Schweizerisches

Bundesblatt Jahrgang VII. Band I.

Nro.

20.

Samstag, den 28. April 1855.

Bericht des

schweizerischen Bundesrathes an die hohe BundesVersammlung über seine Geschäftsführung im

Jahr 1854.

(Fortsezung.)

Gefchästskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

Mit Hinficht auf denjenigen Theil der Gefezgebung, dessen Vorbereitung dem Iustiz- und Polizeidepartemente zusteht, haben wir mit derselben Erklärung zu beginnen,

A. Gesezbung und Konkordate.

welche an der Spize des leztjährigen Berichtes steht, nämlich daß keine hinreichende Veranlassung vorhanden ...var, in dieser Richtung neue Vorlagen zu machen.

Die sämmtlichen Geseze, welche die Einrichtung der Bnndesjustiz , und was damit zusammenhängt , zum GeBundesblatt. Jahrg. VII0 Bd. I..

47

398 genstande haben, find erlassen und es wird noch einiger Erfahrung bedürfen, um die wünschbaren Abänderungen mit Sicherheit beurtheilen zu können.

Vom Bundesgerichte gelangte die Anregung an den Bundesrath, ob es nicht passend fei, im Interesse eines gleichmäßigeren und schnelleren Verfahrens bei Erpropriationsprozessen die hierauf bezüglichen Geseze theil^ weife zu ändern. Eine Kommisfionalberathung , welche das Departement mit einigen Mitgliedern des Bundesgerichtes veranstaltete, führte zu dem Refultate, daß es besser sein dürfte, von diesem Vorhaben abzugehen, und innerhalb der Schranken der bestehenden Geseze ein Reglement namentlich über das Schazungsverfahren zu erlassen. Ein folches Reglement wurde dann auch vom Bundesgerichte entworfen und vom Bundesrathe

bestätigt.)

Die fchon im lezten Iahre angeregten Konkordate ) wurden theils auf dem Wege der Korrespondenz, theils durch Konferenzen von Abgeordneten der h. Stände in weitere Behandlung gezogen und zwei davon zum Abschluß gebracht, nämlich das Konkordat über die Form der Heimathfche'.ne und das Konkordat über die Mittheilung von Geburts-, Heiraths- und Todesfällen schweizerifcher Niedergelassenen an ihre Heimatbehörde zum

Zweke der Eintragung in die Register des Civilstandes.

Die Einführung diefer Konkordate wurde auf den Ansang des Iahres 1855 angeordnet. Noch nicht abgeschlossen ist dagegen das Konkordat über der. Schuz des literarischen und künstlerischen Eigenthums, indem noch die Erklärungen mancher Kantone ausstehen; auch find Einsprachen gegen eine Hauptbestimmung desselben, näm^ lich die Dauer des Schuz es, erfolgt, so daß viel*) Siehe eidg. Gesezsamm.una, Band Iv, Seite 214-224.

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357.

399 leicht die Abhaltung einer weitern Konferenz als zwekmäßig erfcheinen wird.

Die Fragen des öffentlichen Rechts, welche aus Be- B. Berwal-.

schwerden wegen angeblicher Nichtbeachtung von Grund- tung.

säzen der Bundes- oder einer Kantonalverfassung, von I. Justiz.

Bundesgesezen oder Konkordaten entstehen, oder durch rechtliche VerKompetenzstreitigkeiten der Behörden verschiedener Kan- hältnifse.

tone veranlaßt werden, bilden immer noch einen wefentlichen Theil der Geschäfte des Departements; indessen verdient bemerkt zu werden, daß die Befchwerden über Entzug oder Verweigerung der Niederlassung viel weniger zahlreich find als früher, was auf eine allgemeiner wer-.

dende, richtigere Auffassung diefes bundesrechtlichen Verhältnisses, sowol bei den Behörden als bei den Bürgern schließen läßt. Ferner darf hervorgehoben werden, daß im Laufe des Berichtjahres kein Konflikt zwifchen Bundesund Kantonalkompetenz vorgekommen ist, mit Ausnahme eines einzigen Falles, da in Sachen der Ioseph Hammer'schen Kinder der Kanton Aargau die Kompetenz des Bundesgerichts glaubte bestreiten zu sollen.

Am zahlreichsten find immer noch die Fragen, welche sich auf die streitige Kompetenz der Behörden verfchiedener Kantone und auf die Vollstrekung ihrer Urtheile beziehen und meistens mit den Artikeln 49 und 50 der Bundesverfassung im Zufammenhang stehen. Wir fahren

in bisher üblicher Weife fort, eine Anzahl folcher Fälle hier aufzunehmen, indem wir diejenigen bei Seite lassen, welche in Folge von Rekurfen bereits in den gesezgebenden Räthen behandelt wurden.

A. Zwischen den Gerichten von Colombey (Wallis) und Aigle (Waadt) waltete ein Kompetenzstreit darüber, an welchem Orte der Konkurs über einen Z. von F.

auszuführen sei, indem von beiden Seiten dessen Domizil angenommen und bei dessen Insolvenzerklärung

400 gerichtlich eingeschritten wurde. Von Wallis wurde behauptet, Z. halte fich seit zwei Iahren in Colombey auf, indem er dort auf feinen Namen eine Pinte und ein Waarenlager halte; er habe demnach feine Geschäfte und seine Hauptniederlassung dahin verlegt. Sein Aufenthalt habe auf einer Bewilligung des Präfekten beruht, weil der Heimathschein nicht hinterlegt wurde..

Als Ausweisschriften habe Z. mitgebracht ein Zeugniß ^ des Gemeindraths von Ollon und einen Akt des Sekretariats der Iustiz und Polizei von Waadt des Inhaltes, daß sein Heimathschein zurükbehalten werde, weil ein Theil seiner Familie im Kanton Waadt bleibe, daß ihm aber diese Erklärung ausgestellt werde, um seinen Aufenthalt in Collombey zu legitimiren. Z. habe alfo den waadtländischen Behörden seine Abficht angezeigt, was in Verbindung mit dem zweijährigen Aufenthalt fein Domizil in Colomba begründe. Dort sei er auch von einzelnen Kreditoren belangt worden und habe daselbst zuerst seine Bilanz eingelegt. Endlich bezeuge der Gemeindrath von Eollombey, daß Z. seit zwei Iahren dort wohne, sein schweizerisches Bürgerrecht und die übrigen Rechte der Gemeindsbewohner ausübe und in der Eigenschaft als Kaufmann und W i r t h feinen An-

theil an die öffentlichen Lasten bezahlt habe.

Von waadtiändischer Seite wurde dagegen behauptet, Z. sei schon im Iahr 1837 nach Ollon gekommen , habe fich dort 1840 verheirathet und wohne seither dort auf

Grundlage einer Niederlassungsbewilligung, die bis 1855 gültig sei und die auf einem deponirten Heimathschein beruhe; auch habe er dort von 1844 an beständig sein

Wahlrecht ausgeübt. Im Iahr 1851 ließ er allerdings in Colombey eine kleine Planwirtschaft und Kramerei eröffnen, die aber von einem Dienstboten besorgt worden sei , indem er Anfangs nur zwei-

401 mal wöchentlich fich hinbegeben habe. Erst später sei er beinahe immer dort geblieben; allein seine Frau und Kinder haben Ollon nie verlassen. In Wallis habe er niemals eine Niederlassungsbewilligung erhalten , sondern nur eine je zu drei Monaten erneuerte Ermächtigung des Präfekten , fich dort aufzuhalten. Z. habe endlich am gleichen Tage, wie in Wallis, auch beim Gericht in

Aigle seine Bilanz niedergelegt.

Der Bundesrath hat gefunden, es sei das eivilrechtliche Domizil des Z. als in Ollon befindlich zu betrachten, und es sei demnach das gesammte Vermögen

desselben dem Bezirksgerichte Aigle zur Ausführung des Konkurfes zu übermachen, in Erwägung: 1) daß die Regierungen von Waadt nnd Wallis darüber einig gehen, es müsse der Konkurs über das Gefammtoermögen des Z. in dem Kanton ausgeführt werden, in welchem er seinen eigentlichen

Wohnfiz im gefezlichen Sinne des Wortes gehabt habe, u.'.d es fei die Frage von keiner Erheblichkeit, welche Gerichtsbehörde zuerst in der vorliegenden Konkurssach.. eingeschritten sei; 2) daß nun vorerst bei der Bestimmung des Wohnfizes folgende Momente nicht in Betracht kommen.

können:

a. die Ausübung des Stimmrechts, weil laut den amtlichen Berichten dieses Recht in denselben Iahren fowol in Ollon als in Collombey

ausgeübt hat; b. die Bezahlung der Steuern, weil fie ebenfalls an beiden Ortenstattfand; c. der von einem waadtländifchen Gläubiger in Eollombey (Wallis) angelegte Sequester, wei..

der Schuldner berechtigt, obgleich nicht immer

402 verpflichtet ist, sich an verschiedenen Orten belangen zu lassen, und weil die Handlung eines Gläubigers keinen Einfluß haben kann auf die Rechte des Staates oder dritter Personen in Betreff des Gerichtsstandes, der dem Glau...

biger zukommt; 3) daß wenn eine Perfon faktifch zwei Wohnfize hat, und eine Kollision eintritt über die Recht... und VerEndlichkeiten, welche von dem gesezlichen Domizil abhangen, von dem Grundsaze muß ausgegangen werden, daß das frühere Domizil als fortdauernd zu betrachten ist, wenn nicht in der Erwerbung des spätern ein Aufgeben desfelben liegt, und daß somit Rechte und Verbindlichkeiten aus dem fpätern Domizil in diesem Falle nur in sosern zur vollen rechtlichen Wirkung gelangen können, als sie nicht mit denjenigen kollidiren, welche von dem fortbestehenden altern Domizil herrühren; 4) daß nun in der Erwerbung des Domizils in Collombey ein Aufgeben des Domizils in Ollon offenbar nicht liegt und auch von Z. nicht beabsichtigt wurde, was aus folgenden Umständen hervorgeht:.

a. daß Z. auf Grundlage gefezlicher Ausweisschriften, namentlich eines Heimathscheins, den er .bei der waadtländifchen Behörde deponirte,

in Ollon eine förmliche Niederlassungsbewilligung erhielt, welche bis Ende Februar 1855 gültig ist; b. daß er bei feiner Entfernung nach Eollombey im Iahr 1851 feine Familie und sein Gewerbe

in Ollon zurükließ, während er persönlich in Collombey Aufenthaltsbewilligung erhielt ;

403 c. daß er weder seine Niederlassungsbewilligung in Ollon aufgab, noch feinen Heimathschein zurükzog, sondern behufs der Legitimation seines Aufenthaltes in Collombey nur eine Bescheinignng produzirte, daß er einen Heimathfchein befize, der in Waadt deponirt sei; 5) daß der Aufenthalt des Z. in Collombey gegenüber der förmlichen Niederlassung in Ollon auch darum feine rechtliche Bedeutung verliert, weil nach dem Gefeze

des Kantons Wallis vom 6. Juni 1845 (Art. ^ und 4) der dauernde Aufenthalt oder die Niederlassung an eine Bewilligung der Zentralpolizei geknüpft ist, während die Bezirksbehörde nur vorübergehenden Aufenthalt von höchstens drei Monaten bewilligen kann, und weil im vorliegenden Fall sich ergibt, daß Z. nur Aufenthaltsbewilligungen der leztern Art erhielt, woraus sowol bei der Behörde als bei Z. auf die Abficht geschlossen werden muß, nicht ein förmliches Domizil zu begründen zum Präjudiz feiner bleibenden Niederlassung in Ollon;

B. )

Die Regierung von Obwalden führte Be-

schwerde gegen diejenige von Nidwalden wegen Arrest unter Anführung folgender Verhältnisse: Heß von Engelberg kaufte im Herbst 1853 von Sel m in Stanz den Heuertrag, so wie die Frühlingsazung. Die Zahlungen waren auf Mai, September und November 1854 stipulirt. Zur Besorgung des

Viehes hielt sich Heß den Winter über in Nidwalden auf, meist auch seine Frau und ein Sohn, während ...ie andern fieben Kinder den Haushalt in Engelberg )

Zur richtigen Würdigung dieses etwas lompl.zirten Falles ist die nähere Einsicht der Akten erforderlich.

404 fortführten, wo er Liegenschaften und ebenfalls einen Viehstand befizt. Im Mai erhob sich ein Streit über die Rechnungsverhältnisse, obwol der fällige Termin bezahlt war. Am 14. Mai wurde nun auf sämmtliche 32 Stüke Vieh des Heß Arrest gelegt und derselbe verhindert, dasselbe in benachbartes Mattland zu treiben, dessen Azung er angekauft hatte. Es wurde deßhalb nach amtlicher Verfügung das Vieh in Selms Heimwefen getrieben. Heß felbst wurde in Verhaft geseze wegen seines Versuchs, das Vieh entgegen dem Verbote wegzutreiben. Der Rath bestätigte die Wegnahme der

32 Kühe, bis Heß fich mit Selm abgefunden oder

Sicherheit geleistet habe; auch wurde der leztere zur Aufstellung einer Wache gegen geheime Abfuhr aus

Kosten des Heß ermächtigt. Gegen alles dieses ließ Heß dem Selm und der Regierung von Nidwalden eine Protestation zugehen, worin sie für den großen Schaden verantwortlich erklärt werden. Am 16. Mai bewilligte dann der Rath eine Schazung, in Folge welcher vier Kühe für eine angebliche Forderung von Fr. 716 eingefchäzt, der Arrest auf die i.hrigen aber aufgehoben wurde. Heß wurde aus dem Verhafte entlassen, gegen Kaution für die Kosten. Er verweigerte die Annahme des Schazzettels, den man ihm mit Gewalt aufdrängen wollte. Eine Verwendung der Regier rung von Obwalden bei derjenigen von Nidwalden blieb ohne Erfolg. Die erstere beschwert fich nun sowol gegen jenen Arrest als gegen die Verhaftung und weitere strafrechtliche Behandlung des Heß. Der Arrest sei nicht gerechtfertigt gegen einen seßhaften, folvenden Obwaldnerbürger, der zudem auch in Nidwalden weit mehr Aktiva besaß, als die unbedeutende Rechnungdifferenz betrug. Die Berufung auf eine Verordnung

405 sei nicht stichhaltig, wonach das Wegführen von Vieh aus dem Kanton untersagt sei bis nach Zahlung oder Verficherung des bezogenen Grasnuzens; denn es sei nachgewiesen, daß H e ß das Vieh nur in eine benachbarte Wiese und nicht aus dem Kanton habe wegführen wollen, und überdieß frage es fich, ob eine solche Verordnung nicht den Bundesvorschriften widerspreche. Auch sei das Recht, das Vieh für die "genossenen Blumen,, zu behaften, beschränkt und an Bedingungen geknüpft, die hier nicht vorhanden seien. Es sei mithin auch die Schazung unzuläßig, weil für die anerkannte Schuld theils Zahlung, theils Kaution anerboten worden, und weil der größte. Theil derselben erst später fällig geworden fei , indem für denstreitigenTheil nur bei Gefahr im Verzug eine Schazung hätte eintreten können und weil hier erst noch über das Forum entschieden weiden müsse.

Die Regierung von Nidwalden bemerkte über die tatsächlichen Verhältnisse, fo weit fie oben berührt find, Folgendes : Heß betreibt fchon über ein halbes Jahr mit seiner Frau und abwechselnd zwei bis drei Söhnen auf feine Rechnung in Nidwalden die Sennerei und ist daher nach dem Gesez als Niedergelassener zu betrachten; die dießfällige Taxe hatte er nach einer Convention zwischen beiden Standestheilen nicht zu bezahlen und Steuern, denen er hätte unterworfen werden können, wurden keine erhoben. Die Ausübung der ihm als Niedergelassenen zustehenden Rechte wurde nie verweigert. Es wird bestritten, daß Heß je im Ernste Sicherheit versprochen oder Anstalten dazu getroffen habe. Die Vermuthung sprach dafür, daß Heß das Vieh außer den Kanton führen wolle, zumal er sich widersprechend hierüber

406 äußerte. Die Verhaftung erfolgte, weil er anfänglich die Arrestanlegung läugnete, das Vieh wegtreiben wollte und der Vorladung vor den Landammann nicht Folge leistete.

In rechtlicher Beziehung wird erponirt: Sel m beansprucht für die Sicherheit seiner Forderung ein Pfandrecht auf das bei ihm an die Azung gegellte Vieh, und zwar in dreifacher Eigenschaft: a. als Verpächter der Azung oder Eigentümer des Grundstüks, von welchem sie herrührt. Von jeher galt in Nidwalden der Grundsaz: "Was Blumen

ißt, zahlt Blumen." Es findet sich auch in den Verordnungen über die Gülten und hat noch in manchen Gesezgebungen Geltung; ..). als Eigentümer der lezten Gült, welche ans dem Gute haftet. Das Pfandrecht diefes Befizers beruht wieder auf manchen Stellen des Landrechts, so wie auf den Verordnungen vom ... Oktober

1849 und 24. April 1854, nach welchen H eß fchon im Anfange der Nuzung zur Sicherheit angehalten werden konnte. Daß Selm auch in diefer Hin-

ficht Schritte gethan, beweist eine Bescheinigung der Polizeidirektion; c. als Inhaber einer Forderung, die in Bezug auf

ihre Eindringlichkeit zweifelhaft oder gefährlich ist.

Nach dem Nidwaldner Betreibungsgeseze kann der gefährdete Gläubiger immer Sicherheit verlangen, und zwar auch für streitige Ansprachen. Läßt er für leztere schäzen, so hat er dann Strase zu gewärtigen, wenn der Schuldner im Prozesse obsiegt.

Verschiedene (im Berichte spezifizirte) Umstände beweisen nun, daß Gefahr für die Forderung vorhanden war. Unter solchen Verhältnissen gestatten auch

407 andere Gesetzgebungen den Arrest. Dieses steht nicht im Widerspruch mit der Bundesverfassung oder dem Konkordate über den Gerichtsstand; denn der Art. 50 der erstern bezieht fich auf persönliche An-

sprachen, während über dingliche Verhältnisse das fornm reisitae entscheidet, wie auch der Bundesrath den Artikel auslegte. Hier handelte es fich um die Sicherung eines fchon bestehenden Pfandrechtes, nicht aber um Errichtung eines solchen. Eben so unzuläßig ist die Berufung auf den Art. 48 der Bundesverfassung, weil die betreffenden Geseze auch gegen Nidwalden zur Anwendung kommen, weßhalb auch die Streitfrage über die Niederlassung des Heß unerheblich ist. Der Umstand, daß die Forderung nicht fällig war, ändert nichts an der Sache; denn er kann das Recht nicht aufheben, die erforderlichen Maßregeln zur Sicherung eines Pfandrechtes anzuordnen. Die spätere Schazbewilligung war nur eine Folge des Arrestes, und nothwendig zur Realisirung des Pfandrechts.

. Hierüber hat nun der Bundesrath,

in Erwägung: 1) daß vorerst in Frage kommt, ob Heß als Niedergelassener des Kantons Unterwalden nid dem Wald zu betrachten fei, indem bejahendenfalls von einer Anwendung des Art. 50 der Bundesverfassung nicht die Rede sein könnte ; 2) daß nun aber diese Frage zu verneinen ist, weil Heß während der fraglichen Zeit feinen Haushalt in der Heimathgemeinde Engelberg fortführte, wo sein Grundeigentum fich befindet und wo er den größten Theil seiner Familie und einen Theil seines

408 Viehstandes zurükließ; weil er ferner in Nidwalden weder Ausweisfchriften deponirte, noch ein Niederlassungsrecht verlangte oder ein solches erhielt; und weil er offenbar dort kein bleibendes Domizil hatte oder beabsichtigte, sondern nur für eine gewisse Zeit zur Fütterung und Beforgung feines Viehes sich dahin begab ; 3) daß mithin seine Heimathgemeinde Engelberg als

sein politisches und bürgerliches Domizil, wo er

für persönliche Ansprachen rechtlich zu belangen war, betrachtet werden muß; 4) daß nun die Beschwerde der Regierung von Obwalden fich auf folgende Punkte bezieht: a. auf den auf das Vieh des Heß gelegten Arrest und dessen Folge, die Schazung; b. auf den Gerichtsstand, der hiedurch für die Forderung selbst in Anspruch genommen wird; c. auf das gegen Heß und seine Söhne angewendete strafrechtliche Verfahren;

Ad A.

5) daß vorerst ein Arrest auf Grundlage einer angeblichen Gefahr wegen Realisirung der Forderung nicht statthaft war und allfällige Geseze, welche aus diesem Grunde den Arrest gestatteten, ungültig sind, weil der Art. 50 der Bundesverfassung einen Arrest auf das Eigenthum folvender und auf festem

Wohnfiz befindlicher Schweizerbürger für persönliche

Ansprachen nicht gestattet; 6) daß mithin nur noch in Frage liegt, ob die Forderung des Selm an Heß für den Kaufpreis des ihm überlassenen Heues oder Grases (Blumens) mit einem vertragsmäßigen oder gesezlichen Pfand-

409 rechte versehen gewesen fei, zu dessen Schuze ein possessorifches Rechtsmittel habe angewendet werden können ; 7) daß ein vertragsmäßiges Pfandrecht nicht behauptet wird, vielmehr aus dem Vertrage hervorgeht, es fei dem Heß der Kaufpreis theilweife weit über den Termin hinaus, an welchem das Vieh das S e l m i f c h e Grundeigenthum wieder zu verlassen hatte, kreditirt und anvertraut worden; 8) daß hiegegen die Regierung von Nidwalden für den S e l m ein gefezliches Pfandrecht in Anspruch nimmt und zwar in dessen Eigenschaft: a. als Inhaber der lezten Gült; b. als Eigentümer des Grnndstüks, dessen Blumen das H e s s i s c h e Vieh konsumirt hat oder als Verkäufer dieses Blumens; 9) daß allerdings nach dem Nidwaldner Landrecht (Formularbuch Anhang Seite 7 und 8) dem Inhaber der lezten Gült ein Pfandrecht an den Blumen, ,,so das Vieh ißt oder geessen hätte .," zukommt, das aber erst dann entsteht und wirksam wird, wenn derselbe für seinen Zins beim Gültschuldner und auf dessen Eigenthum keine Befriedigung gefunden, oder wenn ein älterer Gültgläubiger im nämlichen Falle die Zahlung bei ihm fucht, wodurch er in den Befiz von dessen Pfandrechten gelangt; 10) daß nun aber diese Vorausfezungen nicht nur nicht vorhanden find, sondern daß überall von einer Gültforderung keine Rede ist , indem, laut Rechnung des Selm und Schazung, der Arrest für den Kaufpreis des Heues, mithin für eine ganz andere Forderung nachgesucht und bewilligt wurde;

410 11) daß diefe Auffassung auch durch §. 3 der Verorduung vom 1. Februar 1854 bestätigt wird, woraus hervorgeht, daß bei Abweidung eines Grundstükes durch fremdes Vieh der Eigenthümer des erstern dem Inhaber der lezten Gült fogleich Kenntniß geben soll, damit dieser, wenn es nöthig ist, den Verkäufer des Blumens und erst bei d e s s e n I n s o l v e n z den Käufer desselben zur Sicherheitsleistung anhalten könne; 12) daß übrigens diefe Verordnung nur zu Gunsten der Gültenforderungen und für den Fall des Wegziehens mit den Blumen oder Vieh aus dem Kauton erlassen wurde, nun aber in keiner Weife konstatirt ist, daß Heß fein Vieh aus dem Kanton wegtreiben wollte, vielmehr in den Akten nachgewiesen ist, und zudem durch die Behörde von Nidwalden fehr leicht und fchnell hätte konstatirt werden können, daß Heß sein Vieh nur in ein benachbartes Grundstük bei Stanz abführen wollte, mithin auch vom Standpunkte obiger Verordnung aus ein Arrest sich keineswegs rechtfertigte; 13) daß zudem, wenn auch im Sinne diefer Verordnung eine Sicherstellung auf dem Wege des Arrestes an fich zuläßig gewesen wäre, ein Arrest auf eine ganze Sente von 32 Kühen für eine Forderung von einigen hundert Franken auf keine Weife fich

rechtfertigen läßt; 14) daß, was nun das angebliche Pfandrecht des Verkäufers des Blumens an dem Vieh betrifft, (Er-

wägung 8 b.) dasfelbe lediglich auf eine Uebung fich stüzt, welche jedoch nicht nur bestritten und in keiner Weise belegt wird, sondern anch in dem Umfang, in welchem sie behauptet wird, allen

411 Analogien, Gesezen und Uebungen anderer Kantone, welche ähnliche Rechtsverhältnisse haben und welche zum Theil von Nidwalden zitirt werden,

widerspricht; 15) daß nämlich ein solches Pfandrecht an dem Vieh wol fich in Gesezen und Uebungen vorfindet, so lange lezteres auf dem betreffenden Grundstüke, also im Befize des Verkäufers des Blumens ist, ähnlich dem Pfandrechte des Verpächters oder Vermiethers an den Illaten, nicht aber, wenn das Vieh mit Wissen des Verkäufers weggenommen wurde; (Berner Civilrecht §. 842.

Luzerner Eivilrecht §. 630.

Appenzell A. Rh. Rechtstreibgesez §. 15.)

16) daß im vorliegenden Falle erwiesener Maßen das Heßische Vieh zur Zeit des Arrestes nicht mehr auf dem Selmischen Grundeigenthum war, fondern bereits ein anderes Grundstük abgeweidet hatte, auch von keiner Seite behauptet wurde , daß der Wegzug ein heimlicher gewesen sei; 17) daß somit die Forderung des Selm für verkauftes Heu unter diesen Umständen lediglich als eine persönliche Ansprache ohne damit eoneurrirendes und schon vorhandenes dingliches Recht fich ....ua.ifizirt, mithin ein Arrest auf das Eigenthum des folvenden und in Engelberg seßhaften Heß dem Art. 50 der Bundesverfassung widerspricht; 18) daß aus demselben Grunde die Fortdauer dieses Arrestes .in Bezug auf vier Kühe, resp. dessen Umwandlung in eine Schazung unzuläßig ist, indem der

Rechtstrieb, dessen Folge eine regelmäßige Schazung sein muß, in Engelberg anzuheben gewesen wäre:,

^12

Ad ^.

19) daß nach dem Gesagten fich von selbst versteht, daß ein allsälliger Rechtsstreit über dieSelmische Forderung vor dem Gerichtsstande des Schuldners in Obwalden auszutragen ist, während hinwiederum Heß allfällige Forderungen gegen die Behörden von Nidwalden im lezteren Kanton anzubringen hat; ^ Ad C.

20) daß dem Bundesrathe keine Entscheidung zusteht ^ über das gegen Heß und Söhne eingeleitete strafrechtliche Verfahren , zumal die Behörden von Nidwalden unzweifelhaft kompetent waren, über dort allfällig verübte Vergehen einzuschreiten, gefunden : es sei die Beschwerde der Regierung von Obwalden zum größten Theile begründet, und daher e r k a n n t : 1) Sei der Arrest und die darauf gestüzte Schazung unzuläßig, und daher das gefchäzte Vieh oder dessen Aequivalent an Obwalden zurükzustellen.

2) Seien die Gerichte von Obwalden kompetent, die Forderung des Selm an Heß zu beurtheilen.

3) Sei auf die Beschwerde über das strafrechtliche Verfahren nicht einzutreten.

C. Ein V. von Oenfingen (Solothurn) rekurrirte in folgender Angelegenheit: Nach dem Tode eines gewissen I. von .^angenbruk und Abtretung von dessen Nachlaß an feine Kreditoren ließ die Bezirksschreiberei Waldenburg den Konkurs ausBünden über ^ie angeblich in Langenbruk domizilirt^ Handelsgesellschaft des I. und V., Rekursen ^ wo^egen der leztere, fo wie die Regierung von Solothurn ..

413 ohne Erfolg reklamirte. Ueberdieß wurde V. durch den Regierungstatthalter in Waldenburg, als Massaverwalter des Nachlasses von I., vor den Friedensrichter in Langenbruk behufs Rechnungsstellung vorgeladen.

Die solothurnischen Behörden verweigerten jedoch die .Anlegung der Vorladung. Gegen jene Verfügungen, Konkurseröffnung uud Vorladung wurde sodann aus folgenden Gründen Beschwerde geführt : a. V. wohnte nie in Langenbruk, sondern war mit Familie und Gewerb stets in Oenfingen, wo er eine Gemeindsstelle bekleidete.

b. Iedem Konkurse muß der Rechtstrieb für eine liquide Forderung vorausgehen, und dieses muß nach dem Konkordate im Domizil des Schuldners stattfinden.

Diesem entgegen wurde über V. der Konkurs in Waldenburg eröffnet und zwar in Folge einer For.derung, welche V. bestreitet und worüber daber zuerst der Richter seines Wohnorts zu entscheid den hat.

c. Die Behauptung, daß V. mit I. in einer Soeietät gestanden fei unter der Firma J. und B. wird widersprochen, und ein Beweis dafür liegt nicht vor.

Nie war von einer bleibenden Verbindung, von einem Soeietätsvertrag oder einer Firma die Rede.

V. beauftragte bloß bisweilen den I. mit Ankauf von Virh und geb ihm das Geld dafür, während er allein den Rifiko trng , und weil jedesmal ohne irgend welche Buchführung abgerechnet wurde.

Die Bezirksämter von Waldenburg ließen einen Bericht einsenden im Wesentlichen folgenden Inhalts: Der Nachlaß des I. wurde ausgeschlagen, und es war somit der Konkurs darüber einzuleiten. Dabei zeigte fich, daß Zuerst die Liquidation einer in Langenbruk domizilirten...

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Jahrg.

VII.

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I.

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414 auf Viehhandel gerichteten Soeietät, deren Mitglied V.

war, vorzunehmen sei. Da für die erledigten Geschäfte der Gesellschaft ihr Vermögen haftete, so mußte der über fie ausgebrochene Konkurs publizirt werden, weil V. sich weigerte, die Liquidation der Gefellfchaftsschulden zu übernehmen. Eristirte eine Gesellschaft und war deren Wohnfiz in Langenbruk, so wurden dadurch die Bezirksämter von Waldenburg kompetent, von Amtes wegen einzuschreiten, und allfällige Befchwerden gegen sie find bei dem Civilrichter anzubringen, nicht bei einer Vollziehungsbehörde, deren Zuständigkeit bestritten wird. Nach den hierseitigen Gesezen haben Körperschaften , Gemeinheiten und Gesellschaften ihren persönlichen Gerichtsstand da, wo der regelmäßige Versammlungsort ihrer Vertreter ist. Tritt nun ein Fremder hier einer Soeietät bei, so unterwirft er fich diefem Gefeze hinsichtlich aller Forderungen, die aus der Gesellschaft herrühren. Zur Begründung einer Gesellschaft bedarf es weder eines schriftlichen Vertrages, noch der Publikation der Firma.

Bei der Inventarisation langten mehrere Forderungen ein an I. und V. als Gesellschafter, auch sprach fich die öffentliche Meinung für die Existenz einer Gefellschaft ans, so wie die Aeußerung des V. selbst in einer Einvernahme.

Die Beschwerde wurde für begründet erklärt und beschlossen, es fei weder der Konkurseröffnung gegen V. noch dessen Vorladung zur Rechnungsstellung an die basellandschaftlichen Behörden Folge zu geben, und zwar in Erwägung : l) daß bei der Frage, ob die Behörden von BafelLandschaft befugt feien, über einen Einwohner des Kantons Solothurn Konkurs z.l eröffnen und denselben behufs einer Klage auf Rechtsstellung

415 vor ihr Forum zu ziehen, die Grundfäze des Bundesstaatsrechts maßgebend find, mithin die Kompetenz des Bundesrathes nach Art. 90 Ziff. 2 der Bundesverfassung und steter Praxis begründet ist; 2) daß nun in der . Sache selbst weder die Existenz einer förmlichen und dauernden Handelsgesellschaft, noch das Domizil derselben in Langenbruk nachgewiesen, oder auch nur zur Wahrscheinlichkeit gebracht ist , indem I. , einer der angeblichen Gesellschafter, lediglich dort wohnte, während daselbst keine Firma , kein Gefchäftsbüreau , keine gemeinsame Buchführung vorhanden ist, keine öffentliche Bekanntmachnng und überhaupt kein Akt vorliegt, woraus entnommen werden könnte, daß V. mit I.

in eine Handelsgesellschaft getreten und eingewilligt hätte , Langenbruk als Domizil derselben zu er-

klären ; 3) daß vielmehr aus den vorliegenden Akten sich nur ergibt, es haben beide Personen in einigen vereinzelten Fällen Vieh gekauft und wieder veräußert, wozu V. sein Geld und feinen Kredit hergab und

den Risiko ganz allein trug, während I. beim Einund Verkanf thätig war und einen Theil des all-

fälligen Gewinns zur Belohnung erhielt; 4) daß bei diefer Sachlage kein Grund vorhanden ist, den V. anzuhalten, der Konkursmasse des I.

oder auch den Kreditoren der angeblichen Soeietät vor einem andern, als feinem natürlichen Richter (Art. 50 der Bundesverfassung) Rede zu stehen ; 5) daß überdieß, wenn man auch die Eristenz einer Gefellfchaft annehmen wollte, der Nichtantritt des Privatnachlasses von I. ab Seite seiner Crben

416 keineswegs die Insolvenz der angeblichen Soeietät zur Folge haben konnte, so lange die leztere nicht ihre Insolvenz erklärte, oder die einzelnen Gesellschafter durch den Rechtstrieb zum Konkurse gebracht wurden ; 6) daß unter diesen Umständen es nicht in der Befugniß der Behörden von Basel-Landschaft liegen konnte, gegen einen, nicht einmal in ihrem Gerichtskreis wohnhaften, noch solvenden Gesellschafter den Konkurs zu eröffnen, sondern daß es vielmehr den Societäts- Gläubigern überlassen werden muß, den aufrechtstehenden , angeblichen Assoeié an seinem Wohnorte zu belangen D. Der Bote G. von W., im Kanton Zürich, beschwerte fich über Verleznng des Art. 50 der Bundesverfassung durch die aargauischen Behörden. Im Jahr I852 sei er wegen Zollverschlagniß im Aargau verurtheilt und für Buße und Kosten betrieben werden, wogegen er Rechtsvorschlag ausgewirkt habe. Dieses Iahr nun habe man seinem Bruder das Botenfuhrwerk in Kaiserstuhl so lange mit Beschlag belegt, bis fein Vater, dem dasselbe gehöre, die Buße und Kosten bezahlt habe.

Er verlange daher die Rückerstattung des Geldes und

Zurechtweisung des Bezirksamtes Zurzach.

Die aargauische Regierung berichtete hierüber : G war durch rechtskräftiges Urtheil zu Buße und Kosten verfällt, und es wurde in seiner Heimath die Betreibung durch Rechtsvorschlag gehemmt. Daher erhielt das Bezirksamt Zurzach den Auftrag, durch beschlagnahme des Botenfuhrwerks von G. dem Urtheil Vollziehung zu verschassen. Es handelt fich daher nicht um eine ziv rechtliche Ansprache, sondern um eine durch rechtskräftiges Strafurtheil. auserlegte Fiskalleistung an den aar-

417 gauischen Staat, dessen Gerichtsbarkeit als fornm deli.^ allein zuständig war. Uebrigens erfolgte dann die Bezahlung durch G., ohne daß er auf dem gesezlichen Wege Einsprache erhob. Wäre dieses geschehen, so .hätte die Behörde in summarischem Verfahren den Arrest vor dem Richter rechtfertigen müssen. Da dieses nicht ^.der Fall war, so erhielt die Zahlung den Charakter eines freiwilligen Aktes.

Die Befchwerde wurde als unbegründet abgewiesen^ in Erwägung : 1.) daß der Zwek des Art. 50 d^r Bundesverfassung einzig darin besteht, zu bewirken, daß Schuldner für persönliche Anfprachen durch Arreste nicht ihrem natürlichen Richter entzogen werden ; 2) daß nun im vorliegenden Falle diesem Zweke nich^ entgegen gehandelt wurde , indem die aargauifchen Behörden zur Ausfällung des Strafnrtheils kom^ petent waren , fo wie auch zur Vollziehung des Urtheils auf ihrem Gebiete, nachdem G. ohne Erfolg an seinem Wohnorte belangt worden war; 3) daß die Behauptung des G., es habe das mi..

Beschlag belegte Fuhrwerk seinem Vater gehört^ ganz unerwiesen und bei jeziger Sachlage jedenfalls

unerheblich ist, indem dasfelbe zurükgestellt und die Zahlung laut Ouittung und Bericht der aargauischen Regierung vom Rekurrenten selbst geleistet wurde.

E. Ch. von Assens (Waadt) pachtete ein Gut in.^ Kanton ^reiburg und beschwerte sich dann, daß der Verpächter fein ganzes Mobiliar ohne Grund mit legt habe. Die Befchwerde wurde von der wiesen, in Berükfichtigung, daß es fich nicht Arrest handle, der in einem andern Kantone

Arrest beHand geum einen als dem.^

4l8 Wenigen, in welchem der Rekurrent wohnt, zum Zweke, ihn seinem natürlichen Richter zu entziehen, auf sein Vermögen gelegt worden wäre, daß mithin eine Verufung auf den Art. 50 der Bundesverfassung unstatthaft sei und die Beschwerde ausschließlich vor die freiburgischen Gerichte gehöre.

F. Gegen die Gerichte von Luzern wurde von F.

in L. (K. Bern), betreffend Arrest und Gerichtsstand, folgende Beschwerde geführt : Der Rekurrent kaufte in einer luzernifchen Gemeinde eine Partie Holz, was ohne Vorbehalt eines Pfandrechts geschah. Das Holz war bereits auf ein anderes Grundstük geführt, als der Verkäufer es mit Arrest belegen ließ wegen einer kleinen, noch nicht bezahlten Restanz.

Eine Beschwerde dagegen wurde vom Gerichtspräsidenten abgewiesen , und eben so ein Rekurs vom Obergericht , weil es verspätet sei. Der Grund des Verbots war ein angebliches Pfandrecht ....n dem verkauften Holze.

Dieses Motiv ist aber unrichtig , weil ein Pfandrecht nicht vorbehalten war und das Holz fich bereits auf dem Eigentum dritter Personen befand. In einem andern .Falle stellte felbst die Iustizkammer dieses Kantons das Motiv auf, daß der Befchädigte ein gesezliches. Rettentionsrecht an den auf seinem Grundeigentum befind..ichen Holzstämmen habe, woraus also folgt, daß dergleichen Rechte erlöschen, wenn die Gegenstände nicht .mehr auf dem betreffenden Grundstüke find. Wäre aber auch das Verbot nach dortigen Geizen begründet, so widerspricht es dem A..t. 50 der Bundesverfassung.

Rekurrent macht schließlich noch auf den großen Schaden aufmerksam, wacher für die Holzhändler dadurch entstehe, ....aß fie verhindert werben, ihre Lieferungen rechtzeitig zu erfüllen.

4^ Ueber diese Beschwerde .berichtete die Regierung von .Luzern im Wesentlichen Folgendes: Der Rekurs ist schon in f o r m e l l e r Beziehung abzuweisen, weil unterlassen wurde, rechtzeitig an' s Obergericht zu rekurriren, wodurch das Verbot in Kraft erwachsen ist. Die Beschwerde ist aber auch materiell unbegründet, denn es handelt fich nicht um einen Arrest auf dem Vermögen ^ines folvenden Schweizerbürgers außerhalb seines Kautons ; das fragliche Hol^ ging noch nicht in das Eigenthum des Rekurrenten über, weil die hiezu nach .^ 286 des Civilgefezes erforderliche rechtliche Uebergabe erst dann angenommen werden kann , wenn der Verkäufer

das Objekt frei abführen läßt. Das Verbot ist endlich nur die Ausübung des Retentionsrechtes, welches dem Verkäufer an d^.m verkauften, aber noch nicht tradirten ^olze zusteht (.^. 628 des luzernifchen Civilgesezes).

Dieser ^. lautet: "Für Vieh oder anderes bewegliches Gut, welches ,,gegen baare Bezahlung verkauft wird, bleibt das,, selbe, wenn es der Käufer zur Hand nahm, ohne ,,die Zahlung zu leisten, vierzehn Tage Pfand für ,,die Kaufsumme und der Verkäufer kann während ,,dieser Zeit darauf, oder wenn die Sache bereits "veräußert sein sollte, auf den Kauffchilling, wenn ,,dieser noch aussteht, greifen."

Die Beschwerde wurde als nicht begründet erklärt, ..n Erwägung .

1) daß vorerst in formeller Beziehung die Unterlassung eines Rekurses an das luzernische Obergericht während der gesezlichen Frist der Vierseitigen Anhandnahme und Entscheidung des Falles nicht entgegensteht, indem die Wirkung der BundesverFassung nicht durch die Fristen eines kantonalen

420 Prozeßgesezes beschränkt oder aufgehoben werden kann, und indem die wesentliche Bedeutung des Art. 50 der Bundesverfassung gerade darin besteht, daß der von einem bundeswidrigen Arrest Betroffene n.cht angehalten werden kann, zuerst durch alle Rechtsinftanzen eines andern Kantons über Arrest oder Gerichtsstand zu prozesfiren, fondern daß er sich gutfindenden Falls unmittelbar an die Bundesbehörde wenden kann; 2) daß nun , was die Sache felbst anbetrifft, de.r Art. 50 der Bundesverfassung zwar vorschreibt, für persönliche Forderungen folgende Schweizerbürger an ihrem Wohnfize zu belangen, und daher Arrestanlegungen außerhalb ihres Kantons in solchen .fällen für unzuläßig erklärt; 3) daß es jedoch hierdurch den Kantonen keineswegs benommen ist, durch ihre Gefezgebung für gewisse Klassen von Forderungen ein Retentions- oder Pfandrecht aufzustellen, wie z. B. für die Fordernng des Gastwirths an den Effekten der Reisenden, oder zu Gunsten des Verkäufers an dem verkauften Objekte, oder zu Gunsten des Beschädigten an dem noch in feinem Besize befindlichen Gegenstande, womit der Schaden verübt wurde u. s. w.; 4) daß, wo dieses geschehen ist, solche Forderungen nicht als rein persönliche im Sinne des Art. 50 der Bundesverfassung zu betrachten find, mithin der amtliche Schuz eines solchen schon begehenden gesezlichen Pfands oder Retentionsrechtes nicht als but.deswidrige Arrestanlegung, durch welche erst weitere Rechte oder Vortheile erreicht werden sollten, ausgelegt werden kann;

421 5) daß nun, betreffend den vorliegenden Fall, aus §. 628 und 629 des luzernischen Civilgefezes hervorgeht, bei Verkäufen gegen Barzahlung stehe dem Verkäufer nicht nur ein Retentionsrecht an dem Kaufsobjekte zu, so lange er noch im Befize desselben ist, sondern auch ein Pfandrecht während 14 Tagen nach erfolgter Uebergabe; 6) daß es nicht erforderlich ist, zu untersuchen, ob hier der eine oder andere dieser Fälle vorhanden sei, weil der Rekurrent nicht behauptete, daß das streitige Verbot erst nach Ablauf von 14 Tagen von der wirklichen oder behaupteten Uebergabe an erfolgt sei, mithin in beiden Fällen jene Amtshandlung zum Schuze des vorhandenen Retentions- refp.

Pfandrechtes zuläßig war ; 7) daß wenn der Rekurrent behauptet, nach einem von der luzernifchen Iustizkammer des Obergerichts in einer andern Rekurs Sache aufgestellten Grundfaze hören "solche Pfandrechte" auf, fobald das Objekt derselben nicht mehr auf dem betreffenden Grundftüke fei, diese Behauptung auf einer völligen .Verwechslung der zwei ganz verschiedenen Fälle beruht, indem es fich in jenem Falle um ein Pfandrecht des Geschädigten an dem noch auf feinen

Grundftüken befindlichen Objekte der Schädigung und um analoge Anwendung des §. 728 des Civilgefezes handelte, hier aber um ein Pfandrecht des Verkäufers an dem Gegenstande des Kaufs und um Anwendung des §. 628, welcher bei diesem Pfandrechte gerade die vorherige Uebergabe des Befizes vorausfezt; 8) daß die fernere Behauptung des Rekurrenten, es sei im Vertrag kein Pfandrecht vorbehalten, un-

422

erheblich ist, indem das gesezliche Pfandrecht wenigstens für seine Dauer das vertragsmäßige über-

flüsfig macht; 9) daß endlich der vom Rekurrenten hervorgehobene Nachtheil, welcher durch ein solches Verbot entstehen kann, nach dem Gesagten kein rechtswidriger ist, und von Seite des Käufers durch Bezahlung des Kaufrestes oder Deposition desselben , falls er streitig ist, gänzlich vermieden werden kann.

Vollziehung G. Die Regierung von Aargau beschwerte fich gegen von Urtheilen. die Regierung von Zug in folgender Angelegenheit : Art 49 der Budesverfa-

Ein aargauischer Rechtsanwalt führte im Aargau einen Prozeß für einen Einwohner des Kantons Zug, Herrn U., und ließ den aargauischen Gesezen gemäß seine Kostenforderung bei dem Gerichte moderiren. Herr U.

erschien zum Moderationstermine nicht, sondern erklärte schriftlich, man müsse ihn im Kanton Zug suchen. Das Moderationsurtheil bestimmte die Kosten auf Fr. 262.

88 Rp. a. W. Die zugerfchen Behörden verweigerten

die Vollziehung dieses Urtheils , weil der Schuldner nach Art. 50 der Bundesverfassung befugt gewesen sei, die Kompetenz des aargauifchen Gerichtes zu bestreiten, und weil von Anwendung des Art. 49 so lange nicht die Rede sein könne, bis über die Kompetenz jenes Gerichtes entschieden sei. Gegen diese Auffassung wurde nun eingewendet : Durch die Uebertragung des Prozesses hat Herr U. die Entscheidung des aargauifchen Gerichtes über die Haupt- und Nebenpunkte des Prozesses anerkannt. Die Kostenforderung des Anwaltes bildet einen solchen Nebenpunkt. Das vom Geseze hiebei vorgeschriebene Verfahren wurde beobachtet. Es handelt fich nicht um eine erst noch richterlich zu bestimmende, selbstBändige Forderung vor dem forum domicilii des Schuld-

423 ners, sondern um Vollstrekung einer gerichtlich schon festgestellten Kostenforderung, nachdem der Schuldner die Kompetenz in der Hauptsache anerkannt und jene Forderung in der rechten Form und Zeit nicht bestritten hatte.

Der Art. 50 der Bundesverfassung findet daher hier nicht Anwendung; denn den zugerifchen Gerichten geht jede Befugniß ab, über eine nach aargauischen Gesezen vor aarganischen Gerichten aufgelaufene und von diesen durch Urtheil bestimmte Kostenforderung von Neuem zu entscheiden.

Die Regierung von Zug beharrte auf der Anficht, daß der Art. 50 der Bundesverfassung maßgebend sei.

Ienes Moderationsurtheil könne als Beweismittel für die Richtigkeit der Forderung beim zugerischen Gerichte

eingelegt, aber als ein rechtskräftiges Urtheil nicht betrachtet werden.

Der Bundesrath hat gefunden, er könne dem Gesuche um Mitwirkung zur sofortigen Vollftrekung des aargauischen Moderationsurtheils nicht entsprochen werden. Indem er diese Anficht ausspricht, ist er weit entfernt, ein solches Moderationsurtheil aufheben oder in der ihm gebührenden rechtlichen Wirkung schmälern zu wollen ; allein man mußfichauf der andern Seite hüten, demselben eine Tragweite zu geben, die es der Natur der Sache nach nicht haben kann. Wenn Iemand in einem Kanton Prozesse führt und fich eines dortigen Anwaltes bedient, so unterwirft er fich den dortigen Prozeß- und Advokaturgesezen; er genießt den Schuz derselben, hat aber auch die Verpflichtungen zu erfüllen, welche diese Geseze ihm auferlegen. Es kann daher z. B.

keinem Zweifel unterliegen, daß der Anwalt berechtigt ist, nach dem gesezlichen Tarif feines Kanton die Gebühren zu berechnen. Wenn nun in diesem Kanton ein

424 summarisches Verfahren für allfällige Streitigkeiten zwischen Anwalt und Klient über die Richtigkeit der Ansäze der Rechnung vorgeschrieben ist, so folgt aus Obigem, daß das betreffende Gericht allerdings kompetent ist, hierüber maßgebend zu entfcheiden. Auch ist dasselbe allein im Stande, zu wissen , ob der Anwalt die Leistungen, welche er in Rechnung bringt, wirklich gemacht habe.

Es kann also die Bedeutung und rechtliche Wirkung eines solchen Moderationsurtheiles nicht verkannt werden.

Wenn dessen ungeachtet einem solchen Urthe.l nicht die Kraft eines fofort exekutorischen Titels zuerkannt werden kann, so beruht dieses auf folgenden Gründen: Es fragt sich, welches der Zwek und die Bedeutung des Moderationsverfahrens und des betreffenden Unheils fei.

Während der gewöhnliche Prozeß die definitive Regulirung eines bestimmten streitigen Rechtsverhältnisses in seinem ganzen Umfange bezwekt, fo kann das Moderationsverfahren keine andere Bedeutung haben, als zu untersuchen und zu entscheiden : a. ob der Anwalt die in der Rechnung enthaltenen Leistungen wirklich gemacht habe; b. ob die Anfäze hiefür dem gesezlichen Tarife entsprechen.

Eine weiter gehende Kompetenz kann aber der Moderationsrichter, als solcher, nicht haben, namentlich nicht gegenüber Kantonsfremden, und es darf auch nicht angenommen werden , daß kantonsfremde Kläger durch Anhebung des Prozesses in eine weitet gehende Kompetenz eingewilligt haben. Nun umfaßt aber dieses Moderationsverfahren, resp. Urtheil, nach dem Gesagten durchs aus nicht das ganze Rechtsverhältniß zwischen Anwalt und Klient, betreffend die Kostenforderung,. und es kann daher auch dieses sogenannte Urtheil, das im Gtunde nichts

425 anderes ist, als ein authentischen Zeugniß der kompetent

ten Behörde über die Richtigkeit der Rechnung in den zwei oberwähnten Beziehungen, unmöglich die Bedeutung

und die Wirkung eines rechtskräftigen Urtheils haben.

Denn dem Schuldner können noch eine Menge Einreden zu Gebote stehen , welche die auch richtig berechnete Forderung aufheben können, Einreden, welche das Moderationsversahren durchaus nicht berühren, sondern die vom natürlichen Richter des Schuldners beurtheilt werden müssen. Einige Beispiele werden dieses außer Zweifel sezen. Der belangte Schuldner kann z. B. die Einrede gänzlicher oder theilweiser Zahlung haben.

Dieses scheint gerade hier der Fall zu sein. Während in der Beschwerdeschrift die Exekution eines Urtheils im Betrage von Fr. 262. 80 Rp. a. W. verlangt wird, zeigt fich aus den Akten, daß an diese Summe bereits Fr. 53. 80 Rp. bezahlt waren. Wenn auch hier dieser Umstand ohne Bedeutung ist , weil der Kreditor diese Zahlung anerkennt, so beweist er doch die große Tragweite der Behauptung , daß ein Moderationsurtheil exekutorische Kraft habe. Es können nämlich viele Fälle eintreten, in welchen eine Prozeßpartei ihrem Anwalt Vorschüsse gemacht hat, ohne daß fie im Stande ist, dieses anders zu beweisen, als etwa im ordentlichen Civilprozeß durch Zeugen, Eid, Indizien u. f. w. Wollte man daher das Moderationsurtheil als rechtskräftig und exekutorisch betrachten, so würde der Schuldner um seine Einrede und seinen natürlichen Richter gebracht , er müßte zahlen und dann gegen alle Grundsäze beim Forum seines Kreditoren wieder auf Rükerstattung klagen. So lassen fich noch viele andere Einreden denken, die eben so wenig die Moderation berühren und die der Schuldner daher nicht vor diesem Forum anzubringen

426 hat, z. B. Transaktionen über die Kosten, Kompenfation, Nichterfüllung des Mandats, Novation, Verjährung u. s. w.

Demgemäß fassen wir unsere Entscheidung in folgende Säze zufammen: Das Moderationsurtheil fezt die Richtigkeit und Gesezlichkeit der Rechnung endgültig fest und darf von einem andern Richter nicht mehr in Zweifel gezogen werden ; allein die Wirkung eines rechts- ^

kräftigen Urtheils mit Rükficht auf sofortige Exekution kann es nicht haben, weil das moderirende Gericht nicht kompetent sein konnte, allfällig anderweitige, nicht auf die Anfäze der Rechnung bezügliche Einreden des Schuldners vor sein Forum zu ziehen und ihn ohne weiters zur Zahlung einer gewissen Summe zu verurtheilen.

II. Durch Urtheil des Civilgerichts von Genf vom 22. Februar 1853 wurden die Eheleute v. G. geschieden, die Frau verurtheilt, dem Mann den Sohn zur Erziehung zurükzustellen und die Kosten zu bezahlen. Da dieselbe fich nach Bern begeben hatte, wo die Ehe geschlossen worden war und ihr Vermögen lag, so wurde im Mai 1853 die Vollziehung des Urtheils beim dortigen Appellations- und Kassationshof nachgesucht. Auf die Einrede, daß das Urtheil noch nicht in Rechtskraft erwachfen sei, ward das Begehren abgewiesen. Dieser Mangel wurde sodann durch ein Zeugniß der Kanzlei des Genfer Gerichtes gehoben und das Gesuch um Vollziehung des Urtheils erneuert. Der Appellations- und Kassationshof wies das Gesuch am 31. Oktober 1853 wieder ab, weil die Frau v. G. nach der Erklärung ihres Vaters nicht im Kanton Bern wohne und mithin, da ihr Ausenthaltsort nicht bezeichnet worden sei, nicht einvernommen werden könne.

427 Dagegen beschwerte sich nun Herr v. G. und bemerkte : Das erste Mal sei nur eine Einrede vorgebracht worden, und der erste Bescheid habe keinen andern Sinu

gehabt, als daß die Vollziehung bewilligt werde, sobald der nachträgliche Beweis über die Rechtskraft des Urtheils geleistet sei; somit sei eine neue Einvernahme der Frau v. G. ganz überflüssig gewesen. Abgesehen hievon sei aber das Motiv unrichtig. Die Behörde habe nur zu prüfen, ob ein förmliches, rechtskräftiges Urtheil vorliege, und es dürfe nicht den Parteien zugestanden werden, durch beliebige Maßregeln, z. B. Entfernung, die Vollziehung eines Urtheils, entgegen dem Art. 49 der Bundesverfassung, zu verhindern. Denn sonst würde dieser Artikel dem Art. 50 widersprechen, wonach man gegen flüchtige Schuldner außerordentliche Maßregeln anwenden dürfe, und man könnte beide Artikel streichen, wenn es von der Willkür der Verpflichteten abhangen würde, die Vollstrekung abzuwarten und fich derselben dann durch die Flucht zu entziehen. Der rekurrirte Beschluß scheine besonders auf §. 39l des bernischen Civilprozesses zu beruhen, wonach der Bewilligung einer Urtheilsvollstrekung die Einvernahme der betheiligten Person vorangehen soll; allein wenn die Bundesver fassung die Vollziehung vorschreibe, so könne diese nicht durch beliebige formen vereitelt werden. Uebrigens habe die Einvernahme stattgefunden durch den Vater der Beklagten, und endlich gebe das Prozeßgesez Mittel an die Hand, um amtliche Mittheilungen an Abwesende zu machen.

Eine Berichterstattung der betreffenden Behörde gegen diese Beschwerde ist nicht eingekommen.

Hierüber hat nun der Bundesrath

428

^

in Erwägunge 1) daß nach Art. 49 der Bundesverfassung die rechts-

. kräftigen Eivilurtheile , die in einem Kar.ton gefällt find , in der ganzen Schweiz sollen vollzogen werden können ;

2) daß mithin den Behörden, welche die Vollziehung eines Civilurtheils zu bewilligen oder zu verfügen haben, lediglich die Prüfung zusteht, ob dasselbe rechtskräftig sei, und daß sonach auch der §. 391, Lemma 2 des bernifchen Eivilvrozesses seit der Erlassung der Bundesverfassung nur in diefem Sinne Geltung haben kann ; 3) daß nun im .vorliegenden Falle die Rechtskraft des

Urtheils vom 22. Februar 1853 hinreichend konstatirt erscheint, indem .

..... die beklagte Partei, gegen welche die Vollziehung verlangt wird, im Prozesse gehörig vertreten war und die Kompetenz des Berichtes anerkannte; b. durch ein Zeugniß der betreffenden Gerichtskanzlei vom 5. Iuli 1853 dargethan wird, daß während der gesezlichen Frist und bis zu diefem Tage kein Rechtsmittel gegen fragliches Urtheil ergriffen worden sei ; 4) daß der §. 39.., .....emma 2 des Berner Civilprozesses der beteiligten Partei zwar das Recht einräumt, vor ....er Vollziehung eines Urtheils eines kantonsfremden Gerichtes noch angehört zu werden, d. h.

Einreden gegen die Rechtskraft des Urtheils anzubringen, dieses Recht aber keineswegs dahin ausgedehnt werden darf, durch Entfernung oder auf andere Weife die Vollziehung zu verhindern ; 5) daß mithin, wenn nach allem, was in vorliegender Sache bereits geschehen ist und über die Rechtskraft

429 dieses Urtheils vorliegt, noch eine weitere Erklärung der Beklagten erforderlich erscheint, dieselbe auf dem Wege der Ediktalladung (§. 82 des bernischen Civilprozesses) eingeholt werden kann ; 6) daß der Rekurrent aus den in der Befchwerdeschrift

angeführten Gründen ein völlig begründetes recht.

liches Interesse nachgewiesen hat, im Befize eines im Kanton Bern exekntorifchen Titels zu sein, wenn auch gegenwärtig die Vollziehung des Urtheils nicht

im ganzen Umfange möglich fein follte, beschloffen :

es fei das fragliche Eivilurtheil vom 22. Februar 1853 entweder jezt oder nach vorgängiger Ediktal-

ladung der Beklagten als rechtskräftig zu vollziehen.

I. Die Regierung von Graubünden verlangte von der Regierung von Obwalden Urtheilsvollziehung in ender Sache:

Im Iuni 1853 klagte die ledige St. in Trimmis gegen Sv. von Obwalden anf Vaterschaft, und zwar bei dem bündnerischen Kreisgerichte der fünf Dörfer. Sp.

war schon vorher abgereist und auf die Vorladung erte aus seiner Heim.'.th die Anzeige, daß er ausg..Wandert sei. Durch Kontumazurtheil des Kreisgerichtes wurde er im November 1853 als Vater des Kindes erMärt. Die Regierung von Obwalden verweigert aber die Anerkennung des Urtheils und die Ausstellung eines Heimathscheins. Nach den Gesezen von Graubunden hat d...s forum delicti zugleich auch über die daher rüh-

Senden Paternitäts- und Entschädigungsklagen ...bzusprechen. Für die Kompetenz ist es nun entscheidend, daß zur Zeit des Delikts Sp. im Kanton Graubünden niedergelassen, somit den dortigen Gesezen unterworfen tt. Jahrg. VII. Bd. I.

49

430 war. Da nun Sp. gerichtlich als Vater erklärt ist, so muß auch in Anwendung des in beiden Kantonen geltenden Paternitätsgrundfazes dem Kinde das Heimathrecht des Vaters zukommen.

Die Regierung von Obw.alden erwiderte dagegen : Sp. war nie im Kanton Graubünden niedergelassen, denn er hielt sich nur unfreiwillig auf Befehl des Bi-

schofs einige Zeit dort auf, um für feine Disziplinfehler zu büßen. Wie fich dieses aber immer verhalten möge-.

fo war er jedenfalls nicht mehr im Kanton zur Zeit der Klagestellung. Nach allgemeinen und bundesverfassungsmäßigen Grundsäzen müssen überdieß Paternitätsklagen in der Heimath der Beklagten angebracht werden.

Es hat nun der Bundesrath gefunden , es sei der Art. 49 der Bundesverfassung im vorliegenden Falle nicht anzuwenden , in Erwägung : 1) daß die gegenwärtig zu entscheidende Frage darin besteht, ob der Bundesrath, in Anwendung der

Art. 49 und 90, Ziffer 2 der Bundesverfassung mitzuwirken habe, damit das Paternitätsurtheil des

Kreisgerichtes der fünf Dörfer, d. d. 22. No vember 1853 , von der Regierung von Obwalden anerkannt und vollzogen werde ; 2) daß die Rechtskraft eines Civilurtheils unter Anderm von der Kompetenz des urtheilenden Gerichtes ab...

hängt, welch' leztere im vorliegenden Falle bestritten ist; 3) daß nun, unterstellt sogar, Sp. wäre in Graubünden förmlich niedergelassen gewesen, die Gerichte dieses Kantons zwar wol kompetent fein konnten, über seine persönlichen Rechtsverhältnisse zu entscheiden, nicht aber über den Status seines außer-

ehelichen Kindes, weil dadurch die Rechtsverhältnisse

431 seiner Heimathgemeinde und seines Heimatbkantons berührt werden, welche keineswegs unter der Iurisdiktion der graubündnerischen Gerichte flehen; 4) daß es übrigens dem Kanton Graubünden unbenommen bleibt, über das Heimathrecht des fraglichen Kindes gegenüber dem Kanton Obwalden die bundesgerichtliche Entscheidung anzurufen.

I.... Die freiburgische Gemeinde La Roche beschwerte

sich gegen die waadtländischen Behörden wegen Nichtvollziehung eines Civilurtheils.

Ein Waadtländer, I. von Rueyres, damals im Kanton Freiburg fich aufhaltend, wurde nebst der Gemeinde Rueyres auf den 20. April 1852 vor das Gericht von Gruyère geladen, um auf eine Paternitätsklage zu antworten, nachdem das Justiz- und Polizeidepartement von Waadt die Anlegung der Vorladung am 9. April bewilligt hatte. Der Prozeß mußte indeß verschoben werden, und es fand eine neue Vorladung auf den 27. Oktober statt, an welchem Tage das Kind dem J. mit allen rechtlichen Folgen zugesprochen wurde, und zwar in Abwesenheit des I. und seiner Heimathgemeinde Rueyres. Das Urtheil wurde denselben zuge.stellt , worauf jedoch die Behörde von Waadt dessen Anerkennung und Vollziehung verweigerte.

Das Urtheil ist nun aber ein rechtskräftiges, und es muß daher der Art. 49 der Bundesverfassung Anwendung finden, zumal die Beklagten die gesezlichen Rechtsmittel versäumt haben. Die freiburgifchen und waadtländischen Geseze bestimmen förmlich die Gegenseitigkeit in Paternitätsklagen, und es kann nach Art. 187

des waadtländischen Civilgesezes eine solche Klage bei dem Richter des Wohnortes der Klägerin oder des Beklagen angebracht werden. In Folge der Reeiproeität

432 und des Modius vivendi zwischen beiden Kantonen kann daher die Freiburgerin einen Waadtländer vor ihre Gerichte eitiren. Dazu kommt noch die Bewilligung der Anlegung der Vorladung, worin eine Anerkennung des freiburgifchen Gerichtsstandes liegt. Die nachher, am 12. April, eingesandte Erklärung über Inkompetenz konnte an den frühern Vorgängen nichts ändern. Denn jene Bewilligung enthält eben das vorläufige Einverständniß der beiderfeitigen Behörden, welches von dem waadtländifchen Iustiz- und Polizeidepartement verlangt wird.

Gegen diese Beschwerde wurde von der eben erwähnten Behörde erwidert: Schon am 12. April, also zu rechter Zeit und vor der gerichtlichen Behandlung , erhielten die freiburgifchen Behörden eine Protestation der Gemeinde Rueyres und des Iustiz- und Polizeidepartements von Waadt gegen die Anhandnahme des Prozesses. Der Art. 49 der Bundesverfassung sezt natürlich die Kompetenz des Richters voraus. Nun ist es überall Grundsaz, daß der Civilstand der Personen nach den Gesezen ihres Heimathstaates beurtheilt wird, und die Bundesverfassung bezwekt nicht, die kantonalen Geseze über den Eivilstand zu modifiziren. Der im freiburgischen Geseze enthaltene Grundsaz der Reeiproeität hat keinen Einfluß auf den Gerichtsstand bei einer bestimmten Klage, weil in Ermanglung eines Konkordates die waadtländifche Behörde in jedem einzelnen Falle ...iese Frage zum Voraus mit der Polizeidirekion von Freiburg regulirt und zwar so, daß immer die Ueberweis.tng an die waadtländischen Gerichte stattfindet, wenn der beklagte .Waadtländer gegen den freiburgischen Gerichtsstand Einsprache erhebt. In Waadt wird die Paternitätsklage einer fremden nur zugelassen, wenn dieselbe nachweist daß in ihrem Lande die Klage einer Waadtländerin ge-

433 stattet würde. Dieser Beweis könnte nur durch eine Erklärung der betreffenden Regierung oder des Departements geleistet werden. Wenn daher die waadtländischen Gerichte eine solche Erklärung verlangen, so müssen auch die fremden Gerichte, ehe fie einschreiten, sich der Anerkennung ihrer Urtheile verfichern. Eine Erklärung, wie die genannte, hat aber das waadtländische Departement nicht ausgestellt, sondern vielmehr wiederholt gegen das Einschreiten des freiburgischen Gerichtes protestirt.

Die ursprüngliche Bewilligung der Vorladung hätte nur dann eine Bedeutung haben können, wenn die Gemeinde Rueyres ihr Folge gegeben hätte. Allein diese protestirte rechtzeitig und das Departement unterstüzte ihr Recht durch das Schreiben vom 12. April an die Polizeidirektion. Von diesem Augenblike an hätte fich der freiburgische Richter jed.'s Einschreitens enthalten sollen.

Die zweite Vorladung im Oktober geschah dann direkt und auf unregelmäßige Weife.

Die Beschwerde wurde als nicht begründet erkärt, in Berükfichtigung : 1) daß nach allgemeinen Grundsäzen die waadtländifchen Gerichte in der vorliegenden Paternitätsklage gegen I. und feine Gemeinde, beide Beklagte, den natürlichen Gerichtsstand bilden , in so fern nicht durch Vertrag zwischen beiden Staaten eine Ausnahme aufgestellt wurde; 2) daß aber eine solche Ausnahme nicht e.ristirt, indem die Geseze beider Kantone lediglich bestimmen, daß Paternitätsklagen gegen Angehörige anderer Staaten nur in so weit zugelassen werden, als das Urtheil dort anerkannt würde und Reeiproeität bestünde ;

434 3) daß diesem Grundfaze entsprechend in den beiden Kantonen Freiburg und Waadt das Verfahren eingeführt wurde, im einzelnen Falle sich über den Gerichtsstand im Voraus zu verständigen, was nach der Behauptung der Rekurrentin hier dadurch geschehen sein foll, daß das Iustiz- und Polizeidepartement von Waadt die Anlegung einer Vorladung der beklagen Gemeinde vor den freiburgischen Richter gestattet habe; 4) daß aber diese Thatsache nicht hinreicht, um den freiburgischen Gerichtsstand als konventionell und somit kompetent zu betrachten, indem .... die Bewilligung einer Behörde, ihre Angehörigen vor ein fremdes Gericht zu eieren,

die Befugniß der leztern, diefen Gerichtsstand selbst anzuerkennen oder zu bestreiten, in keiner Weise beschränkt, weil sie ein besonderes Rech...

und Interesse daran haben, nun aber der Beklagte I. den freiburgifchen Gerichtsstand nie anerkannte, und die Gemeinde Rueyres förmlich dagegen protestate; b. schon vor dem angesezten Gerichtstage, an welchem übrigens der Gegenstand nicht behandelt wurde, das Justiz- und Polizeidepartement von Waadt die Kompetenz der freiburgifchen Gerichte bestritt und zum Voraus das Urtheil als unvollziehbar im Kanton Waadt erklärte;

.5) daß folglich das Urtheil vom 27. Oktober 1852 nicht von kompetenter Stelle ausging und mithin nicht als rechtskräftig im Sinn des Art. 49 der Bundesverfassung betrachte werden kann.

L. Die reformirte Privatkirchgemeinde in Freiburg führte gegen die Regierung folgende Beschwerde:

435 .Seit 1836 befindet fich in Freiburg eine reformate Privatkirchgemeinde, bestehend aus allen in der Gegend wohnenden Protestanten, die einen jährlichen Beitrag an die Kosten des Kultus bezahlen. Zu diesen Einnahmen der Gemeinde kommen noch Beisteuern protestantischer Kantonsregierungen und Gaben schweizerischer Hülfsvereine. Diese Privatstellung wurde der Gemeinde auch durch das Gesez vom 22. Wintermonat 1851 wieder zugesichert. nach welchem fie als öffentliche Pfarrgemeinde hätte auftreten können, was fie aber abgelehnt habe wegen der lästigen Bedingung, für die Ausgaben selbst zu sorgen und die wichtigsten Wahl- und Gemeinderechte der Regierung abzutreten. Nun erließ im Februar 1854 der Grosse Rath ein reformates Kirchengesez, nach welchem in Freiburg eine öffentliche Kirchgemeinde gebildet werden soll. Die Art, wie für die Bedürfnisse derselben geforgt werden soll, ist nach den Vollziehungsdekreten vom 2..... Mai fo bedrohlich, daß die Rekurrenten der Regierung eine Rechtsverwahrung eingaben. Gleichwol wurden jene Dekrete publizirt, woraus folgt, daß jene Rechtsverwahrung nicht beachtet, sondern ein Anspruch auf das Privateigenthum der Gemeinde zu Gunsten der öffentlichen Pfarrei erhoben wird. Daher stellen die Petenten das Gesuch, die Regierung von Freiburg zur Beachtung des Gesezes vom Iahr 1851 anzuhalten, fie dadurch vor den bedrohlichen, sonst nirgends im Kanton üblichen Kirchenabgaben zu befreien, so wie auch sie im Besize des nach Art. 44 der Bundesverfassung ausgeübten freien und ungehinderten Gottesdienstes zu belassen.

Der §. 16 des r.enen ref. Kirchengesezes .autet: "Die Ausgaben der Kirchgemeinde Freiburg werden aus .-dem Vermöge dieser Gemeinde, aus freiwilligen Ge,,schenken und Beiträgen, aus den Auflagen der Reli-

436 .,gionsgenossen und aus einem vom Staate geleisteten "Zuschusse bestritten."

Das erwähnte Vollziehungsdekret bestimmt, daß der neue Kirchenrath das bisherige Verwaltungskomite erseze und daß das leztere ihm das fämmtliche Eigenthum und die Dokumente der Gemeinde einhändigen solle.

Diefe Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen,

in Berükfichtignng : 1) daß es unbezweifelt in der Kompetenz der Staatsbehörden liegt, die Organisation der reformirten Kirchgemeinden und ihrer kirchlichen Behörden auf dem Wege der Gesezgebung zu bestimmen, daß somit eine Einmischung den Bundesbehörden nicht zusteht, wenn nicht Grundsäze der Bundes oder Kantonalversassung verlezt werden ; 2) daß nun diefes keineswegs der Fall ist, zumal dnrch das Gesez vom 2l. Februar 1854 die freie

Ausübung des Gottesdienstes nach Art. 44 der

Pressgeseze.

Bundesverfassung nicht nur nicht gestört oder beschränkt, fondern vielmehr gefezlich anerkannt und unter die besondere Garantie des Staates genommen wurde, fo wie hinwiederum das Vermögen der Gemeinde vom Staate unangetastet bleibt; 3) daß überdieß, wenn die Pennten glauben, daß die fraglichen Vollziehungsdekrete gefezwidrig feien, denfelhen freisteht, nach §. 11 des Gefezes vom 21. F..bruar 1854 fich an den Großen Rath zu wenden, fo wie ihnen auch bei Verlezung von Privatrechten der gerichtliche Weg verfassungsgemäß offen steht.

In Folge einer Weisung der h. Bundesversammlung wurden die Preßgeseze der Kantone im Laufe des Berichtsjahres einer Prüfung unterworfen, um zu untersuchen, ob dieselben dem in die Bundesverfassung nie-

437 dergelegten Prinzip der Preßfreiheit, wie es von der obersten Bundesbehörde verstanden und in mehrfachen Richtungen ausgelegt war, entsprechen. Wo dieses nicht der Fall war, wurde durch geeignete Bemerkungen auf Abhülfe hingewirkt. In den Kantonen, in welchen keine besondere Preßgefeze eristiren, wird eingeschritten, in so fern die Praxis in Preßsachen Anlaß zu begründeten Beschwerden bietet.

Nur ein Kanton (Wallis) befand fich im Falle, eine Verfassung^ neue Verfassung zur eidg. Garantie vorzulegen. Ein be- .^..^ sonderer Bericht darüber wurde der h. Bundesversammlung mitgetheilt^) und hierauf die Garantie ^^ausgesprochen.

Da die Mitwirkung zur Bundesrechtspflege vorzugs- .^itwirkun^ weise Sache des Generalanwaltes ist und das Departe- ^ Bundes ment mehr kontrollirend sich verhält, so wird der spezielle ^^.^ Bericht des Generalanwalts den Akten beigelegt und hier lediglich ein kurzer Auszug daraus aufgenommen.

Im Laufe des Berichtsjahres kam der noch am Verbrechen un^ Schlnsse des vorigen Iahres anhängig gemachte Straf- Ver.^heu.

fall gegen C o n t i n i und Mitangeschuldigte zu weiterer Behandlung. Die Klage gegen den erstern lautete auf rechtswidrige Unterstüzung der Interessen eines fremden Staates zum Nachtheil der Schweiz, und überhaupt aus eine völkerrechtswidrige Handlung gegen die Schweiz, besonders gegen den Kanton Tesfin (Art. 38, 39 des Strafrechts). Hinsichtlich der Handlungen der Mitange-

schuldigten stellte die Klage die Anficht auf, dieselben enthalten eine durch Schweizerbürger verübte Anreizung einer fremden Macht zu Feindseligkeiten gegen die Schweiz oder einen Theil derselben und zu einer die Schweiz gefährdenden Einmischung in ihre innern Angelegenheiten

*) Siehe Bundesblatt v. J. 1854, Band III, Seite 29.

**) ., eidg. Gesezsammlung, ,, IV, .. 229.

.438 (Art. 37 Litt. c). Der Untersuchungsrichter dagegen hatte in feinem Schlußberichte den Antrag gestellt, die ganze Untersuchung fallen zu lassen in der Meinung, daß Contini und Mithafte die erstandene Haft als selbst verschuldet an fich zu tragen haben. In diesem leztern Sinne ....ntfchied denn auch die Anklagekammer, und Contini wurde darauf durch den .Bundesrath aus der Schweiz weggewiefen.

Als Verbrechen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und innere Sicherheit erscheinen ferner die Gewaltthätigkeiten und betrüglichen Handlungen, welche am 29. Oktober 1854 an vermiedenen Orten des Kantons Tesfin stattfanden, um den gesezlichen Gang der Nationalrathswahlen zu stören. Der Bundesrath hat nicht ermangelt, sofort nach allen Richtungen hin Untersuchung einzuleiten , und bereits find die an den Vorfällen zu Giubiaseo und Agno Betheiligten von der eidg. Anklagekammer den Asfisen des IV. Bezirks zur Beurtheilung überwiesen, während andere Vorfälle der gleichen Art fich noch im Stadium der Voruntersuchung befinden.

Dieses find die einzigen Straffälle, welche eine allgemeinere Bedeutung und einen politischen Charakter tragen. Da im erstern die Untersuchung niedergeschlagen wurde und der zweite ins Iahr 1855 binühergeht, so

folgt, daß im Iahr 1854 keine Siznng der eidg. Assifen stattgefunden hat ; denn alle übrigen Straffälle wurden entweder nach Art. 74 des Strafgesezes vom Bundesrath an die kantonalen Gerichte überwiesen, oder sie gehörten nach Art 75 fonst in die Kompetenz derselben.

Es bestätigt dieses die im lezten Jahresberichte gemachte Bemerkung, daß künftig bei übrigens gleichen Verhältnissen die Zahl der an die eidg. Affisa überwiesen .Fälle kleiner fein werde.

439 Von den übrigen (nicht politischen) Strassällen, so weit fie zur Kenntniß und Mitwirkung des Generalanwaltes kamen, folgt hier noch eine kurze Ueberficht: Verlegung des Postgeheimnisses . . . 1 Fall.

Telegraphenbeschädigung . . . . . . 1 ,, Gemeine Verbrechen von Beamten (Unterschlagungen, Betrug u. s. w.) . . . 9 Fälle.

Falfchwerbung . . . . . . . . . 2 ,, Diese Ueberficht ist jedoch, wie bereits angedeutet wurde, keine umfassende, und wir werden daher am Schlusse dieses Abfchnitts mit einigen Bemerkungen dar^ aus zurükkommen.

Von Zollübertretungen waren noch sechs Fälle Fiskalische U^ vom Iahr 1853 her pendent, wovon drei zu Gunsten bertr^.u^.

der Angeklagten, zwei zu Gunsten des Bundes entschieden wurden, und einer noch unerledigt aussteht. Im Jahr 1854 find 19 neue Zollübertretungen hinzugekommen,.

von welchen der Generalanwalt 5 zu behandeln hatte.

Hievon ist einer durch Zahlung mit Nachlaß, einer durch Strafurtheil erledigt, welch' lezteres aber schwerlich vollziehbar sein wird, da der Verurtheilte in Frankreich

wohnt. Die übrigen .^älle find noch anhängig.

Verlezungen des P o f t r e g a l s kamen sechs z..tr Behandlung, welche meist außergerichtlich durch Anerkennung der fiskalischen Buße ihre Erledigung fanden.

Endlich wurden drei Uebertretungen des Pulverregals denuneirt, wovon eine vor Gericht schwebt. Die Untersuchung der andern ließ man fallen.

In dem Berichte des Generalanwalts wird noch in einläßlicher Weise über verschiedene Uebelstände gesprochen, welche theils auf Mangel an einheitlichem Verfahren in der Ueberweifung der Strasfälle, theils aber auf dem

440 nicht regulirten Zusammenwirken der Bundes- und Kau...

tonalbehörden bei Behandlung derselben beruhen. In der erstern Beziehung läßt sich zwar durch eine Verordnung des Bundesrathes abhelfen, welche innerhalb der Schranken der bestehenden Bundesgefeze jeden Beamten bei vor..

kommenden Fällen anweist, wie er sich zu verhalten und welchen Weg er einzuschlagen habe. Um in dieser Hinficht eine Einheit in das einleitende Verfahren zu bringen, hat daher das Departement bereits ein Reglement entworfen, welches gegenwärtig zur Begutachtung beim Generalanwalt liegt. Schwieriger und weitläufiger dürfte es fein, das erforderliche Zusammenwirken von Bundesund Kantonalbehörden in Behandlung von Straffällen herzustellen, und es ist hiefür vielleicht eine weitere Ansführung der bestehenden Geseze nothwendig. bekanntlich hat nämlich das eidg. Strafgesez in Bezug auf die Kompetenz a. gewisse fpeziell bezeichnete Verbrechen und Vergehen, namentlich die v oliti sch en der eidg. Iury zugeschieden; b. sodann in Bezug auf die Mehrzahl der im eidg.

S t r a f g e s e z enthaltenen Vergehen den Grundsaz ausgesprochen, der Bundesrath solle fie in der Regel den kantonalen Gerichten überweifen, könne sie aber auch vor die eidg. Iury bringen; c. endlich erklärt, daß die gemeinen Verbrechen der eidg. Beamten von den kantonalen Gerichten und nach den kantonalen Gesezen behandelt und beurtheilt werden sollen.

Während nun bei der ersten Klasse k..ine Schwierigkeiten von Erheblichkeit bis anhin entstanden find, weil das

dießfällige Verfahren durch die Bundesgefeze deutlich geordnet ist, fo entstehen bei der zweiten Klasse eine Reihe von Fragen, z. B. Wer ist die überweifende Bundes.-

441 behörde: der Bundesrath, das Iustiz- und Polizeidepartement, das Departement, dessen Verwaltungskreis durch ein Vergehen berührt wird, oder endlich der Generalanwalt? -- An welche kantonale Behörde ist der Straffall zu überweifen: an die Regierung, ein Departement oder die Staatsanwaltschaft Steht der Bundesbehörde keine Kontrole darüber zu, wie das Bundesstrafgesez überall vollzogen werde, und kann fie zu diefem Behufe nicht im Interesse des Bundes die im Kanton zulässigen Rechtsmittel ergreifen, wie bei Verlezung kantonaler Strafgeseze der Staatsanwalt oder Statthalter im Interesse des Kantons appelliren und rekurriren kann? Wem fallen die Prozeßkosten zu, wenn die Angeklagten freigefprochen werden oder die Kosten nicht bezahlen können? - Diefe und ähnliche Fragen find zum Theil fchon entstanden und werden noch weiter entstehen, und es ist jedenfalls klar, daß in diesen Verhältnissen ein hinreichender Stoff zu allerlei Kollifionen liegt.

Einfacher gestaltet fich hinwieder die dritte der genannten Klassen, indem der Bund bei diesen Straffällen

entweder gar nicht betheiligt ist,oder fich lediglich in der Stellung der geschädigten Civilpartei befindet und sich daher nur auf die Denuneiation und Wahrung seiner Civilinteressen zu beschränken hat. Indeß fehlt es auch hier nicht an Unregelmäßigkeiten, indem die kantonalen Bebörden nicht selten den Art. 41 des eidg. Verantwort-

lichkeitsgesezes gänzlich ignoriren, nach welchem die strafrechtliche Verfolgung eines eidg. Beamten der Zustimmung des Bundesrathes bedarf.

Ganz eigenthümlich geht es auch bei den Fällen der Falschwerbung zu. Ungeachtet dieses Vergehen durch ein Bundesgefez mit Strafe bedroht ist, und obgleich es .in die Klasse derjenigen gehört, deren Ueberweifung dem

442 Bundesrath nach Art. 74 des Strafgesezes zusteht, so erfährt der Bundesrath oder das Departement, oder der .Generalanwalt von allen diefen Fällen in der Regel kein

Wort, bis die Urtheile, die mitunter schon in Rechtskrast erwachsen sind, dem Departemente eingesendet werden, in so fern diefes überhaupt regelmäßig geschieht. Man wird fich daher nicht wundern, wenn der Generalanwalt erklärt, er sei nicht im Stande, eine Kontrole über die Strassälle zu führen und in feinem Iahresberichte eine vollständige Ueberficht derselben zu geben; man wird fich dadurch auch überzeugen, daß dieser Mangel an jeder Kontrole ein Hauptgrund der fo verschiedenen Behandlung des Falschwerbens ist. Während in den einen Kantonen gewisse Indizien zur Ueberweifung an die Gerichte und in der Regel zur Verurteilung genügen, fo werden die nämlichen Indizien in andern Kantonen, wo notorisch eben fo viel geworben wird, von

den Polizeibehörden stillschweigend ad acta gelegt. Die Bundesbehörden erfahren kein Wort davon, und fie find daher natürlich in die Unmöglichkeit verfezt, eine Ueberweifung zu verlangen, oder eine Vervollständigung der Voruntersuchung zu veranlassen. Eben fo find die Urtheile in Bezug auf das Strafmaß sehr verschieden, obwol die betreffenden Handlungen in der Regel ziemlich

gleichartig find und das nämliche Gesez, das allerdings bedeutenden Spielraum zuläßt, darauf angewendet werden soll; auch ist es neulich noch vorgekommen, daß einzelne Gerichte nicht das Bundesgesez, sondern ausdrüklich ein kantonales Werbverbot im Urtheile eitirt und angewendet haben. Im Fernern scheinen die kantonalen Gerichte im Ganzen sehr wenig Notiz von dem Umstand...

zu nehmen, ob die Angeworbenen militärpflichtig seien

oder nicht, und doch ist das Anwerben militärpflichtiger

433 Mannschaft durch das eidg. Militärfirafgesez mit ganz besonderer Strafe bedroht. In allen diesen Richtungen

ist die Thätigkeit der Bundesbehörde, welcher doch die Vollziehung der Bundesgeseze obliegt, großenteils paraInsirt, wenn ihr durch Vorenthaltung der Vorunterfuchungen jede Initiative abgeschnitten, oder auch die Ergreifung

von Rechtsmitteln gegen ausgefällte Urtheile unmöglich gemacht wird.

Fiskalische Uebertretungen find im Laufe des Berichtsjahres wenige zu gerichtlicher Verhandlung gekommen; man darf wol sagen glüklicherweise; denn es zeigte sich bei den wenigen Fällen, daß die alten Uebelfiände.

beständig fortdauern. Dahin gehören besonders folgende: 1) Wenn auch das Bundesgesez vom 23. Iuli 1849 über die Behandlung fiskalischer Uebertretungen durch die seitherige Anwendung zur bessern Kenntniß der kantonalen Gerichte, namentlich in den Gegenden, wo diese Anwendung häufig stattfindet, gelangt ist, so find die Gerichte in den wenigsten Fällen geneigt, den Art. 7 dieses Gesezes in seiner vollen Bedentung anzuwenden, und die Anerkennung der formellen Beweiskraft eines richtig abgefaßten amtlichen Prozeßverbals hat fich noch immer nicht Bahn gebrochen.

2) Bekanntlich soll solchen Prozessen immer ein adminifiratives Verfahren und ein Entscheid der obern Verwaltungsbehörde vorausgehen. Nicht selten wird dieses von unfern eidgenössischen oder kantonalen Beamten ganz übersehen und es wird vor den Gerichten prozesfirt, ohne daß das betreffende DeparZement oder der Generalanwalt etwas davon weiß.

Das Ende der Sache ist natürlich die Kassation, und will man dann auf gesezlichem Wege wieder von vorn anfangen, so wird die Klage als verjährt erklärt.

444 Zu welchen sonderbaren Folgen eine solche Mißachtung der Geseze führen kann, beweist unter Anderm auch folgender Fall: Ein Regierungsstatthalter überwies einen unpatentirten Puloerverkäufer wegen

Verlezung des Pulverregals mit gänzlicher Umgehung des eidg. Fiskalverfahrens direkt an dieIustiz.

Diefer Prozeß blieb dem eidg. Finanzdepartement fo unbekannt, daß der betreffende Inkulpat nach rechtshängig gemachter Sache bei demfelben sich um ein Verkaufspatent bewerben konnte und dasselbe während des Prozesses richtig auch erhielt.

3) Es ist bekannt, auf welche Schwierigkeiten im Kanton Genf, wo immer die meisten Zollprozesse vorkommen, einzelne Artikel des Gesezes stoßen. Dieses ist besonders auch bei dem Art. 30 der Fall, welcher vorschreibt, daß die ausgefällten Strafurtheile von den K a n t o n a l b e h ö r d e n unter Aufficht des Bund e s vollzogen werden sollen.

Als nun der Generalanwalt im Auftrage des Handelsund Zolldepartements bei dem Generalproku..ator von Genf über die Vollziehung zweier Urtheile gegen Schmuggler sich erkundigte, fo lehnte lezterer die direkte Aufschlußertheilung darüber ab, vorgebend, er anerkenne keine "surveillance" des Bundes. In einem andern Falle dauerte es fast ein Iahr, bis die Vollziehung eines Ur.theils, welches eine Buße aufsprach, erhältlich war. Die Regierung hat zwar die Angelegenheit ohne Widerspruch von ihrer Seite betreiben lassen; allein fie war genöthigt, einen neuen P r o z e ß darüberzuführen, ob das rechts-

kräftige Urtheil zu vollziehen sei. Die nicht Anbetrachtlichen Advokaturkosten wurden dann hierseits erfezt.

Die Civilpozesse, welche der Bund als Kläger oder Beklagter vor dem Bundesgerich.. oder den kantonalen Ge-

445 Achten zu sühren im Falle ist, berühr zwar gewöhnlich dieses Departement nicht. Da fie indessen meistens vom Generalanwalte entweder selbst geführt oder begutachtet und infiruirt werden, und das Departement bisweilen .konsultirend mitwirkt, so mögen fie hier in Kürze bezeichnet werden.

Erledigt wurde in diesem Jahre der Prozeß mit Neuenburg über Erhöhung der Entschädigungssumme für das abgetretene Postregal, und zwar so, daß der Bund die von Neuenburg verlangte Differenz von Fr. 4,584 zu ersezen Verpflichtet wurde. Noch pendent beim Bundesgerichte find die Prozesse von Basel-Landschaft und Uri gegen den Bund, welche ebenfalls namhafte Erhöhungen der Postregalsentschädigungen zum Gegenstande haben. Diese beiden Prozesse dauern sehr lange, theils wegen ihrer bedeutenden Verwiklung und Schwierigkeit, theils weil in dem leztern beide Theile fich zur Reform erklärt haben.

ferner ist noch anhängig eine Forderung der Verwaltung der Messageries générales de France, Caillard et Comp.

gegen die eidg. Postverwaltung wegen angeblich verspät teter Postsendung. -- Einige bei den kantonalen Gerichten anhängige, unbedeutende Prozesse wurden im Laufe des Jahres erledigt; dagegen mußte eine neue beträchtliche .Forderung gerichtlich anhängig gemacht werden gegen die Amtsbürgen des in Konkurs gerathenen, ehemaligen ZollEinnehmers Frey in Rorschach.

Indem wir auch hier auf den beiliegenden, einläß- II. Polizei.

Scheren Bericht des Generalanwalts verweisen, entheben a.Angelegenwir demselben die wesentlicheren Resultate. Das Gesez heit der Heimathlosen unterscheidet zwei Klassen von Heimathlosen : diejenigen, welche bereits in den einzelnen Kantonen geduldet oder Angehörige des Kantons waren, ohne ein Bürgerrecht zu befizen, und die Vaganten , die nirgends eine Duldung B u n d e s b l a t t .

J a h r g .

V I I .

Bd.

I .

5 0

446 genossen. Es mag daher passend sein, nachzuweisen^..

was in Bezug aus diese ^beiden Klassen von den Kanto^ nen und vom Bunde aus geschehen ist.

1. A n e r k a n n t e o d e r geduldete H e i m a t h l o s ^ der Kantone.

Schon vor Erlaß des Gesezes hat der Bundesrath die Kantone ersucht, Verzeichnisse ihrer Tolerirten nach^ bestimmten Rubriken einzusenden. Aus diesen Verzeichnissen, deren leztes im November 1851 einging, ergibt sich über den damaligen Bestand folgendes Resultat: a. Solche, die in den Kantonen tolerirt wurden, ^ ohne Zutheilung an bestimmte Gemeinden . 2,51^ b. Solche, die ebenfalls anerkannt und bereits bestimmten Gemeinden zur Duldung zuge..

wiesen waren . . . . . . . . . . 8,267 Die Anzahl der Einzubürgernden betrug daher 10,782; dazu kommen noch 102 Individuen, über deren Angehörigkeit zwischen einzelnen Kantonen oder zwischen Kantonen und andern Staaten Streit waltet. Jene Zahlen^ verhältnisse find indeß nicht genau. So ist z. B. die Zahl der bernerischen Landsaßen, welche laut dem Geschäftsbericht der Regierung von Bern für das Iahr 1.^53 aus

2,891 Köpfe ansteigt, nicht darin begriffen, und doch gehören auch diese unter die einzubürgernden Personen.

Auch von andern Kantonen find die Verzeichnisse nicht ganz vollständig. Was nun die Einbürgerung der von den Kantonen anerkannten Heimathlosen anbetrifft, so haben seit Erlaß des Gesezes nach Inhalt der eingegan^ genen Berichte folgende Einbürgerungenstattgefunden:

In Schwyz . . . . . . 522 Individuen.

,, Obwalden . . . . . . 147 ,,

,, Glarus

. . . . . .

31

,,

447 In Zug . . . . . . .

" Bafel-Stadt . . . . .

,, " " " ... ,,

Basel-Landschaft . .

Schaffhausen . . .

Appenzell A. Rh. .

St. Gallen . . .

Graubünden . . .

" Thurgau

.

.

.

.

.

158 Individuen.

207

. 48 . 33 . 72 . 89 . 5,717

,, ., .,

. . . . . . 174 Im Ganzen also : 7,198 Individuen.

Es muß indessen bemerkt werden, daß Luzern, Solothurn, St. Gallen und Aargau schon in früheren Zeiten eine bedeutende Anzahl von Tolerirten eingebürgert haben.

In den übrigen Kantonen fehlt es noch ganz oder theilweife an der Vollziehung des Gesezes, obwol der Bundesrath wiederholt durch Kreisfchreiben daran gemahnt hat, was auch im Laufe des Berichtsjahres mit Hinweifung darauf gefchehen ist, daß nunmehr seit Erlaß des Gefezes mehr als drei Jahre verflossen feien. Gegenwärtig find es mehr als vier Jahre.

Von den oberwähnten 102 in den Verzeichnissen der Kantone als streitig angeführten Jndividuen find seither durch bundesräthlichen resp. bundesgerichtlichen Entscheid 48 eingeteilt worden, und drei gestorben.

2. V a g a n t e n .

Diese bestehen aus eigentlichen Heimathlofen, welche eingeteilt und eingebürgert werden müssen, und aus solchen Jndividuen , deren Heimath , bisweilen nach laugen Untersuchungen, entdekt werden konnte. Es find nun zwei tabellarische Verzeichnisse mit Nachweisungen uud Bemerkungen aus den Akten bearbeitet worden; das eine enthält eine Zusammenstellung der vom Ansang 1852 bis

448 jezt vom Bundesrath oder Bundesgericht den Kantonen zugetheilten Heimathlosen; das andere enthält die einheimischen und ausländischen Vaganten, die seit Anfang 1852 nach Ausmittlung ihrer Heimath dahin abgeschoben wurden. Beide ergänzen sich gegenseitig, indem die In-.

dividuen beider Klassen durch Verwandtschaft und gemeinfame Schikfale in vielfacher Verbindung mit einander stehen. Diese Verzeichnisse find gedrukt worden und werden an die Kantone ausgetheilt, weil fie wesentlich dazu beitragen können, der Polizei das Erkennen der Vaganten zu erleichtern.

Laut dem lezten Iahresberichte betrug die Gesammtzahl der Untersuchungen über die Vaganten l84; dazu kamen nun 33 neue, so daß die Gefammtzahl 2l7 beträgt, von denen allerdings ein Theil erledigt war.

Von den nicht erledigten Prozeduren kamen im Laufe des Iahres 103 in weitere Behandlung, und 66 darunter wurden erledigt. Hierbei haben die vorgeblich Heimathlosen mindestens so viel zu thun gegeben, als die wirklichen, indem ihre über alle Begriffe gehende Lügenhaftigkeit oft erst nach langen Unterfnchungen befiegt werden konnte. Mit Aufnahme der photographischen Bilder wurde fortgefahren, da fich deren Nuzen in

vielen Fällen bewährt. Die Zahl derselben beträgt 204, welche jedoch nicht nur Heimathlose darstellen, fondern

gefährliche Vaganten überhaupt, die fich in der Regel sür Heimathlose ausgeben.

Das schon erwähnte Verzeichniß der vagirenden Pseudoheimathlosen zeigt, daß in den Iahren 1852 bis Ende 1854 159 Personen entlarvt und bis auf wenige in ihre Heimath abgeschoben worden find. Von diesen gehören 61 der Schweiz und 98 dem Auslande an, und zwar:

449 a. von den Schweizern: 14 dem Kanton Bern.

10 6 5 5 5 4 ^ 3 I 1 1 1 1

^, ^ ,, ^ ., ^ ,, ., ,, ^, ,, ., ,,

1

.,

,,

Schwvz.

,, ,, ,,

Solothurn.

Aargau.

Luzern.

,,

Wallis.

,,

Z^.g.

,, "

Thurgau.

St. Gallen.

,,

Obwalden.

,, " "

Schaffhausen.

Waadt.

Basel-Landschaft.

^, ,,

^esfin.

Neuenburg.

61 von den Ausländern: 36 an Baden.

23 ,, Sardinien..

19 ,, Württemberg.

14 " Frankreich.

3 ,, Oefterreich.

2 " Preußen.

1 ,, Hessen.

98 Es versteht fich, daß hier alle diejenigen nicht inbegriffen find, welche ausschließlich von den kantonalen Polizeibehörden erkannt und entfernt wurden. Aus den Akten ergab fich , daß es diesen fremden Vaganten oft gelang, fich Iahre lang schriftenlos oder unter falschem Namen in der Schweiz herumzutreiben und gewöhnlich

450 im Konkubinate zu leben, woraus dann natürlich folgte, daß die aus diesem Verhältnisse entstandenen Kinder der Schweiz verblieben. Nicht selten kehren diese ausländischen Vaganten einige Zeit nach ihrer Abschiebung wieder in die Schweiz zurük, und erneuern ihre Konkubinate oder stiften neue. Daher sah sich der Bundesrath veranlaßt, im April 1854 ein neues Zirkular zu erlassen, worin er dringend empfahl, gegen die Va- ..

ganten strenge Polizei zu handhaben und diefelben unverzüglich auszuweisen, auch wenn sie im Befize von Ausweisfchriften fich befinden.

Es hält im Allgemeinen sehr schwer, der einmal eingedrungenen Vaganten auf dem Wege diplomatischer Korrespondenz wieder los zu werden, und es bedarf guter Beweife über ihr Heimathrecht in einem andern Lande, Beweife, welche in der Regel nicht aufzubringen find.

Ueber 61 Personen ausländischer Herkunft wurde im Iahr 1854 solche Korrespondenz gepflogen; von diesen wurden nur 14 anerkannt, 38 dagegen nicht, und über 9 ist noch Antwort zu gewärtigen. Der Bundesrath hat im Laufe des Berichtsjahres 71 Heimatlose ein.zelnen Kantonen zur Einbürgerung zugeheilt; 10 wurden in einem Kanton freiwillig eingebürgert und 2 sind gestorben, so daß der Bestand der wirklich Heimath.lofen fich um 83 vermindert hat. Die Einbürgerungs-

.last vertheilt fich auf 16 Kantone. Bezüglich auf 21 Personen sind die Beschlüsse des Bundesraths unbedingt, und bezüglich auf 5 eventuell anerkannt worden, nämlich auf den Fall der Anerkennung von Seite der mit.betheiligten Kantone; über 35 Personen dagegen find noch gar keine Erklärungen eingegangen. Da nämlich eine gefezliche Frist nicht besteht, fo dauert es oft sehr lange, bis die Erklärungen über die bundesräthlichen

451 Beschlüsse einkommen; nnd^ dieses ist auch der Grund, warum im Iahr 1854 nur zwei Klagen in Heimath^ losenfachen an's Bundesgericht gelangen konnten, und ^war solche, die fich auf bundesräthliche Entscheide aus dem^ frühern Iahre beziehen.

Aus den lezten Geschäftsberichten erfieht man, daß es üblich war, eventuell auch folche Heimathlose, über ..deren Angehörigkeit noch diplomatische Korrespondenz obwaltete, den Kantonen zuzutheilen. Man überzeugte fich aber, daß daraus bisweilen Verwirrung entsteht und die Geschäfte eher vermehrt als vermindert werden. Es ist daher von dieser Methode abgegangen worden, und es wird nun zuerst die diplomatische Vermittlung durchgeführt, wo eine Ausficht auf Erfolg vorhanden ist, und erst nachher wird ein Beschluß auf Zutheilung der Heimathlosen an die betreffenden Kantone gefaßt.

Aus der Zusammenstellung der Untersuchungen über die Heimathlosen von 1851 bis Ende 1.^54 ergibt fich, daß 247 durch Entscheid des Bundesraths eingetheilt,

" ..,

37 nachträglich von einzelnen Kantonen freiwillig anerkannt und eingebürgert wurden, 4 gestorben find.

288 Von obigen 247 wurden 107 von den belasteten Kantonen anerkannt, 46 durch bundesgerichtliche Urtheile zugesprochen, 14 in Folge diplomatischer Korrespondenz von auswärtigen Staaten nachträglich anerkannt. Ueber 30 Personen, die im Iahr 1853 und 50 Per-

sonen, die im Iahr 1854 bundesräthlich zugetheilt worden find, zusammen über 80 Personen ist noch keine definitive Erledigung erlangt.

247

452 Während des Jahres 1854 find in Bern, behus der Untersuchung durch den Generalanwalt, 192 Heimathlose oder andere Vaganten in nn.t.'rsuchungshast gewesen. Die Verhaftskosten haben. aus 3415 VerPflegungstage 3,146 Fr. 30 Ct., oder durchschnittlich auf die Person 16 Fr. 39 Ct. betragen. An Transportkosten, Reisegeldern, Unterstützungen wurden 773 Fr. 44 Ct. aus fie verwendet. E.ine ziemliche Anzahl von Heimathlofet... ..

wurde vom Generalanwalt in den Kantonen Luzern, Url, Schwyz, Zug, Glarus und Zürich verhört, theile zur Ersparung von Kosten, theils behufs gleichzeitige Abhörung von Zeugen. Die hiefür und für viele andere Auslagen verwendete. Summe beträgt 5,527 Fr. 65 Ct.

so daß fich der Gesamtbetrag der Kosten für das Heimat.hlosenwesen auf 9,058 Fr. 59 Ct. beläust, worüber speziell auf die Rechnung des Departements verwiesen wird.

b. Politisa Die Verhältnisse der deutschen und franzöfischen .Flüchtlinge. Flüchtlinge veranlassen zu keinen Bemerkungen, indem feine Beschwerde von irgend welcher Erheblichkeit eingekommen ist und daher auch keine Verfügungen erfordere lich waren, die befondere Erwähnung verdienten. Nur mag angeführt werden, daß ein früher ausgewiesener ungarischer Flüchtling wiederholt in die Schweiz kam.

Das erste Mal begnügte man sich, ihn fofort wieder wegzuweisen, weil er es wahrscheinlich machen konnte, daß er nur durchreisen wollte, um einige Privatgeschäfte zu besorgen ; das zweite Mal dagegen wurde er in Basel.

verhaftet und dort vor das Gericht gestellt, das ihn mit mehrmonatlichem Verhafte bestrafte. So sehr man im Allgemeinen Veranlassung hatte, mit dem Verhalten der deutschen und französischen Flüchtlinge zufrieden zu sein, desto mehr Stoff zu Beschwerden und zu ernstlichem

453 Einschreiten boten die italienischen Flüchtlinge dar.

hierunter ist aber nicht so.wol die wenig zahlreiche Klass...

derjenigen zu verstehen . welche die und da mit Bewilligung der Behörden an einem bestimmten Ort.e sich aufgelten , sondern solche, die plözlich neu auftauchten und meistens mit unregelmäßigen Pässen, oder ohne solche und

ohne Bewilligung irgend einer Behörde sich bald da, bald dort vorübergehend aufhielten. Diese Bewegung gab fich in auffallender Weise im August vorigen Iahres kund, nachdem kurze Zeit vorher eine neue Broschüre von Macini erschienen und angeblich in der Schweig gedrukt war, worin er seine Anhänger energisch aufforderte, die jezigen politischen Konjunkturen benuzend, fich zu sammeln und zu den Wessen zu greifen. Es.

konnte nicht ausgemittelt werden, daß diese Schrift in der Schweiz gedrukt worden sei ... und es ist auch um so unwahrscheinlicher, da nur mit Mühe einige wenige Exemplare aufgebracht werden konnten. Wie dem. auch sein möge, so hat der Verfasser doch für gut gefunden, Elvella als Drukort zu bezeichnen. Nach diesen Erscheinungen und da man bemerkte, daß die oberwähnten Fremden ihre Richtung nach der südöstlichen Gränze nahmen, so wurden die Behörden von Graubünden und Tesfin zu besonderem Aufsehen ermahnt und zu polizeilichem Einschreiten gegen alle Italiener.. welche ohne gehörige Ausweisschriften fich dort betreten lassen. Die in beiden Kantonen auf anerkennenswerthe Weise eut-

wikelte Thätigkeit der Behörden hatte zur Folge, daß die vorhandenen politischen Umtriebe rechtzeitig entdekt und vollständig vereitelt werden konnten. Im Kanton Graubünden, unweit Maloja, wurde unter Gesträuch und Felsen eine Anzahl Gewehre und AusrüstungGegenstände entdekt, welche durch italienische Emissäre

454 dahin instradirt wurden, und von dort aus durch Schmuggler über den Murettopaß nach dem Veltlin gebracht werden sollten. Verschiedene Italiener wurden verhaftet und später ausgewiesen, welche augenscheinlich mit dieser Expedition in Verbindung standen, während andere, und zwar die Hauptpersonen, sich flüchten konnten und

in Eile das schweizerische Gebiet verließen.

Gleiche Entdekungen wurden im Kanton Tessin gemacht. Auf einer Alpe im Muggiothale, an der Gränze gegen den Eomerfee, wurden ebenfalls Waffen und Munition entdekt und mit Beschlag belegt. Auch hier ergab die Untersuchung, daß einige politische Emissäre, denen es gelungen war, fürgan... kurze Zeit in's Tesfin sich einzuschleichen, jene Gegenstände dorthin hatten schaffen lassen, um sie durch Schmuggler nach dem Comersee zu bringen.

Alle Betheiligten, deren man habhast werden konnte, wurden festgenommen und später ausgewiesen. Es ist indessen auch hier wahrscheinlich, daß ein Theil derselben entweichen konnte.

Aus dem gesammten Inhalt der sachbezüglichen Akten ergibt sich nun, daß zwar nicht ein bewaffneter Einfall von der Schweiz aus in die Lombardie versucht wurde, indem fich von der hiezu erforderlichen Mannschaft oder von großartigen Verbindungen in der Schweiz keine Spur zeigte, daß aber in der Lombardie selbst ein Aufstand vorbereitet war, welcher in der oben bezeichneten Weise hätte unterstüzt werden sollen.

Diese bloße Darstellung der Thatsachen, welche aktenmäßig begründet werden kann, wird wol hinreichen, um die Anschuldigungen und Verläumdungen zu widerlegen, welche die italienischen Emigranten und ihre Freunde überall in der ihnen dienstbaren Presse gegen die Bun-

455 desbehörden bald nachher erhoben haben, Anschuldigung gen, die dahin gehen, als ob bloße republikanische Gesinnungen und Liebe zum Vaterlande genügen, um in der Schweiz die Fremden den strengsten polizeilichen Verfolgungen bloßzustellen, und als ob die Bundesbehörden in dieser Richtung fich zum willkürlichen Werkzeug ausländischer Staaten hergeben.

Wenn wir es verschmähen, auf dergleichen Zulagen im Wege der Presse zu antworten oder Klage zu er.heben, so find wir dagegen veranlaßt, der obersten Laudesbehörde , der wir zunächst für unsere amtlichen Handlungen Rechenschaft schuldig find, zu erklären, daß wir in diesem Gebiete der amtlichen Wirksamkeit gewissenhaft den Grundsaz anwenden und vollziehen, zu welchem die obersten Behörden der Eidgenossenschaft in älterer und neuerer Zeit fich stets einstimmig und ohne Widerfpruch bekannten, und der dahin geht: "Die Schweiz "gewährt den politisch Verfolgten aller Parteien ein ,,Afyl, wenn fie fich durch ruhiges Verhalten desselben "würdig bezeigen; sie gewährt ihnen aber kein Asyl, "wenn fie auf deren Gebiet ihre Umtriebe und Angriffe ,,gegen die Eristenz und Rechtssicherheit anderer Staaten fortsezen." Wir glaubten unsere Pflicht schwer zu verlezen und die Interessen des Landes, so wie die Ehre der h. Bundesversammlung zu kompromittiren , wenn wir den mit Verhöhnung fchweizerifcher Ansichten und Gefühle, und unter Mißachtung unferer Gefeze und Be.hörden auftretenden Umtrieben gleichgültig zuschauen und dadurch jenes mit seltener Einstimmigkeit anerkannte, politische Prinzip zu einer lügenhaften Phrase stämpeln würden. Wenn wir jenes Asyl stets geachtet haben und achten werden, wie die große Zahl der unbelästigt aus Schweizergehiet wohnenden Flüchtlinge beweist, so wer-

456 den wir hinwieder pflichtgemäß gegen diejenigen einschreiten, welche die Schweiz bloß als ein V erste k betrachten, aus dem fie ungestraft ihre Waffen gegen andere Staaten schleudern können.

Ausgewiesen wurden im Laufe des Iahres fünfzehn .fremde, worunter dreizehn Italiener, ein Ungar und ein Deutscher.

Die über Internirung bestehenden Anordnungen wurden im Allgemeinen gut beobachtet, und es find nur ganz wenige begründete Beschwerden vorgekommen. Beson ders im Kanton Teffin ist es den steten Bemühungendes eidgenössischen Kommissärs und der dortigen Polizei gelungen,. den häufigen Versuchen einzelner, zum Aufenthalt nicht berechtigter Fremden entgegen zu treten und dieselben zu entfernen.

Im Laufe des Iahres find fünf und dreißig Pässe an .Flüchtlinge behufs ihrer Abreise e.rpedirt worden; deßhalb hat sich jedoch die Zahl derjenigen Flüchtlinge, welche Aufenthaltsbewilligung erhielten und auf den Verzeichnissen aufgetragen find, nicht erheblich verändert,.

indem jene fünf und dreißig Personen .größtenteils neu angekommen waren und fich nicht längere Zeit aushielten.

Unter denselben find namentlich auch die Ausgewiesenen Inbegriffen. Was die Kosten dieses Verwaltungszweiges betrifft, so blieben die gewöhnlichen Kosten ungefähr die gleichen; dagegen ist es einleuchtend, daß die oberwähnten Vorfälle im August 1854 zu nicht unbedeutenden Kosten Veranlassung gaben, weil nicht nur weitläufige Untersuchungen verursacht wurden, sondern auch im Kanton Graubünden eine außergewöhnliche Gränzbewachung während einiger Zeit als sehr rathfam erschien. Es ist deßhalb von der h. Bundesversammlung bereits ein Nachtragstredit zu diesem Behufe bewilligt worden.

^ Im lezten Jahresberichte wurde auch anderer Fremden c. Andere erwähnt, nämlich solcher, die als Vagabunden oder Fremde.

Trar.sportaten uns zugeschoben wurden oder in einen andern Staat gebracht werden sollten, und es find die Schwierigkeiten hervorgehoben worden, welche hier häufig eintreten. Dabei wurde bemerkt, es werde nun noch in der Ausgabe des Bundesrathes liegen , über die noch nicht erledigten Punkte von W ü r t t e m b e r g und Baden weitere Aufschlüsse einzuholen und wo möglich ein Verfahren festzustellen, das auf billigen Grundlagen beruhe. Von badischer Seite wurde die Zuficherung er.lheilt, daß, wenn Badenser an die Gränze gebracht werden , welche Inhaber von ordentlichen Reinschriften seien, ihre Zulassung nicht beanstandet werde. Dasselbe findet auch in Württemberg statt, und in Bezug auf solche fremde, welche durch Württemberg in rükwärts liegende Staaten gebracht werden sollen, verlangt dieser Staat eine Erklärung der Behörden des Heimathstaates über unbeanstandete Aufnahme und Ersaz der entstehenden Kosten. In allen Fällen also, in welchen derartige Individuen keine ordentlichen Reiseschriften haben, oder wenn sie nicht den Gränzstaaten, fondern rükwärts liegenden Staaten angehören, hat die e.rpedirende kantonale Polizeibehörde sich zunächst die erforderlichen Papiere von der Heimathbehörde der Transportanden zu verschaffen, ehe fie dieselben an die schweizerische Gränze sendet, und es führt nur zu Verzögerungen, wenn in solchen Fällen die kantonale Polizeibehörde zuerst das eidgenössische Iustiz- und Polizeidepartement ..

oder den Bundesrath in Anspruch nimmt, um allfällige Schwierigkeiten auf diplomatischem Wege zu heben.

Die Deferteurs und Refraetairs, welche früher in bedeutender Zahl sich einfanden, und vorzugsweise von

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d. Werbungen.

der L o m b a r d i e her nach Teffin kamen, haben sich in diesem Iahre bedeutend vermindert. Obwol es bei der weitläufigen Gränze Tessins unmöglich ist, den Eintritt eines jeden derselben zu verhindern, so haben die Behörden des Bundes und der Kantone mit vereinten Kräften dahin gewirkt, diefe Gefahr und .Last für das Land möglichst abzuwenden.

Die polizeiliche Thätigkeit in Bezug auf die Ver-

Minderung von Werbungen muß natürlich zunächst und hauptfächlich von den k a n t o n a l e n Behörden ausgehen und das Departement kann nur durch Anzeigen, Einziehung von Berichten und Mahnungen einwirken, da wo es Ursache hat, zu glauben, daß das Gesez keine Vollziehung finde. Im Ganzen genommen mochte die Sache im gleichen Umfange betrieben worden sein wie früher, jedoch fehlen hierüber nähere Angaben. Vernrtheilt wnrden in Zürich 12 Personen, in Luzern 1, in Schwyz 1,

in Freiburg 2, in St. Gallen 14, im Aargau I und Schlußbemer-

im Waadtland 1.

Wir schließen mit einer Bemerkung über die Departe-

kung über dei Kanzlei des mentskanzlei. Am 5. Augnfi 1853 beschloß die h. BundesKanzlei des Departements. versammlung , dass die fehlenden Register zu den Protokollen nachgeführt werden sollen, und sezte dafür einen Kredit von Fr. 1200 aus. Diefer Auftrag erhielt feine

gänzliche Vollziehung, und da die Arbeit durch einen Angestellten der Bundeskanzlei ausgeführt wurde, fo beschränkten sich die Kosten auf zirka Fr. 100 Gratifikation für außerordentliche Arbeiten.

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Bericht des schweizerischen Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1854. (Fortsezung.)

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Bundesblatt

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Feuille fédérale

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Jahr

1855

Année Anno Band

1

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20

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.04.1855

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397-458

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10 001 636

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