08.501 Parlamentarische Initiative Erhöhung der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 19. Februar 2009

Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung der Verordnung der Bundesversammlung über die Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

19. Februar 2009

Im Namen der Kommission Der Vizepräsident: Hermann Bürgi

2009-0474

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 2. Juli 2008 stellte das Bundesverwaltungsgericht der Bundesversammlung ein schriftliches Gesuch, die Zahl der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht um sechs auf 70 Stellen zu erhöhen. Weil dazu eine Änderung der Verordnung der Bundesversammlung vom 17. Juni 2005 über die Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht (Richterstellenverordnung)1 nötig ist (vgl. Ziff. 2.2), wurde das Gesuch an die Rechtskommissionen weitergeleitet. Die Präsidentin der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-NR) und der Präsident der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-SR) einigten sich darauf, dass sich die ständerätliche Kommission zuerst damit befassen sollte.

Die RK-SR hörte am 26. August 2008 den Präsidenten und zwei weitere Vertreter des Bundesverwaltungsgerichts an und beschloss daraufhin, vor ihrem Entscheid über eine allfällige Stellenaufstockung das Ergebnis der jährlichen AufsichtsSitzung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2008 abzuwarten. Das Bundesgericht teilte der RK-SR im Anschluss an diese Sitzung mit, dass es die Schaffung einer zusätzlichen Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht befürworte (vgl. Ziff. 3.2). Das Bundesverwaltungsgericht orientierte die RK-SR am 19. September 2008 seinerseits, dass es an seinem ursprünglichen Antrag auf eine Erhöhung auf 70 Richterstellen festhalte.

An ihrer Sitzung vom 27. Oktober 2008 lehnte die RK-SR eine unbefristete Aufstockung der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht mit Stichentscheid des Präsidenten ab, beschloss jedoch mit 8 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dem Parlament die Bewilligung einer auf zwei Jahre befristeten Richterstelle zu beantragen. Abklärungen der Kommission zum weiteren Vorgehen ergaben, dass die Kriterien für eine Befristung von Richterstellen nicht erfüllt sind (vgl. Ziff. 2.4). Die RK-SR kam deshalb am 24. November 2008 auf ihren ersten Entscheid zurück und beschloss ohne Gegenantrag, eine Kommissionsinitiative einzureichen, welche eine Erhöhung der Zahl der Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht auf 65 und eine entsprechende Änderung der Richterstellenverordnung verlangt. Die RK-NR stimmte diesem Beschluss am 16. Januar 2009 nach einer Anhörung des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts mit 21 zu 2 Stimmen zu. Einige Mitglieder der Kommission gaben dabei auch
zu verstehen, dass sie eine Aufstockung um mehrere Stellen bevorzugen würden.

An ihrer Sitzung vom 19. Februar 2009 verabschiedete die RK-SR mit 7 zu 1 Stimmen und 4 Enthaltungen beiliegende Verordnungsänderung zuhanden ihres Rates.

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Verordnung der Bundesversammlung vom 17. Juni 2005 über die Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht (Richterstellenverordnung, SR 173.321)

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Grundzüge der Vorlage

2.1

Entwicklung der Geschäftslast und Prognose

Das Bundesverwaltungsgericht übernahm bei Arbeitsbeginn am 1. Januar 2007 annähernd 7500 Verfahren von den Vorgängerorganisationen. Im ersten Geschäftsjahr standen 8554 Eingängen 7560 Erledigungen gegenüber, es kamen also weitere 1000 Pendenzen hinzu. In der zweiten Jahreshälfte 2007 war das Gericht gesamthaft betrachtet in der Lage, mit den Eingängen Schritt zu halten. Nicht möglich war dies für die Abteilung III (Ausländer, Gesundheit, Sozialversicherungen), die Aufgrund der Abschaffung des Einspracheverfahrens im Bundesgesetz über die Invalidenversicherung eine massive Zunahme von Eingängen zu verzeichnen hatte.2 Im Jahr 2008 konnten bei einer etwa gleich bleibenden Anzahl Beschwerdeeingänge wie im Vorjahr die Zahl der Erledigungen um rund 20 Prozent auf knapp 9000 erhöht werden. Insbesondere die Abteilungen IV und V (Asyl) konnten die Zahl der erledigten Fälle von knapp 3800 im Jahr 2007 auf 4800 steigern und annähernd 800 Pendenzen abbauen. Bei vielen davon handelte es sich um von den Vorgängerorganisationen übernommene Altfälle, die teilweise noch aus den Jahren 2001 und 2002 stammten. Nach wie vor bestehen am Bundesverwaltungsgericht jedoch 7900 Pendenzen, die sich schwergewichtig auf die Abteilung III und die beiden Asylabteilungen verteilen.3 Die Zahl der in der Schweiz gestellten Asylgesuche hat im Jahr 2008 gegenüber dem Vorjahr um 53 Prozent zugenommen. Entsprechend ist in Zukunft auch ein Anstieg der Beschwerdeeingänge in den Asylabteilungen des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten. In der stark belasteten Abteilung III sind die Verfahrenseingänge derzeit rückläufig. Das Gericht rechnet damit, seine maximale Effizienz heute noch nicht erreicht zu haben. Nach dem Umzug nach St. Gallen im Jahr 2012 sollte es gemäss Einschätzung des Gerichtspräsidenten gegenüber der RK-SR bei einem normalen Gerichtsbetrieb und einem Personalbestand auf dem heutigen Niveau ungefähr 10 000 Fälle pro Jahr erledigen können.

2.2

Entwicklung der Richterzahl und des übrigen Personalbestandes

Nach Artikel 1 Absatz 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG)4 umfasst das Bundesverwaltungsgericht 50­70 Richterstellen. Die Bundesversammlung bestimmt die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung (Art. 1 Abs. 4 VGG). Auf Antrag des Bundesrates wurde diese Zahl in der Richterstellenverordnung auf höchstens 64 Stellen festgelegt. Im Rahmen der Vorbereitung der ersten Wahlen an das Bundesverwaltungsgericht entschied die Gerichtskommission (GK), auf den 1. Januar 2007 61,9 Richterstellen zu besetzen.

Am 21. November 2007 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die GK, zusätzlich 210 Stellenprozente zu bewilligen. Das Gericht begründete den Bedarf an zusätz2 3

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Zu den Angaben für das Jahr 2007 vgl. Geschäftsbericht des Bundesverwaltungsgerichts 2007, S. 79 ff.

Die Angaben zur Geschäftslast im Jahr 2008 basieren auf den Ausführungen des Gerichtspräsidenten an den Sitzungen der RK-S vom 28. August 2008 und der RK-NR vom 16. Januar 2009. Der Geschäftsbericht 2008 wird am 13. März 2009 vorliegen.

SR 173.32

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lichen Richterstellen mit dem Zuwachs an Beschwerden in der Abteilung III (vgl.

Ziff. 2.1). Die GK stimmte der Stellenaufstockung einstimmig zu. Eine Verordnungsänderung war dazu nicht notwendig, weil die in der Richterstellenverordnung festgehaltene Zahl von 64 nicht überschritten wurde. Am 19. März 2008 wählte die Bundesversammlung die zusätzlichen Richter und Richterinnen. Heute sind am Bundesverwaltungsgericht 73 Richter und Richterinnen tätig, die insgesamt einen Beschäftigungsgrad von 6400 Stellenprozenten innehaben.

Zusätzlich zu den 61,9 Richterstellen wurden am Bundesverwaltungsgericht auf den 1. Januar 2007 135 Gerichtsschreiberstellen und 27 Stellen in der Kanzlei besetzt.

Zusammen mit den Mitarbeitenden im Generalsekretariat (55 Stellen) belief sich der gesamte Personalbestand des Gerichts zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme auf 279 Vollzeitstellen. Bis Mitte August 2008 wurde die Zahl der Gerichtsschreiberstellen und Kanzleimitarbeiterstellen auf 160 bzw. 35 ausgebaut. Auch hier erfolgte der stärkste Ausbau (8,8 Gerichtsschreiberstellen und 5,6 Mitarbeitende der Kanzlei) zugunsten der Abteilung III. Die Zahl der Mitarbeitenden im Generalsekretariat blieb seit dem 1. Januar 2007 unverändert, wodurch sich Mitte August 2008 ein gesamter Personalbestand von 315 Vollzeitstellen ergab.5

2.3

Erwägungen der Kommission zur Schaffung einer zusätzlichen Richterstelle

Das Bundesverwaltungsgericht ist mit dem heutigem Richter- und Personalbestand grundsätzlich funktionsfähig. Es befindet sich zwei Jahre nach seiner Arbeitsaufnahme noch in der Aufbauphase, in der organisatorische Mehrbelastungen selbstverständlich sind. Trotzdem konnte das Gericht in den beiden ersten Geschäftsjahren die Erledigungszahl erhöhen. Die gegen Ende 2007 eingeleiteten Massnahmen zur Entlastung der Abteilung III ­ darunter die Bewilligung zusätzlicher Richterstellen durch die GK ­ begannen gemäss Auskunft des Gerichts in der zweiten Jahreshälfte 2008 zu greifen. Wie die Erledigungszahlen für das Jahr 2008 belegen, sind auch die beiden Asylabteilungen grundsätzlich in der Lage, mit dem heutigen Personalbestand Pendenzen abzubauen. Auch wenn der Pendenzenabbau noch nicht im vom Gericht erwünschten Ausmass erfolgt ist, ist somit kein sofortiger Handlungsbedarf für eine grössere Aufstockung der Richterstellen gegeben. Auch gemäss Prognose des Gerichtspräsidenten wird eine weitere Steigerung der Erledigungsquote bei einem normalen Gerichstsbetrieb in einigen Jahren möglich sein.

Bereits im März 2008 hat die Bundesversammlung zusätzliche Richter und Richterinnen an das Bundesverwaltungsgericht gewählt. Bevor erneut ein umfangreicherer Ausbau der Richterstellen in Erwägung gezogen wird, sollen zuerst die Möglichkeiten der Effizienzsteigerung des Gerichts voll ausgeschöpft werden. Die Schaffung mehrerer zusätzlicher Richterstellen wäre effizienzsteigernden Massnahmen nicht förderlich, sondern könnte in absehbarer Zeit allenfalls sogar zu einer Überkapazität des Gerichts führen.

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Die Angaben zum Personalbestand 2008 wurden der RK-SR vom Gericht Mitte August zur Verfügung gestellt. Aktuellere Zahlen werden mit dem Geschäftsbericht 2008 vorliegen.

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Wie der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts der RK-SR darlegte, kam die Verwaltungskommission des Gerichts nach ausführlichen Abklärungen mit den Abteilungspräsidenten und -präsidentinnen zum Schluss, dass während drei bis vier Jahren drei bis vier zusätzliche Richterstellen nötig seien. Das Richterplenum beschloss dann allerdings, der Bundesversammlung sechs zusätzliche Stellen zu beantragen. Offensichtlich gehen die Einschätzungen bezüglich des Bedarfs an zusätzlichen Richterstellen somit auch gerichtsintern auseinander. Dies legt bezüglich Stellenaufstockung ebenfalls ein vorsichtiges Vorgehen nahe.

Erfahrungen aus der Vergangenheit und in den Kantonen zeigen zudem, dass einmal geschaffene Stellen nur schwer oder gar nicht mehr abgebaut werden können. Auch aus diesem Grund ist bei einer Stellenaufstockung Zurückhaltung geboten.

Wie der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts der Kommission erläuterte, besteht am Gericht gegenwärtig ein Engpass für die italienische Sprache.6 Die Schliessung mehrerer Asyl-Empfangsstellen führte dazu, dass an der Empfangstelle Chiasso viel mehr Beschwerden auf Italienisch eingereicht werden. Auch in der Abteilung II fehlt es dem Gericht an italienischer Sprachkompetenz. Aus sprachlichen Gründen ist die Möglichkeit, die betroffenen Abteilungen durch die Verschiebung von Stellenprozenten aus anderen Abteilungen zu entlasten, eingeschränkt: Insgesamt sind am Gericht nur vier Richter und Richterinnen italienischer Muttersprache tätig. Die Schaffung einer zusätzlichen Richterstelle italienischer Sprache scheint der Kommission deshalb gerechtfertigt. Diese Massnahme wird auch vom Bundesgericht befürwortet (vgl. Ziff. 3.2).

2.4

Gründe gegen die Bewilligung einer befristeten Stelle

Artikel 1 Absatz 5 VGG hält fest, dass die Bundesversammlung zur Bewältigung aussergewöhnlicher Geschäftseingänge zusätzliche Richterstellen auf jeweils längstens zwei Jahre bewilligen kann. In der Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege7 ist folgender Kommentar dazu zu lesen: «Auch Absatz 5 dient der flexiblen Bewältigung von Belastungsschwankungen. Er ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl von zusätzlichen Richtern, d.h. die Überschreitung des Maximalbestands von Absatz 3, ohne dass vorgängig das Gesetz geändert werden muss. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass das Gericht eine aussergewöhnlich grosse Anzahl an Geschäftseingängen zu verzeichnen hat. Die Bewilligung von zusätzlichen Richterstellen ist befristet auf längstens zwei Jahre. Wird die aussergewöhnliche Geschäftslast zur Regel bzw.

besteht Bedarf an einer längerfristigen Überschreitung des gesetzlichen Maximalbestands, so ist eine Änderung von Absatz 3 nötig.» Absatz 5 gab bei der Beratung der Totalrevision der Bundesrechtspflege weder in den Kommissionen noch in den Räten Anlass zu Diskussionen.

Aufgrund des Kommentars der bundesrätlichen Botschaft ist klar, dass eine Bewilligung befristeter Richterstellen ohne Verordnungsänderung nur möglich ist, wenn der gesetzlich vorgesehene Maximalbestand von 70 Richterstellen (entspricht dem Maximalbestand gemäss Abs. 3) ausgeschöpft ist. Dies ist derzeit jedoch nicht der Fall.

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Vgl. dazu auch Geschäftsbericht 2007 des Bundesverwaltungsgerichts, S. 81 f.

BBl 2001 4202 4377

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Bereits im Wortlaut von Absatz 5 wird festgehalten, dass befristete Richterstellen «zur Bewältigung aussergewöhnlicher Geschäftseingänge» bewilligt werden können. Das Bundesverwaltungsgericht verzeichnet jedoch gegenwärtig keine aussergewöhnlich hohe Anzahl an Geschäftseingängen und beantragt die zusätzlichen Richterstellen zum Abbau von Pendenzen. Auch dieses Kriterium ist deshalb nicht erfüllt.

Da Artikel 1 Absatz 5 aufgrund der derzeitigen Ausgangslage nicht angewendet werden kann, ist eine Erhöhung der Anzahl Richterstellen nur durch eine Änderung der Richterstellenordnung zu bewerkstelligen.

3

Stellungnahme der Gerichte

Gemäss Artikel 162 Absatz 4 ParlG8 gab die Kommission dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht im Rahmen ihrer Arbeiten Gelegenheit zur Stellungnahme.

3.1

Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht legte der RK-SR seine Position sowohl schriftlich mit seinen Schreiben vom 2. Juli 2008 und vom 19. September 2008, als auch mündlich durch die Teilnahme einer Vertretung des Gerichts an der Sitzung vom 28. August 2008 dar. Ergänzende Auskünfte erteilte der Gerichtspräsident der RK-NR am 16. Januar 2009.

Die Funktionsfähigkeit des Bundesverwaltungsgerichts mit dem aktuellen Personalbestand wird auch vom Gericht selbst nicht in Frage gestellt. Ziel des Gerichts ist es jedoch, bis zum Umzug nach St. Gallen die Pendenzen auf 4000­5000 Fälle zu reduzieren. Ein «Fonds de roulement» von 4000­5000 Verfahren ist Voraussetzung dafür, dass sich die Richter und Richterinnen nach der Instruktion fortlaufend der spruchreifen Fälle annehmen können. Im politisch brisanten Asylbereich möchte das Gericht die Pendenzen bis in zwei Jahren möglichst ganz abbauen, wozu nicht nur rechtsstaatliche, sondern auch volkwirtschaftliche Gründe sprechen. Ein Abbau der pendenten Fälle im vom Gericht angezielten Ausmass ist mit dem heutigen Personalbestand bis zum Umzug nach St. Gallen nicht zu erreichen. Allein für Pendenzenabbau im Asylbereich wären gemäss einer Schätzung des Gerichtspräsidenten ungefähr drei zusätzliche Stellen nötig.9 Das Bundesverwaltungsgericht gibt zu bedenken, dass bis zum Umzug nach St. Gallen die vergleichsweise hohe Personalfluktuation anhalten und die Optimierung der Infrastruktur ­ insbesondere im Informatikbereich ­ ebenfalls noch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen wird. Obwohl das Gericht durch geeignete innerbetriebliche Massnahmen effizienter geworden ist und diese Massnahmen auch fortsetzen wird, sind den Optimierungsprozessen auch Grenzen gesetzt. Eine erhebliche Steigerung der heutigen Erledigungsquote wird deshalb in den nächsten Jahren ohne zusätzliche Richterstellen nicht möglich sein.

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SR 171.10 Diese aktuelleste Schätzung äusserte der Gerichtspräsident anlässlich der Vorprüfung der Initiative in der RK-NR am 16. Januar 2009.

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Das Bundesverwaltungsgericht betrachtet sein Gesuch um eine Erhöhung der Anzahl Richterstellen auf 70 nicht als Gesuch um die konkrete Bewilligung von zusätzlichen sechs Richterstellen, sondern als Antrag auf eine entsprechende Erhöhung der in der Richterstellenverordnung genannten Zahl. Dadurch könnten in den nächsten Jahren Gericht und Bundesversammlung eine grössere Flexibilität und raschere Handlungsmöglichkeiten erhalten. Für das Gericht ist selbstverständlich, dass es trotz einer in der Verordnung festgehaltenen Zahl von 70 Richterstellen für jede zusätzlich benötigte Stelle einen begründeten Antrag an die GK stellen müsste, welche diesen auch ablehnen könnte.

Aus Sicht des Bundesverswaltungsgerichts würde es sich bei einer Erhöhung der Anzahl Richterstellen auf 70 um eine vorübergehende Massnahme handeln. Nach der Reduktion der Pendenzen und dem Umzug des Gerichts nach St. Gallen könnten die zusätzlichen Richterstellen wieder abgebaut werden. Das Parlament könnte die zusätzlichen Stellen deshalb ohne weiteres mit einer entsprechenden Pflicht verbinden. Ein Stellenabbau wäre aufgrund der relativ hohen Personalfluktuation am Gericht durch die Nicht-Wiederbesetzung vakanter Richterstellen einfach zu erreichen. Die Wahl von zusätzlichen Richtern, welche ad personam für eine befristete Dauer gewählt würden, scheint auch dem Bundesverwaltungsgericht wenig sinnvoll.

Befristete Stellen seien wenig attraktiv und es sei kaum effizient, neue Richter und Richterinnen einzuarbeiten, die das Gericht nach einer kurzen Beschäftigungsdauer wieder verliert.

3.2

Stellungnahme des Bundesgerichts

Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts teilte der RK-SR am 12. September 2008 schriftlich mit, dass das Bundesgericht als Aufsichtsbehörde die Schaffung einer zusätzlichen Richterstelle italienischer Sprache befürworte. Von einer weiteren Stellenaufstockung sei vorderhand abzusehen, weil das Bundesverwaltungsgericht gut eineinhalb Jahre nach Betriebsaufnahme noch nicht vollständig konsolidiert sei und demzufolge das Optimierungspotential noch nicht ausgeschöpft sei. Das Bundesverwaltungsgericht werde für das Jahr 2009 leistungsmässige Gerichtsziele festlegen und Massnahmen zur Reduktion des Arbeitsaufwandes der Richter und Richterinnen im administrativen Bereich ergreifen. Deren Auswirkungen seien abzuwarten, bevor über eine weitere Aufstockung befunden werde. Auch das Bundesgericht stellte fest, dass trotz des Abbaus der Pendenzen im Asylbereich noch viele alte, entscheidungsreife Fälle der Behandlung harren, sieht aber darin keinen zwingenden Grund für eine unverzügliche umfangreichere Stellenaufstockung.

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4 Art. 1

Erläuterungen zur den einzelnen Bestimmungen Stellen

Die Anzahl Richterstellen am Bundesverwaltungsgericht wird neu auf maximal 65 Vollzeitstellen festgelegt. Wie bis anhin können diese 65 Vollzeitstellen auf mehr als 65 Richter und Richterinnen verteilt werden, weil die richterliche Tätigkeit am Bundesverwaltungsgericht auch mit einem Teilpensum ausgeübt werden kann (Art. 13 Abs. 1 VGG).

Minderheit (Recordon, Hêche, Marty Dick, Savary, Schweiger) Die Minderheit befürwortet aus grundsätzlichen Überlegungen eine Erhöhung auf 67 Richterstellen. Das Parlament müsse in der Lage sein, auf veränderte Bedürfnisse des Gerichts rasch und flexibel zu reagieren. Eine Erhöhung der Richterzahl um nur eine Stelle verunmögliche dies. Bereits bei einem nächsten Aufstockungsbegehren des Gerichts müsste die Verordnung in einem aufwändigen Prozess überprüft und allenfalls erneut angepasst werden. Wird die maximale Richterzahl hingegen auf 67 festgelegt, impliziere dies nicht, dass drei zusätzliche Richterstellen sofort besetzt werden müssten. Die Gerichtskommission erhielte jedoch den nötigen Spielraum, um diese Stellen bei Bedarf und auf begründetes Gesuch des Gerichts zügig auszuschreiben. Einmal besetzte Stellen könnten auch wieder abgebaut werden, indem die Gerichtskommission bei entstehenden Vakanzen auf eine Ausschreibung verzichtet.

Die Minderheit macht ebenfalls geltend, dass sich die Lage seit Herbst 2008 verändert habe. Wie inzwischen bekannt wurde, stieg insbesondere die Zahl der in der Schweiz gestellten Asylgesuche im Jahr 2008 stark an. Es sei somit für die Zukunft auch mit einer steigenden Zahl von Asylrekursen zu rechnen, auf die Gericht und Parlament bei Bedarf rasch auch mittels personeller Massnahmen reagieren können sollen.

Ziff. II Die Änderung der Richterstellenverordnung untersteht nicht dem Referendum und kann nach der Annahme durch die Räte in Kraft treten. Dadurch ist eine Wahl eines neuen Gerichtsmitglieds in der darauf folgenden Session möglich.

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Finanzielle Auswirkungen

Die Richter und Richterinnen des Bundesverwaltungsgerichts werden in der Lohnklasse 33 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung eingereiht.10 Die Bruttojahresbesoldung der Richterinnen und Richter beträgt gegenwärtig mindestens 143 471 Franken.11 Die Obergrenze der Lohnklasse 33 liegt heute bei 227 611 Franken. Durch die Schaffung einer zusätzlichen Richterstelle entstehen somit zusätzliche Personalkosten in der genannten Grössenordnung. Diese Kosten sind im Budget 2009 eingestellt und bleiben bis zur Zustimmung des Parlamentes zur vorliegenden Verordnungsänderung gesperrt.

6

Rechtliche Grundlagen

Gemäss Artikel 1 Absatz 4 VGG bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung.

10

11

Vgl. Verordnung der Bundesversammlung über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (Richterverordnung, SR 173.711.2), Art. 5 Abs. 1.

Vgl. Richterverordnung (SR 173.711.2), Art. 5 Abs. 2.

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