17.423 Parlamentarische Initiative Mitwirkungspflicht im Asylverfahren.

Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 16. Oktober 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für eine Änderung des Asylgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt Ihnen, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

16. Oktober 2020

Im Namen der Kommission Der Präsident: Andreas Glarner

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Übersicht Kann die Identität von asylsuchenden Personen mangels fehlender Dokumente nicht ermittelt werden, wird das Asylverfahren verlängert und erschwert. Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates sieht in der Auswertung von mobilen Datenträgern wie Mobiltelefone oder Tablets eine effiziente Methode, um Informationen über die Identität einer Person zu erhalten.

Dieses Mittel zur Identitätsfeststellung wird in anderen Staaten bereits praktiziert.

Es gibt keinen Grund, warum diese Methode nicht auch in der Schweiz angewendet werden soll.

Die SPK des Nationalrates schlägt deshalb vor, das Asylgesetz dahingehend anzupassen, dass dem Staatssekretariat für Migration (SEM) weitergehende Kompetenzen zur Überprüfung von mobilen Datenträgern bei der Identitätsabklärung eingeräumt werden. Die Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Person wird somit auch auf diesen Bereich ausgeweitet.

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Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf

Die von Nationalrat Gregor Rutz am 17. März 2017 eingereichte parlamentarische Initiative fordert, dass die rechtlichen Grundlagen so zu ändern sind, dass die Mitwirkungspflichten der Asylsuchenden bzw. die Kompetenzen der Behörden auch das Recht umfassen, mobile Datenträger zu prüfen, bzw. die Pflicht umfassen, die entsprechenden Geräte herauszugeben, wenn die Identität der gesuchstellenden Person nicht auf andere Weise festgestellt werden kann.

In seiner Begründung stellt der Initiant fest, dass eine beträchtliche Anzahl Asylsuchender ohne Ausweispapiere einreisen und deshalb ihre Identität nicht nachgewiesen werden kann. Dies verzögert und erschwert das Asylverfahren. Oftmals führen diese Personen jedoch mobile Datenträger wie Mobiltelefone oder Tablets mit sich, welche eine Vielzahl von Daten enthalten, die für die Identitätsklärung von Nutzen sein können.

Nach dem geltenden Recht ist es dem Staatssekretariat für Migration nicht möglich, Inhalte von mobilen Datenträgern auszuwerten, um so weitere Rückschlüsse auf die Identität der asylsuchenden Person zu erhalten.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates gab der Initiative am 1. Februar 2018 mit 17 zu 7 Stimmen Folge. Am 21. Juni 2018 stimmte die ständerätliche Schwesterkommission diesem Beschluss mit 9 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen zu. Eine Minderheit erachtet diese Methode als einen unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre und als zu aufwändig.

Die SPKs beider Räte schlossen sich der Analyse des Initianten an, dass für die Identitätsabklärung weitergehende Möglichkeiten zur Überprüfung von mobilen Datenträgern rechtlich geregelt werden sollen. Die Auswertung von mobilen Daten kann eine effiziente Methode darstellen, um Informationen über die Identität einer Person zu erhalten. Es zeigt sich, dass in anderen Staaten, wie zum Beispiel Deutschland, dieses Vorgehen bereits praktiziert wird. Zudem kann durch eine sorgfältige Abklärung der Identität von Asylsuchenden durch den Staat auch das Vertrauen der Bevölkerung in das Asylverfahren gestärkt werden.

1.3

Rechtsvergleich mit anderen Staaten

In verschiedenen anderen Staaten Europas werden bereits elektronische Datenträger im Rahmen des Asylverfahrens beigezogen, insbesondere um Informationen über die Identität einer Person zu erhalten. Auch zur Beantwortung von Fragen rund um 9289

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die öffentliche Sicherheit und Gesundheit wird auf diese Informationen zurückgegriffen. Ferner werden die Daten zur Ermittlung der Reiseroute sowie zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen im Asylverfahren herangezogen. Die Erfahrungen anderer Staaten sind in die Ausarbeitung der vorliegenden Vorlage eingeflossen. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht1 über die bestehenden Rechtsgrundlagen und Vorgehensweisen einiger europäischer Staaten gemacht werden.

In Dänemark, Deutschland, Finnland und in den Niederlanden gibt es spezifische gesetzliche Grundlagen, die es erlauben, mobile Datenträger von Asylsuchenden zu analysieren. Auch Belgien verfügt über eine gesetzliche Grundlage, wobei die Daten nur mit der Zustimmung der gesuchstellenden Person entnommen werden können.

In Polen gibt es keine entsprechende gesetzliche Grundlage. Es besteht jedoch ein Gesetz, das die Überprüfung der Daten im Rahmen von Abklärungen zu Sicherheitsfragen oder Kriminalermittlungen erlaubt.

Ein wichtiger und durchaus umstrittener Aspekt ist die Aufbewahrung der Daten.

Auch dies wird in den erwähnten Staaten unterschiedlich gehandhabt. So gibt es beispielsweise in Belgien, Dänemark und Irland noch keine Regelung betreffend die Aufbewahrungsdauer. Diese wird unter Berücksichtigung der EU-Datenschutzverordnung ausgearbeitet. In Deutschland dürfen die Daten im Dossier der asylsuchenden Person abgelegt werden. Diese werden gemäss den üblichen Aufbewahrungsfristen des Asyldossiers aufbewahrt, bzw. gelöscht. Polen bewahrt die entnommenen Daten als Beweismittel auf und verzichtet gänzlich auf eine Löschung dieser Daten, mit Ausnahme der Daten im Bereich der Kriminalermittlung. Diese dürfen nur ein Jahr lang aufbewahrt werden.

Zu welchem Zeitpunkt sollen die Datenträger überprüft werden? Belgien, Dänemark und Deutschland führen die Datenentnahme grundsätzlich am Anfang des Asylverfahrens, d.h. bereits bei der Registrierung, bzw. bei der ersten Befragung, durch. In Irland erfolgt diese beim ersten Zusammentreffen der Behörde mit der asylsuchenden Person. In den Niederlanden kann die Datenentnahme zu jedem Zeitpunkt, je nach konkretem Bedarf, erfolgen.

Es stellt sich weiter die Frage der Datenentnahme, bzw. der Weiterleitung an andere Behörden. Grundsätzlich werden die Daten entweder von der Migrationsbehörde (Belgien,
Irland) oder der Polizei (Niederlande) entnommen. Teilweise wird die Kompetenz zwischen verschiedenen Behörden geteilt. In Finnland beispielsweise werden die Daten durch die Polizei entnommen und dem Migrationsdienst wird der Zugang zu diesen Daten bei Bedarf gestattet. In Belgien werden die Daten von der Migrationsbehörde entnommen und mit der ersten Beschwerdeinstanz geteilt.

1.4

Umsetzung der Initiative durch die SPK

An ihrer Sitzung vom 21. Juni 2018 beauftragte die SPK das Kommissionssekretariat und die Verwaltung, den Vorentwurf für eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten. Am 1

Basiert auf Umfrage von igc (intergovernmental consultations on migration, asylum and refugees) bei den Staaten Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Niederlande, Polen und der Schweiz, 2018.

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14. Februar 2020 verabschiedete die Kommission ihren Vorentwurf mit 17 zu 8 Stimmen zuhanden der Vernehmlassung.

1.5

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Kommission hat vom 20. Februar bis am 4. Juni 2020 eine Vernehmlassung durchgeführt.

53 Stellungnahmen sind eingegangen. Insgesamt haben 25 Kantone, fünf politische Parteien, zwei Dachverbände der Wirtschaft sowie 21 weitere interessierte Kreise eine Stellungnahme eingereicht. 24 Kantone unterstützen die Vorlage grundsätzlich.

Der Kanton Neuenburg lehnt die Vorlage ab. Von den fünf politischen Parteien unterstützen die SVP, die FDP und die CVP die Vorlage. Die SP und die GPS lehnen sie ab. Von den Verbänden, die sich zur Vorlage geäussert haben, befürwortet der Schweizerische Gewerbeverband die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, während sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund dagegen äussert. Die überwiegende Mehrheit der weiteren interessierten Kreise lehnt die Vorlage ab. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, der Schweizerische Städteverband und die Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter haben ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.

Im Rahmen der kritischen Rückmeldungen wird u.a. eingebracht, dass die vorgeschlagene Auswertung von elektronischen Datenträgern einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte einer betroffenen Person darstelle. Das vorgeschlagene Vorgehen sei hinsichtlich dieses Eingriffs und auch hinsichtlich des Kosten- und Nutzungsverhältnisses unverhältnismässig. Die rechtlichen Grundlagen werden insbesondere auch hinsichtlich des Umgangs mit Personendaten Dritter als ungenügend erachtet. Im Gegensatz zu diesen kritischen Vorbringen gehen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen einzelnen zustimmenden Vernehmlassungsteilnehmenden zu wenig weit. So verlangen insbesondere einzelne Kantone, dass ein zwangsweiser Entzug von elektronischen Datenträgern vorgesehen werden soll.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Die beantragte Neuregelung

In den letzten Jahren reichten monatlich zwischen rund 1000 und 1500 Personen in der Schweiz ein Asylgesuch ein. Bei 70 ­ 80% dieser Personen ist die Identität nicht bekannt oder sie kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Die Schweiz ist verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten und ist bemüht, ein funktionierendes Asylsystem zu führen. Dabei muss sichergestellt werden, dass das Recht auf Asyl jenen Menschen erteilt wird, die diesen Schutz auch wirklich benötigen. Hierfür ist die Identitätsabklärung ein wichtiger Aspekt. Dem Asylsuchenden obliegt dabei eine bedeutende Aufgabe: die Mitwirkungspflicht (Art. 8 Asylgesetz, AsylG).

Der vorliegende Gesetzesentwurf, erweitert die Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Personen bzw. die Kompetenzen der Behörden im Rahmen der Identitätsabklä-

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rung auch auf mobile Datenträger der gesuchstellenden Person zugreifen zu können, wenn deren Identität nicht auf anderem Weg festgestellt werden kann.

Das Staatssekretariat für Migration hat von November 2017 bis Mai 2018 ein Pilotprojekt in zwei Bundesasylzentren (Chiasso und Vallorbe) durchgeführt. Dabei wurden mobile Datenträger von asylsuchenden Personen auf freiwilliger Basis zur Identifikation beigezogen. Im Rahmen dieses Pilotprojektes konnten Hinweise zu Identität, Herkunft und Reiseweg gefunden werden. Auch konnten wichtige Informationen an die Polizei und die Sicherheitsbehörden weitergeleitet werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen in die Entscheidung und in die Ausarbeitung dieser Vorlage.

So wird insbesondere Artikel 8 AsylG, der die Mitwirkungspflicht Asylsuchender im Asylverfahren regelt, mit einem neuen Buchstaben g ergänzt. Dieser sieht vor, dass dem SEM elektronische Datenträger, wie Mobiltelefone oder Tablets (vgl.

Art. 8a Abs. 2 E-AsylG), vorübergehend auszuhändigen sind, wenn die Identität, die Nationalität und der Reiseweg der betroffenen Person weder gestützt auf Identitätsausweise noch auf andere Weise festgestellt werden kann. Das bedeutet auch, dass der asylsuchenden Person immer zuerst die Gelegenheit eingeräumt werden muss, von sich aus Angaben zur Nationalität, zur Identität oder zum Reiseweg zu machen.

Durch diese vorgeschlagene Massnahme kann zudem ein Beitrag geleistet werden, das Schlepperwesen zu bekämpfen und Hinweise für die Aufdeckung von Kriegsverbrechen zu erhalten.

Der Schutz der Privatsphäre ist ein wichtiges Grundrecht, das selbstverständlich auch im Asylverfahren gewährt werden muss. Die Überprüfung der mobilen Datenträger der asylsuchenden Person stellt ein Eingriff in die Privatsphäre dar. Ein Eingriff in dieses Grundrecht ist nur unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt: es braucht dafür eine gesetzliche Grundlage, es muss ein öffentliches Interesse bestehen, der Eingriff muss verhältnismässig sein und der Kerngehalt des Grundrechtes muss gewahrt werden. Die Kommission erachtet diese Kriterien als erfüllt, insbesondere da kein unverhältnismässiger Eingriff in die Privatsphäre vorliegt. Die Auswertung der mobilen Datenträger erfolgt erst, wenn andere Mittel ausgeschöpft sind und es ist auch nicht vorgesehen, dass mobile Datenträger
gegen den Willen der Person entzogen werden (siehe Erläuterungen zu Art. 8 Abs. 1 Bst. g). Auch die Zwischenspeicherung ist aus Sicht der Kommission gerechtfertigt, um eine möglichst zielführende Auswertung zu gewährleisten.

Die SPK des Nationalrates ist überzeugt, dass diese Massnahme zur vereinfachten Identitätsabklärung führt und der Aufwand in einem absolut vertretbaren Verhältnis zueinanderstehen.

Über die Umsetzung dieser Gesetzesänderung und deren Wirkung soll drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Vorlage ein Evaluationsbericht Auskunft geben (vgl.

Schlussbestimmung).

Eine Minderheit der Kommission (Glättli, Barrile, Funiciello, Gysin Greta, Kälin, Marra, Marti Samira, Widmer Céline) hat sich nach der Vernehmlassung gegen die Vorlage ausgesprochen und beantragt Nichteintreten. Sie ist der Meinung, dass die Auswertung der elektronischen Datenträger einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte einer betroffenen Person darstellt und somit unverhältnismässig sei; 9292

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den datenschutzrechtlichen Anforderungen werde zudem nicht genügend Rechnung getragen und die Massnahmen seien zu kostenintensiv.

3

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

3.1

Asylgesetz vom 26. Juni 1998

Art. 8 Abs. 1 Bst. g Artikel 8 AsylG, der die Mitwirkungspflicht Asylsuchender im Asylverfahren regelt, wird mit einem neuen Buchstaben g ergänzt. Dieser sieht vor, dass dem SEM elektronische Datenträger, insbesondere Mobiltelefone oder Tablets (vgl. Art. 8a Abs. 2 E-AsylG), vorübergehend auszuhändigen sind, wenn die Identität, die Nationalität oder der Reiseweg der betroffenen Person weder gestützt auf Identitätsausweise noch auf andere Weise festgestellt werden kann. Das bedeutet auch, dass der asylsuchenden Person immer zuerst die Gelegenheit eingeräumt werden muss, von sich aus Angaben zur Nationalität, zur Identität oder zum Reiseweg zu machen.

Eine Feststellung der Identität auf «andere Weise» ist in Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsprinzips immer dann zuerst angezeigt, wenn eine andere Massnahme ebenfalls eindeutige Rückschlüsse auf die Identität zulässt, aber im Vergleich zur elektronischen Datenauswertung mit einem geringeren Aufwand möglich ist.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn beispielsweise präzise Angaben der betroffenen Person vorliegen oder wenn andere Dokumente wie eine Geburtsurkunde oder ein Führerschein vorhanden sind und diese eindeutige Rückschlüsse auf die Identität der betroffenen Person zulassen. Eine sogenannte Herkunftsanalyse bzw.

ein «LINGUA-Gutachten»2 ist beispielsweise vor der Auswertung eines elektronischen Datenträgers nicht in jedem Fall ins Auge zu fassen, da ein solches Verfahren mit einem grossen zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden ist. Mit einem LINGUA-Gutachten lässt sich zudem in der Regel nicht belegen, aus welchem Herkunftsland eine asylsuchende Person stammt, sondern es dient in erster Linie dazu, eine behauptete und angezweifelte Herkunft ausschliessen zu können.

Die Verpflichtung zur Aushändigung elektronischer Datenträger an das SEM erstreckt sich grundsätzlich auf das ganze Asylverfahren, ab Eintritt in ein Zentrum des Bundes oder eine Unterkunft am Flughafen bis zu einem allfälligen Wegweisungsvollzug. Während der Vorbereitungsphase können auf der Grundlage von Artikel 26 Absatz 5 AsylG auch Dritte damit beauftragt werden, von den Asylsuchenden elektronische Datenträger vorübergehend einzufordern. Dateneinsicht und -auswertung hingegen sind Aufgaben, die ausschliesslich dem SEM obliegen. Die Forderung an die
asylsuchende Person zur Aushändigung elektronischer Datenträger erfolgt unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Eine Abnahme bzw. der zwangsweise Einzug eines elektronischen Datenträgers durch das SEM 2

LINGUA wurde im Mai 1997 als Fachstelle des SEM für die Durchführung von Herkunftsabklärungen gegründet. Solche Herkunftsabklärungen werden veranlasst, falls die asylsuchende bzw. ausländische Person keine gültigen Identitätsdokumente vorweisen kann und zusätzlich Zweifel an ihrem Vorbringen bezüglich ihrer Herkunftsregion bestehen.

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gegen den Willen der betroffenen Person ist hingegen nicht vorgesehen. Weigert sich die asylsuchende Person, ihr Mobiltelefon oder ihren Laptop einsehen zu lassen, wird dies im Asylverfahren im Rahmen der Glaubwürdigkeitsprüfung berücksichtigt. Letztlich kann die verweigerte Mitwirkung dazu führen, dass ihr Asylgesuch auf der Grundlage von Artikel 8 Absatz 3bis AsylG abgeschrieben oder auf der Grundlage von Artikel 31a Absatz 4 AsylG (in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 Bst. c AsylG) abgelehnt wird.

Ziel der neuen Regelung ist es, in erster Linie, direkt verwertbare Hinweise aus einem elektronischen Datenträger zu beziehen, um die Identität feststellen zu können (z. B. Fotografie eines Identitätsausweises).

Auch indirekt verwertbare Hinweise auf elektronischen Datenträgern, zum Beispiel der Reiseweg oder Kontaktdaten, können Elemente zur Feststellung der Identität der asylsuchenden Person liefern.

Die Bestimmungen zum Rechtsschutz in den Zentren des Bundes nach Artikel 102f ff. AsylG gelten auch für das Verfahren zur Auswertung elektronischer Datenträger.

Entsprechend ist die Rechtsvertretung von Anfang an über sämtliche Schritte zu informieren.

Eine Minderheit (Rutz Gregor, Addor, Bircher, Glarner, Marchesi, Steinemann) verlangt, dass ein zwangsweiser Entzug von elektronischen Datenträgern vorgesehen werden soll.

Abs. 4 Aus systematischen Gründen soll dieser Absatz neu in Artikel 47 Absatz 1 E-AsylG aufgenommen werden, da es sich um die Mitwirkungspflicht im Wegweisungsverfahren handelt.

Art. 8a

Bearbeitung von Daten aus elektronischen Datenträgern

Abs. 1 Diese Bestimmung regelt die Bearbeitung der aus den elektronischen Datenträgern gewonnenen Personendaten. Die Bearbeitung nach Artikel 8a E-AsylG soll während der gesamten Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens möglich sein. Dies ist sinnvoll, da in der Praxis während des gesamten Verfahrens Hinweise auftauchen können, die eine Untersuchung des Datenträgers notwendig machen, oder frühere Angaben zur Identität können sich zu einem späteren Zeitpunkt als falsch erweisen (z. B. Identitätskarte stellt sich als gefälscht heraus). Eine Auswertung eines Datenträgers kann damit auch erst während der Anhörung zu den Asylgründen stattfinden. Die Aushändigung und Auswertung von elektronischen Datenträgern im Rahmen des Wegweisungsverfahrens richtet sich nach Artikel 47 Absatz 2 E-AsylG. Die Datenbearbeitung umfasst auch die Personendaten, die nicht direkt auf dem Datenträger, sondern auf der «virtuellen» Ebene, bzw. in einer «Cloud» oder in «CloudDiensten» gespeichert sind.

Abs. 1bis Grundsätzlich dürfen nur die Personendaten der betroffenen asylsuchenden Person bearbeitet werden. Personendaten von Drittpersonen dürfen nur dann bearbeitet 9294

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werden, wenn die Daten der betroffenen asylsuchenden Person nicht ausreichen, um die Identität, die Nationalität oder den Reiseweg abzuklären.

Einer Kommissionminderheit (Barrile, Funiciello, Glättli, Gysin Greta, Marra, Marti Samira, Kälin, Widmer Céline) geht die Bearbeitung von Personendaten von Drittpersonen zu weit. Sie lehnt diese Bestimmung ab.

Abs. 2 Die Regelung zu den in Frage kommenden Datenträgern ist nicht abschliessend, damit kann künftigen technischen Entwicklungen Rechnung getragen werden.

Abs. 2bis Die Auswertung elektronischer Datenträger soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Identität, Nationalität oder der Reiseweg nicht durch andere angemessene Mittel festgestellt werden kann (z.B. aufgrund von Identitätspapieren). Wegen des schweren Eingriffs in die Privatsphäre der Betroffenen und des hohen Arbeitsaufwandes, welcher mit der Auswertung dieser Datenträger verbunden ist, soll vorgängig im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob eine Auswertung elektronischer Datenträger notwendig und verhältnismässig ist. Bei dieser vorgängigen Prüfung sollen die Aussagen der betroffenen Person sowie allfällige verfahrensrelevante Dokumente berücksichtigt werden.

Eine Minderheit (Rutz Gregor, Addor, Binder, Bircher, Buffat, Glarner, Jauslin, Marchesi, Romano, Steinemann) erachtet diese Bestimmung als unnötig.

Abs. 3 Das Ziel der Zwischenspeicherung besteht darin, dass die Personendaten bis zu deren Auswertung nicht verlorengehen. Zudem kann die betroffene asylsuchende Person bis zur Auswertung des Datenträgers weiter über das Mobiltelefon usw.

verfügen. Die Personendaten können auf einem gesicherten «Server» des Informatik Service Center des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (ISC-EJPD) bzw. des SEM zwischengespeichert werden. Die Daten werden dort zwischengespeichert, bis deren Auswertung (Abs. 4) erfolgt ist.

Abs. 3bis Aufgrund des schweren Eingriffs in die Privatsphäre der Betroffenen ist es unerlässlich, die betroffenen Personen umfassend bezüglich der Einzelheiten der Auswertung elektronischer Datenträger zu informieren. Dies gilt namentlich bezüglich des Zwecks der Massnahme, der Art der zu bearbeitenden Daten, der Art und Weise, wie die Analyse durchgeführt wird und was mit den entsprechenden Daten geschieht (Speicherung, Löschung usw). Eine solche
Informationspflicht dient der Wahrung der Rechte der Betroffenen im Verfahren und der Aufrechterhaltung des für den reibungslosen Ablauf des Verfahrens erforderlichen Vertrauensverhältnisses.

Eine Minderheit (Gregor Rutz, Addor, Binder, Bircher, Buffat, Marchesi, Glarner, Jauslin, Romano, Steinemann) lehnt diese Bestimmung ab.

Abs. 4 und 5 Bis zum Beginn der Auswertung besteht kein Zugriff auf diese Daten. Ein Zugriff auf die Personendaten ist für die zuständigen Mitarbeitenden des SEM im Rahmen 9295

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der Auswertung erst möglich, wenn die betroffene Person bei der Auswertung anwesend ist, ausser diese verzichtet ausdrücklich darauf, bei der Auswertung anwesend zu sein (zum Beispiel durch eine schriftliche Verzichtserklärung). Weiter ist der Zugriff auf die Daten durch das SEM im Rahmen der Auswertung ebenfalls möglich, wenn die betroffene Person sich weigert, bei der Auswertung dabei zu sein.

Die Auswertung beschränkt sich auf Personendaten, inklusive besonders schützenswerter Personendaten, die der asylsuchenden Person zuzuordnen sind und im Rahmen des Asylverfahrens verwendet werden können. Es geht dabei um Personendaten, welche Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen respektive auf den Reiseweg zulassen (zur Auswertung von Personendaten von Drittpersonen vgl.

Absatz 1bis). Es wird ein Protokoll erstellt. Eine Weiterleitung der Personendaten ist nur gestützt auf eine formellgesetzliche Grundlage möglich. Dies gilt in der Praxis namentlich für Fälle, bei denen sich während der Auswertung Hinweise auf eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz ergeben.

Die Auswertung erfolgt grundsätzlich während der Vorbereitungsphase, sofern dies sinnvoll und möglich ist. Denkbar ist aber auch, dass die Auswertung im Rahmen der Befragung zu den Asylgründen erfolgt. Nach der Auswertung sind die Personendaten zu löschen. Die Löschung erfolgt spätestens nach einem Jahr seit der Speicherung automatisch.

Zur Unterstützung der Auswertung der Personendaten können in der Praxis Informatikmittel (Software) vom SEM eingesetzt werden, mit denen eine Triage der Daten durchgeführt werden kann. Diese Triage ermöglicht eine Eingrenzung der Auswertung auf diejenigen Daten, welche für die Identitätsabklärung relevant sind. Dabei ist in technischer Hinsicht sicherzustellen, dass keine Speicherung der Daten erfolgt.

Die Einzelheiten dieser Triage werden vom Bundesrat auf Verordnungsstufe festgelegt (Abs. 5 und vgl. Ziffer 4.1). Des Weiteren legt der Bundesrat fest, welche Daten nach Absatz 1 erhoben werden und regelt den Zugriff sowie allfällige weitere Einzelheiten der Auswertung.

Sofern die asylsuchende Person nicht auf eine Teilnahme bei der Auswertung der Daten verzichtet oder sich weigert, daran teilzunehmen, erfolgt die Auswertung der Daten in
ihrer Anwesenheit und in Anwesenheit der Rechtsvertretung, wenn dies von der Rechtsvertretung erwünscht wird (vgl. hierzu auch Art. 102j Abs. 2 AsylG).

Die asylsuchende Person kann sich zur Datenauswertung äussern, womit der Anspruch auf Erteilung des rechtlichen Gehörs gewahrt wird (vgl. Abs. 6).

Falls keine Zwischenspeicherung der Daten erfolgt ist, weil beispielsweise ein Datenträger erst später auftaucht, kann die Auswertung der Daten auch anhand einer direkten Konsultation des Datenträgers während einer Befragung oder Anhörung erfolgen (vgl. Absatz 4 letzter Satz).

Eine Minderheit der Kommission (Barrile, Funiciello, Flach, Glättli, Gredig, Gysin Greta, Marra, Marti Samira, Kälin, Widmer Céline) möchte, dass die Daten bereits nach sechs Monaten seit der Speicherung wieder gelöscht werden.

Abs. 6 Im Asyldossier werden beispielsweise neben dem Protokoll der Auswertung Kopien von Identitätsdokumenten oder Adresslisten aus den Datenträgern abgelegt, soweit 9296

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diese Unterlagen im Asylverfahren verwendet werden. Die betroffene Person kann die entsprechenden Unterlagen im Rahmen ihrer Akteneinsichtsrechte einsehen. Die asylsuchende Person kann sich zur Datenauswertung äussern, womit der Anspruch auf Erteilung des rechtlichen Gehörs gewahrt wird.

Art. 47

Mitwirkungspflicht im Rahmen des Wegweisungsverfahrens

Abs. 1 Absatz 1 entspricht materiell unverändert dem geltenden Artikel 8 Absatz 4 AsylG.

Abs. 2 und 3 Die Aushändigung und Auswertung elektronischer Datenträger soll über den Wortlaut der Parlamentarischen Initiative 17.423 hinaus auch im Bereich des Vollzugs von Wegweisungen im Asylbereich möglich sein. Kann im Rahmen des Wegweisungsvollzugs innerhalb einer angemessenen Frist und mit anderen geeigneten Massnahmen bis zum Eintritt der Rechtskraft des Asyl- und Wegweisungsentscheids kein gültiges Reisedokument beschafft werden, soll eine betroffene Person zur Aushändigung eines elektronischen Datenträgers verpflichtet werden können. Eine Abnahme bzw. der zwangsweise Einzug eines elektronischen Datenträgers durch das SEM gegen den Willen der betroffenen Person ist nicht vorgesehen.

Das Verfahren richtet sich dabei sinngemäss nach Artikel 8a E-AsylG. Dies bedeutet insbesondere, dass der betroffenen Person Gelegenheit gegeben werden muss, sich zur Datenauswertung zu äussern, dass die verwerteten Daten im Vollzugsdossier abzulegen sind und dass ein Protokoll zu führen ist. Für die Auswertung ist das SEM zuständig. Entweder wird diese durch das SEM direkt eingeleitet, oder auf Antrag des für den Vollzug zuständigen Kantons im Rahmen der Vollzugsunterstützung nach Artikel 71 AIG.

Da das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, hat eine Weigerung der betroffenen Person keine Auswirkungen mehr auf das Verfahren. Jedoch kann eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Anordnung von Zwangsmassnahmen nach Artikel 73 ff. AIG berücksichtigt werden (vgl. Art. 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 3 E-AIG).

Die Bekanntgabe von ausgewerteten Personendaten an den Heimat- oder Herkunftsstaat und an Drittstaaten oder internationale Organisationen richtet sich nach den Artikeln 97 und 98 AsylG.

Eine Minderheit (Rutz Gregor, Addor, Bircher, Glarner, Marchesi, Steinemann) verlangt, dass im Wegweisungsverfahren zusätzlich ein zwangsweiser Entzug von elektronischen Datenträgern vorgesehen werden soll.

Abs. 4 Entspricht materiell unverändert dem geltenden Artikel 47 AsylG.

Art. 96 Abs. 1 Redaktionelle Anpassung (betrifft Abkürzung DSG).

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Schlussbestimmung Im Rahmen der Vernehmlassung wurde von verschiedener Seite gefordert, dass der in den Erläuterungen erwähnte Bericht zur Wirksamkeit der Auswertungsmassnahmen im Gesetz verankert werden soll. Die entsprechende Schlussbestimmung sieht eine einmalige Berichterstattung des Bundesrates an das Parlament vor. Diese soll spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der vorliegenden Gesetzesänderungen erfolgen.

3.2

Ausländer- und Integrationsgesetz

Art. 76 Abs. 1 Bst. b Ziff. 3 Anpassung des Verweises (neu Art. 47 Abs. 1 E-AsylG anstelle von Art. 8 Abs. 4 AsylG). Vgl. Erläuterungen zu Artikel 47 E-AsylG.

Art. 90 Bst. d Eine Minderheit (Rutz Gregor, Addor, Bircher, Buffat, Glarner, Marchesi, Steinemann) verlangt, dass die Datenauswertung auch auf Personen aus dem Ausländerbereich erweitert werden soll.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

Im Bericht zum Pilotprojekt des SEM (vgl. hierzu auch Ziffer 2.1) wird darauf hingewiesen, dass das getestete Verfahren zur Auswertung elektronischer Datenträger zu einem Mehraufwand geführt habe, dass dieser aber bei tiefen Asylgesuchszahlen mit den bestehenden Personalressourcen habe aufgefangen werden können.

Zusätzliche Personalressourcen würden benötigt, wenn das in den ehemaligen Empfangsstellen Chiasso und Vallorbe getestete Verfahren zur Auswertung elektronischer Datenträger in allen sechs Bundeszentren mit Verfahrensfunktion eingeführt werden soll und ein markanter Anstieg der Asylgesuche zu verzeichnen ist. Im Vergleich zu dem getesteten Verfahren sieht der Entwurf zusätzlich vor, dass das SEM auf Anfrage der Kantone elektronische Datenträger ehemaliger Asylsuchender im Rahmen des Wegweisungsvollzugs überprüfen kann. Eine solche Überprüfung ist ebenfalls grundsätzlich in Anwesenheit der betroffenen Person durchzuführen, was mit einem zusätzlichen Aufwand für das SEM verbunden sein wird. Nach Möglichkeit sollte dieser Mehraufwand SEM-intern kompensiert werden können.

Wie gross der künftige Personalaufwand für die Auswertung elektronischer Datenträger effektiv sein wird, hängt von verschiedenen weiteren Faktoren ab, beispielsweise von der technischen Umsetzung auch in Bezug auf die Zwischenspeicherung der Daten oder der Frage, inwiefern sich gewisse Prozesse zentralisieren lassen.

Aufgrund dieser Ausgangslage kann das SEM den zu erwartenden Personalaufwand zum heutigen Zeitpunkt noch nicht exakt quantifizieren. Dieser Aspekt wird im 9298

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Rahmen der Ausarbeitung der Ausführungsbestimmungen vertieft geprüft, wenn insbesondere über die technische Umsetzung und die Verfahrensabläufe mehr Klarheit bestehen wird.

Zusätzliche Kosten werden dem Bund für die Beschaffung, die Einrichtung und den Betrieb neuer Informatikkomponenten sowie aufgrund zusätzlicher Dolmetschertätigkeiten und des Einbezugs der Rechtsvertretung entstehen. Auch diese Kosten können zum heutigen Zeitpunkt noch nicht detailliert ausgewiesen werden. Aufgrund erster informeller Anfragen des SEM an verschiedene Anbieter von in Frage kommender «Auswertungssoftware» würden sich die entsprechenden Anschaffungskosten in einem Bereich zwischen 100 000 und 200 000 Franken bewegen.

Aufgrund der Erfahrungen im Pilotprojekt des SEM und anderer Staaten, die elektronische Datenträger im Asylbereich auswerten, ist davon auszugehen, dass durch die neuen Auswertungsmöglichkeiten insbesondere im Bereich des Wegweisungsvollzugs langfristig Kosten eingespart werden können.

4.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Den Kantonen und Gemeinden fallen auf der Grundlage dieser Gesetzesvorlage keine zusätzlichen Kosten an.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des AsylG stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern). Er ist mit der Verfassung vereinbar.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit dem geltenden internationalen Recht vereinbar.

Artikel 8 der Konvention vom 4. November 19503 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie Artikel 17 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 19664 über bürgerliche und politische Rechte (Pakt II) gewährleisten jeder Person das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. Eine Behörde darf in die Ausübung dieser Rechts nur eingreifen, soweit ein entsprechender Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und namentlich für die öffentliche Sicherheit oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwen3 4

SR 0.101 SR 0.103.2

9299

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dig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Die Vorlage sieht keinen unverhältnismässigen Eingriff des Staates in die Privatsphäre der Asylsuchenden vor. Sie ist so ausgestaltet, dass die asylsuchende Person selbst über das Mass ihrer Mitwirkung an der Feststellung ihrer Identität bestimmt, indem sie die Auswertung ihrer Personendaten auf einem ihr gehörenden Datenträger akzeptiert oder verweigert (vgl. Erläuterungen von Art. 8 Abs. 1 Bst. g E-AsylG).

5.3

Erlassform

Ausgehend von Gegenstand, Inhalt und Tragweite des zu erarbeitenden Gesetzgebungsprojekts ist es auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV notwendig, die Bestimmungen über die Überprüfung der Personendaten von Asylsuchenden, die auf elektronischen Datenträgern gespeichert sind, in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen (Änderung des AsylG).

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage enthält keine Subventionsbestimmungen und sieht weder Verpflichtungskredite noch Zahlungsrahmen vor. Sie ist daher nicht der Ausgabenbremse unterstellt (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV).

5.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Vorlage sieht keine Finanzhilfen oder Abgeltungen vor. Sie unterliegt daher nicht den Grundsätzen des Subventionsgesetzes.

5.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 8a Absatz 5 E-AsylG sieht vor, dass der Bundesrat festlegt, welche Daten erhoben werden und den Zugriff sowie die Einzelheiten der Auswertung der Personendaten regelt. Er bestimmt insbesondere die verschiedenen elektronischen Daten, die ausgewertet werden können (GPS-Daten, Telefonnummern usw.).

Adressat der Verordnungsänderungen zur Auswertung von Personendaten ist das SEM.

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5.7

Datenschutz5

Nach den Artikeln 17 und 19 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 19926 über den Datenschutz (DSG) dürfen Organe des Bundes besonders schützenswerte Personendaten nur bearbeiten und bekanntgeben, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage im formellen Sinn besteht. Artikel 8a E-AsylG sieht vor, dass das SEM Personendaten, die sich auf einem der asylsuchenden Person gehörenden elektronischen Datenträger befinden, bearbeiten kann. Eine Bekanntgabe von ausgewerteten Personendaten an Dritte ist nur möglich, wenn dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht (vgl. Erläuterungen zu Art. 8a). Zu nennen ist etwa die Bekanntgabe von Personendaten an die Strafverfolgungsbehörden bei von Amtes wegen zu verfolgenden Verbrechen oder Vergehen (Art. 22a BPG) oder bei einer schweren Bedrohung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz (Art. 20 Abs. 3 und 4 NDG).

In Anwendung von Artikel 4 Absätze 3 und 4 DSG ist der Zweck der vorgesehenen Datenbearbeitung klar und für die betroffene Person erkennbar anzugeben. Dementsprechend regelt die Vorlage, dass, von einer asylsuchenden Person zur Feststellung ihrer Identität, ihrer Nationalität oder ihres Reisewegs die Aushändigung eines elektronischen Datenträgers verlangt werden kann (Art. 8a Abs. 1 E-AsylG). Die Vorlage legt klar fest, welche Personendaten ausgewertet werden dürfen; das heisst alle Daten, die sich auf eine bestimmte Person gemäss der Begriffsbestimmung von Artikel 3 Buchstabe a DSG beziehen, sowie alle besonders schützenswerten Daten nach Artikel 3 Buchstabe c DSG, namentlich Daten über die religiösen oder politischen Ansichten oder Tätigkeiten, die Gesundheit oder die Rassenzugehörigkeit.

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Die Ausführungen in diesem Kapitel stützen sich auf das geltende Recht.

Die Totalrevision des Datenschutzgesetzes wurde am 25. September 2020 vom Parlament in der Schlussabstimmung angenommen.

SR 235.1

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BBl 2020

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