09.087 Botschaft über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) und über eine Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (Automatisierte Grenzkontrolle, Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater, Informationssystem MIDES) vom 18. November 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft einen Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) sowie die für die Umsetzung dieser Richtlinie erforderlichen Änderungen des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und des Asylgesetzes.

Im Weiteren unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf betreffend eine Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer. Diese betrifft die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für ein Informationssystem der Empfangs- und Verfahrenszentren sowie der Unterkünfte an den Flughäfen, für den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern und für die automatisierte Grenzkontrolle an Flughäfen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. November 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1940

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Übersicht Die vorliegende Botschaft äussert sich zu zwei grundsätzlich voneinander unabhängigen Gesetzesentwürfen. Der umfangreichere erste Teil der Botschaft beinhaltet die Erläuterungen zu den Änderungen im Asyl- und Ausländergesetz im Rahmen der Übernahme und Umsetzung einer Schengen-Weiterentwicklung, der EG-Rückführungsrichtlinie. Der zweite Teil befasst sich mit weiteren Änderungen im Ausländergesetz, welche die rechtlichen Grundlagen für das neue Informationssystems MIDES, die automatisierte Grenzkontrolle an Flughäfen und den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern bilden sollen.

A. Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie Die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) wurde am 16. Dezember 2008 vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union verabschiedet. Die Beratungen zu dieser Richtlinie auf europäischer Ebene, an denen auch die Schweiz teilnehmen konnte, dauerten rund drei Jahre. Das Hauptziel der Rückführungsrichtlinie besteht darin, einer wirksamen Rückkehrpolitik als notwendigem Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik klare, transparente und faire Vorschriften zu Grunde zu legen. Die Rückführungsrichtlinie soll innerhalb des Schengen-Raums zu einer Harmonisierung der Wegweisungsverfahren bei illegal anwesenden Personen aus Nicht-Schengen-Staaten (Drittstaaten) beitragen. Sie enthält namentlich einheitliche Vorschriften über den Erlass von Wegweisungsverfügungen, die Inhaftierung zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs, die Ausschaffung und den Erlass von Einreiseverboten.

Die Rückführungsrichtlinie stellt eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dar, zu deren Übernahme sich die Schweiz grundsätzlich verpflichtet hat. Ihr steht dafür eine Frist von maximal zwei Jahren ab dem Zeitpunkt zu, in dem die EU der Schweiz den Erlass einer Weiterentwicklung notifiziert hat, im Fall der Rückführungsrichtlinie bis spätestens 12. Januar 2011. Das geltende Recht auf Bundes- und Kantonsebene entspricht weitgehend den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie.

Trotzdem
erfordert die Umsetzung der Richtlinie einzelne Anpassungen im Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), im Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) sowie in den entsprechenden kantonalen Erlassen. Auf Bundesebene sind insbesondere Änderungen bei den Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen, der Ausschaffung und den Zwangsmassnahmen notwendig.

Die wichtigsten Änderungen betreffen folgende Punkte: Die bisherige formlose Wegweisung wird grundsätzlich durch ein formelles Wegweisungsverfahren ersetzt (Art. 64 AuG). In gewissen Fällen muss bei rechtswidrig anwesenden Personen regelmässig ein Einreiseverbot verhängt werden (Art. 67 AuG). Eine weitere wichtige Änderung betrifft die maximale Haftdauer aller Haftarten. Diese ist aufgrund der Rückführungsrichtlinie von maximal 24 Monaten auf maximal 18 Monate zu beschränken (Art. 79 AuG).

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B. Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer Die weiteren vorgeschlagenen Änderungen im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer und im Asylgesetz stehen in keinem direkten Zusammenhang mit der Übernahme der Rückführungsrichtlinie. Mit ihnen sollen die formellgesetzlichen Grundlagen für die automatisierte Grenzkontrolle an den Flughäfen, für das neue Informationssystem der Empfangs- und Verfahrenszentren sowie der Unterkünfte an den Flughäfen (MIDES) sowie für den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern geschaffen werden. Das Ziel dieser Änderungen besteht insbesondere darin, die rechtswidrigen Einreisen effizienter zu bekämpfen; damit besteht ein gewisser sachlicher Zusammenhang mit der Rückführungsrichtlinie, die das Wegweisungsverfahren von rechtswidrig anwesenden Ausländerinnen und Ausländern regelt. Diese Gesetzesänderungen sollen von der laufenden Asylgesetzrevision getrennt werden, da hier eine zeitliche Dringlichkeit besteht. Sie müssen bis spätestens Ende 2010 in Kraft gesetzt werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) 1.1 Ausgangslage 1.2 Notenaustausch zur Übernahme der Rückführungsrichtlinie 1.3 Inhalt und Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie 1.4 Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und des Asylgesetzes 1.4.1 Notwendigkeit der Gesetzesänderungen 1.4.2 Wichtigste Gesetzesänderungen 1.5 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 1.5.1 Änderung des AuG 1.5.2 Änderung des AsylG 1.6 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.7 Finanzielle und personelle Auswirkungen 1.7.1 Auswirkungen auf den Bund 1.7.2 Auswirkungen auf die Kantone 1.8 Verhältnis zur Legislaturplanung 1.9 Rechtliche Aspekte 1.9.1 Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht 1.9.2 Verfassungsmässigkeit 1.9.3 Genehmigungsbeschluss und Umsetzungen

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2 Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (Automatisierte Grenzkontrolle, Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater, Informationssystem MIDES) 2.1 Ausgangslage 2.2 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 2.2.1 Änderung des AuG 2.2.2 Änderung des AsylG 2.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 2.4 Finanzielle und personelle Auswirkungen 2.4.1 Auswirkungen auf den Bund 2.4.2 Auswirkungen auf die Kantone 2.5 Verhältnis zur Legislaturplanung 2.6 Rechtliche Aspekte 2.6.1 Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht 2.6.2 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

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Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) (Entwurf)

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Notenaustausch vom 30. Januar 2009 zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

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Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) (Automatisierte Grenzkontrolle, Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater, Informationssystem MIDES) (Entwurf)

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Botschaft 1

Genehmigung und Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EG betreffend die Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG) (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

1.1

Ausgangslage

Das Schengen-Assoziierungsabkommen (SAA)1 trat am 1. März 2008 in Kraft. Die Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstands für die Schweiz erfolgte am 12. Dezember 2008. Einzig die Aufhebung der Grenzkontrollen an den Flughäfen für den Schengen-internen Flugverkehr erfolgte erst am 29. März 2009. Die Schweiz hat sich grundsätzlich zur Übernahme aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet (Art. 2 Abs. 3 und 7 SAA). Seit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens am 26. Oktober 2004 sind der Schweiz von der Europäischen Union (EU) über 90 Schengen-Weiterentwicklungen notifiziert worden.

Die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 20082 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) ist eine solche Weiterentwicklung. Über die Rückführungsrichtlinie wurde rund drei Jahre verhandelt. Die Schweiz war in den entsprechenden Ratsarbeitsgruppen vertreten und konnte im Rahmen der ihr zustehenden Mitwirkungsrechte ihren Standpunkt zu den Entwürfen einbringen. Die förmliche Beschlussfassung erfolgte durch die zuständigen Organe der EU.

Die Umsetzung dieser Richtlinie erfordert eine Anpassung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 20053 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) sowie des Asylgesetzes vom 26. Juni 19984 (AsylG). Sie führt jedoch nicht zu einer grundsätzlichen konzeptionellen Neuausrichtung des Ausländer- und Asylrechts der Schweiz.

1.2

Notenaustausch zur Übernahme der Rückführungsrichtlinie

Für die Übernahme und Umsetzung der Schengen-Weiterentwicklungen ist in Artikel 7 SAA ein besonderes Verfahren vorgesehen. Die EU notifiziert der Schweiz neue Rechtsakte, die Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands darstellen.

Der Bundesrat muss daraufhin innerhalb von 30 Tagen entscheiden, ob die Schweiz die Weiterentwicklung übernehmen will, und diesen Entscheid dem Rat beziehungsweise der Kommission notifizieren.

1 2 3 4

SR 0.362.31 ABI. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

SR 142.20 SR 142.31

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Die Notifikation des Rechtsakts durch die EU und die Antwortnote der Schweiz ergeben einen Notenaustausch, der aus schweizerischer Sicht einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Je nach Inhalt des zur Übernahme anstehenden EU-Rechtsakts ist für die Genehmigung dieses Vertrags der Bundesrat oder die Bundesversammlung zuständig; gegebenenfalls sind auch die Voraussetzungen für ein fakultatives Referendum erfüllt.

Ist die Bundesversammlung zuständig oder sind zur Umsetzung Gesetzesanpassungen nötig, so setzt der Bundesrat die EU in seiner Antwortnote darüber in Kenntnis, dass die Übernahme der Weiterentwicklung für die Schweiz erst nach Erfüllung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen rechtsverbindlich werden kann (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA). Diese Mitteilung an die EU hat der Bundesrat vorliegend am 30. Januar 2009 vorgenommen. In diesem Fall verfügt die Schweiz für die parlamentarische Genehmigung und die Umsetzung der Weiterentwicklung, einschliesslich der allfälligen Anpassung von Gesetzen und des allfälligen Referendums, über eine Frist von maximal zwei Jahren. Der Fristenlauf beginnt mit der Notifikation der Weiterentwicklung durch die EU. Im vorliegenden Fall erfolgte sie am 12. Januar 2009. Die Rückführungsrichtlinie muss somit von der Bundesversammlung genehmigt und bis spätestens zum 12. Januar 2011 auf Bundes- und Kantonsebene umgesetzt werden. Das in Artikel 20 der Richtlinie für die EU-Mitgliedstaaten vorgesehene späteste Datum für die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie ist der 24. Dezember 2010. Dieses liegt nur wenige Wochen vor dem durch das SAA vorgegebenen Datum. Um eine möglichst gleichzeitige Umsetzung der Richtlinie durch alle Schengen-Staaten sicherzustellen, soll wenn möglich die durch die Richtlinie gesetzte Frist eingehalten werden.

Im Falle der Nichtübernahme der Rückführungsrichtlinie innerhalb der Maximalfrist von zwei Jahren ab Notifikation würde das im SAA vorgesehene Spezialverfahren ausgelöst, bei dem im Rahmen des Gemischten Ausschusses innerhalb von 90 Tagen eine einvernehmliche Lösung gefunden werden muss. Gelingt dies nicht, wird das SAA drei Monate später automatisch beendet.

1.3

Inhalt und Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie

Das Ziel der Rückführungsrichtlinie besteht in einer Mindestharmonisierung der Verfahren bei illegal anwesenden Personen aus Nicht-Schengen-Staaten (Drittstaaten). Die Richtlinie enthält namentlich Vorschriften über den Erlass von Wegweisungsverfügungen, die Inhaftierung zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs, die Ausschaffung sowie den Erlass von Einreiseverboten.

Die Rückführungsrichtlinie soll auch dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit zwischen Schengen-Staaten beim Vollzug von Wegweisungen in Drittstaaten verbessert wird. Durch die Vereinheitlichung der Verfahren wird beispielsweise die Organisation und Durchführung von gemeinsamen Sonderflügen vereinfacht. Einheitliche Verfahren verringern zudem das Risiko, dass die einzelnen Staaten aufgrund von unterschiedlichen Regelungen auch unterschiedlich von der illegalen Migration betroffen sind.

Die Rückführungsrichtlinie findet Anwendung auf Drittstaatsangehörige, die sich illegal in einem Schengen-Staat aufhalten. Ein illegaler Aufenthalt liegt vor, wenn 8887

die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 des Schengener Grenzkodex5 oder nationale Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt sind. Es ist dabei unerheblich, ob der illegale Aufenthalt durch eine illegale Einreise, die Ablehnung eines Asylgesuchs oder den Ablauf der Gültigkeitsdauer einer Bewilligung entstanden ist.

Bestimmte Kategorien von illegal anwesenden Drittstaatsangehörigen können vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden (Art. 2 Abs. 2 Bst. a und b Rückführungsrichtlinie). So können Personen, denen die Einreise bereits an der Schengen-Aussengrenze nach Artikel 13 des Schengener Grenzkodex verweigert wurde und die danach auf dem Territorium eines Schengen-Staates aufgegriffen werden, formlos weggewiesen werden. Die Rückführungsrichtlinie wird grundsätzlich nicht auf Einreiseverweigerungen an den Schengen-Aussengrenzen angewendet, das heisst für die Schweiz nicht auf die Grenzkontrollen bei Flügen aus einem Drittstaat an den Flughäfen und, bis zur Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstands für das Fürstentum Liechtenstein, auch nicht auf die schweizerisch-liechtensteinische Grenze. Wird eine Person an der Schengen-Aussengrenze zurückgewiesen, muss eine Wegweisungsverfügung gemäss Schengener Grenzkodex erlassen werden (Art. 65 AuG; Art. 13 des Schengener Grenzkodex).

Auch in diesen Fällen müssen jedoch gewisse Mindestgarantien der Rückführungsrichtlinie eingehalten werden. Dies gilt insbesondere bei Anordnung von Zwangsmassnahmen und bei der medizinischen Betreuung der betroffenen Personen (Art. 4 Abs. 4 Rückführungsrichtlinie).

Die Rückführungsrichtlinie findet keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige, gegen die ein Auslieferungsverfahren nach Artikel 32 des Bundesgesetzes vom 20. März 19816 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) hängig ist (Art. 2 Abs. 2 Bst. b Rückführungsrichtlinie). Bei einem solchen Verfahren gehen die Bestimmungen des IRSG vor; eine Anpassung dieses Gesetzes ist nicht erforderlich.

Ein Verzicht auf die Anwendung der Rückführungsrichtlinie wäre zudem möglich, wenn die Wegweisung im Rahmen einer strafrechtlichen Sanktion erfolgt (Art. 2 Abs. 2 Bst. b Rückführungsrichtlinie). Mit der Revision des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs (StGB)7 wurde die strafrechtliche Landesverweisung abgeschafft.

Diese Bestimmung ist für die Schweiz daher nicht relevant.

5

6 7

Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen, ABI. L 105 vom 13. 4. 2006, S. 1.

SR 351.1 SR 311.0

8888

1.4

Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und des Asylgesetzes

1.4.1

Notwendigkeit der Gesetzesänderungen

Die Rückführungsrichtlinie enthält teilweise zwar hinreichend konkrete Bestimmungen für eine unmittelbare Anwendung im Einzelfall. Einzelne Bestimmungen müssen jedoch ins Landesrecht umgesetzt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit soll deshalb grundsätzlich die gesamte Richtlinie ins Landesrecht umgesetzt werden Zu ihrer Umsetzung muss die Schweiz einzelne Bestimmungen des AuG und des AsylG anpassen.

Ein Teil der Rückführungsrichtlinie erfordert keine oder nur geringfügige gesetzliche Anpassungen, da das geltende Recht diesen Vorgaben bereits entspricht. Die Rückführungsrichtlinie sieht ausserdem vor, dass die Mitgliedstaaten Bestimmungen beibehalten können, welche für Drittstaatsangehörige günstiger sind, sofern diese mit der Rückführungsrichtlinie im Einklang stehen (Art. 4 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie).

Die Rückführungsrichtlinie gilt nur für Angehörige von Nicht-Schengen-Staaten und nur soweit diese nicht ein Recht auf freien Personenverkehr besitzen. Die Bestimmungen des AuG über die Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen sowie die Zwangsmassnahmen gelten jedoch weiterhin subsidiär zum Abkommen vom 21. Juni 19998 über den freien Personenverkehr auch für Angehörige der EU- und der EFTA-Staaten sowie deren Familienangehörige (Art. 2 Abs. 2 und 3 AuG).

Können sie aus diesem Abkommen kein Aufenthaltsrecht geltend machen, insbesondere wenn gegen sie ein nationales Einreiseverbot besteht, können entsprechende Massnahmen angeordnet werden.

1.4.2

Wichtigste Gesetzesänderungen

Die wichtigsten Änderungen betreffen das AuG. Anpassungen sind in den Bereichen Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen, Ausschaffung und Zwangsmassnahmen notwendig. Insbesondere muss die formlose Wegweisung nach Artikel 64 AuG durch ein formelles Wegweisungsverfahren beziehungsweise durch die Wegweisung mittels Standardformular ersetzt werden. Des Weiteren muss die Bestimmung zum Einreiseverbot (Art. 67 AuG) dahingehend angepasst werden, dass zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich ein Einreiseverbot zu verhängen ist.

Eine weitere wichtige Änderung betrifft die maximale Haftdauer aller Haftarten nach Artikel 79 AuG. Diese ist aufgrund der Rückführungsrichtlinie von maximal 24 Monaten auf maximal 18 Monate zu beschränken. Schliesslich sind auch im Bereich der Ausgestaltung der Ausschaffung und des Haftvollzugs wenige Änderungen vorzunehmen.

Das AsylG muss nur geringfügig angepasst werden. Die einzigen Änderungen betreffen die Bestimmung zur Wegweisungsverfügung nach Artikel 45 AsylG.

8

SR 0.142.112.681

8889

1.5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

1.5.1

Änderung des AuG

Art. 7

Grenzübertritt und Grenzkontrollen

Abs. 2 Das in Artikel 7 Absatz 2 AuG enthaltene Wegweisungsverfahren fällt in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie. Sämtliche Schweizer Landgrenzen stellen gemäss dem Schengen-Besitzstand Binnengrenzen dar, wo Grenzkontrollen im Allgemeinen nicht mehr zulässig sind. Einzige Ausnahme stellt vorübergehend, das heisst bis zur Inkraftsetzung des Schengen-Besitzstands für Liechtenstein, die Grenze mit Liechtenstein dar. Wird eine Person an einer Landgrenze im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle durch das Grenzwachtkorps (GWK) aufgegriffen, gilt diese Person für die Zwecke der Rückführungsrichtlinie als sich illegal auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz aufhaltend. Bei einer Wegweisung im Rahmen dieser noch möglichen Personenkontrollen an der Grenze muss zukünftig ein formelles Wegweisungsverfahren nach Artikel 64 AuG durchgeführt werden.

Art. 64

Wegweisungsverfügung

Abs. 1 Die Mitgliedstaaten müssen grundsätzlich gegen alle auf ihrem Hoheitsgebiet illegal anwesenden Drittstaatsangehörigen eine Wegweisungsverfügung (Rückkehrentscheidung) erlassen (Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie). Die nach dem geltenden Artikel 64 AuG mögliche formlose Wegweisung muss daher grundsätzlich durch ein formelles Wegweisungsverfahren ersetzt werden. Bereits nach geltendem Recht können die betroffenen Personen jedoch verlangen, dass eine schriftliche, begründete und beschwerdefähige Wegweisungsverfügung erlassen wird (Art. 64 Abs. 2 AuG).

Im Vernehmlassungsentwurf zur Umsetzung einer anderen Schengen-Weiterentwicklung, des Schengener Grenzkodex, hat der Bundesrat im Jahr 2007 im Hinblick auf eine Vereinheitlichung der Verfahren bereits vorgeschlagen, generell auf die formlose Wegweisung zu verzichten.9 Dieser Vorschlag wurde jedoch wieder fallengelassen, da der Schengener Grenzkodex formlose Wegweisungen aus dem Inland nicht verbietet.

Die Gründe, die nach Absatz 1 Buchstaben a und b zum Erlass einer Wegweisungsverfügung führen, entsprechen dem geltenden Recht (Art. 64 Abs. 1 Bst. a und b AuG). Neu ist, dass in diesen Fällen immer eine formelle Wegweisungsverfügung erlassen werden muss.

Absatz 1 Buchstabe c entspricht den Wegweisungsgründen nach Artikel 66 Absatz 1 AuG. In diesen Fällen wird bereits nach geltendem Recht immer eine formelle Wegweisungsverfügung erlassen.

9

BBl 2007 7937 7949

8890

Abs. 2 Bei Drittstaatsangehörigen, die sich illegal in einem Schengen-Staat aufhalten und über einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen, schreibt die Rückführungsrichtlinie ein zweistufiges Verfahren vor (Art. 6 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie). Ausländerinnen und Ausländer, bei denen diese Voraussetzungen gegeben sind, sind zuerst formlos aufzufordern, die Schweiz zu verlassen und sich in den Staat zu begeben, in dem sie über einen Aufenthaltstitel verfügen.

Wenn sie dieser Aufforderung nicht nachkommen oder wenn von ihnen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht, ist ein formelles Wegweisungsverfahren nach Absatz 1 einzuleiten.

Wie ausgeführt ist die Rückführungsrichtlinie zwar nicht auf Staatsangehörige von Schengen-Staaten sowie Drittstaatsangehörige anwendbar, die über Freizügigkeitsrechte verfügen (Familienangehörige von EU- oder EFTA-Staatsangehörigen). Auch in diesen Fällen kann jedoch aufgrund eines nationalen Einreiseverbots der Aufenthalt in der Schweiz untersagt sein. Wird eine solche Person auf dem Territorium der Schweiz angetroffen, ist es nicht gerechtfertigt, sie strenger zu behandeln als die Drittstaatsangehörigen, die über einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen (d.h. nach Abs. 1). Absatz 2 spricht deshalb allgemein von Ausländerinnen und Ausländern, die sich illegal in der Schweiz aufhalten und über einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen, und erfasst nicht nur Staatsangehörige von Nicht-Schengen-Staaten ohne Freizügigkeitsrechte.

Abs. 3 Bei einem illegalen Aufenthalt nach Artikel 64 Absatz 1 Buchstaben a und b AuG beträgt die Frist für die Einreichung einer Beschwerde neu fünf Arbeitstage (bisher drei Tage); dies in Analogie zur Beschwerdefrist gegen Nichteintretensentscheide nach Artikel 108 Absatz 2 AsylG. Eine Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Die Beschwerdeinstanz, in der Regel ein kantonales Gericht, kann diese jedoch wiederherstellen. Dies entspricht den Vorgaben von Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Rückführungsrichtlinie.

Wurde eine Bewilligung abgelehnt, widerrufen oder nicht verlängert (Abs. 1 Bst. c AuG), gelten wie bisher die allgemeinen Bestimmungen des eidgenössischen und kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts über das Beschwerdeverfahren.
Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens verlangt die Rückführungsrichtlinie, dass es den Drittstaatsangehörigen ermöglicht wird, rechtliche Beratung und rechtliche Vertretung und ­ falls notwendig ­ Sprachbeistand in Anspruch zu nehmen. Sprachliche Unterstützung kann im Hinblick auf die Information über das mögliche Rechtsmittel notwendig sein, falls diese Information nicht schon im Rahmen der Entscheideröffnung erfolgt ist (Art. 12 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie). Des Weiteren kann sprachliche Unterstützung im Rahmen einer allfälligen mündlichen Verhandlung vor der zuständigen Gerichtsinstanz notwendig sein. Wo die Inanspruchnahme von rechtlicher Beratung und Vertretung oder die entsprechende Kontaktaufnahme aufgrund der Umstände nur erschwert möglich ist, hat die zuständige Behörde dafür zu sorgen, dass die betroffene Person ihre Rechte wahrnehmen kann. Im Rahmen des Vollzugs von Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft sieht Artikel 81 AuG beispielsweise explizit vor, dass der Kontakt mit der Rechtsvertretung gewährleistet sein muss.

8891

Unentgeltliche Rechtsvertretung oder Rechtberatung im Beschwerdeverfahren muss durch die Mitgliedstaaten auf Antrag der betroffenen Person gemäss den nationalen Bestimmungen zur Prozesskostenhilfe gewährt werden (Art. 13 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie). Die Mitgliedstaaten können diesbezüglich vorsehen, dass Prozesskostenhilfe nach Massgabe der Bestimmungen in Artikel 15 Absätze 3­6 der Richtlinie 2005/85/EG10 bereitgestellt wird. Sie kann demnach auf Fälle beschränkt werden, bei denen ausreichende Erfolgsaussichten des Rechtsmittels bestehen und bei denen die betroffenen Personen nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen. Dies entspricht der geltenden Regelung in Artikel 65 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 196811 über das Verwaltungsverfahren.

Abs. 4 Bei unbegleiteten Minderjährigen muss unter Berücksichtigung des Kindeswohls vor Ausstellung einer Wegweisungsverfügung Unterstützung durch geeignete Stellen gewährt werden, bei denen es sich nicht um die für das Wegweisungsverfahren zuständigen Stellen handeln darf (Art. 10 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie). Um dieser Forderung gerecht zu werden, sieht der Gesetzesvorschlag vor, dass in Analogie zu Artikel 17 Absatz 3 AsylG die zuständigen kantonalen Behörden zukünftig auch im ausländerrechtlichen Wegweisungsverfahren Vertrauenspersonen bestimmen sollen, welche die Interessen unbegleiteter Minderjähriger wahrnehmen. Unbegleiteten Minderjährigen kommt nach den Bestimmungen des Übereinkommens vom 20. November 198912 über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) ein besonderer Schutz zu. Entsprechend sind deshalb die zuständigen kantonalen Behörden bereits heute verpflichtet, bei diesen Personen vormundschaftliche Massnahmen einzuleiten. Ist die Bestellung eines Vormundes oder Beistandes nicht sofort möglich, muss eine Vertrauensperson bestimmt werden, welche die Interessen der minderjährigen Person während der Dauer des Wegweisungsverfahrens wahrt.

Art. 64a

Wegweisung aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen

Abs. 1 In diesem Artikel wird die Wegweisung von illegal anwesenden Personen geregelt, die aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen13 in einen anderen Dublin-Staat weggewiesen werden können und die in der Schweiz kein Asylgesuch eingereicht haben. Andernfalls finden die entsprechenden Bestimmungen des Asylgesetzes Anwendung.

Das Dublin-Verfahren fällt grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie. Der Wortlaut dieser Bestimmung soll jedoch dem geänderten Artikel 64 AuG angeglichen werden. Die Begriffe «beschwerdefähig» und «begründet» sind nicht notwendig, da diese Voraussetzungen bei einer Verfügung vorausgesetzt werden. Die Regelung, nach welcher die Wegweisung sofort vollstreckbar ist, wird aus systematischen Gründen in Artikel 64d AuG (Ausreisefrist

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11 12 13

Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl L 326 vom 13.12.2005, S. 13.

SR 172.021 SR 0.107 SR 0.142.392.68

8892

und sofortige Vollstreckung) integriert, der neu alle Tatbestände enthalten soll, bei denen eine sofortige Vollstreckung möglich ist.

Abs. 2 Das Beschwerdeverfahren soll dem Verfahren nach Artikel 64 Absatz 3 AuG angepasst werden. Dadurch soll vermieden werden, dass in vergleichbaren Fällen unterschiedliche Verfahrensbestimmungen zur Anwendung kommen.

Art. 64b

Verfügung mit Standardformular

Eine Wegweisungsverfügung wird mit einem Standardformular eröffnet, wenn die betroffene Person illegal eingereist ist (Art. 12 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie).

Dadurch wird der Aufwand der Behörden gesenkt. Das Standardformular muss eine sachliche und rechtliche Begründung und einen Hinweis auf Beschwerdemöglichkeiten enthalten (Art. 12 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie). Darüber hinaus bestehen keine besonderen Formvorschriften. Es ist geplant, einheitliche Formulare für alle Kantone zu schaffen.

Art. 64c

Formlose Wegweisung

Abs. 1 Bst. a Vom Grundsatz, dass bei einem illegalen Aufenthalt immer eine Wegweisungsverfügung erlassen werden muss, sieht Artikel 6 Absatz 3 der Rückführungsrichtlinie eine Ausnahme vor. Sie betrifft Wegweisungen aufgrund von zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Rückführungsrichtlinie (13. Januar 2009) geltenden Rückübernahmeabkommen mit anderen Schengen-Staaten. Zu diesem Zeitpunkt waren Rückübernahmeabkommen mit den Benelux-Staaten, Deutschland, Estland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Spanien und Ungarn in Kraft. Bei einer Rückübergabe beziehungsweise Rückübernahme aufgrund eines bilateralen Abkommens ist derjenige Staat, der die betroffene Person zurücknimmt, für die Durchführung des Wegweisungsverfahrens nach Massgabe der Rückführungsrichtlinie zuständig (Art. 6 Abs. 1 und 3 Rückführungsrichtlinie). Auf unverzügliches Begehren der betroffenen Person wird jedoch vor der Rückübergabe eine Verfügung mittels Standardformular erlassen (wie in Art. 64 Abs. 2 des geltenden AuG). Dies verlangt die Rückführungsrichtlinie zwar nicht, damit soll jedoch sichergestellt werden, dass auch hier eine Überprüfung einer Wegweisung in den Heimat- oder Herkunftsstaat vorgenommen werden kann. Ein sofortiger Vollzug der Wegweisung soll jedoch möglich sein (Art. 64d Abs. 2 Bst. d AuG).

Abs. 1 Bst. b Drittstaatsangehörige, denen die Einreise nach Artikel 13 des Schengener Grenzkodex verweigert wurde und die danach in der Schweiz aufgegriffen werden, können formlos weggewiesen werden. Dadurch können Doppelspurigkeiten vermieden werden, denn bei diesen Personen wurde zuvor schon in einem formellen Verfahren nach dem Schengener Grenzkodex geprüft, ob die Einreisevoraussetzungen erfüllt sind oder nicht.

Auf unverzügliches Begehren der betroffenen Person soll auch in diesen Fällen eine Verfügung mittels eines Standardformulars erlassen werden (siehe Kommentar zu Abs. 1; Art. 64 Abs. 2 des geltenden AuG).

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Art. 64d

Ausreisefrist und sofortige Vollstreckung

Abs. 1 Nach geltendem Recht liegt der Entscheid über die Festlegung einer angemessenen Ausreisefrist bei den Behörden (Art. 66 Abs. 2 AuG). Die Rückführungsrichtlinie sieht hier gewisse Grundsätze vor; in der Regel soll die Ausreisefrist zwischen 7 und 30 Tagen dauern (Art. 7 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie). Im Einzelfall ist eine längere Ausreisefrist festzulegen, wenn besondere Umstände vorliegen (Art. 7 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie). Dazu können insbesondere gesundheitliche Probleme, familiäre Gründe oder ein langer Voraufenthalt gehören.

Abs. 2 In Absatz 2 werden die Gründe aufgezählt, die zu einem sofortigen Vollzug einer Wegweisungsverfügung beziehungsweise zur Festlegung einer Ausreisefrist von weniger als sieben Tagen führen können.

Abs. 2 Bst. a Diese Bestimmung entspricht dem bisherigen Artikel 64 Absatz 3 AuG. Der Wortlaut musste aufgrund von Artikel 7 Absatz 4 der Rückführungsrichtlinie präzisiert werden. Ein sofortiger Vollzug der Wegweisung ist möglich, wenn die betroffene Person zum Zeitpunkt der Eröffnung der Wegweisungsverfügung eine aktuell bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die innere oder die äussere Sicherheit darstellt.

Abs. 2 Bst. b Eine vergleichbare Bestimmung ist bisher im AuG nicht enthalten. Nach Artikel 7 Absatz 4 der Rückführungsrichtlinie ist ein sofortiger Vollzug der Wegweisung bei bestehender Fluchtgefahr möglich. Der Wortlaut dieser Bestimmung orientiert sich an Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 3 AuG (Untertauchensgefahr als Grund für eine Ausschaffungshaft).

Abs. 2 Bst. c Eine vergleichbare Bestimmung ist bisher im AuG nicht enthalten. Sie entspricht Artikel 7 Absatz 4 der Rückführungsrichtlinie. Bereits heute muss das Bewilligungsverfahren in der Regel im Ausland abgewartet werden (Art. 17 Abs. 1 AuG).

Abs. 2 Bst. d Eine vergleichbare Bestimmung ist bisher im AuG nicht enthalten. Die Rückführungsrichtlinie schreibt in diesen Fällen den Erlass einer Wegweisungsverfügung nicht vor, liesse also eine formlose Wegweisung zu. Der Schengen-Staat, der der Rückübernahme zustimmt, ist für die korrekte Durchführung des Wegweisungsverfahrens zuständig (Art. 6 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie). Damit jedoch die Rechtsweggarantie nach Artikel 29a der Bundesverfassung (BV)14 gewährleistet ist, soll der betroffenen Person auf Verlangen
eine Verfügung mittels Standardformular ausgehändigt werden. Die Wegweisung beziehungsweise Rückübergabe an den zuständigen Schengen-Staat soll jedoch sofort vollstreckbar sein. Die sofortige Vollstreckbarkeit ermöglicht es, dass eine Rückübergabe innerhalb der vertraglich

14

SR 101

8894

vereinbarten Fristen auch bei einem hängigen Rechtsmittelverfahren abgewickelt werden kann.

Abs. 2 Bst. e Eine vergleichbare Bestimmung ist bisher im AuG nicht enthalten. Die Rückführungsrichtlinie schreibt bei Einreiseverweigerungen den Erlass einer Wegweisungsverfügung nicht vor, lässt also eine formlose Wegweisung zu. Damit jedoch die Rechtsweggarantie nach Artikel 29a BV gewährleistet ist, soll der betroffenen Person auf Verlangen eine Verfügung mittels Standardformular ausgehändigt werden. Die Wegweisung soll jedoch sofort vollstreckbar sein, da die betroffene Person zuvor bereits ein formelles Einreiseverfahren nach Artikel 13 des Schengener Grenzkodex durchlaufen hat.

Abs. 2 Bst. f Diese Bestimmung entspricht dem bisherigen Artikel 64a Absatz 1 AuG. Aus systematischen Gründen wird die sofortige Vollstreckbarkeit einer Wegweisung gemäss den Dublin-Assoziierungsabkommen neu hier geregelt.

Art. 64e

Verpflichtungen nach Eröffnung einer Wegweisungsverfügung

Die in der Rückführungsrichtlinie vorgeschlagenen Verpflichtungen sollen der Vermeidung einer Fluchtgefahr dienen und sollen vorsorglich bereits während noch laufender Ausreisefrist angeordnet werden können (Art. 7 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie). Einzelne dieser Massnahmen werden von den kantonalen Behörden bereits heute ergriffen, wenn die Anordnung von Zwangsmassnahmen nicht verhältnismässig oder nicht (mehr) möglich ist. Dies betrifft insbesondere die Meldepflicht.

Art. 64f

Übersetzung der Wegweisungsverfügung

Die Rückführungsrichtlinie schreibt vor, dass Drittstaatsangehörigen die wichtigsten Elemente einer Wegweisungsverfügung, einschliesslich der Informationen über mögliche Rechtsmittel, auf Verlangen zu übersetzen sind. Die Übersetzung hat zumindest in eine Sprache zu erfolgen, von der ausgegangen werden kann, dass sie von der betroffenen Person verstanden wird. Eine Übersetzung muss daher nicht zwingend in die Muttersprache erfolgen.

Eine wichtige Ausnahme vom Erfordernis der Übersetzung auf Verlangen besteht bei der Wegweisungsverfügung mittels Standardformular (siehe Art. 64b AuG). In diesem Fall ist es zulässig, den betroffenen Personen Informationsblätter auszuhändigen, die mindestens in die Sprachen der fünf wichtigsten Herkunftsländer von illegal einreisenden Ausländerinnen und Ausländern zu übersetzen sind (Art. 12 Abs. 3 Rückführungsrichtlinie). Der Bundesrat wird die Ausführungsbestimmungen dazu auf Verordnungsstufe regeln.

Art. 66

Wegweisung nach bewilligtem Aufenthalt

Diese Bestimmung ist neu in Artikel 64 AuG enthalten. Sie kann daher gestrichen werden.

8895

Art. 67

Einreiseverbot

Abs. 1 Bei einem sofortigen Vollzug einer Wegweisungsverfügung oder wenn die betroffene Person der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, verlangt die Rückführungsrichtlinie die Verhängung eines Einreiseverbots (Art. 11 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie). Bereits heute erlässt das Bundesamt für Migration (BFM) in diesen Fällen regelmässig ein Einreiseverbot (Art. 67 Abs. 1 Bst. c AuG). Gemäss der Rückführungsrichtlinie besteht hier jedoch zukünftig ein stark eingeschränktes Entschliessungsermessen (siehe Absatz 5). Im Grundsatz ist in diesen Fällen ein Einreiseverbot zu erlassen.

Abs. 2 Die Tatbestände, bei denen das BFM wie bis anhin zusätzlich im Rahmen des Ermessens ein Einreiseverbot verhängen kann, entsprechen dem geltenden Recht (Art. 67 Abs. 1 AuG). Ein solches Einreiseverbot kann grundsätzlich auch unabhängig vom Erlass einer Wegweisungsverfügung verhängt werden. Die Bestimmung, nach der ein Einreiseverbot verhängt werden kann, wenn eine Person ausgeschafft worden ist, kann gestrichen werden, da in diesen Fällen grundsätzlich immer ein Einreiseverbot verhängt werden muss (vgl. Abs. 1).

Abs. 3 Die Maximaldauer für die Anordnung eines Einreiseverbots soll neu einheitlich für alle Einreiseverbote, die das BFM verfügt, fünf Jahre betragen. Diese Maximalfrist kann ausnahmsweise überschritten werden, wenn die betroffene Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (Art. 11 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie). Die bestehende Praxis des BFM bei der Ansetzung von Einreiseverboten ist mit diesen Grundsätzen vereinbar.

Abs. 4 Die meisten Einreiseverbote, die das Bundesamt für Polizei auf Antrag des Dienstes für Analyse und Prävention des VBS verfügt, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie. Ein Grossteil dieser Einreiseverbote geht nicht mit einer Rückkehrentscheidung beziehungsweise einer Wegweisungsverfügung einher, sondern wird präventiv verfügt, wenn eine Person eine Gefahr für die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz darstellt. Bei diesen Fällen soll somit auch zukünftig die Anordnung eines Einreiseverbots für mehr als fünf Jahre oder bei schwerwiegenden Fällen für unbefristete Zeit möglich sein.

Abs. 5 Die Rückführungsrichtlinie enthält in Artikel 11 Absatz 3 eine allgemeine Ausnahmeklausel, welche es den Mitgliedstaaten
ermöglicht, in Einzelfällen aus humanitären oder aus sonstigen Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbots abzusehen, ein solches aufzuheben oder auszusetzen. Wie bereits ausgeführt, ist bei einem Einreiseverbot nach Absatz 1 nur in Ausnahmefällen von einem Verzicht Gebrauch zu machen. Die offene Formulierung des Gesetzesentwurfs umfasst die weiteren in der Rückführungsrichtlinie (Art. 11 Abs. 3) enthaltenen Tatbestände für die Aufhebung, Aussetzung oder den Verzicht auf ein Einreiseverbot. Dies gilt insbesondere

8896

bei Opfern und Zeugen von Menschenhandel, für die im AuG eine besondere Regelung gilt (Art. 30 Abs. 1 Bst. e AuG; Art. 35 und 36 VZAE15).

Art. 69

Anordnung der Ausschaffung

Abs. 3 Der in der Rückführungsrichtlinie vorgesehene Aufschub der Ausschaffung in besonderen Fällen (z. B. bei hängigen Beschwerden mit aufschiebender Wirkung, gesundheitlichen Problemen oder fehlenden Transportmöglichkeiten) entspricht der heutigen Praxis der kantonalen Vollzugsbehörden (Art. 9 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie).

Der Aufschub einer Ausschaffung nach diesem Absatz ist von der Anordnung einer vorläufigen Aufnahme (Art. 83 AuG) zu unterscheiden. Beim Aufschub einer Ausschaffung wird lediglich der Ausreisetermin verschoben, bis die Vollzugshindernisse weggefallen sind. Grundsätzliche Wegweisungs- beziehungsweise Vollzugshindernisse werden demgegenüber bereits im Rahmen des Wegweisungsverfahrens geprüft und können auch in einer Beschwerde gegen den Wegweisungsentscheid vorgebracht werden. Ist ein Vollzug der Wegweisung in absehbarer Zeit nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, erfolgt eine vorläufige Aufnahme (Art. 83 AuG).

Dies ist auch dann der Fall, wenn der Grundsatz des Non-Refoulement-Gebots verletzt würde (Grundsatz der Nichtzurückweisung; Art. 9 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie).

Da die Ausschaffung eine Vollzugshandlung darstellt, entscheidet die vollziehende Behörde über einen Aufschub endgültig. Befindet sich die Person bis zum neuen Ausreisetermin nicht in Gewahrsam der Vollzugsbehörden, ist ihr eine Bestätigung hinsichtlich des Aufschubs der Ausschaffung auszustellen (Art. 14 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie).

Abs. 4 Bei unbegleiteten Minderjährigen muss vor dem Vollzug einer Wegweisungsverfügung sichergestellt werden, dass diese im Rückkehrstaat an Familienmitglieder, vormundschaftliche Behörden oder Heimanstalten übergeben werden können (Art. 10 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie). Dies entspricht der geltenden Praxis.

Art. 71a

Überwachung von Ausschaffungen

Abs. 1 Die Rückführungsrichtlinie verpflichtet die Schengen-Staaten, ein wirksames System zur Überwachung von Ausschaffungen einzurichten (Art. 8 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie). Die nähere Ausgestaltung dieses Systems wird durch die Rückführungsrichtlinie nicht vorgeschrieben. Die Rückführungsrichtlinie verweist jedoch in den Erwägungen (Ziff. 3) auf die «20 Leitlinien zur Frage der erzwungenen Rückkehr» des Europarats vom 4. Mai 2005. Die Leitlinie Nummer 20 enthält folgende grundsätzlichen Empfehlungen zum Monitoring: Es soll wirksam und effizient ausgestaltet werden. Falls notwendig sollen spezielle Monitoring-Einrichtungen geschaffen werden (z. B. Kameraüberwachung am Flughafen). Alle Rückführungen 15

Verordnung über die Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, SR 142.201

8897

sollen vollständig dokumentiert werden und die betroffenen Personen sollen die Möglichkeit haben, sich gegen eine ungerechtfertigte oder unverhältnismässige Behandlung zu beschweren. In den Erläuterungen zur Leitlinie 20 wird darauf hingewiesen, dass unabhängige Stellen am Monitoring beteiligt sein sollen.

Der Einsatz von unabhängigen Menschenrechtsbeobachterinnen und -beobachtern bei zwangsweisen Rückführungen wurde im Nationalrat bei den Beratungen zum Zwangsanwendungsgesetz vom 20. März 200816 bereits eingehend diskutiert. Ein Minderheitsantrag, mit dem der systematische Einsatz von Menschenrechtsbeobachterinnen und -beobachtern im Rahmen von zwangsweisen Rückführungen verlangt wurde, wurde damals abgelehnt.17 Die Ausgestaltung des Monitorings bildet zurzeit Gegenstand einer Studie, die durch die EU-Kommission in Auftrag gegeben wurde. Die Veröffentlichung dieser Studie ist erst auf Ende 2010 geplant (ursprünglich September 2009). Die EU-Mitgliedstaaten und auch die Schweiz sind aufgrund der Umsetzungsfristen jedoch schon früher auf entsprechende Umsetzungsvorgaben im Hinblick auf ein einheitliches Monitoring innerhalb des Schengen-Raums angewiesen. Aus diesem Grund hat sich das Kontaktkomitee der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie mit Vertretern der Schengen-Mitgliedstaaten anlässlich der zweiten Sitzung vom 18. September 2009 intensiv mit den entsprechenden Umsetzungsfragen auseinandergesetzt. Deutschland, Österreich, die Niederlande und Luxemburg haben anlässlich dieser Veranstaltung ihre bereits bestehenden Monitoring-Systeme zur Überwachung von Rückführungen präsentiert; die anderen Schengen-Mitgliedstaaten haben bisher noch keine solchen Systeme eingeführt. Die bisher gewählten Lösungen sind unterschiedlich, es werden kirchliche Institutionen, Hilfswerke oder gemischte Gremien (Behörden und Hilfswerke) eingesetzt. In Deutschland erfolgt das Monitoring in allen Fällen nur bis zum Einstieg der betroffenen Person in das Flugzeug. Eine Begleitung bis in den Zielstaat ist in Österreich, den Niederlanden und Luxemburg nur bei Sonderflügen vorgesehen.

Der Bundesrat wird sich bei der Erarbeitung der entsprechenden Verordnungsbetimmung an diesen Systemen orientieren und die entsprechenden Empfehlungen des Kontaktkomitees und der angekündigten Studie berücksichtigen.
Abs. 2 Durch diese Delegationsnorm soll der Bundesrat die Möglichkeit erhalten, gewisse Aufgaben im Rahmen der Überwachung von Ausschaffungen an Dritte übertragen zu können. Der Bundesrat kann ausschliesslich nicht hoheitliche Aufgaben delegieren. Er kann Dritte beispielsweise mit Beobachtungsaufgaben betrauen. Art und Umfang der möglichen Aufgaben müssen jedoch zusätzlich auch auf Verordnungsstufe festgelegt werden.

Art. 74

Ein- und Ausgrenzung

Abs. 1 Bst. b Die Rückführungsrichtlinie sieht zur Vermeidung der Fluchtgefahr die Möglichkeit vor, Drittstaatsangehörige bereits während einer laufenden Ausreisefrist zu verpflichten, sich ausschliesslich an einem bestimmten Ort aufzuhalten (Art. 7 Abs. 3 16 17

SR 364 AB 2007 N 1626

8898

Rückführungsrichtlinie). Die bestehende Ein- und Ausgrenzung kann demgegenüber erst dann angeordnet werden, wenn die betroffene Person die Ausreisefrist nicht eingehalten hat (Art. 74 Abs. 1 Bst. b AuG).

Entsprechend der Rückführungsrichtlinie und in Ergänzung zu den in Artikel 64e AuG vorgeschlagenen weiteren Verpflichtungen sollen zukünftig Ein- oder Ausgrenzungen nach Artikel 74 Absatz 1 Buchstabe b AuG bereits während einer laufenden Ausreisefrist verfügt werden können, wenn konkrete Anzeichen dafür bestehen, dass die betroffene Person untertauchen könnte. Diesbezüglich geht der Gesetzesvorschlag weniger weit als die Rückführungsrichtlinie, welche die Anordnung einer Ein- oder Ausgrenzung bereits präventiv zur Vermeidung einer Untertauchens- oder Fluchtgefahr zuliesse.

Abs. 1 Bst. c Wird eine Ausschaffung aufgeschoben (Art. 69 Abs. 3 AuG), soll den für den Vollzug der Wegweisung zuständigen Behörden die Möglichkeit offenstehen, eine Einoder Ausgrenzung zu verfügen um den späteren Vollzug der Wegweisung sicherzustellen. Diese Möglichkeit ist in Artikel 9 Absatz 3 der Rückführungsrichtlinie vorgesehen. Die Anordnung einer Ein- oder Ausgrenzung ist insbesondere in denjenigen Fällen sinnvoll, bei denen die Ausschaffung aufgrund vorübergehend fehlender Transportmöglichkeiten aufgeschoben wurde.

Art. 76

Ausschaffungshaft

Abs. 2 Die Höchstdauer der Ausschaffungshaft richtet sich neu nach Artikel 79 AuG.

Verfügt das BFM eine Ausschaffungshaft in einem Empfangs- und Verfahrenszentrum (Art. 76 Abs. 1 AuG), muss diese an die Höchstdauer nach Artikel 79 AuG angerechnet werden.

Abs. 3 Die Rückführungsrichtlinie unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Haftarten.

Die offene Formulierung von Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie lässt jedoch die Beibehaltung beziehungsweise Einführung verschiedener Haftarten im nationalen Recht zu. Die Mitgliedstaaten können neben den in der Richtlinie aufgezählten Haftgründen im nationalen Recht weitere Haftgründe vorsehen. Die im AuG vorgesehenen Zwangsmassnahmen, insbesondere die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft, müssen daher nicht grundlegend angepasst werden.

Anpassungsbedarf besteht hinsichtlich der Haftdauer. Die Rückführungsrichtlinie schreibt für die Haftdauer eine Obergrenze von sechs Monaten vor (Art. 15 Abs. 5 Rückführungsrichtlinie). Die Haft darf bis zu 18 Monaten verlängert werden, wenn einer der in Artikel 15 Absatz 6 der Rückführungsrichtlinie erwähnten Gründe vorliegt (Näheres dazu unter den Erläuterungen zu Art. 79 AuG). Diese Obergrenze ist für sämtliche im nationalen Recht vorgesehenen Haftarten und die Kombinationen dieser Haftarten verbindlich. Die Gründe, die eine Haftverlängerung oder Haftanordnung über sechs Monate ermöglichen, gelten für alle Haftarten. Die Haftverlängerungsgründe sind daher neu für alle Haftarten in Artikel 79 AuG geregelt.

8899

Art. 78

Durchsetzungshaft

Abs. 2 Während für die Vorbereitungshaft (Art. 75 AuG), die Ausschaffungshaft ab Empfangs- und Verfahrenszentrum (Art. 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 5 AuG) und die Ausschaffungshaft wegen fehlender Mitwirkung bei der Papierbeschaffung jeweils eine Obergrenze für die Haftanordnung beziehungsweise Haftverlängerung vorgesehen ist, soll bei der Durchsetzungshaft, analog zur Ausschaffungshaft, neu keine eigene Obergrenze mehr vorgesehen werden. Die Maximaldauer der Haftanordnung beziehungsweise Haftverlängerung richtet sich nach Artikel 79 AuG. Im Maximalfall, wenn zuvor keine andere Haft angeordnet worden ist, kann die Durchsetzungshaft wie bis anhin bis zu 18 Monate dauern. Die Dauer der jeweiligen Haftverlängerung richtet sich nach Artikel 78 Absatz 2 AuG und beträgt wie bis anhin jeweils zwei Monate.

Art. 79

Maximale Haftdauer

Die verschiedenen Haftarten (Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft) können im Einzelfall kombiniert werden; die Gesamtdauer darf nach geltendem Recht 24 Monate nicht überschreiten (Art. 79 AuG). Bis zum 1. Januar 2007 betrug die maximale Haftdauer in der Schweiz 12 Monate.

In Artikel 15 Absatz 5 der Rückführungsrichtlinie wird die maximale Dauer der Inhaftierung zwecks Ausschaffung demgegenüber auf 6 Monate festgesetzt. Die vorliegende Bestimmung muss entsprechend angepasst werden. Die Höchstgrenze gilt sowohl für die Gesamtdauer einer Haftart wie auch für die Kombination verschiedener Haftarten.

Eine Verlängerung der Haft beziehungsweise eine neue Haftanordnung über sechs Monate ist nur möglich, wenn eine mangelnde Kooperation der betroffenen Person vorliegt oder sich die Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten verzögert. Diese Verlängerungsgründe entsprechen den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (z. B. BGE 130 II 56 E.4.1.2 und 4.1.3) in Frage kommenden Gründen für eine Haftverlängerung bei einer Ausschaffungshaft und dem in Artikel 78 Absatz 2 AuG aufgeführten Grund für die Verlängerung der Durchsetzungshaft.

Die Haftverlängerung ist insgesamt auf 18 Monate beschränkt (Art. 15 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie). Dadurch wird die nach geltendem Recht mögliche Maximaldauer zwar von 24 Monaten auf 18 Monate reduziert. Die vorgeschlagene Regelung lässt jedoch neu eine erstmalige Haftanordnung für die Ausschaffungshaft bis zu sechs Monaten zu, falls sich die betroffene Person zuvor nicht bereits in Vorbereitungs- oder Durchsetzungshaft befand. Die Ausschaffungshaft stellt bei Weitem den wichtigsten Hafttatbestand dar. Bei 2771 Haftanordnungen im Jahr 2008 wurde insgesamt 2570-mal Ausschaffungshaft angeordnet (Vorbereitungshaft: 60 Anordnungen; Durchsetzungshaft: 141 Anordnungen).

Bei Jugendlichen soll auch zukünftig, wie nach geltendem Recht, eine Verlängerung der Haft um bis zu sechs Monaten möglich sein. Die Rückführungsrichtlinie weist darauf hin, dass unbegleitete Minderjährige und Familien mit Minderjährigen nur im äussersten Fall und für die kürzestmögliche angemessene Dauer inhaftiert werden sollen (Art. 17 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie). Im Vergleich zur Rückführungsrichtlinie, die keine Untergrenze für die Inhaftierung von Jugendlichen vorsieht, soll im AuG die Untergrenze von 15 Jahren beibehalten werden (Art. 80 Abs. 4 AuG).

8900

Eine Umfrage unter den Kantonen für die Jahre 2007 und 2008 zur Anwendung der Administrativhaft im Ausländerbereich hat gezeigt, dass die Haft bei sehr wenigen Fällen (weniger als 1 %) länger als 18 Monate dauerte. In den meisten Fällen konnte der Vollzug der Wegweisung bei einer Haftdauer von weniger als 12 Monaten (frühere Maximaldauer) erfolgen. Im Jahr 2008 wurden rund 85 % der Personen nach Ablauf der Administrativhaft zurückgeführt, und die durchschnittliche Haftdauer betrug weniger als 20 Tage. Aufgrund dieser Zahlen und der Erfahrungen der Vollzugsbehörden im Bereich der Zwangsmassnahmen im Ausländerbereich ist davon auszugehen, dass sich die Senkung der maximal möglichen Haftdauer von 24 Monaten auf 18 Monate in der Praxis nur geringfügig auswirken wird.

Art. 81

Haftbedingungen

Abs. 1 Absatz 1 enthält keine inhaltlichen Änderungen. Es wurde lediglich der Wortlaut angepasst.

Abs. 2 Nach Artikel 16 Absatz 1 der Rückführungsrichtlinie erfolgt die Inhaftierung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Sind solche Hafteinrichtungen nicht vorhanden, so müssen die in Haft genommenen Drittstaatsangehörigen von den gewöhnlichen Strafgefangenen gesondert untergebracht werden.

Der Wortlaut von Artikel 81 Absatz 2 AuG muss dahingehend angepasst werden, dass die gemeinsame Unterbringung mit Personen in Untersuchungshaft nicht bloss zu vermeiden ist, sondern dass eine getrennte Unterbringung zwingend ist. Diese Anpassung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts, nach der die Unterbringung von ausländerrechtlichen Häftlingen in Haftabteilungen zu erfolgen hat, die von denjenigen anderer Häftlingskategorien getrennt sind, falls keine spezifisch auf die Bedürfnisse ausländerrechtlicher Häftlinge ausgerichteten Haftanstalten bestehen (BGE 122 II 299).

Abs. 3 Die Artikel 16 und 17 der Rückführungsrichtlinie enthalten verschiedene Vorschriften im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Schutzbedürftigen, Minderjährigen und Familien. Insbesondere verlangt die Rückführungsrichtlinie eine gesonderte Unterbringung von Familien, welche die Privatsphäre angemessen gewährleistet.

Des Weiteren müssen Minderjährige Gelegenheit erhalten, während der Administrativhaft Freizeitbeschäftigungen ausüben zu können. Diese Vorschriften werden bei der Inhaftierung dieser Personengruppen in den Kantonen bereits weitgehend berücksichtigt und sind teilweise in den entsprechenden kantonalen Erlassen enthalten. Ausserdem entsprechen sie weitestgehend der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Administrativhaft im Ausländerbereich. Zur Inhaftierung von Minderjährigen gilt es auszuführen, dass das AuG im Gegensatz zur Rückführungsrichtlinie eine Untergrenze von 15 Jahren für die Inhaftierung vorsieht.

Bezüglich der Ausgestaltung der Haft enthält das AuG nur wenige grundsätzliche Rahmenvorschriften, da die Kantone für den Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft zuständig sind. Das AuG soll daher in diesem Bereich lediglich angepasst werden, soweit die bisherigen Bestimmungen den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie nicht mehr entsprechen. Darüber hinaus wird auf die detail8901

lierten Bestimmungen in der Rückführungsrichtlinie verwiesen. Soweit die kantonalen Bestimmungen oder die entsprechenden Haftanstalten noch nicht den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie entsprechen, müssen diese noch innerhalb der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie angepasst werden.

1.5.2 Art. 45 AsylG

Änderung des AsylG Wegweisungsverfügung

Die Bestimmungen des AsylG entsprechen weitestgehend den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Die einzigen Änderungen betreffen Artikel 45 AsylG. Der Titel dieser Bestimmung lautet neu «Wegweisungsverfügung».

Abs. 2 In Analogie zu Artikel 64d AuG soll die nach der Rückführungsrichtlinie vorgesehene Ausreisefrist von mindestens sieben bis dreissig Tagen neu auf Gesetzesstufe geregelt werden. Dieser Vorschlag bedeutet hinsichtlich der Anordnung der Ausreisefrist keine Praxisänderung. Die Mindestausreisefrist ­ die Ausreisefrist bei einem Nichteintretensentscheid ­ beträgt bereits nach geltender Praxis sieben Tage. Das BFM kann auch zukünftig eine längere Ausreisefrist festlegen, wenn besondere Gründe vorliegen. Dazu können die Verfahrensdauer, gesundheitliche Probleme oder familiäre Gründe gehören.

Abs. 3 Absatz 3 entspricht Artikel 64d Absatz 2 Buchstabe f AuG. Als einzige Ausnahme zur grundsätzlichen Mindestausreisefrist von 7 Tagen können Nichteintretensentscheide im Hinblick auf eine Rückübergabe an den für die Durchführung des Asyloder Wegweisungsverfahrens zuständigen Dublin-Staat sofort vollzogen werden, wie dies die Dublin-Verordnung18 vorsieht.

Abs. 4 Im Gegensatz zum ausländerrechtlichen Wegweisungsverfahren erhält jede asylsuchende Person bereits heute zu Beginn des Asylverfahrens ein mehrseitiges Merkblatt, das unter anderem ein Kapitel zum Wegweisungsverfahren enthält. Darin werden die wichtigsten Grundsätze zum Inhalt der Wegweisungsverfügung, zum Rechtsmittelverfahren, zur Rückkehrverpflichtung und zur Rückkehrunterstützung erklärt. Dieses Merkblatt liegt aktuell in über 50 Sprachen vor. Zusätzlich werden die wichtigsten Punkte während der Befragung der Person und der anschliessenden Anhörung zu den Asylgründen nochmals wiederholt. Auch wenn die Eröffnung der Wegweisungsverfügung ausnahmsweise nicht im Empfangs- und Verfahrenszentrum erfolgen kann, ist somit sichergestellt, dass die betroffene Person die notwendigen Informationen zum Wegweisungsentscheid in einer ihr verständlichen Sprache erhält. Damit sind die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie, welche die Erläuterung der wichtigsten Punkte des Wegweisungsentscheides (nicht des gesamten Asyl18

Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

8902

entscheides) auf Verlangen der betroffenen Person vorschreibt, erfüllt. Die Aushändigung des Merkblattes, das allenfalls noch ergänzt werden muss, soll neu auf Gesetzesstufe geregelt werden. Die Details zu diesem Merkblatt sollen neu auf Verordnungsstufe geregelt werden.

1.6

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Übernahme der Rückführungsrichtlinie wird von der überwiegenden Mehrheit der Vernehmlasser grundsätzlich gutgeheissen. Insbesondere wird begrüsst, dass durch die Übernahme der Rückführungsrichtlinie das Wegweisungsverfahren im Schengen-Raum vereinheitlicht und die Zusammenarbeit mit den anderen SchengenStaaten verbessert wird. Einzig die SVP lehnt die Übernahme der Rückführungsrichtlinie ins nationale Recht grundsätzlich ab. Die vorgesehene Verkürzung der maximalen Haftdauer begünstige das Untertauchen von illegal anwesenden Ausländerinnen und Ausländern. Zur Bekämpfung dieses Missstandes sei die maximale Haftdauer auf den 1. Januar 2007 von 18 auf 24 Monate angehoben worden.

Der Volkswille werde missachtet, wenn diese zielführende und demokratisch abgestützte Massnahme bereits nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht werde.

Auch andere Vernehmlasser, wie beispielsweise die FDP, erachten die Übernahme der Rückführungsrichtlinie aus staatspolitischen Überlegungen als nicht unbedenklich, da damit die erst kürzlich vom Schweizer Stimmvolk gutgeheissenen Anpassungen des Ausländer- und des Asylrechts bereits wieder teilweise geändert würden.

Mehrere Kantone und weitere interessierte Kreise nehmen die Übernahme der Rückführungsrichtlinie als Schengen-Weiterentwicklung zur Kenntnis und weisen darauf hin, dass der Spielraum der Schweiz im Rahmen der Übernahme einer Schengen-Weiterentwicklung relativ klein sei und dass sich daher eine umfassende Vernehmlassung zu den einzelnen Gesetzesänderungen erübrige.

Verschiedene Hilfswerke und weitere interessierte Kreise begrüssen die Übernahme der Rückführungsrichtlinie ausdrücklich, da sie auch die Rechtsstellung der betroffenen Personen verbessere. Sie bemängeln jedoch, dass der Vernehmlassungsentwurf keinen Zugang zu unentgeltlicher Rechtsberatung und Rechtsvertretung vorsehe. Zudem sind sie mit der vorgeschlagenen Umsetzung der Überwachung von Ausschaffungen (Monitoring) nicht einverstanden. Des Weiteren wird von verschiedener Seite bemängelt, dass die vorgesehenen Beschwerdefristen zu kurz seien und dass die Beschwerde grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung habe. Aufgrund dieser Eingaben wurde der Botschaftstext zum Monitoring und zum Beschwerdeverfahren ergänzt. Die entsprechenden Bestimmungen wurden jedoch nicht angepasst, da diese mit den Vorgaben
der Rückführungsrichtlinie in Einklang stehen. Neben weiteren Anpassungen des Entwurfs wurde aufgrund der Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts unter anderem die Bestimmung zum Einreiseverbot dahingehend angepasst, dass nationale Einreiseverbote nach Artikel 67 Absatz 2 AuG weiterhin unabhängig von einer Wegweisungsverfügung verhängt werden können.

Weitere Änderungsvorschläge, die nicht direkt mit der Übernahme und Umsetzung der Rückführungsrichtlinie zusammenhängen, wurden aufgenommen, jedoch im Rahmen dieser Revision noch nicht berücksichtigt.

8903

1.7

Finanzielle und personelle Auswirkungen

1.7.1

Auswirkungen auf den Bund

Dem Bund werden aufgrund der Vorgaben der Rückführungsrichtlinie zur Überwachung von Ausschaffungen (Monitoring) nach Artikel 71a AuG zusätzliche Kosten entstehen. Wie hoch diese ausfallen werden, hängt davon ab, wie dieses Monitoring ausgestaltet wird, beziehungsweise davon, ob der Bund Dritte mit Überwachungsfunktionen betrauen wird und in welchem Umfang diese Überwachung ausfallen wird. Die Kosten sollen jedoch möglichst tief gehalten werden.

1.7.2

Auswirkungen auf die Kantone

Aufgrund der Formalisierung des Wegweisungsverfahrens ist davon auszugehen, dass bei den Kantonen ein Mehraufwand entstehen wird. Es ist jedoch vorgesehen, einen Teil der Wegweisungsverfügungen mittels eines Standardformulars zu eröffnen und in Ausnahmefällen eine Wegweisungsverfügung nur auf Verlangen der betroffenen Person zu erlassen. Des Weiteren werden verschiedene Kantone ihre Vollzugsbestimmungen zum AuG (insbesondere zu den Zwangsmassnahmen) anpassen müssen. Soweit die kantonalen Haftanstalten den Anforderungen der Rückführungsrichtlinie nicht entsprechen, werden ausserdem bauliche Massnahmen notwendig.

1.8

Verhältnis zur Legislaturplanung

In der Botschaft über die Legislaturplanung 2007­201119 hat sich der Bundesrat das Ziel gesetzt, die internationale Zusammenarbeit im Justiz- und Polizeibereich zu verstärken. Unter den erforderlichen Massnahmen zur Zielerreichung wird dabei die Anpassung des schweizerischen Rechts an die zukünftigen Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands genannt. Bei der Rückführungsrichtlinie handelt es sich um eine solche Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands20.

1.9

Rechtliche Aspekte

1.9.1

Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht

Die Übernahme der Rückführungsrichtlinie steht mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz in Einklang. Die Übernahme bringt eine Verbesserung der Rechtsstellung der betroffenen Personen mit sich. Die Änderungen stehen unter anderem im Einklang mit der EMRK21 und der Genfer Konvention vom 28. Juli

19 20 21

BBl 2008 753 794 BBl 2008 8543 8546 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, SR 0.101).

8904

195122 über den Flüchtlingsstatus in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 196723.

1.9.2

Verfassungsmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage des Bundesbeschlusses zur Übernahme der Rückführungsrichtlinie findet sich in Artikel 54 Absatz 1 BV, der bestimmt, dass die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Dies hat zur Folge, dass der Bund mit dem Ausland völkerrechtliche Verträge abschliessen kann. Die Übernahme der Rückführungsrichtlinie erfolgt im Rahmen eines Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft, der für die Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt.

1.9.3

Genehmigungsbeschluss und Umsetzungen

Die Genehmigung eines völkerrechtlichen Vertrags obliegt nach Artikel 166 Absatz 2 BV grundsätzlich der Bundesversammlung. Allerdings ist der Bundesrat allein zum Abschluss befugt, wenn ihm aufgrund einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung oder eines völkerrechtlichen Abkommens die Zuständigkeit übertragen wurde oder es sich um ein Abkommen von beschränkter Tragweite handelt (Art. 166 Abs. 2 BV; Art. 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199724, RVOG). Der Notenaustausch zur Übernahme der Rückführungsrichtlinie stellt kein Abkommen von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7a Absatz 2 RVOG dar, da für die Umsetzung Anpassungen im AuG notwendig sind. Zudem besteht in keinem anderen Gesetz oder Staatsvertrag eine entsprechende Abschlusskompetenz.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen, wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Der Notenaustausch zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Rückführungsrichtlinie ist nicht unkündbar, da er nach den allgemeinen Kündigungsregeln des Schengen-Assoziierungsabkommens gekündigt werden kann (Art. 17 SAA), und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es stellt sich nun die Frage, ob der Notenaustausch wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält. Unter rechtsetzenden Bestimmungen werden nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200225 Bestimmungen verstanden, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtig sind solche rechtsetzenden Bestimmungen dann, wenn sie nach Landesrecht im Rahmen von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen. Zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie müssen das AuG und das AsylG punktuell geändert werden. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des 22 23 24 25

Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.30).

Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.301).

SR 172.010 SR 171.10

8905

Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Rückführungsrichtlinie untersteht demnach dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Nach Artikel 141a Absatz 2 BV können der aufgrund der Rückführungsrichtlinie notwendige Genehmigungsbeschluss über den Notenaustausch und die Gesetzesänderungen in denselben Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden.

2

Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (Automatisierte Grenzkontrolle, Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater, Informationssystem MIDES)

2.1

Ausgangslage

Die Einführung dieser neuen Bestimmungen im AuG und im AsylG war ursprünglich im Rahmen der laufenden Teilrevision zum Asyl- und Ausländergesetz vorgesehen. Die entsprechenden Grundlagen, insbesondere die formellgesetzliche Grundlage für das Informationssystem MIDES, werden jedoch bereits im Herbst 2010 benötigt. Aus diesem Grund ist eine getrennte Inkraftsetzung dieser Bestimmungen notwendig.

Das Informationssystem der Empfangs- und Verfahrenszentren und der Unterkünfte an den Flughäfen (MIDES) soll das System AVES auf Herbst 2010 ablösen. Es soll dazu dienen, Personendaten von Asylsuchenden zu erfassen, darunter auch biometrische Daten und weitere besonders schützenswerte Personendaten. MIDES wird auch ein Geschäftsverwaltungssystem umfassen, das den ordnungsgemässen Verfahrensablauf in den Empfangs- und Verfahrenszentren und den Unterkünften an den Flughäfen sicherstellen soll und der Organisation der Unterbringung dient. Einer der Vorteile des neuen Informationssystems besteht darin, dass ein Teil der Daten direkt auch im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) erfasst wird.

Das automatisierte Grenzkontrollverfahren am Flughafen soll der zuständigen Grenzkontrollbehörde zur Beschleunigung und Vereinfachung der Kontrolle von Einreisenden in den Schengen-Raum und Ausreisenden aus dem Schengen-Raum dienen.

Mit dem Gesetzesvorschlag zum Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern soll schliesslich die Grundlage dafür geschaffen werden, dass der Bundesrat mit den zuständigen ausländischen Behörden Vereinbarungen über den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern beziehungsweise «Airline Liaison Officers (ALO)» abschliessen kann. Dies beinhaltet sowohl den Einsatz von Schweizer Dokumentenberaterinnen und -beratern im Ausland wie den Einsatz von ausländischen Beraterinnen und Beratern in der Schweiz. Die grundlegende Aufgabe dieser Personen besteht darin, die Luftverkehrsunternehmen und die örtlich zuständigen Kontrollbehörden bei der Dokumentenkontrolle beratend zu unterstützen. Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater verfügen über keine hoheitlichen Befugnisse.

8906

2.2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.2.1

Änderung des AuG

Art. 100a

Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern

Abs. 1 Mit dem Beitritt zu Schengen hat die Schweiz die systematischen Personenkontrollen an den Binnengrenzen aufgegeben und kontrolliert nunmehr an den internationalen Flughäfen die Einreisevoraussetzungen von Personen, die in die Schweiz beziehungsweise den Schengenraum einreisen wollen. Die verstärkte Vernetzung von Fahndungssystemen und der rasche Informationsaustausch zwischen Grenzkontrollbehörden hat auch zu einem veränderten Verhalten der betroffenen Personen geführt, indem sie sich vermehrt einer falschen Identität bedienen, um so in den Schengenraum einreisen zu können. Die Luftverkehrs-, Strassentransport- und Schifffahrtsunternehmen, die im internationalen Linienverkehr Personen befördern, sind verpflichtet, alle ihnen zumutbaren Vorkehren zu treffen, damit nur Personen befördert werden, die über die für die Durchreise, Einreise oder Ausreise erforderlichen Reisedokumente verfügen. Daher hat die Bedeutung der Dokumentenkontrolle an den Abgangsdestinationen und Brennpunkten der illegalen Migration massiv zugenommen.

Abs. 2 Die möglichen Aufgaben von Dokumentenberaterinnen und -beratern werden im «Code of Conduct for Immigration Liaison Officers» der IATA/CAWG26 geregelt.

Die grundlegende Aufgabe besteht darin, die Transportunternehmen, die Auslandvertretungen und die örtlich zuständigen Kontrollbehörden bei der Dokumentenkontrolle beratend zu unterstützen. Auf Ersuchen der zuständigen Behörde kann die Dokumentenberaterin oder der Dokumentenberater beispielsweise dabei behilflich sein, Reisedokumente und Visa zu überprüfen. Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater verfügen über keine hoheitlichen Befugnisse. So sind sie insbesondere nicht befugt, einem Luftverkehrsunternehmen den Transport eines Fluggasts zu untersagen, eine widerrechtliche Handlung im Ausland zu sanktionieren oder gefälschte Dokumente einzuziehen. Sie dürfen keine Anweisungen geben und nicht direkt in den Entscheidprozess der zuständigen Luftverkehrsunternehmen und örtlichen Behörden eingreifen. Um ihrer Beratungs- und Unterstützungstätigkeit nachkommen zu können, benötigen die Dokumentenberaterinnen und -berater eine Zugangsbewilligung der Flughafenbehörden für den nicht öffentlichen Bereich des Flughafens (Transit- und Einsteigezone) und eine Akkreditierung an der zuständigen Auslandsvertretung. Die International
Civil Aviation Organization (ICAO) empfiehlt den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern, da sich diese Massnahme als sehr wirksames Mittel zur Verhinderung der unerlaubten Einreisen oder Durchreisen auf dem Luftweg erwiesen hat. Ebenso betonte der Schengener Exekutivausschuss in seiner Sitzung vom 16. September 1998 die besondere Bedeutung der Dokumentenberaterinnen und -berater bei der Bekämpfung der illegalen Migration im Schengen-Raum. Der Beschluss des Exekutiv-

26

The International Air Transport Association (IATA), Control Authorities Working Group (CAWG).

8907

ausschusses über den koordinierten Einsatz von Dokumentenberaterinnen und -beratern ist Teil des Schengen-Besitzstandes27.

Abs. 3 Der Bundesrat kann völkerrechtliche Verträge selbstständig abschliessen, soweit er durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist (Art. 7a Abs. 1 RVOG). Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag soll die Grundlage dafür geschaffen werden, dass der Bundesrat mit den zuständigen ausländischen Behörden Vereinbarungen über den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern beziehungsweise «Airline Liaison Officers (ALO)» abschliessen kann. Dies beinhaltet vornehmlich den Einsatz von Schweizer Dokumentenberaterinnen und -beratern an ausländischen und den Einsatz von ausländischen Beraterinnen und -beratern an Schweizer Flughäfen. Der Einsatz von Fachpersonen, die den Luftverkehrsunternehmen und den Behörden vor Ort beratend zur Seite stehen, soll der Bekämpfung der illegalen Migration an den Flughäfen dienen. Es ist wichtig, dass solche Einsätze kurzfristig erfolgen können, damit man schnell und effizient auf Entwicklungen im Bereich der illegalen Migration reagieren kann. Daher soll der Bundesrat auf der Grundlage von Artikel 48a Absatz 1 RVOG die Zuständigkeit zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) delegieren können. Dies soll auf Verordnungsstufe geregelt werden.

Art. 103a

Automatisierte Grenzkontrolle am Flughafen

Abs. 1 Das automatisierte Grenzkontrollverfahren am Flughafen dient der zuständigen Grenzkontrollbehörde zur Beschleunigung und Vereinfachung der Kontrolle von Einreisenden in den Schengen-Raum und von Ausreisenden aus dem SchengenRaum. Das automatisierte Grenzkontrollverfahren ist bisher nicht Teil des Schengen-Besitzstands, das heisst, die Schweiz ist unter Schengen nicht verpflichtet, solche Verfahren einzurichten. Die Teilnahme an diesem Verfahren ist insbesondere für «Vielflieger», die regelmässig beruflich unterwegs sind, interessant, da sich dadurch längere Wartezeiten im Flughafentransit vermeiden lassen.

Abs. 2 Die Teilnahme ist ausschliesslich für Schweizer Bürgerinnen und Bürger möglich und für Personen, die sich auf das Freizügigkeitsabkommen28 oder das EFTAÜbereinkommen29 berufen können. Der Ausschluss von Drittstaatsangehörigen30 von der Teilnahmemöglichkeit berücksichtigt die Vorgabe des Schengener Grenzkodex, wonach dieser Personenkreis beim Grenzübertritt einer eingehenden Kontrolle31 zu unterziehen ist und die Reisepässe systematisch abzustempeln sind.32 27 28

29 30 31 32

ABl. Nr. L 239 vom 22. 9. 2000, S. 308 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681.

Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation, SR 0.632.31.

Definition von «Drittstaatsangehörigen» nach Art. 2 Abs. 6 Schengener Grenzkodex.

Art. 7 Abs. 3 des Schengener Grenzkodex.

Art. 10 des Schengener Grenzkodex.

8908

Abs. 3 Die Teilnahme am automatisierten Grenzkontrollverfahren erfordert einen biometrischen Pass oder eine Teilnehmerkarte, auf der die biometrischen Daten nach Absatz 3 gespeichert werden. Die zuständige Behörde kann von Personen, die am automatisierten Grenzkontrollverfahren teilnehmen wollen und die keinen biometrischen Pass besitzen, biometrische Daten erheben. Diese Daten dürfen ausschliesslich auf einem geeigneten Datenträger (Teilnehmerkarte) gespeichert werden, und die Teilnehmerkarte verbleibt im Besitz der betroffenen Person.

Abs. 4 Beim Grenzübertritt erfolgt eine Verifikation der biometrischen Daten, das heisst, die in der Teilnehmerkarte oder dem biometrischen Pass gespeicherten biometrischen Daten werden mit den entsprechenden biometrischen Merkmalen der reisenden Person abgeglichen. Der Abgleich erfolgt in Echtzeit, und es werden keine Daten dieses Abgleichs gespeichert. Neben der Verifikation der biometrischen Daten kann bei jedem Grenzübertritt eine Abfrage der im biometrischen Pass oder auf der Teilnehmerkarte gespeicherten Personendaten in RIPOL und SIS gemacht werden. Ergibt die Abfrage einen Treffer, kann die automatisierte Grenzkontrolle nicht passiert werden.

Abs. 5 Die für die Grenzkontrolle zuständige Behörde führt ein Informationssystem, in dem sich Personen, die keinen biometrischen Pass besitzen und trotzdem an der automatischen Grenzkontrolle teilnehmen möchten, registrieren lassen müssen. Das Informationssystem dient der Bearbeitung von Personendaten, die für die Ausstellung der Teilnehmerkarte erforderlich sind. Im Informationssystem werden keine besonders schützenswerten und insbesondere keine biometrischen Personendaten gespeichert.

Die Einrichtung, der Betrieb und die Finanzierung eines automatisierten Grenzkontrollverfahrens fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit des jeweiligen FlughafenStandortkantons. Um zu gewährleisten, dass die wesentlichen Verfahrensabläufe an allen in Frage kommenden Schweizer Flughäfen einheitlich umgesetzt werden, ist es notwendig, dass der Bund auf Gesetzesstufe Mindeststandards für das automatisierte Grenzkontrollverfahren festlegt, die insbesondere das Anmeldeverfahren und den Umgang mit biometrischen Daten regeln. Ausserdem ist davon auszugehen, dass zukünftig auch das Grenzwachtkorps im Auftrag der Kantone Aufgaben im Rahmen des automatisierten Grenzkontrollverfahrens übernehmen wird.

Abs. 6 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten der Datenbearbeitung auf Verordnungsstufe.

8909

2.2.2

Änderung des AsylG

Gliederungstitel vor Art. 99a

1a. Abschnitt: Informationssystem der Empfangs- und Verfahrenszentren und der Unterkünfte an den Flughäfen (MIDES) Der Gliederungstitel «Informationssystem der Empfangs- und Verfahrenszentren und der Unterkünfte an den Flughäfen» wurde neu im AsylG aufgenommen, um dieses Informationssystem von den übrigen im 7. Kapitel des AsylG enthaltenen Informationssystemen abzugrenzen.

Art. 99a

Grundsätze

Abs. 1­3 Nach den Artikeln 26 Absatz 2 und 22 Absatz 1 AsylG sind die Mitarbeitenden der Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes (EVZ) beziehungsweise die zuständigen Behörden an den schweizerischen Flughäfen berechtigt, die Personalien von Asylsuchenden sowie deren biometrische Daten zu erheben und die Asylsuchenden summarisch zu ihren Asylgründen zu befragen. Mit dem Informationssystem MIDES wird es möglich sein, diese Personendaten zentral zu erfassen, darunter auch biometrische Daten und besonders schützenswerte Personendaten. MIDES wird auch ein Geschäftsverwaltungssystem umfassen, das den ordnungsgemässen Verfahrensablauf in den EVZ und den Unterkünften an den Flughäfen sicherstellen soll und der Organisation der Unterbringung dient.

Abs. 4 Die in Absatz 3 Buchstaben a und e erwähnten Personendaten werden mit der Erfassung in MIDES automatisch auch in ZEMIS registriert. Im Rahmen der Weiterentwicklung der beiden Informationssysteme MIDES und ZEMIS ist es denkbar, dass weitere in MIDES bearbeitete Personendaten wie die in Absatz 3 Buchstaben b und c erwähnten Protokolle der summarischen Befragungen und die an den EVZ und an den Flughäfen erhobenen biometrischen Daten direkt in ZEMIS übernommen werden können. Diesfalls müsste das Bundesgesetz vom 20. Juni 200333 über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich im Hinblick auf die von MIDES direkt übernommenen, besonders schützenswerten Personendaten angepasst werden.

Abs. 5 Absatz 5 entspricht den Anforderungen an die Informationspflicht von Artikel 7a des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199234 über den Datenschutz und Artikel 10 der für das «Dublin-Verfahren» anwendbaren Richtlinie 95/46/EG des Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 199535 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr.

33 34 35

SR 142.51 SR 235.1 ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

8910

Art. 99b

Datenbearbeitung in MIDES

Der Zugriff auf MIDES ist auf die Mitarbeitenden des BFM, die zuständigen Behörden am Flughafen nach Artikel 22 Absatz 1 AsylG und beauftragte Dritte, wie beispielsweise externes Betreuungs- oder Bewachungspersonal, beschränkt. Art und Umfang der jeweiligen Zugriffsberechtigungen werden im Einzelnen auf Verordnungsstufe geregelt. Insbesondere muss auf Verordnungsstufe geregelt werden, welche Mitarbeitenden des BFM Zugriff auf MIDES erhalten.

Art. 99c

Beauftragte Dritte

Abs. 1 Um einen ordnungsgemässen Ablauf des Asylverfahrens und des Aufenthalts sicherzustellen, kann das BFM nach den Artikeln 26 Absatz 1 AsylG in Verbindung mit Artikel 17 der Asylverordnung 1 vom 11. August 199936 Dritte mit bestimmten Aufgaben beauftragen. Die vom BFM beauftragten Dritten können Personendaten von Asylsuchenden und schutzbedürftigen Personen bearbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist (Art. 96 Abs. 1 AsylG).

Abs. 2 Gewährt das BFM Dritten Zugang zu MIDES durch ein Abrufverfahren, ist es verpflichtet zu kontrollieren, ob diese die anwendbaren Vorschriften über den Datenschutz und die Informatiksicherheit einhalten. Das BFM haftet unabhängig vom Verschulden für Schäden, die mit der Datenbearbeitung beauftragte Dritte verursacht haben.

Art. 99d

Aufsicht und Vollzug

Abs. 1 Wenn das BFM in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben Personendaten in MIDES bearbeitet und durch Dritte bearbeiten lässt, ist es für die Sicherheit und Rechtmässigkeit der Datenbearbeitung verantwortlich. Es hat insbesondere die entsprechenden Vorkehrungen zur Einhaltung der Datensicherheit zu treffen und bei der Datenbearbeitung durch Dritte seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen.

Abs. 2 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten der Datenbearbeitung auf Verordnungsstufe.

Gliederungstitel vor Art. 100

1b. Abschnitt: Andere Informationssysteme Der Gliederungstitel «Andere Informationssysteme» wurde neu im AsylG aufgenommen, um die weiteren im 7. Kapitel des AsylG enthaltenen Informationssysteme von MIDES abzugrenzen.

36

SR 142.311

8911

Art. 100

Informationssystem der Beschwerdebehörden

Bei Artikel 100 AsylG wurde lediglich der Titel angepasst. Inhaltlich erfolgten keine Änderungen.

2.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Bestimmungen zur Einführung der Systeme MIDES und der automatisierten Grenzkontrolle wurden den Kantonen, Parteien und interessierten Kreisen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zur Änderung des Asyl- und Ausländergesetzes unterbreitet. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 15. Januar 2009 bis zum 15. April 2009. Die Vernehmlasser waren mit der Einführung dieser Bestimmungen grundsätzlich einverstanden. Einzelne Vernehmlasser beantragten, dass die Kantone Zugriff auf MIDES erhalten sollten. Diesem Begehren wurde nicht entsprochen, da es sich bei MIDES um ein internes System der Empfangs- und Verfahrenszentren handelt und die für die Kantone notwendigen Daten ohnehin automatisch in ZEMIS gespeichert werden. Seitens der Flughafenbetreiber wurde die Einführung der automatisierten Grenzkontrolle ausdrücklich begrüsst.

Die Bestimmung betreffend den Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern wurde erst während des laufenden Vernehmlassungsverfahrens zur Änderung des Asyl- und Ausländergesetzes in das Gesetzgebungspaket aufgenommen. Im Rahmen einer Anhörung durch das BFM wurde die Bestimmung den Flughafenbetreibern, den Flughafenstandortkantonen und weiteren interessierten Kreisen unterbreitet. Diese sind mit der Bestimmung einverstanden

2.4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

2.4.1

Auswirkungen auf den Bund

MIDES ersetzt das bisherige System AVES. Das entsprechende Informatikprojekt ist weitgehend abgeschlossen. Dem Bund entsteht mit der Einführung von MIDES kein personeller und finanzieller Mehraufwand. Auch die Möglichkeit, Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater gezielt, kurzfristig und für einen kurzen Zeitraum einsetzen zu können, wird grundsätzlich keine personellen und finanziellen Auswirkungen nach sich ziehen, da diese Stellen bundesintern besetzt werden sollen.

2.4.2

Auswirkungen auf die Kantone

Im Rahmen der allfälligen Einführung der automatisierten Grenzkontrolle nach Massgabe der vorgesehenen Bestimmung im AuG können für die Flughafenstandortkantone zusätzliche Kosten entstehen, falls diese nicht von den Flughafenbetreibern übernommen werden. Auf längere Sicht werden mit diesem System jedoch Kosteneinsparungen möglich sein.

8912

2.5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200837 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200838 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Die Einführung der neuen Bestimmungen im AuG und im AsylG war ursprünglich im Rahmen der laufenden Teilrevision zum Asyl- und Ausländergesetz vorgesehen. Die Inkraftsetzung dieser Revision erfolgt jedoch frühestens auf Mitte 2011. Die entsprechenden Grundlagen, insbesondere die formellgesetzliche Grundlage für das Informationssystem MIDES, werden jedoch bereits im Herbst 2010 benötigt. Eine getrennte Inkraftsetzung dieser Bestimmungen erscheint daher sinnvoll.

2.6

Rechtliche Aspekte

2.6.1

Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht

Die vorgeschlagenen Änderungen im AuG und im AsylG sind mit dem internationalen Recht vereinbar.

2.6.2

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des AsylG und des AuG stützt sich auf Artikel 121 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern).

37 38

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

8913

8914