Waren als auch im Zusammenhang mit Dienstleistungen verwendet werden darf, sofern die Ware oder Dienstleistung tatsächlich aus der Schweiz stammt. Begrüsst wird in diesem Zusammenhang der Wegfall der bisherigen schwierigen Abgrenzung zwischen erlaubtem, weil dekorativem, und untersagtem, weil kommerziellem Gebrauch. Positiv vermerkt wird, dass Schweizer Produkte und Dienstleistungen neu einheitlich nicht nur als solche bezeichnet, sondern auch mit der wohl stärksten Marke der Schweiz ­ dem Schweizerkreuz ­ ausgelobt werden dürfen. Die Möglichkeit, das Schweizerkreuz nicht nur als Bestandteil einer Dienstleistungsmarke, sondern neu auch als Bestandteil einer Warenmarke einzutragen, wird ebenfalls begrüsst.

Die Unterscheidung zwischen Schweizerkreuz und Schweizerwappen wird von einer überwiegenden Mehrheit unterstützt. Der Grundsatz, dass das Wappen sowie damit verwechselbare Zeichen ausschliesslich von der Eidgenossenschaft verwendet werden darf, wird als zweckmässig und sinnvoll erachtet. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vernehmlassung sind allerdings der Ansicht, der Bund dürfe kein absolutes Monopol für die Benützung des Schweizerwappens in Anspruch nehmen. Sie führen an,
dass Ungerechtigkeiten entstehen können, wenn sich ein wappenähnliches Zeichen bereits im Verkehr als Marke durchgesetzt hat. Sie erachten es als staatspolitisch fragwürdig, wenn der Schutz des Schweizer Hoheitszeichens auf Kosten von Arbeitsplätzen und Firmen in der Schweiz erfolgt, die wesentlich zum guten Ruf der Schweizer Qualität sowie der gesamten Eidgenossenschaft beigetragen haben. Sie fordern deshalb für Firmen und Vereine, die das Wappen oder wappenähnliche Zeichen bereits seit Jahrzehnten als Kennzeichen verwenden, ein Weiterbenutzungsrecht unter strengen Voraussetzungen. Diesen Bedenken hat der Bundesrat Rechnung getragen. Das gesetzlich verankerte Weiterbenützungsrecht ist eine Lösung, die in ausgewogener Weise sowohl den berechtigten Anliegen der Eidgenossenschaft als auch den Interessen von Schweizer Traditionsunternehmen Rechnung trägt, denen es die Weiterbenutzung etablierter Kennzeichen ermöglicht (vgl. Erläuterungen zu Art. 35 E-WSchG).

Die Ausweitung des Instrumentariums des Gemeinwesens zur Rechtsdurchsetzung im Falle des unzulässigen Gebrauchs von Herkunftsangaben und öffentlichen Zeichen wird von den Wirtschaftsverbänden und den Konsumentenorganisationen mehrheitlich unterstützt. Die neue Regelung schaffe Möglichkeiten zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und dem IGE bei der Rechtsdurchsetzung und die Interessen der Allgemeinheit an einem angemessenen Rechtsschutz 8568

seien ausgewogen berücksichtigt. Einige Teilnehmende lehnen jedoch eine Ausweitung des Klagerechts des Gemeinwesens im Grundsatz ab. Der Bundesrat hat diese Interessen berücksichtigt, indem er die zivilrechtliche Klagemöglichkeit des IGE (für den Bund) und der Kantone präzisiert hat: Die Klagemöglichkeit beschränkt sich einerseits auf die verschuldensunabhängigen Abwehransprüche der Artikel 52 und 55 Absatz 1 MSchG bzw. Artikel 20 E-WSchG und besteht andererseits nur insoweit, als Zeichen benützt werden, an denen die betreffenden Gebietskörperschaften ein besonderes Interesse haben. Das IGE soll für den Bund also insbesondere dort eingreifen können, wo Bezeichnungen oder Symbole verwendet werden, die auf das Gebiet der Eidgenossenschaft hinweisen. Im Vordergrund stehen Bezeichnungen wie «Schweiz», «schweizerische» oder «Swiss made» sowie das Schweizerkreuz. Kritisch äusserten sich einige Teilnehmende auch zu den neuen Parteirechten des IGE, da diese Befugnisse in einem Spannungsverhältnis zu dessen Aufgaben stünden. Diesen Stellungnahmen ist indessen entgegenzuhalten, dass die duale Rolle des IGE als entscheidende Behörde bei der Eintragung von Marken sowie als Klägerin in einem Zivilprozess im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung und -durchsetzung gerade gewollt und dieser förderlich ist. In Bezug auf die Parteirechte des IGE wurde deshalb am Vernehmlassungsentwurf festgehalten (siehe Ziff. 2.1.5).

1.4.3.3

Strittige Punkte

Zwei Kantone (GR, VD), HaBa und Ligo Electric verlangen die Harmonisierung des im Revisionsentwurf vorgesehenen Kriteriums der 60 % der Herstellungskosten mit dem 50 % Wertkriterium gemäss den nichtpräferenziellen Ursprungsregeln (Zollvorschriften). Ganz allgemein verlangen SIHK und VBF, dass die beiden gesetzlichen Regelungen harmonisiert werden, um die negativen Folgen unterschiedlicher Bestimmungen für die Unternehmen zu vermeiden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es zwischen den nichtpräferenziellen Ursprungsregeln und den Herkunftsangaben gemäss dem Markenschutzgesetz grundlegende Unterschiede gibt, weshalb sie unterschieden werden müssen. Jede dieser Regelungen verfolgt unterschiedliche Zwecke. Die Regeln zu den Herkunftsangaben gehören zum Kennzeichenrecht. Sie schreiben vor, dass die verwendeten Herkunftsangaben zutreffend sein müssen und tragen zum lauteren und unverfälschten Wettbewerb bei. Die Bestimmungen zur Herkunft müssen beispielsweise gewährleisten, dass nur Produkte, die aus einem festgelegten geografischen Gebiet stammen und der Qualität sowie dem Ruf des Wirtschaftsstandortes «Schweiz» entsprechen, mit Angaben wie «Schweiz», «Swiss» oder anderen Hinweisen auf die Schweiz versehen werden dürfen. Die nichtpräferenziellen Ursprungsregeln dienen der Durchsetzung der Zollmassnahmen und des Aussenhandels. Sie bezeugen nicht die tatsächliche Herkunft eines Produkts oder seine Qualität, sondern sollen bestätigen, dass wenn eine «ausreichende Verarbeitung» an einem Produkt ­ im Sinne der zollrechtlichen Ursprungsregeln ­ in einem bestimmten Zollgebiet stattgefunden hat («Land» oder «Zollunion»), dieses Produkt als (zollrechtlich) aus «x» oder «y» kommend anerkannt wird. Die Handhabung der nichtpräferenziellen Ursprungsregeln (ehemals «autonome» Ursprungsregeln) folgt seit Jahrzehnten den «Standards» der UNO, der Weltzollorganisation und der WTO. Die Schweiz hat diese internationalen Standards übernommen und ist folglich durch das Völkerrecht gebunden (vgl. Ziff. 5.2). Die unilaterale Einführung neuer Hemmnisse in diesem Bereich ist demnach nicht möglich und auch nicht 8569

wünschenswert. Eine Verstärkung des Schutzes der Herkunftsangaben wurde hingegen explizit vom Parlament verlangt (Postulate 06.3056 und 06.3174, siehe Ziff. 1.2) und kann auf Gesetzesebene konkretisiert werden.

Zehn Kantone (ZH, SZ, ZG, BL SH, SG, AG, TG, TI, GE) und ein Teil der Wirtschaftsverbände (SGV, Proviande, economiesuisse, PROMARCA und fial, die jedoch eine Koexistenz für möglich hält, sowie VKCS, kf, Coop und MGB) beantragen, die Lebensmittel vom Geltungsbereich der Definition der geografischen Herkunft gemäss dem Markenschutzgesetz auszunehmen. Begründet wird dies hauptsächlich damit, dass die Angabe der Herkunft in der Lebensmittelgesetzgebung heute unabhängig von einem Kostenkriterium festgelegt wird. Im Vorentwurf wurde ein solches Kriterium eingeführt, was zur Folge hätte, dass die Angabe der Herkunft von Schwankungen der Rohstoffpreise abhängig gemacht würde. Der Bundesrat hält den Ausschluss der Lebensmittel von der neuen Definition der Herkunft für zu radikal, da er zu einer Lücke führen würde: Die Lebensmittel wären nicht mehr im MSchG geregelt und könnten somit auch nicht mehr von der Verstärkung der Regeln des MSchG zur Erhaltung des Wertes der Bezeichnung «Schweiz» profitieren. Würden die Lebensmittel ausgeschlossen, entspräche beispielsweise ein in der Schweiz mit ausschliesslich ausländischer Milch hergestellter Käse den Bestimmungen des Lebensmittelrechts und könnte somit als «Schweizer Käse» verkauft werden (in Grossbuchstaben auf der Vorderseite der Ware angeschrieben). Die neuen Kriterien zur Definition der Herkunft sollen aber genau dies verhindern. Um den verschiedenen Stellungnahmen Rechnung zu tragen und gleichzeitig die Wirksamkeit des Gesetzgebungsprojekts «Swissness» zu wahren, schlägt der Bundesrat folgende Anpassungen in der Vorlage vor: ­

Für die verarbeiteten Naturprodukte ist das Kriterium eines prozentualen Mindestanteils an Rohstoffen dem Kriterium der Herstellungskosten vorzuziehen. Die Vorlage sieht deshalb vor, dass die Herkunft eines verarbeiteten Naturprodukts dem Ort entspricht, wo mindestens 80 % des Gewichts der Rohstoffe herkommen. Das Kriterium der 80 % stellt einerseits sicher, dass der Prozentsatz genügend hoch ist, um glaubwürdig zu sein und bietet andererseits genügend Spielraum, um den wirtschaftlichen Erfordernissen gerecht zu werden.

­

Die Koexistenz der Regeln zu den Herkunftsangaben (MSchG) und der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen (vgl. Erläuterungen zu Art. 48b E-MSchG) wird beibehalten.

Bei den verarbeiteten Naturprodukten und den industriellen Produkten wurde in der Vernehmlassung auf die Problematik der in der Schweiz nicht verfügbaren Rohstoffe hingewiesen. Der Bundesrat hat diesen Stimmen in der Vorlage Rechnung getragen (vgl. Erläuterungen zu den Art. 48b und 48c E-MSchG).

In Bezug auf die Naturprodukte erachtete die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Kriterium des «vollständigen Wachstums» als zu streng. Das allgemeine Kriterium des Prozentsatzes der Herstellungskosten wurde als ungeeignet betrachtet. Im Entwurf sieht der Bundesrat geeignetere Kriterien vor.

8570

1.4.3.4

Diverse Anliegen

Berücksichtigte Anliegen Verschiedene Unternehmen und Wirtschaftsverbände des Fürstentums Liechtenstein verwenden heute die Marke «Suisse Garantie» und fügen die folgende oder eine ähnliche Angabe bei: «Hergestellt im Fürstentum Liechtenstein aus Schweizer Rohstoffen». Sie befürchten nun, dass dies mit der Gesetzgebungsvorlage «Swissness» nicht mehr möglich sein wird, und verlangen deshalb, dass sie für Naturprodukte und verarbeitete Naturprodukte als Schweizer Produzenten betrachtet werden.

Der Bundesrat hält diese Anliegen für berechtigt und trägt ihnen Rechnung, indem das entsprechende geografische Gebiet der Schweiz auch die schweizerischen Zollanschlussgebiete (also das Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein) einschliesst.

Diese erweiterte Definition des massgeblichen schweizerischen Gebiets für die Naturprodukte und die verarbeiteten Naturprodukte rechtfertigt sich aus den folgenden Gründen: Erstens entspricht der Miteinbezug des Fürstentums Liechtenstein in landwirtschaftlichen Belangen einer langen Tradition: Aufgrund des Zollvertrags von 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein und dem damit verbundenen Einbezug Liechtensteins in das schweizerische Zollgebiet (Zollunion)26 gelten zahlreiche schweizerische Rechtsvorschriften im Bereich von Landwirtschaft und Lebensmittel auch unmittelbar für Liechtenstein. Heute besteht im Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittel ein gemeinsamer Beschaffungs- und Absatzmarkt. Weder die liechtensteinischen noch die schweizerischen Unternehmen der Lebensmittelindustrie unterscheiden zwischen Rohstoffen aus dem Fürstentum und Rohstoffen aus der Schweiz. Diese Gewohnheiten wurden zuweilen sogar in Gesetzen verankert. Sie werden auch für Rohstoffe entlang der Grenze so gehandhabt, da es nicht möglich ist, die geografische Grenze für Naturprodukte und verarbeitete Naturprodukte exakt festzulegen. Diese erweiterte Definition des schweizerischen Gebiets wird hingegen für die industriellen und anderen Produkte (Art. 48c E-MSchG) nicht übernommen. Hier werden die Zollanschlussgebiete nicht zum schweizerischen Gebiet gezählt (vgl. Erläuterungen zu Art. 48 Abs. 4 E-MSchG).

Mehrere Fachverbände auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts beantragten, es sei ein Löschungsverfahren vor dem IGE für nicht gebrauchte Marken einzuführen beziehungsweise die
Einführung eines solchen Verfahrens sei zu prüfen. Auch der Wirtschaftsverband economiesuisse sprach sich im Anschluss an die Vernehmlassung für ein Löschungsverfahren vor dem IGE aus. Diesen Stimmen wird Rechnung getragen und ein entsprechendes Löschungsverfahren wird vorgeschlagen (vgl.

Ziff. 2.1.7.5).

Nicht berücksichtigte Anliegen Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchten die Gelegenheit der Gesetzesänderung ergreifen, um die Verbreitung missbräuchlicher Angebote von privaten Markenregistern zu bekämpfen, welche dem Ansehen der Schweiz im Ausland und der Rechtssicherheit im Bereich des Markenschutzes schaden. Solche Angebote werden vom Bundesrat (durch das SECO und das IGE) bereits aktiv bekämpft. Am 2. September 2009 hat der Bundesrat dazu die Botschaft zu einer Änderung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)27 verabschiedet. Diese 26 27

SR 0.631.112.514 BBl 2009 6151

8571

Gesetzesrevision soll den Schutz für diesen spezifischen Bereich und umfassender auch für alle Adressverzeichnisse oder Berufsregister verstärken. Das Einführen einer Spezialbestimmung im MSchG entspräche einer Doppelspurigkeit, weshalb darauf verzichtet wird.

Einige Teilnehmende schlagen der Eidgenossenschaft vor, eine Stiftung zu gründen, mit der Aufgabe, gegen die missbräuchlichen Verwendungen der «Marke Schweiz» im Ausland vorzugehen. Dieser Vorschlag wurde insbesondere aus folgenden Gründen nicht berücksichtigt: Einerseits sollten der Bundeshaushalt und das Budget der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht zusätzlich belastet werden. Andererseits ist es nicht Sache der Eidgenossenschaft, die Rechtsanwendung im Ausland zu finanzieren, sind es doch Private, die den wirtschaftlichen Nutzen aus der Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes auf ihren Produkten und Dienstleistungen im Ausland haben.

1.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Durch die Gesetzesrevision werden neue Aufgaben geschaffen, nämlich die Bildung eines Registers für geografische Angaben für alle Produkte, die Verwaltung dieses Registers (Eintragungsverfahren, Widerspruchsverfahren) sowie die Prüfung der geografischen Marken. Diese neuen Aufgaben werden vom IGE übernommen. Die Auswirkungen dieses zusätzlichen Arbeitsaufwandes auf das Personal und die Finanzen gehen vollständig zu Lasten des IGE, das finanziell unabhängig ist. Für den Bund ergeben sich folglich keine personellen und finanziellen Auswirkungen.

Die Zahl der hinterlegten geografischen Marken wird im Vergleich zur gesamten Anzahl jährlich hinterlegter Marken relativ gering ausfallen. Der zusätzliche Arbeitsaufwand des IGE wird demnach zum grössten Teil die Schaffung und die Verwaltung des Registers für geografische Angaben betreffen.

Dieser zusätzliche Arbeitsaufwand kann über die Gebühren finanziert werden und ist Teil des Vollzugsmandats, das dem IGE gemäss Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGEG) übertragen ist. Angesichts der Wichtigkeit eines wirksamen Schutzes der geografischen Angaben in der Schweiz und im Ausland stehen die Ziele der Neuregelung und die dazu notwendigen Anstrengungen in einem ausgewogenen Verhältnis.

1.6

Rechtsvergleichung, insbesondere europäisches Recht

Dieser Teil der Botschaft basiert auf dem Rechtsgutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung vom 27. Februar 2007 über den Schutz der nationalen Zeichen28.

28

Der Bericht ist auf der Webseite des IGE unter der folgenden Adresse publiziert: http://www.ige.ch/f/jurinfo/j108.shtm. Die in diesem Gutachten vertretene Auffassung ist persönlicher Natur und vermag weder das IGE noch das EJPD zu binden.

8572

Kriterien zur Bestimmung des Orts der Herkunft Die Europäische Gemeinschaft (EG) hat ausser für gewisse Landwirtschaftsprodukte29 weder harmonisierte Bestimmungen noch einheitliche Praktiken in Bezug auf die Herkunftsangaben (oder Ursprungsregeln) erlassen. Es gibt jedoch Richtlinien zu spezifischen Punkten, insbesondere über unlautere (oder gar irreführende) Geschäftspraktiken. Die Richtlinie 2005/29 EG wurde erlassen, um die Konsumentinnen und Konsumenten vor unlauteren Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zu schützen. Gemäss Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b gilt eine Geschäftspraxis als irreführend oder gar als unwahr, wenn die Angabe der geografischen Herkunft nicht korrekt ist.

Für den Handelsverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten wird die Herkunft in der Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften definiert: Eine Ware stammt aus dem Land, in dem sie vollständig gewonnen oder hergestellt worden ist. Wurde die Ware ausgehend von Bestandteilen hergestellt, die aus verschiedenen Ländern stammen, so ist sie Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt. Die Verordnung (EWG) 2454/93 listet die Be- oder Verarbeitungen auf, die ausreichen, um der Ware Ursprungscharakter zu verleihen.

In Bezug auf die Ursprungsbezeichnungen bestehen zwischen den Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten Unterschiede. Das deutsche Recht enthält keine präzisen Regeln zur Bestimmung der Herkunft. Diese bestimmt sich in der Praxis im Wesentlichen auf der Grundlage des Kriteriums der «letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung» des Zollkodex der Gemeinschaften. Wurden gewisse Bestandteile des Produkts ausserhalb von Deutschland gefertigt, so darf die Bezeichnung «Made in Germany» gemäss der deutschen Rechtsprechung dann auf einer Ware angebracht werden, wenn die Leistungen, die nach der Verkehrsauffassung für die Eigenschaft und Qualität des Produktes im Vordergrund stehen, in Deutschland erbracht wurden30.

In Frankreich, wo es keine
spezielle Regelung gibt, befand das Tribunal d'instance de Metz, dass ein Hersteller, der die Bezeichnung «Made in France» für Schuhe verwendete, die in Portugal zusammengesetzt worden waren, keine Widerhandlung begangen hatte, da nur 11­13 % des Wertanteils der Schuhe in Portugal entstanden sind und das Zusammensetzen allein nicht ausreichte, um eine andere Herkunftsbezeichnung zu rechtfertigen31. Italien verfügt schon seit Jahrzehnten über Bestimmungen zur Verhinderung der Verwendung geografischer Angaben, Ursprungsbezeichnungen oder anderer Elemente, welche angeben oder suggerieren, dass eine Ware aus einem Ort kommt, der nicht seiner wahren Herkunft entspricht. So ist zum Beispiel die Bezeichnung «Made in Italy» auf einem Produkt, dessen letzte wesentliche Bearbeitung nicht in Italien stattgefunden hat, widerrechtlich. Ebenso nicht erlaubt ist die irreführende Verwendung von Zeichen, Figuren oder anderen Elemen29

30 31

Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, ABl. L 93 vom 31.3.2006, S. 12.

BGH, GRUR, 1966, 150 ­ Kim I.

TGI Metz, BRDA, 1996/1, S. 13.

8573

ten ­ einschliesslich der Landesfahne ­ welche die Konsumentinnen und Konsumenten glauben lassen, das Produkt sei italienischen Ursprungs32. Der Herkunftsort bestimmt sich ebenfalls auf der Grundlage der Kriterien des Zollkodex der Gemeinschaften33. Es ist demnach möglich, dass die Rohstoffe oder Halbfabrikate aus dem Ausland stammen und die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung in Italien stattgefunden hat.

Grundsätzlich führt der Schutz der Bezeichnung «Made in ...» gemäss der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) potenziell zu nach Artikel 28 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV) verbotenen Beschränkungen des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Tatsächlich kann das Anbringen dieser Bezeichnung die Verbraucher dazu veranlassen, anstelle importierter Erzeugnisse, die mit dem «Made in ...»Gütezeichen versehenen Waren zu kaufen34. Die fakultative Verwendung des Gütezeichens nimmt diesem nicht den Charakter eines Handelshemmnisses, da seine Verwendung den Absatz der fraglichen Erzeugnisse gegenüber den Erzeugnissen, die davon nicht profitieren, begünstigt oder begünstigen kann35.

Liegt eine Einschränkung des Warenverkehrs vor, kann diese gemäss der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sein, insbesondere aufgrund des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, worunter auch der Schutz von Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen fällt. Erfordernisse, die zum hohen Ansehen eines Produktes aufgrund seiner Herkunft beitragen, sind ungeachtet ihrer beschränkenden Auswirkungen auf den Handelsverkehr als gemeinschaftskonform anzusehen, wenn nachgewiesen wird, dass sie ein erforderliches und verhältnismässiges Mittel darstellen36. Im Entscheid «American Bud»37 erachtete der EuGH die geografischen Angaben als gewerbliches und kommerzielles Eigentum, was eine Einschränkung des freien Warenverkehrs gemäss Artikel 30 EGV rechtfertigt.

Das Cassis-de-Dijon-Prinzip Das sogenannte Cassis-de-Dijon-Prinzip ist ein Instrument zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse zwecks Vervollkommnung des europäischen Binnenmarkts. Es geht auf einen Entscheid des EuGH von 1979 zurück38. Das Prinzip besagt, dass aus einem anderen EG-Mitgliedstaat importierte Produkte, die nach den nationalen Vorschriften des Exportlandes hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind, grundsätzlich überall in der EG in Verkehr gebracht werden dürfen. Ein32 33 34

35

36

37 38

Art. 4 Abs. 49 des Finanzgesetzes 2004 (350/2003), kürzlich geändert durch das Finanzgesetz 2007.

Siehe Art. 4 des Gesetzes 350/2003.

Vgl. Urteil des EuGH vom 5. November 2002, Rs. C-325/00, Kommission/Deutschland, Slg. S. I-9977, S. I16, Rn. 23; sowie Urteil des EuGH vom 24. November 1982, Rs. 249/81, Kommission/Irland, Buy Irish, Slg. 1982, S. 4005, Rn. 25 und Rs. C-222/82, Apple and Pear Developement Council, Slg. 1983, S. 4083, Rn. 18.

Vgl. Urteil des EuGH vom 5. November 2002, Rs. C-325/00, Kommission/Deutschland, vgl. oben, Rn. 24 mit Verweis auf das Urteil vom 12. Oktober 1978, Rs. 13/78, Eggers, Slg. 1978, S. 1935, Rn. 26.

Urteil vom 16. Mai 2000, Rs. C-388/95, Belgien/Spanien, Rioja, S. I-3123, Rn. 58 und 59; Urteil des EuGH vom 20. Mai 2003, Rs. C-108/01, Prosciutto di Parma, S. I-5121, Rn. 66.

Urteil des EuGH vom 18. November 2003, Rs. C-216/01, Budejovický Budvar «American Bud», S. I-13617/GRUR Int. 2004, 131; siehe auch die nachfolgende Fussnote.

Urteil des EuGH vom 20. Februar 1979, Rs. 120/78, Rewe Zentral, «Cassis-de-Dijon», Slg. 1979, S. 649, Rn. 14.

8574

schränkungen dieses Prinzips sind nur zulässig, wenn es um die Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses geht.

Register für geografische Angaben für Produkte Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraumes unterstehen der Verordnung (EG) 510/2006. Diese sieht einen Schutz der geografischen Angaben für Landwirtschaftsprodukte und Lebensmittel durch Registrierung vor. Für alkoholische Getränke ist der Schutz ebenfalls durch entsprechende Verordnungen geregelt. Das Register der AOC- und der IGP-Bezeichnungen wird von der Europäischen Kommission verwaltet. Einige Mitgliedstaaten sehen für diese Angaben im nationalen Recht ein spezifisches Schutzsystem vor, welches sich jedoch auf die Bereiche beschränkt, die vom Gemeinschaftsrecht nicht abgedeckt werden, wie beispielsweise die waldwirtschaftlichen Erzeugnisse.

Mit der weltweiten Entwicklung des Rechts der geografischen Angaben führen immer mehr Länder Register für solche Angaben für alle Produkte ein (Indien, Mexiko etc.). Die Registrierung (Schutz ex ante) wird zum international anerkannten Standard für den wirksamen Schutz dieser Angaben (siehe auch Ziff. 1.4.1).

Garantie- und Kollektivmarke Gemäss Artikel 66 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 können Kollektivmarken eingetragen werden, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bestimmung der geografischen Herkunft der Waren oder der Dienstleistungen dienen können. Die Kollektivmarke gewährt ihrem Inhaber jedoch nicht das Recht, Dritten zu verbieten, solche Zeichen oder Angaben im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht. Artikel 15 Absatz 2 der Ersten Richtlinie Nr. 89/104/EWG sieht eine ähnliche Regelung vor und schafft so einen Rahmen für die Mitgliedstaaten, dieses Instrument in ihrem Rechtssystem einzuführen. Gewisse Länder haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. So können Kollektivmarken gemäss Paragraf 99 des deutschen Markengesetzes39 ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Das Gesetz präzisiert jedoch, dass die Eintragung einer geografischen Herkunftsangabe als Kollektivmarke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt,
Dritten zu untersagen, solche Zeichen oder Angaben rechtmässig zu benutzen. Artikel 11 des italienischen Codice della Proprietà Industriale40 enthält eine ähnliche Regelung und sieht für die Eintragung einer Herkunftsangabe als Kollektivmarke eine zusätzliche Voraussetzung vor: So kann das italienische Markenamt die Eintragung ablehnen, wenn die hinterlegte Marke ihrem Inhaber zu einem ungerechtfertigten Privileg verhelfen könnte oder die Entwicklung von analogen Initiativen im entsprechenden geografischen Gebiet beeinträchtigen könnte.

39

40

Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) vom 25. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3082 (1995, 156); 1996, 682), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 7. Juli 2008 (BGBl. I S. 1191).

Codice della Proprietà industriale (CPI), vom 23. Dezember 2004; in Kraft getreten am 19. März 2005 bzw. 19. September 2005 und veröffentlicht in der Gazzetta Ufficiale Nr. 52 vom 4. März 2005.

8575

Der Revisionsentwurf trägt den oben erwähnten Risiken eines Markensystems Rechnung, welches die Eintragung einer Herkunftsangabe als Marke zulässt, aber insbesondere nicht sicherstellt, dass der Hinterleger für die Produzenten, welche die Angabe verwenden, repräsentativ ist oder dass die Voraussetzungen des Markenreglements den gesetzlichen Kriterien entsprechen. Aus diesem Grund sieht der Entwurf ein System vor, wonach eine Herkunftsangabe nur als geografische Marke eingetragen werden kann, wenn die Herkunftsangabe eine bereits eingetragene Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe oder eine nach kantonalem Recht geschützte Weinbezeichnung ist oder auf eine bereits existierende Bundesratsverordnung abstellt (vgl. Ziff. 1.4). Auch wenn sich die Revisionsvorlage von der Gemeinschaftsregelung unterscheidet, so übernimmt sie doch das grundlegende Element, wonach die aus einer geografischen Angabe bestehende Kollektivmarke ihrem Inhaber kein rechtliches Instrument in die Hand gibt, diese Angabe im Geschäftsverkehr für sich zu monopolisieren. Die geografische Marke (vgl. Ziff.

2.1.1) berechtigt den Inhaber einzig, Dritten den Gebrauch der Herkunftsangabe zu verbieten, wenn dieser nicht den im Pflichtenheft festgelegten Kriterien für den Gebrauch der registrierten Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe, der kantonalen Gesetzgebung auf der Grundlage von Artikel 63 LwG oder einer bereits bestehenden gesetzlichen Regelung (Bundesratsverordnung) entspricht. Der Inhaber der geografischen Marke hat keine Möglichkeit, im Laufe des Markeneintragungsverfahrens selbst neue Kriterien festzulegen.

Schweizerfahne Die Fahne der EU wird durch die PVÜ geschützt. Im Gemeinschaftsrecht gibt es kein Instrument zum Schutz der nationalen Zeichen. Aufgrund des Territorialitätsprinzips erlässt jeder Staat ­ unter Einhaltung der internationalen Verträge ­ seine eigenen Regeln zu den Herkunftsangaben und zu seinen Wappen (vgl. Ziff. 1.1).

Auf internationaler Ebene verpflichtet Artikel 6ter PVÜ alle Mitgliedsländer dazu, Wappen, Flaggen und andere staatliche Hoheitszeichen dieser Länder nicht als Warenmarken einzutragen und allgemein ihre Benutzung zu verbieten, sofern keine Berechtigung zum Gebrauch dieser Zeichen geltend gemacht werden kann. Wie diese Verpflichtung letztlich von den Mitgliedstaaten umgesetzt
wird, bleibt den einzelnen Ländern überlassen. So kennen viele Länder nur allgemeine Regeln im Wettbewerbs-, Konsumentenschutz- oder Strafrecht, die diesen Mindestschutz garantieren sollen (Belgien, Frankreich, Irland, Italien). Andere Länder haben dagegen spezielle Gesetze (Liechtenstein, Luxemburg) oder einzelne Sonderregeln (Deutschland) erlassen. So kennt beispielsweise das deutsche Recht einen speziellen Tatbestand, der die unbefugte Benutzung des Schweizerwappens als Ordnungswidrigkeit mit Busse bestraft.

Der von der PVÜ garantierte Schutz erstreckt sich nicht nur auf identische Zeichen, sondern auch auf Nachahmungen. Als Nachahmung gilt aber nicht jedes mit einem Hoheitszeichen oder einem Bestandteil eines solchen verwechselbaren Zeichens.

Vielmehr fallen unter das Nachahmungsverbot nur Zeichen, die charakteristische heraldische Merkmale aufweisen. Geringfügige Abweichungen in den Grössenverhältnissen oder Darstellungsformen können deshalb ausreichen, um dieses Nachahmungsverbot zu umgehen. Letztlich hängt der von der PVÜ garantierte Schutz davon ab, wie der Begriff der «heraldischen Nachahmung» in den einzelnen Mitgliedstaaten ausgelegt wird. Das schweizerische Recht hingegen verbietet nicht nur die Eintragung von Nachahmungen im heraldischen Sinne, sondern auch die Eintragung «verwechselbarer Zeichen» schlechthin (vgl. dazu Ziff. 1.3).

8576

Die PVÜ wie auch einzelne europäische Länder machen einen begrifflichen Unterschied zwischen Wappen und Flaggen. So unterscheiden beispielsweise das österreichische und das liechtensteinische Wappengesetz Wappen und Flagge und behalten deren Gebrauch den Behörden und ihren Körperschaften vor. In Liechtenstein besteht zwar die Möglichkeit, dass Private das Wappen ebenfalls gebrauchen können, wenn sie über eine entsprechende Bewilligung verfügen. Eine solche wird jedoch nur erteilt, wenn wichtige Gründe im Interesse des Landes dafür sprechen und Gewähr dafür besteht, dass das Staatswappen in Ehren verwendet wird. Eine Unterscheidung zwischen Wappen und Flagge fehlt im schweizerischen Recht, da die Schweiz als einziges Land für das Wappen wie auch für die Flagge dasselbe Symbol ­ ein weisses Kreuz auf rotem Grund ­ verwendet. Das geltende Recht spricht zwar von «Wappen der Eidgenossenschaft, der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden oder solche Wappen darstellende[n] Fahnen», hält jedoch die beiden Begriffe begrifflich nicht auseinander. Das E-WSchG unterscheidet zwischen Flagge (Fahne) und Wappen. Der Gebrauch der Schweizer Flagge (Fahne) wird für Private unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Demgegenüber soll der Gebrauch des Wappens grundsätzlich der Eidgenossenschaft vorbehalten bleiben. Nur wenn besondere Umständen vorliegen, kann das EJPD auf begründeten Antrag hin die Weiterbenützung des Schweizerwappens gestatten (vgl. Erläuterungen zu Art. 35 E-WSchG).

Schliesslich ist zu erwähnen, dass alle Mitgliedstaaten der EU Vertragsparteien der Genfer Abkommen sind und somit an das darin enthaltene Verbot der Verwendung des Schweizerwappens sowie aller Zeichen, die eine Nachahmung darstellen (also insbesondere des Schweizerkreuzes) gebunden sind. Weiter verbieten die Genfer Abkommen die Verwendung des Schweizerkreuzes, wenn diese zu einer Verwechslung mit dem Zeichen des Roten Kreuzes führt oder wenn die Nutzung «zu einem gegen die kaufmännische Ehrbarkeit verstossenden Zweck oder unter Bedingungen erfolgt, die geeignet sind, das schweizerische Nationalgefühl zu verletzen». Gemäss diesen Abkommen ist somit die missbräuchliche und verletzende Verwendung des Schweizerkreuzes verboten.

2

Erläuterungen der einzelnen Artikel

2.1

Revision des Markenschutzgesetzes

Die Erläuterungen zu den Bestimmungen des Markenschutzgesetzes sind nach thematischen Gesichtspunkten gegliedert. Sie folgen deshalb nicht ausschliesslich der Artikelnummerierung.

2.1.1

Geografische Marke

Art. 27a und 27b (neu)

Gegenstand und Eintragungsberechtigte

Die interessierten Kreise nehmen eine Ursprungsbezeichnung (z.B. «Gruyère») oder eine geografische Angabe (z.B. «Waadtländer Saucisson») als Hinweis auf die geografische Herkunft wahr und nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen.

Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben sind folglich Kennzeichen, die auf ein bestimmtes geografisches Gebiet hinweisen, nicht jedoch auf eine bestimmte 8577

betriebliche Herkunft im Sinne der markenrechtlichen Herkunftsfunktion. Zudem gehören Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben zum Gemeingut und müssen deshalb für alle frei verwendbar sein (Art. 2 Bst. a MSchG). Aus diesen Gründen ist es nicht möglich, eine gewöhnliche Marke ­ die dem Markeninhaber ein ausschliessliches Recht gewährt ­ eintragen zu lassen, die nur aus einer Ursprungsbezeichnung oder einer geografischen Angabe besteht (vgl. Ziff. 1.4.1).

Eine Gruppierung, die eine Ursprungsbezeichnung41 (z.B. «Gruyère») hat registrieren lassen, kann diese als geografische Marke nach Artikel 27a Buchstabe a hinterlegen, das heisst als ein Zeichen, das die Produkte der zum Gebrauch der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe berechtigten Unternehmen von den Produkten anderer Unternehmen unterscheidet. In Abweichung von Artikel 2 Buchstabe a MSchG kann die Eintragung der Marke nicht mit der Begründung abgewiesen werden, das Zeichen gehöre zum Gemeingut. Diese Abweichung von Artikel 2 Buchstabe a MSchG erlaubt also die Eintragung eines Zeichens als Marke, das für alle Marktteilnehmer, deren Produkte rechtmässig mit diesen Zeichen gekennzeichnet sind, frei verwendbar sein muss (absolutes Freihaltebedürfnis). Das betrifft sowohl Produzenten, welche die Bedingungen des Pflichtenhefts erfüllen (z.B. «Gruyère» für Käse), wie auch Produzenten, die andersartige Produkte aus dem gleichen geografischen Gebiet anbieten, die nicht dem Pflichtenheft unterstehen (z.B. «Gruyère» für Milch, siehe Erläuterungen zu Art. 27d Abs. 2). Die Eintragung als geografische Marke führt folglich nicht dazu, dass zum Gebrauch berechtigte Dritte eine geografische Bezeichnung nicht mehr verwenden dürfen.

Diese neue Markenart unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von einer gewöhnlichen Marke und ihre Regelung enthält zahlreiche Besonderheiten. Da nur die Gruppierung, welche die entsprechende Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe hat eintragen lassen, zur Hinterlegung eines Gesuchs berechtigt ist, wird das IGE Gesuche Dritter von Amtes wegen zurückweisen. Wird die Anmeldung von der Gruppierung hinterlegt, so prüft das IGE hauptsächlich, ob das Markenreglement genau dem Pflichtenheft der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe entspricht (Art. 27c Abs. 2), welches bereits im Rahmen des
Registrierungsverfahrens der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe eingehend geprüft wurde. Der Bundesrat wird die genauen Einzelheiten dieser Prüfung (z.B. ob das Markenreglement mit dem Pflichtenheft übereinstimmt) in einer Verordnung näher umschreiben. Erfolgt die Markenanmeldung vor dem Inkrafttreten des Entscheids über das Gesuch um Eintragung der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe, so wird das Markenprüfungsverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über dieses Gesuch sistiert.

Die geltende GUB/GGA-Verordnung vom 28. Mai 1997 erlaubt bereits heute (in Übereinstimmung mit dem TRIPS-Abkommen) die Registrierung von Bezeichnungen geografischer Gebiete des Auslands in der Schweiz. Um die Kohärenz in der Gesetzgebung zu gewährleisten, soll diese Möglichkeit ausdrücklich ins Landwirtschaftsgesetz aufgenommen werden (Art. 16 Abs 2bis LwG, vgl. Ziff. 2.2.7). So kann die Gruppierung, die eine ausländische Bezeichnung nach Artikel 16 LwG oder Artikel 50a hat registrieren lassen, eine entsprechende Marke nach Artikel 27a Buchstabe a eintragen lassen. Dasselbe gilt für die Gruppierung, deren ausländische Bezeichnung aufgrund eines bilateralen Vertrags in der Schweiz als Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe anerkannt ist.

41

Im Sinne von Art. 16 LwG.

8578

Artikel 27a Buchstabe b sieht vor, dass Kantone, die eine Ursprungsbezeichnung für Wein nach Artikel 63 LwG schützen, eine entsprechende geografische Marke eintragen lassen können. In diesem Fall prüft das IGE, ob die Marke einer geschützten Ursprungsbezeichnung entspricht, die vom jeweiligen Kanton in Einklang mit dem Bundesrecht geschützt wurde. Dies ist der Fall, wenn die entsprechende Bezeichnung im Verzeichnis der kontrollierten Ursprungsbezeichnungen42 des BLW geführt wird. Das Markenreglement muss mit der anwendbaren kantonalen Regelung identisch sein. Aufgrund des TRIPS-Abkommens und der PVÜ muss eine solche Eintragung auch für ausländische Gemeinwesen möglich sein, deren Ursprungsbezeichnungen für Wein den Anforderungen von Artikel 63 LwG entsprechen. Vor der Hinterlegung einer Marke im Sinne von Artikel 27a Buchstabe b E-MSchG muss sich das ausländische Gemeinwesen an das BLW wenden, welches sicherstellt, dass die in der Schweiz gesetzlich geregelten Kriterien auch von der ausländischen Ursprungsbezeichnung für Wein erfüllt werden. Stellt das BLW fest, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, so ist die Hinterlegung der Marke gemäss Artikel 27a E-MSchG möglich.

Gemäss Artikel 27a Buchstabe c E-MSchG kann die Dachorganisation einer Branche, für die der Bundesrat gestützt auf Artikel 50 Absatz 2 E-MSchG eine Verordnung erlassen hat, eine geografische Marke für eine qualifizierte Herkunftsangabe eintragen lassen, die Gegenstand der Verordnung ist. Weil diese qualifizierte Angabe bereits Gegenstand eines vertieften Prüfungsverfahrens beim Verordnungserlass durch den Bundesrat gewesen ist, prüft das IGE in diesem Fall hauptsächlich, ob das Reglement der geografischen Marke mit der Verordnung übereinstimmt. Der Bundesrat wird die Einzelheiten dieser Prüfung in einer Verordnung näher umschreiben. Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie könnte beispielsweise gestützt auf die «Swiss made»-Verordnung für Uhren eine geografische Marke «Schweiz» oder «Swiss made» im Sinne von Artikel 27a Buchstabe c eintragen lassen und würde so über ein zusätzliches Instrument verfügen, um die Bezeichnung «Schweiz» oder «Swiss made» für Uhren vor allem im Ausland konsequent zu schützen. Aufgrund des TRIPS-Abkommens und der PVÜ muss eine solche Eintragung auch für Wirtschaftsbranchen möglich sein, die von einer
gleichwertigen ausländischen Regelung profitieren.

Eine Verordnung des Bundesrats im Sinne von Artikel 50 Absatz 1, welche die Kriterien des Gesetzes näher umschreibt, berechtigt nicht zur Eintragung einer entsprechenden Marke. Dieser Unterschied ist gerechtfertigt: Eine Verordnung gemäss Artikel 50 Absatz 2 regelt die Voraussetzungen, unter denen eine schweizerische Herkunftsangabe für bestimmte Waren oder Dienstleistungen gebraucht werden darf. Eine Verordnung nach Artikel 50 Absatz 1 kann jedoch allgemeinere Fragen regeln, wie zum Beispiel die Einzelheiten zur Berechnung der Herstellungskosten (Art. 48c Abs. 1) oder die Einzelheiten zur Berücksichtigung der Rohstoffe (Art. 48b Abs. 1) und zwar für alle möglichen Produkte. In dieser Verordnung werden also nicht alle Voraussetzungen für den Gebrauch einer bestimmten Herkunftsangabe für ein ganz spezifisches Produkt festgelegt. Somit ist es unmöglich, die Herkunftsangabe, die Waren und den Inhaber zu bestimmen, was jedoch grundlegende Voraussetzungen für eine Markeneintragung sind.

42

Art. 25 der Verordnung vom 14. November 2007 über den Rebbau und die Einfuhr von Wein; SR 916.140.

8579

Die Artikel 27c­27e sind mutatis mutandis auf alle geografischen Marken nach Artikel 27a anwendbar. Der redaktionellen Einfachheit halber beziehen sich die folgenden Erläuterungen nur auf die Marke nach Artikel 27a Buchstabe a.

Art. 27c (neu)

Markenreglement

Der Inhaber einer geografischen Marke soll im Reglement nicht zusätzliche Voraussetzungen einführen dürfen, die im Pflichtenheft oder in der massgeblichen Regelung selber nicht vorgesehen sind. Das Markenreglement muss also dem Pflichtenheft oder der massgeblichen Regelung entsprechen. Oder einfacher ausgedrückt: Das Pflichtenheft oder die Regelung sind das Reglement.

Artikel 27c Absatz 3 schreibt vor, dass das Reglement für den Gebrauch der geografischen Marke kein Entgelt vorsehen darf. In der Tat darf jede Person, die die Voraussetzungen des Reglements erfüllt, eine geografische Marke nach Artikel 27a gebrauchen. Weder schuldet sie dafür dem Inhaber ein Entgelt noch benötigt sie dessen Erlaubnis. Wie bei den entsprechenden Ursprungsbezeichnungen und den geschützten geografischen Angaben stellt diese Bestimmung einen Schutz dar für alle diejenigen Benutzer, die das Markenreglement einhalten. Diese Regel rechtfertigt sich angesichts des besonderen Wesens der geografischen Marke im Sinne von Artikel 27a, wonach Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben von allen frei verwendet werden dürfen, die sich an die im Pflichtenheft definierten Voraussetzungen halten.

Art. 27d (neu)

Rechte

Der Inhaber einer geografischen Marke kann seine Rechte (Ausschliesslichkeitsrechte des Markeninhabers) einzig gegenüber Benutzern geltend machen, die sich nicht an das Pflichtenheft der als Marke geschützten Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe halten. Auch Artikel 50a Absatz 6 verwendet den Begriff «identische oder vergleichbare Waren». Konkret bedeutet dies, dass der Inhaber gegen die Verwendung einer Ursprungsbezeichnung oder einer geografischen Angabe für identische oder vergleichbare Waren intervenieren kann, die nicht aus diesem Ort stammen oder die nicht über die Eigenschaften oder Qualitäten verfügen, die im Pflichtenheft stehen (auch wenn die Produkte tatsächlich aus diesem Ort kommen). Hingegen kann er nicht gegen die Benutzung der Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe für andere, nicht vergleichbare Waren vorgehen, die tatsächlich aus diesem Ort kommen (vgl. Erläuterungen zu Art. 50a Ziff. 2.1.3). Im ersteren Fall kann der Inhaber also in diesem beschränkten Rahmen vom Rechtsschutz nach den Artikeln 52 ff. und 61 ff. MSchG Gebrauch machen. Der Inhaber der Marke «Gruyère», die der Ursprungsbezeichnung entspricht, kann seine Marke vor dem Zivilgericht verteidigen, wenn er die Rechtsmittel des Markenschutzgesetzes nutzt, oder vor dem Kantonschemiker oder der Kantonschemikerin, wenn er die Rechtsmittel des Ursprungsrechts nutzt.

Die Gruppierung, die eine Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe nach Artikel 16 LwG oder Artikel 50a hat registrieren lassen, kann eine geografische Marke nach Artikel 27a eintragen lassen. Da diese Gruppierung aus Benutzern der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe besteht (Produzenten und Hersteller aus dem entsprechenden geografischen Gebiet), muss Artikel 27d Absatz 1 eine Ausnahme vorsehen, die es allen Benutzern, die das Pflichtenheft erfüllen, ermöglicht, die geografische Marke zu gebrauchen. Die Einhaltung der 8580

Gebrauchsvoraussetzungen bleibt trotzdem gewährleistet, da die Ursprungsbezeichnungen oder die geografischen Angaben einer unabhängigen Kontrolle unterliegen (vgl. Erläuterungen zu Art. 50a, Ziff. 2.1.3).

Art. 27e (neu)

Nicht anwendbare Bestimmungen

Die besondere Natur der geografischen Marke nach Artikel 27a (insbesondere ihre Funktion als Vektor, die es erlaubt, im Ausland eine gleichwertige Marke zu erhalten), bringt es mit sich, dass die Inhaberin (repräsentative Gruppierung) die Marke nicht übertragen kann.

Der Markeninhaber gemäss Artikel 27a erhält eine Marke mit einer besonderen Stellung: Das eingetragene Zeichen hat vorgängig bereits ein relativ aufwändiges Verfahren durchlaufen (Eintragung in ein Register im Sinne von Art. 16 LwG oder von Art. 50a), welches gewährleistet, dass die Marke von einer repräsentativen Gruppierung eingetragen wird und dass die Voraussetzungen für den Gebrauch tatsächlich denjenigen des Herkunftsortes entsprechen. Aufgrund dieser besonderen Stellung könnte eine von Dritten hinterlegte Marke, die eine geschützte Bezeichnung enthält (beispielsweise eine Marke, welche die Ursprungsbezeichnung «Gruyère» mit einem Logo kombiniert), nur eingetragen werden für Produkte, die das Pflichtenheft der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe einhalten. Diese Einschränkung wird vom IGE im Rahmen des Eintragungsverfahrens von Amtes wegen angewendet. Eine jüngere Marke, die eine geografische Marke nach Artikel 27a beinhaltet, wird die geografische Marke folglich nicht verletzen. Aus diesem Grund rechtfertigt es sich, die Möglichkeit des Widerspruchs für den Inhaber der geografischen Marke auszuschliessen. Aus den dargelegten Gründen (auf die im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zu Recht hingewiesen wurde) wurde für den Inhaber der geografischen Marke auf die Möglichkeit zum Widerspruch im Sinne von Artikel 27a verzichtet. Dem Markeninhaber stehen jedoch weiterhin die ordentlichen Rechtsmittel zur Verfügung (vgl. Erläuterungen zu Art. 27d).

Der Gebrauch der Marke stellt grundsätzlich eine Voraussetzung für den Bestand ihres Schutzes dar (Art. 11 MSchG). Bei der geografischen Marke ist dies nicht der Fall. Die vorgängige Registrierung als Ursprungsbezeichnung oder als geografische Angabe gewährt ihr nämlich bereits einen eigenständigen Schutz. Aus Gründen der Klarheit enthält Artikel 27e Absatz 3 eine ausdrückliche Ausnahme zu den allgemeinen Bestimmungen über den Gebrauch der Marke und über die Folgen des Nichtgebrauchs. In der Praxis ist es jedoch kaum vorstellbar, dass eine registrierte Ursprungsbezeichnung
oder geografische Angabe während fünf Jahren nicht gebraucht wird.

Ein ausdrücklicher Ausschluss der allgemeinen Bestimmungen zur Nutzniessung, zum Pfandrecht und zur Zwangsvollstreckung (Art. 19 MSchG) ist nicht notwendig, da die besondere Natur der geografischen Marke die Anwendung dieser Bestimmungen ausschliesst.

Art. 31 Abs. 1bis (neu) Der Inhaber einer älteren Marke, die sich aus einer Ursprungsbezeichnung oder einer geografischen Angabe und einem anderen Wort- oder Bildzeichen zusammensetzt (zum Beispiel die Bezeichnung «Gruyère» kombiniert mit einem Logo), kann keinen Widerspruch gegen die allfällige Eintragung der geografischen Marke 8581

«Gruyère» erheben, da sich der Schutz der älteren Marke nicht auf den Bestandteil erstreckt, der zum Gemeingut gehört («Gruyère»). Artikel 31 Absatz 1bis verhindert also, dass Inhaber von kombinierten älteren Marken gegen die geografische Marke Widerspruch erheben und diese so die eingeleiteten Schritte des Inhabers der geografischen Marke verzögern könnten.

Art. 35 Bst. d (neu) Die unabdingbare Voraussetzung für die Eintragung einer geografischen Marke im Sinne von Artikel 27a ist die vorgängige Registrierung der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe gemäss Artikel 16 LwG oder Artikel 50a. Die Löschung dieser Ursprungsbezeichnung oder dieser geografischen Angabe führt demzufolge auch zur Löschung der Markeneintragung. Wäre dies nicht der Fall, so würde die geografische Marke unabhängig von der Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe weiter bestehen, und der Markeninhaber könnte das Reglement ändern und darin seine eigenen Kriterien durchsetzen.

2.1.2

Herkunftsangaben

2.1.2.1

Grundsätze

Artikel 47 MSchG regelt den Grundsatz zum Gebrauch einer Herkunftsangabe. So ist insbesondere vorgesehen, dass der Gebrauch einer unzutreffenden Herkunftsangabe unzulässig ist (Art. 47 Abs. 3 Bst. a)43. Diese Bestimmung umfasst nicht nur das Anbringen der Herkunftsangabe auf dem Produkt oder seiner Verpackung oder ihre Verwendung im Zusammenhang mit den erbrachten Dienstleistungen, sondern jeden Gebrauch der Herkunftsangabe im Geschäftsverkehr, einschliesslich des Gebrauchs in der Werbung im Zusammenhang mit den entsprechenden Produkten oder Dienstleistungen. So ist beispielsweise die Angabe «echte Schweizer Fahrräder» auf einem Werbeplakat ganz klar eine Herkunftsangabe. Sie muss folglich die Voraussetzungen nach den Artikeln 47 ff. erfüllen. Die Angaben «Wienerschnitzel» oder «Zürcher Geschnetzeltes» auf der Verpackung vorgekochter Produkte werden hingegen nicht als Hinweis auf die Herkunft dieser Produkte aufgefasst, sondern als Bezeichnung einer besonderen Speise. Sie sind folglich keine Herkunftsangaben, sondern sogenannte Gattungsbezeichnungen. Die Verwendung des Schweizerkreuzes als Hintergrund einer Werbung für eine Bank stellt eine Herkunftsangabe dar.

Dieser Gebrauch ist nur dann zulässig, wenn die Bank ihren Sitz in der Schweiz hat und sich zusätzlich ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz befindet (Art. 49 Abs. 1). Jede Verwendung von Herkunftsangaben ist demnach im Einzelfall zu prüfen. Würde beispielsweise auf einem Werbeplakat ein Auto mit dem Matterhorn im Hintergrund dargestellt, hätte der Richter die Umstände im Einzelfall nach freiem Ermessen zu würdigen, um festzustellen, ob das Matterhorn in diesem Fall von den massgeblichen Verkehrskreisen als Herkunftsangabe aufgefasst würde oder als rein dekoratives Element, das ganz allgemein auf die Bergwelt verweist.

43

Die Schweiz gewährt allen Produkten ein dem Art. 23 TRIPS-Abkommen analoges Schutzniveau (Verbot, eine unzutreffende Herkunftsangabe zu gebrauchen). Dieses Schutzniveau ist höher als der Schutz gegen Täuschung.

8582

Art. 47 Abs. 3 Bst. c Diese Bestimmung regelt mögliche Überschneidungen zwischen Herkunftsangaben und anderen Kennzeichen. Auch wenn die Auflistung in der heutigen Bestimmung nicht abschliessend ist, drängt es sich aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit auf, die Firma ­ auf welche die Bestimmung auch anwendbar ist ­ ausdrücklich zu erwähnen. Dieser Zusatz entspricht der herrschenden Lehre und kodifiziert die Rechtsprechung44. Die Aufnahme der Firma in die Auflistung erlaubt es, klar darauf hinzuweisen, dass der Gebrauch der Firma, auch wenn er nicht täuschend im Sinne von Artikel 944 Absatz 1 OR ist, im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen unzulässig ist, wenn sich daraus eine Täuschungsgefahr im Sinne des MSchG in Bezug auf die Herkunft ergibt.

Ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen ABC Schweiz AG hat in Anwendung von Artikel 954a OR die Pflicht, die Firma vollständig und unverändert anzugeben, und zwar bei jeder Firmenkorrespondenz oder -kommunikation, zum Beispiel auf seiner Webseite, seinen Visitenkarten oder auf dem Briefpapier. Artikel 47 Absatz 3 Buchstabe c hingegen verbietet es derselben Gesellschaft, die Angabe «ABC Schweiz AG» oder «ABC Schweiz» für Waren ausländischer Herkunft zu gebrauchen, wenn damit der Eindruck erweckt wird, das Produkt sei in der Schweiz hergestellt worden. Der Gebrauch wäre insbesondere dann täuschend, wenn die Angabe «ABC Schweiz AG» oder «ABC Schweiz» deutlich auf dem Produkt oder seiner Verpackung angebracht würde und die Adressatinnen und Adressaten dieser Produkte in dieser Angabe nicht nur einen Hinweis auf das Unternehmen selbst sähen.

Es ist Sache der Unternehmen, der Verpflichtung gemäss Artikel 954a OR nachzukommen, ohne gegen Artikel 47 Absatz 3 Buchstabe c zu verstossen. Sie können dies beispielsweise tun, indem sie die Firma nicht direkt auf den Produkten oder auf deren Verpackung anbringen oder indem sie die Firma nicht in einem Katalog aufführen, falls so die Konsumentinnen und Konsumenten über die Herkunft der Produkte getäuscht werden könnten. Unternehmen, welche in Zukunft ihre Firma zur Kennzeichnung ihrer Produkte verwenden möchten, müssen deshalb bereits bei der Wahl der Firma die Vorgaben von Artikel 47 Absatz 3 Buchstabe c beachten.

Diese Bestimmung auferlegt den Handelsregisterämtern keine zusätzlichen
Aufgaben.

Die Verpflichtung zur Angabe des Herstellers von Lebensmitteln (Art. 2 Bst. f LKV) oder der Zulassungsinhaberin für Medikamente (Art. 12 Abs. 1 AMZV, mit Verweis auf Anh. 1 Ziff. 1 Abs. 1 Bst. c) wird durch diese Bestimmung nicht aufgehoben. Die betroffenen Produzenten haben sowohl diese Verpflichtung als auch Artikel 47 Absatz 3 Buchstabe c einzuhalten.

Art. 47 Abs. 3bis (neu) Artikel 47 MSchG ist nicht nur auf den Gebrauch einer Herkunftsangabe im eigentlichen Sinne anwendbar («Schweiz», «Genf», «Zürich» usw.), sondern auch dann, wenn die Herkunftsangabe zusammen mit unbestimmten Ausdrücken wie «Art», «Typ», «Stil», «Nachahmung» (beispielsweise «nach Schweizer Art», «Zürcher Stil», «Nachahmung Genfer Uhren» usw.) oder ähnlichen Ausdrücken (wie 44

BGE vom 22. Februar 2006 (4C.361/2005), Erwägung 3.4.

8583

«Schweizer Qualität» oder «nach Genfer Rezept») gebraucht wird (Abs. 3bis). Derartige Zusätze vermögen nämlich die Erwartungen der betroffenen Kreise hinsichtlich der geografischen Herkunft der so gekennzeichneten Produkte oder Dienstleistungen nicht zu beseitigen. Der Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben bleibt also auch zusammen mit solchen Ausdrücken unzulässig und zwar unabhängig von einer möglichen Täuschungsgefahr für die Konsumentinnen und Konsumenten. Wird die Angabe hingegen nicht als Hinweis auf die Herkunft, sondern als Bezeichnung des Produkts selbst («Gattungsbezeichnung») wahrgenommen ­ wie dies beispielsweise bei «Wienerschnitzel» oder «Zürcher Geschnetzeltes» der Fall ist (vgl. Ziff. 2.1.2.1) ­, so handelt es sich nicht um eine Herkunftsangabe und ihr Gebrauch fällt nicht unter die Kriterien von Artikel 47 ff. MSchG.

Art. 47 Abs. 3ter (neu) Andere als die unter Artikel 47 Absatz 3bis genannten Bezeichnungen, die auf einer Ware, ihrer Verpackung oder auf Werbematerial angebracht werden, können ­ je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (d.h. der Art und Weise, wie die Bezeichnungen auf der Ware angebracht sind, der verwendeten Schriftzeichen, anderer Elemente der Produktpräsentation usw.) ­ auf die Herkunft des Produktes selbst oder auf die Herkunft spezifischer Tätigkeiten, die mit dem Produkt zusammenhängen verweisen. Dies ist beispielsweise der Fall bei Bezeichnungen wie «Swiss Research» oder «Swiss Engineering» (Ort, an dem die Forschung stattgefunden hat, die zur Herstellung einer Ware beigetragen hat), «verpackt in der Schweiz» (Ort, wo das Verpacken stattgefunden hat), «geprüft in der Schweiz» (Ort, wo die Prüfung stattgefunden hat), «geräuchert in der Schweiz» (bei Lebensmitteln) oder «Swiss Design» (Ort, an dem das Design entworfen wurde).

Im nachfolgenden Beispiel wird die Angabe «Swiss» auf der Verpackung eines Produkts deutlich in Grossbuchstaben hervorgehoben und die Angabe «Research» ist klein unten auf der Verpackung aufgedruckt. Eine solche Kombination wird als Herkunftsangabe der Ware als Ganzes betrachtet, weshalb auch die Bedingungen nach den Artikeln 48 ff. eingehalten werden müssen.

SWISS Research

In einer anderen Kombination ­ wie im nachstehenden Beispiel ­ kann die Bezeichnung hingegen als Hinweis auf die Herkunft einer bestimmten spezifischen Tätigkeit der Produktion wahrgenommen werden.

Swiss research

8584

Gemäss Absatz 3ter muss die gesamte auf dem Produkt erwähnte spezifische Tätigkeit (in diesem Beispiel die Forschung) am angegebenen Ort (in diesem Beispiel in der Schweiz) stattfinden, damit eine derartige Auslobung des Produkts rechtmässig ist.

Indem der Produzent das Augenmerk auf eine spezifische Tätigkeit der Produktion («Swiss Research») legt, weckt er beim Zielpublikum eine ganz bestimmte Erwartung in Bezug auf den Ort, an dem diese besonders hervorgehobene Tätigkeit stattgefunden hat. Aus Sicht der betroffenen Kreise werden deshalb hohe Anforderungen an die Anknüpfung der entsprechenden Tätigkeit an den angegebenen Ort gestellt. Damit die Kohärenz mit den auf das Produkt als Ganzes anwendbaren Kriterien gewährleistet wird (insbesondere mit den 60 % der Herstellungskosten gemäss Art. 48c für die industriellen Produkte), müssen dort, wo eine Herstellungsetappe besonders betont wird, die gesamten Kosten, die für die Erbringung dieser spezifischen Tätigkeit entstehen (in diesem Fall die Forschung), am angegebenen Ort anfallen. Zweck dieser Sonderbestimmung ist es, eine objektive ­ also verifizierbare ­ und seriöse Anknüpfung der spezifischen Tätigkeit an den entsprechenden Ort sicherzustellen. Ein Unternehmen, das zum Beispiel seine chemischen Produkte mit der Bezeichnung «kontrolliert in der Schweiz» versieht, erfüllt die Anforderung von Absatz 3ter nicht, wenn seine Kontrollzertifikate von einer in der Schweiz wohnhaften Person ausgestellt wurden, die keine offizielle Berechtigung für die Durchführung solcher Kontrollen hat. Ebenso setzt die Bezeichnung «Swiss Design» voraus, dass die gesamte Tätigkeit zur Kreation des Designs in der Schweiz stattgefunden haben muss.

Die gleichzeitige Anwendung von Artikel 47 Absatz 3ter und Artikel 3 UWG (unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden und anderes widerrechtliches Verhalten) ist möglich. Beispielsweise muss ein Produkt, auf dem die Bezeichnung «Swiss Design®» angebracht ist, die Voraussetzungen von Artikel 47 Absatz 3ter erfüllen, und das Design, auf das es hinweist, muss zudem offiziell eingetragen worden sein (die Bezeichnung ® verweist auf die Eintragung eines Immaterialgüterrechts durch die zuständige Behörde. Eine Verwendung dieses ® ohne offizielle Eintragung würde gegen Art. 3 Bst. b UWG verstossen).

2.1.2.2 Art. 48

Herkunftsangabe für Waren Herkunftsangabe für Waren

Gemäss Absatz 1 ist die Verwendung einer Herkunftsangabe für eine Ware zulässig, wenn sie die Kriterien der entsprechenden Produktkategorie erfüllt: Naturprodukte gemäss Artikel 48a, verarbeitete Naturprodukte gemäss Artikel 48b und andere Produkte gemäss Artikel 48c.

Die Anwendung anderer Gesetze kann in gewissen Fällen allerdings dazu führen, dass das Anbringen einer Herkunftsangabe verboten ist, obschon sie im Sinne von Artikel 48 ff. zulässig wäre. So ist es beispielsweise nach der Heilmittelgesetzgebung verboten, Werbeelemente auf Behältern und Verpackungsmaterialien von Medikamenten anzubringen. Da Herkunftsangaben bei Medikamenten als Werbeelemente betrachtet werden45, dürfen sie nicht verwendet werden.

45

Dieser Schluss ergibt sich aus Anh. 1 Ziff. 1 Abs. 4 AMZV, und zwar nicht im Sinne einer Ausnahme, sondern in Anwendung des Grundsatzes, dass ein Spezialgesetz dem allgemeinen Gesetz vorgeht.

8585

Weckt die Herkunftsangabe im Zusammenhang mit dem betreffenden Produkt besondere Erwartungen an seine Eigenschaften oder seine Qualität, so handelt es sich um eine qualifizierte Herkunftsangabe. Absatz 2 entspricht materiell dem heutigen Artikel 48 Absatz 2 MSchG. Die Verwendung einer qualifizierten Herkunftsangabe ist nur dann zulässig (i.S.v. Art. 47 Abs. 3 Bst. a MSchG), wenn das Produkt auch die ortsüblichen oder am Herkunftsort vorgeschriebenen Voraussetzungen für seine Eigenschaften oder seine Qualität erfüllt. So müssen beispielsweise mehrere kulinarische Schweizer Spezialitäten, wie die «Basler Läckerli» oder der «Doppelrahm de la Gruyère», die ortsüblichen Herstellungs- oder Verarbeitungsgrundsätze oder Qualitätsanforderungen erfüllen. Verschiedene kantonale Bestimmungen über Weine verlangen ebenfalls zusätzlich die Einhaltung der am Herkunftsort vorgeschriebenen Herstellungs- oder Verarbeitungsgrundsätze oder Qualitätsanforderungen. Die zusätzlich zu erfüllenden Kriterien sowie das massgebliche geografische Gebiet sind ­ entsprechend dem Produkt und der verwendeten Herkunftsangabe ­ von Fall zu Fall zu bestimmen. Werden diese besonderen Eigenschaften oder diese besondere Qualität durch den aus diesem geografischen Gebiet stammenden Rohstoff oder durch in diesem spezifischen geografischen Gebiet vorgenommene Herstellungsschritte erzielt, so ist das für den Rohstoff oder für die Herstellung wesentliche Gebiet kleiner als das schweizerische Staatsgebiet und entspricht dem bezeichneten geografischen Ort. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass der «Doppelrahm de la Gruyère» die am Herkunftsort vorgeschriebenen Herstellungsoder Verarbeitungsgrundsätze oder Qualitätsanforderungen einhalten muss. Dies bedeutet konkret, dass die Milch aus der Region Gruyère stammen muss und dass die Verarbeitung zu Rahm ebenfalls dort stattzufinden hat.

Absatz 3 entspricht materiell dem heutigen Artikel 48 Absatz 3 (erster Teil). Auf internationaler Ebene beruht das Schutzniveau der geografischen Angaben auf mehreren Faktoren. Einer dieser Faktoren ist der Ruf einer geografischen Angabe (Art. 22 Abs. 1 TRIPS). Abkommensstaaten müssen mit anderen Worten ein Schutzsystem zur Verfügung stellen, das mindestens den geografischen Angaben mit einem besonderen Ruf offensteht. Der schweizerische Gesetzgeber ist bewusst
über diesen internationalen Mindeststandard hinausgegangen: Das schweizerische Marken- und Herkunftsrecht wurde 1992 so geändert, dass alle geografischen Namen, die als Herkunftsangaben aufgefasst werden, Schutz geniessen, und zwar unabhängig von ihrem allfälligen besonderen Ruf. Diesem besonderen Ruf wird im schweizerischen Recht bei den qualifizierten Herkunftsangaben Rechnung getragen (siehe oben Abs. 2). Als qualifizierte Herkunftsangaben gelten: die in den Spezialverordnungen des Bundesrates geregelten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben (Art. 50 MSchG), die nach Artikel 16 LwG eingetragenen geografischen Angaben und die im neuen vom Bundesrat zu schaffenden Register eintragbaren Angaben (Art. 50a). Absatz 3 soll die Anwendung der gesetzlichen Kriterien vereinfachen und damit den Entscheid darüber erleichtern, welche Kriterien im Einzelfall zur Anwendung kommen (es kann beispielsweise schwierig sein zu bestimmen, ob für Produkte auf der Basis von Fisch der Art. 48a oder Art. 48b Anwendung findet). Die Voraussetzungen der Artikel 48a­48c müssen in jedem Fall erfüllt sein.

Absatz 4 definiert das territoriale Gebiet, das für die Herkunftsangabe «Schweiz» für Naturprodukte (Art. 48a) und für verarbeitete Naturprodukte (Art. 48b) gilt. Dieses umfasst sowohl das schweizerische Staatsgebiet im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 (ZG), welches auch die Zollausschlussgebiete (die 8586

Täler von Samnaun und Sampuoir) einschliesst, als auch die Zollanschlussgebiete der Schweiz (das Fürstentum Liechtenstein46, die Gemeinden Büsingen47 und Campione). Da die Zollanschlussgebiete nicht zum schweizerischen Staatsgebiet gehören, müssen sie explizit erwähnt werden. Die Zollanschlussgebiete werden in das für die Bestimmung der Herkunft relevante territoriale Gebiet einbezogen, da im Bereich der Landwirtschaft nicht nur eine Zollunion, sondern aufgrund von zwischenstaatlichen Vereinbarungen auch ein gemeinsamer Absatz- und Beschaffungsmarkt besteht. Für die Definition des schweizerischen Staatsgebiets lehnen sich die Bestimmungen des Gesetzgebungsprojekts «Swissness» an das geltende Zoll- und Landwirtschaftsrecht an. Folglich gelten verarbeitete Naturprodukte, hergestellt aus Schweizer Naturprodukten und verarbeitet in einem Zollanschlussgebiet, als Schweizer Produkte. Der Bundesrat erhält schliesslich die Möglichkeit, in einer Verordnung festzulegen, welche ausländischen Territorien der Grenzzone (i.S.v.

Art. 43 ZG) als massgebliches geografisches Gebiet gelten, um die Voraussetzungen zum Gebrauch der Herkunftsangabe «Schweiz» für Naturprodukte und verarbeitete Naturprodukte zu erfüllen. Der Bundesrat wird dabei bestimmen müssen, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einbezug möglich ist, wobei den besonderen Umständen des betreffenden Gebiets Rechnung zu tragen ist. Eine solche Verordnung könnte beispielsweise die gesamten Freizonen Genf oder einen Teil davon betreffen.

Anders als bei den anderen, insbesondere industriellen Produkten (Art. 48c) besteht heute im Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittel innerhalb des schweizerischen Zollgebiets ein gemeinsamer Beschaffungs- und Absatzmarkt. Dies kommt beispielsweise dadurch zum Ausdruck, dass heute an Landwirte für das Erntegut von Kulturen, die auf angestammten Flächen in der Enklave Büsingen angebaut worden sind, Direktzahlungen nach der Verordnung vom 7. Dezember 199848 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft oder Beiträge nach der Verordnung vom 7. Dezember 199849 über Flächen- und Verarbeitungsbeiträge im Ackerbau ausgerichtet werden. Dies gilt auch für das vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement für alle vom Bund mitfinanzierten Absatzförderungsmassnahmen geschaffene gemeinsame Erscheinungsbild
«Schweiz.Natürlich»50. Dieses Erscheinungsbild ist Basis für eine gemeinsame Kommunikation der Herkunft «Schweiz»51. Es ist für Produkte vorgesehen, welche aus dem schweizerischen Staatsgebiet sowie aus den Schweizer Zollanschlussgebieten stammen, sofern mit dem betroffenen Staat eine entsprechende Vereinbarung besteht. Das ist der Fall beim Fürstentum Liechtenstein, welches mit der Schweiz eine Vereinbarung abgeschlossen hat52.

46 47

48 49 50

51 52

Gemäss dem Vertrag von 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet.

Gemäss dem Vertrag vom 23. November 1964 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet.

SR 910.13 SR 910.17 Verordnung des EVD vom 23. August 2007 über das gemeinsame Erscheinungsbild bei vom Bund unterstützten Kommunikationsmassnahmen für Landwirtschaftsprodukte; SR 916.010.2.

Verordnung vom 9. Juni 2006 über die Unterstützung der Absatzförderung für Landwirtschaftsprodukte (LAfV); SR 916.010.

Vereinbarung in Form eines Notenaustauschs vom 31. Januar 2003 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zur Regelung der Beteilung Liechtensteins an Markt- und Preisstützungsmassnahmen der schweizerischen Landwirtschaftspolitik; SR 0.916.051.41.

8587

Um das geografische Gebiet der Schweiz bei Naturprodukten und verarbeiteten Naturprodukten korrekt zu bestimmen, verweist der Begriff «Ort der Herkunft» auf die Herkunft der Rohstoffe (im Sinne der Art. 48a und 48b Abs. 1), der Begriff «Ort der Verarbeitung» auf die Verarbeitung im Sinne von Artikel 48b Absatz 4. Ein Produkt, das beispielsweise Fleisch aus dem Kanton St. Gallen enthält und im Fürstentum Liechtenstein verarbeitet wird, gilt als Schweizer Produkt. Ebenso verhält es sich im umgekehrten Fall, also beispielsweise bei einem in der Schweiz hergestellten Käse aus Büsinger Milch, sowie bei einem in Liechtenstein verarbeiteten Naturprodukt, das aus liechtensteinischen Rohstoffen hergestellt worden ist.

Für andere, insbesondere industrielle Produkte (Art. 48c) entspricht das für die Herkunftsangabe «Schweiz» relevante geografische Gebiet dagegen ausschliesslich dem schweizerischen Staatsgebiet, weil für diese Produkte keine staatsvertraglichen Verpflichtungen bestehen, wie dies bei den Naturprodukten und den verarbeiteten Naturprodukten der Fall ist. Es umfasst folglich die Zollanschlussgebiete nicht, schliesst aber die Zollausschlussgebiete mit ein, da diese zum schweizerischen Staatsgebiet gehören. Eine in Liechtenstein hergestellte Uhr zum Beispiel gilt daher nicht als Schweizer Produkt (für die Einzelheiten zu den Unterschieden zwischen Art. 48 Abs. 4 und Art. 3 ZG siehe Ziff. 1.4.3.4).

Absatz 5 regelt den Gebrauch der ausländischen Herkunftsangaben («Parmaschinken», «Porzellan aus Limoges» usw.). Gemäss Absatz 5 erster Satz gilt eine ausländische Herkunftsangabe als zutreffend, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen des entsprechenden Landes (also des Ursprungslandes) erfüllt. Die Kriterien der Artikel 48a­48c finden auf sie deshalb keine Anwendung. Davon ausgenommen sind nach Absatz 5 zweiter Satz die Fälle, in denen die gesetzlichen Anforderungen des entsprechenden Landes in keiner Weise mit den berechtigten Erwartungen der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten übereinstimmen und letztere deshalb getäuscht würden. Dieses Kriterium ist bereits im Lebensmittelrecht vorgesehen (Art. 18 LMG und Art. 10 LGV). Im Falle einer Verletzung von Artikel 48 Absatz 5 können die Betroffenen (z.B. konkurrierende ausländische Produzenten oder Schweizer Konsumentenverbände) gerichtlich vorgehen. Auch
die Kantonschemikerinnen und Kantonschemiker müssen hier von Amtes wegen einschreiten, um die Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts sicherzustellen. Sie stützen sich insbesondere auf das allgemeine Kriterium der Irreführung. Dabei erfasst der Begriff der Irreführung sowohl den Gebrauch, der Konsumentinnen und Konsumenten irreführen kann, als auch den Gebrauch, der unlauteren Wettbewerb darstellt. Damit werden auch Wettbewerbshandlungen erfasst, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderlaufen.

Die Definition der geografischen Angaben in Artikel 22 Absatz 1 des TRIPSAbkommens enthält ebenfalls Elemente der Extraterritorialität. Aus diesem Grund ist im Bestimmungsland die Definition des Herkunftslandes mit zu berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf die objektiven Elemente der Definition (Qualität und Eigenschaften des Produkts).

Vorbehalten bleiben die internationalen Verträge. Besteht ein bilateraler oder multilateraler Vertrag, so ist nicht mehr die Wahrnehmung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten, sondern ausschliesslich die Definition des Herkunftslandes massgebend. Die Herkunftsangaben sind heute schon Gegenstand verschiedener bilateraler Verträge, welche die Schweiz abgeschlossenen hat, wie beispielsweise des Französisch-schweizerischen Vertrags. Diese Verträge verweisen auf die Voraussetzungen wie sie im Herkunftsland vorgesehen sind (vgl. Art. 2 (1) des Franzö8588

sisch-schweizerischen Vertrags). Die Schweiz und die Europäische Union verhandeln ausserdem zurzeit über ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der AOC und der IGP-Bezeichnungen für Landwirtschaftsprodukte und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte. Tritt dieses Abkommen in Kraft, so sind auf die betreffenden AOC- und IGP-Bezeichnungen aus der Europäischen Union die Bestimmungen dieses Abkommens anwendbar und nicht die Bestimmungen des MSchG.

Art. 48a

Naturprodukte

Die Herkunft eines Naturprodukts (zum Beispiel Obst) bestimmt sich anhand eines Kriteriums, das dem Produkttyp angepasst ist (mineralisches, pflanzliches oder tierisches Erzeugnis). Die Kriterien entsprechen materiell denjenigen des Lebensmittelrechts (Art. 15 Abs. 2 LKV). Der Anwendungsbereich von Artikel 48a ist jedoch weiter, da gewisse Naturprodukte keine Lebensmittel sind (z.B. Kies oder Sand).

Um schweizerisch zu sein, muss beispielsweise ein Mineralwasser in der Schweiz gewonnen werden (Bst. a), ein Apfel in der Schweiz geerntet werden (Bst. b), ein Huhn den überwiegenden Teil seines Lebens in der Schweiz verbracht haben (Bst. c), die Milch von Kühen kommen, die in der Schweiz aufgezogen wurden (Bst. d) und ein Fisch in der Schweiz geangelt werden (Bst. e).

Art. 48b

Verarbeitete Naturprodukte

Ein verarbeitetes Naturprodukt im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn ein Produkt durch seine Verarbeitung neue wesentliche Eigenschaften erhalten hat. Ein Schinken ist beispielsweise ein verarbeitetes Naturprodukt: Das Kochen und Räuchern des Schweinefleisches verleiht ihm neue, erst den Schinken ausmachende Eigenschaften. Wird ein Naturprodukt hingegen nur unwesentlich bearbeitet, beispielsweise geschnitten, so gilt es nicht als verarbeitetes Naturprodukt. Ein Fruchtsalat ­ egal, ob er aus exotischen Früchten besteht oder nicht ­ gilt nicht als verarbeitetes Naturprodukt. Ebenso wenig sind beispielsweise eine Auswahl von ganzen Pfefferkörnern für die Pfeffermühle als verarbeitete Naturprodukte zu betrachten.

Hierbei handelt es sich um Naturprodukte im Sinne von Artikel 48a. Demgegenüber gelten ein Fruchtsaft oder entsteinte und in Öl gelegte Oliven als verarbeitete Naturprodukte im Sinne von Artikel 48b.

Unter die Bestimmung über die verarbeiteten Naturprodukte fallen insbesondere die meisten Lebensmittel, doch gibt es Ausnahmen. Der Begriff «verarbeitetes Naturprodukt» muss hier autonom ausgelegt werden und nicht gestützt auf die entsprechende Terminologie aus dem Lebensmittelrecht, da die Artikel 48a ff. auf alle Produkte anwendbar sind und nicht nur auf Lebensmittel. So kann ein Lebensmittel, wie ausgeführt, unter die Kategorie nach Artikel 48a fallen. Gewisse Lebensmittel können aber auch unter Artikel 48c («andere Produkte») fallen. Dies ist dann der Fall, wenn das Lebensmittel sich nicht oder kaum aus Rohstoffen von Naturprodukten zusammensetzt, sondern überwiegend «künstlich» erzeugt wird, sodass es aufgrund seiner Ingredienzen bzw. seines Herstellungsprozesses als Industrieprodukt einzustufen ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei gewissen Pulvern für isotonische Getränke, gewissen Energieriegeln oder bei gefriergetrockneter «künstlicher» Pulvernahrung (sog. «Astronautennahrung»).

Will ein Produzent von einer Herkunftsangabe auf einem Lebensmittel Gebrauch machen (z.B. «Schweizer Produkt»), so hat er die Kriterien des MSchG zu erfüllen (Art. 48a, 48b oder 48c, je nachdem, welche Bestimmung auf das betreffende 8589

Lebensmittel anwendbar ist). Um eine Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten zu vermeiden, muss er zudem in jedem Fall die vom Lebensmittelrecht vorgeschriebenen Informationen auf dem Produkt anbringen (Art. 18 LMG und Art. 10 LGV). Die gesundheitspolizeilich motivierten Bestimmungen des Lebensmittelrechts sind von dieser Revision nicht betroffen und bleiben weiterhin anwendbar.

Die Koexistenz zwischen dem Herkunfts- und dem Lebensmittelrecht ist Voraussetzung dafür, dass ein in der Schweiz verarbeitetes Produkt, das ausschliesslich aus ausländischen Rohstoffen hergestellt wird, nicht als Schweizer Produkt bezeichnet werden kann. Wie bereits heute, haben auch in Zukunft alle Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts und jene des Herkunftsrechts zu erfüllen. Andernfalls darf die obligatorische Deklaration des Produktionslandes im Sinne der Artikel 20 und 21 LMG nicht zu Werbezwecken auf dem Produkt angebracht werden.

Auf einem in der Schweiz aus 100 % ausländischer Milch hergestellten Käse müssen beispielsweise das Produktionsland (Schweiz) und die Herkunft des ausländischen Rohstoffes nach den Artikeln 15 und 16 LKV angegeben werden. In Anwendung der Bestimmungen über die Herkunftsangaben ist es jedoch verboten, die Angabe «Schweizer Käse» oder das Schweizerkreuz auf der Verpackung dieses Produkts anzubringen. Ein Produzent kann sich somit nicht auf die Vorschriften der Artikel 15 und 16 LKV berufen, um die Voraussetzungen von Artikel 48b zu umgehen. Das Anbringen der Bezeichnung «Schweiz» in grosser Schrift neben dem Begriff «Produktionsland» in kleiner Schrift würde suggerieren, dass die Herkunft des verarbeiteten Produkts (Lebensmittel) ­ in Übereinstimmung mit Artikel 48b ­ schweizerisch ist, obwohl der Begriff «Schweiz» nur die Verpflichtung zur Angabe des Produktionslandes gemäss dem Lebensmittelrecht erfüllt. Zur Vermeidung einer Täuschung darf die Angabe des Produktionslandes nach Artikel 15 LKV nicht deutlicher angebracht werden (z.B. durch die Farbe, Schriftgrösse oder Grossbuchstaben) als die anderen vorgeschriebenen Kennzeichnungen nach Artikel 2 LKV.

Durch die Koexistenz des Herkunftsrechts und des Lebensmittelrechts können zur Prüfung der Täuschungsgefahr in allen Bereichen einheitliche Kriterien angewendet werden, die auf einem umfassenden Begriff der
«Herkunftsangabe» basieren. Diese Kriterien sind deshalb auch auf den Lebensmittelbereich anwendbar, der ­ vor allem für die Konsumentinnen und Konsumenten ­ von besonderer Bedeutung ist. Aus diesem Grund sollen die Kriterien des Herkunftsrechts bei der Ausarbeitung der Ausführungsvorschriften zur vorliegenden Revision auch ins Lebensmittelrecht (LKV) aufgenommen werden. Dort soll auch zusätzlich explizit auf das Markenschutzgesetz verwiesen werden. Die Aufnahme der Kriterien des Herkunftsrechts und ihre ausdrückliche Nennung erlaubt deren systematische und einheitliche Durchsetzung sowohl mit den Instrumenten im Markenschutzgesetz (Gerichte) als auch durch die Kantonschemikerinnen und Kantonschemiker.

Die Herkunft eines verarbeiteten Naturprodukts bestimmt sich anhand von zwei Kriterien, die kumulativ erfüllt sein müssen: einem Kriterium, das auf dem Gewicht der Rohstoffe basiert (Abs. 1), und einem Kriterium, das sich auf den Ort der Verarbeitung des Produkts (Abs. 4) stützt.

Absatz 1 soll den Schutz der Bezeichnung «Schweiz» verstärken ­ so wie dies die Postulate 06.3056 und 06.3174 vom Bundesrat verlangen (vgl. Ziff. 1.2.). Damit wird ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet, dass die Preisprämie für verarbeitete

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Naturprodukte, die mit «Swissness» ausgelobt werden, langfristig erhalten bleibt53.

Gleichzeitig werden die materiellen, strukturellen und zufälligen natürlichen Gegebenheiten berücksichtigt, die untrennbar mit den verarbeiteten Naturprodukten verbunden sind. Dabei wird auch den im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Meinungen Rechnung getragen (vgl. Ziff. 1.4.3.3). Insbesondere wurde die Auffassung berücksichtigt, anstelle des Kriteriums der Kosten sei für die verarbeiteten Naturprodukte ein geeigneteres Kriterium auf der Grundlage des Gewichts der verwendeten Rohstoffe einzuführen. Dieses neue Kriterium entspricht den Eigenschaften dieser Kategorie von Produkten besser, und seine Einhaltung (Durchsetzung der Regelung) kann besser kontrolliert werden, weil es dem Kriterium des Lebensmittelrechts ähnlich ist. Das neue Kriterium, das auf dem Prozentsatz des Gewichts der Rohstoffe basiert, wurde als anwendbarer Grundsatz von den interessierten Kreisen, sowohl von den Konsumentinnen und Konsumenten54 als auch von den Produzenten, positiv aufgenommen55.

Der Prozentsatz von 80 % ergibt sich daraus, dass die Rohstoffe lediglich einen Teil der Herstellungskosten ausmachen, die ja auch jegliche Tätigkeit zur Verarbeitung der Rohstoffe einschliessen. Werden für die Berechnung nur die Rohstoffe als solche berücksichtigt, muss man den Rohstoff-Prozentsatz erhöhen, damit die Anforderungen an die beiden unterschiedlichen Kriterien gleichwertig sind. Aus diesem Grund liegt der für die verarbeiteten Naturprodukte festgelegte Prozentsatz bei mehr als 60 %. Der Prozentsatz von 80 % des Gewichts wird deshalb als angemessen angesehen, weil er einerseits den Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten am nächsten ist56 und andererseits einen sinnvollen Kompromiss darstellt zwischen noch strengeren Anforderungen, die der wirtschaftlichen Realität kaum gerecht würden (zum Beispiel 100 % wie in der Vernehmlassung von der Vereinigung zur Förderung der AOC-IGP vorgeschlagen oder 90 % wie von SKS, Prométerre, SGB und BIO-SUISSE gefordert) und einem tieferen Wert von 60 %, der sich am allgemeinen Prozentsatz für Industriegüter orientiert. Dieser tiefere Prozentsatz würde nicht gewährleisten, dass der Anteil schweizerischer Rohstoffe, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, hoch genug ist.

53

54 55 56

Wie beispielsweise die Resultate von zwei Untersuchungen der ETH Zürich zum Verhalten von Konsumenten beim Geflügelfleisch- bzw. Apfelkauf zeigen, ziehen rund 85 % der Konsumenten zu gleichem Preis ein Schweizer Produkt vor. Vgl. Conradin Bolliger, Produktherkunft Schweiz: Schweizer Inlandkonsumenten und ihre Assoziationen mit und Präferenzen für heimische Agrarerzeugnisse, Tagungsband der 18. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie, 2008.

Medienmitteilung vom 25. März 2009 der Stiftung Konsumentenschutz (SKS).

Medienmitteilung vom 25. März 2009 der Föderation der Schweizer Nahrungsmittelindustrien (fial).

Eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des BLW ergab 2003, dass eine Mehrheit der Befragten erwartet, dass ein Produkt, das ein Schweizer Herkunftszeichen trägt, zu 100 % aus der Schweiz stammen muss, BLW, Agrarbericht 2003, S. 146. In einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahre 2007 erwarten über 80 % der Befragten, dass Nahrungsmittel in der Schweiz unter strengeren Anforderungen produziert werden als im Ausland, BLW, Herkunft von Landwirtschaftprodukten, 2007. In einer in 66 Ländern durchgeführten Studie der Universität St.Gallen et al. aus dem Jahre 2008 wiederum erwartet die Mehrzahl der Befragten den Anteil der Rohstoffe aus der Schweiz bei mindestens 60­70 % (Median), vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/PeterFischer/ Urs Jaermann/Sven Reinecke, Sven, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 54. Die ­ im Vergleich zur BWL-Untersuchung tiefere ­ Zahl erklärt sich damit, dass ein Teil der Befragten klar erkennt, dass es in der Schweiz nicht alle benötigten Rohstoffe gibt. Diesem Umstand trägt Art. 48b Abs. 2 E-MSchG speziell Rechnung.

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Um den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, werden Ausnahmen nach Absatz 2 eingeführt, die es ermöglichen, unter bestimmten Voraussetzungen gewisse Rohstoffe von der Berechnung des prozentualen Gewichtsanteils auszunehmen. Diese Ausnahmen sind restriktiv zu interpretieren. Sie dürfen keinesfalls aus rein wirtschaftlichen Gründen zur Anwendung gelangen oder allein dem Gutdünken der Produzenten überlassen werden. Dies umso mehr, als der Gebrauch der Herkunftsangabe «Schweiz» gänzlich freiwillig ist. Der Produzent (Verarbeiter), der die Herkunftsangabe «Schweiz» zur Auslobung seiner Produkte gebrauchen möchte, muss sich daher um eine Versorgung mit Schweizer Rohstoffen bemühen, d.h. er muss auf die in der Schweiz vorhandenen Rohstoffe in der hierzulande gegebenen Qualität zurückgreifen. Nötigenfalls muss eine einheimische Produktion in der geforderten Quantität geschaffen werden.

Die wirtschaftlichen Gründe werden in der vorgeschlagenen Regelung bereits mitberücksichtigt, indem nur 80 % des Gewichts der Rohstoffe, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, aus der Schweiz kommen müssen. Der Produzent hat daher die Möglichkeit, bis zu 20 % des Gewichts der von ihm verwendeten Rohstoffe im Ausland zu beziehen.

Die Ausnahmen nach Absatz 2 Buchstaben a und b sind gerechtfertigt, da sie sich auf Situationen beziehen, die dem menschlichen und wirtschaftlichen Einfluss auf Grund objektiver Umstände entzogen sind. Nach Absatz 2 Buchstabe a können Naturprodukte (i.S.v. Art. 48a) dann von der Berechnung der 80 % des Gewichts ausgeschlossen werden, wenn sie wegen natürlicher Gegebenheiten nicht in der Schweiz produziert werden können. Für die pflanzlichen und die mineralischen Erzeugnisse begründet sich die Ausnahme in den landwirtschaftlichen Verhältnissen (Boden und Klima), bei den tierischen Erzeugnissen in der Anpassung an die geografischen Bedingungen. Der Hersteller eines Joghurts kann beispielsweise ein Naturprodukt wie Ananas von der Berechnung der 80 % ausschliessen. Nicht ausschliessen darf er hingegen die Milch, nur weil er diese im Ausland billiger oder in einer ihm genehmeren Qualität erhielte. Ein Hersteller von Surimi (Lebensmittel auf der Basis von gehacktem Fisch) kann den Rohstoff (Fisch) ausschliessen, wenn dieser Fisch in den Schweizer Gewässern nicht vorkommt. Ebenso von der
Berechnung der 80 % ausgeschlossen werden kann ein natürliches mineralisches Öl, das zur Zusammensetzung eines industriellen Schmiermittels für Maschinen gehört, sofern dieses Öl nicht aus Schweizer Boden gewonnen werden kann. Auch Kakao kann von der Berechnung der 80 % ausgeschlossen werden. Gemäss Artikel 53 Absatz 3 der Verordnung des EDI vom 23. November 2005 über Zuckerarten, süsse Lebensmittel und Kakaoerzeugnisse57 gilt Schokolade, die auf der Basis von ausländischem Kakao, jedoch in der Schweiz unter Berücksichtigung der weiteren vorgesehenen Kriterien hergestellt wurde, als Schweizer Schokolade. Diese Bestimmung ist mit Artikel 48b Absatz 2 vereinbar. Um zu bestimmen, ob es landwirtschaftlich betrachtet möglich ist, in der Schweiz zu produzieren, können beispielsweise die Statistiken der Branchen-Dachverbände oder ein Gutachten des BLW beigezogen werden.

Die Ausnahme nach Absatz 2 Buchstabe b liegt darin begründet, dass ein Naturprodukt zwar landwirtschaftlich gesehen in der Schweiz verfügbar sein kann, jedoch temporär (während einer beschränkten Zeit, beispielsweise eine Saison lang) in unzureichender Menge ­ oder gar nicht ­ verfügbar ist, und zwar unabhängig vom 57

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Willen der Produzenten (schlechte Wetterbedingungen, die zur kompletten oder teilweisen Zerstörung der Ernte führen; Tierseuche wie BSE, die zu einer erheblichen Dezimierung des Viehbestandes führt usw.). Das betreffende Naturprodukt kann während der Zeit, in der es nicht zur Verfügung steht, von der Berechnung der 80 % des Gewichts ausgenommen werden. Die normalen saisonalen Schwankungen der produzierten Menge fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich von Buchstabe b; sie sind in den 20% enthalten, die nicht aus der Schweiz stammen müssen.

Diese Ausnahme regelt diejenigen Fälle, in welchen die ungenügende Verfügbarkeit der Naturprodukte unerwartet, unregelmässig und für eine kurze Zeitdauer auftritt, sodass deren Regelung in einer Verordnung des Bundesrates nicht nötig ist. Die Ausgangslage für diese Fälle ist deshalb nicht mit den von Artikel 48b Absatz 3 erfassten Fällen vergleichbar. Dort stehen die Naturprodukte mittel- oder langfristig nicht zur Verfügung (vgl. die nachfolgenden Erläuterungen zu Abs. 3).

Absatz 3 dehnt die Ausnahmen auf Rohstoffe aus (einschliesslich der Naturprodukte), die nicht in genügender Menge in der Schweiz verfügbar sind. Der Begriff der Rohstoffe ist hier weit auszulegen. Unter diese Bestimmung fallen nicht nur Rohstoffe im engen Sinne (Naturprodukte), sondern auch Zutaten für verarbeitete Naturprodukte, wie zum Beispiel Olivenöl für eine Salatsauce oder Teigwaren in einer Fertigsuppe. Diese Ausnahme kann allerdings nur geltend gemacht werden, wenn der Rohstoff mittel- oder langfristig aus objektiven Gründen nicht oder nicht in genügender Menge in der Schweiz verfügbar ist und dieses Unterangebot durch eine Branchenverordnung gemäss Artikel 50 Absatz 2 anerkannt wird (vgl. Erläuterungen zu diesem Artikel). Darin muss ­ im Rahmen des Gesetzes ­ im Einzelnen geregelt sein, unter welchen Voraussetzungen oder gestützt auf welche objektiven Grundlagen (z.B. Statistiken) ein Rohstoff als in ungenügender Menge in der Schweiz verfügbar gilt und wie weit dieser Umstand bei der Berechnung zu berücksichtigen ist. Die Verordnung könnte sich insbesondere auf die Tatsache stützen, dass die einheimische Produktion eines Rohstoffes über mehrere Jahre ungenügend war und es aus objektiven Gründen nicht möglich ist, die in der Schweiz produzierte Menge kurz- oder mittelfristig
zu erhöhen. Im Rahmen der Ausarbeitung einer solchen Verordnung hat der Bundesrat alle betroffenen Verkehrskreise anzuhören, das heisst, die Wirtschaftskreise und die Konsumentenverbände (vgl. Erläuterungen zu Art. 50 Abs. 3, Ziff. 2.1.2.4).

Eine Verordnung, welche die ungenügende Verfügbarkeit eines Rohstoffs festhält, muss periodisch angepasst werden, um allfälligen Änderungen von Angebot und Nachfrage Rechnung zu tragen.

Eine detaillierte und abschliessende Regelung der hierunter fallenden Produkte auf Gesetzesstufe ist weder möglich noch wünschbar. Das Gesetz soll die Grundsätze festlegen und nicht die Einzelheiten jedes einzelnen möglichen Falles abdecken. Die vorgesehenen allgemeinen und flexiblen Kriterien des Gesetzes vermögen solchen Konstellationen, die sich durch unzählige Besonderheiten auszeichnen, besser Rechnung zu tragen.

Der Bundesrat hat in einer entsprechenden Verordnung gegebenenfalls auch zu entscheiden, in welchem Verhältnis der Rohstoff von der Berechnung der 80 % des Gewichts ausgenommen wird. Diese Ausnahme könnte zum Beispiel für Zucker geltend gemacht werden, wenn sich zeigen sollte, dass die einheimische Zuckerproduktion weniger als die Hälfte des Bedarfs der Hersteller von verarbeiteten Naturprodukten deckt und sich die betroffenen Branchen darauf einigen, die Einzelheiten in einer Verordnung zu regeln. Diese Ausnahme könnte beispielsweise auch für 8593

Rindfleisch angerufen werden, das als Rohstoff für «Bündnerfleisch» dient, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Ausnahme im Sinne von Absatz 3 kann hingegen nicht geltend gemacht werden, wenn ein Rohstoff sowohl in der Schweiz als auch im Ausland verfügbar ist, im Ausland jedoch zu günstigeren Bedingungen erhältlich ist (z.B. preiswerter, innert kürzerer Frist oder zu besseren Lieferbedingungen). Die vorgesehene Ausnahme kann demnach nicht aus rein wirtschaftlichen Überlegungen geltend gemacht werden. Sie kann auch nicht herangezogen werden, wenn der in der Schweiz verfügbare Rohstoff nach Ansicht der Produzenten nicht von befriedigender Qualität ist. Wählt ein Produzent freiwillig einen ausländischen Rohstoff mit der Begründung, dieser sei von «besserer» Qualität, kann er nicht gleichzeitig vorgeben, sein Produkt sei ein Schweizer Erzeugnis. Dies wäre ganz klar widersprüchlich. In all diesen Fällen würde eine Branchenverordnung vom Bundesrat abgelehnt, da sie nicht gesetzeskonform wäre.

Das zweite Kriterium, welches verarbeitete Naturprodukte kumulativ erfüllen müssen, damit sie als Schweizer Erzeugnis ausgelobt werden dürfen, ist das in Absatz 4 vorgesehene Kriterium des Orts der Verarbeitung. Kommen dafür mehrere Orte in Betracht, so gilt derjenige Ort als Ort der Verarbeitung, wo mit dem Verarbeitungsschritt die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden. Das Produkt ist das Resultat der vorgenommenen Tätigkeit, weshalb dieser bei der Definition der Herkunft unbedingt Rechnung zu tragen ist. Dieses Kriterium ist bereits in der schweizerischen Lebensmittelgesetzgebung verankert. Die Verarbeitung von Milch zu Käse muss zum Beispiel in der Schweiz stattfinden. Das Kriterium bezieht sich auf die Verarbeitung des Produkts und schliesst somit die Berücksichtigung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten aus.

Art. 48c

Andere Produkte, insbesondere industrielle Produkte

Diese Bestimmung gilt für alle Produkte ­ wie beispielsweise industrielle Produkte und Handwerksprodukte ­, die nicht in den Anwendungsbereich der ersten beiden Produktkategorien fallen (Art. 48a und 48b). Die Herkunft eines solchen Produkts bestimmt sich aufgrund von drei kumulativen Kriterien. Ein Produkt gilt als schweizerisch, wenn: 1) 60 % der Herstellungskosten des Produkts in der Schweiz angefallen sind; 2) die Tätigkeit, mit der die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden, in der Schweiz stattgefunden hat; und 3) ein wesentlicher Fabrikationsschritt in der Schweiz stattgefunden hat (wobei dieses dritte Kriterium automatisch erfüllt ist, wenn die Tätigkeit, mit der die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden, dem wesentlichen Fabrikationsschritt entspricht).

Gemäss Absatz 1 müssen 60 % der Herstellungskosten der Ware am Ort der Herkunft anfallen. Um mit dieser Bestimmung kompatibel zu sein, wird die «Swiss made»-Verordnung für Uhren revidiert und dem 60 %-Kriterium angepasst werden müssen (siehe Ziff. 5.2.4).

Gemäss Absatz 2 dürfen die Kosten für die Herstellung und Zusammensetzung sowie für Forschung und Entwicklung neu ebenfalls in die Berechnung dieser 60 % einbezogen werden. Die Fabrikationskosten enthalten im Allgemeinen die Kosten für Rohmaterialien, Halbfabrikate, Zubehörteile, Löhne sowie die Fabrikationsgemeinkosten. Der Begriff «Forschung und Entwicklung» ist in diesem Zusammenhang weit auszulegen, d.h. er umfasst alle Kosten der Tätigkeiten, die zur Entstehung des Produkts beigetragen haben. Dieses Kriterium bringt das Hauptanliegen von Absatz 2 zum Ausdruck: Die Kosten von Tätigkeiten, die nicht zur Entstehung 8594

des Produkts beitragen, können demnach nicht in die Berechnung einbezogen werden. Dies ist zum Beispiel der Fall der Kosten für die Kontrolle von Qualitätsstandards oder der Kosten für die Markteinführung oder für behördliche Bewilligungen.

Der Einbezug der Kosten für Forschung und Entwicklung kann sich als heikel erweisen, da es keine genaue Regel dafür gibt, wie sich diese Kosten auf die Produktion eines Unternehmens verteilen. Es kann nämlich schwierig sein zu wissen, auf welche Produkte und über welchen Zeitraum diese Kosten verteilt werden können.

Dies gilt umso mehr, als die Kosten für Forschung und Entwicklung im Allgemeinen Produkte betreffen, die noch nicht auf dem Markt sind. Man wird in jedem Einzelfall eine Lösung finden müssen, die mit dem Zweck von Artikel 48c übereinstimmt. Diese Bestimmung ist so anzuwenden, dass Missbräuche verhindert werden (missbräuchlich wäre es beispielsweise, wenn durch den Einbezug der Kosten für Forschung und Entwicklung eines einzigen Produkts eines Unternehmens die Voraussetzungen von Artikel 48c für alle Produkte dieses Unternehmens erfüllt würden, obwohl die anderen Produkte im Ausland entwickelt wurden) und dass Härtefälle vermieden werden (beispielsweise muss ein Produkt, dass vor zwanzig Jahren in der Schweiz entwickelt wurde und die anderen Voraussetzungen von Artikel 48c erfüllt, immer noch als Schweizer Produkt betrachtet werden, und zwar auch dann, wenn dem Unternehmen für dieses Produkt offenkundig keine Forschungs- und Entwicklungskosten mehr anfallen, diese buchhalterisch folglich auch nicht mehr abgeschrieben werden können).

In Absatz 3 werden in nicht abschliessender Form die Kosten aufgelistet, die nicht zur Berechnung der 60 % der Kosten herangezogen werden können. Zwei Kategorien von Kosten werden ausgeschlossen. Die erste Kategorie betrifft die Rohstoffe (Bst. a und b). Buchstabe a trägt dem Umstand Rechnung, dass gewisse Naturprodukte nicht in der Schweiz produziert werden können. Beispiele hierfür sind natürliche Rohstoffe wie Gold, Edelmetalle oder Mineralöle. Für die Uhren wurde der Ausschluss des Rohstoffwerts von der Berechnung der Produktionskosten der Uhrgehäuse bereits in der «Swiss made»-Verordnung für Uhren geregelt. Buchstabe b dehnt die Ausnahme auf diejenigen Rohstoffe aus, die theoretisch zwar in der Schweiz produziert
werden könnten, jedoch nicht in ausreichender Menge oder gar nicht im Inland hergestellt werden. Der Begriff der Rohstoffe ist hier weit auszulegen. Unter diese Bestimmung fallen sowohl die Rohstoffe im engen Sinn, aber auch die Bestandteile eines Produkts, wie zum Beispiel elektronische Chips. Diese Ausnahme kann allerdings nur geltend gemacht werden, wenn der Rohstoff mittel- oder langfristig aus objektiven Gründen nicht oder nicht in genügender Menge in der Schweiz verfügbar ist und dieses Unterangebot durch eine Branchenverordnung gemäss Artikel 50 Absatz 2 anerkennt wird (vgl. Erläuterungen zu Art. 50 Abs. 2).

Die Ausführungen betreffend die Verordnung nach Artikel 48b Absatz 3 gelten auch für Artikel 48c Absatz 2 Buchstabe b.

Die Ausnahme von Artikel 48c Absatz 2 Buchstabe b kann nicht geltend gemacht werden, wenn der Rohstoff sowohl in der Schweiz als auch im Ausland verfügbar ist, im Ausland jedoch zu günstigeren Bedingungen erhältlich ist (z.B. preiswerter, innert kürzerer Frist oder besseren Lieferbedingungen). Der Produzent, der sich entscheidet, den benötigten Rohstoff oder Bestandteil aus wirtschaftlichen Gründen im Ausland einzukaufen, kann diese Kosten bei der Berechnung der 60 % nicht ausschliessen. Die vorgesehene Ausnahme kann demnach nicht aus rein wirtschaftlichen Überlegungen geltend gemacht werden.

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Die zweite Kategorie schliesst die Kosten aus, die nicht unmittelbar zur Entstehung des Produkts beigetragen haben (Bst. c­e). Unter «Beitrag zur Entstehung des Produkts» sind alle geistigen (z.B. Planung) oder materiellen Tätigkeiten (z.B. Zusammensetzung) zu verstehen, aus denen das Endprodukt direkt hervorgeht. Alle Tätigkeiten, die nach der Fertigstellung des eigentlichen Endprodukts vorgenommen werden, wie Verpackung, Marketing, Transport usw., tragen nicht zur Entstehung des Produkts bei. Die Kosten für Verpackung (Bst. c) sind weit zu fassen, beispielsweise fällt das Anbringen einer Etikette auf einem Produkt darunter. Zu den Marketingkosten (Bst. e) gehören unter anderem die Kosten für Werbung und Vertrieb.

Derartige Kosten entstehen nämlich immer lokal, d.h. ein Produkt, das für den Schweizer Markt bestimmt ist, muss in der Schweiz beworben bzw. verpackt werden. Dies trägt aber nichts zur «Swissness» des eigentlichen Produkts bei.

Die Einzelheiten der Regelung, beispielsweise die Frage, welche Bestandteile eines Produkts bei der Berechnung ausgeschlossen werden dürfen, können in Anwendung von Artikel 50 MSchG von den Wirtschaftsbranchen branchenspezifisch präzisiert werden.

Das in Absatz 4 erster Teil vorgesehene Kriterium der Tätigkeit, mit der die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden, bezieht sich auf die Herstellung im eigentlichen Sinne (Konstruktion, Zusammensetzung usw.) oder auf Forschung und Entwicklung. Im Falle mechanischer Uhren beispielsweise stellt das Zusammensetzen den wesentlichen Fabrikationsprozess dar. Bei chemischen Produkten sind Forschung und Entwicklung die Grundlage für deren wesentliche Eigenschaften. Die Wahl oder Festlegung von Qualitätsstandards oder die Kontrolle dieser Standards fallen hingegen nicht unter Absatz 4, da solche Tätigkeiten dem Produkt nicht seine wesentlichen Eigenschaften verleihen, sondern einzig auf die Qualität hinweisen, die im Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt gewährleistet sein muss. Ebenso wenig können hier Tätigkeiten berücksichtigt werden, die mit der Vermarktung des Produkts (Marketing), mit der Werbung, dem Vertrieb oder dem Kundenservice verbunden sind, da sie dem Produkt nicht die wesentlichen Eigenschaften verleihen, weshalb sie gemäss Absatz 3 bereits aus der Berechnung der für die Herkunft eines
Produkts relevanten Kosten herausgenommen werden.

Absatz 4 zweiter Teil betrifft diejenigen Produkte, für welche die vorgenommene Tätigkeit, welche die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festlegt, nicht einem Fabrikationsschritt im engeren Sinne entspricht. In diesem Fall ist eine weitere Mindestanforderung zu erfüllen: Ein wesentlicher Fabrikationsschritt im eigentlichen Sinne muss auf jeden Fall am ausgelobten Ort der Herkunft stattfinden. Entsprechen beispielsweise Forschung und Entwicklung der Tätigkeit, mit der die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden, so muss zudem ein wesentlicher Fabrikationsschritt am Ort der Herkunft stattfinden. Die Verpackung oder die Schlusskontrolle des Produkts sowie sämtliche weiteren Aktivitäten, welche gemäss Absatz 3 Buchstaben c­e für die Berechnung der für die Herkunft eines Produkts relevanten Kosten ausgeschlossen sind, weil sie nicht zur Herstellung des Produkts selbst beitragen, reichen nicht aus, um die gesetzliche Anforderung von Absatz 4 zu erfüllen. Mit dem Begriff des wesentlichen Fabrikationsschrittes soll ein realer physischer Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Ort der Herkunft garantiert werden. Dadurch soll verhindert werden, dass das Kriterium durch einen unwesentlichen Fabrikationsschritt erfüllt werden kann. Die Montage des Griffs einer Pfanne stellt zum Beispiel keinen wesentlichen Fabrikationsschritt dar.

Das Gleiche gilt für die Montage eines Dichtungsringes bei Armaturen. Die voll8596

ständige Zusammensetzung eines elektronischen Messgerätes hingegen entspricht einem wesentlichen Fabrikationsschritt.

Konkret wird die Anwendung der drei kumulativen Voraussetzungen von Artikel 48c je nach Produkt verschieden sein. Bei einem industriellen Produkt wie einem Schweizer Messer müssen zwei Kriterien berücksichtigt werden: 1) 60 % der Herstellungskosten müssen in der Schweiz anfallen; 2) die Fabrikation (mit der die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden) muss in der Schweiz stattfinden. Indem der Produzent diese zweite Bedingung erfüllt, erfüllt er auch die Mindestvoraussetzung des wesentlichen Fabrikationsschrittes. Bei einem industriellen Produkt, dessen wesentliche Eigenschaften vor allem durch Forschung und Entwicklung festgelegt werden, sind folgende Kriterien zu erfüllen: 1) 60 % der Herstellungskosten müssen in der Schweiz anfallen; 2) Forschung und Entwicklung müssen in der Schweiz stattfinden; 3) die zusätzliche Voraussetzung des wesentlichen Fabrikationsschrittes muss in der Schweiz stattfinden.

Art. 48d

Ausnahmen

Eine Herkunftsangabe ist auch dann zutreffend, wenn sie die Kriterien von Artikel 48a­48c nicht erfüllt, jedoch nur in den in Artikel 48d abschliessend aufgeführten Fällen.

Gemäss Buchstabe a muss eine geschützte geografische Angabe (IGP) gemäss Artikel 16 LwG die Kriterien der Artikel 48a­48c nicht erfüllen. Eine IGP wird nämlich im Rahmen des Verfahrens zu ihrer Registrierung vom BLW geprüft, und die Voraussetzungen für ihren Gebrauch sind im Pflichtenheft festgelegt. Es sind also diese Voraussetzungen, die eingehalten werden müssen. Aus den nachstehenden Gründen ist im Gesetz eine Ausnahme vorzusehen: Zum heutigen Zeitpunkt existiert eine eingetragene IGP («Bündnerfleisch»), welche die strengeren gesetzlichen Kriterien des revidierten MSchG nicht erfüllen wird. Die in Artikel 48d Buchstabe a vorgesehene Ausnahme wird folglich auf die IGP «Bündnerfleisch» sowie auf alle IGP anwendbar sein, die vor Inkrafttreten der vorgeschlagenen Änderungen eingetragen worden sind und diesen Anforderungen nicht entsprechen. Nach Inkrafttreten der Änderung des MSchG wird es nicht mehr möglich sein, eine IGP einzutragen, welche die Kriterien der Artikel 48a ff. nicht erfüllt (es sei denn, die Voraussetzungen zu den Ausnahmen gemäss Art.

48d Bst. b zum Verständnis der massgebenden Verkehrskreise sind erfüllt). Die Ausnahme von Artikel 48d Buchstabe a wird daher nicht auf eine IGP anwendbar sein, die nach Inkrafttreten des geänderten MSchG eingetragen werden.

Wird die Angabe «Bündnerfleisch» folglich unter Einhaltung der Voraussetzungen gemäss Pflichtenheft der entsprechenden IGP verwendet, so ist sie zutreffend. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen gemäss Artikel 48b nicht erfüllt sind, weil die Anforderung der 80 % des Rohstoffgewichts nicht für die gesamte Produktion erfüllt ist (ein wesentlicher Teil der Produktion wird mit ausländischem Fleisch hergestellt, was dem Pflichtenheft nicht widerspricht). Die Ausnahme von Artikel 48d Buchstabe a hat zur Folge, dass die Angabe, so wie sie beim BLW eingetragen wurde (z.B. «Bündnerfleisch»), weiterhin verwendet werden darf, obwohl die Voraussetzungen nach den Artikeln 48a­48c nicht erfüllt sind. Diese Ausnahme bedeutet hingegen nicht, dass jeder weiter gehende Hinweis auf die geografische Herkunft zulässig wird: Das Produkt «Bündnerfleisch» muss die Kriterien
der Artikel 48a­48c erfüllen, um mit Angaben wie «Schweizer Produkt», «Schweizer Fleisch», «Made in Switzerland» oder mit dem Schweizerkreuz gekennzeichnet 8597

werden zu können58, so wie dies bei jedem anderen gleichartigen Produkt der Fall ist (in der Schweiz hergestelltes Fleischerzeugnis aus ausländischem Fleisch).

Wie für jedes andere Produkt, das mit solchen Angaben gekennzeichnet werden soll, kann auch für «Bündnerfleisch» versucht werden, die Ausnahme gemäss Artikel 48b Absatz 3 geltend zu machen (vgl. oben) oder die von Artikel 48d Buchstabe b vorgesehene Möglichkeit zu nutzen (vgl. unten). Ein Vorbehalt für die AOCBezeichnungen gemäss Artikel 16 LwG ist nicht notwendig, weil deren im Pflichtenheft festgelegte Kriterien in jedem Fall den Kriterien der Artikel 48 ff. genügen müssen.

Buchstabe b gibt einem Produzenten die Möglichkeit zu beweisen, dass eine verwendete Herkunftsangabe dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht, obwohl sie die Voraussetzungen nach den Artikeln 48a­48c nicht erfüllt. Der Begriff der «massgebenden Verkehrskreise» bezieht sich sowohl auf das Verständnis der Konsumentinnen und Konsumenten als auch auf das der Wirtschaftsbranchen. Die Ausnahmeregelung ist mit grosser Zurückhaltung anzuwenden. Damit sie zur Anwendung kommt, muss der Produzent beweisen, dass der Gebrauch der geografischen Angabe gemäss dem Verständnis der Konsumentinnen und Konsumenten zutreffend ist, obgleich sie den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Zum Beweis, dass die Herkunftsangabe dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht, muss der Produzent aussagekräftige Dokumente vorlegen, welche diese Tatsache beweisen (Zeitungsartikel, Mitteilungen der Konsumentenschutzverbände usw.). Fehlen solche Dokumente oder vermögen sie nicht zu überzeugen, so muss der Produzent den Nachweis mit Hilfe einer Meinungsumfrage erbringen. Damit die Meinungsumfrage aussagekräftig ist, muss sie mit einer repräsentativen Auswahl von Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten durchgeführt werden und so formuliert sein, dass die Wahrnehmung der Konsumentinnen und Konsumenten klar und unmissverständlich festgestellt werden kann. Zweitens hat der Produzent nachzuweisen, dass der Gebrauch der Herkunftsangabe auch nach dem Verständnis seiner Wirtschaftsbranche korrekt ist, indem er beispielsweise repräsentative Unterlagen der betreffenden Branche vorlegt (interne Reglemente, gemeinsame Produktionsstandards, Kataloge, Etiketten, Fotos, Werbematerial
usw.), welche den Gebrauch bestätigen.

Der Produzent kann demnach von der Ausnahme nach Buchstabe b Gebrauch machen, wenn nach dem Verständnis der Wirtschaftsbranche und der Konsumentinnen und Konsumenten der Gebrauch der Herkunftsangabe klar und deutlich als richtig erachtet wird. Dies könnte insbesondere für gewisse geografische Angaben der Fall sein, die der Definition von Artikel 22 Absatz 1 TRIPS-Abkommen entsprechen.

Unter dieser Annahme hat der Produzent die Kriterien der Artikel 48a­48c nicht zu erfüllen. Dies ist der Fall bei der Bezeichnung «Genf» für Uhren (für das geltende Recht vgl. auch Ziff. 1.1), für die allgemein anerkannt wird, dass ein loser Zusammenhang mit dem Kanton Genf genügt, zum Beispiel, wenn die Uhr gemäss der «Swiss made»-Verordnung für Uhren schweizerisch ist, jedoch nicht im Kanton Genf produziert wurde. Die Angabe «Genf» ist nach dem Verständnis der betreffenden Verkehrskreise trotzdem zutreffend, sofern das Unternehmen, welches diese Uhr herstellt, im Genfer Handelsregister eingetragen ist und in diesem Kanton auch geschäftlich tätig ist.

58

Dies ist der Fall für denjenigen Teil der Produktion, der aus Schweizer Fleisch hergestellt wird.

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2.1.2.3 Art. 49

Herkunftsangabe für Dienstleistungen Herkunftsangabe für Dienstleistungen

Artikel 49 legt die Kriterien für die Bestimmung der Herkunft einer Dienstleistung fest.

Nach Absatz 1 wird für die Bestimmung der Herkunft von Dienstleistungen kumulativ auf den Ort des Sitzes und auf ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung abgestellt. Die bisher ebenfalls möglichen Anknüpfungspunkte der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes der Personen, die eine Dienstleistung erbringen, sind für die Dienstleistungsbezüger (Konsumenten) irrelevant, zumal Staatsangehörigkeit und insbesondere der Wohnsitz keine unverrückbaren Kriterien darstellen. Für die Konsumentinnen und Konsumenten einer Dienstleistung ist einzig die tatsächliche örtliche Verankerung des Dienstleistungserbringers massgeblich. Aus der Wahl des Geschäftssitzes ergeben sich zahlreiche tatsächliche und rechtliche Folgen. Deshalb muss dieser mit dem geografischen Ort eng verbunden sein, um als Herkunftsort der Dienstleistung aussagekräftig zu sein. Damit eine inländische Herkunftsangabe zutreffend ist, muss sich zudem ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung des Dienstleistungserbringers in der Schweiz befinden. Damit wird verhindert, dass die Wahl eines Geschäftssitzes nur mit Blick auf den zukünftigen Gebrauch einer bestimmten Herkunftsangabe beziehungsweise einer besseren Werbestrategie vorgenommen wird, in der Schweiz jedoch keine tatsächlichen unternehmerischen Aktivitäten stattfinden. Das zusätzliche Kriterium ist einerseits flexibel genug, um den unterschiedlichen Organisationsformen von Dienstleistungserbringern Rechnung zu tragen. Andererseits wird es den Bedürfnissen der Praxis nach einer strengen Regel zur Verhinderung von Missbrauchsfällen gerecht. Im Ergebnis führt die Formulierung zu Anknüpfungssicherheit, weil sie auch Leistungserbringer erfassen kann, die an mehreren Orten einen Hauptsitz haben und für die ein einziger Schwerpunkt der Verwaltung schwer auszumachen ist. Die beiden Kriterien von Absatz 1 müssen kumulativ erfüllt sein. Die Fluggesellschaft «Swiss International Air Lines AG» beispielsweise, die eine Tochter der Muttergesellschaft «Lufthansa» mit Sitz in Deutschland ist, darf die Bezeichnung «Swiss» im Zusammenhang mit ihren Dienstleistungen verwenden, sofern und solange sich sowohl der Geschäftssitz als auch eines ihrer tatsächlichen Verwaltungszentren in der Schweiz befinden. Unzulässig hingegen
wäre beispielsweise die Verwendung der Bezeichnung «IT-SwissConsulting» für Dienstleistungen eines Unternehmens, das zwar seinen Sitz in der Schweiz hat, hier jedoch nur einen Briefkasten oder eine unbedeutende praktische Tätigkeit unterhält, während die ganze Geschäftsführung in einem anderen Land angesiedelt ist. Die Anforderungen an das zusätzliche Kriterium sollen generell hoch angesetzt werden. Ob im konkreten Fall eine genügende tatsächliche Verwaltungstätigkeit vorliegt, ist im Streitfall vom Gericht zu entscheiden. Dieses hat bei der Ausübung seines Ermessens auf die gesamten Umstände des Einzelfalls und die Funktion des Abgrenzungskriteriums abzustellen.

Eine Tochtergesellschaft, die ihren Sitz ausserhalb des Herkunftslandes der Muttergesellschaft hat, darf ihre Dienstleistungen in der Schweiz gemäss Absatz 4 auch unter Hinweis auf ihre Beziehung zum Heimatland, beispielsweise als «DeutscheInvestment AG Schweiz» anbieten, sofern sich ihr Sitz und ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz befinden. Selbstverständlich darf auch die Schweizer Tochtergesellschaft einer Schweizer Muttergesellschaft ihre Dienstleis8599

tungen in der Schweiz unter einer Schweizer Herkunftsbezeichnung anbieten, sofern sie die in Absatz 1 enthaltenen Kriterien erfüllt. Ob dieselbe Tochtergesellschaft ihre Dienstleistungen auch im Ausland unter dem Hinweis auf ihre Beziehung zur Schweiz (z.B. unter Verwendung der Bezeichnung «Swiss-Investment AG») anbieten darf, entscheidet sich demgegenüber nach dem zur Anwendung kommenden ausländischen Recht; die schweizerische Gesetzgebung steht dem in keiner Weise entgegen.

Absatz 2 bestimmt, dass sofern eine Herkunftsangabe im Zusammenhang mit der entsprechenden Dienstleistung Erwartungen in Bezug auf die Eigenschaften oder die Qualität der Dienstleistung weckt, diese zusätzlichen Kriterien bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der Herkunftsangabe mit in Betracht zu ziehen sind. Darunter fallen auch Kriterien, welche qualifizierte Herkunftsangaben für Dienstleistungen auszeichnen. Diese Bestimmung entspricht sinngemäss dem auf Waren anwendbaren Artikel 48 Absatz 2.

Absatz 3 regelt, entsprechend Artikel 48d Buchstabe b für Waren, den Fall, dass eine Dienstleistung die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 nicht erfüllt, der Dienstleistungserbringer aber nachweisen kann, dass die Herkunftsangabe für seine Dienstleistung nach dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise jedoch rechtmässig verwendet wird (vgl. die Ausführungen zu Art. 48d Bst. b).

Absatz 4 regelt die Anerkennung von ausländischen Herkunftsangaben für Dienstleistungen in gleicher Weise wie dies für Waren vorgesehen ist (vgl. die Ausführungen zu Art. 48 Abs. 5).

2.1.2.4

Verordnungen des Bundesrates

Art. 50 Abs. 1 (neu) Nach dem Inkrafttreten der Gesetzesvorlage kann der Bundesrat ­ sofern er dies als notwendig erachtet ­ eine allgemeine Verordnung für alle Branchen (oder einen Teil davon) ausarbeiten, die sich nicht auf gemeinsame Kriterien oder mindestens deren gemeinsame Stossrichtung geeinigt haben (Art. 50 Abs. 1). Anders als die Verordnung nach Artikel 50 Absatz 2, welche nur Voraussetzungen für eine schweizerische Herkunftsangabe für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung regeln kann, enthält die Verordnung nach Artikel 50 Absatz 1 allgemeinere Regelungen für verschiedene Produkte und Dienstleistungen. Sie kann beispielsweise Einzelheiten zur Berechnung der Herstellungskosten (Art. 48c Abs. 1) oder zur Berücksichtigung eines Rohstoffes (Art. 48b Abs. 1) enthalten.

Da in dieser Verordnung nicht alle Voraussetzungen zum Gebrauch einer bestimmten Herkunftsangabe für ein spezifisches Produkt festgelegt werden, ist es nicht möglich, die Herkunftsangabe, die Produkte und den Inhaber präzise zu bestimmen.

Genau diese Elemente sind jedoch zentral und notwendig für die Eintragung einer Marke, wehalb die Eintragung einer geografischen Marke nach Artikel 27a gestützt auf eine Verordnung nach Artikel 50 Absatz 1 nicht möglich ist.

Art. 50 Abs. 2 (neu) Die Herkunftsangaben werden mit Hilfe allgemeiner Kriterien für Naturprodukte, verarbeitete Naturprodukte und andere, insbesondere Industrieprodukte definiert.

8600

Gemäss Artikel 50 Absatz 2 ist es Aufgabe der Wirtschaftsbranchen, den Bundesrat bei Bedarf mit der Präzisierung dieser Kriterien zu beauftragen indem sie ihm einen konkreten und detaillierten Vorentwurf unterbreiten, der von einem repräsentativen Teil der Branchenunternehmen unterstützt wird. Dafür sind im Vorfeld entsprechende Diskussionen innerhalb der Branche zu führen, die sich dann auf eine gemeinsame Stossrichtung für den Inhalt dieser Kriterien einigen muss. Die dem Bundesrat von den Branchen vorgelegten Kriterien dürfen die gesetzliche Regelung präzisieren, aber keinesfalls davon abweichen (die Ausnahmen sind in Art. 48d abschliessend aufgezählt). Der Bundesrat kann zum Beispiel einer Verordnung zustimmen, die einen bestimmten Rohstoff von der Berechnung der 80 % des Gewichts gemäss Artikel 48b ausschliesst, wenn die entsprechende Wirtschaftsbranche nachweist, dass dieser Rohstoff in der Schweiz aus landwirtschaftlicher Sicht nicht erhältlich ist (Beispiel: spezielle Pflanze aus Bangladesch als Bestandteil von Kosmetika). Ebenso kann der Bundesrat einer Verordnung zustimmen, welche einen bestimmten Rohstoff anteilsmässig von der Berechnung ausschliesst, weil er dauerhaft nicht in genügender Menge auf dem Schweizer Markt verfügbar ist. Dabei wird die Verordnung präzisieren, dass der in der Schweiz verfügbare Anteil des Rohstoffs bezogen werden muss, bevor für die fehlende Menge auf den ausländischen Rohstoff zurückgegriffen werden kann.

Die Feststellung, dass ein Rohstoff in der Schweiz nicht in genügender Menge verfügbar ist, muss der mittelfristigen schweizerischen Produktionskapazität zur Befriedigung der Nachfrage nach Schweizer Rohstoffen Rechnung tragen. Die mangelnde Verfügbarkeit muss mittelfristig bestehen, d.h. die Rohstoffproduzenten sind objektiv nicht in der Lage, in naher Zukunft das Produktionsvolumen so zu erhöhen, dass die Nachfrage gedeckt werden kann. Dies könnte beispielsweise bei Zucker der Fall sein, wenn die dauerhaft ungenügende Verfügbarkeit auf dem Schweizer Markt beispielsweise aufgrund von Statistiken über die vorangehenden Jahre nachgewiesen wäre. Die ungenügende Verfügbarkeit muss zudem beträchtlich sein, d.h. sie gilt als gegeben, wenn zum Beispiel das einheimische Angebot nur 35 % der gesamten Nachfrage ausmacht, nicht jedoch, wenn es 75 % der Nachfrage
abdeckt. Hingegen müsste der Bundesrat die Ausarbeitung einer Verordnung ablehnen, welche einen in der Schweiz verfügbaren Rohstoff von der Berechnung ausschliessen will, weil dieser im Ausland zu einem günstigeren Preis erhältlich ist (zum Beispiel Milch, vgl. Erläuterungen zu Art. 48b und 48c). Eine solche Verordnung entspräche nicht dem Gesetz.

Mit der Verabschiedung einer solchen Verordnung durch den Bundesrat gelten die darin festgelegten Mindestanforderungen. Geht also aus einer Branchenverordnung hervor, dass ein Rohstoff in der Schweiz nicht in genügender Menge verfügbar ist (was die Ausnahme nach Art. 48b Abs. 3 begründet), und legt sie fest, inwieweit diese ungenügende Verfügbarkeit bei der Berechnung des Prozentsatzes von 80 % berücksichtigt werden kann, darf der Produzent sich auf diese Verordnung beziehen.

Branchenverordnungen müssen periodisch angepasst werden, insbesondere dann, wenn sich die Marktbedingungen ändern. Wird beispielsweise ein Rohstoff in durchaus genügender Menge verfügbar, so ist die Ausnahme nach Artikel 48b Absatz 3 nicht mehr gegeben und die Verordnung wird somit hinfällig. Die Verordnungen werden demnach eine Klausel enthalten, die solche periodischen Anpassungen vorsieht.

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Art. 50 Abs. 3 (neu) Die Konsumentenverbände und -organisationen werden neu explizit im Gesetz erwähnt. Bei Erlass einer Verordnung, welche die Voraussetzungen zum Gebrauch einer schweizerischen Herkunftsangabe näher umschreibt, muss der Bundesrat die nationalen oder regionalen Organisationen anhören, die sich statutengemäss mit Anliegen des Konsumentenschutzes befassen. Der Gebrauch einer Herkunftsangabe muss nämlich dem Verständnis der massgebenden Kreise entsprechen, das heisst der Konsumentinnen und Konsumenten einerseits und der Wirtschaftsbranchen andererseits.

2.1.3 Art. 50a (neu)

Register für geografische Angaben Register für geografische Angaben

Die geografischen Angaben dienen der Kennzeichnung von Waren, die aus einem bestimmten Land, einer Gegend oder einem Ort dieses Landes kommen, wenn die Qualität, der Ruf oder ein anderes bestimmtes Merkmal der Waren im Wesentlichen ihrem geografischen Ursprung zuzuschreiben sind (Art. 22 Abs. 1 TRIPS-Abkommen). Das in Artikel 50a vorgesehene Register wird also einzig für die qualifizierten Herkunftsangaben geschaffen und nicht für alle Herkunftsangaben im Sinne von Artikel 47 MSchG. Es steht nicht nur schweizerischen geografischen Angaben, sondern auch ausländischen offen (Art. 3 TRIPS-Abkommen und Art. 2 PVÜ zur Inländerbehandlung). Die registrierten geografischen Angaben müssen den Kriterien der Artikel 48­48c entsprechen, unter Vorbehalt der Ausnahme nach Artikel 48d Buchstabe b.

Artikel 50a, der die Schaffung eines Registers für geografische Angaben vorsieht, wurde unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus der Anwendung von Artikel 16 LwG ausgestaltet. Aus diesem Grund übernimmt Artikel 50a weitgehend den Inhalt von Artikel 16 LwG, auf dessen Grundlage ein Register für Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben für Landwirtschaftsprodukte und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte geschaffen worden ist.

Das Register für geografische Angaben gemäss Artikel 50a gilt für alle Warenkategorien mit Ausnahme der Landwirtschaftsprodukte und der verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte, der Weine sowie der waldwirtschaftlichen Erzeugnisse und ihrer Verarbeitungsprodukte (diese Produkte sind schon auf analoge Weise geschützt oder werden es bald sein). Ein Register für die Ursprungsbezeichnungen und die geografischen Angaben wurde bereits 1997 auf der Grundlage der Artikel 14 und 16 LwG geschaffen. Seither wurden rund zwanzig AOC und IGP-Bezeichnungen registriert, wie zum Beispiel der Gruyère (AOC) oder das Bündnerfleisch (IGP). Diese branchenspezifische Regelung wurde unter Berücksichtigung von landwirtschaftspolitischen Zielen und mit Blick auf die Kompatibilität mit dem Gemeinschaftsrecht59 ausgearbeitet, wobei der Bundesrat im Agrarbereich das Ziel der gegenseitigen Anerkennung der AOC und der IGP-Bezeichnungen zwischen der EU und der Schweiz hat, so wie sie für die Weine und Spirituosen bereits besteht. Die Weine ihrerseits sind von den Kantonen auf Grundlage von Artikel 63 LwG durch kantonale Listen geschützt (die Kompetenz liegt also bei den Kantonen). Betreffend die 59

Verordnung (EG) 2081/92 ersetzt durch die Verordnung (EG) 510/2006.

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waldwirtschaftlichen Erzeugnisse und ihre Verarbeitungsprodukte beauftragt die Motion 08.3247, die am 27. Mai 2008 von Nationalrat Favre eingereicht wurde, den Bundesrat, eine gesetzliche Grundlage vorzulegen, welche einen wirksamen Schutz der Bezeichnungen von traditionellen Erzeugnissen der Schweizer Waldwirtschaft ermöglicht; dies soll anhand einer Eintragung im eidgenössischen AOC/IGPRegister geschehen. Die Motion übernimmt den Entwurf zur Änderung des Waldgesetzes60, in dem u.a. in einem neuen Artikel 41a (Kennzeichnung) die Voraussetzung dafür geschaffen werden soll, dass für waldwirtschaftliche Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte (Holz und Holzprodukte) eine geschützte Herkunftsbezeichnung wie die Bezeichnung AOC verwendet werden kann. Diese Waldgesetzänderung wird im Zuge der vorliegenden Revision umgesetzt (vgl. dazu die Ausführungen in Ziffer 2.2.8).

Artikel 50a Absatz 2 umreisst in groben Zügen den Inhalt der vom Bundesrat auszuarbeitenden Vollzugsverordnung. Diese wird die Eintragungsberechtigung (Bst. a) festzulegen haben: Das Eintragungsgesuch muss von einer Gruppierung gestellt werden, deren Repräsentativität nachzuweisen ist. Die Gruppierung muss ausserdem ein Pflichtenheft einreichen (Bst. b), welches namentlich folgende Angaben enthält: Name des Produkts mit der geografischen Angabe, Beschreibung und Herstellungsmethode des Erzeugnisses sowie Definition des geografischen Gebiets und Beschreibung des Kontrollmechanismus. Das Gesuch muss schliesslich auch Informationen zum Zusammenhang zwischen Qualität, Eigenschaften und Ruf einerseits und der geografischen Herkunft enthalten. Die Voraussetzungen nach den Artikeln 48a­48c müssen ­ unter Vorbehalt der Ausnahme von Artikel 48d Buchstabe b ­ in jedem Fall erfüllt sein. Die Verordnung wird auch Bestimmungen zum Registrierungs- und Einspracheverfahren (Bst. c) enthalten..Der Bundesrat wird ferner die Möglichkeit prüfen, eine Kommission für geografische Angaben zu bilden (externes Fachwissen). Das Gesuch um Registrierung wird im Schweizerischen Handelsamtsblatt oder in einem anderen vom IGE bestimmten Publikationsorgan veröffentlicht.

Mit der Veröffentlichung des Gesuchs um Registrierung beginnt die Einsprachefrist zu laufen. Eine Einsprache wird gutgeheissen, wenn die hinterlegte Bezeichnung nicht der Definition der geografischen
Angabe entspricht, bei fehlender Repräsentativität der gesuchstellenden Gruppierung, oder wenn es sich bei der hinterlegten Bezeichnung um eine Gattungsbezeichnung handelt. Weiter ist eine Einsprache möglich, wenn die beantragte Registrierung eine ganz oder teilweise homonyme (gleichnamige) Bezeichnung oder eine Marke verletzen kann und eine Verwechslungsgefahr mit der geografischen Angabe besteht. Letztere wird zurückhaltend beurteilt: Damit eine Verwechslungsgefahr gegeben ist, muss die ältere Marke insbesondere über einen guten Ruf verfügen und schon seit Langem verwendet werden. Des Weiteren ist das öffentliche Interesse zu wahren. Die Verordnung muss schliesslich ein Kontrollsystem vorsehen, das sicherstellt, dass die Waren, auf denen die geografische Angabe angebracht wird, die Bedingungen des Pflichtenhefts erfüllen (Bst. d).

Die Registrierung einer geografischen Angabe gemäss Artikel 50a ist kein Hinderungsgrund für eine Gruppierung, dem Bundesrat ein Gesuch gemäss Artikel 50 Absatz 2 vorzulegen, dasselbe gilt auch umgekehrt. Wird um Schutz im Ausland ersucht, kann die Kumulierung dieser Schutzinstrumente nützlich sein, da die betroffenen Produzenten dasjenige Instrument auswählen können, das demjenigen der 60

BBl 2007 3879

8603

ausländischen Gesetzgebung am nächsten kommt. Damit erhöhen sich die Chancen, in diesem Land einen entsprechenden Schutz zu erhalten. Die Voraussetzungen für den Gebrauch der geografischen Angabe im Pflichtenheft und in der Verordnung des Bundesrates müssen identisch sein. Verlangt die Dachorganisation einer Branche, die bereits von einer Verordnung des Bundesrats im Sinne von Artikel 50 Absatz 2 profitiert, die Eintragung der in der Verordnung geregelten geografischen Angabe ins Register, so verkürzt sich das Registrierungsverfahren, da die betreffenden Kriterien bereits im Rahmen des Verordnungsverfahrens eingehend geprüft wurden.

Artikel 50a Absatz 3 berechtigt das IGE, Gebühren zu erheben. Das IGE ist eine selbstständige öffentlichrechtliche Anstalt des Bundes und führt seine Geschäfte unabhängig vom Bundeshaushalt, weshalb es unumgänglich ist, für die Registrierung einer geografischen Angabe sowie für die Verwaltung des Registers Gebühren zu erheben (vgl. auch die bestehende Rechtsgrundlage, Art. 13 Abs. 1 IGEG). Zum Vergleich: Viele Länder wenden die Modellbestimmungen der WIPO an, welche die Gebührenerhebung für die Registrierung von geografischen Angaben vorsehen.

Artikel 50a Absatz 4 entspricht Artikel 16 Absatz 3 LwG.

Artikel 50a Absatz 5 entspricht im Wesentlichen Artikel 16 Absatz 6 LwG, wenn auch in leicht abgeänderter Formulierung. Wie diese Bestimmung übernimmt auch Absatz 5 den Inhalt von Artikel 24 Absatz 5 des TRIPS-Abkommens: Wer eine eingetragene geografische Angabe für gleiche oder vergleichbare Waren verwendet, muss das Pflichtenheft nach Artikel 50a Absatz 2 erfüllen. Die Bestimmung bezieht sich auf gleiche Waren sowie auf vergleichbare Waren, die aufgrund ihres Namens, ihrer Art, ihrer Form oder ihrer Aufmachung mit den Originalprodukten verwechselt werden können und bei denen die durchschnittliche Konsumentin oder der durchschnittliche Konsument annehmen könnte, dass sie aus dem dafür bekannten Ort kommen und gegebenenfalls über die entsprechenden im Pflichtenheft definierten Qualitäten oder Eigenschaften verfügen. Der Begriff «vergleichbare Ware» muss daher eng ausgelegt werden: Er hat die gleiche Bedeutung wie der Begriff «gleichartige Ware» von Artikel 16 Absatz 6 LwG. Er wurde jedoch so gewählt, um jede Verwechslung mit dem weiter gefassten Begriff «gleichartige
Ware» von Artikel 3 MSchG zu vermeiden61. In Anwendung von Artikel 16 Absatz 6 LwG, muss sich derjenige, der die Bezeichnung «Gruyère» für Milch verwendet, nicht an das Pflichtenheft halten, denn «Gruyère» ist eine eingetragene Ursprungsbezeichnung für Käse, und Milch gilt nicht als mit Käse vergleichbare Ware. Eine weiter gefasste Definition des Begriffs «vergleichbare Ware» würde die Produzenten oder Hersteller anderer in der betreffenden Region hergestellter Produkte benachteiligen, da sie daran gehindert würden, eine zutreffende Herkunftsangabe zu verwenden.

Zur Vereinbarkeit mit Artikel 24 Absatz 5 TRIPS-Abkommen kann unter folgenden, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen, von Artikel 50a Absatz 5 abgewichen werden: ­

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Eine Marke, die mit einer ins Register eingetragenen geografischen Angabe identisch oder dieser Angabe ähnlich ist, muss gutgläubig eingetragen worden oder durch gutgläubige Benutzung erworben worden sein: Die Bestimmung betrifft identische Marken und Marken, bei denen eine VerwechsDer Begriff «vergleichbare Ware» wird ebenfalls im Gemeinschaftsrecht verwendet.

Siehe Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006, der auf Art. 13 derselben Verordnung verweist.

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lungsgefahr62 mit der registrierten geografischen Angabe besteht. Das Kriterium der Gutgläubigkeit nimmt Bezug auf die Bekanntheit der geografischen Angabe63. Sobald der Hinterleger der Marke von der Existenz der schen Angabe weiss, ist er nicht mehr gutgläubig. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Hinterleger davon Kenntnis hat, dass die geografische Angabe von den Produzenten des betreffenden Ortes oder von den Händlern verwendet wird, um die Herkunft des Produkts zu bezeichnen oder wenn der Hinterleger davon Kenntnis hat, dass die geografische Angabe im Herkunftsland hinterlegt wurde. Der Hinweis auf die Marken, an denen Rechte durch gutgläubige Benutzung erworben wurden, bezieht sich auf die notorisch bekannten Marken, die unabhängig von einer Eintragung geschützt sind (siehe Artikel 3 MSchG)64.

­

Die gutgläubige Eintragung der Marke oder ihr gutgläubiger Erwerb muss vor dem 1. Januar 1996 oder bevor der Name der eingetragenen geografischen Angabe im Ursprungsland geschützt worden ist stattgefunden haben.

Der Beginn des Schutzes der geografischen Angabe ist nicht an ein bestimmtes Ereignis gebunden. In einem Streitfall über den Gebrauch einer geografischen Angabe obliegt es der gesuchstellenden Gruppierung nachzuweisen, seit wann diese durch die Artikel 47 ff. MSchG geschützt ist. Sie kann dies zum Beispiel tun, indem sie Dokumente (Werbung, Rechnungen usw.) vorlegt, welche beweisen, dass die Angabe seit einer bestimmten Periode existiert. Sie kann auch Tatsachen vorbringen (Medienberichte, Werbung, usw.), die darauf hinweisen, dass der Markeninhaber von der Verwendung der geografischen Angabe gewusst haben muss.

­

Die Marke darf nicht nichtig oder verfallen sein.

Die Voraussetzungen von Artikel 50a Absatz 5 gelten auch für die geografische Marke, die auf der Grundlage einer registrierten geografischen Angabe nach Artikel 50a eingetragen wurde. Mit anderen Worten kann der Inhaber der geografischen Marke wie auch der Benutzer der entsprechenden, im Register eingetragenen geografischen Angabe dem Inhaber einer älteren Marke nicht verbieten, diese zu gebrauchen, wenn dieser die Voraussetzungen der Ausnahmen erfüllt.

Gemäss Artikel 50a Absatz 5 muss, wer eine eingetragene Herkunftsangabe für gleiche oder vergleichbare Waren verwendet, das Pflichtenheft nach Artikel 50a Absatz 2 Buchstabe b erfüllen. Aus diesem Grund sieht Artikel 50a Absatz 6 Folgendes vor: Wird eine Marke, die eine geografische Angabe enthält, die mit einer zur Eintragung angemeldeten geografischen Angabe identisch oder ähnlich65 ist, für identische oder vergleichbare Waren hinterlegt, so wird das Markenprüfungsverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über das Gesuch um Eintragung der geografischen Angabe sistiert. Die in Frage stehende Marke muss eine identische oder ähnli62 63

64

65

Vgl. Art. 3 MSchG und die entsprechende Rechtsprechung dazu.

Vgl. Ziff. 1.1 wo darauf hingewiesen wird, wonach der Schutz der Herkunftsangaben, d.h.

auch der geografischen Angaben, unabhängig von einer Registrierung oder von einem Schutztitel besteht.

Es ist festzuhalten, dass eine Ursprungsbezeichnung oder eine geografische Angabe nicht eingetragen werden kann, wenn diese Eintragung aufgrund des Ansehens, das die Marke geniesst, ihres Bekanntheitsgrades und der Dauer ihrer Verwendung dazu geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf die tatsächliche Identität der Ware irrezuführen (siehe dazu WTO-Panel Bericht vom 15.03.2005, i.S. USA vs. EU, WT/DS174/R).

Vgl. Art. 3 MSchG und die entsprechende Rechtsprechung dazu.

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che geografische Angabe wie die hinterlegte geografische Angabe enthalten und sich auf identische oder vergleichbare Produkte stützen (vgl. Erläuterungen zu Art. 50a Abs. 5). Ist der Entscheid über das Eintragungsgesuch der geografischen Angabe rechtskräftig, wird die Sistierung aufgehoben, und die Marke kann mit einer entsprechenden Einschränkung eingetragen werden (siehe unten). Eine Artikel 50a Absatz 6 entsprechende Bestimmung wird in Artikel 16 Absatz 5bis LwG aufgenommen.

Gemäss Artikel 50a Absatz 7 kann die Marke nach der Registrierung der Herkunftsangabe nur für identische oder vergleichbare Waren eingetragen werden, wobei diese auf die im Pflichtenheft definierte geografische Herkunft eingeschränkt werden müssen. Dazu ein konkretes Beispiel: Eine Marke mit der Bezeichnung «Gruyère» kann mit Blick auf die gleichzeitige Anwendung von Artikel 16 LwG nur eingetragen werden, wenn der Inhaber mit folgender Einschränkung im Markenregister einverstanden ist: «Käse gemäss Pflichtenheft der AOC Gruyère». Diese Einschränkung betrifft nicht nur Marken, die registrierte geografische Angaben enthalten, sondern alle Herkunftsangaben (Art. 47 MSchG). Diese Praxis wurde vom Bundesgericht letztmals im Entscheid «Colorado»66 bestätigt.

Artikel 50a Absatz 8 entspricht dem heutigen Artikel 16 Absatz 7 LwG. Ist ein Ort für die Herstellung bestimmter Produkte bekannt, so verhindert der Schutz der geografischen Angaben die Verwendung dieses Ortsnamens für gleiche oder vergleichbare Waren, die nicht aus diesem Ort stammen oder die nicht über die Eigenschaften oder Qualitäten verfügen, die im Pflichtenheft stehen (auch wenn sie tatsächlich aus diesem Ort kommen), nicht jedoch für andere ­ eben nicht vergleichbare ­ Produkte, die tatsächlich aus diesem Ort kommen.

2.1.4 Art. 51a (neu)

Beweislastumkehr Beweislastumkehr

Die Revisionsvorlage ermöglicht es, mit grösserer Klarheit zu bestimmen, wann eine Herkunftsangabe unzutreffend (Art. 47 Abs. 3 Bst. a MSchG) und ihr Gebrauch somit unzulässig ist. In einem zivilrechtlichen Verfahren obliegt es dem Kläger oder der Klägerin zu beweisen, dass der Gebrauch durch die beklagte Partei unzutreffend ist (allgemeine Regel von Art. 8 ZGB). Meistens ist es jedoch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, zu beweisen, dass die beklagte Partei die Kriterien nach den Artikeln 48 ff. nicht erfüllt, da nur der Produzent selber Kenntnis über die Einzelheiten der Herstellung des Produkts hat. Artikel 51a trägt dieser verfahrensrechtlichen Schwierigkeit Rechnung und fordert von der beklagten Person, Unterlagen einzureichen welche es erlauben, die Richtigkeit der geografischen Angabe zu beurteilen. Mit anderen Worten, die beklagte Partei muss beweisen, dass sie die Voraussetzungen nach den Artikeln 48 ff. oder die Voraussetzungen gemäss allfälligen Branchenverordnungen einhält. Bringt die beklagte Person die erforderlichen Unterlagen nicht bei, muss der Gebrauch vom Gericht als unzutreffend qualifiziert werden. Die Einführung dieser Bestimmung ins Markenschutzgesetz ist notwendig, da die ähnliche Bestimmung von Artikel 13a UWG einerseits nur auf Werbung anwendbar ist und deshalb die Verfahren über eine Herkunftsangabe ausserhalb des Bereichs der Wer66

BGE 132 III 770 ff; siehe auch BG, sic! 2006, S. 677, «Fischmanufaktur Deutsche See».

8606

bung nicht abdeckt. Andererseits sieht diese Bestimmung die Beweislastumkehr nur fakultativ und nicht systematisch vor.

Die Wahrung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses muss immer gewährleistet sein, auch im Falle der Anwendung von Artikel 51a. Die Einführung einer spezifischen Verfahrensregel ins MSchG erübrigt sich, da eine solche Regel schon in der Zivilprozessordnung67 (Art. 156) und im Entwurf der Strafprozessordnung68 (Art. 102 Abs. 1) vorgesehen ist.

2.1.5 Art. 56

Klageberechtigung der Behörden Klageberechtigung der Verbände, Konsumentenschutzorganisationen und Behörden

Aus den an früherer Stelle erwähnten Gründen (siehe Ziff. 1.4.1) soll bei einem Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben eine beschränkte zivilrechtliche Klagebefugnis der Behörden eingeführt werden. Durch den Einschluss in Absatz 1 geht hervor, dass einerseits die Ansprüche beschränkt sind, welche durch die Behörden geltend gemacht werden können: Es handelt sich um die ­ verschuldensunabhängigen ­ Ansprüche auf Feststellung eines Rechts bzw. Rechtsverhältnisses (Art. 52 MSchG) sowie auf Unterlassung und Beseitigung einer Rechtsverletzung bzw. Information über die Herkunft von widerrechtlich gekennzeichneten Waren (Art. 55 Abs. 1 MSchG). Andererseits ist die Klagemöglichkeit auf Zeichen zu beschränken, an denen der Bund bzw. die Kantone ein besonderes Interesse aufweisen: Nach Buchstabe c soll der Bund dort eingreifen können, wo Bezeichnungen oder Symbole verwendet werde, welche auf das Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft hinweisen. Im Vordergrund stehen Bezeichnungen wie «Schweiz», «schweizerisch» oder «Swiss Made» sowie das Schweizerkreuz und die Schweizerfahne, soweit sie als Herkunftshinweis verwendet werden; erfasst werden aber auch weitere Bezeichnungen wie z.B. «Helvetia» oder die Abbildung von Wilhelm Tell.

Anstelle der Schweizerischen Eidgenossenschaft soll die Klagebefugnis dem IGE zukommen, das nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b IGEG für den Vollzug des vorliegenden Gesetzes zuständig ist. Dabei trägt das IGE selbst die (üblichen) Risiken eines Zivilklägers. Diese Befugnis steht in keinem Spannungsverhältnis zu den bestehenden Aufgaben des IGE als entscheidende Behörde bei der Eintragung von Marken. Dort prüft das IGE zwar im Rahmen der absoluten Ausschussgründe nach Artikel 2 Buchstabe c MSchG auch eine allfällige Irreführungsgefahr durch Herkunftsangaben; die Prüfung erfolgt jedoch ausschliesslich aufgrund des Eintragungsgesuchs (und nicht aufgrund des tatsächlichen Gebrauchs) sowie im Hinblick darauf, ob die angemeldete Marke Schutz gegenüber anderen Zeichen verdient.

Trägt das IGE im Register eine Marke ein, welche eine geografische Herkunftsangabe enthält, mit oder ohne Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auf Waren einer bestimmten Herkunft, so gibt es damit zu erkennen, dass es den mit der Eintragung übereinstimmenden Gebrauch der Marke für
zulässig hält. Diese Haltung müsste es sich in einem allfälligen späteren Zivilprozess vom Markeninhaber entgegenhalten lassen. Bei einem von der Eintragung abweichenden 67 68

BBl 2009 21 BBl 2007 6977

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Gebrauch der Marke (namentlich für Waren anderer Herkunft) ist eine spätere Zivilklage des IGE dagegen durchaus möglich. In beiden Fällen wäre das IGE im Zivilverfahren nicht mehr entscheidende Behörde, sondern nunmehr Partei. Dass das IGE jederzeit ­ also sowohl als Eintragungsbehörde als auch als Klägerin in einem Zivilprozess ­ bei der Beurteilung der Irreführungsgefahr durch Herkunftsangaben die gleichen Normen und Grundsätze anwendet, ist gewollt und soll einer einheitlichen Rechtsanwendung zur Durchsetzung verhelfen. Im Einzelfall präjudiziert das Verhalten des IGE im Bereich der Zivilklage dessen Markeneintragungspraxis jedoch nicht: Die blosse Ermächtigung (nicht Verpflichtung) des IGE erlaubt diesem, die Klageerhebung jeweils von einer Interessenabwägung abhängig zu machen.

Aus dem Verzicht auf eine Klage im Einzelfall kann deshalb nichts für die Eintragungspraxis abgeleitet werden.

Buchstabe d regelt die Klageberechtigung der Kantone sinngemäss wie jene des Bundes.

Nach Absatz 3 bestimmt das kantonale Recht bzw. hat es gegebenenfalls noch zu bestimmen, welche Behörde diese Zuständigkeit wahrnimmt.

2.1.6

Strafbestimmungen

Art. 61 Abs. 1 Bst. d Der Wortlaut von Absatz 1 Buchstabe b wird um den Begriff des Lagerns zum Zweck des Inverkehrbringens ergänzt. Damit verdeutlicht der Wortlaut die inhaltliche Kohärenz zwischen den strafrechtlichen Tatbeständen und der Verletzung der in Artikel 13 Absatz 2 MSchG aufgezählten Ausschliesslichkeitsrechte69. Ein aktueller sachlicher Grund, das Lagern milder als z.B. die Durchfuhr zu beurteilen, ist nicht ersichtlich. Die vorgesehene Lösung entspricht im Übrigen auch den Regelungen im Patent- und im Designgesetz, welche das unbefugte Lagern zu gewerblichen Zwecken ebenfalls unter Strafe stellen (siehe Art. 81 i.V.m. Art. 66 und Art. 8 Abs. 2 PatG; Art. 41 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 DesG). Somit wird auch in Bezug auf diese anderen Gesetze eine grössere Kongruenz hergestellt und damit insgesamt ein Beitrag zur Vereinheitlichung des Immaterialgüterrechtsschutzes geleistet.

Über diese Änderung hinaus sind einige rein terminologische Anpassungen an das neue Zollgesetz vorgesehen, die sich aber materiell nicht auswirken (näheres unter Ziff. 2.1.7.2).

Art. 62 Abs. 3 Es wird vorgeschlagen, Absatz 3 aufzuheben: Vor der Revision des Patentgesetzes im Jahr 2007 waren die Ein-, Aus- und Durchfuhr sowie die Lagerung von Waren, welche das Markenrecht verletzten, nicht bereits an und für sich strafbar. Diese Verhaltensweisen waren lediglich strafbar, soweit sie dem betrügerischen Markengebrauch dienten. Dieses wertungsmässig eine Gehilfenschaft darstellende Verhalten war in Artikel 62 Absatz 3 als selbstständiger Übertretungstatbestand ausgestaltet, was die Strafverfolgung in Fällen vereinfachte, in denen die Haupttäter sich im Ausland befanden. Mit der Revision des Patentgesetzes im Jahr 2007 wurden die 69

Siehe auch BBl 2006 1, 133

8608

Tatbestände der Ein-, Aus- und Durchfuhr neu bewertet, als eigenständige Vergehen qualifiziert und in Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe b MSchG integriert. Mit der nun vorgesehenen Ergänzung jener Strafnorm um den Tatbestand des Lagerns (vgl.

Art. 61) sind keine Fälle der Gehilfenschaft mehr denkbar, die nicht zugleich auch eine eigenständige Markenrechtsverletzung darstellen würden. Letztere ist aber mit dem weitaus grösseren Strafrahmen bedroht als die Gehilfenschaft zum betrügerischen Markengebrauch, weshalb Artikel 62 Absatz 3 auch nicht etwa als qualifizierte Form einer Markenrechtsverletzung verstanden werden kann. Folglich kann diese Bestimmung aufgehoben werden.

Art. 64

Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben

Aus den bereits erwähnten Gründen (siehe Ziff. 1.4.1) soll neu nicht mehr nur der gewerbsmässige, sondern jeder vorsätzliche Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben von Amtes wegen strafrechtlich verfolgt werden. Entsprechend wird in Absatz 1 auf das Erfordernis eines Strafantrags verzichtet und die Tat damit zum Offizialdelikt gemacht. Eine Erhöhung des Strafmasses ist damit nicht verbunden, weil vorliegend keine Neubeurteilung des objektiven Unrechtsgehalts erfolgt, sondern einzig die Rechtsverfolgung im öffentlichen Interesse erleichtert werden soll.

Das Strafmass entspricht demjenigen des bereits heute von Amtes wegen verfolgten Missbrauchs von öffentlichen Zeichen (siehe Erläuterungen zu Art. 28 Abs. 1 E-WSchG).

Buchstabe c wird entsprechend der Änderung von Artikel 47 Absatz 3 Buchstabe c auf den Fall ausgedehnt, dass die Täuschungsgefahr durch den Gebrauch einer Firma geschaffen wird.

Absatz 2 ist entsprechend der Änderung in Absatz 1 redaktionell anzupassen.

In Absatz 3 wird das IGE ausdrücklich ermächtigt, bei der zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörde Anzeige zu erstatten. Das aus strafprozessrechtlicher Sicht in Artikel 301 Absatz 1 StPO geregelte allgemeine Anzeigerecht wird damit im vorliegenden Zusammenhang auch unter dem Aspekt des verwaltungsrechtlichen Gesetzmässigkeitsprinzips verankert. Nach Artikel 104 Absatz 2 StPO kann der Bund zudem weiteren Behörden, welche öffentliche Interessen zu wahren haben, volle oder beschränkte Parteirechte einräumen. Betreffend den Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben erfolgt dies hier zugunsten des für den Vollzug des Gesetzes zuständigen IGE (vgl. Art. 2 Abs. 2 Bst. b IGEG). Weil die Strafprozessordnung den Begriff der «vollen oder beschränkten Parteirechte» nicht weiter definiert, ist festzulegen, welche Parteirechte dem IGE konkret zukommen sollen. Es sind die gleichen Rechte, welche die StPO der Privatklägerschaft zugesteht, und damit ­ nebst jener der angeschuldigten Person ­ die umfassendsten Rechte einer Drittpartei im Strafverfahren. Im Vordergrund stehen die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessenden Teilnahmerechte gemäss Artikel 107 StPO sowie die Möglichkeit der Ergreifung von Rechtsmitteln gegen Einstellungsverfügungen (Art. 322 Abs. 2 StPO) und Entscheide von Gerichtsbehörden (Art. 382 Abs. 1 StPO).

8609

2.1.7

Weitere Revisionspunkte

2.1.7.1

Prioritätsbeleg

Art. 9 Abs. 1 Die heutige Verpflichtung des Inhabers, einen Prioritätsbeleg einzureichen, rechtfertigt sich nicht mehr und soll aufgehoben werden. Einerseits gewährleistet sie nicht, dass der Inhaber sein Prioritätsrecht tatsächlich aus der Ersthinterlegung im Ausland herleitet und nicht aus einer späteren, ebenfalls im Ausland getätigten Hinterlegung.

Andererseits stellt sie für den Inhaber eine Hürde im Markeneintragungsverfahren dar. Dem IGE, das den Eingang des Prioritätsbelegs prüfen muss, auferlegt diese Verpflichtung zudem eine zusätzliche Arbeitslast.

Auch wenn das Einreichen des Prioritätsbelegs nicht mehr obligatorisch ist, behält sich das IGE doch die Möglichkeit vor, im Falle von Unklarheiten die Abgabe des Prioritätsbelegs zu verlangen.

2.1.7.2

Terminologische Anpassungen an das Zollgesetz

Art. 13 Abs. 2 Bst. d und 2bis; 61 Abs. 1 Bst. b; 62 Abs. 3; 70 Abs. 1; 71 Abs. 1; Art. 72 Abs. 1 Die Vorlage enthält terminologische Anpassungen von verschiedenen Bestimmungen betreffend die Begriffe «Einfuhr», «Ausfuhr» und «Durchfuhr» die mit dem Inkrafttreten des neuen Zollgesetzes in Zusammenhang stehen (Art. 6 ZG). Diese Anpassungen sind rein formeller Natur: Die Übernahme der zollrechtlichen Terminologie verdeutlicht, dass die immaterialgüterrechtlichen Definitionen des Imports, des Exports und der Durchfuhr mit jenen des Zollrechts übereinstimmen. Die formelle Anpassung soll verhindern, dass terminologische Unterschiede in den beiden Gesetzen zu einer Rechtsunsicherheit führen, indem sie vermuten lassen, dass unterschiedliche Begriffe verschiedene Konzepte enthalten, was nicht der Fall ist.

Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe b wird leicht geändert, um die ursprünglich in Artikel 62 Absatz 3 (aufgehoben) vorgesehene Lagerung einzuschliessen. Durch die neue Formulierung von Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe b und die Aufhebung von Artikel 62 Absatz 3 wird eine Doppelspurigkeit vermieden, die Unsicherheiten in Bezug auf den jeweiligen Geltungsbereich der beiden Bestimmungen verursachen könnte.

2.1.7.3

Teilung der Eintragung oder des Eintragungsgesuchs

Art. 17a Abs. 1 Das Schriftlichkeitserfordernis für das Gesuch um Teilung der Eintragung oder der Marke schränkt den Handlungsspielraum des IGE ein, da dieses ein per E-Mail gestelltes Gesuch nicht annehmen kann. Diese Anforderung muss deshalb aufgehoben werden. Artikel 6 Absatz 3 der Markenschutzverordnung vom 23. Dezember 1992 (MSchV) enthält bereits eine Regelung, die es dem IGE ermöglicht, die

8610

Unterschrifts- ­ und damit die Schriftform ­ aufzuheben, wenn es dies für sachgerecht erachtet.

2.1.7.4 Art. 54

Mitteilung von Entscheiden und Abschreibungsbeschlüssen Mitteilung von Entscheiden und Abschreibungsbeschlüssen

Artikel 63 des TRIPS-Abkommens verpflichtet alle WTO-Mitgliedstaaten, also auch die Schweiz, in der Lage zu sein, statistische Daten zu den auf ihrem Territorium ergangenen Entscheiden im Bereich des Immaterialgüterrechts dem WTO-Sekretariat zu übermitteln. Zudem ist das IGE neu auch beschränkt zivilrechtlich klagebefugt, wenn die Eidgenossenschaft vom Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben oder vom widerrechtlichen Gebrauch öffentlicher Zeichen betroffen ist (siehe auch Erläuterungen zu Art. 56 E-MSchG sowie zu Art. 27 E-WSchG).

Aus diesen Gründen ist das IGE auf die sofortige Mitteilung sämtlicher Entscheide angewiesen, die im Bereich der Marken bzw. der geografischen Herkunftsangaben und der öffentlichen Zeichen ergangen sind. «Ohne Verzug» bedeutet, dass die entsprechenden Entscheide sofort nach Erlass (und nicht erst mit Rechtskraft) zugestellt werden müssen.

Artikel 54 statuiert daher eine gesetzliche Mitteilungspflicht im zivilrechtlichen Bereich (zur Terminologie vgl. Art. 236 f. und 241 f. ZPO). Das strafrechtliche Gegenstück zu Artikel 54 E-MSchG ist die Verordnung vom 10. November 2004 über die Mitteilung kantonaler Strafentscheide70 (Mitteilungsverordnung). Gemäss Artikel 3 Ziffern 5 und 7 dieser Verordnung sind die kantonalen Behörden verpflichtet, sämtliche aufgrund des Markenschutz- und des Wappenschutzgesetzes ergangenen Strafentscheide unverzüglich an das IGE weiterzuleiten. Mit dieser Verordnung und mit Artikel 54 E-MSchG wird sichergestellt, dass das IGE von sämtlichen Zivilund Strafverfahren, die den erwähnten Bereich betreffen, Kenntnis erhält (insbesondere auch von Nichteintretensentscheiden, Zwischenentscheiden und vorsorglichen Massnahmeentscheiden gemäss Zivilprozessordnung bzw. Nichteintretens- und Nichtanhandnahmeverfügungen gemäss Strafprozessordnung; nicht von der Mitteilungspflicht betroffen sind hingegen prozessleitende Verfügungen und andere Inzidenzentscheide). Auf diese Weise hat das IGE die intakten Voraussetzungen, innerhalb der Rechtsmittelfrist zu prüfen, ob es gegen einen Entscheid das entsprechende Rechtsmittel einlegen will (bei kantonalen Strafentscheiden durch die Bundesanwaltschaft).

2.1.7.5

Vereinfachtes Löschungsverfahren wegen Nichtgebrauch

In der Vernehmlassung wurde mehrfach der Wunsch nach einem vereinfachten Löschungsverfahren vor dem IGE für infolge Nichtgebrauchs ungültige Marken geäussert.

70

SR 312.3

8611

Prinzip Ausgangspunkt ist Artikel 12 MSchG, wonach das Recht an einer Marke, die während eines Zeitraums von fünf Jahren ohne wichtige Gründe nicht gebraucht wurde, nicht mehr geltend gemacht werden kann. Eine solche Marke bleibt zwar formell im Register eingetragen, hat aber materiell ihren Inhalt und damit letztlich auch ihre Berechtigung verloren: Marken, die im Wirtschaftsverkehr nicht benützt werden, verdienen keinen Schutz und sind demnach wieder freizugeben. Allerdings erhalten Dritte, die ein ähnliches Zeichen benützen oder selbst als Marke eintragen lassen wollen, erst mit der Löschung der nicht (mehr) gebrauchten Marke aus dem Register verbindlich Gewissheit über den Nichtbestand des fremden Rechts.

Nach geltendem Recht kann die Löschung einer nicht gebrauchten Marke nur durch Klage beim Zivilrichter erreicht werden. Das Gesetz nennt zwar die Löschungsklage wegen Nichtgebrauchs nicht ausdrücklich, setzt sie aber stillschweigend voraus (BGE 130 III 267, E. 2.2). Eine Löschung in einem Verfahren vor dem IGE ist im Gesetz bislang nicht vorgesehen. Dies hat zur Folge, dass selbst in klaren Fällen der aufwendige und kostenintensive Gerichtsweg beschritten werden muss, um eine materiell untergegangene Marke aus dem Register löschen zu lassen und dieses damit wieder in Einklang mit der Rechtswirklichkeit zu bringen (da keine Möglichkeit der Löschung durch das IGE bestand, musste im Fall, der dem BGE 115 II 276 zugrunde lag zunächst eine bereits liquidierte Gesellschaft wieder in das Handelsregister eingetragen werden, damit der Löschungsanspruch gegen sie gerichtlich durchgesetzt werden konnte). Mit der Einführung eines vereinfachten Löschungsverfahrens vor dem IGE soll namentlich für solche Fälle Abhilfe geschaffen werden.

Ein Löschungsverfahren für nicht gebrauchte Marken vor der Registerbehörde besteht unter anderem in Deutschland und vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt betreffend Gemeinschaftsmarken: Während das Verfahren vor dem deutschen Patent- und Markenamt bereits dann endet und der Antragsteller auf den Gerichtsweg verwiesen wird, wenn der Markeninhaber der Löschung innert einer Frist von zwei Monaten widerspricht (§ 53 MarkenG)71, sieht die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 ein Zweiparteienverfahren mit mehreren Schriftenwechseln vor (Art. 56 und 57), in dessen Rahmen der
Markeninhaber den Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke zu führen hat (Regel 40 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95).

Das hier vorgeschlagene Löschungsverfahren verfolgt einen Mittelweg zwischen diesen beiden Modellen: Anders als im deutschen Recht genügt nicht schon ein blosser Löschungsantrag, sondern der Antragsteller hat den Nichtgebrauch glaubhaft zu machen (vgl. auch Art. 12 Abs. 3 MSchG). Damit wird sichergestellt, dass eine gewisse materielle Prüfung der Rechtslage auch dann erfolgt, wenn sich der Markeninhaber im Verfahren nicht vernehmen lässt. Ausserdem stellt die Substanziierungspflicht eine Massnahme gegen missbräuchliche Anträge dar. Andererseits genügt auch seitens des Markeninhabers nicht schon ein blosser Einspruch, damit ein genügend substanziierter Löschungsantrag abgewiesen wird. Der Inhaber hat vielmehr aufzuzeigen, dass die Marke ernsthaft gebraucht wird oder wichtige Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen. Anders als im Verfahren vor dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt ist darüber aber kein strenger Beweis zu führen, 71

Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) vom 25. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3082 (1995, 156); 1996, 682), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Juli 2008 (BGBl. I S. 1191).

8612

sondern es genügt auch hier ­ entsprechend der summarischen Natur des Verfahrens ­ schon eine Glaubhaftmachung, um die Löschung durch das IGE abzuwenden.

Diese Beweiserleichterung gegenüber Artikel 12 Absatz 3 Teilsatz 2 MSchG rechtfertigt sich auch aufgrund des Umstands, dass dem unterlegenen Antragsteller weiterhin die Klage vor dem Zivilgericht offen steht.

Art. 35 Bst. e Artikel 35 MSchG enthält eine abschliessende Auflistung der Gründe, aus denen das IGE eine eingetragene Marke aus dem Register löscht. In Buchstabe e ist deshalb neu die Löschung aufgrund der Gutheissung eines Antrags nach Artikel 35a MSchG vorzusehen.

Art. 35a (neu)

Antrag

Nach Artikel 12 Absatz 1 MSchG kann der Inhaber sein Recht an einer Marke nicht mehr geltend machen, wenn er die Marke während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht gebraucht hat. Frühestens nach Ablauf dieser sogenannten Karenzfrist besteht demzufolge die Möglichkeit, dass ein Antrag auf Löschung wegen Nichtgebrauchs begründet ist. Absatz 2 sieht deshalb vor, dass der Löschungsantrag frühestens dann beim IGE eingereicht werden kann.

Bei internationalen Registrierungen (Art. 44 ff. MSchG) beginnt die Karenzfrist frühestens nach Ablauf eines Jahres nach dem Datum, an dem das Internationale Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum dem IGE die Registrierung mitgeteilt hat, falls es sich um eine Registrierung nach dem Madrider Abkommen handelt (vgl. Art. 5 Abs. 2 MMA und Regel 18 Abs. 1 Bst. a)iii) GAFO); bei Registrierungen nach dem Madrider Protokoll beginnt die Karenzfrist frühestens nach Ablauf von 18 Monaten nach dem Datum der Mitteilung (vgl. Art. 5 Abs. 2 Bst. b MMP).

Spricht das IGE aufgrund von absoluten Ausschlussgründen oder eines erhobenen Widerspruchs innerhalb des Jahres bzw. der 18 Monate eine provisorische Schutzverweigerung aus, so beginnt die Karenzfrist erst nach Abschluss des betreffenden Verfahrens. Der Bundesrat wird in den Ausführungsvorschriften präzisieren, in welchem frühesten Zeitpunkt der Antrag auf Löschung einer internationalen Registrierung gestellt werden kann (wie dies auch für den Beginn der Widerspruchsfrist erfolgt ist, vgl. Art. 50 Abs. 1 MSchV).

Der Löschungsantrag kann von jeder Person gestellt werden. Für die (negative) Feststellungsklage nach Artikel 52 MSchG setzt der Wortlaut des Gesetzes zwar ein rechtliches Interesse voraus, doch stellt die Gerichtspraxis äusserst tiefe Anforderungen an dieses: Gemäss BGE 125 III 193, E. 2.a) ist zur Geltendmachung des Nichtgebrauchs «grundsätzlich jedermann befugt; ein spezieller Interessennachweis ist nicht erforderlich, da das allgemeine Interesse, bei der freien Zeichenbildung nicht durch zufolge Nichtgebrauchs ungültige Marken behindert zu werden, in der Regel genügt»; nur unter besonderen Umständen kann ein Rechtsschutzinteresse ausnahmsweise fehlen. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der
summarischen Natur des Löschungsverfahrens vor dem IGE und der Tatsache, dass der Markeninhaber die Löschung bereits durch eine blosse Glaubhaftmachung des Gebrauchs bzw. wichtiger Gründe für den Nichtgebrauch abwenden kann, kann vorliegend auf einen besonderen Interessennachweis verzichtet werden.

8613

Nach Absatz 3 gilt der Antrag auf Löschung erst als gestellt, wenn die dafür vorgesehene Gebühr bezahlt ist. Bei der Festlegung der Gebührenhöhe wird (im Rahmen der allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätze) einerseits dem Anliegen eines kostengünstigen Verfahrens Rechnung zu tragen sein; andererseits soll die Gebühr aber auch genügend hoch sein, damit sich missbräuchliche Anträge nicht lohnen.

Art. 35b (neu)

Entscheid

Bevor das IGE über den Löschungsantrag entscheidet, hört es beide Parteien zu den Vorbringen der Gegenpartei an (Art. 31 VwVG). Lässt sich der Markeninhaber nicht rechtzeitig oder ­ namentlich weil er selbst (z.B. infolge Liquidation) gar nicht mehr existiert ­ überhaupt nicht zum Löschungsantrag vernehmen, so entscheidet das IGE gestützt auf die Vorbringen des Antragstellers (Art. 32 VwVG).

Nach Absatz 1 Buchstabe a hat der Antragsteller den Nichtgebrauch der Marke glaubhaft zu machen. Diese Voraussetzung entspricht Artikel 12 Absatz 3 Teilsatz 1 MSchG. Der Antragsteller hat geeignete Beweismittel (z.B. Benutzungsrecherchen) einzureichen, die dem IGE den Nichtgebrauch der Marke als glaubhaft erscheinen lassen. Dabei wird der Umstand, dass der im Register eingetragene Markeninhaber nicht mehr existiert, zweifellos ein Indiz für den fehlenden Gebrauch darstellen. Die Folgen der Beweislosigkeit trägt der Antragsteller: Gelingt es ihm nicht, den Nichtgebrauch glaubhaft zu machen, so weist das IGE den Löschungsantrag ab.

Demnach hat der Markeninhaber zum einen die Möglichkeit, die Glaubhaftmachung des Nichtgebrauchs zu bestreiten, indem er die vom Antragsteller eingereichten Belege in Frage stellt. Zum andern kann er nach Buchstabe b seinerseits den Gebrauch der Marke oder wichtige Gründe für den Nichtgebrauch glaubhaft machen. Erachtet es das IGE als glaubhaft, dass die Marke im massgeblichen Zeitraum gebraucht wurde ­ womit die Glaubhaftmachung des Nichtgebrauchs ohne Weiteres gescheitert ist ­ oder dass wichtige Gründe für den Nichtgebrauch gegeben sind, so weist es den Antrag ebenfalls ab.

Der Antragsteller hat den Nichtgebrauch der Marke nur in der Schweiz glaubhaft zu machen. Zwar gilt gemäss Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. April 189272 ein Markengebrauch in Deutschland auch als solcher in der Schweiz. Jedoch kann diese Ausnahme vom Territorialitätsprinzip nicht dazu führen, dass jeder Antragsteller von vornherein auch den Nichtgebrauch in Deutschland glaubhaft machen muss. Vielmehr kann sich gegebenenfalls der Markeninhaber auf das Übereinkommen berufen, um den rechtserhaltenden Gebrauch seiner Marke darzutun.

Wird der Nichtgebrauch nur für einen Teil der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen glaubhaft gemacht, so heisst das IGE den Antrag nur für diesen Teil gut (Abs. 2) und löscht die Marke nur für die betreffenden Waren und Dienstleistungen.

Nach Absatz 3 bestimmt das IGE mit dem Entscheid über den Löschungsantrag, ob und in welchem Masse die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. Es wird sich dabei an seine Praxis betreffend das Widerspruchsverfahren anlehnen, für welches Artikel 34 MSchG eine identische Vorschrift enthält.

72

SR 0.232.149.136

8614

Die Verfügung des IGE unterliegt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 33 Bst. e VGG), gegen dessen Entscheid eine Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht geführt werden kann (Art. 72 Abs. 2 Bst. b Ziff. 2 BGG).

Art. 35c (neu)

Verfahren

Wie beim Widerspruchsverfahren wird der Bundesrat in den Ausführungsvorschriften die Einzelheiten des Verfahrens regeln. Er wird dabei namentlich zu bestimmen haben, wann genau die Parteien welche Vorbringen zu äussern bzw. welche Belege sie einzureichen haben und welche Fristen ihnen dazu vom IGE anzusetzen sind.

Zudem wird das Verhältnis zwischen dem Widerspruchs- und dem Löschungsverfahren für den Fall zu regeln sein, dass der Widerspruchsgegner nicht nur einredeweise den Nichtgebrauch der älteren Marke behauptet (vgl. Art. 32 MSchG), sondern zugleich deren Löschung im Rahmen des Löschungsverfahrens beantragt.

Art. 41 Abs. 4 Bst. e (neu) Nach Artikel 41 Absatz 4 Buchstabe c ist die Weiterbehandlung ausgeschlossen bei Versäumnis der Frist für die Einreichung des Widerspruchs. In seiner Praxis erachtet das IGE diesen Ausschluss als umfassend und schliesst die Weiterbehandlung im Widerspruchsverfahren daher generell aus. Anders als im Markeneintragungsverfahren, auf welches der Rechtsbehelf der Weiterbehandlung zugeschnitten ist, kommt in Zweiparteienverfahren dem Aspekt der Rechtssicherheit eine erhöhte Bedeutung zu.

Im Widerspruchs- und im neuen Löschungsverfahren können die vom IGE angesetzten Fristen verlängert werden (Art. 22 Abs. 2 VwVG) und verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, berücksichtigt werden (Art. 32 Abs. 2 VwVG), bei unverschuldetem Fristversäumnis steht zudem der Rechtsbehelf der Wiederherstellung zur Verfügung (Art. 24 Abs. 1 VwVG). Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedarf nach einer zusätzlichen verschuldensunabhängigen Weiterbehandlungsmöglichkeit. Diese ist deshalb für das Löschungsverfahren umfassend auszuschliessen.

2.1.7.6

Hilfeleistung der Zollverwaltung

Art. 70 Abs. 1, 71 Abs. 1 Damit das Klagerecht gemäss Artikel 56 E-MSchG von den berechtigten Parteien wirksam ausgeübt werden kann, müssen diese die Möglichkeit haben, die entsprechenden Zollhilfemassnahmen zu beantragen und widerrechtlich mit einer Herkunftsangabe gekennzeichnete Waren bereits am Zoll zu blockieren.

2.1.7.7

Formelle Anpassungen

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «Institut» durch den Ausdruck «IGE» ersetzt.

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

8615

2.2

Andere Bundesgesetze

2.2.1

Bundesgesetz vom 24. März 1995 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «Institut» durch den Ausdruck «IGE» ersetzt.

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Der geltende Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f IGEG sieht vor, dass das IGE sich an der technischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des geistigen Eigentums beteiligt.

Die Botschaft zum IGEG führt dazu aus, dass das IGE auch eigene solche Projekte realisieren kann73. Mit der Durchführung einer beschränkten Anzahl solcher, auf die Schwerpunktthemen des IGE ausgerichteter, eigener Projekte hat das IGE erst 2007 begonnen. Dabei hat sich gezeigt, dass das IGE dazu, wie die anderen in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen Bundesstellen, zeitlich und inhaltlich beschränkte Staatsverträge abschliessen können muss, welche die Einzelheiten entsprechender Projekte mit dem Partnerland regeln. Andernfalls können die entsprechenden Projektpläne nicht effizient ausgehandelt und beschlossen werden. Diesbezüglich fehlt aber eine entsprechende Kompetenzdelegation an das IGE; sie soll mit der Änderung von Artikel 2 Absatz 3bis IGEG geschaffen werden.

Sachlich ist die Kompetenz auf Projekte im Bereich des geistigen Eigentums beschränkt, welche vom IGE selbst finanziert werden. Sie überschneidet sich deshalb in aller Regel nicht mit entsprechenden Kompetenzen anderer Bundesstellen, wie der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und des Staatssekretariats für Wirtschaft des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements. Die Bestimmung enthält zudem eine Verpflichtung des IGE, seine entsprechenden Abkommen mit anderen Aktivitäten der Bundesverwaltung im Bereich der internationalen Zusammenarbeit zu koordinieren. Soweit das IGE Kooperationsprojekte im Auftrag einer anderen federführenden Bundesstelle durchführt, ist diese Bestimmung nicht relevant, da das IGE in diesem Fall einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag nicht selbst abschliesst. Dem Bund entstehen aufgrund der neuen Kompetenzbestimmung keine Kosten, da das IGE die Projekte vollumfänglich mit seinen Einnahmen aus den Schutzrechtsgebühren finanziert.

Bei diesen Verträgen handelt es sich stets um solche von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel
7a Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG), weshalb sie in der Kompetenzabgrenzung zwischen dem Parlament und dem Bundesrat auch ohne die vorgeschlagene Bestimmung bereits in der Kompetenz des Bundesrates liegen. Der Bundesrat könnte den Abschluss dieser Verträge nach Artikel 48a Absatz 1 RVOG wiederum an das IGE delegieren. Aus Gründen der Transparenz innerhalb des Bundes und insbesondere gegenüber den ausländischen Projektpartnern ist es jedoch angezeigt, die Kompetenzdelegation an das IGE im Rahmen der einschlägigen Sachnorm des IGEG zu 73

«Hier ist es dem Institut selber oder in Zusammenarbeit mit andern nationalen und internationalen Organisationen insbesondere möglich, vermittelnd und beratend in Erscheinung zu treten; ...», vgl. BBl 1994 III 1992.

8616

regeln. Zudem ist kein anderes geeignetes Gefäss wie z.B. eine Verordnung ersichtlich, worin die Frage verwaltungsintern geregelt und die erforderliche Transparenz geschaffen werden könnte.

2.2.2 Art. 955a (neu)

Obligationenrecht74 D. Vorbehalt anderer bundesrechtlicher Vorschriften

Mit dieser Bestimmung soll zum Ausdruck gebracht werden, dass mit dem Eintrag ins Handelsregister noch andere bundesrechtliche Vorschriften, insbesondere zum Schutz vor Täuschungen im Geschäftsverkehr, beachtet werden müssen. Auch wenn eine Firma eingetragen worden ist, kann sie nicht für Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, wenn sich daraus eine Täuschungsgefahr gemäss Artikel 47 MSchG ergibt (für Einzelheiten vgl. Ziff. 2.1.2.1). Diese Bestimmung regelt den Rahmen des Gebrauchs der Firma durch den Inhaber. Sie richtet sich nicht an die zuständigen Registerbehörden (vgl. die Erläuterungen zu Art. 47 Abs. 3 Bst. c E-MSchG).

2.2.3

Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 199275

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «Institut» durch den Ausdruck «IGE» ersetzt.

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Art. 75 Abs. 1, 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 Die Anpassung der Terminologie dieser Bestimmungen entspricht den Anpassungen, wie sie für die verschiedenen Bestimmungen des E-MSchG vorgeschlagen werden (vgl. Ziff. 2.1.7.2).

2.2.4

Topographiengesetz vom 9. Oktober 199276

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «Institut» durch den Ausdruck «IGE» ersetzt.

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

74 75 76

SR 220 SR 231.1 SR 231.2

8617

Art. 5 Bst. b Die Anpassung der Terminologie dieser Bestimmungen entspricht den Anpassungen, wie sie für die verschiedenen Bestimmungen des E-MSchG vorgeschlagen werden (vgl. Ziff. 2.1.7.2).

2.2.5

Designgesetz vom 5. Oktober 200177

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «Institut» durch den Ausdruck «IGE» ersetzt.

Art. 9 Abs. 1 und 1bis, 46 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 Die Anpassung der Terminologie dieser Bestimmungen entspricht den Anpassungen, wie sie für die verschiedenen Bestimmungen des E-MSchG vorgeschlagen werden (vgl. Ziff. 2.1.7.2).

2.2.6

Patentgesetz vom 25. Juni 195478

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «Institut» durch den Ausdruck «IGE» ersetzt.

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Art. 8 Abs. 2, 86a Abs. 1, 86b Abs. 1, 86c Abs. 1 Die Anpassung der Terminologie dieser Bestimmungen entspricht den Anpassungen, wie sie für die verschiedenen Bestimmungen des E-MSchG vorgeschlagen werden (vgl. Ziff. 2.1.7.2). Artikel 8 Absatz 3 PatG wird hingegen nicht geändert.

Diese Bestimmung schränkt das Verbietungsrecht im Bereich der Durchfuhr ein, das heisst den Transport von Waren durch das Zollgebiet hindurch, einschliesslich das Lagern in einem Freilager. Das nationale Patent gibt seinem Inhaber nur dann das Recht die Durchfuhr zu verbieten, wenn dieser auch die Einfuhr in das Bestimmungsland verbieten kann. Stellt also die Einfuhr in das Bestimmungsland einen rechtmässigen Gebrauch seiner Erfindung dar, so ist der Inhaber in seinen Rechten nicht verletzt. Artikel 8 Absatz 3 PatG verhindert deshalb, dass das zur Pirateriebekämpfung bestimmte Verbietungsrecht im Bereich der Durchfuhr dazu missbraucht werden kann, den rechtmässigen Warenverkehr zwischen Drittstaaten bei einem blossen Transit durch die Schweiz zu unterbinden79.

Die redaktionellen Änderungen der Artikel 86a ff. PatG haben keinen Einfluss auf den Geltungsbereich von Artikel 8 Absatz 3 PatG. Die nach den Artikeln 86a ff.

PatG an der Grenze vorgesehenen Massnahmen, namentlich das Recht auf Hilfeleistung der Zollverwaltung gemäss Artikel 86b PatG, sind im Lichte von Artikel 8 Absatz 3 PatG zu sehen. Es müssen folglich nicht nur konkrete Anhaltspunkte dafür 77 78 79

SR 232.12 SR 232.14 Botschaft Patentgesetz, BBl 2006 1 119.

8618

bestehen, dass die Rechte aus einem Schweizer Patent verletzt werden, sondern auch dafür, dass die Rechte im Bestimmungsland verletzt werden. Vermutet der Patentinhaber bei der Durchfuhr von Waren, dass diese seine Rechte verletzen, und beantragt er deshalb die Hilfeleistung der Zollverwaltung, so hat er den Beweis zu erbringen, dass diese Waren auch ein Patent im Bestimmungsland verletzen.

Andernfalls rechtfertigt sich die Hilfeleistung der Zollbehörden nicht.

Art. 83a (neu)

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Artikel 83a verweist für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben durch Untergebene, Beauftragte oder Vertreter auf die Artikel 6 und 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR). Mit diesem Artikel wird eine Vereinheitlichung der Bestimmungen über Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben erreicht, da verschiedene Immaterialgüterrechtsgesetze eine analoge Bestimmung enthalten (Art. 71 URG, Art. 67 MSchG und Art. 26 UWG).

2.2.7

Landwirtschaftsgesetz vom 29. April 199880

Mit der vorliegenden Teilrevision wird der Ausdruck «geographisch» im ganzen Erlass, ungeachtet der grammatischen Form, durch den Ausdruck «geografisch» mit der entsprechenden grammatischen Form ersetzt.

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Art. 16 Abs. 2bis (neu) Vom Wortlaut her erlaubt die GUB/GGA-Verordnung bereits heute die Registrierung von geografischen Angaben geografischer Gebiete von Drittstaaten. Diese Verpflichtung zur Eintragung von ausländischen Herkunftsangaben wurde auch im Rahmen der WTO bestätigt, weshalb diese Möglichkeit nun ausdrücklich im Gesetz verankert werden soll (Art. 16 Abs. 2bis E-LwG). Das gemäss Artikel 16 LwG für die Eintragung zuständige BLW wird auf entsprechende ausländische Gesuche eintreten.

Art. 16 Abs. 5bis (neu) Wer eine Ursprungsbezeichnung oder eine eingetragene geografische Angabe für identische oder vergleichbare Produkte verwendet, muss die Voraussetzungen des Pflichtenhefts erfüllen. Artikel 16 Absatz 5bis LwG sieht deshalb Folgendes vor: Das Prüfungsverfahren für eine Marke, die eine zur Eintragung angemeldete identische oder ähnliche81 Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe enthält, wird bis zum rechtskräftigen Entscheid über das Gesuch um Eintragung der Ursprungsbezeichnung oder der geografischen Angabe sistiert. Wenn der Entscheid rechtskräftig ist, wird die Sistierung aufgehoben und die Marke kann mit der entsprechenden Einschränkung ­ falls die geografische Angabe eingetragen wurde ­ eingetragen werden.

80 81

SR 910.1 Vgl. Art. 3 MSchG und die entsprechende Rechtsprechung dazu.

8619

2.2.8

Waldgesetz vom 4. Oktober 199182

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Art. 41a (neu)

Kennzeichnung

Mit dem neuen Artikel 41a Absatz 1 werden die Voraussetzungen geschaffen, damit auch für waldwirtschaftliche Erzeugnisse und deren Verarbeitungsprodukte geschützte Herkunftsbezeichnungen eingeführt werden können. Die Bezeichnung AOC, die bis anhin den landwirtschaftlichen Produkten vorbehalten war, soll nun auch für die Vermarktung von waldwirtschaftlichen Erzeugnissen und deren Verarbeitungsprodukten (Holz und Holzprodukte) aus noch näher zu bestimmenden Regionen eingesetzt werden können und so neue Absatzchancen eröffnen. Mit dieser Änderung des Waldgesetzes wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen, welche einen wirksamen Schutz der Bezeichnungen von traditionellen Erzeugnissen der Schweizer Waldwirtschaft ermöglicht. Mit der vorliegenden Ergänzung des Waldgesetzes wird der Auftrag der Motion 08.3247, «AOC/IGP-Schutz für waldwirtschaftliche Erzeugnisse», erfüllt (vgl. Ziffer 1.2).

Nach Absatz 2 gilt für die Registrierung und den Schutz der Bezeichnungen sowie für die Verfahren die Landwirtschaftsgesetzgebung. Insbesondere sind Artikel 16 LwG, die GUB/GGA-Verordnung sowie die Verwaltungs-, die Straf- und Vollzugsbestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes massgebend. Gemäss Artikel 8 Absatz 2 der GUB/GGA-Verordnung wird das Bundesamt für Umwelt als betroffene Bundesbehörde im Rahmen des Eintragungsverfahrens vom BLW angehört.

2.3

Revision des Wappenschutzgesetzes

Es handelt sich um eine Totalrevision, welche das bisherige Bundesgesetz vom 5. Juni 1931 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen ablöst. Als öffentliche Zeichen gelten im Inland Wappen, Fahnen und Garantiezeichen der Eidgenossenschaft und ihrer Gebietskörperschaften (Kantone und Gemeinden, aber auch andere Gebietskörperschaften wie Talgenossenschaften oder Kirchgemeinden). Der Schutz umfasst ebenfalls die öffentlichen Zeichen ausländischer Staaten und deren Gebietskörperschaften. Aufgrund des Territorialitätsprinzips ist das Wappenschutzgesetz auf diese Zeichen anwendbar, soweit sie auf dem Gebiet der Schweiz verwendet werden (zum Schutz im Ausland vgl. Ziff. 1.3). Nebst diesen Hoheitszeichen sind auch amtliche Bezeichnungen wie z.B. Eidgenossenschaft, Bund, Kanton oder andere auf eine Behörde hinweisende Bezeichnungen geschützt.

Das Gesetz bestimmt unter anderem den Kreis der Personen und Behörden, die die öffentlichen Zeichen benutzen dürfen. Das Gesetz schützt nicht nur das Gemeinwesen im Gebrauch seiner Hoheitszeichen, sondern es schützt auch die Wettbewerbsteilnehmer sowie Konsumentinnen und Konsumenten vor Irreführung durch öffentliche Zeichen. So sollen sich beispielsweise Konkurrenten zur Wehr setzen können, wenn jemand Produkte mit dem Schweizerkreuz kennzeichnet, die im Ausland hergestellt worden sind. Im Gegensatz zu den öffentlichen Zeichen der 82

SR 921.0

8620

Gebietskörperschaften sind ihre Namen (z.B. Schweiz, Bern, St. Moritz) nach diesem Gesetz nicht geschützt (zu den Namen der Gebietskörperschaften siehe die Erläuterungen zu Art. 4). Nicht geschützt sind zudem die Familienwappen. Auf einen Nenner gebracht soll der Erlass schliesslich die Öffentlichkeit vor Täuschung durch eine missbräuchliche Verwendung der öffentlichen Zeichen bewahren sowie den wirtschaftlichen und identitätsstiftenden Wert dieser Zeichen erhalten.

2.3.1

Titel

Der Gesetzestitel trägt dem Umstand Rechnung, dass der Entwurf nicht nur dem Schutz des Schweizerwappens dient, sondern generell den Schutz von öffentlichen Zeichen regelt.

2.3.2

1. Kapitel: Öffentliche Zeichen der Schweiz

2.3.2.1

1. Abschnitt: Definitionen

Art. 1

Schweizerkreuz

Das Schweizerkreuz ist definiert als weisses Kreuz auf rotem Grund. Dabei steht das Kreuz frei und aufrecht und seine unter sich gleichen Arme sind je einen Sechstel länger als breit. Diese Definition entspricht der Definition des Kreuzes aus dem Bundesbeschluss vom 12. Dezember 1889 betreffend das eidgenössische Wappen (Bundesbeschluss von 1889). Es besteht keine Verpflichtung, das Schweizerkreuz nur in dieser definierten Form zu verwenden. Wenn die Berechtigten die entsprechenden Gebrauchsvoraussetzungen erfüllen, steht es ihnen wie bisher frei, das Schweizerkreuz auch in einer abgeänderten Form zu verwenden, beispielsweise in anderen Grössenverhältnissen oder in Verbindung mit anderen grafischen Elementen. So darf etwa Schweiz Tourismus das Schweizerkreuz weiterhin in Form eines Edelweisses gebrauchen83.

Das durchgehende weisse Kreuz, ein ursprünglich christliches Symbol, wurde in Form von zwei übers Kreuz aufgenähten Bändern erstmals von den Bernern in der Schlacht bei Laupen (1339) als Erkennungszeichen auf den Kleidern getragen. Das weisse Kreuz wurde ab dem 14. Jahrhundert im Berner und im 15. Jahrhundert auch in den übrigen eidgenössischen Feldzeichen geführt, den sogenannten Fähnlein. Im Bundesvertrag von 1815 wurde das weisse Kreuz auf rotem Grund schwebend und gleichschenklig zum Schweizer Wappenzeichen bestimmt und zuerst auf dem eidgenössischen Siegel in die Mitte aller Kantonswappen gesetzt. Auf Betreiben Guillaume-Henri Dufours wurde 1840 erstmals eine gesamtschweizerische Truppenfahne mit dem frei schwebenden weissen Schweizerkreuz im roten Feld geschaffen84.

1889 wurde mit dem Bundesbeschluss betreffend das Eidgenössische Wappen präzisiert (siehe Ausführungen zu Art. 2), dass die vier gleich langen Arme des

83 84

Das Kreuz in dieser Form ist als Dienstleistungsmarke eingetragen (Marke Nr. P 461 959).

Angaben aus dem Historischen Lexikon der Schweiz: http://hls-dhs-dss.ch/textes/d/ D10104.php.

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aufrechten, frei schwebenden Kreuzes um einen Sechstel länger als breit sein müssen.

Art. 2

Schweizerwappen

Artikel 2 Absatz 1 enthält die Definition des Schweizerwappens, so wie sie im Bundesbeschluss von 1889 von der Bundesversammlung festgelegt wurde. Mit der Regelung im Gesetz kann dieser Bundesbeschluss aufgehoben werden. Schutzobjekt von Artikel 2 bleibt das Eidgenössische Wappen, wie es im erwähnten Bundesbeschluss definiert ist. Ergänzt wird die Definition durch die Beschreibung der Wappenform (Dreiecksschild). Materiell ändert Artikel 2 hinsichtlich der Definition und des zulässigen Gebrauchs des Schweizerwappens nichts: Wie bisher wird es auch in Zukunft möglich sein, dass das berechtigte Gemeinwesen sowie Organisationen und Unternehmen, die als verselbstständigte Einheiten85 öffentliche Aufgaben wahrnehmen, das Schweizerwappen in einer abgeänderten Form ­ beispielsweise in Verbindung mit anderen grafischen Elementen oder in anderen Grössenverhältnissen ­ verwenden dürfen (siehe dazu Art. 8). So dürfen beispielsweise die SBB ein Schweizerwappen auf ihren Lokomotiven anbringen, das in seiner Form oder in seinen Grössenverhältnissen von der Definition gemäss Artikel 2 abweicht.

In der Vernehmlassung beurteilten einige Teilnehmende die Definition des Schweizerwappens als Schweizerkreuz in einem Dreieckschild als zu eng. So werde beispielsweise auf allen Autokennzeichen das Schweizerwappen nicht in einem Dreieckschild, sondern in der so genannten spanischen Form des Wappenschildes (d.h.

der Schild ist am unteren Rand abgerundet) verwendet. Diesem Anliegen nach einer sachgerechten weiteren Fassung des Wappenbegriffs wird in Artikel 8 Rechnung getragen, der den Gebrauch des Schweizerwappens und mit ihm verwechselbarer Zeichen regelt. Als verwechselbar gelten gemäss dieser Bestimmung auch Zeichen, die eine andere als die dreieckige Form des Wappenschilds aufweisen (spanische Form: nach unten ausgerundeter, halbrunder Schild; englische Form: meist eckig und unten zugespitzt; Rautenform: Schild in Form eines auf der Spitze stehenden Rhombus; Rundschild; Schild mit beidseitigen Einschnitten; Normannenschild: mandelförmiger Schild etc.). Für die Verwechselbarkeit ist massgebend, ob die verwendete Form von den Wettbewerbsteilnehmern sowie den Konsumentinnen und Konsumenten noch als Wappen wahrgenommen werden kann (siehe Ausführungen zu Art. 8). Artikel 2 beschränkt sich auf die Definition des Schweizerwappens.
Absatz 2 verweist auf Anhang 1 zu diesem Gesetz, wo das in Absatz 1 definierte Schweizerwappen abgebildet ist. Das offizielle Schweizerwappen soll aus Klarheitsgründen wie bisher bildlich dargestellt werden. Unverändert bleibt auch, dass die Masse des weissen Kreuzes auf rotem Hintergrund festgelegt sind, während das Grössenverhältnis zwischen Kreuz und Schild nicht geregelt ist. Neu wird hingegen die Farbe «Rot» des Wappens definiert. Diese Definition bildet den Massstab für die Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen mit dem Schweizerwappen verwechselbar ist (zu weiteren Ausführungen zur Verwechselbarkeit siehe Art. 8). Das Wappen darf wie bisher auch in anderen Rotfarbtönen verwendet werden. Die Aufnahme der Definition entspricht einem allgemeinen Bedürfnis und sorgt gleichzeitig für mehr Klarheit: Das Fehlen einer präziseren Regelung für den Farbton Rot hat in der Vergangenheit insbesondere in der Grafik-Branche zu Unsicherheiten bei der 85

Zum Begriff der «verselbstständigten Einheiten» vgl. Corporate Covernance Bericht des Bundesrates vom 13. September 2006; BBl 2006 8233.

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Reproduktion und zu entsprechenden Anfragen geführt. Als Notlösung wurde von der damaligen Eidgenössischen Drucksachen- und Materialzentrale (EDMZ) eine Farbempfehlung für Drucksachen herausgegeben. Die nun vorgeschlagene Definition des Farbtons Rot entspricht den Angaben gemäss dem Handbuch «Corporate Design der Schweizerischen Bundesverwaltung», das von der Fachstelle CD Bund erstmals im Jahre 2005 herausgegeben worden ist86. Sie wurde durch weitere zeitgemässe Farbangaben ergänzt, welche häufig verwendet werden.

Art. 3

Schweizerfahne

Artikel 3 Absatz 1 definiert die Schweizerfahne (Flagge). Heute fehlt eine solche Definition. Da die Schweizerfahne auf ein militärisches Feldzeichen zurückgeht (vgl. Erläuterungen zu Art. 1), hat sie eine quadratische Form. Diese von den rechteckigen Fahnen anderer Staaten abweichende quadratische Form ist einerseits fest im Volk verankert: Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich mit den quadratischen Dimensionen. Andererseits ist die Form der Schweizerfahne auch im Ausland zur allgemein akzeptierten Tradition geworden und verfügt über eine besondere Kennzeichnungskraft. Gerade wegen ihrer quadratischen Form und ihrer ausgewogenen Proportionen ist sie nach der «Stars and Stripes»-Flagge der USA und dem «Union Jack» des Vereinigten Königreichs zu einer der bestbekannten Fahnen der Welt geworden. Mit der gesetzlichen Definition ändert sich materiell nichts: So darf die Fahne beispielsweise in der Werbung ­ wie bisher auch ­ abgeändert werden, indem etwa die an sich quadratische Begrenzung fliessend in andere grafische Elemente übergeht, eine gewellte Form oder andere Grössenverhältnisse verwendet werden. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die entsprechenden Herkunftsbedingungen für den Gebrauch der Fahne erfüllt sind (siehe dazu Ausführungen zu Art. 13). Mit der gesetzlichen Definition der Schweizerfahne sollen die Informationen zum Schweizerkreuz und zum Schweizerwappen gemäss den Artikeln 1 und 2 ergänzt werden. Diese Ergänzung ist nötig, weil die Schweizerfahne wie erwähnt von der üblichen rechteckigen Fahnenform abweicht.

Entsprechend der Definition des Schweizerwappens werden die genauen Masse der Schweizerfahne in Anhang 2 zu diesem Gesetz geregelt (Abs. 2). Dabei wird das Grössenverhältnis zwischen dem Schweizerkreuz und der Fahne festlegt.

Gemäss Absatz 3 gelten die im Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 1953 und im Luftfahrtgesetz vom 21. Dezember 1948 enthaltenen Bestimmungen betreffend das schweizerische Hoheitszeichen weiterhin. Diese Erlasse enthalten spezifische Bestimmungen darüber, wo und in welcher Darstellung das schweizerische Hoheitszeichen auf Schiffen und Luftfahrzeugen angebracht werden muss. Die Verwendung der Schweizerfahne auf der Heckflosse von Flugzeugen der Fluggesellschaft «Swiss» soll also wie bisher von der Spezialgesetzgebung (Verordnung vom
6. September 198487 über die Kennzeichen der Luftfahrzeuge, VKZ) geregelt werden.

Diese Spezialerlasse tragen den besonderen technischen Gegebenheiten Rechnung und haben bei der Verwendung des Schweizerwappens bzw. der Schweizerfahne für die entsprechenden Bereiche gegenüber dem Wappenschutzgesetz ­ wie schon bisher ­ Vorrang. Dies ist auch deshalb konsequent, weil in den übrigen Fällen keine Verpflichtung besteht, das Schweizerwappen oder die Schweizerfahne in der defi86 87

Das Handbuch kann auf der Webseite der Fachstelle CD Bund eingesehen werden: http://www.bk.admin.ch/themen/02268/02385/index.html?lang=de.

SR 748.216.1

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nierten Form zu übernehmen. Mit dem Vorbehalt des Militärgesetzes vom 3. Februar 199588 dürfen die «militärischen Fahnen» (Fahnen, Standarten, Fanions und Feldzeichen), die als Feldzeichen einen hohen historischen Symbolwert haben, von der Armee weiterhin in den besonderen Ausführungen nach der entsprechenden Verordnung und dem «Fahnenreglement» der Schweizer Armee89 verwendet werden. Der Umgang mit militärischen Fahnen, Standarten und Fanions unterliegt besonderen Regeln, die Teil des Militär- oder Staatsprotokolls sind und weiterhin gelten sollen. Einige dieser Regeln betreffen auch die Grössenverhältnisse der militärischen Fahnen, die von der vorliegenden Definition aus traditionellen und technischen Gründen abweichen können.

Art. 4

Andere Hoheitszeichen der Eidgenossenschaft

Artikel 4 Absatz 1 sieht vor, dass der Bundesrat die anderen Hoheitszeichen der Eidgenossenschaft neu in einem separaten Anhang zur Ausführungsverordnung auflistet. Eine solche Auflistung soll Übersicht und Klarheit schaffen: Mit Ausnahme der Liste, die der WIPO 1967 im Rahmen des PVÜ-Notifikationsverfahrens für öffentliche Zeichen zugestellt wurde90, fehlt bisher eine Übersicht der Hoheitszeichen, was den Vollzug des Schutzes problematisch macht. Mit der vorgeschlagenen Bestimmung entscheidet der Bundesrat in einem separaten Anhang zudem rechtsverbindlich, welche Zeichen als «andere Hoheitszeichen der Eidgenossenschaft» gelten sollen. Mit einer entsprechenden Verordnungsänderung ist eine Aktualisierung jederzeit möglich. Jedermann kann sich durch eine einfache Konsultation des Anhangs eine Übersicht über die in der Schweiz geschützten öffentlichen Zeichen der Eidgenossenschaft, insbesondere auch deren Garantie- und Kontrollzeichen, verschaffen (vgl. dazu Abs. 2). Damit wird der Vollzug der Wappenschutzgesetzgebung erleichtert.

Neben dem Schweizerwappen und dem Schweizerkreuz bzw. der Schweizerfahne gibt es weitere Hoheitszeichen der Eidgenossenschaft, die geschützt werden sollen und damit in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen. Dazu gehören öffentliche Zeichen, welche symbolischer Ausdruck für die staatliche Hoheit und Souveränität sind, wie amtliche Stempel, Siegel, amtliche Wertzeichen (Postmarken, Gebührenmarken), öffentliche Vermessungs- und Wasserstandszeichen oder Grenzzeichen.

Zum Schutz dieser Hoheitszeichen bestehen besondere Strafbestimmungen. Zu erwähnen sind die Bestimmungen der Artikel 240­250 StGB für Fälschung von Geld, amtlichen Wertzeichen, amtlichen Zeichen, Massen und Gewichten sowie Artikel 290 StGB für amtliche Siegel (Schutz vor Siegelbruch). Als Hoheitszeichen gelten auch die sogenannten amtlichen Punzen («Stempel»). So werden alle in der Schweiz hergestellten oder in die Schweiz eingeführten Uhrengehäuse aus Gold, Silber, Platin oder Palladium durch die Edelmetallkontrolle obligatorisch auf ihre materielle Beschaffenheit überprüft. Stimmt der angegebene mit dem tatsächlichen Feingehalt des Materials überein, so wird dies durch die amtliche Punze, den

88 89 90

SR 510.10 Reglement 51.340, Der Umgang mit Fahnen, Standarten und Fanions.

Die der WIPO übermittelten Hoheitszeichen können in der Datenbank «Article 6ter Express» der WIPO eingesehen werden: http://www.wipo.int/ipdl/en/search/6ter/ search-struct.jsp.

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sog. «Bernhardinerkopf», bestätigt91. Das internationale Übereinkommen vom 15. November 1972 betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen (Wiener Konvention)92, dem auch die Schweiz angehört93, sieht gemeinsame Punzen für Edelmetallwaren aus Gold, Silber und Platin vor, die in allen beteiligten Staaten anerkannt werden. Die gemeinsame Punze besteht aus der Reliefdarstellung einer Waage mit einer Zahl in arabischen Ziffern, die den Feingehalt des Gegenstandes in Tausendteilen auf einem schraffierten Hintergrund innerhalb einer Umrahmung angibt, die die Art des Edelmetalls anzeigt. Im Übrigen sieht die PVÜ ein besonderes Notifikationsverfahren für die öffentlichen Zeichen vor. Nur diejenigen Hoheitszeichen der Schweiz gelten gemäss der PVÜ im Ausland als geschützt, die den Mitgliedländern dieser Übereinkunft entsprechend mitgeteilt worden sind. Die Schweiz hat im Jahr 1967 der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), die für dieses Abkommen zuständig ist, verschiedene schweizerische Hoheitszeichen notifiziert. Neben dem «Bernhardinerkopf» wurden noch andere Garantiepunzen der Schweiz mitgeteilt. Diese Punzen werden zwar seit der letzten Revision der Edelmetallgesetzgebung nicht mehr verwendet. Sie sind aber noch auf vielen Waren und Gegenständen zu finden, weshalb sie weiterhin als Hoheitszeichen geschützt bleiben sollen (Abs. 2).

Nicht erfasst vom Schutz der Hoheitszeichen in Artikel 4 werden dagegen die Namen der Gebietskörperschaften. So sind beispielsweise die Namen Schweiz, Bern oder Murten nicht durch dieses Gesetz geschützt. Handelt es sich bei diesen Namen um geografische Herkunftsangaben, dann sind sie durch die Artikel 47 ff. MSchG geschützt. Gleichzeitig gehören diese Namen zusammen mit den Namen öffentlicher Körperschaften zu den Persönlichkeitsrechten, für welche der privatrechtliche Namensschutz von Artikel 29 ZGB angerufen werden kann.

Auch nicht als Hoheitszeichen gelten Logos und Marken von Bundesstellen für Waren, Dienstleistungen und Tätigkeiten, welche nicht Ausdruck staatlicher Hoheit und Souveränität sind und in diesem Sinne nicht als hoheitliches Handeln des Staates wahrgenommen werden. Dies gilt beispielsweise für das Logo «Love Life Stop Aids»94 der nationalen «Stop Aids Kampagne» des Bundesamtes für Gesundheit und der Aids-Hilfe Schweiz oder
für das «Schule im Netz»-Logo95 des Bundesamtes für Berufsbildung, welches für die gleichnamige Initiative von Bund, Kantonen und Privatwirtschaft verwendet wird.

Hier gewährleisten die besonderen Normen des Markenschutz- und des Lauterkeitsrechts Schutz vor missbräuchlicher Verwendung des Logos.

Art. 5

Wappen, Fahnen und andere Hoheitszeichen der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden

Gemäss Artikel 5 sind die Kantone für die Definition und Festlegung der Wappen, Fahnen und anderen Hoheitszeichen der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden 91

92 93

94 95

Nähere Informationen zu diesen amtlichen Punzen finden sich auf der Website der Schweizerischen Edelmetallkontrolle: http://www.ezv.admin.ch/glossar/00012/ index.html?lang=de.

SR 0.941.31 Nebst Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen, Portugal, Grossbritannien, Irland, Holland, die Tschechische Republik, Österreich, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakische Republik, Ungarn, Zypern, Israel, Slowenien.

Dieses Logo ist als Marke geschützt (Marke Nr. 536 793).

Dieses Logo ist als Marke geschützt (Marke Nr. 501 169).

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zuständig. Das heutige Recht geht von dieser Kompetenz der Kantone aus, ohne sie aber ausdrücklich im Gesetz zu erwähnen. Da in den Artikeln 1­4 die öffentlichen Zeichen des Bundes definiert werden, ist es aus systematischen Gründen und im Interesse der Transparenz naheliegend, für die Definition der öffentlichen Zeichen der Kantone auf die Kompetenz der Kantone hinzuweisen.

Art. 6

Amtliche Bezeichnungen

Wie bisher sollen amtliche Bezeichnungen geschützt werden. Die in Artikel 6 genannten Bezeichnungen sind nicht abschliessend. Darunter fallen beispielsweise auch Bezeichnungen wie «Schweizerische Eidgenossenschaft», «www.admin.ch», «Confoederatio Helvetica», bekannte Abkürzungen von Behörden (EJPD, VBS, ETH etc.) oder andere Bezeichnungen, welche auf das Gemeinwesen oder seine Organe hinweisen. Neben den amtlichen Bezeichnungen im engeren Sinn sind auch Bezeichnungen oder Ausdrücke geschützt, die auf eine amtliche Tätigkeit oder eine hoheitliche Funktion schliessen lassen. Dies trifft beispielsweise auf den Begriff «Polizei» zu, der neu als amtliche Bezeichnung geschützt ist. Das generelle Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Bezeichnungen, die auf eine amtliche Tätigkeit schliessen lassen, soll geschützt werden.

In der Vernehmlassung wurde vorgebracht, dass auch der Name «Schweiz», «Schweizer», «schweizerisch» sowie die Namen der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden als amtliche Bezeichnungen geschützt werden sollten. Mit diesen Bezeichnungen können jedoch die verschiedensten Beziehungen zu Gebiet, Volk oder Staatswesen ausgedrückt werden. Die Bezeichnungen weisen nicht zwingend auf einen amtlichen Charakter oder eine Beziehung zu den Behörden hin. So hat die Bezeichnung «schweizerisch» für sich allein nicht zwingend die Bedeutung von «behördlich», «amtlich» oder «behördennah». Sie wird nicht nur mit dem Staat und seinen Organen in Verbindung gebracht. Auch rein private Institutionen wie die Schweizerische Depeschenagentur oder die Schweizerische Rettungsflugwacht können sich als «schweizerisch» bezeichnen und so zum Ausdruck bringen, dass sie beispielsweise gesamtschweizerisch tätig sind. Wird jedoch der Name «Schweiz» oder der Name eines Gemeinwesens im Zusammenhang mit einer anderen Bezeichnung so verwendet, dass diese «kombinierte Bezeichnung» wie z.B. «Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung», «Schweizerisches Heilmittelinstitut» oder «Schweizerische Unfallversicherungsanstalt» den Anschein einer amtlichen oder behördennahe Tätigkeit erweckt, dann liegt eine amtliche Bezeichnung vor. Gleiches gilt, wenn die konkreten Umstände auf eine solche Tätigkeit bzw. auf eine Behörde schliessen lassen. In diesen Fällen greift der Schutz von Artikel 6 und darf der Name «Schweiz» oder der
Name des Gemeinwesens nicht für private Tätigkeiten verwendet werden. So erweckt beispielsweise der Domainname «schweiz.ch» oder «stadtbern.ch» den Eindruck, die Website werde von der Eidgenossenschaft bzw. von der Gemeinde «Bern» betrieben und der Benutzer oder die Benutzerin glaubt, auf dieser Seite insbesondere auch amtliche Informationen des betreffenden Gemeinwesens abrufen zu können. Auch die Verwendung der Firmenbezeichnungen «Schweizerisches Institut für Medizinalpflanzen», «Swissmoney Ltd.» oder «Swiss Institute of Biotechnology» erwecken den Anschein einer behördlichen oder behördennahen Tätigkeit und sind daher für eine private Firma unzulässig. Keinen solchen Anschein erwecken demgegenüber die Firmenbezeichnungen «Swiss Travel Ltd.», «Swissôtel SA» oder «eidgenossenkunst ­ Dr. Dirk Hanebuth».

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Art. 7

Nationale Bild- und Wortzeichen

Artikel 7 definiert, was als nationales Bild- und Wortzeichen der Schweiz zu verstehen ist. Diese Zeichen werden wie bisher als öffentliche Zeichen vom Wappenschutzgesetz erfasst. Sie beziehen sich auf nationale Wahrzeichen wie die Stiftsbibliothek St. Gallen, die Tre Castelli von Bellinzona oder das Matterhorn, auf nationale Heldengestalten wie Wilhelm Tell oder Winkelried, auf nationale Symbole wie die Helvetia, auf nationale Mythen wie den Rütlischwur, auf nationale Stätten wie das Rütli sowie auf nationale Denkmäler wie das Tell-, Winkelried- oder St. Jakobs-Denkmal.

2.3.2.2 Art. 8

2. Abschnitt: Gebrauch Wappen

Die Unterscheidung zwischen Schweizerkreuz und Schweizerwappen wurde in der Vernehmlassung von einer überwiegenden Mehrheit begrüsst. Während das Wappen grundsätzlich als Zeichen des Staates für die Eidgenossenschaft reserviert ist, kann das Schweizerkreuz der Wirtschaft angemessen zur Verfügung gestellt werden. Den Grundsatz, dass die Wappen sowie damit verwechselbare Zeichen ausschliesslich vom entsprechenden Gemeinwesen verwendet werden dürfen, erachtete eine Mehrheit als zweckmässig und sinnvoll. Einige Teilnehmende waren allerdings der Ansicht, dass der Bund kein absolutes Monopol für die Benützung des Schweizerwappens in Anspruch nehmen dürfe. Sie führten an, dass Ungerechtigkeiten dann entstehen könnten, wenn sich ein wappenähnliches Zeichen bereits im Verkehr als Marke durchgesetzt hat. Sie forderten deshalb für traditionelle Schweizer Unternehmen, Vereine oder Stiftungen, welche das Wappen oder wappenähnliche Zeichen bereits seit Jahrzehnten als Kennzeichen verwenden, ein Weiterbenutzungsrecht unter strengen Voraussetzungen. Diesen Bedenken wurde in Absatz 4 Rechnung getragen. Indem die vorgesehenen Ausnahmen an strenge Voraussetzungen geknüpft sind, wird eines der Ziele der Vorlage, nämlich die schweizerischen Wappen in Zukunft dem berechtigten Gemeinwesen vorzubehalten, nicht in Frage gestellt (für weitere Ausführungen siehe Erläuterungen zu Art. 35).

Die Wappen der Eidgenossenschaft, der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden sind Ausdruck staatlicher Macht und Würde des entsprechenden Gemeinwesens.

Artikel 8 Absatz 1 sieht deshalb als Grundsatz vor, dass die Wappen sowie damit verwechselbare Zeichen nur vom entsprechenden Gemeinwesen verwendet werden dürfen. Zum Gemeinwesen gehören auch Organisationen und Unternehmen, die als verselbstständigte Einheiten öffentliche Aufgaben wahrnehmen und im Eigentum des Gemeinwesens stehen bzw. eine Haupt- oder Mehrheitsbeteiligung des Gemeinwesens aufweisen. Dazu gehören beispielsweise das IGE, die Finanzmarktaufsicht, Swissmedic, das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung, die SUVA, die Schweizerische Post, die Schweizerische Exportrisikoversicherung, die Swisscom, die SBB, Skyguide und die RUAG. Solange das Unternehmen zum Gemeinwesen gehört, soll es auch das Wappen verwenden dürfen. Werden solche Unternehmen allerdings privatisiert
(wie etwa die Fluggesellschaft «Swiss», deren Mehrheitsbeteiligung heute in privaten Händen ist), gehören sie nicht mehr zum Gemeinwesen und dürfen das Wappen nicht mehr verwenden.

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Sowohl naturgetreue Wiedergaben oder Teil-Reproduktionen der Hoheitszeichen als auch Zeichen, die mit den Hoheitszeichen verwechselt werden können, sollen dem Gemeinwesen vorbehalten bleiben. Dabei beurteilt sich die Frage der Verwechselbarkeit nach den allgemeingültigen Kriterien des Kennzeichenrechts und beschränkt sich nicht auf rein heraldische Kriterien. Verwechslungsgefahr bedeutet demzufolge, dass ein Kennzeichen im Schutzbereich des Gesetzes durch gleiche oder ähnliche Zeichen in seiner Funktion der Individualisierung des Gemeinwesens oder von Körperschaften des Gemeinwesens gefährdet wird (BGE 131 III 572, E. 3, S. 577 mit Hinweisen). Dabei ist der Gesamteindruck massgebend, den die Zeichen in der Erinnerung der Adressatinnen und Adressaten hinterlassen (BGE 131 III 572, E. 3, S. 576; 121 III 377, E. 2a, S. 378). Es genügt daher nicht, die Grössenverhältnisse des geschützten Wappens abzuändern oder eine andere Form des Wappenschilds zu verwenden, um eine Verwechslung mit dem geschützten Zeichen auszuschliessen.

Ebenfalls ungenügend sind die Verwendung einer Farbe oder von Farbkombinationen, die sich nicht deutlich von der Farbe bzw. der Farbkombination des geschützten Zeichens unterscheiden.

Da das Schweizerwappen und die Schweizerfahne das gleiche Motiv zum Gegenstand haben ­ ein aufrecht stehendes weisses Kreuz in einem roten Feld ­, muss bei der Beurteilung der Verwechselbarkeit dieser beiden Zeichen eine sinnvolle und nachvollziehbare Abgrenzung gemacht werden können. Ausgangspunkt für eine solche Abgrenzung bildet der Wappenschild. Ungeachtet des Wortlautes von Artikel 2 Absatz 1 spielt es keine Rolle, welche Form dieser Schild aufweist (Dreieckschild, Halbrundschild, Rundschild, Schild mit beidseitigen Einschnitten, Normannenschild etc.). Entscheidend für die Verwechselbarkeit mit dem Schweizerwappen ist, ob eine Form verwendet wird, die von den Adressatinnen und Adressaten noch als Wappen aufgefasst wird. Mit dem Gebrauchsverbot sämtlicher verwechselbarer Zeichen sollen die Kunstgriffe derjenigen Benutzerinnen und Benutzer unterbunden werden, welche die geschützten wappenähnlichen Zeichen nur unbedeutend, aber doch ausreichend abändern, damit keine Nachahmung im heraldischen Sinne mehr vorliegt. Wird beispielsweise ein aufrecht stehendes weisses Kreuz in einem orangefarbenen
Wappenschild verwendet, handelt es sich dennoch um ein mit dem Schweizerwappen verwechselbares Zeichen. Trotz dem Unterschied zwischen den Farben «Rot» und «Orange» wird der Betrachter mit dem Zeichen eine gedankliche Assoziation zum Schweizerwappen herstellen. Die gewählte Farbgebung vermag sich daher nicht in genügender Weise vom Rot des Schweizerwappens zu unterscheiden. Dasselbe gilt für ein aufrecht stehendes weisses Kreuz in einem schwarzen Wappenschild; ein solches kann von den Adressatinnen und Adressaten als schwarzweisse Darstellung des Schweizer Wappens verstanden werden. Ebenfalls nicht zulässig wäre es, das Kreuz in silberner Farbe auf einem roten Hintergrund abzubilden. Eine solche Darstellung wäre mit dem Schweizerwappen verwechselbar und deshalb unzulässig.

Bei den charakteristischen Bestandteilen der Kantonswappen bezieht sich der Schutz auf den wesentlichen, prägenden Wappenbestandteil in seiner charakteristischen Ausführung, wie zum Beispiel den stehenden Appenzeller Bären oder den steigenden Thurgauer Löwen im Zusammenhang mit einem Wappenschild, nicht aber auf das blosse Motiv (Bär, Löwe). Diese Präzisierung ist nötig, weil die prägenden Bestandteile der Kantonswappen auch in den entsprechenden Kantonsfahnen enthalten sind. Mit dieser Lösung wird ein Widerspruch zu Artikel 10 vermieden.

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Absatz 2 schützt auch sprachliche Anspielungen auf das Schweizerwappen und auf die Wappen der Kantone. Unter diese Bestimmung fallen Wortzeichen wie beispielsweise «Schweizer Schild» oder «Berner Wappen». Die Bestimmung ist beschränkt auf Wappen, erstreckt sich aber neu nicht mehr auf die charakteristischen Bestandteile der Kantonswappen. Sprachliche Anspielungen auf diese Bestandteile sollen möglich sein: Anders als bei den Wappen wird beim Gebrauch der Worte «Basler Stab», «Uri Stier» oder «Berner Bär» kein direkter Bezug des Benutzers oder der Benutzerin zum entsprechenden Gemeinwesen erwartet. Diese Bezeichnungen dürfen zudem heute im Zusammenhang mit Dienstleistungen ohnehin schon gebraucht werden.

Das Schweizerwappen sowie die Wappen der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden sind Ausdruck staatlicher Macht und Würde des entsprechenden Gemeinwesens. Der Gebrauch dieser Zeichen soll deshalb in Zukunft grundsätzlich dem betreffenden Gemeinwesen vorbehalten bleiben (für die Ausnahmen vgl. Abs. 4 und 5). Folgerichtig ist vor diesem Hintergrund, dass das Gemeinwesen für diese Zeichen keine Lizenzen an Private erteilen und die Zeichen auch nicht übertragen kann. Mit einer Lizenz oder einer Übertragung räumt der berechtigte Zeicheninhaber Dritten ein Gebrauchsrecht an diesem Zeichen ein. Dieses privatrechtlich gewährte Gebrauchsrecht wird jedoch durch das gesetzliche Gebrauchsverbot unwirksam. Der Erwerber des Zeichens bzw. der Lizenznehmer darf das Zeichen trotz Übertragung oder Lizenzierung nicht rechtmässig gebrauchen. Aufgrund des für Waren geltenden allgemeinen Benutzungsverbots des Wappens für Private96 ist dies bereits unter geltendem Recht der Fall. Dennoch wurden in der Vergangenheit Marken von Bundesbehörden, die das Schweizerwappen als Markenbestandteil enthalten, an private Firmen lizenziert oder übertragen. Mit Absatz 3 wird nun eine klare gesetzliche Regelung geschaffen, die die Lizenzierung und die Übertragung von Wappen als Zeichen generell verbietet. Ungeachtet dessen ist der Gebrauch eines öffentlichen Zeichens durch Private im Rahmen einer vom Gemeinwesen rechtmässig hinterlegten Kollektiv- oder Garantiemarke gemäss Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe e weiterhin zulässig: Die Herrschaft über die Marke, insbesondere deren Führung und die ­ im Gegensatz zu einem Lizenzvertrag ­ einseitige
Ausgestaltung der entsprechenden Gebrauchsvoraussetzungen im Markenreglement, bleibt nämlich auch in diesen Fällen beim Gemeinwesen.

Grundsätzlich sollen die Wappen und die charakteristischen Bestandteile von Kantonswappen im Zusammenhang mit einem Wappenschild nur vom berechtigten Gemeinwesen (Eidgenossenschaft, Kanton, Bezirk, Kreis oder Gemeinde) und seinen Unternehmen für hoheitliche Tätigkeiten verwendet werden dürfen. Abweichend von diesem Grundsatz dürfen diese Zeichen in den von Absatz 4 abschliessend aufgeführten Fällen auch von anderen Berechtigten gebraucht werden. So soll es möglich sein, Wappen weiterhin in Wörterbüchern und Nachschlagewerken oder als Illustration für wissenschaftliche Werke abzubilden (Bst. a).

Auch zur Ausschmückung von Festen und Veranstaltungen, insbesondere bei Sportanlässen und politischen Veranstaltungen, sollen Wappen weiterhin verwendet werden dürfen (Bst. b).

Nach wie vor möglich ist es überdies, Wappen auf kunstgewerblichen Gegenständen wie Bechern, Wappenscheiben, Gedenkmünzen oder auf ähnlichen Gegenständen 96

Im Zusammenhang mit Dienstleistungen ist der Gebrauch von Wappen heute zulässig.

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darzustellen, die ein Käufer oder eine Käuferin zur Schau stellt, um damit die Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis (z.B. Schützenfest, Turnfest) wach zu halten. Die Wappen machen bei diesen Gegenständen das Wesen der Ware selbst aus (Bst. c). In der Vernehmlassung wurde geltend gemacht, dass die ursprünglich vorgesehene Formulierung an die bisherige übermässig grosszügige Rechtsprechung zum dekorativen Gebrauch von Wappen erinnert, welche dem Missbrauch als Einfallstor diente.

Diesen Bedenken wird Rechnung getragen und die Bestimmung so präzisiert, dass die Ausnahme gerade nicht allgemein für Souvenirprodukte gelten soll, sondern nur für Gegenstände, welche in tatsächlichem Zusammenhang zu einem Fest oder einer Veranstaltung gemäss Buchstabe b stehen. Für andere Souvenirartikel darf das Schweizerwappen nicht gebraucht werden; es ist gegebenenfalls durch die Schweizerfahne oder das Schweizerkreuz zu ersetzen. Kommen die Souvenirs aus dem Ausland, so dürfen die Schweizerfahne oder das Schweizerkreuz (ohne Wappenschild) nur gebraucht werden, wenn darin kein Hinweis auf die geografische Herkunft dieser Waren erblickt werden kann, was sich wie bei den geografischen Herkunftsangaben (vgl. Erläuterungen zu Art. 47 MSchG) nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise beurteilt (vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 10).

Das Gleiche gilt für die Wappen der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden sowie für die charakteristischen Bestandteile der Kantonswappen im Zusammenhang mit einem Wappenschild.

Selbstredend gilt die Ausnahme auch für die Verwendung des Wappens als Bestandteil des schweizerischen Patentzeichens gemäss Artikel 11 PatG (Bst. d).

Eine weitere Ausnahme besteht für Kollektiv- und Garantiemarken des Gemeinwesens, die gemäss dem Markenreglement explizit von Privaten gebraucht werden dürfen. So hat beispielsweise der Kanton Waadt die Kollektivmarken «Saucisson vaudois» (fig. mit dem Wappen des Kantons Waadt)97 und «Saucisse aux choux vaudoise» (fig. mit dem Wappen des Kantons Waadt)98 für die entsprechenden Fleischspezialitäten eintragen lassen. Gemäss Reglement dieser Marken dürfen die Marken von Privaten, d.h. den Produzenten dieser Fleischspezialitäten verwendet werden. Das Gleiche gilt für die Marken «Nationalpark» (fig. mit Schweizerwappen)99, «Regionaler Naturpark» (fig. mit
Schweizerwappen)100 und «Naturerlebnispark» (fig. mit Schweizerwappen)101 des Bundesamtes für Umwelt, welche für verschiedene Dienstleistungen im Zusammenhang mit solchen Pärken registriert sind. Gerade die Garantiemarke ist eine Marke, die vom Inhaber selbst nicht gebraucht werden darf, sondern ausschliesslich Dritten zum Gebrauch offen steht.

Jedermann, der die im Markenreglement festgelegten Kriterien erfüllt und dem Markeninhaber ein angemessenes Entgelt bezahlt, darf die Garantiemarke verwenden (Bst. e).

Eine weitere Ausnahme bilden die Fälle des Weiterbenützungsrechts nach Artikel 35 (Bst. f). Liegen besondere Umstände vor, kann das EJPD auf begründeten Antrag hin ein Weiterbenützungsrecht gestatten (vgl. dazu die Erläuterungen zu Art. 35).

Für den Gebrauch der Wappen der Kantone, Bezirke und Gemeinden können die hierfür zuständigen Gebietskörperschaften weitere Ausnahmen vorsehen (Abs. 5).

97 98 99 100 101

Kollektivmarke Nr. 541 468.

Kollektivmarke Nr. 541 469.

Garantiemarke Nr. 524 790.

Garantiemarke Nr. 524 789.

Garantiemarke Nr. 524 788.

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Mit dieser Bestimmung sollen unter dem Aspekt der Gemeindeautonomie und des Selbstbestimmungsrechts die betroffenen Gebietskörperschaften selber über den Gebrauch ihrer Wappen und die entsprechenden Voraussetzungen entscheiden dürfen. So soll beispielsweise die Gemeinde ihrer Winzergenossenschaft die Verwendung des Ortswappens auf einem Jubiläumswein für einen grossen Anlass gestatten können.

Art. 9

Amtliche Bezeichnungen

In der Vernehmlassung wurde geltend gemacht, dass amtliche Bezeichnungen genauso wie die amtlichen Wappen einzig und allein dem Gemeinwesen und seinen Organen, allenfalls noch behördlichen oder behördennahen Gebilden vorbehalten bleiben sollten. Dieser Kritik wurde Rechnung getragen. Neu dürfen die amtlichen Bezeichnungen nach Artikel 6 in Alleinstellung nur noch vom Gemeinwesen, zu dem sie gehören, verwendet werden (Art. 9 Abs. 1).

Nach Absatz 2 ist der Gebrauch dieser Bezeichnungen durch andere Personen als das Gemeinwesen nur dann zulässig, wenn diese Personen eine behördliche oder behördennahe Tätigkeit wahrnehmen. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass heute viele Aufgaben des Staates an Private übertragen werden und diese dadurch folglich eine behördliche Tätigkeit wahrnehmen. Den privaten Institutionen soll es deshalb ebenfalls gestattet sein, bei der Wahrnehmung dieser ausdrücklich übertragenen Tätigkeiten die nötigen, korrekten amtlichen Bezeichnungen verwenden zu dürfen.

Der Gebrauch von amtlichen Bezeichnungen in Verbindung mit anderen Wort- oder Bildelementen kann demgegenüber eine vollkommen andere Bedeutung erhalten. In entsprechender Kombination kann es sein, dass die Bezeichnungen nicht mit dem Staat und seinen Organen in Verbindung gebracht werden und auch nicht auf Beziehungen zu den Behörden hinweisen. Wie bisher dürfen deshalb als Ausnahme amtliche Bezeichnungen in Verbindung mit anderen Wort- oder Bildelementen verwendet werden, wenn sich daraus keine Irreführung ergibt (Abs. 3). Dabei erfasst der Begriff der Irreführung sowohl den Gebrauch, der Konsumenten und Konsumentinnen irreführen kann, als auch den Gebrauch, der unlauteren Wettbewerb darstellt. Damit werden auch Wettbewerbshandlungen erfasst, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderlaufen. So soll es beispielsweise dem Schweizerischen Turnverband weiterhin gestattet sein, den Begriff «Eidgenössisches Turnfest» zu verwenden. Gleiches gilt für den Gebrauch der Bezeichnung «Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest» durch den Eidgenössischen Schwingerverband.

Dem Begriff «Eidgenössisch» kommt in beiden Fällen eine Bedeutung zu, die nicht auf eine angeblich amtliche Beziehung zum Gemeinwesen hinweist. Ein solcher Gebrauch ist deshalb zulässig und weder unzutreffend noch irreführend im Sinne dieser Bestimmung.

Art. 10

Fahnen und andere Hoheitszeichen

Gemäss Artikel 10 ist die Verwendung des Schweizerkreuzes und der Schweizerfahne nicht nur wie bisher für Dienstleistungen, sondern neu auch für Waren erlaubt.

Neu dürfen also auch Waren, welche die Swissness-Kriterien erfüllen, mit dem Schweizerkreuz ausgelobt werden. Mit dieser Neuerung wird die schwierig zu handhabende Abgrenzung zwischen erlaubtem dekorativem Gebrauch (Beispiel: 8631

Schweizerkreuz auf einem T-Shirt oder einer Mütze) und untersagtem kommerziellem Gebrauch oder zwischen erlaubter stilisierter und verbotener verwechselbarer Wiedergabe des Schweizerkreuzes auf wenige Fälle reduziert. Künftig wird sich in erster Linie die Frage stellen, ob das Schweizerkreuz im Zusammenhang mit den verwendeten Waren als Hinweis auf die geografische Herkunft dieser Waren aufgefasst werden kann, was sich wie bei den geografischen Herkunftsangaben (vgl.

Art. 47 ff. MSchG) nach der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise beurteilt. Wird dies bejaht, muss die entsprechend gekennzeichnete Ware den im Markenschutzgesetz definierten Anforderungen an die Herkunft gerecht werden. So wird beispielsweise das Schweizerkreuz auf einem Lampion, auf der Stirnseite einer Mütze oder mitten auf einem T-Shirt in der Regel nicht als Herkunftsangabe aufgefasst, sondern wie bis anhin mit einer dekorativen Funktion verbunden; es ist daher auch für ausländische Produkte zulässig. Hingegen wird das Schweizerkreuz auf der Verpackung von Schokolade oder auf dem Zifferblatt von Uhren als geografischer Herkunftshinweis verstanden, weshalb es ausschliesslich auf Produkten schweizerischer Herkunft prangen darf. In Zukunft ist es also beispielsweise möglich, dass die Firma Valser AG ihr in der Schweiz entsprungenes Mineralwasser mit dem Schweizerkreuz kennzeichnen darf. Ebenfalls zulässig wäre das Anbringen des Schweizerkreuzes auf dem Zifferblatt von Swatch-Uhren, sofern es sich um in der Schweiz hergestellte Uhren handelt. Nach wie vor unzulässig wäre hingegen der Gebrauch des Schweizerkreuzes auf der Verpackung oder den Waren selbst (beispielsweise Pfannen), die im Ausland hergestellt werden bzw. die Kriterien gemäss Markenschutzgesetz nicht erfüllen.

Gleiches gilt bei der Erteilung von Lizenzen an einer Marke, die ein Schweizerkreuz enthält. Hier darf der Lizenznehmer die Marke nur dann auf seinen Produkten anbringen, wenn diese den allgemeinen Kriterien des «Swiss made» nach dem Markenschutzgesetz entsprechen. So dürfte beispielsweise die Marke «approved by armasuisse» (fig. mit Schweizerkreuz)102 der Eidgenossenschaft von einem privaten Lizenznehmer nur dann verwendet werden, wenn seine Waren den allgemeinen Herkunftskriterien der Artikel 48 ff. MSchG genügen. Heute wäre demgegenüber eine Lizenzierung
selbst für Schweizer Produkte nicht möglich, da das Anbringen des Schweizerkreuzes auf Produkten von Privaten generell verboten ist. Das mit der Lizenz eingeräumte Recht an der Marke kann wegen dem Gebrauchsverbot nicht ausgeübt werden.

Bei der Neuregelung gilt es zu beachten, dass der Gebrauch des Schweizerkreuzes nicht irreführend sein darf und nicht gegen die guten Sitten, die öffentliche Ordnung oder geltendes Recht verstossen darf. In dieser Einschränkung widerspiegelt sich der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben: Der Gebrauch des Schweizerkreuzes ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die berechtigten Erwartungen des angesprochenen Publikums nicht enttäuscht und dieses somit nicht irregeführt wird.

Ein irreführender Gebrauch liegt dann vor, wenn das Schweizerkreuz aufgrund des Gesamtzusammenhangs objektiv geeignet ist, beispielsweise falsche Vorstellungen über die geschäftlichen Verhältnisse oder angeblich amtliche Beziehungen zum Gemeinwesen zu wecken. So ist der Gebrauch des Schweizerkreuzes im Zusammenhang mit einer privaten Service- und Beratungsstelle für Visaangelegenheiten, welche unter dem Namen «Swiss Helping Point, Visa Assistance» auftritt, irreführend, da die angesprochenen Benutzerinnen und Benutzer der Dienstleistung davon 102

Marke Nr. 513 614.

8632

ausgehen könnten, dass es sich bei der Beratungsstelle um eine amtliche Stelle handelt. Dabei erfasst der Begriff der Irreführung sowohl den Gebrauch, der Konsumentinnen und Konsumenten irreführen kann, als auch den Gebrauch, der unlauteren Wettbewerb darstellt.

Der für die gesamte Privatrechtsordnung geltende Vorbehalt der guten Sitten ist auch bei der Verwendung des Schweizerkreuzes und der Schweizerfahne zu beachten. Obwohl die guten Sitten sich kaum in einer allgemein verbindlichen Weise definieren lassen und sie gleichzeitig einem ständigen Wandel unterworfen sind, kann ihr Anrufen in krassen Missbrauchsfällen der Einhaltung landläufiger moralischer oder ethischer Grundsätze dienen. Ein Verstoss gegen die guten Sitten liegt vor, wenn die Verwendung eines Zeichens gegen das allgemeine Anstandsgefühl (herrschende Moral) oder gegen die der Gesamtrechtsordnung immanenten ethischen Prinzipien und Wertmassstäbe verstösst. Der Gebrauch des Schweizerkreuzes gilt dann als sittenwidrig, wenn er geeignet ist, das sittliche oder moralische Empfinden weiter Volkskreise zu verletzen oder wenn er den Respekt vor dem Gemeinwesen vermissen lässt. Bei der Missachtung des Gemeinwesens ist im Einzelfall eine Abwägung zwischen der Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit sowie dem Respekt vor dem Gemeinwesen vorzunehmen. Nicht jede kritische oder gar provozierende Darstellung der Schweizerfahne stellt einen Verstoss gegen die guten Sitten dar. Der Protest gegenüber einem Staat sollte mit Blick auf die Verhältnismässigkeit und die Meinungsäusserungsfreiheit nicht kriminalisiert werden. Demgegenüber dürfte beispielsweise bei sexuell anstössigen oder eindeutig rassistischen Darstellungen Sittenwidrigkeit vorliegen, selbst wenn diese die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches nicht zu erfüllen vermögen103.

Dem Begriff «Verstoss gegen die öffentliche Ordnung» kommt eine ähnliche Funktion zu. Als «Verstoss gegen die öffentliche Ordnung» gilt die Darstellung oder die Verwendung der Fahnen und Hoheitszeichen, wenn dieser Gebrauch gegen die rechtlichen oder sozialen Grundauffassungen der Schweiz (die verfassungsmässige Grundordnung) verstösst. Ordnungswidrig ist auch ein Gebrauch, der die schweizerischen Landesinteressen beeinträchtigt, das Ansehen der Schweiz herabmindert oder die
diplomatischen Beziehungen zu einem anderen Staat stören könnte. Dies ist etwa bei der Verwendung im Zusammenhang mit verbotenen Organisationen der Fall.

Schliesslich darf die Verwendung des Schweizerkreuzes nicht gegen geltendes Recht verstossen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Bundesgesetz vom 25. März 1954 betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes (in der Folge: Rotkreuz-Gesetz) zu beachten. Es besagt, dass weder das «Rote Kreuz» noch alle damit verwechselbaren Zeichen als Marke eingetragen oder verwendet werden dürfen. Aufgrund dieses Gesetzes muss der Gebrauch des Schweizerkreuzes ­ das mit dem Zeichen des Roten Kreuzes verwechselt werden kann ­ in gewissen Fällen verboten werden (für weitere Ausführungen dazu siehe Ziff. 2.3.7). Daneben sind viele gesetzliche Vorschriften zu beachten, die in erster Linie zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten vor einer Irreführung erlassen worden sind (z.B. in der Lebensmittelgesetzgebung). Als Verstoss gegen geltendes Recht wurde beispielsweise die Verwendung eines Plakats durch die Partei National Orientierter Schweizer im Kanton Aargau im Nationalratswahlkampf 103

Art. 197 und 262bis StGB.

8633

von 2003 beurteilt, das von den Schweizer Nationalsozialisten bereits 1933 für eine Kampagne benutzt worden war. Auf dem Plakat «Wir säubern» werden Bonzen, Kommunisten und Juden von einem Schweizerkreuz weggefegt. Das Bezirksamt Aarau verurteilte drei Vorstandsmitglieder der Partei wegen Rassendiskriminierung zu Bussen zwischen 300 und 500 Franken104.

Art. 11

Nationale Bild- und Wortzeichen

Nationale Bild- und Wortzeichen wie sie in Artikel 7 definiert sind, dürfen wie bisher unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass der Gebrauch nicht irreführend ist und nicht gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten oder geltendes Recht verstösst, von jedermann frei gebraucht werden. Dabei erfasst der Begriff der Irreführung sowohl den Gebrauch, der Konsumentinnen und Konsumenten irreführen kann, als auch den Gebrauch, der unlauteren Wettbewerb darstellt. Damit werden auch Wettbewerbshandlungen erfasst, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderlaufen.

Art. 12

Öffentliche Zeichen der Schweiz, die mit öffentlichen Zeichen des Auslandes verwechselbar sind

Artikel 12 entspricht dem geltenden Artikel 12 WSchG. Er regelt einen Vorbehalt, wie er in Artikel 6ter Absatz 8 PVÜ vorgesehen ist. Demnach dürfen die Angehörigen eines jeden Landes, die zum Gebrauch der staatlichen Hoheitszeichen ihres Landes ermächtigt sind, diese auch dann benutzen, wenn sie den Zeichen eines anderen Landes ähnlich sind. Ein inländisches Zeichen darf deshalb ­ wenn der Benutzer zum Gebrauch berechtigt ist ­ auch dann gebraucht werden, wenn das inländische Zeichen mit einem ausländischen Hoheitszeichen verwechselt werden kann. So darf beispielsweise eine Produzentin aus Appenzell die Fahne von Appenzell Innerrhoden ­ schwarzer, aufrecht gehender Bär auf weissem Grund ­ für ihre dort hergestellten Erzeugnisse verwenden. Dies unabhängig davon, dass auch die Flagge des Bundeslandes Berlin einen schwarzen, aufrecht gehenden Bären auf weissem Grund enthält, wobei hier noch zusätzlich zwei rote Längsstreifen, je ein Streifen oben und unten dazukommen. Die beiden Zeichen sind in ihren Hauptbestandteilen doch ziemlich ähnlich, sodass sie durchaus miteinander verwechselt werden könnten. Der «Berliner Bär» ist als Hoheitszeichen des Bundeslandes Berlin gestützt auf Artikel 6ter PVÜ auch in der Schweiz geschützt. Mit Artikel 12 wird sichergestellt, dass die Appenzeller Produzenten den «Appenzeller Bär» trotz einer möglichen Verwechslungsgefahr mit dem «Berliner Bären» zu Recht verwenden darf.

Art. 13

Gebrauch von Zeichen als Herkunftsangaben

Werden die Zeichen gemäss den Artikeln 8, 10 und 11 oder damit verwechselbare Zeichen von den massgebenden Verkehrskreisen als Hinweis auf die geografische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen verstanden, so sind die Bestimmungen der Artikel 47 ff. MSchG anwendbar. Wie die Herkunftserwartung erweckt wird, spielt für die Qualifikation als geografische Herkunft keine Rolle. Ob eine Herkunftserwartung geweckt wird und damit eine Herkunftsangabe im Sinne des Markenschutzgesetzes vorliegt, ist jeweils im konkreten Fall nach dem Gesamteindruck 104

Entscheid des Bezirksamts Aarau vom 1. Juli 2005 im Verfahren ST.2003.4839.

8634

zu bestimmen, den die Ware beim angesprochenen Publikum weckt. Die Verkehrsauffassung hängt dabei immer auch von der gekennzeichneten Ware ab. Ob die Flaggen, Fahnen und das Schweizerkreuz gemäss Artikel 10 von den massgebenden Verkehrskreisen als Hinweis auf die geografische Herkunft von Waren und Dienstleistungen verstanden werden, beurteilt sich ähnlich wie bei den Marken abstrakt und unabhängig von der konkreten Art der Verwendung. Deshalb kann die Irreführungsgefahr nicht durch ein allfälliges Korrektiv auf der Ware oder Verpackung beseitigt werden. So ist beispielsweise die Verwendung des Schweizerkreuzes auf dem Logo «Sigg Switzerland» unzutreffend und damit irreführend, auch wenn auf der Verpackung der tatsächliche Herstellungsort («made in China») angegeben wird.

Die vermeintliche Richtigstellung ­ «made in China» ­ ist nicht geeignet, die durch die Verwendung des Schweizerkreuzes erweckte Erwartung des Publikums ­ schweizerische Herkunft der Waren ­ zu korrigieren und die Irreführungsgefahr zu beseitigen. Im Gegenteil: Die Richtigstellung leistet einer Verwässerung des Schweizerkreuzes als geografischer Hinweis Vorschub. Auch Bezeichnungen wie «nach Schweizer Art», «Schweizer Typ», «Swiss Style», «nach Schweizer Rezept» etc. sind ungeeignet, um Fehlzurechnungen in Bezug auf die Herkunft zu verhindern (vgl. dazu auch Art. 47 Abs. 3bis E-MSchG). Sie sind deshalb unzulässig für Waren, die die Kriterien der Schweizer Herkunft nicht erfüllen. In Ausnahmefällen dürfen Wappen nach Artikel 8 auch von Privaten verwendet werden (siehe Erläuterungen zu Ausnahmen nach Art. 8 Abs. 4 und insbesondere neu nach Art. 35). In diesen Fällen sollen in Bezug auf die geografische Herkunft die gleichen Kriterien erfüllt werden, wie sie für den Gebrauch von Fahnen und Hoheitszeichen in den Fällen gemäss Artikel 10 vorgesehen sind. Im Vorentwurf wurde noch vorgeschlagen, dass das Wappen vom berechtigten Gemeinwesen nur auf Waren vollständig schweizerischer Herkunft hätte angebracht werden dürfen. Diese Abweichung gegenüber der Verwendung des Schweizerkreuzes hätte jedoch zu einer Rechtszersplitterung geführt, da je nachdem welches Zeichen gebraucht wird, unterschiedliche Kriterien zur Anwendung gelangt wären. Aus Transparenzgründen sollen aber in Bezug auf die geografische Herkunft überall die gleichen Kriterien
gelten. Denn aus der Sicht des angesprochenen Publikums macht es letztlich keinen Unterschied, ob ein Messer mit dem Schweizerkreuz oder dem Schweizerwappen gekennzeichnet ist: In beiden Fällen erwartet es ein Produkt schweizerischer Herkunft und zwar unabhängig davon, ob das Wappen vom Gemeinwesen oder ausnahmsweise von Privaten verwendet wird. Auch wenn ein traditionelles Unternehmen das Wappen gestützt auf das Weiterbenützungsrecht von Artikel 35 gebrauchen darf, sollen die gleichen Anforderungen an die Bestimmung der Herkunft gelten wie für die Benützung des Schweizerkreuzes. Das gleiche Traditionsunternehmen, das Messer mit dem Schweizerwappen kennzeichnen darf, darf das Wappen auf anderen Produkten wie beispielsweise Reisegepäck also auch nur dann verwenden, wenn diese Waren die gleichen Herkunftskriterien erfüllen wie die Messer. Denn wer das Schweizerkreuz nicht brauchen darf, soll auch das Schweizerwappen nicht brauchen dürfen.

Schliesslich stellt die Abbildung des Wilhelm Tell als nationales Bildzeichen gemäss Artikel 11 auf Bier eine geografische Herkunftsangabe im Sinne des Markenschutzgesetzes dar. Die Abbildung darf also nur im Zusammenhang mit Schweizer Bier verwendet werden, da das angesprochene Publikum in der Abbildung einen Hinweis auf die Schweiz erkennen kann. Im Einzelfall ist aus der Sicht des angesprochenen Publikums zu beurteilen, ob das nationale Bild- oder Wortzeichen bestimmte Erwartungen in Bezug auf die geografische Herkunft der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen hervorruft. Keine entsprechenden Erwar8635

tungen werden beispielsweise hervorgerufen, wenn das Tell-Denkmal auf T-Shirts oder Postkarten abgebildet wird.

2.3.2.3

3. Abschnitt: Eintragungsverbot

Art. 14 Die bisherige Regelung verbietet die Eintragung des Schweizerkreuzes als Bestandteil einer Warenmarke durch Private. Dieses Eintragungsverbot gilt demgegenüber ­ nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ­ nicht für Dienstleistungsmarken (vgl. Art. 75 Ziff. 3 MSchG i.V. mit Art. 1 WSchG). Diese historisch begründete Unterscheidung wurde vom Gesetzgeber bei der letzten Revision des Markenschutzgesetzes Anfang der Neunzigerjahre aus politischen Überlegungen beibehalten. Das den Dienstleistungen mit der Ungleichbehandlung zu den Waren eingeräumte «Privileg» rechtfertigt sich heute jedoch nicht mehr. Neu ist es möglich, das Schweizerkreuz als Bestandteil einer Warenmarke einzutragen und zu gebrauchen, sofern die damit gekennzeichneten Waren schweizerischer Herkunft sind (der Gebrauch des Schweizerkreuzes darf nicht täuschend sein). Artikel 14 verbietet nur die Eintragung derjenigen Zeichen (Wappen und charakteristische Bestandteile der Kantonswappen sowie Wortzeichen, die auf diese Wappen hinweisen) als Marken oder Designs, die ausschliesslich vom Gemeinwesen benutzt werden dürfen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein nach den Artikeln 8­13 erlaubter Gebrauch dazu führt, dass ein solches Zeichen ohne Weiteres als Marke eingetragen werden kann.

Die Schutzfähigkeit von Zeichen, die nach dem Wappenschutzgesetz gebraucht werden dürfen, beurteilt sich nach den absoluten Ausschlussgründen des Markenschutzgesetzes105. Es ist also möglich, dass ein Zeichen mit dem Schweizerkreuz gebraucht werden darf, aber nicht als Marke eingetragen werden kann. So darf beispielsweise das Schweizerkreuz auf einem in China hergestellten Lampion angebracht werden, weil das Schweizerkreuz hier nicht als Hinweis auf die geografische Herkunft des Lampions wahrgenommen wird. Wenn demgegenüber die Abbildung eines Lampions als Bildmarke für Lebensmittel hinterlegt wird, kann das Zeichen nur als Marke eingetragen werden, wenn die Warenliste auf Waren schweizerischer Herkunft eingeschränkt wird: Als Bildmarke für Lebensmittel wird das Lampion vom angesprochenen Publikum als Hinweis auf die mögliche Herkunft der damit gekennzeichneten Lebensmittel aufgefasst. Da irreführende Zeichen vom Markenschutz ausgeschlossen sind, kann die Bildmarke nur für Waren schweizerischer Herkunft registriert werden.

Absatz 2 nimmt Bezug
auf die in Artikel 8 Absätze 4 und 5 erwähnten Ausnahmen, die den Gebrauch der Wappen für Private in spezifischen Fällen zulassen. Die dort erlaubte Benutzung soll jedoch nicht dazu führen, dass die Wappen von diesen Privatpersonen als Marken oder Designs hinterlegt werden können. Dies gilt insbesondere auch für Zeichen, für die die Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden den Gebrauch erlaubt haben. Die Erlaubnis zum Gebrauch bedeutet nicht, dass das Zeichen auch als Marke hinterlegt und monopolisieren werden kann.

Vom Eintragungsverbot ausdrücklich ausgenommen sind aber Zeichen, für die das EJPD eine Weiterbenützung im Sinne von Artikel 35 gestattet hat (Abs. 3). Mit 105

Art. 2 MSchG.

8636

dieser Lösung erhalten traditionelle Schweizer Unternehmen, Vereine oder Stiftungen, die das Wappen oder wappenähnliche Zeichen bereits seit Jahrzehnten als Kennzeichen verwendet haben und für die das EJPD ein Weiterbenützungsrecht gestattet hat, folgerichtig die Möglichkeit, das Zeichen auch als Marke einzutragen.

Die Marke erlaubt es ihnen, das offiziell gestattete Weiterbenützungsrecht an diesem Zeichen mit wirksamen Mitteln zu verteidigen. Die Firma Victorinox AG beispielsweise könnte so ein Weiterbenützungsrecht beantragen und ­ bei dessen Gutheissung ­ ihr wappenartiges Zeichen weiterhin für bestimmte Waren schweizerischer Herkunft gebrauchen und für dieselben in der Schweiz auch als Marke eintragen lassen. Damit werden insbesondere auch der Schutz und die Verteidigung der entsprechenden Zeichen im Ausland massgeblich verbessert. So tragen einige Staaten Marken mit dem Wappen eines anderen Staates nur ein, wenn diese Marke im Heimatstaat ebenfalls als Marke registriert ist.

2.3.3

2. Kapitel: Öffentliche Zeichen des Auslandes

2.3.3.1

1. Abschnitt: Gebrauch und Ermächtigung

Art. 15

Gebrauch

Artikel 15 regelt den Gebrauch der ausländischen Hoheitszeichen. Schutzobjekt sind die Wappen, Fahnen, Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten und Gliedstaaten von Bundesstaaten. Wie bei den schweizerischen Hoheitszeichen gilt der Grundsatz, dass die Zeichen nur vom Gemeinwesen gebraucht werden dürfen. Zum Gemeinwesen gehören auch Organisationen und Unternehmen, die als verselbständigte Einheiten öffentliche Aufgaben wahrnehmen, rechtlich verselbständigt sind und im Eigentum des Gemeinwesens stehen (das Gemeinwesen hält also eine Hauptoder Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen). Dieser Grundsatz erfährt eine wichtige Ausnahme dort, wo eine Ermächtigung zum Gebrauch der öffentlichen Zeichen vorgelegt werden kann (vgl. Erläuterungen zu Art. 16). Der ausländische Staat muss letztlich selbst entscheiden, ob er seine öffentlichen Zeichen auch anderen Personen als dem berechtigten Gemeinwesen zum Gebrauch überlassen will. Auf die bisherige Voraussetzung der Gewährung von Gegenrecht wird verzichtet. Das nationale Recht soll die ausländischen Hoheitszeichen in der Schweiz unabhängig davon schützen, ob ein ausländischer Staat den eidgenössischen und kantonalen Hoheitszeichen Schutz gewährt. Der Grund dafür liegt darin, dass die meisten Staaten Mitglied der PVÜ sind. Diese regelt in Artikel 6ter PVÜ den Schutz staatlicher Hoheitszeichen.

Für alle Mitgliedländer der PVÜ ist daher das Gegenrecht ohnehin gewährt. Für Staaten, die zwar nicht Mitglied der PVÜ sind, die aber dem TRIPS-Abkommen beigetreten sind, gelten gemäss Artikel 2 TRIPS-Abkommen ebenfalls die Bestimmungen der Artikel 1­12 PVÜ, weshalb auch für diese Staaten das Gegenrecht gegeben ist. Da das Gegenrecht also mit wenigen Ausnahmen für fast alle Staaten vorliegt, soll in Zukunft darauf verzichtet werden, den schweizerischen Schutz explizit von der Gewährung des Gegenrechts abhängig zu machen.

In der Vernehmlassung kritisierten einige, dass die ausländischen Fahnen und Flaggen grundsätzlich nicht verwendet werden dürfen. Dies im Gegensatz zu den schweizerischen Fahnen und Flaggen, deren Gebrauch im Grundsatz zulässig ist.

Diesen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass die Schweiz beim Gebrauch der ausländischen Fahnen und Flaggen völkerrechtlich gebunden ist (Art. 6ter PVÜ) und des8637

halb für diese Fahnen und Flaggen an der bisher geltenden Regelung festgehalten werden muss. Wie bisher gilt bei den ausländischen Fahnen und Flaggen folglich der Grundsatz des Gebrauchsverbots. Dieses Verbot kann jedoch mit einer entsprechenden Ermächtigung (vgl. Art. 16) überwunden werden.

Wie bisher werden auch verwechselbare Zeichen geschützt. Ohne Rücksicht auf den heraldischen Charakter geniesst deshalb nach wie vor ­ und gleich wie bei den schweizerischen Hoheitszeichen ­ jedes Zeichen Schutz, das mit einem ausländischen Hoheitszeichen verwechselt werden kann. Da die Schweiz den Schutz ihrer Hoheitszeichen, insbesondere des Schweizerwappens und des Schweizerkreuzes, im Ausland mit geeigneten Massnahmen verbessern will, wäre es widersprüchlich, den ausländischen Hoheitszeichen in der Schweiz anstelle des bisherigen Schutzes neu nur noch den auf heraldische Nachahmungen beschränkten Mindestschutz gemäss Artikel 6ter PVÜ zukommen zu lassen. Mit dem weitergehenden schweizerischen Schutz sollen die Kunstgriffe derjenigen Nachahmer verhindert werden, welche sich allenfalls damit begnügen würden, die geschützten Zeichen nur unbedeutend, aber doch ausreichend abzuändern, um einer Nachahmung im heraldischen Sinne vorzubeugen.

Absatz 2 entspricht materiell dem heutigen Artikel 11 WSchG. Der an sich zulässige Gebrauch von ausländischen Zeichen durch den berechtigten Staat ist an die allgemeine Voraussetzung geknüpft, dass dieser Gebrauch nicht irreführend sein darf und nicht gegen die guten Sitten, die öffentliche Ordnung oder geltendes schweizerisches Recht verstossen darf. Dabei erfasst der Begriff der Irreführung sowohl den Gebrauch, der Konsumentinnen und Konsumenten irreführen kann, als auch den Gebrauch, der unlauteren Wettbewerb darstellt. Damit werden auch Wettbewerbshandlungen erfasst, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel zuwiderlaufen. Der Gebrauch der ausländischen Zeichen hat im Rahmen der schweizerischen Gesetzgebung zu erfolgen.

Schutzobjekt von Absatz 1 sind die öffentlichen Zeichen eines ausländischen Staates, nicht aber die Zeichen anderer Gemeinwesen. Zu Letzteren gehören insbesondere die Wappen, Fahnen und Hoheitszeichen von ausländischen Gemeinden. Die Einbeziehung der öffentlichen Zeichen der Gemeinden in den Schutzbereich von Absatz 1 würde eine unübersichtliche
Situation schaffen, die die Anwendung dieses Gesetzes erschweren würde. Sie dürfen unter Berücksichtigung des allgemeinen Vorbehalts ­ wie schon unter bestehendem Recht ­ frei verwendet werden (Abs. 3).

Verboten ist daher jeder Gebrauch, der irreführend ist und gegen die guten Sitten, die öffentliche Ordnung oder geltendes Recht verstösst. Dieser allgemeine Vorbehalt dient in erster Linie dem Schutz des Schweizer Publikums. Wird also ein Wappen einer ausländischen Gemeinde verwendet, so ist eine Täuschung nur möglich, wenn das ausländische Gemeindewappen dem Publikum als solches bekannt oder erkennbar ist. Unbekannte oder nicht als Gemeindewappen erkennbare Zeichen dürfen ohne Weiteres gebraucht werden.

Werden ausländische Hoheitszeichen vom angesprochenen Publikum im Zusammenhang mit bestimmen Waren oder Dienstleistungen als geografischer Hinweis verstanden, so gelten sie als geografische Herkunftsangaben. In diesem Fall kommen die Herkunftskriterien von Artikel 48 Absatz 5 und Artikel 49 Absatz 4 des E-MSchG zur Anwendung, die zwingend eingehalten werden müssen (Abs. 4). Die ausländischen Hoheitszeichen werden damit gleich behandelt wie die inländischen.

Diese Gleichbehandlung entspricht den Anforderungen der internationalen Verträge, insbesondere des TRIPS-Abkommens. Die Verwendung der ausländischen Hoheits8638

zeichen als Herkunftsangaben steht unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass der Gebrauch nicht irreführend sein darf. Dabei erfasst der Begriff der Irreführung sowohl den Gebrauch, der Konsumentinnen und Konsumenten irreführen kann, als auch den Gebrauch, der unlauteren Wettbewerb darstellt.

Art. 16

Ermächtigung

Der ausländische Staat, dem das öffentliche Zeichen gehört bzw. auf den es hinweist, soll selbst entscheiden können, wer ausser ihm das Zeichen gebrauchen darf.

Artikel 16 bestimmt daher, dass das allgemeine Gebrauchsverbot von Artikel 15 nicht anwendbar ist für Personen, die das Zeichen aufgrund einer ausdrücklichen Ermächtigung gebrauchen dürfen. Die Bestimmung entspricht dem bisherigen Artikel 10 Absatz 2 WSchG. Die erteilte Ermächtigung muss aber mit dem beantragten Schutz identisch sein. Es genügt deshalb nicht, wenn der Hinterleger einer Marke nur eine allgemeine Ermächtigung zum Gebrauch des Hoheitszeichens vorlegen kann. Die Ermächtigung muss sich vielmehr auch auf die Erlaubnis erstrecken, das Zeichen in der Marke führen zu dürfen. Häufig wird gerade dies bei ausländischen Ermächtigungen ausdrücklich ausgeschlossen, um eine ungerechtfertigte Monopolstellung des Hinterlegers bei der Verwendung des Hoheitszeichens zu verhindern. Auch hier gilt der allgemeine Vorbehalt, dass der Gebrauch nicht täuschend oder unlauter sein darf.

Im Sinne einer nicht abschliessenden Aufzählung bestimmt Absatz 2, was als Ermächtigung betrachtet werden kann. So stellt beispielsweise die Eintragungsbescheinigung der zuständigen Markenbehörde des Auslandes eine genügende Ermächtigung dar, das Zeichen auch in der Schweiz als Marke eintragen zu dürfen.

2.3.3.2

2. Abschnitt: Eintragungsverbot

Art. 17 Artikel 17 verbietet die Eintragung von ausländischen öffentlichen Zeichen als Marken, Designs, Firmen-, Genossenschafts-, Vereins- oder Stiftungsnamen oder als Bestandteile davon, wenn deren Gebrauch unzulässig ist. Dieses Verbot gilt dann nicht, wenn eine Ausnahme gemäss Artikel 16 vorliegt. Dabei muss aber die erteilte Ermächtigung dem beantragten Schutz entsprechen (vgl. Erläuterungen zu Art. 16).

2.3.4

3. Kapitel: Elektronisches Verzeichnis der geschützten öffentlichen Zeichen

Art. 18 Artikel 18 sieht vor, dass das IGE als Vollzugsbehörde des Bundes im Bereich des Wappenschutzes ein elektronisches Verzeichnis der öffentlichen Zeichen der Schweiz und des Auslandes führt. Mit diesem Verzeichnis wird sichergestellt, dass alle öffentlichen Zeichen erfasst werden, was dem IGE auch den Vollzug des Gesetzes erleichtert. So kann das IGE etwa im Rahmen des Markenprüfungsverfahrens die Familien- oder Fantasiewappen zuverlässig von den öffentlichen Wappen unter8639

scheiden. Auch kann beispielsweise bei Gemeindefusionen ohne Weiteres festgestellt werden, welches Wappen aufgehoben und welches für die neue Gemeinde gelten soll. Gleichzeitig wird dem IGE ermöglicht, ein Verzeichnis zu führen, welches die öffentlichen Zeichen der Kantone enthält. Neben den Wappen der Bezirke und Gemeinden sind auch die verschiedenen kantonalen Siegel geschützt. So haben beispielsweise die Notare im Kanton Bern ein Berufssiegel. Dieses enthält das Kantonswappen, eingerahmt vom Text «N. N. Notar des Kantons Bern» sowie die Registernummer des Notars und die Siegelnummer106. Schliesslich fehlt heute eine Gesamtübersicht über sämtliche Gemeindewappen der Schweiz, was den Vollzug des Gesetzes bisweilen erschwert hat. Das neu vorgesehene Verzeichnis ist nicht rechtsverbindlich. Die einfache Datenbank dient jedoch wesentlich der allgemeinen Information und soll die Transparenz fördern: Jedermann kann sich durch eine einfache Konsultation der entsprechenden Datenbank eine Übersicht über die öffentlichen Zeichen der Kantone verschaffen. Ist ein Zeichen im Verzeichnis aufgeführt, so wird die widerlegbare Vermutung geschaffen, es handle sich um ein öffentliches Zeichen. Der Schutz eines öffentlichen Zeichens, das nicht im Verzeichnis enthalten ist, muss demgegenüber gestützt auf die entsprechende kantonale Bestimmung nachgewiesen werden.

Ausländische Wappen und Hoheitszeichen, die den Schutz von Artikel 6ter PVÜ beanspruchen, müssen der WIPO in einem formellen Verfahren notifiziert werden.

Alle Mitgliedländer der PVÜ erhalten in der Folge von der WIPO eine entsprechende Mitteilung. In der Schweiz werden diese Zeichen regelmässig im Bundesblatt veröffentlicht (zum Publikationsorgan siehe die Erläuterungen zu den Änderungen von Art. 4 Abs. 1 und 3 UNO-Gesetz; Ziff. 2.3.7). Für Dritte ist es jedoch nicht einfach herauszufinden, welche ausländischen Zeichen in der Schweiz geschützt sind. Mit dem vorgeschlagenen Verzeichnis soll, wiederum der Transparenz halber, eine Übersicht aller in der Schweiz publizierten Zeichen geschaffen werden, die für jedermann frei zugänglich ist.

2.3.5

4. Kapitel: Rechtsschutz

2.3.5.1

1. Abschnitt: Zivilrechtlicher Schutz

Art. 19

Beweislastumkehr

Mit Artikel 19 wird die Beweislastumkehr eingeführt. Diese Bestimmung findet ihre Entsprechung in der Revisionsvorlage des Markenschutzgesetzes (Art. 51a E-MSchG; Ziff. 2.1.4). Nach der allgemeinen Beweisregel von Artikel 8 ZGB trägt grundsätzlich der Kläger die Beweislast für den ganzen von ihm vorgetragenen Sachverhalt. Dieser Beweis ist leicht zu führen, wenn sich die Unrichtigkeit aus den Leistungen des Beklagten ergibt. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Kläger beweisen muss, dass der Beklagte zum Gebrauch eines öffentlichen Zeichens nicht berechtigt ist. Dies trifft besonders auf den Gebrauch von ausländischen Zeichen zu, wo der Beklagte die Möglichkeit hat, vom betreffenden Gemeinwesen eine Ermächtigung zum Gebrauch des Zeichens einzuholen. In Zukunft ist der Beklagte verpflichtet, Unterlagen beizubringen, woraus hervorgeht, dass er zum Gebrauch des 106

Art. 12 der Notariatsverordnung des Kantons Bern, 169.112 der Bernischen Systematischen Gesetzessammlung.

8640

öffentlichen Zeichens berechtigt ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so steht ihm der Verweis auf vergleichbare Fälle offen, wo der Gebrauch im betreffenden Staat toleriert wird. Das Gericht wird in diesen Fällen zur Klärung der Frage, ob der Gebrauch des ausländischen Zeichens in der Schweiz zulässig ist, das ausländische Recht heranziehen müssen. Sagt das ausländische Recht nichts zum Gebrauch der ausländischen Zeichen und wird der Gebrauch im betreffenden Staat toleriert, so kann das Gericht den Gebrauch ausnahmsweise als zulässig erachten.

Auch bei der Beweislastumkehr muss die Wahrung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses gewährleistet sein. Da das Gericht bereits eine Grundlage zur Vorkehr der erforderlichen Massnahmen hat (vgl. Art. 156 ZPO und Art. 102 Abs. 1 StPO), erübrigt sich eine entsprechende Spezialbestimmung.

Art. 20

Klage und Klageberechtigung

Das Schweizerkreuz, die Flaggen und Fahnen werden oft als Mittel zur Kennzeichnung der geografischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen eingesetzt. So findet sich das Schweizerkreuz beispielsweise auf der Verpackung von Milchprodukten (Emmi), auf der Verpackung von Biskuits (Kambly), auf Landwirtschaftsprodukten (Suisse-Garantie-Produkte) oder im Zusammenhang mit Versicherungsdienstleistungen (Swiss Life). Neu wird all denjenigen Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern das Klagerecht gegen jeden widerrechtlichen Gebrauch der öffentlichen Zeichen an die Hand gegeben, die dadurch in ihren wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt werden. Darunter fallen sowohl Wettbewerbsteilnehmer als auch Konsumentinnen und Konsumenten; sie alle können gegen die missbräuchliche Verwendung der öffentlichen Zeichen Klage einreichen. Artikel 20 umschreibt den Klageanspruch und die Klageberechtigung. Diese Bestimmung stimmt vom Inhalt her weitgehend mit der Regelung im Patent-, Marken-, Design-, und Urheberrecht überein (Art. 66 Bst. a und b, 72 Abs. 1 und 73 PatG, Art. 55 MSchG, Art. 35 DesG und Art. 62 URG). Sprachlich stellt sie jedoch eine Verbesserung zu diesen Bestimmungen dar.

Absatz 1 Buchstaben a und b statuieren einen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch. Die Klage ist zulässig bei einer Gefährdung oder einer Verletzung eines öffentlichen Zeichens. Der Auskunftsanspruch gemäss Buchstabe c eröffnet die Möglichkeit, von der beklagten Partei Angaben über Herkunft und Menge der sich in ihrem Besitz befindlichen, widerrechtlich mit dem öffentlichen Zeichen versehenen Gegenständen zu verlangen. Auch über die Adressaten und den Umfang einer Weitergabe an gewerbliche Abnehmer kann Auskunft verlangt werden. Dieser Anspruch zielt darauf ab, durch Informationsbeschaffung die Quelle der Verletzungshandlung ausfindig zu machen. Der Auskunftsanspruch erfasst die gesamte Produktions- und Absatzkette. Buchstabe d bildet die Grundlage für die Feststellungsklage, wonach der Kläger auch beantragen kann, die Widerrechtlichkeit einer Verletzung sei festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt.

Absatz 2 enthält einen allgemeinen Vorbehalt zugunsten der Schadenersatz-, Genugtuungs- und Gewinnherausgabeklagen nach Obligationenrecht. Das Wappenschutzgesetz regelt die Voraussetzungen für diese Klage nicht,
sondern begnügt sich mit einem allgemeinen Verweis auf die entsprechenden Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 41, 49 und 423 OR). Die Aufzählung ist nicht abschliessend. Es können sich auch Haftungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 OR) oder aus Haftungsbestimmungen anderer Gesetze ergeben.

8641

Art. 21

Klageberechtigung der Verbände und Konsumentenorganisationen

Nach Artikel 21 sind auch die Berufs- und Wirtschaftsverbände zur Klage berechtigt, wenn sie ermächtigt sind, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Die Anliegen des Konsumentenschutzes werden durch das Klagerecht der Konsumentenorganisationen gewahrt. Zur Klage berechtigt sind alle Organisationen, die sich statutengemäss mit Anliegen des Konsumentenschutzes befassen. Der Konsumentenschutz muss wesentliches statutarisches Ziel der Organisation sein.

Art. 22

Klageberechtigung des berechtigten Gemeinwesens

Wie beim Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben (siehe Ziff. 2.1.5) soll auch beim widerrechtlichen Gebrauch von öffentlichen Zeichen eine beschränkte zivilrechtliche Klagebefugnis des betroffenen Gemeinwesens eingeführt werden.

Absatz 1 statuiert den entsprechenden Grundsatz und verweist für die Ansprüche, die von den Behörden geltend gemacht werden können, auf den Artikel 20. Dabei handelt es sich um die verschuldensunabhängigen Ansprüche auf Feststellung eines Rechts bzw. Rechtsverhältnisses sowie auf Unterlassung und Beseitigung einer Rechtsverletzung bzw. Information über die Herkunft von widerrechtlich gekennzeichneten Waren. Auf Antrag der obsiegenden Partei kann das Gericht die Veröffentlichung des Urteils anordnen.

Soweit die Zeichen der Schweizerischen Eidgenossenschaft bzw. öffentliche Zeichen, welche die nationale Ebene betreffen, widerrechtlich gebraucht werden, soll nach Absatz 2 die Klagebefugnis dem IGE zukommen, das nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b IGEG für den Vollzug des vorliegenden Gesetzes zuständig ist. Für Einzelheiten dazu ­ insbesondere zum Verhältnis der Klagebefugnis des IGE zu dessen Aufgaben als Entscheidbehörde bei der Eintragung von Marken, wo im Rahmen der absoluten Ausschlussgründe auch ein allfälliger Verstoss gegen geltendes Recht geprüft wird (Art. 2 Bst. d MSchG) ­ wird auf die Ausführungen zu Artikel 56 E-MSchG verwiesen (Ziff. 2.1.5).

Gemäss Absatz 3 bestimmen die Kantone, welche Stelle bzw. Stellen die Klagebefugnis ausüben können, wenn Wappen, Fahnen, Hoheitszeichen oder amtliche Bezeichnungen betreffend die kantonale oder kommunale Ebene widerrechtlich benützt werden.

Art. 23

Einziehung

Artikel 23 Absatz 1 stellt sicher, dass Gegenstände, die widerrechtlich mit einem öffentlichen Zeichen gekennzeichnet werden, aus dem Verkehr gezogen werden können. Diese Bestimmung stellt sicher, dass neben eigentlichen Waren auch Etiketten, Verpackungen, Werbemittel, Kataloge und andere Gegenstände eingezogen werden können. Als besonders einschneidende Massnahme kann das Gericht die Vernichtung der Gegenstände anordnen. Die Vernichtung dient einerseits der Abschreckung und ist andererseits ein wirksames Mittel, um den Schutz öffentlicher Zeichen konsequent durchzusetzen. Das Gericht wird explizit auch dazu ermächtigt, die Einziehung von vorwiegend der Herstellung widerrechtlicher Gegenstände dienenden Einrichtungen, Geräten und sonstigen Mitteln anzuordnen. Die vorgeschlagene Regelung entspricht den Bestimmungen der anderen immaterialgüterrechtlichen Spezialerlasse.

8642

Absatz 2 räumt dem Gericht ein weites Ermessen ein bei der Entscheidung, was mit den eingezogenen Gegenständen zu geschehen hat. Es hängt vom konkreten Einzelfall ab, welche Massnahme das Gericht schliesslich verfügt. Ziel ist, die beschlagnahmten Gegenstände so zu verändern, dass sie ohne die geschützten öffentlichen Zeichen verwendet werden können. Die Zerstörung der Gegenstände soll dabei in der Regel die Ultima Ratio darstellen.

Art. 24

Einzige kantonale Instanz

In der Vernehmlassung hat eine Reihe von Teilnehmenden vorgeschlagen, für zivile Streitigkeiten nur eine einzige kantonale Instanz vorzusehen. Diesem Anliegen wird mit Artikel 24 vollumfänglich Rechnung getragen. Bereits heute schreibt das Bundesrecht den Kantonen für die Beurteilung der meisten immaterialgüterrechtlichen Klagen eine einzige Instanz vor (vgl. Art. 58 Abs. 3 MSchG, Art. 37 DesG, Art. 64 Abs. 3 URG, Art. 42 des Bundesgesetzes vom 20. März 1975 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen), für Patentrechtsstreitigkeiten sogar eine einzige eidgenössische Instanz (vgl. Botschaft zum Patentgerichtsgesetz vom 7. Dezember 2007107).

Entsprechend den meisten anderen immaterialgüterrechtlichen Erlassen und weil die Spezialmaterie nach einer Konzentration des rechtlichen und fachlichen Wissens bei einem einzigen kantonalen Gericht verlangt, ist deshalb auch im Wappenschutzgesetz nur eine einzige kantonale Instanz vorzusehen. Die ZPO wird entsprechend ergänzt (siehe dazu Ziff. 2.3.7). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist insbesondere auch die Frage der Verwechslungsgefahr für das gesamte Kennzeichenrecht einheitlich zu umschreiben (BGE 4A_101/2007 vom 28. August 2007, sic! 1/2008 S. 52 ff.). Die Grundsätze zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr gelten gemäss dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid auch für Hoheitszeichen.

Art. 25

Vorsorgliche Massnahmen

Im geltenden Wappenschutzgesetz sind in Artikel 16 bereits Bestimmungen über vorsorgliche Massnahmen enthalten. Weil rasches richterliches Eingreifen gerade im Immaterialgüterrecht immer wieder nötig ist, enthalten sämtliche entsprechenden Spezialerlasse Vorschriften über vorsorgliche Massnahmen (Art. 65 URG; Art. 59 MSchG; Art. 38 DesG; Art. 77 PatG). In Angleichung an diese Bestimmungen wird die Formulierung auch im Wappenschutzgesetz entsprechend angepasst. Im Übrigen wird auf die Bestimmungen der ZPO verwiesen (Art. 262 ff. ZPO).

Art. 26

Veröffentlichung des Urteils

Die Veröffentlichung des Urteils nach Artikel 26 ist auch in den übrigen Immaterialgüterrechtserlassen vorgesehen (Art. 66 URG; Art. 60 MSchG; Art. 37 DesG; Art. 70 PatG), weshalb das Wappenschutzgesetz in Angleichung an diese Erlasse ebenfalls eine entsprechende Bestimmung enthält. Das Gericht kann auf Antrag der obsiegenden Partei anordnen, dass das Urteil auf Kosten der anderen Partei veröffentlicht wird. Es bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung. Die Veröffentlichung des Urteils dient der Aufklärung der interessierten Kreise und damit der Rechtssicherheit. Sie dient aber auch der Prävention, insbesondere in Fällen systematisch angelegter Verletzungen oder wenn aufgrund des Verhaltens oder der Uneinsichtigkeit des Verletzers weitere Verstösse zu befürchten sind. Im Sinne einer 107

BBl 2008 455

8643

Generalprävention soll schliesslich mit der Publikation von Urteilen die Öffentlichkeit sensibilisiert werden. Gerade diesem Aspekt kommt bei den öffentlichen Zeichen besondere Bedeutung zu. In der Öffentlichkeit wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass das Gemeinwesen gewillt ist, gegen Verstösse gegen seine Zeichen vorzugehen.

Art. 27

Mitteilung von Entscheiden und Abschreibungsbeschlüssen

Siehe Erläuterungen zur analogen Anpassung von Artikel 54 E-MSchG; Ziffer 2.1.7.4.

2.3.5.2 Art. 28

2. Abschnitt: Strafrechtlicher Schutz Unzulässiger Gebrauch öffentlicher Zeichen

Wie bisher stellt die einfache Verletzung von öffentlichen Zeichen ein Offizialdelikt dar (Art. 28 Abs. 1) und die kantonalen Behörden sind nachdrücklich angehalten, Missbräuche von Amtes wegen zu verfolgen. Eine Auflistung von strafrelevanten Tatbeständen bringt den Willen des Gesetzgebers nach einem verstärkten und verbesserten Schutz der öffentlichen Zeichen zum Ausdruck. Ausdrücklich im Gesetz verankert wird neu auch die Kompetenz des Bundes, durch das IGE Strafanzeige einzureichen (vgl. Erläuterungen zu Art. 31 Abs. 2 und Art. 64 Abs. 3 E-MSchG; Ziff. 2.1.6). Unabhängig davon kann wie bisher auch jedermann Strafanzeige bei den zuständigen kantonalen Behörden einreichen. Wie in anderen Gebieten des Immaterialgüterrechts wird darauf verzichtet, auch die fahrlässige Begehung zu ahnden. Eine derartige Sanktion ginge zu weit; gleichzeitig dürfte die Strafverfolgung Beweisschwierigkeiten mit sich bringen.

Mit Artikel 28 Absatz 2 wird die Strafandrohung bei gewerbsmässiger Verletzung gleich wie in den anderen Erlassen des Immaterialgüterrechts ausgestaltet: Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird die Tat mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Die Höhe der Geldstrafe wird durch das neu im Allgemeinen Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuches (AT-StGB) eingeführte Tagessatzsystem bestimmt. Als Maximalstrafe sind 360 Tagessätze vorgesehen, die einer Geldsumme von 1 080 000 Franken entsprechen, weil nach Absatz 2 von Artikel 34 StGB das Höchstmass eines Tagessatzes 3000 Franken beträgt. Damit wird das Strafrisiko bei einer Widerhandlung im gewerbsmässigen Umfang für die Täter angemessen erhöht, um eine wirksamere Abschreckung zu erzielen. Die vorliegende Revision wird ferner zum Anlass genommen, die Strafbestimmungen an die neue Terminologie des AT-StGB anzupassen. So werden die unterschiedlichen Bezeichnungen für den Freiheitsentzug (Gefängnis und Zuchthaus) durch den Begriff der Freiheitsstrafe ersetzt; auf die Haft wird überdies zugunsten der Geldstrafe verzichtet.

Gemäss Absatz 3 bleibt Artikel 64 E-MSchG betreffend die Strafbarkeit des Gebrauchs von unzutreffenden Herkunftsangaben vorbehalten. Weil die im vorliegenden Gesetz geregelten Zeichen bei entsprechendem Gebrauch als Hinweis auf die geografische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen verstanden werden
können ­ und in diesem Fall als Herkunftsangaben im Sinne der Artikel 47 ff.

MSchG gelten (Art. 13 und 15 Abs. 4) ­, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis 8644

zwischen den Strafbestimmungen von Artikel 64 E-MSchG und Artikel 28. Dabei sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden: ­

Wird ein einem Gemeinwesen vorbehaltenes öffentliches Zeichen (z.B. das Schweizerwappen) durch eine unbefugte Person als zutreffende Herkunftsangabe (d.h. für Waren oder Dienstleistungen aus der Schweiz) verwendet, so ist der Tatbestand von Artikel 64 E-MSchG nicht erfüllt und es gelangt nur Artikel 28 zur Anwendung.

­

Wird ein öffentliches Zeichen (z.B. das Schweizerkreuz) als unzutreffende Herkunftsangabe (d.h. für Waren oder Dienstleistungen, welche die Voraussetzungen nach den Art. 48 ff. E-MSchG nicht erfüllen) verwendet, so erfüllt ein und dieselbe Gebrauchshandlung gleichzeitig die Tatbestände nach den Artikeln 64 E-MSchG und 28 (Idealkonkurrenz). Liegt dabei der Verstoss gegen das Wappenschutzgesetz allein in der Irreführung über die geografische Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen ­ d.h.

wird nicht gleichzeitig z.B. der unzutreffende Anschein erweckt, der Anbieter sei die Eidgenossenschaft oder eines ihrer Unternehmen ­, so ist die Konkurrenz eine unechte: Beide Strafnormen schützen die gleichen Zeichenadressaten vor der gleichen Irreführung, so dass der Täter nach dem Grundsatz der Alternativität nur für ein Delikt bestraft wird (wobei der Strafrahmen nach beiden Vorschriften der gleiche ist).

­

Wird ein einem Gemeinwesen vorbehaltenes öffentliches Zeichen (z.B. das Schweizerwappen) durch eine unbefugte Person als unzutreffende Herkunftsangabe verwendet, so liegt eine echte Konkurrenz vor: In diesem Fall missachtet der Zeichengebrauch einerseits das ausschliessliche Recht des Gemeinwesens auf Benützung seines Wappens, andererseits werden die Konsumentinnen und Konsumenten über die geografische Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen ­ und allenfalls zusätzlich über die «Amtlichkeit» der Person des Anbieters ­ getäuscht. Hier kommt Artikel 49 Absatz 1 StGB zur Anwendung, wonach das Gericht den Täter zur der Strafe der schwersten Straftat verurteilt und die Strafe angemessen erhöht, wobei es jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen darf.

Art. 29

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Artikel 29 verweist für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben durch Untergebene, Beauftragte oder Vertreter auf die Artikel 6 und 7 VStrR. Mit diesem Artikel wird eine Vereinheitlichung der Bestimmungen über Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben erreicht, da verschiedene Immaterialgüterrechtsgesetze bereits eine analoge Bestimmung enthalten (Art. 71 URG, Art. 67 MSchG und Art. 26 UWG). Eine entsprechende Bestimmung soll auch ins Patentgesetz aufgenommen werden (vgl.

Erläuterungen zu Art. 83a E-PatG; Ziff. 2.2.6).

Art. 30

Einziehung

Wie bisher (Art. 16 Abs. 2 WSchG) soll die Einziehung von Gegenständen auch dann möglich sein, wenn das Strafverfahren eingestellt oder durch einen Freispruch erledigt worden ist.

8645

Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass eine angeschuldigte Person mangels Vorsatzes oder mangels Verschuldens freigesprochen wird, der objektive Tatbestand der Verletzung der öffentlichen Zeichen jedoch erfüllt ist. Die Einziehung kann auch verfügt werden, wenn die Gegenstände keine Gefährdung der Sicherheit von Menschen, der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung zur Folge haben.

Die Vernichtung dient der Abschreckung; gleichzeitig ist sie ein wirksames Mittel, um dem Schutz der öffentlichen Zeichen Nachachtung zu verschaffen. Diese Bestimmung stimmt vom Inhalt her weitgehend mit der Regelung im Designrecht überein, ist aber sprachlich überzeugender.

Art. 31

Strafverfolgung

Absatz 1 entspricht dem in Artikel 123 BV verankerten Grundsatz, wonach die Kantone für die Strafverfolgung zuständig sind. Die Bestimmung wiederholt den bereits bis anhin geltenden Grundsatz ausdrücklich.

In Absatz 2 wird ­ wie beim Gebrauch unzutreffender Herkunftsangaben ­ das IGE ausdrücklich ermächtigt, bei der zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörde Anzeige zu erstatten und im Verfahren die Rechte einer Privatklägerschaft wahrzunehmen. Für Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Artikel 64 Absatz 3 E-MSchG (Ziff. 2.1.6) verwiesen.

2.3.6

5. Kapitel: Hilfeleistung der Zollverwaltung

Art. 32 In Übereinstimmung mit den anderen immaterialgüterrechtlichen Erlassen soll die Hilfeleistung der Zollverwaltung explizit festgeschrieben werden. Artikel 32 verweist auf die Bestimmungen über die Hilfeleistung der Zollverwaltung im Markenschutzgesetz. Diese Bestimmungen wurden im Rahmen der Patentgesetzrevision vom 22. Juni 2007 ergänzt und sind auf den 1. Juli 2008 in Kraft getreten. Es kann diesbezüglich auf die entsprechenden Erläuterungen in der Botschaft zur Änderung des Patentgesetzes und zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrags und der Ausführungsverordnung verwiesen werden108.

Die Zollverwaltung soll mit diesen Bestimmungen ermächtigt werden, das betroffene Gemeinwesen auf das Verbringen von Waren oder Gegenständen ins schweizerische Zollgebiet oder aus dem schweizerischen Zollgebiet aufmerksam zu machen, die widerrechtlich mit öffentlichen Zeichen gekennzeichnet sind. Die Rechtsstellung des Gemeinwesens im Kampf gegen die widerrechtliche Benutzung seiner Hoheitszeichen und gegen die unzulässige Verwendung der öffentlichen Zeichen soll damit gestärkt und das Sicherstellen von widerrechtlich gekennzeichneten Waren erleichtert werden. Zu beachten ist allerdings, dass es sich dabei um eine Kann-Vorschrift handelt und die Zollbehörden nicht verpflichtet sind, eine systematische Suche nach verdächtigen Sendungen bzw. eine eigentliche Kontrolle vorzunehmen. Stellt die Zollverwaltung verdächtige Waren beim Verbringen ins schweizerische Zollgebiet oder aus dem Zollgebiet fest, so gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen:

108

BBl 2006 1, Ziff. 1.4.2, 2.4.4.3 bzw. 2.4.2.

8646

1)

Antrag auf Hilfeleistung ist vorhanden (vgl. auch Art. 72 MSchG): Der Antragsteller wird über das Zurückbehalten informiert. Die Ware wird zehn Werktage zurückbehalten, damit der Antragsteller vorsorgliche Massnahmen erwirken kann. Reicht diese Frist nicht, so kann sie auf Gesuch hin um weitere zehn Tage verlängert werden. Können fristgerecht keine vorsorglichen Massnahmen erwirkt werden, so wird die Ware freigegeben.

2)

Antrag auf Hilfeleistung ist nicht vorhanden (vgl. auch Art. 70 MSchG) Die Zollverwaltung ist ermächtigt, das an einem öffentlichen Zeichen berechtigte Gemeinwesen (z.B. das IGE) zu benachrichtigen. Die Ware wird drei Werktage zurückbehalten, damit der Berechtigte einen Antrag auf Hilfeleistung stellen kann. Wird kein Antrag gestellt, so wird die Ware freigegeben. Wird ein Antrag gestellt, so entspricht das weitere Vorgehen demjenigen nach Punkt 1.

Die Zollbehörde kann beispielsweise die Durchfuhr von ausländischen Kuckucksuhren, die mit dem Schweizerwappen gekennzeichnet sind, am Zoll blockieren.

Gleichzeitig wird das IGE über die blockierte Sendung informiert, so dass es beim zuständigen Gericht die notwendigen vorsorglichen Massnahmen beantragen kann.

Die Hilfeleistungen der Zollbehörden sind ein sehr wirksames Mittel, um Waren mit unzulässigen öffentlichen Zeichen aus dem Verkehr zu ziehen, bevor sie überhaupt auf den Markt gelangen. Die Zollhilfemassnahmen bewirken eine klare Aufwertung des Schutzes der öffentlichen Zeichen. Dazu gehört insbesondere auch die Blockierung von Waren im Transit, die von Amtes wegen erfolgt.

Mit Absatz 2 wird die Hilfeleistung der Zollverwaltung entsprechend der zivilrechtlichen Klageberechtigung für alle Marktteilnehmer geöffnet, die in ihren wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt sind. Sie sollen ihre Interessen bereits an der Grenze verteidigen können. Bei missbräuchlicher Verwendung von Zeichen der Schweizerischen Eidgenossenschaft bzw. öffentlichen Zeichen mit nationalem Bezug soll nach Artikel 22 Absatz 2 das IGE klagebefugt sein (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 22 Abs. 2 und insbesondere die Erläuterungen zu 56 E-MSchG; Ziff. 2.1.5). Entsprechend dieser Klagebefugnis ist das IGE für die Eidgenossenschaft auch ausdrücklich ermächtigt, die Hilfeleistung der Zollverwaltung in Anspruch zu nehmen. Auf diese Weise kann es rechtzeitig die notwendigen Vorkehren zur Wahrung der Rechte an den öffentlichen Zeichen der Eidgenossenschaft oder mit diesen verwechselbaren Zeichen treffen und gegen Missbrauchsfälle bereits an der Grenze vorgehen. Indem die Waren bereits am Zoll blockiert werden und gleichzeitig auch ein entsprechendes Strafverfahren eingeleitet werden kann, können Missbräuche unmittelbarer, strenger und wirksamer geahndet werden. Durch das tatsächliche Ergreifen von rechtlichen Sanktionen wird die Abschreckungswirkung zudem erhöht.

8647

2.3.7 Art. 34

6. Kapitel: Schlussbestimmungen Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts

Bundesgesetz vom 5. Juni 1931109 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen Da es sich um eine Totalrevision handelt, welche das bisherige Bundesgesetz vom 5. Juni 1931 zum Schutz öffentlicher Wappen und anderer öffentlicher Zeichen ablöst, kann das bisherige Gesetz aufgehoben werden.

Bundesbeschluss vom 12. Dezember 1889110 betreffend das eidgenössische Wappen Die bisher geltende Definition des Schweizerwappens gemäss diesem Bundesbeschluss wird neu in Artikel 3 dieses Gesetzes aufgenommen. Der entsprechende Bundesbeschluss kann deshalb aufgehoben werden.

Bundesgesetz vom 25. März 1954111 betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes Aufgrund der traditionellen Verbundenheit der Schweiz zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie dadurch, dass das Zeichen des Roten Kreuzes zu Ehren der Schweiz durch Umstellung der Farben des Schweizerkreuzes gebildet wird, besteht eine enge Verwandtschaft dieser beiden Zeichen. Das Zeichen des Roten Kreuzes geniesst als Symbol der humanitären Hilfe absoluten Schutz. Im Hinblick auf die Sicherheit und Glaubwürdigkeit des Zeichens im Falle bewaffneter Konflikte muss es absolut geschützt und den Berechtigten vorbehalten bleiben.

Verboten ist daher auch der Gebrauch aller Nachahmungen des Roten Kreuzes oder der Bezeichnung «Rotes Kreuz» durch Nichtberechtigte. Dieser absolute Schutz beruht sowohl auf einer völkerrechtlichen Verpflichtung als auch auf einem Bundesgesetz. Die völkerrechtliche Verpflichtung ist in den Genfer Abkommen und ihren Zusatzprotokollen festgehalten.

Auf nationaler Ebene regelt das Rotkreuz-Gesetz die Verwendung des Roten Kreuzes auf weissem Grund und der Worte «Rotes Kreuz» und stellt deren Missbrauch unter Strafe. Ein Teil der Bestimmungen ist auch auf die Schutzzeichen des Roten Halbmonds, des Roten Löwen mit Roter Sonne (das Schutzzeichen besteht aus einem roten Löwen mit einer roten Sonne auf weissem Grund) und des Roten Kristalls (das Schutzzeichen besteht aus einem roten Rahmen in der Form eines auf der Spitze stehenden Quadrats auf weissem Grund) anwendbar. Das Gesetz verbietet neben dem Gebrauch auch die Eintragung dieser Zeichen als Firma, Marke, Design sowie jede Verwendung von Zeichen, die mit dem Namen oder dem Zeichen des Roten Kreuzes verwechselt werden können. So darf
beispielsweise das Schweizerkreuz gemäss der heutigen wie auch der zukünftigen Regelung in der Werbung für medizinische oder mit Medizin assoziierte Tätigkeiten gebraucht werden. Diese gestützt auf die Wappenschutzgesetzgebung zulässige Verwendung wird nun aber durch das Rotkreuz-Gesetz eingeschränkt. Die Werbung mit dem Schweizerkreuz für medizinische Dienstleistungen oder medizinische Produkte kann in einem konkreten Fall zu einer Verwechslung mit dem Roten Kreuz führen, weshalb sie gestützt auf das Rotkreuz-Gesetz verboten werden kann. Die Genfer Abkommen setzen den 109 110 111

AS 48 1 AS 11 334 SR 232.22

8648

Standard für die Verwendung des Schweizer Kreuzes, welcher auch von der nationalen Gesetzgebung, das heisst vom Wappenschutzgesetz eingehalten werden muss.

Eine Revision des Gesetzes, welche eine liberalere Nutzung des Schweizerkreuzes als die vom Abkommen vorgesehene zulassen würde, wäre völkerrechtlich unzulässig. Die Genfer Abkommen wie auch das Rotkreuz-Gesetz schränken den Gebrauch des Schweizerkreuzes also ein. Aufgrund des Vorrangs des Völkerrechts vor dem Landesrecht ist die nationale Gesetzgebung abkommenskonform auszugestalten.

In diesem Zusammenhang stellt sich deshalb die Frage, wie das Abgrenzungsproblem zwischen den beiden Zeichen gelöst werden kann. Eine Anpassung der Genfer Abkommen bzw. des Rotkreuz-Gesetzes ist nicht realistisch: Die Genfer Abkommen schützen nicht primär die Interessen der Schweiz an ihrem Hoheitszeichen, sondern das Zeichen des Roten Kreuzes vor missbräuchlicher Verwendung im Rahmen der Genfer Konventionen. Eine Anpassung und somit eine Änderung des vom Genfer Abkommens gewährten Schutzes des Zeichens des Roten Kreuzes aus wirtschaftlichen Interessen der Schweiz liesse sich kaum vertreten und auch nicht durchführen. Die übrigen Mitgliedländer der Genfer Abkommen würden zu einer solchen ­ durch schweizerische Partikulärinteressen am Schweizerkreuz motivierte ­ Anpassung kaum Hand bieten. Eine Anpassung des Wappenschutzgesetzes könnte den Gebrauch des Schweizerkreuzes beispielsweise für bestimmte Kategorien von Waren und Dienstleistungen ausschliessen. Hier stellt sich allerdings das nächste Abgrenzungsproblem: Wie würden diese Kategorien bestimmt bzw. welche Waren und Dienstleistungen müssten vom Gebrauch ausgenommen werden? Die Beurteilung des Einzelfalles durch das zuständige Gericht ­ gestützt auf eine völkerrechtskonforme Auslegung des Wappenschutzgesetzes ­ scheint hier die sachgerechte Lösung zu sein, da bei der Beurteilung einer möglichen Verwechslungsgefahr auf die Gesamtumstände, die zur Verwechslung führen können, abgestellt werden muss (Gesamteindruck, beanspruchte Waren und Dienstleistungen, ergänzende Elemente etc.).

Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Mit Artikel 7 werden die Absätze 1 und 2 zu einer Bestimmung vereint und sprachlich an
die Regelung von Artikel 14 Absatz 1 E-WSchG angeglichen. Materiellrechtlich ergibt sich kein Unterschied zur bisherigen Regelung. Die Änderung soll bewirken, dass in allen Erlassen, die den Schutz von besonders geregelten Kennzeichen zum Gegenstand haben, die gleiche Terminologie verwendet wird.

Die vorgeschlagene Änderung von Artikel 8 Absatz 1 des Rotkreuz-Gesetzes dient der Anpassung an die neue Terminologie von Artikel 333 Absätze 2­6 des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13. Dezember 2002. Gleichzeitig werden die Strafsanktionen den Sanktionen des Wappenschutzgesetzes angeglichen. Leichte Fälle oder die fahrlässige Begehung sollen weiterhin mit einer Busse geahndet werden.

Bundesgesetz vom 15. Dezember 1961112 zum Schutz von Namen und Zeichen der Organisation der Vereinten Nationen und anderer zwischenstaatlicher Organisationen Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

112

SR 232.23

8649

Die Angabe «Nachahmung dieser Kennzeichen» in den Artikeln 1 Absatz 2, 2 Absatz 2, 3 Absatz 2 und 7 Absatz 1 soll durch die Formulierung «Zeichen, die mit diesen Kennzeichen verwechselt werden können» ersetzt werden. Damit wird in allen Erlassen, die den Schutz von besonders geregelten Kennzeichen zum Gegenstand haben, die gleiche Terminologie verwendet. Materiell ergibt sich keine Änderung, da der bisherige Begriff «Nachahmung» mit «Verwechselbarkeit» gleichgesetzt worden ist: Die Botschaft zum UNO-Gesetz113 hält betreffend Artikel 7 fest, dass diese Vorschrift aus dem Bundesgesetz zum Schutz des Zeichens und des Namens der Weltgesundheitsorganisation (dem Vorläufer des UNO-Gesetzes) übernommen worden ist; in Letzterem wurde noch von Verwechselbarkeit gesprochen. Die Unsicherheiten, die in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Zeichen als Marken aufgetreten sind, sollen mit dieser grösseren Transparenz beseitigt werden. So soll eine Schutzverweigerung auch dann ausgesprochen werden können, wenn lediglich ein Bestandteil der Marke als Nachahmung eines geschützten Emblems gemäss UNO-Gesetz betrachtet wird. Nur so können diese Embleme wirksam vor verwechselbaren Zeichen geschützt werden.

Mit den Änderungen von Artikel 4 Absätze 1 und 3 erhält das IGE die Kompetenz das Publikationsorgan zu bestimmen. Mit der vorgeschlagenen Lösung kann das IGE im Bereich der Publikation den neuesten technischen Entwicklungen und den damit verbundenen Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung tragen. Es eröffnet sich dabei auch die Möglichkeit einer Veröffentlichung auf elektronischem Weg. Die Regelung fügt sich zudem nahtlos ein in die Bestrebungen der WIPO, die nach Artikel 6ter PVÜ geschützten Zeichen den Mitgliedstaaten in Zukunft nur noch elektronisch zuzustellen (vgl. WIPO-Dokument SCT/19/5 vom 22. April 2008).

Gleichzeitig steht sie in engem Zusammenhang mit dem zu schaffenden Verzeichnis der geschützten öffentlichen Zeichen wie es in Artikel 18 E-WSchG vorgesehen ist.

Die vorgeschlagene Änderung von Artikel 7 Absatz 1 dient der Anpassung an die neue Terminologie von Artikel 333 Absätze 2­6 des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13. Dezember 2002. Gleichzeitig werden die Strafsanktionen den Sanktionen des Wappenschutzgesetzes angeglichen. Leichte Fälle oder
die fahrlässige Begehung sollen weiterhin mit einer Busse geahndet werden.

Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008114 Die ZPO schreibt den Kantonen für die Beurteilung immaterialgüterrechtlicher Klagen eine einzige Instanz vor (vgl. Art. 58 Abs. 3 MSchG, Art. 37 DesG, Art. 64 Abs. 3 URG, Art. 42 Sortenschutzgesetz). Da der Schutz hoheitlicher Zeichen nicht den Schutz geistigen Eigentums zum Gegenstand hat, sondern diese Zeichen unter bestimmten Voraussetzungen davon ausschliesst, Gegenstand solchen Schutzes zu werden (BGE 4A_101/2007 vom 28. August 2007 sic! 1/2008 S. 52 ff.), muss Artikel 5 ZPO entsprechend ergänzt werden. Damit ist sichergestellt, dass für Streitigkeiten über hoheitliche Zeichen ebenfalls nur eine einzige Instanz zuständig sein soll und nicht vorgängig ein Schlichtungsverfahren nach ZPO durchgeführt werden muss. Die Änderung der ZPO soll zudem durch zwei eng mit dem Wappenschutzgesetz verwandte Materien ­ das Rotkreuz- und das UNO-Gesetz ­ ergänzt werden.

Wie das Wappenschutzgesetz regeln diese Gesetze den Schutz von bestimmten 113 114

BBl 1961 I 1338 SR ...; BBl 2009 21

8650

Kennzeichen (Zeichen des Roten Kreuzes; UNO-Zeichen), weshalb auch für diese beiden Gesetze die gleichen Grundsätze für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zur Anwendung kommen. Die Frage der Verwechslungsgefahr soll für das gesamte Kennzeichenrecht einheitlich umschrieben werden. Artikel 5 Buchstabe i ZPO sieht deshalb für die Beurteilung von Klagen nach den drei erwähnten Gesetzen eine einzige kantonale Instanz vor.

Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 1953115 Der Ingress verweist noch auf die alte BV. Er wird deshalb angepasst, um den Verweis auf die Bestimmungen der BV vom 18. April 1999 aufzunehmen.

Art. 3 Abs. 2 Die bestehende Definition der Schweizer Flagge zur See bleibt in Bezug auf die Form und die Grössenverhältnisse unverändert. Die Definition erfährt einzig in Bezug auf die Farbe Rot eine Ergänzung, indem der Farbton definiert wird.

Art. 35

Weiterbenutzung

Mit Artikel 35 Absatz 1 soll allfälligen Härtefällen begegnet werden, die sich aus dem Verbot für den Gebrauch der Wappen ergeben können. Wappen, die bisher rechtmässig gebraucht wurden (so beispielsweise in der Werbung oder in Prospekten für Schweizer Produkte), deren Gebrauch aber nach den neuen Bestimmungen unzulässig ist, dürfen noch während längstens zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes weiterbenützt werden. Der Vorentwurf sah eine Frist von fünf Jahren vor, die in der Vernehmlassung als zu lang kritisiert wurde. Unter Berücksichtigung der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens und des Umstands, dass die von dieser Ausnahmebestimmung angesprochenen Personen bereits im Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft des Bundesrates die nötigen Schritte für einen allfälligen Antrag auf Weiterbenützung gemäss Absatz 2 prüfen können, wird die Frist auf zwei Jahre verkürzt. Nach Ablauf dieser Frist wird der bisher gestattete Gebrauch unzulässig und kann entsprechend sanktioniert werden (siehe Art. 28 E-WSchG).

Absatz 2 sieht vor, dass das EJPD bei Vorliegen von besonderen Umständen auf begründeten Antrag hin die Weiterbenützung für das Schweizerwappen gestatten kann. In der Vernehmlassung wurden teilweise Bedenken am Monopol der Eidgenossenschaft zum Gebrauch des Schweizerwappens geäussert. Es wurde geltend gemacht, dass Ausnahmen vorzusehen seien für traditionelle Schweizer Unternehmen (z.B. Firma Victorinox AG und Touring Club der Schweiz) oder Vereine (Schweizer Alpen-Club und Swiss Snowsports Association), die das Schweizer Wappen oder ein wappenähnliches Zeichen bereits seit vielen Jahren rechtmässig für Dienstleistungen und unrechtmässig für Waren benutzen und deren Zeichen sich beim Publikum als Kennzeichen durchgesetzt haben. Absatz 2 trägt in ausgewogener Weise sowohl den berechtigten Anliegen der Eidgenossenschaft als auch den Interessen von Schweizer Traditionsunternehmen Rechnung. Ein traditionelles Schweizer Unternehmen, welches das Schweizerwappen oder ein damit verwechselbares Zeichen als Kennzeichen im bisherigen Rahmen weiterverwenden will, muss das Weiterbenützungsrecht beim EJPD mit einem entsprechenden Antrag geltend machen. Das EJPD ist ermächtigt, diese Weiterbenützung des Schweizerwappens unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen (vgl. Abs. 3) zu gestat115

SR 747.30

8651

ten. Der Antrag mit dem Nachweis der besonderen Umstände muss spätestens innerhalb von zwei Jahren seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geltend gemacht werden (die Zweijahresfrist entspricht der Weiterbenützungsfrist nach Abs. 1). Nach Ablauf dieser Frist kann das Vorliegen besonderer Umstände nicht mehr geltend gemacht und das entsprechende Zeichen nicht mehr weitergebraucht werden.

Besondere Umstände nach Absatz 3 liegen vor, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Einerseits muss nachgewiesen werden, dass das Wappen der Eidgenossenschaft oder ein damit verwechselbares Zeichen vom betreffenden Unternehmen seit mindestens dreissig Jahren ununterbrochen und unangefochten als Kennzeichen für von ihr hergestellte Waren oder angebotene Dienstleistungen verwendet worden ist. Diese Bedingung lehnt sich an die Voraussetzungen zur ausserordentlichen Ersitzung von Grundstücken an (Art. 662 ZGB). Zusätzlich hat das Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse an der Weiterbenützung darzulegen.

So sind die Gründe aufzuzeigen, weshalb ein Benutzungsverzicht mit unverhältnismässigen Nachteilen verbunden wäre. Sind diese gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt, kann ein traditionelles Schweizer Unternehmen, ein Verein oder eine Stiftung das Schweizerwappen als Kennzeichen zeitlich unbegrenzt weiterführen.

Damit ist es denkbar, dass ein Unternehmen wie Victorinox sein wappenähnliches Zeichen weiterhin auf seiner gegenwärtigen und zukünftigen Warenkollektion anbringt, wenn es sich um Schweizer Waren handelt. Eine Ausdehnung des Zeichengebrauchs auf Dienstleistungen wäre jedoch nicht zulässig. Das Gleiche gilt sinngemäss für ein Dienstleistungsunternehmen: Es dürfte gegebenenfalls das Zeichen für die von ihm erbrachten Dienstleistungen weiterbenützen, die Verwendung aber nicht plötzlich auf neu von ihm hergestellte Waren ausdehnen. Ebenfalls in diesem Umfang ist die Hinterlegung des bis anhin gebrauchten Zeichens als Marke für Waren oder Dienstleistungen möglich. Die Weiterbenützung auf Antrag wird bewusst an strenge Voraussetzungen geknüpft: Ein Ziel der Vorlage, nämlich dass das Schweizerwappen in Zukunft grundsätzlich dem berechtigten Gemeinwesen vorbehalten bleibt, darf dadurch nicht in Frage gestellt werden.

Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wird es für Private nicht mehr möglich sein,
Dienstleitungsmarken mit einem Wappen ins Markenregister eintragen zu lassen.

Absatz 4 gewährt deshalb im Sinne eines Bestandsschutzes ein zeitlich unbegrenztes Weiterbenützungsrecht an gutgläubig eingetragenen oder vor dem 18. November 2009 hinterlegten Dienstleistungsmarken. Damit ein Markeninhaber seine unter dem alten Recht rechtmässig eingetragene oder vor dem 18. November 2009 hinterlegte Dienstleistungsmarke auch weiterhin benützen kann, muss er innerhalb der Weiterbenützungsfrist von zwei Jahren seit Inkrafttreten dieses Gesetzes den Antrag auf Weiterbenützung stellen.

Die Marke verleiht ihrem Inhaber das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, zu gebrauchen und darüber zu verfügen (Art. 13 MSchG; vgl. beispielsweise BGE 128 III 146 E. 2.bb). Sie verleiht dem Inhaber jedoch gegenüber dem Staat keinen Anspruch auf Benützung des Zeichens. Der Inhaber muss bei der Benützung in jedem Fall die bestehende Rechtsordnung respektieren (z.B. lebensmittel- und heilmittelrechtliche Vorschriften). Er kann sich dieser Verpflichtung nicht durch die Berufung auf die Markeneintragung entziehen; mit der Registrierung wird also kein wohlerworbener Besitzstand geschaffen. Vielmehr trägt der Zeicheninhaber das Risiko, dass sich die Rechtslage nachträglich wieder ändert und die Marke nicht mehr gebraucht werden kann.

8652

Für die Wappen der Kantone, Bezirke und Gemeinden kann die dafür zuständige kantonale Behörde auf Antrag hin die Weiterbenützung gestatten. Unter dem Aspekt der Gemeindeautonomie und des Selbstbestimmungsrechts der Kantone sollen die Kantone selber über die Weiterbenützung ihrer Wappen entscheiden können. Das kantonale Recht bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Weiterbenützung von kantonalen Hoheitszeichen möglich sein soll (Abs. 5).

Gemäss Absatz 6 darf die Weiterbenützung der Wappen oder eines damit verwechselbaren Zeichens als Kennzeichen nicht zu einer Täuschung über die geografische Herkunft der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen oder über die Nationalität des Benutzers, des Geschäfts, der Firma, des Vereins, der Stiftung oder über geschäftliche Verhältnisse des Benutzers, wie namentlich über angebliche amtliche Beziehungen zur Eidgenossenschaft oder zu einem Kanton, führen. Das Kennzeichen darf deshalb nur für Waren und Dienstleistungen verwendet werden, die den Anforderungen an die schweizerische Herkunft im Sinne der Artikel 47­50 MSchG genügen. Das weiterbenutzte Kennzeichen darf also nur auf Waren angebracht werden, die tatsächlich in der Schweiz hergestellt werden. Auch darf das Kennzeichen nicht den Anschein erwecken, beim Unternehmen handle es sich um eine Behörde oder das Unternehmen nehme eine amtliche Tätigkeit wahr.

Art. 36

Bisher nicht eingetragene Kennzeichenrechte

Diese Bestimmung betrifft Eintragungsgesuche von Marken und Designs die nach bisherigem Recht, nicht aber nach neuem Recht von der Eintragung ausgeschlossen sind. Wird beispielsweise vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eine Marke für Waren hinterlegt, die als Bestandteil das Schweizerkreuz enthält, müsste diese nach dem noch geltenden Recht zurückgewiesen werden. Ist aber der Hinterleger dieser Marke einverstanden, dass als Tag der Hinterlegung der Tag des Inkrafttretens des neuen Gesetzes gelten soll, so kann das Gesuch unter dem neuen Recht geprüft werden. Da neu das Schweizerkreuz als Bestandteil von Warenmarken zulässig ist, kann das Gesuch gutgeheissen und die Marke eingetragen werden. Für diese vor dem Inkrafttreten des neuen Wappenschutzgesetzes hinterlegten Marken soll einheitlich der Tag des Inkrafttretens als Hinterlegungsdatum gelten. Das IGE wird solche Gesuche ab dem Tag entgegennehmen, an dem der Bundesrat die Inkraftsetzung des WSchG beschliesst.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die vorgeschlagenen Änderungen sind ganz überwiegend von der beim Bund für das Immaterialgüterrecht zuständigen Behörde, dem IGE, zu vollziehen. So soll das neu zu schaffende Register für geografische Angaben für Produkte ­ ausgenommen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, Wein ebenso wie waldwirtschaftliche Produkte und verarbeitete waldwirtschaftliche Erzeugnisse ­ vom IGE errichtet und geführt werden. Das Prüfungs- und Eintragungsverfahren für die neu geschaffenen geografischen Marken sowie das Löschungsverfahren wegen Nichtgebrauchs einer Marke fallen ebenfalls in den Aufgabenbereich des IGE. Auch die für die Durchsetzung der Herkunftsangabe «Schweiz» sowie der öffentlichen Zeichen des Bundes zusätzlich vorgesehenen 8653

Massnahmen (Einreichen von Strafanzeigen bzw. Erhebung von Zivilklagen) sollen vom IGE getroffen werden. Der Aufwand, der dem IGE aufgrund dieser zusätzlichen Aufgaben erwächst, soll durch entsprechende Registergebühren und subsidiär aus anderen Einnahmen des IGE finanziert werden. Da das IGE betriebswirtschaftlich autonom ist (vgl. Art. 1 IGEG), hat die Vorlage insoweit keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt.

Die ausgebauten Zollhilfemassnahmen führen bei der Zollverwaltung zu einem gewissen Mehraufwand. Der Mehraufwand für die Zollbehörden, der diesen insgesamt aus dem Ausbau der Massnahmen an der Grenze zum Schutze von Immaterialgüterrechten erwächst, wurde schon mit einer globalen Erhöhung um 8­10 Stellen im Rahmen der Revision des Patentgesetzes und der im Anhang zu dieser Revision ebenfalls angepassten weiteren Immaterialgüterrechtserlasse (MSchG, DesG, URG und ToG) berücksichtigt116. Damit ist auch der Mehraufwand abgedeckt, der beim Zoll aufgrund der Swissness-Revision entsteht. Die Vorlage hat also auch unter diesem Aspekt und somit insgesamt keinerlei personelle, finanzielle oder organisatorische Auswirkungen auf den Bund.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Vorlage bringt für die Kantone keine zusätzlichen Belastungen. Bereits heute sind sie für die Strafverfolgung betreffend den Gebrauch von unzutreffenden Herkunftsangaben zuständig. Gestützt auf die präziseren Bestimmungen wird ihnen die Strafverfolgung künftig erleichtert. In den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes besteht die Möglichkeit, dass betroffene Unternehmen für die Weiterbenutzung von (nunmehr grundsätzlich den entsprechenden Gemeinwesen vorbehaltenen) Wappen der Kantone, Bezirke, Kreise und Gemeinden entsprechende Anträge einreichen (vgl. Erläuterungen zu Art. 35 Abs. 5 E-WSchG).

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.3.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns

Konsumentinnen und Konsumenten sind weltweit bereit, für Produkte mehr auszugeben, wenn diese die Bezeichnung «Swiss made» oder das Schweizer Kreuz tragen. Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten geben beispielsweise im Durchschnitt pro Kilo Geflügelfleisch 4.50 Franken mehr aus, wenn sie davon ausgehen können, dass dieses Fleisch aus der Schweiz stammt. Und drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer sind bereit, für Schweizer Äpfel 30 % mehr zu

116

Botschaft Patentgesetz, BBl 2006 1, S. 136. Die zusätzlichen Stellen sind im Budget 2008 und in der Planung 2009­2011 berücksichtigt.

8654

bezahlen als für solche aus dem Ausland117. Grund für diese erhöhte Zahlungsbereitschaft ist der gute Ruf der Bezeichnung «Schweiz». Dieser wird in erster Linie mit qualitativ hochstehenden Produkten und Dienstleistungen, aber auch mit weiteren positiven Assoziationen wie Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit, Stabilität, landschaftlicher Schönheit, Sauberkeit oder Sicherheit verbunden118. Es sind also die Reputation der Bezeichnung «Schweiz» und die positiven Eigenschaften, die man mit der Schweiz sowie Schweizer Produkten und Dienstleistungen verbindet119, die dazu führen, dass sich mit der Schweiz assoziierte Erzeugnisse besser verkaufen lassen120.

Reputation ist ein Gut, das nur schwierig und über lange Zeit aufzubauen ist. Dieses Gut kann seinen Wert aber sehr schnell verlieren, z.B. durch Trittbrettfahrer. Ist kein Verlass mehr darauf, dass dort, wo «Schweiz» drauf steht, auch tatsächlich «Schweiz» drinsteckt, so sind die Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr bereit, für Produkte oder Dienstleistungen mit dem Label «Schweiz» mehr Geld auszugeben. Der wirtschaftliche Mehrwert, der sich mit dem Label «Schweiz» lösen lässt, nimmt rasch ab.

117

Conradin Bolliger/Sophie Réviron, Consumer Willingness to Pay for Swiss Chicken Meat: An In-store Survey to Link Stated and Revealed Buying Behaviour, Paper presented at 12th European Association of Agricultural Economists (EAAE) Congress, August 26­30, Gent, Belgium 2008. Ähnliche Resultate lieferten Studien zu Äpfeln und Erdbeeren. Siehe dazu Conradin Bolliger, Produktherkunft Schweiz: Schweizer Inlandkonsumenten und ihre Assoziationen mit und Präferenzen für heimische Agrarerzeugnisse, Tagungsband der 18. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie, 2008 sowie Gruppe Agrar-, Lebensmittel- und Umweltökonomie am Institut für Umweltentscheidungen, Les consommateurs choisissent leurs fruits, in: Info Agrar Wirtschaft, Newsletter der Gruppe Agrar-, Lebensmittel- und Umweltökonomie des Interdepartementalen Instituts für Umweltentscheidungen ETH, Zürich 2008, Nr. 3, S. 3.

118 Vgl. dazu auch die Aussage von Simon Anhold, Autor des «Nation Brand Index» und britischer Regierungsberater: «Der Ruf der Schweiz für Wohlstand, Diskretion, Effizienz, Rechtschaffenheit, Neutralität und Verlässlichkeit ist eines der stärksten und positivsten Markenbilder der Welt. Der Wert, den es den Schweizer Exporten, dem Schweizer Tourismus und fast jeder aktiven Beziehung zwischen der Schweiz und dem Rest der Welt hinzufügt, liegt jenseits jeder Berechnung», in: Peter Leuenberger, Swissness Worldwide, Apunto, Mitgliederzeitschrift Angestellte Schweiz, 2009, Nr. 1, S. 11.

119 Siehe dazu Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 14 ff. Für eine um die Erläuterung der Notwendigkeit der Swissness-Vorlage ergänzte Zusammenfassung vgl. Stefan Feige/Sven Reinecke/Felix Addor, Das Kreuz mit dem Kreuz, Marketing mit der Schweizer Herkunft, in: IO New Management 2009, Nr. 3, S. 18 ff.

120 Vgl. z.B. die Berichterstattung zur drohenden Verlagerung der Produktion beim Audiotechnologie-Unternehmen Studer in Regensdorf: «Die speziell auf Kundenwünsche zugeschnittenen Studer-Anlagen könnten nicht einfach mit den in China gefertigten Serienfabrikaten von Soundcraft gleichgesetzt werden, so der allgemeine Tenor. Vom Label «Swiss Made», das für Studer
nicht genug hoch eingeschätzt werden könne, sei danach nichts mehr übrig, sagte Ineichen.», in: Tagesanzeiger Online, 15.10.2009. In einem anderen Interview äussert sich Nationalrat Otto Ineichen: «Im Gespräch mit verschiedenen Abnehmern von Studer-Produkten habe ich festgestellt, dass der Faktor eine entscheidende Rolle beim Kaufentscheid spielt. Ich schätze, dass Studer bis zu 80 Prozent seiner Aufträge aufgrund dieses Swissness-Faktors erhält.», in: NZZ, 15.10.2009, S. 17.

8655

Ökonomisch gesehen sind die Bezeichnung «Schweiz» sowie das Schweizerkreuz121 immaterielle öffentliche Güter. Ihre Verwendung durch eine natürliche oder juristische Person schliesst die Verwendung durch eine andere Person für ein ähnliches oder ein anderes Produkt nicht aus. Gleichzeitig verringert sich der Nutzen aus der Bezeichnung «Schweiz» für ein in der Schweiz produzierendes Unternehmen nicht dadurch, dass ein anderes Unternehmen dieselbe Herkunftsbezeichnung verwendet.

Allerdings kann eine missbräuchliche Verwendung durch einen Marktteilnehmer den Gesamtnutzen aller berechtigten Unternehmen verringern. Die Reputation und somit der Wert der Bezeichnung «Schweiz»122 sinken in diesem Fall, was für alle Nutzerinnen und Nutzer der Bezeichnung negativ zu Buche schlägt. Für Produzenten und Dienstleistungserbringer lohnt sich die Investition von beträchtlichen Ressourcen in den Aufbau der herkunftsbezogenen Qualität und Sicherheit ihrer Güter daher nur, wenn die Gefahr vor Trittbrettfahrern bzw. einer Aushöhlung des Werts der Herkunftsbezeichnung nachhaltig eingedämmt wird.

Konsumentinnen und Konsumenten können die Qualität von Produkten und Dienstleistungen ohne eine verlässliche Auslobung vor ihrem Kaufentscheid nur ungenügend einschätzen und von der Qualität von Konkurrenzprodukten unterscheiden.

Aufgrund dieser Informationsasymmetrie gegenüber den Produzenten entstehen für sie zusätzliche Kosten, wenn die Reputation des Labels «Schweiz» als zuverlässiger Indikator für hochstehende Güter und Dienstleistungen in Frage gestellt ist. Wenn sie sicher sein wollen, dass sie die gewünschte Qualität an Gütern bekommen, steigt ihr Suchaufwand in Form von Zeit, Energie und Geld beträchtlich an.

Aus dem Charakter von Herkunftsangaben als öffentliches Gut ergibt sich eine Notwendigkeit staatlichen Handelns, damit die beschriebenen negativen Effekte vermieden werden. Die im vorliegenden Revisionspaket vorgeschlagenen Regeln haben zum Ziel, dem negativen Zusammenhang von Reputations- und Vertrauensverlust und dem damit einhergehenden volkswirtschaftlichen Schaden vermehrt Anreize für Investitionen in Qualität und Authentizität von Schweizer Produkten und Dienstleistungen und damit letztlich Anreize für die Erhaltung und Stärkung des Standorts Schweiz entgegenzusetzen.

Weil heute (wie auch in Zukunft)
von einem administrativen «Swissness»-Bewilligungsverfahren bewusst abgesehen wird, gibt es keine genauen Zahlen darüber, wie viele Unternehmen die «Swissness» heute (recht- oder unrechtmässig) brauchen und wie viele dies inskünftig tun möchten. Indikatoren dafür gibt es aber sehr wohl. Eine Umfrage von 2005 unter den Mitgliedern des Markenartikelverbandes Promarca hat beispielsweise ergeben, dass über die Hälfte der antwortenden Unternehmen die Marke «Schweiz» als Co-Brand verwendet und 40 % dies in den nächsten fünf

121

Auch wenn im Folgenden meist von der Bezeichnung «Schweiz» und dem Schweizerkreuz die Rede ist, so gelten die Aussagen generell für alle geografischen Herkunftsangaben und entsprechenden Hoheitszeichen, also beispielsweise auch für «St. Galler Stickereien», «Saucisson vaudois», «Formaggio d'alpe ticinese», Uhren «Genève» oder «Walliser Roggenbrot».

122 Das Label «Schweiz» stellt einen signifikanten Wertfaktor dar. In einer Studie der Universität St. Gallen sind 85 % der befragten Vertreter von Markenartikelherstellern in der Schweiz der Meinung, dass die Assoziation eines Produkts oder einer Dienstleistung mit der Schweiz einen Vorteil darstellt, vgl. Torsten Tomczak/Joachim Kernstock/Nicole Schubiger, Internationalisierung Schweizer Marken, St. Gallen 2002, S. 34.

8656

Jahren noch stärker tun wollen123. Zudem gibt es weitere Indizien, wonach die Zahl der Betriebe, die bewusst auf «Swissness» setzen, im Steigen begriffen ist. So ist nicht nur bei Grossunternehmen zu beobachten, dass immer häufiger die Produktion wieder in die Schweiz zurückverlagert wird124. Das steigende Interesse an der «Swissness» zeigt sich auch darin, dass sich die Zahl der Neuanmeldungen von Marken mit dem Co-Brand «Swiss» zwischen 1995 und 2008 mehr als vervierfacht hat. In einer ähnlichen Grössenordnung bewegt sich die Zahl der Fälle von «Swissness»-Verletzungen, die jährlich vom IGE bearbeitet werden. Auch sie sind ein Indikator für die wachsende Zahl von Trittbrettfahrern und haben sich seit 2003 mehr als verdoppelt.125

3.3.2

Massnahmen und ihre Wirkung im Überblick

Das Schweizerkreuz ist das mit grossem Abstand bekannteste Erkennungsmerkmal für ein Produkt aus der Schweiz126. Daher ist das neue Wappenschutzgesetz aus ökonomischer Sicht ein äusserst wichtiger Baustein der «Swissness»-Vorlage. Es erlaubt neu das Schweizerkreuz unter denselben Voraussetzungen zu nutzen wie die Herkunftsbezeichnung «Swiss». Damit wird es möglich, das Schweizerkreuz als Herkunftsbezeichnung nicht nur für Dienstleistungen, sondern für alle Schweizer Produkte einzusetzen und sogar als Bestandteil einer Marke zu schützen.

Dies ist insbesondere für diejenigen Produzenten wichtig, die bereits heute ­ wenn auch entgegen der geltenden Rechtslage ­ das Schweizerkreuz als Co-Brand nutzen.

Das über diesen Unternehmen schwebende Damoklesschwert wird mit dem neuen Wappenschutzgesetz entfernt, was denjenigen Unternehmen Rechtssicherheit gibt, welche die Nutzungsvoraussetzungen für die «Swissness» erfüllen.

Auf der anderen Seite soll das Schweizerwappen grundsätzlich den staatlichen Behörden vorbehalten sein. Um jedoch Markeninhaber wie z.B. den Touring Club Schweiz oder den Schweizer Alpen-Club, die das Wappen oder wappenähnliche Zeichen seit Langem als Teil ihres Marktauftritts verwenden, durch die neue Regelung nicht zu benachteiligen, wird für diese ­ auf entsprechenden Antrag ­ eine Weiterbenutzungsmöglichkeit vorgesehen. Allerdings dürfen auch sie das Wappen

123

Vgl. Marco Casanova, Die Marke Schweiz ­ Gefangen in der Mythosfalle zwischen Heidi und Willhelm Tell: Aktuelle Herausforderung im Zusammehang mit der Verwendung der Marke Schweiz als Co-Branding-Partner, in: Arndt Florack/Martin Scarabis/Ernst Primosch (Hrsg.), Psychologie der Markenführung, Vahlen, München 2007, S. 541 ff.

124 Vgl. z.B. Steffen Kinkel, Warum Firmen die Produktion in die Heimat zurückverlagern, in: IO New Management 2009, Nr. 3, S. 8 ff.

125 In absoluten Grössen nimmt die Zahl aktiver Wortmarken mit dem Zusatz «Schweiz», «Swiss», etc. von 635 am 31.08.1994 über 1253 am 31.08.1999 und 3098 am 31.08.2008 bis zu 5463 am 31.08.2009 um mehr als das Achteinhalbfache zu, was ein dreieinhalb Mal schnelleres Wachstum darstellt als dasjenige des gesamten Markenbestandes in diesem Zeitraum (Recherche im Schweizer Markenregister SwissReg vom 8. Oktober 2009).

126 Drei Viertel der Befragten in einer in 66 Ländern durchgeführten Studie antworteten, dass das Schweizerkreuz bzw. die Landesfahne dasjenige Merkmal sei, an dem sie ein Schweizer Produkt oder eine Schweizer Dienstleistung als solche erkennen. Auf dem zweiten Rang folgen die Bezeichnungen «Swiss made» bzw. «Made in Switzerland». Zudem werden Motive wie das Matterhorn oder das Edelweiss ebenfalls mit der Schweiz in Verbindung gebracht, vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 56.

8657

oder ein wappenähnliches Zeichen nur für Produkte und Dienstleistungen schweizerischer Herkunft weiterbenutzen.

Die ökonomische Bedeutung der Revision des Markenschutzgesetzes liegt insbesondere in zwei Bereichen: erstens in der erhöhten Rechtssicherheit, welche die Präzisierung der Kriterien für die Nutzung einer Herkunftsbezeichnung mit sich bringt, und zweitens in der mit diversen Mitteln erreichten vereinfachten Rechtsdurchsetzung im Ausland.

Das revidierte Gesetz gibt (im Gegensatz zum Status quo127) detailliert Auskunft darüber, welche Produktionsschritte und/oder Rohstoffe bei der Bestimmung der Herkunft in welchem Ausmass berücksichtigt werden. Es zeigt interessierten Unternehmen also klar den rechtlich erlaubten Rahmen auf, in dem sie das «Swissness»Label einsetzen dürfen. Ziel ist es, die «Swissness»-Prämie, d.h. den Teil des Umsatzes, der auf die Verwendung der Herkunftsbezeichnung «Schweiz» zurückzuführen ist, langfristig zu erhalten und sowohl Konsumentinnen und Konsumenten vor Missbrauch zu schützen als auch eine missbräuchliche Verwendung zu sanktionieren.

Die neue Regelung lässt angemessenen Raum für das Verständnis der massgebenden Verkehrskreise128 und gewährleistet den richterlichen Ermessensspielraum im Einzelfall. Für Unternehmen, die nicht alle Gebrauchskriterien erfüllen können oder wollen, besteht neu die Möglichkeit, ein Produkt statt mit «Swiss» beispielsweise mit «Swiss Design» oder «Swiss Engineering» zu kennzeichnen, wenn nur das Design oder das Engineering in der Schweiz erfolgen (vgl. Erläuterungen zu Art. 47 Abs. 3ter E-MSchG; Ziff. 2.1.2.1). Zudem besteht weiterhin die Möglichkeit, eine massgeschneiderte, industrie- und branchennahe Lösung für die Konkretisierung einer schweizerischen Herkunftsbezeichnung zu finden, indem der Bundesrat auf Antrag und aufgrund des Vorprojekts einer Branche eine für diese spezifische Verordnung erlassen kann. (vgl. Erläuterungen zu Art. 50 E-MSchG; Ziff. 2.1.2.4) Eine solche Verordnung liegt heute einzig für die Uhrenbranche vor.

Eine weitere Massnahme, die die Rechtssicherheit und Transparenz erhöht ­ und somit insgesamt Kosten reduziert ­, ist die Möglichkeit, auch geografische Angaben für nicht landwirtschaftliche Produkte in ein Register für geografische Angaben eintragen zu lassen. In die gleiche Richtung zielt die Massnahme,
geografische Angaben unter besonderen Voraussetzungen als geografische Marke eintragen zu lassen und dadurch einen international registrier- und durchsetzbaren Schutztitel zu erlangen.

Vor allem die beiden letztgenannten Instrumente (Register für geografische Angaben und geografische Marke) ermöglichen eine Vereinfachung der Durchsetzung von geografischen Angaben und insbesondere der Marke «Schweiz» im In- und Ausland. Aufgrund des Territorialitätsprinzips kann schweizerisches Recht im Ausland nicht angewendet werden. Die konkreten Erfolgsaussichten der Durchsetzungsmassnahmen sind deshalb einerseits abhängig von den völkerrechtlichen 127 128

Vgl. die Ausführungen in Ziffer 1.1 dieser Botschaft.

Vgl. z.B. die Ausnahme, wonach ein Produkt auch ohne Erfüllung der entsprechenden Kriterien mit «Swiss» bezeichnet werden darf, falls ein Produzent nachweist, dass die verwendete Herkunftsangabe dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht (vgl. Erläuterungen zu Art. 48d Bst. b E-MSchG; Ziff. 2.1.2.2) oder die Ausnahmen für eingetragene geschützte Herkunftsbezeichnungen (vgl. Erläuterungen zu Art. 48d Bst. a E-MSchG; Ziff. 2.1.2.2).

8658

Vereinbarungen der Schweiz mit dem jeweiligen Land. Andererseits ist massgeblich, wie das entsprechende ausländische Recht Herkunftsangaben schützt und wie zuverlässig die zuständigen rechtsanwendenden Behörden diesen Schutz sowie die relevanten Bestimmungen des internationalen Rechts durchsetzen. Gerade hier spielt die positive Signalwirkung einer klaren Regelung in der Schweiz und einer entsprechenden Durchsetzungspolitik im Ausland eine massgebliche Rolle.

Die Regulierungsmassnahmen haben keine negativen (insbesondere keine protektionistisch gefärbten) Signalwirkungen für das Ausland. Während die schweizerischen Herkunftsangaben den Kriterien der Artikel 48 und 49 E-MSchG unterliegen, unterstehen die ausländischen Herkunftsangaben der Gesetzgebung des betreffenden Staates, solange die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz nicht irregeführt werden. Auf diese Weise bestimmt jeder Staat, stets innerhalb seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen, wie streng die Kriterien für seine Herkunftsangaben festgelegt werden sollen, je nachdem, welchen Wert er ihnen beimisst.

3.3.3

Auswirkungen auf einzelne gesellschaftliche Gruppen

Schweizer Produzenten von Naturprodukten und verarbeiteten Naturerzeugnissen Bei Naturprodukten (d.h. insb. im Landwirtschaftssektor) ändert sich nicht viel, da im Wesentlichen die neuen Bestimmungen aus der bereits bestehenden Verordnung vom 23. November 2005 über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln übernommen werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 48a E-MSchG; Ziff.

2.1.2.2). Vom Erfordernis, dass ein Naturprodukt vollständig am Herkunftsort gewachsen sein muss, wurde bewusst Abstand genommen, da es sich in der Vernehmlassung als der ökonomischen Realität nicht entsprechend erwiesen hat.

Für verarbeitete Naturerzeugnisse (d.h. insbesondere für Lebensmittel) wird als wichtiges (aber nicht ausschliessliches) Kriterium verlangt, dass mindestens 80 % des Gewichts der verwendeten Rohstoffe aus der Schweiz stammen müssen (vgl.

Erläuterungen zu Art. 48b E-MSchG; Ziff. 2.1.2.2). Dieses Kriterium hat gegenüber der Vorgabe eines festen Wertanteils den Vorteil, dass Schwankungen bei den Rohstoffpreisen nicht zur Folge haben, dass ein Produkt je nach Marktsituation auf den Rohstoffmärkten einmal mit «Swiss» ausgelobt werden darf, ein andermal aber nicht. Um diese Gewichtsvorgabe für Produzenten umsetzbar zu machen, sollen Naturprodukte, die in der Schweiz nicht hergestellt werden können (Kakao, Kaffeebohnen, aber auch Südfrüchte, gewisse pflanzliche Fette und Erdöl etc.), und Rohstoffe, die temporär nicht verfügbar sind (etwa wegen eines Ernteausfalls durch Unwetter), von der 80 %-Regel ausgenommen werden. Hierzulande nicht in genügender Menge vorhandene Rohstoffe können ebenfalls von der 80 %-Regel ausgenommen werden, wenn ihre ungenügende Verfügbarkeit mittels einer Branchenverordnung des Bundesrats belegt ist. Es ist zu erwarten, dass aufgrund der Neuregelung bei gewissen einheimischen Rohstoffen die Preise aufgrund erhöhter Nachfrage zunächst steigen werden. Dies schafft für die Landwirtschaft einen An-

8659

reiz, die Anbaufläche zu erhöhen, was mittelfristig wieder zu fallenden Preisen führen wird129.

Im Lebensmittelsektor ist zu erwarten, dass für diverse Produkte, die heute mit der Bezeichnung «Schweiz» versehen sind, in Zukunft grössere Anstrengungen unternommen werden müssen, damit diese Herkunftsangabe weiterhin geführt werden darf. Die Schätzungen in der Branche selbst sind sehr widersprüchlich, und repräsentative Angaben daher nicht möglich. Es steht jedoch fest, dass einige Produkte bereits unter geltendem Recht auf die Bezeichnung «Swiss» verzichten müssten, würde dieses konsequent durchgesetzt130.

Die positive Abhebung mittels eines Schweizer Herkunftszeichens ist insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, aber auch bei den verarbeiteten Naturprodukten ein Faktor, der dazu beiträgt, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese positiv behafteten Bezeichnungen sind ein Mittel, um im Zuge eines allfälligen Agrarabkommens mit der EU oder weiterer Liberalisierungen des Agrarhandels im Rahmen der laufenden WTO-Verhandlungen der zunehmenden regionalen und globalen Konkurrenz begegnen zu können.

Naturprodukte sowie verarbeitete Naturprodukte machen allerdings nur einen kleinen, wenn auch für einen Teil der Bevölkerung bedeutenden Anteil des Schweizer Bruttoinlandproduktes aus131. Die vorgesehenen Regulierungsmassnahmen werden sich also überwiegend durch wirtschaftliche Auswirkungen bei Industrieprodukten und Dienstleistungen bemerkbar machen.

Schweizer Produzenten von Industrieprodukten Produzenten von Industrieprodukten, deren Waren mit der Schweizer Herkunft ausgelobt werden sollen, müssen neu dafür sorgen, dass mindestens 60 % der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Dabei werden neben den Produktionskosten neu auch die Kosten für Forschung und Entwicklung berücksichtigt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Schweiz insbesondere ein wichtiger Innovationsstandort ist132. Wie bei den verarbeiteten Naturerzeugnissen werden auch bei den Industrieprodukten u.a. Rohstoffe, die in der Schweiz nicht produziert werden (z.B. Metalle, Edelmetalle, Erdöl, Baumwolle, etc.), von dieser Berechnung ausgenommen.

Den Unternehmen mit forschungsintensiven Produkten wird die Erhöhung des Kriteriums um 10 % gegenüber dem Status quo dank dem Einbezug der Forschungs-

129

Vgl. dazu auch Hanspeter Schneider, «Wir würden auch 80 % schaffen», in: Alimenta, Fachzeitschrift für die Lebensmittelwirtschaft, 2009, Nr. 10, S. 24 f.

130 Vgl. z.B. die Liste der nur Swissness vorgaukelnden Produkte der Stiftung für Konsumentenschutz (http://www.konsumentenschutz.ch/files/pdfs/downloads/ 09_08_produktlisteswissness_august_.pdf) 131 Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei und Fischzucht, Herstellung von Nahrungsund Genussmitteln sowie Be- und Verarbeitung von Holz (NOGA 1­5, 15, 16, 20) machten 2007 etwa 3,6 % des Schweizer Bruttoinlandproduktes aus, vgl. BFS, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.

132 Gemäss dem European Innovation Scoreboard 2008 der EU führt die Schweiz die Rangliste der innovativsten Länder Europas an, gefolgt von den Skandinavischen Staaten, vgl.

European Innovation Scoreboard 2008, ProInnoEurope, Innometrics (Hrsg.), 2009.

8660

und Entwicklungskosten keine Probleme bereiten133. Sie werden ihre «Swissness»Palette tendenziell sogar erweitern können. Unternehmen, für die die Erhöhung trotz den vorgesehenen Ausnahmen mit als zu hoch empfundenen Kosten verbunden ist, steht die Möglichkeit offen, von Bezeichnungen wie «Swiss design» oder «Swiss engineering», die sich jeweils auf einen vollumfänglich am angegebenen Ort erfolgten Teilbereich des Produktionsprozesses beziehen, Gebrauch zu machen. (vgl.

Erläuterungen zu Art 47 Abs. 3ter E-MSchG; Ziff. 2.1.2.1).

Ein zentraler wirtschaftlicher Vorteil der Gesetzesrevision ist schliesslich die Möglichkeit, neu für Schweizer Produkte ­ analog zu Dienstleistungen ­ das Schweizerkreuz als Co-Brand verwenden zu können.

Ausländische Produzenten Produzenten können die Bezeichnung «Schweiz» bzw. das Schweizerkreuz bei Einhalten der entsprechenden Kriterien unabhängig davon verwenden, ob es sich um ausländische oder inländische Unternehmen handelt. Für beide kann dies ein Anreiz sein, Produktions- und Forschungstätigkeiten in die Schweiz zu verlagern bzw. dort zu belassen.

Dienstleistungserbringer Für Dienstleistungserbringer gilt, dass sich die Herkunft ihrer Produkte nach ihrem Geschäftssitz bestimmt. Ausserdem muss sich auch ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz befinden. Die neue Regelung will verhindern, dass reine «Briefkastenfirmen» vom Mehrwert der «Swissness» profitieren können. Diese Wirkung ist unter dem Aspekt der Sicherung der Reputation von Schweizer Herkunftsangaben erwünscht.

Der Dienstleistungssektor gewinnt volkswirtschaftlich laufend an Gewicht134.

Gerade in diesem Sektor hat sich in letzter Zeit gezeigt, wie fragil der Ruf der «Swissness» ist (z.B. Swissair-Grounding, Auswirkungen der Finanzkrise und der neuen OECD-Steuerstandards auf den Bankensektor) und wie wichtig es ist, schnellstmöglich wieder zu einem hervorragenden Qualitätsniveau zu gelangen, um den angekratzten Ruf nicht nur der eigenen Dienstleistung bzw. der entsprechenden

133

Zu den forschungsintensivsten Branchen zählen u.a. Chemie/Pharma, Metall/Maschinen, sowie die Nahrungsmittelindustrie. Diese Branchen (NOGA 15­16, 23­25, 27­34, 72­73) erwirtschaften immerhin rund 20 % der Schweizer Wertschöpfung, vgl. BFS, Indikatoren Wissenschaft und Technologie, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.

134 Vgl. z.B. Arbeitsmarktindikatoren 2008, BFS, 2008, Neuenburg, S. 12: «Zwischen 2002 und 2007 setzte sich im Arbeitsmarkt die Tertiärisierung (d.h. der Trend zum Dienstleistungssektor) fort, da der Dienstleistungssektor als Motor für das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum wirkte».

8661

Branche, sondern auch des Labels «Schweiz» wiederherzustellen und das Kundenvertrauen zurückzugewinnen135.

Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) KMU stellen etwa zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der Schweiz136. In einem zunehmend internationalen Umfeld werden Absatzmärkte ausserhalb der Schweiz immer wichtiger137. Für die KMU, die oft als Nischenplayer agieren, kann es in diesem Wettbewerbsumfeld zunehmend bedeutsam werden, ihren sich aus besonderen Qualitätsmerkmalen sowie aus der Schweizer Herkunft ergebenden Wettbewerbsvorteil zu konsolidieren bzw. auszubauen. Dabei ist die Möglichkeit, mit der schweizerischen Herkunftsbezeichnung international entsprechende Signale auszusenden, von grosser wirtschaftlicher Bedeutung. So ist beispielsweise die Verwendung der Bezeichnung «St. Galler Stickerei» und somit deren Reputation für viele Ostschweizer Textilbetriebe eine unabdingbare Voraussetzung für das Überleben im internationalen Textilmarkt.

Gerade für KMU ist es wichtig, neben den Vorteilen, die sich aus der «Swissness»Auslobung ergeben, auch allfällige auf sie zukommende Lasten abzuschätzen. Da wie bisher von einem amtlichen Bewilligungs- oder Lizenzierungsverfahren für das Führen des «Swissness»-Labels abgesehen wird, werden sich die Kosten für Unternehmen, die eine betriebsinterne Abklärung der «Swissness»-Tauglichkeit ihrer Produkte oder Dienstleistungen durchführen wollen, in der gleichen Grössenordnung bewegen wie unter den bisherigen Regeln. In einer Übergangsphase kann es bei komplexen Produktionsprozessen zu einer einmaligen Mehrbelastung kommen, die dadurch resultieren kann, dass verschiedene Unternehmen die neuen «Swissness»Regeln zum Anlass nehmen könnten, ihren aktuellen Marktauftritt zu überdenken und neu zu definieren138. Ansonsten gilt für KMU bezüglich der Auswirkungen der

135

Dass der Schweiz diese Rückkehr kurzfristig in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit gut gelungen ist, zeigt ihr Vorstossen auf den ersten Rang in der aktuellen Ausgabe des Global Competitiveness Report des World Economic Forums, vgl. Klaus Schwab, The Global Competitiveness Report 2009­2010, World Economic Forum, Geneva 2009. Andere Massnahmen rund um den Brand «Schweiz», wie beispielsweise die vorliegende Gesetzesreform, dürften ihrerseits mittel- und langfristig eine wichtige Rolle zum Erhalt der Reputation der Marke «Schweiz» spielen; sie werden denn auch bereits entsprechend gewürdigt: «Jon Cox, an analyst at Kepler Capital Markets, said promoting the Swiss brand would set the country up well for a recovery. he said», in: New York Times, 25./26. Juli, 2009.

136 Franz Jaeger et al., KMU-Landschaft im Wandel, Eine Studie anhand der Betriebszählungen 1998, 2001 und 2005, Neuenburg, BFS, 2008.

137 Gemäss einer Studie der Schweizerischen Nationalbank wachsen rund 70 % der befragten Schweizer KMU stärker oder deutlich stärker im Export als auf dem Binnenmarkt, vgl.

Thomas Kübler, Exportorientierte KMU ­ Herausforderungen beim Aufbau neuer Märkte, in: Quartalsheft der SNB 2008, Nr.1, S. 44 f.

138 Die Handelskammer des Kantons Waadt hat 2008 im Auftrag des KMU-Forums des Bundes eine Liste mit der Zusammensetzung von neun Produkten (acht Industrieprodukte und ein verarbeitetes Naturprodukt) zusammengestellt, die unter zollrechtlichen Regeln ein Schweizer Ursprungszertifikat erhalten. Von diesen Produkten können unter dem geltenden Marken- und Wappenschutzgesetz wahrscheinlich (auf der Basis der aus der Zusammenstellung der Handelskammer ersichtlichen Angaben) vier rechtlich korrekt mit ihrer Schweizer Herkunft ausgelobt werden. Daran ändert sich voraussichtlich unter dem neuen Marken- und Wappenschutzgesetz nichts.

8662

neuen Kriterien dasselbe wie oben in den Abschnitten zu den Produzenten von verarbeiteten Naturprodukten bzw. Industrieprodukten dargelegt wird139.

Um die allfälligen Umstellungskosten für KMU möglichst tief zu halten, bereitet das IGE, gestützt auf seinen Informationsauftrag, für KMU flankierende Massnahmen mit diversen öffentlichkeitswirksamen Aktionen vor, die ab Mitte 2010 durchgeführt werden sollen140. Einzelpersonen und Unternehmen können sich für unentgeltliche Erstauskünfte direkt an das IGE wenden141.

Konsumentinnen und Konsumenten Wenn sich Konsumentinnen und Konsumenten für Qualitätsprodukte schweizerischer Herkunft entscheiden, so sind sie in der Regel bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen142. Zuverlässige und möglichst einheitliche Informationen über die Herkunft und Qualität des Produkts, die sich aus der Verwendung der Bezeichnung «Schweiz» sowie des Schweizerkreuzes ergeben, sind somit vor allem auch in ihrem Interesse143.

3.3.4

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Stärkung der Attraktivität des Produktionsstandortes Schweiz Das Engagement von Schweizer Unternehmen im Ausland ist steigend. So arbeiteten 2006 mehr als 2,1 Millionen Personen in ausländischen Tochterunternehmen von Schweizer Firmen144. Die vorgeschlagenen Regulierungsmassnahmen zur Werterhaltung der Marke «Schweiz» schaffen für heimische Firmen Anreize, die dazu beitragen können, wieder vermehrt in den Standort Schweiz zu investieren145. So ist es denkbar, dass die revidierten Bestimmungen einzelnen Unternehmen, die heute

139 140 141

142

143

144 145

Für eine Zusammenstellung der Kosten und Nutzen siehe Ziffer 3.3.4 dieser Botschaft.

Siehe https://www.ige.ch/institut/institut/projekte-kooperationen/projekt-kmu-ip.html.

Telefonisch: Info- und Swissness-Hotline: 031 377 77 77; per Email: info@ipi.ch resp.

kmu@ipi.ch; schriftlich: Institut für Geistiges Eigentum, Contact Center, Stauffacherstrasse 65/59g, 3003 Bern.

So zeigen beispielsweise die Resultate von zwei Untersuchungen der ETH zum Verhalten von Konsumenten beim Geflügelfleisch- bzw. Apfelkauf, dass «rund 85 % der Konsumenten zu gleichem Preis ein Schweizer Produkt vorziehen», vgl. Conradin Bolliger, Produktherkunft Schweiz, Schweizer Inlandkonsumenten und ihre Assoziationen mit und Präferenzen für heimische Agrarerzeugnisse, Tagungsband der 18. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie, 2008.

Eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des BLW hat 2003 ergeben, dass eine Mehrheit der Befragten erwartet, «dass ein Produkt, das ein Schweizer Herkunftszeichen trägt, zu 100 % aus der Schweiz stammen muss», BLW, Agrarbericht 2003, Bern 2003, S. 146. In einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahre 2007 erwarten über 80 % der Befragten, dass Nahrungsmittel in der Schweiz unter strengeren Anforderungen produziert werden als im Ausland, BLW, Herkunft von Landwirtschaftprodukten 2007, Bern 2007. In derselben Umfrage antworteten über 50 % der Befragten, dass sie bereit seien, für Äpfel, Milch, Fleisch oder Eier zum Teil bis zu mehr als das Doppelte zu bezahlen, wenn diese in der Schweiz produziert werden (Frage 4).

Vgl. Schweizerische Nationalbank, Entwicklung der Direktinvestitionen 2006, SNB, Zürich 2008.

Vgl. z.B. Steffen Kinkel, Warum Firmen die Produktion in die Heimat zurückverlagern, in: IO New Management 2009, Nr. 3, S. 8­12.

8663

von der «Swissness» noch wenig Gebrauch machen146, einen Anreiz bieten, einen ausreichenden Produktionsanteil in die Schweiz zu verlagern oder zurückzuverlagern, um die Herkunftsbezeichnung «Schweiz» als Marketinginstrument einsetzen zu können.

Entscheidender dürfte dieser Effekt allerdings für Schweizer Firmen sein, die darüber nachdenken, ihre Produktion aus der Schweiz ins Ausland zu verlegen, für die aber gleichzeitig die Bezeichnung «Schweiz» oder die Verwendung des Schweizerkreuzes bereits heute ein wichtiges Verkaufselement ist (vgl. Abbildung). Hier wird mit der Gesetzesrevision ein Anreiz geboten, wesentliche Teile der Produktion bzw.

den Firmensitz in der Schweiz zu belassen und vermehrt auf Schweizer anstelle von ausländischen Rohstoffen zurückzugreifen147. In diesem Sinne sind die vorgesehenen Massnahmen der Schweizer Binnenproduktion förderlich.

Abbildung Stärken und Schwächen von Schweizer Produkten im internationalen Vergleich148 Zuverlässigkeit 1. Schweiz (ø 4.15) 2. Deutschland (ø 4.11) 3. Japan (ø 3.69) 4. USA 5. China Tradition

(ø 3.05) (ø 2.05)

Int. Spitzenqualität

1. Schweiz (ø 3.94) 1. Deutschland (ø 4.22) 2. Deutschland (ø 3.85) 2. Schweiz (ø 4.19) 3. Japan (ø 3.19) 3. Japan (ø 4.01) 4. USA (ø 2.52) 4. USA (ø 3.29) 5. China (ø 2.25) 5. China (ø 2.23)

Exklusivität 1. Schweiz (ø 4.08) 2. Deutschland (ø 3.46) 3. Japan (ø 2.95) 4. USA 5. China

(ø 2.75) (ø 1.90)

Im Trend 1. Japan 2. USA

Preisgünstig

(ø 4.05) 1. China (ø 3.80) 2. Japan

(ø 4.16) (ø 3.48)

Innovativ 1. Japan (ø 4.28) 2. Deutschland (ø 3.79)

3. Deutschland (ø 3.26) 3. USA (ø 3.33) 4. Schweiz (ø 3.05) 4. Deutschland (ø 2.91)

3. USA 4. Schweiz

(ø 3.54) (ø 3.37)

5. China

5. China

(ø 2.60)

(ø 2.79) 5. Schweiz

(ø 2.33)

Int. Respekt 1. Deutschland (ø 4.15)

5 = stimme voll zu 1 = stimme gar nicht zu

2. Schweiz 3. Japan

(ø 4.09) (ø 3.95)

4. USA 5. China

(ø 3.35) (ø 2.32)

5 = stimme voll zu 1 = stimme gar nicht zu

Zusammenstellung der zu erwartenden Kosten und Nutzen Eine Quantifizierung der Kosten und Nutzen der Vorlage ist nur beschränkt möglich.

Zum in Zahlen fassbaren Nutzen der Vorlage gehört in erster Linie der Erhalt der «Swissness»-Reputationsprämie, sowohl im Inland als auch auf den Exportmärkten.

Gemäss einer länderübergreifenden Studie aus dem Jahr 2008 sind Konsumentinnen 146

Z.B. solche in der Chemie- und Pharmabranche, aus dem Maschinen- und Anlagebau sowie aus der IT- und z.T. der Modebranche, vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 36 f.

147 In der jährlichen KMU-Umfrage des BFS haben 48 % der KMU geantwortet, sie könnten sich vorstellen, aus verschiedensten Gründen ganz oder teilweise ins Ausland zu dislozieren, vgl. Franz Jaeger et al., KMU-Landschaft im Wandel, Eine Studie anhand der Betriebszählungen 1998, 2001 und 2005, Neuenburg, BFS, 2008.

148 Quelle: Vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 32, Abb. 18.

8664

und Konsumenten bereit, für ausgewählte Konsumgüter wie Uhren, Schmuck oder Käse mit dem Label «Schweiz» rund 20 % mehr zu bezahlen149. Am Beispiel der schweizerischen Uhrenindustrie, die im Jahr 2008 für 17 Milliarden Franken Uhren exportierte, ergäbe dies für 2008 einen Mehrwert von 3­3,5 Milliarden Franken. Die analoge Rechnung zum Jahr 2008 ergibt für die Schmuckindustrie bei Exporten in der Höhe von 4,8 Milliarden Franken einen auf die Schweizer Herkunftsbezeichnung zurückzuführenden Mehrwert von 960 Millionen, für die Schokoladenindustrie einen solchen von knapp 200 Millionen Franken bei einem Exportvolumen im Jahr 2008 von knapp einer Milliarde Franken150. Allein schon für diese drei Branchen, die gemäss der erwähnten Studie der Universität St.Gallen vom 20 %-Reputationsmehrwert profitieren, ergibt sich also für 2008 ein «Swissness»-Bonus von rund 4,6 Milliarden Franken.

Eine ähnliche Rechnung ist möglich mit Daten der Schweizerischen Vereinigung der AOC-IGP. Sie beziffert aufgrund verschiedener Studien den «Swissness»-Bonus, den Schweizer Produkte, die als Appellation d'Origine Contrôlée (AOC) oder als Indication Géographique Protégée (IGP) registriert sind, im In- und Ausland erzielen, auf aktuell ebenfalls rund 20 %. Bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Franken ergibt dies einen aktuellen Mehrwert von 200 Millionen151.

Aber auch für andere Branchen, die (noch) weniger direkt mit der Schweiz in Verbindung gebracht werden, sind «Swissness»-Reputationsprämien möglich, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen mit den Eigenschaften anbieten, welche die Konsumentinnen und Konsumenten Schweizer Produkten und Dienstleistungen zuschreiben. Beispielsweise veranschlagt die genannte Studie der Universität St. Gallen für die Schweizer Maschinenindustrie eine «Swissness»-Reputationsprämie von ein bis zwei Prozent des Umsatzes152. Addiert man diese weiteren rund 1,2 Milliarden Franken (d.h. 1,5 % von 80 Milliarden Franken aus Maschinenindustrie-Exporten im Jahr 2008 gemäss Swissmem) zu obigem Wert, so erhält man allein für die genannten vier Branchen bereits einen «Swissness»-Bonus in der Grössenordnung von einem Prozent des Bruttoinlandproduktes. Ziel der vorliegenden Vorlage ist es, die

149

Vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 57. Bei den drei in diesem Abschnitt erwähnten Konsumgüterbranchen ist gemäss der Studie die Bedeutung des Herkunftslandes und die Verbindung mit der Schweiz sehr hoch (vgl. Abb. 25, S. 39).

150 Für die Exportgrössen vgl. die Aussenhandelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung (Swiss-Impex-Datenbank).

151 Bei einem mittelfristigen Verlust der Reputation des Schweiz-Labels auf die Hälfte schätzt die AOC-IGP Vereinigung, dass neben der halben «Swissness»-Prämie von 100 Millionen zusätzlich der Exportumsatz um die Hälfte, d.h. in Höhe von 200 Millionen sowie der Inlandumsatz um 20 % (120 Millionen) zurückgingen. Diese ergäben jährliche Kosten (ohne diejenigen bei den nachgelagerten Handelsstufen) für die Produzenten von AOC-IGP-Gütern von rund 420 Millionen Franken, die dank der «Swissness»Vorlage vermieden werden können. Umgekehrt schätzt die AOC-IGP Vereinigung, dass sich der Gesamtabsatz bei gegenüber heute strengeren Gebrauchsvoraussetzungen um rund 20 % steigern liesse, was einer Zunahme ihres Umsatzes um rund 200 Millionen entspräche.

152 Vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/Urs Jaermann/Sven Reinecke, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 57.

8665

in den jeweiligen Branchen aktuell realisierbaren «Swissness»-Reputationsprämien langfristig zu halten153.

Die Vorlage ist so konzipiert, dass sie der Wirtschaft so wenig Kosten wie möglich verursacht. Dies gilt speziell für administrative Belastungen. Bewusst wird deshalb auf von verschiedenen Seiten vorgeschlagene zentralisierte Verwaltungsmodelle verzichtet, z.B. auf eine «Garantiemarke Schweiz», die vom Bund oder von einer von diesem speziell zu schaffenden Stiftung verwaltet würde154. Bei einem solchen Modell wäre ­ analog zu anderen im Marketing verbreiteten Labels ­ ein mit zusätzlichen Kosten und administrativem Aufwand verbundenes Lizenzierungsverfahren nicht zu vermeiden. Es gilt also wie bisher, dass für die Verwendung des «Swissness»-Labels weder eine amtliche noch sonst eine Bescheinigung oder Bewilligung notwendig ist.

Es können, wie bereits in Ziffer 3.3.3 beschrieben, für bestimmte Produkte zusätzliche Anstrengungen nötig werden, um die neuen Kriterien zu erreichen. Als Alternative bietet sich an, auf präzisierende «Swissness»-Bezeichnungen wie «Swiss design», «Swiss engineering» oder «Hergestellt in der Schweiz» zu wechseln, wodurch ein drohender Verlust an «Swissness»-Prämie zu einem grossen Teil verhindert werden kann.

Übersicht über die voraussichtlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Vorlage Auswirkungen mit Vorlage Voraussichtlich negative Auswirkungen Voraussichtlich positive Auswirkungen Allenfalls anfallende zusätzliche Kosten für die Überprüfung oder Neudefinition des eigenen Markenauftritts aus Anlass der neuen «Swissness»-Regeln.

Erhalt der Reputation der Marke «Schweiz» und somit der «Swissness»-Reputationsprämie für alle in der Schweiz produzierenden bzw. Rohstoffe beziehenden bzw. Dienstleistungen erbringenden Unternehmen.

Entgangene «Swissness»-Reputationsprämie bei Produkten, die die neuen Kriterien nicht erfüllen (diese Nachteile werden abgeschwächt durch die Möglichkeit, ohne «Swissness»-Auflagen global und damit günstiger produzieren zu können).

Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld insbesondere für KMU und Nischenanbieter, welche die Marke «Schweiz» nutzen können.

Kosten der Anstrengungen, die nötig sind, um die neuen (strengeren) Kriterien bei Produkten zu erreichen, die nach den neuen Regeln nicht mehr «Swissness»-konform sind (z.B. Produktionsstandortveränderungen, Wechsel gewisser Zulieferer und/oder Rohstofflieferanten).

Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere in traditionellen sowie regional verankerten Tätigkeiten, in der Produktion von Naturprodukten (Landwirtschaft) und in der Forschung und Entwicklung.

153

Auch wenn es Stimmen gibt, die davon ausgehen, dass gerade in Zeiten der Rezession der Wert der «Swissness» noch Potenzial nach oben habe, vgl. z.B. Dominique von Matt, Chef der Werbeagentur Jung von Matt/Limmat: «The Swiss reputation for reliability, quality and precision have even more value now than before the recession», in: «Made in Switzerland» brand retains its appeal, swissinfo.ch, 12.06.2009, so ist zu erwarten, dass der aktuelle Höchstwert von 20 % «Swissness»-Bonus, der in einzelnen ausgewählten Branchen erreicht werden kann, nur in seltenen Fällen noch übertroffen werden kann.

154 Vgl. Ziffer 3.3.5 dieser Botschaft.

8666

Auswirkungen mit Vorlage Voraussichtlich negative Auswirkungen Voraussichtlich positive Auswirkungen Vereinfachte Durchsetzung der «Swissness» gegenüber Trittbrettfahrern im Ausland u.a.

dank des Registers für geografische Angaben und der Möglichkeit, in der Schweiz eine geografische Marke schützen und diesen Rechtstitel anschliessend durch den entsprechenden Branchenverband international registrieren und durchsetzen zu können.

Möglichkeit der Einschränkung der «Swissness» auf vollumfänglich in der Schweiz ausgeführte Teilschritte wie «Swiss design», «Swiss engineering».

Möglichkeit, neu das Schweizer Kreuz zur gewerbsmässigen Kennzeichnung auch auf Produkten, welche die «Swissness»-Regeln erfüllen, anzubringen.

Auswirkungen ohne Vorlage Voraussichtlich negative Auswirkungen Voraussichtlich positive Auswirkungen Weiterhin keine Möglichkeit, das Schweizer Kreuz zur gewerbsmässigen Kennzeichnung von Produkten legal zu benutzen, selbst wenn die entsprechenden Produkte vollumfänglich in der Schweiz hergestellt wurden.

Ein allfälliger administrativer Abklärungsund Umstellungsaufwand bzgl. des eigenen Marktauftritts entfällt.

Auf Grund der grösseren Sensibilisierung der interessierten Kreise wird die Unzufriedenheit über die geltenden «Swissness»-Regeln zunehmen. Als Folge davon droht u.a. eine konsequentere Durchsetzung des Verbots des gewerbsmässigen Gebrauchs des Schweizer Kreuzes.

«Swissness»-Reputationsprämie kann erzielen, wer 50 % der Herstellungskosten sowie den wesentlichen Fabrikationsschritt in der Schweiz vornimmt (= geltende Regelung).

Drohende Reduktion der Reputation der Marke «Schweiz» aufgrund von Trittbrettfahrern.

Drohende Reduktion der «Swissness»Reputationsprämie für Unternehmen, die sich zum Standort Schweiz bekennen: Sinkende Wettbewerbsfähigkeit und evtl. Verlust bzw.

Auslagerung von Arbeitsplätzen.

Fortdauernde Schwierigkeiten bei der Schutzerlangung bzw. der Durchsetzung der «Swissness» gegenüber Trittbrettfahrern im Ausland.

Negative Signalwirkung für das Ausland: Die Schweiz ist nicht fähig, die Reputation ihres eigenen Namens nachhaltig zu sichern.

8667

Auswirkungen auf den Wettbewerb Die vorgesehenen Massnahmen zur Verstärkung des Schutzes von Schweizer Herkunftsangaben und öffentlichen Zeichen stellen keinen unzulässigen Wettbewerbseingriff dar. Die Märkte bleiben für den Produktwettbewerb im gleichen Umfang wie heute offen. Verschiedene Produzenten können weiterhin ähnliche Produkte unter einer jeweils anderen Bezeichnung (Marke), aber der gleichen geographischen Herkunftsangabe verkaufen. Zudem hindert ein verstärkter Herkunftsschutz diejenigen Hersteller, die die Voraussetzungen für eine bestimmte Herkunftsbezeichnung nicht erfüllen, keineswegs daran, ihre eigenen Produkte herzustellen und Dienstleistungen anzubieten. Er verbietet ihnen lediglich, sie mit einer im konkreten Fall unzutreffenden Herkunftsbezeichnung auszuloben.

Auch die Einführung der neuen geografischen Marke nach den Artikeln 27a ff.

E-MSchG hat keine unzulässigen Auswirkungen auf den Wettbewerb. Sie dient einzig dem besseren Schutz und der besseren Schutzdurchsetzung von eingetragenen geschützten Ursprungsbezeichnungen (GUB/AOC) bzw. geschützten geografischen Angaben (GGA/IGP) sowie der aufgrund einer speziellen Branchenverordnung definierten «Swissness»-Auslobung durch die berechtigten Schweizer Produzentenvereinigungen im Ausland. Diese neue nationale Schutzmöglichkeit wird langfristig zu einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit von in der Schweiz produzierenden Unternehmen im Weltmarkt führen. Ansonsten wird sich ­ was den Wettbewerb angeht ­ gegenüber heute nichts ändern.

3.3.5

Alternative Regelungen

Der Status quo ist keine Alternative, weil die heutige Situation angesichts des Auseinanderklaffens von Recht und Realität unbefriedigend ist und die geltenden, wenig präzisierten Kriterien angesichts der heutigen Produktionsrealität nicht mehr ausreichend bzw. überholt sind. Zudem erleichtern die heutigen Regeln das Trittbrettfahren und führen damit zu einer schleichenden Verwässerung der Bezeichnung «Schweiz». Die Folge ist ein Image- und Wertverlust von «echten» Schweizer Waren und Dienstleistungen155. Es ist von zentraler Bedeutung, den von der Schweiz auch international (insbesondere in der laufenden Welthandelsrunde der WTO) klar proklamierten starken und alle Produktkategorien erfassenden Schutz der Herkunftsangaben zu gewährleisten.

Geprüft wurde auch die Kodifizierung der bisher spärlichen kantonalen Rechtsprechung zu forschungsarmen Produkten. Da sich die Kriterien für die in den Urteilen betroffenen Produkte156 nicht ohne Weiteres für eine verhältnismässige Regelung bei forschungsintensiven Gütern anwenden lassen und auch nicht auf Lebensmittel, da ein Wertekriterium dort als «fremd» beurteilt und damit von den ­kantonalen Vollzugsbehörden nicht angewendet werden kann, wurde von dieser Variante Abstand genommen.

155

Vgl. die Studie der Swiss Branding Experts, die zeigt, dass «Schweizer Unternehmen bezüglich Qualität und Zuverlässigkeit heute zu Kompromissen bereit sind», Thomas Schürpf, Weckruf für die Marke Schweiz, in: NZZ Online, 24. April 2009.

156 Beispielsweise Kopftücher und Füllfederhalter.

8668

Geprüft und verworfen wurde ferner die Schaffung einer allumfassenden Garantiemarke «Schweiz»: Eine solche Regelung würde die Einigung aller Branchen auf gemeinsame Herkunftskriterien für deren Aufnahme in das Markenreglement voraussetzen. Zudem wäre sie für die Nutzerinnen und Nutzer mit zusätzlichem administrativem Aufwand zur Prüfung und Erteilung der individuellen Gebrauchsberechtigung sowie mit Lizenzierungskosten verbunden. Diese Lösung stellt zudem eine Doppelspurigkeit zu der von Artikel 50 MSchG formulierten Möglichkeit der Ausarbeitung von Branchenverordnungen dar. Letztere hat den Vorteil, dass der Bundesrat die Erarbeitung gemeinsamer Kriterien erleichtern und garantieren kann. Die weltweite Verwaltung und (gerichtliche) Durchsetzung einer Garantiemarke «Schweiz» durch die Eidgenossenschaft oder durch eine extra hierfür zu schaffende Stiftung würde schliesslich auch den Bundeshaushalt unnötigen (Prozess-)Risiken aussetzen und ­ aufgrund der anfallenden Markeneintragungs- und Anwalts- sowie Prozesskosten ­ unverhältnismässig belasten.

3.3.6

Zweckmässigkeit im Vollzug

Mit den vorgesehenen Massnahmen werden die Herkunftskriterien präzisiert. Die damit verbundene höhere Transparenz schafft Rechtssicherheit und erleichtert den Vollzug des Schutzes der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes für die rechtsanwendenden kantonalen Behörden. Die einzige neu zu errichtende Verwaltungsstruktur (Register für geografische Angaben) sowie die verstärkte Tätigkeit des Bundes bei Missbräuchen werden durch das IGE realisiert. Sie belasten den Bund wegen der betriebswirtschaftlichen Unabhängigkeit des IGE nicht.

Für Unternehmen ändert sich beim Anmeldeverfahren für eine Marke (das weiterhin vollständig elektronisch abgewickelt werden kann) nichts. Der Aufwand für eine Anmeldung und Eintragung in das neue Register für geografische Angaben wird vergleichbar sein mit demjenigen einer Eintragung in das bereits bestehende Register für GGA bzw. GUB des Bundesamtes für Landwirtschaft. Dank den neuen strafund zivilrechtlichen Bestimmungen und den neuen Möglichkeiten des Aktivwerdens des IGE wird sich für Markeninhaber mit «Swissness»-Bezug die Durchsetzung im In- und Ausland vereinfachen. Dies wird angesichts der in den letzten Jahren steigenden Verletzungen insbesondere im Ausland für den Ruf der Schweiz einen positiven Effekt haben.

Für bestimmte Produkte gibt es bereits heute eine amtliche Kontrolle ihrer Bestandteile, unter anderem auch ihrer Herkunft. Dies ist beispielsweise bei den Lebensmitteln der Fall, die von den kantonalen Vollzugsbehörden (Kantonschemikerinnen und -chemiker) geprüft werden. Die neue Regelung schafft keine zusätzlichen Aufgaben für diese Vollzugsbehörden, sondern bringt lediglich eine Änderung einer bereits bestehenden Aufgabe. Neu werden die Vollzugsbehörden die Herkunft bzw. die Konsumententäuschung nicht mehr aufgrund von verschiedenen Bundeserlassen überprüfen, sondern im Wesentlichen aufgrund der Kriterien von Artikel 48 E-MSchG. Ein entsprechender Verweis wird vom Bundesrat künftig ins Lebensmittelrecht aufgenommen.

8669

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 23. Januar 2008157 über die Legislaturplanung 2007­2011 und im Bundesbeschluss vom 18. September 2008158 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Entwürfe zur Änderung des Markenschutzgesetzes sowie für ein neues Wappenschutzgesetz beruhen auf Artikel 122 BV.

So sind namentlich die Kriterien zur Bestimmung der Herkunft von Waren mit der Lebensmittelgesetzgebung vereinbar (vgl. Ziff. 1.4.1). Der Gesetzesentwurf ist auch vollumfänglich vereinbar mit der Teilrevision des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über die technischen Handelshemmnisse (THG), da die neuen Herkunftsregeln nicht als Handelshemmnisse betrachtet werden. Selbst wenn sie Handelshemmnisse darstellten, würde sich dies ­ solange das Proportionalitätsprinzip gewahrt bleibt ­ mit Berufung auf den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums wie auch auf die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz rechtfertigen (vgl. Ziff. 1.6).

Möchte ein Produzent auf seiner Ware zusätzlich zu den obligatorischen technischen Vorschriften zu Werbezwecken freiwillig die Bezeichnung «Schweiz» oder das Schweizerkreuz anbringen, so muss er sowohl heute als auch in Zukunft die Kriterien des Herkunftsrechts erfüllen. Er wird sich auch an diese Kriterien halten müssen, wenn er geltend macht, dass diese Angabe aufgrund der technischen Vorschriften verlangt wird, oder wenn er diese Angabe zu Werbezwecken oder als Label verwendet, um die Herkunft des Produkts hervorzuheben. Ansonsten entspräche dies einer offensichtlichen Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten. Wenn nun das sogenannte Cassis-de-Dijon-Prinzip von der Schweiz im Rahmen der Teilrevision des THG autonom nachvollzogen, zur Inverkehrsetzung eines in der Schweiz ­ in Erfüllung ausländischer technischer Vorschriften ­ hergestellten Produkts berechtigt, so stellt seine Anwendung weder ein Hemmnis noch eine Erlaubnis zum Gebrauch der Herkunftsangabe «Schweiz» dar. Die Einschränkung des Cassisde-Dijon-Prinzips ist in der Tat aus übergeordneten Interessen zulässig. Dies ist der Fall, wenn es um die Einhaltung des im Importland geltenden Immaterialgüterrechts geht159.

157 158 159

BBl 2008 785 818 BBl 2008 8544 Vgl. Fn. 37 zu «American bud» und Fn. 163 zu «Exportur».

8670

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

Multilaterale Abkommen

Folgende einschlägigen internationalen Abkommen sind im Rahmen der Gesetzesrevision zu berücksichtigen: die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), das TRIPSAbkommen und das erste Genfer Abkommen.

Die PVÜ verbietet die Verwendung von täuschenden Herkunftsangaben (Art. 10bis).

Sie untersagt auch die Verwendung und die Eintragung als Marke von staatlichen Wappen und ihre Nachahmungen im heraldischen Sinne, ausser die zuständigen Behörden hätten diese Verwendung genehmigt (Art. 6ter).

Das TRIPS-Abkommen sieht die Anwendung der Inländerbehandlung (Art. 3) und der Meistbegünstigung (Art. 4) vor. Ausserdem untersagt es die Verwendung falscher oder irreführender geografischer Angaben (Art. 22 und 23). Schliesslich darf das Schutzniveau, das für die geografischen Angaben unmittelbar vor dem Inkrafttreten des Abkommens gegolten hat (für die Schweiz Januar 1996), nicht herabgesetzt werden.

Das erste Genfer Abkommen verbietet den Gebrauch des Schweizerkreuzes für Waren, insbesondere wenn daraus eine Verwechslungsgefahr mit dem Emblem des Roten Kreuzes entsteht (Art. 53).

5.2.2

Eurokompatibilität

Gemessen an den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sind die in den Artikeln 48a ff.

E-MSchG zum Schutz der Bezeichnung Schweiz aufgestellten Kriterien ­ trotz allfälliger Beschränkungen des Handelsverkehrs ­ ein erforderliches Mittel zum Schutz der Herkunftsangaben (die zum gewerblichen Eigentum gehören) wie auch der Lauterkeit des Handelsverkehrs; dies gilt sowohl für die Konsumentinnen und Konsumenten als auch für die Wettbewerber untereinander. Die Revisionsvorlage legt in den Artikeln 48a ff. E-MSchG ähnliche Kriterien fest, wie es die EWGVerordnung 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex vorsieht und wie es in der Praxis von zahlreichen Mitgliedstaaten angewendet wird. Der für die verarbeiteten Naturprodukte (Art. 48b Abs. 4 E-MSchG) verwendete Begriff der Verarbeitung entspricht dem Begriff der «letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung». Das in der Vorlage für die industriellen Produkte enthaltene Kriterium hat den Vorteil präziser zu sein, da es bereits ausdrücklich festlegt, dass der Herkunftsort der Ort ist, wo mit der vorgenommenen Tätigkeit die wesentlichen Eigenschaften des Produkts festgelegt werden (Art. 48c Abs. 4 E-MSchG). Das Kriterium des Prozentsatzes der Kosten wird im Ausland regelmässig angewendet (siehe das Beispiel von Frankreich; Ziff. 1.6). Das Kriterium des Prozentsatzes des Gewichts (für die verarbeiteten Naturprodukte) entspricht der gleichen Logik und muss demnach entsprechend behandelt werden ­ umso mehr, als es noch besser auf die verarbeiteten Naturprodukte zugeschnitten ist.

Nach Auffassung des Bundesrats entsprechen die Kriterien der Artikel 48 ff.

E-MSchG dem Proportionalitätsprinzip und sind demnach mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Insbesondere das in Artikel 48c Absatz 1 E-MSchG vorgeschlagene Kriterium der 60 % ist strenger als das heutige gesetzliche Kriterium der 50 %, es 8671

fliesst aber auch mehr in die Berechnung mit ein. Zu den eigentlichen Herstellungskosten können nämlich auch die Kosten für Forschung und Entwicklung mit eingerechnet werden. Bei den verarbeiteten Naturprodukten entspricht das Kriterium der 80 % des Gewichts dem Kriterium der 60 % der Herstellungskosten. Damit wird der im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Kritik am Kriterium der Herstellungskosten für die verarbeiteten Naturprodukte Rechnung getragen (siehe Ziff. 1.4.3.3) und die Auffassung berücksichtigt, anstelle des Kriteriums der Kosten für die verarbeiteten Naturprodukte das geeignetere Kriterium des Gewichts einzuführen. Die Revisionsvorlage sieht nun für jede Produktkategorie das passendste Kriterium vor.

Bestimmend ist die Frage: «Was macht das Produkt aus?». Der Prozentsatz von 80 % ergibt sich daraus, dass die Rohstoffe lediglich einen Teil der Herstellungskosten ausmachen, die ja auch jegliche Tätigkeit zur Verarbeitung der Rohstoffe einschliessen. Werden für die Berechnung nur die Rohstoffe als solche berücksichtigt, muss man den Rohstoff-Prozentsatz erhöhen, damit die Anforderungen an die beiden unterschiedlichen Kriterien gleichwertig sind. Aus diesem Grund liegt der für die verarbeiteten Naturprodukte festgelegte Prozentsatz bei mehr als 60 %. Der Prozentsatz von 80 % des Gewichts wird deshalb als angemessen angesehen, weil er einerseits den Erwartungen der Konsumentinnen und Konsumenten am nächsten ist160 und andererseits einen sinnvollen Kompromiss darstellt zwischen noch strengeren Anforderungen, die der wirtschaftlichen Realität kaum gerecht würden (zum Beispiel 100 % wie in der Vernehmlassung von der Vereinigung zur Förderung der AOC-IGP vorgeschlagen oder 90 % wie von SKS, Prométerre, SGB und BIOSUISSE gefordert) und einem tieferen Wert von 60 %, der sich am allgemeinen Prozentsatz für Industriegüter orientiert. Dieser tiefere Prozentsatz würde nicht gewährleisten, dass der Anteil schweizerischer Rohstoffe, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, hoch genug ist.

Dass die gewählte Lösung das Proportionalitätsprinzip respektiert zeigt sich auch darin, dass bei den verarbeiteten Naturprodukten und bei den industriellen Produkten die Naturprodukte, die nicht in der Schweiz produziert werden können sowie diejenigen, die zeitweise nicht verfügbar sind, oder ­ unter bestimmten
Voraussetzungen ­ die Rohstoffe, die nicht in genügender Menge verfügbar sind, von der Berechnung ausgeschlossen werden können. Aufgrund von Artikel 48d Buchstabe b E-MSchG hat ein Hersteller, der die Voraussetzungen von Artikel 48a ff. E-MSchG nicht erfüllt, die Möglichkeit zu beweisen, dass die Herkunftsangabe, die er verwendet, dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht (siehe Erläuterungen zu Art. 48d Bst. b E-MSchG). Artikel 48d Buchstabe b trägt damit dem Umstand Rechnung, dass eine Herkunftsangabe nicht in einer für die Konsumentinnen und 160

Eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des BLA ergab 2003, dass eine Mehrheit der Befragten erwartet, dass ein Produkt, das ein Schweizer Herkunftszeichen trägt, zu 100 % aus der Schweiz stammen muss, BLW, Agrarbericht 2003, S. 146; In einer ähnlichen Umfrage aus dem Jahre 2007 erwarten über 80 % der Befragten, dass Nahrungsmittel in der Schweiz unter strengeren Anforderungen produziert werden als im Ausland, BLW, Herkunft von Landwirtschaftprodukten, 2007; In einer in 66 Ländern durchgeführten Studie der Universität St.Gallen et al. aus dem Jahre 2008 wiederum erwartet die Mehrzahl der Befragten den Anteil der Rohstoffe aus der Schweiz bei mindestens 60­70 % (Median), vgl. Stephan Feige/Benita Brockdorff/Karsten Sausen/Peter Fischer/ Urs Jaermann/Sven Reinecke, Sven, Swissness Worldwide ­ Internationale Studie zur Wahrnehmung der Marke Schweiz, Studie Universität St. Gallen et al., 2008, S. 54. Die ­ im Vergleich zur BWL-Untersuchung tiefere ­ Zahl erklärt sich damit, dass ein Teil der Befragten klar erkennt, dass es in der Schweiz nicht alle benötigten Rohstoffe gibt. Diesem Umstand trägt Art. 48b Abs. 2 E-MSchG speziell Rechnung.

8672

Konsumenten ­ oder allgemeiner für die massgebenden Verkehrskreise ­ unzutreffenden oder irreführenden Weise verwendet werden darf.

Für die ausländischen Herkunftsangaben entspricht die Anwendung des Rechts des Ursprungslandes (vgl. Erläuterungen zu Art. 48 Abs. 5 E-MSchG) der Gemeinschaftsrechtsprechung161, ebenso wie der Vorbehalt der allfälligen Täuschung der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten. Der EuGH legte nämlich dar, dass sich das Vorliegen einer Irreführung der nationalen Käufer aufgrund der Voraussetzungen und der Konzepte des Schutzlandes bemisst.

5.2.3

Freihandelsabkommen zwischen der Eidgenossenschaft und der EWG von 1972

Artikel 13 Absatz 1 FHA sieht vor, dass im Warenverkehr zwischen der Schweiz und der Gemeinschaft keine neuen mengenmässigen Einfuhrbeschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung eingeführt werden. Solche Einfuhrbeschränkungen können gemäss Artikel 20 FHA unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt werden, zum Beispiel aus Gründen des gewerblichen und kommerziellen Eigentums.

Artikel 13 wie auch Artikel 20 FHA gehören zu den Kernbestimmungen des Freihandelsabkommens. Gemäss EuGH gibt es «[...] keine Gründe diese Regeln [gemeint sind mit den Art. 28 und 30 EGV identischen Bestimmungen im damaligen Freihandelsabkommen Norwegen-EG] anders zu interpretieren als diejenigen des EG-Vertrages»162, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Abkommen Regeln über den Handel zwischen Vertragsparteien enthält, welche mit jenen des Vertrags identisch sind.

Analog zur Auslegung von Artikel 28 EGV könnte der Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes, insbesondere die Artikel 48b und 48c E-MSchG, als Handelshemmnis und Massnahme gleicher Wirkung qualifiziert werden, da auch die freiwillige Verwendung eines Gütezeichens eher zum Kauf der Waren, die dieses Gütezeichen tragen bzw. die zum Erhalt dieses Gütezeichens verwendet werden können, anregt bzw. anregen kann. In diesem Fall könnte aber die Schutzbezeichnung gemäss Artikel 20 FHA mit der Berufung auf den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums wie auch ­ entsprechend der Rechtsprechung des EuGH ­ auf die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz gerechtfertigt werden. Die vorgesehenen Massnahmen wären zum Erhalt des hohen Ansehens der mit der Bezeichnung «Schweiz» versehenen Produkte erforderlich und verhältnismässig. Es kann insofern mutatis mutandis auf die Ausführungen zu den Artikeln 28 und 30 EGV in Ziffer 1.6 verwiesen werden. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorgesehenen Massnahmen auch unter der Annahme einer analogen Anwendung des EU-Rechts als mit dem FHA vereinbar anzusehen sind.

Für die EFTA-Konvention gemäss der konsolidierten Fassung von Vaduz vom 21. Juni 2001, die in Artikel 7 ein Verbot mengenmässiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Massnahmen gleicher Wirkung wie auch in Artikel 13 eine Ausnahme zugunsten des gewerblichen und kommerziellen Eigentums enthält, gelten 161 162

EuGH, Urteil vom 10. November 1992, Exportur, Rs. C-3/91, Slg. 1992, I-5529.

FHA N-EG, Urteil vom 25. Mai 1993, Kommission/Italien, C-228/91, Slg. 1993 I-2701, N. 48.

8673

mit den Ausführungen zu Artikel 13 Absatz 1 und Artikel 20 FHA vergleichbare Überlegungen. Dies gilt auch, angepasst an die spezifische Formulierung des jeweiligen Abkommens, für die im Rahmen der EFTA abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit Drittländern.

5.2.4

Uhrenabkommen von 1967 und ergänzendes Abkommen von 1972

Das Uhrenabkommen von 1967 ist integrierender Bestandteil der im Rahmen der Kennedy Round abgeschlossenen Abkommen. Es sieht eine Reduktion der Zolltarife auf Uhrenerzeugnissen in drei Etappen vor und verpflichtet die Schweiz, auf öffentlich-rechtliche Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen auf Erzeugnissen der Uhrenindustrie zu verzichten. Im Gegenzug verzichten die EWG und ihre Mitgliedstaaten ihrerseits auf die Einführung von nicht tarifarischen Massnahmen. Das ergänzende Abkommen vom 20. Juli 1972, abgeschlossen im Rahmen des Freihandelsabkommens (FHA) vom 2. Juli 1972, schliesst den Liberalisierungsprozess ab und regelt die Definition des Schweizer Namens für Uhren. Es sieht vor, dass das Uhrwerk Bestandteile von mindestens 50 % des Wertes aus Schweizer Fabrikation enthalten muss, und legt ein Bestätigungsverfahren (vgl. Art. 2 der «Swiss-made»-Verordnung für Uhren) für Unternehmen in der EWG und für alle Länder fest, die mit der Schweiz einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Das Bestätigungsverfahren macht aus den Bestandteilen, die aus der EWG kommen, keine «schweizerischen» Teile; es erlaubt aber, die Berechnung des schweizerischen Wertanteils von 50 % weiter zu fassen, indem die Kosten des Zusammensetzens mitberücksichtigt werden können. Dadurch wird es möglich, dass mehr Bestandteile aus der Gemeinschaft in die Uhr eingebaut werden können und diese trotzdem eine «Schweizer» Uhr bleibt.

Die Artikel 48 ff. E-MSchG sind mit dem Uhrenabkommen von 1967 kompatibel.

Selbst wenn diese Bestimmungen, die den Schutz der Herkunftsangaben und folglich der Bezeichnung «Schweiz» verstärken, Auswirkungen auf den Handel mit Uhrenprodukten zwischen der Schweiz und der Europäischen Union haben sollten, so würde sich eine solche Beschränkung des Handelsverkehrs in Anwendung von Artikel 20 FHA rechtfertigen (vgl. Ziff. 5.2.3).

Die Frage der Kompatibilität von Artikel 48c E-MSchG ­ präziser die Voraussetzung des Kostenanteils von 60 %, wie er in Absatz 1 festgelegt ist ­ mit dem ergänzenden Abkommen von 1972, muss nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten geprüft werden, da diese Voraussetzung sowohl für das Uhrwerk als auch für die Uhr (Endprodukt) erfüllt sein muss.

In Bezug auf das Uhrwerk bedeutet dies, dass Artikel 48c E-MSchG den Geltungsbereich des ergänzenden Abkommens von 1972 nicht einschränkt
und somit mit diesem kompatibel ist. Es wäre falsch, das Kriterium des Kostenanteils von 60 % gemäss Artikel 48c Absatz 1 E-MSchG als nicht kompatibel mit dem Kriterium des schweizerischen Wertanteils von 50% gemäss dem ergänzenden Abkommen zu erachten, nur weil der Prozentsatz in der Gesetzesvorlage höher festgelegt ist als im Abkommen. Die beiden Kriterien beruhen auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen. Ein Produzent von Uhrwerken muss sowohl die Bestimmung des E-MSchG als auch diejenigen des ergänzenden Abkommens einhalten (oder Art. 2 der «Swiss made»-Verordnung für Uhren, auf die das Abkommen verweist). Nach Artikel 48c 8674

Absatz 1 E-MSchG müssen 60 % der Herstellungskosten des Uhrwerks in der Schweiz anfallen (in die Berechnung einfliessen können gemäss Artikel 48c E-MSchG namentlich der Wert der Bestandteile, die Kosten für die Zusammensetzung sowie für Forschung und Entwicklung). Der Produzent bleibt jedoch an das ergänzende Abkommen gebunden, gemäss welchem das Uhrwerk Bestandteile von mindestens 50 % des Wertes aus Schweizer Fabrikation enthalten muss (die Kosten des Zusammensetzens können mitberücksichtigt werden). Der Produzent, der die Anforderungen des ergänzenden Abkommens erfüllt, erfüllt de facto auch die Kriterien von Artikel 48c E-MSchG.

Das ergänzende Uhrenabkommen von 1972, das ein Bestätigungsverfahren für das Uhrwerk vorsieht, erwähnt einzig das Kriterium der 50 % des Wertes der Bestandteile des Uhrwerks und der Kosten für das Zusammensetzen des Werks, enthält jedoch keine Definition der Uhr als Ganzes (Endprodukt). Artikel 48c E-MSchG enthält eine allgemeine Definition der Herkunft aller Produkte (Wertkriterium von 60 % der Kosten). In diese Definition fällt ebenfalls das Produkt «Uhr» als Ganzes.

Mit dem vorgeschlagenen Artikel 48c E-MSchG regelt der schweizerische Gesetzgeber eine Frage, die nicht Teil des ergänzenden Abkommens von 1972 ist. Artikel 48 E-MSchG ist deshalb auch mit diesem Abkommen kompatibel.

Nach der Annahme des Revisionsvorschlags des MSchG wird die «Swiss made»Verordnung für Uhren angepasst werden müssen. Dies insbesondere in Bezug auf die Definition des Begriffs Uhr, welche die Mindestanforderung des Kostenanteils von 60 % gemäss Artikel 48c E-MSchG erfüllen muss. Solange die Anpassung keine Änderung der Bestimmung betreffend das Uhrwerk zur Folge hat, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich des ergänzenden Abkommens von 1972. Eine Neuverhandlung dieses Abkommens ist somit nicht nötig.

5.3

Erlassform

Die «Swissness»-Vorlage ändert wichtige rechtsetzende Bestimmungen auf Gesetzesebene (Art. 164 Abs. 1 BV). Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 163 Absatz 1 BV.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Betreffend die Definition von Herkunftsangaben, sieht Artikel 50 E-MSchG eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat vor. Der Gesetzesentwurf legt für jede Produktkategorie (Naturprodukte, verarbeitete Naturprodukte und andere, insbesondere industrielle Produkte) die zu erfüllenden Kriterien fest. Der Rahmen, in dem der Bundesrat diese Kriterien präzisieren kann, ist somit genau festgelegt. Der Bundesrat kann zwei Arten von Verordnungen erlassen: Erstens sind dies spezifische Branchenverordnungen, sofern die entsprechenden Branchen ihm gemeinsame Kriterien oder einen gemeinsamen Nenner vorschlagen, basierend auf Artikel 50 Absatz 2 MSchG. Zweitens kann er allgemeine Verordnungen für alle Branchen erlassen, die keine Konkretisierung der gesetzlichen Kriterien gewünscht haben. Diese Art von Verordnung regelt allgemeinere Fragen, wie zum Beispiel die Modalitäten zur Berechnung der Herstellungskosten (Art. 48c Abs. 1, E-MSchG) oder die Berücksichtigung der Rohstoffe (Art. 48b, Abs. 2 und 3, E-MSchG) und 8675

zwar für alle Produkte. In diesem Fall definiert die Verordnung nicht alle Voraussetzungen für den Gebrauch einer bestimmten Herkunftsangabe für ein bestimmtes Produkt, sondern regelt vielmehr die besonderen Bedingungen im Zusammenhang mit einem Rohstoff.

Artikel 50a Absatz 1 E-MSchG sieht eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat für die Schaffung eines neuen Registers für geografische Angaben vor. Nach dem Muster von Artikel 16 LwG für das Register für Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben für Landwirtschaftsprodukte und verarbeitete Landwirtschaftsprodukte legt Artikel 50a E-MSchG ausreichend bestimmt fest, was vom Bundesrat in einer Verordnung zu regeln ist (vgl. Erläuterungen zu Art. 50a E-MSchG).

Artikel 33 E-WSchG sieht eine allgemeine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat vor. Demnach soll der Gesetzestext nach Regelungen durchforstet werden, die zu detailliert sind und über die auf Gesetzesstufe nötige Präzision hinausgehen. Der Gesetzesentwurf legt ausreichend bestimmt fest, was vom Bundesrat in einer Verordnung zu regeln ist. In einem Anhang zur Verordnung wird er vor allem die in Artikel 4 E-WSchG erwähnten Zeichen definieren müssen (siehe Kompetenzdelegation nach Art. 4 Abs. 1 E-WSchG).

8676