zu 05.453 Parlamentarische Initiative Verbot von Pitbulls in der Schweiz Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vom 20. Februar 2009 Stellungnahme des Bundesrates vom 22. April 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 20. Februar 2009 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. April 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-0842

3587

Stellungnahme 1

Ausgangslage

1.1

Massnahmen zum Schutz vor gefährlichen Hunden

Am 28. April 2006 gab die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N) der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Pierre Kohler (05.453 Verbot von Pitbulls in der Schweiz) Folge. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) stimmte diesem Beschluss am 28. August 2006 zu. Eine Subkommission wurde eingesetzt und erarbeitete Grundlagen für eine gesamtschweizerische Regelung im Zusammenhang mit der Problematik gefährlicher Hunde. Vorgeschlagen wurden insbesondere eine Verfassungsbestimmung zur Verankerung der Bundeskompetenz und eine Änderung des Tierschutzgesetzes mit Massnahmen zur Vereinheitlichung der Regelungen zum Schutz des Menschen vor Gefährdungen durch Hunde und zur Erhöhung der Transparenz in diesem Bereich.

Im Auftrag der WBK-N eröffnete das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) am 15. Juni 2007 die Vernehmlassung. 230 Stellungnahmen wurden eingereicht. Die Mehrheit der Kantone begrüsste eine Verfassungskompetenz des Bundes und eine Regelung auf Bundesebene, äusserte sich aber allgemein kritisch bis abweisend zum Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes. Insbesondere wurden die im Entwurf vorgesehenen Rassenverbote und Bewilligungspflichten abgelehnt und als dem Sachverhalt und den möglichen Risiken nicht angemessen eingestuft. Einzig fünf Kantone befürworteten den Vorschlag zur Änderung des Tierschutzgesetzes ausdrücklich. Bei Parteien, Amtsstellen und Dachverbänden hielten sich zustimmende und ablehnende Stellungnahmen die Waage.

Am 19. November 2007 stimmte die WBK-N dem Antrag der Subkommission auf Fortsetzung der Arbeiten unter Einbezug des Vernehmlassungsergebnisses zu. Mit technischer Unterstützung des BVET und des Bundesamtes für Justiz erarbeitete die Subkommission eine Vorlage für ein Hundegesetz. Die WBK-N beriet an ihrer Sitzung vom 19. und 20. Februar 2009 die Vorlage. Mit 17 zu 6 Stimmen sprach sie sich für den Verfassungsartikel aus. Dem Erlassentwurf sowie dem erläuternden Bericht stimmte die Kommission mit 14 zu 5 Stimmen zu. Eine Minderheit beantragt, auf den Bundesbeschluss und das Gesetz nicht einzutreten.

1.2

Haftungsbestimmungen

In der Diskussion um Massnahmen gegen gefährliche Hunde hat das Parlament zwei Motionen überwiesen, welche eine Verschärfung der Haftung des Tierhalters oder der Tierhalterin und eine obligatorische Haftpflichtversicherung fordern (06.3049 Motion Fraktion der Schweizerischen Volkspartei «Hundehalter in die Pflicht nehmen» und 06.3062 Motion Freisinnig-demokratische Fraktion «Gefährliche Hunde.

Verantwortung ist der beste Schutz»). Gestützt auf diese beiden Motionen hat der Bundesrat am 15. Juni 2007 einen Entwurf über die Teilrevision des Obligationenrechts in die Vernehmlassung gegeben. Sein Hauptvorschlag war eine Gefährdungshaftung für gefährliche Hunde. Als Varianten stellte er eine Gefährdungshaftung für 3588

alle Hunde mit oder ohne Versicherungsobligatorium zur Diskussion. In der Vernehmlassung hat sich eine Mehrheit der Stellungnahmen für eine Gefährdungshaftung für alle Hunde und ein Versicherungsobligatorium ausgesprochen. Am 14. Dezember 2007 hat der Bundesrat vom Ergebnis der Vernehmlassung Kenntnis genommen und gestützt darauf entschieden, eine Gefährdungshaftung und eine obligatorische Haftpflichtversicherung für alle Hunde einzuführen. Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht ebenfalls ein Versicherungsobligatorium und eine verschärfte Haftung vor.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Massnahmen zum Schutz vor gefährlichen Hunden

Der Bundesrat hat in der Vergangenheit bei verschiedener Gelegenheit zum Ausdruck gebracht, dass für Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden die Kantone verantwortlich seien und er an dieser Kompetenzzuordnung nichts ändern wolle (vgl. Antwort des Bundesrates vom 10. März 2006 zur Motion 05.3812 «Artikel 7a und 7c des Tierschutzgesetzes. Inkraftsetzung» und Antwort des Bundesrates vom 24. Mai 2006 zur Motion 05.3751 «Griffige Gesetzesbestimmungen für das Halten von Hunden»).

Nachdem in der Vernehmlassung ­ insbesondere bei den Kantonen ­ die neue Verfassungsbestimmung und der Grundsatz einer Bundesregelung für Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden auf breite Zustimmung gestossen sind, stellt sich der Bundesrat nicht mehr dagegen, auch wenn er es vorgezogen hätte, dass die Kantone die erforderlichen Massnahmen selbst getroffen und dabei auf die wünschbare Harmonisierung der Vorschriften geachtet hätten.

Verschiedene Artikel des vorliegenden Gesetzesentwurfs lehnen sich eng an bereits heute geltende Bestimmungen der Tierschutzverordnung (TSchV; SR 455.1) an und bringen insofern keine Neuerung. Die Meldepflicht (Art. 4 Entwurf Hundegesetz) beispielsweise ist heute in Artikel 78 Absatz 1 TSchV verankert, die Aus- und Weiterbildung (Art. 7 Entwurf Hundegesetz) in Artikel 68 TSchV.

Bezüglich Hunde mit besonderem Einsatzzweck (Art. 8 Entwurf Hundegesetz) findet sich ebenfalls eine Regelung in der TSchV (Art. 69, 74 und 75). Im geltenden Recht ist allerdings vorgesehen, dass die Schutzdienstausbildung auch mit Hunden, die für sportliche Schutzdienstwettkämpfe trainiert werden, absolviert werden kann.

Der Schutzdienstsport bietet wichtige ausserdienstliche Trainingsmöglichkeiten für die Hundestaffeln von Armee, Grenzwachtkorps und Polizei. Die Schutzdienstwettkämpfe dienen auch der Auswahl geeigneter Zuchthunde. Dürfen diese nicht mehr ausserdienstlich im Schutzdienstsport ausgebildet werden, wird die Zuchtbasis in der Schweiz für die Rekrutierung von Schutzdiensthunden geschmälert. Falls ein Hundegesetz erlassen werden soll, beantragt der Bundesrat, Artikel 8 Absatz 2 so zu ändern, dass die Ausbildung im Schutzdienst für Hunde, die an sportlichen Schutzdienstwettkämpfen eingesetzt werden sollen, weiterhin zulässig ist.

Der vorliegende Entwurf für ein
Hundegesetz belässt den Kantonen die Möglichkeit, weiter gehende Vorschriften zum Schutz des Menschen vor Gefährdungen durch Hunde zu erlassen (Art. 13 Entwurf Hundegesetz). Damit wird zu Recht darauf Rücksicht genommen, dass heute die meisten Kantone bereits über Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden verfügen und in verschiedenen 3589

Kantonen entsprechende Gesetzesrevisionen erfolgten oder noch im Gange sind. Für den Bundesrat ist es deshalb fraglich und hängt es vor allem vom weiteren Vorgehen der Kantone ab, wie weit mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf tatsächlich zur Vereinheitlichung und zu einer erhöhten Transparenz der Regelung zu gefährlichen Hunden beigetragen werden kann.

2.2

Haftungsbestimmungen

Der Bundesrat befürwortet die Verschärfung der Haftung und die Einführung einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für alle Hundehalterinnen und Hundehalter.

Wie der Bericht der WBK-N zu Recht ausführt, dient die Verschärfung der Haftung dem Schutz der Geschädigten. Sie müssen nur die Schädigung durch den Hund nachweisen, um Schadenersatz verlangen zu können. Zugleich wird damit das Risiko- und Verantwortungsbewusstsein der Halterinnen und Halter verstärkt. Für eine obligatorische Haftpflichtversicherung spricht sodann das Anliegen, dass Opfer von Hundebissen tatsächlich entschädigt werden. Eine blosse Haftungsverschärfung nützt nichts, wenn der Hundehalter oder die Hundehalterin wegen bescheidener Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage ist, für den Schaden aufzukommen. Die Bestimmungen entsprechen schliesslich dem Vernehmlassungsergebnis zur Teilrevision des Obligationenrechts (vgl. Ziff. 1.2).

Falls ein Hundegesetz erlassen werden soll, befürwortet der Bundesrat die Integration der haftpflicht- und versicherungsrechtlichen Bestimmungen in die Vorlage über ein Hundegesetz. Damit erübrigt sich eine entsprechende Revision des Obligationenrechts.

3

Antrag

Für den Fall, dass ein Hundegesetz erlassen werden soll, stellt der Bundesrat den folgenden Antrag: Das Hundegesetz (Entwurf der WBK-N) sei wie folgt zu ändern: Art. 8 Abs. 2 Bst. e Hunde dürfen nicht auf Schärfe abgerichtet werden, ausgenommen bei der Ausbildung zum Schutzdienst. Die Ausbildung zum Schutzdienst ist nur für Hunde erlaubt, die eingesetzt werden oder für einen Einsatz vorgesehen sind:

2

e.

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in sportlichen Schutzdienstwettkämpfen.