09.503 Parlamentarische Initiative Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen (Entwurf 2) Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 17. August 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

17. August 2020

Im Namen der Kommission Der Präsident: Christian Lüscher

2020-3077

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Übersicht Der vorliegende Entwurf bildet den zweiten Teil der Umsetzung der am 10. Dezember 2009 eingereichten parlamentarischen Initiative «Stempelsteuer schrittweise abschaffen und Arbeitsplätze schaffen» (09.503).

Ein separater erster Text (Entwurf 1), der die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital umfasst, wurde vom Nationalrat bereits verabschiedet und ist derzeit im Ständerat sistiert. Der vorliegende Entwurf (Entwurf 2) konzentriert sich auf die Teilabschaffung der Umsatzabgabe und der Abgabe auf Versicherungsprämien. Er sieht einerseits die Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr und andererseits die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen vor.

Gemessen an den Einnahmen der Jahre 2015 bis 2019 belaufen sich die Steuerausfälle auf 219 Millionen Franken pro Jahr.

Obwohl die Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften und der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen in den Vorentwürfen, die in die Vernehmlassung geschickt wurden, enthalten war, ist sie in dieser Vorlage nicht vorgesehen: Die Kommission hat die Beratung des entsprechenden Vorentwurfs nämlich sistiert, bis die Botschaft des Bundesrates zur Verrechnungssteuerreform vorliegt.

Innerhalb der Kommission ist man uneins darüber, ob die Umsatzabgabe und die Abgabe auf Versicherungsprämien teilweise abgeschafft werden sollen.

Die Kommissionsmehrheit erachtet es als notwendig, die Umsatzabgabe und die Abgabe auf Versicherungsprämien kurzfristig zumindest teilweise abzuschaffen, um in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit die Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz zu wahren und das Wirtschaftswachstum zu fördern. Sie ist der Ansicht, dass die Stempelsteuer den optimalen Ressourceneinsatz beeinträchtigt. Sie ist des Weiteren der Auffassung, dass die Umsatzabgabe gegen den Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstösst. Ihrer Ansicht nach dürfte der wachstumsfördernde Effekt langfristig einen Grossteil der mit der Abschaffung dieser Abgaben verbundenen Steuerausfälle wettmachen, die im Übrigen moderat bleiben.

Die Kommissionsminderheit beantragt, auf den Entwurf nicht einzutreten, wobei es einem Teil der Minderheit lieber gewesen wäre,
die Beratung des Entwurfs zu sistieren, bis der Bundesrat den neuen Finanzplan mit dem finanziellen Handlungsspielraum veröffentlicht hat.

In den Augen der Minderheit ist es angesichts der Coronakrise und der damit einhergehenden beträchtlichen öffentlichen Ausgaben finanzpolitisch unverantwortlich, auf die Einnahmen aus den Stempelabgaben ­ wenn auch nur teilweise ­ zu verzichten. Die Minderheit weist zudem darauf hin, dass andere Steuerreformen ­ namentlich diejenige zur Abschaffung der Heiratsstrafe ­ viel dringender sind und ebenfalls finanziert werden müssen. Ferner bezweifelt sie, dass die Abschaffung der Stempel-

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abgaben sich so positiv auf Wachstum und Beschäftigung auswirken wird wie von der Mehrheit erhofft.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Entstehungsgeschichte 1.1 Beschluss, der Initiative Folge zu geben 1.2 Erarbeitung der Gesetzesentwürfe 1.2.1 Umsetzung von Punkt 1 der Initiative 1.2.2 Umsetzung der Punkte 2 und 3 der Initiative

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2

Ausgangslage 2.1 Das geltende Recht im Bereich der Umsatz- und der Versicherungsabgabe 2.1.1 Umsatzabgabe 2.1.2 Abgabe auf Personenversicherungen 2.2 Die Stempelabgaben des Fürstentum Liechtenstein 2.3 Fiskalische Bedeutung der Stempelabgaben 2.3.1 Die Einnahmen der Eidgenossenschaft 2.3.2 Die Einnahmen des Fürstentums Liechtenstein 2.4 Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht 2.4.1 Umsatzabgabe 2.4.2 Abgabe auf Lebensversicherungen 2.5 Von der Subkommission der WAK-N untersuchte Lösungsmöglichkeiten 2.6 In die Vernehmlassung geschickte Vorentwürfe 2.7 Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse 2.7.1 Grundsatzpositionen zur vollständigen oder teilweisen Abschaffung der Umsatz- und der Versicherungsabgabe 2.7.2 Vorentwurf 2 2.7.3 Vorentwurf 3 2.7.4 Minderheitsanträge zur Inkraftsetzung der Vorentwürfe 2 und 3 2.7.5 Staffelung gemäss Vorentwürfen 2.7.6 Forderungen zu Einzelfragen 2.8 Beschluss der WAK-N über das weitere Vorgehen nach der Vernehmlassung 2.9 Gesetzgeberischer Handlungsbedarf 2.9.1 Argumente der Kommissionsmehrheit 2.9.1.1 Argumente für die Teilabschaffung der Umsatzabgabe 2.9.1.2 Argumente für die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen 2.9.2 Argumente der Kommissionsminderheit

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Grundzüge der Vorlage

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

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Auswirkungen 5.1 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 5.1.1 Teilabschaffung der Umsatzabgabe 5.1.2 Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen 5.2 Auswirkungen auf den Bund 5.2.1 Finanzielle Auswirkungen 5.2.2 Personelle Auswirkungen 5.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

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Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 6.3 Erlassform 6.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 6.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Bundesgesetz über die Stempelabgaben (Stempelabgaben auf dem Umsatz von inländischen Urkunden und auf der Zahlung von Lebensversicherungsprämien) (Entwurf 2)

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Beschluss, der Initiative Folge zu geben

Am 10. Dezember 2009 reichte die FDP-Liberale Fraktion eine parlamentarische Initiative (09.503) ein, mit welcher der Bundesrat beauftragt wurde, die Stempelsteuer schrittweise abzuschaffen. Diese Abschaffung sollte in drei Etappen erfolgen.

Konkret sollte das Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)1 um folgende drei Übergangsbestimmungen ergänzt werden: 1.

Die Bestimmungen zur Emissionsabgabe gemäss den Artikeln 5 und 5a ff.

werden auf den 1. Januar 2011 ausser Kraft gesetzt.

2.

Die Bestimmungen zur Abgabe auf Versicherungsprämien gemäss Artikel 21 ff. werden auf den 1. Januar 2011 ausser Kraft gesetzt.

3.

Die Bestimmungen zur Umsatzabgabe gemäss Artikel 13 ff. werden auf den 1. Januar 2016 ausser Kraft gesetzt. Auf diesen Termin wird das ganze Bundesgesetz über die Stempelabgabe ausser Kraft gesetzt.

In der Begründung der Initiative wird die Stempelsteuer als gravierender Wettbewerbsnachteil für den Finanzplatz Schweiz und für die gesamte schweizerische Volkswirtschaft bezeichnet. Ihre Abschaffung würde die Attraktivität des Finanzplatzes verbessern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Wachstum würde generiert, ins Ausland abgewanderte Geschäfte könnten zurückgeholt und Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden.

Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) prüfte die Initiative an ihrer Sitzung vom 23. November 2010 vor. Sie beschloss mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, ihr Folge zu geben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) stimmte diesem Beschluss am 4. April 2011 mit 5 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu. Somit wurde die WAK-N gemäss Artikel 111 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes (ParlG)2 mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt.

1.2

Erarbeitung der Gesetzesentwürfe

An ihren Sitzungen vom 30. August und vom 8. November 2011 behandelte die WAK-N die Initiative und beriet über das weitere Vorgehen. Sie beschloss insbesondere mit 12 zu 6 Stimmen, Punkt 1 der Initiative, die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital, von den Punkten 2 und 3, Abschaffung der Versicherungs- bzw. der Umsatzabgabe, loszulösen.

1 2

SR 641.10 SR 171.10

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1.2.1

Umsetzung von Punkt 1 der Initiative

Zu Punkt 1 der Initiative (Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital) fand vom 7. Februar bis 10. Mai 2012 die Vernehmlassung des von der WAK-N ausgearbeiteten Gesetzesentwurfes statt. Nachdem die WAK-N von den Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis genommen hatte, nahm sie den Entwurf an ihrer Sitzung vom 26. Februar 2013 definitiv an und unterbreitete ihn dem Nationalrat. Am 23. Januar 2013 veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der WAK-N und beantragte, auf diesen einzutreten und das Geschäft sodann zu sistieren, da er andere Vorlagen für dringlicher erachtete (Unternehmenssteuerreform III und Reform der Ehegattenbesteuerung).3 Am 19. März 2013 schliesslich hiess der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 120 zu 54 Stimmen gut.

An ihrer Sitzung vom 7. November 2013 beantragte die WAK-S ihrem Rat gemäss Artikel 87 Absatz 3 ParlG, die Behandlung der Vorlage auszusetzen, bis das Parlament die Beratung der Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III (USR III; 15.049) abgeschlossen hätte. Der Ständerat folgte diesem Antrag am 4. Dezember 2013.

Während sich der Nationalrat am 19. März 2014 gegen die Sistierung aussprach, hielt der Ständerat an seiner Sitzung vom 17. Juni 2014 an seinem ursprünglichen Beschluss fest.

Nachdem das Volk die USR III am 12. Februar 2017 abgelehnt hatte, beschloss die WAK-S an ihrer Sitzung vom 20. März 2017, die Beratung zu sistieren, bis die neue Vorlage zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuervorlage 17; 18.031) unter Dach und Fach wäre.

Nachdem die Steuervorlage in der Volksabstimmung vom 17. Mai 2019 angenommen worden war, beriet die WAK-S an ihrer Sitzung vom 13. Februar 2020 das weitere Vorgehen. Sie nahm Kenntnis vom Beschluss der WAK-N, zwei Vorentwürfe zur Abschaffung der Umsatzabgabe und zur Abschaffung der Abgabe auf Versicherungsprämien (siehe Kap. 1.2.2) in die Vernehmlassung zu schicken, und beantragte ihrem Rat, die Beratung des Entwurfs zur Abschaffung der Emissionsabgabe so lange zu sistieren, bis der Nationalrat über die beiden anderen Entwürfe befunden hätte, um so über alle ­ insbesondere auch die finanziellen ­ Einzelheiten im Bild zu sein und alle Entwürfe gleichzeitig beraten zu können. Der Ständerat nahm diesen Antrag auf Sistierung am 3. März 2020 einstimmig an.

Nach Artikel 87 Absatz 3 ParlG
musste die WAK-N ebenfalls über diese Sistierung befinden. Sie nahm den entsprechenden Antrag an ihrer Sitzung vom 11. Mai 2020 mit 13 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung an. Der Nationalrat hat über die Sistierung erst noch zu entscheiden.4 3 4

BBl 2013 1107 Der Bundesrat hatte in seiner am 5. Juni 2015 unterbreiteten Botschaft zur USR III ebenfalls die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital vorgesehen. Bei der Beratung der USR III am 17. März 2016 strich der Nationalrat die Abschaffung der Emissionsabgabe aus der Vorlage und schuf dafür einen separaten Entwurf, den er an die Kommission zurückwies mit dem Auftrag, diesen im Rahmen der pa. Iv. 09.503 zu prüfen. Dieser Entwurf ist derzeit in der WAK-N hängig, welche ihre Arbeiten dazu ausgesetzt hat, bis die WAK-S und anschliessend der Ständerat den im Rahmen der pa. Iv. 09.503 erarbeiteten, gleichlautenden Entwurf behandelt haben.

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1.2.2

Umsetzung der Punkte 2 und 3 der Initiative

Eine Subkommission wurde beauftragt, sich eingehend mit der Umsetzung der Punkte 2 (Abschaffung der Abgabe auf Versicherungsprämien) und 3 (Abschaffung der Umsatzabgabe) der Initiative auseinanderzusetzen.

Diese am 8. November 2011 eingesetzte Subkommission umfasste folgende Mitglieder: Kaufmann (Präsident), de Buman, Marra, Pelli und Rime. Sie tagte zwischen Oktober 2012 und April 2013 insgesamt dreimal. An ihrer ersten Sitzung führte sie Anhörungen mit Vertretern der Banken- und der Versicherungsbranche durch; auch beschloss sie, bei der Verwaltung zusätzliche Abklärungen in Auftrag zu geben. Zudem diskutierte sie verschiedene Lösungsmöglichkeiten (siehe Ziff. 2.5). Am 16. April 2013 nahm die Subkommission mit 3 zu 2 Stimmen einen Vorentwurf an, den sie der WAK-N an deren Sitzung vom 24. Februar 2014 unterbreitete. Diese beschloss, auf den Vorentwurf der Subkommission einzutreten, sprach sich an der gleichen Sitzung jedoch auch dafür aus, mit dessen Behandlung zuzuwarten, bis die Botschaft des Bundesrates zur USR III vorliegen würde.

Die WAK-N nahm ihre Arbeiten am 19. April 2016 wieder auf und führte eine erste Lesung des Vorentwurfs durch. An ihrer Sitzung vom 20. und 21. Juni 2016 sistierte sie die Beratung erneut, diesmal, um das Ergebnis der Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über die USR III abzuwarten.

Nachdem die USR III in der Volksabstimmung abgelehnt worden war, beschloss die Kommission an ihrer Sitzung vom 15. Mai 2017, die Beratung des Vorentwurfs weiter zu sistieren, bis die neue Vorlage zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuervorlage 17; 18.031) endgültig ­ ggf. per Referendum ­ angenommen wäre.

Nach Annahme der Steuervorlage 17 in der Volksabstimmung vom 19. Mai 2019 setzte die WAK-N ihre Arbeiten am 19. August 2019 fort. Sie ersuchte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), in einem Bericht aufzuzeigen, wie sich die Abschaffung der verschiedenen Stempelabgaben und die anderen laufenden und geplanten Steuerprojekte finanziell auswirken würde und wo die Prioritäten des Bundesrates liegen.

Am 4. November 2019 nahm die Kommission vom Bericht des EFD Kenntnis. In der anschliessenden Beratung lehnte sie mit 13 zu 10 Stimmen einen Antrag ab, wonach die Arbeiten so lange ausgesetzt werden sollten, bis das Parlament über die Ehe- und Familienbesteuerungsreform (18.034)
befunden hätte. Ausserdem sprach sie sich mit 16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung gegen einen Antrag aus, der verlangte, die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs definitiv zu beenden, und bestätigte so ihren Eintretensbeschluss vom Februar 2014.

In der Detailberatung stimmte die Kommission einem Antrag zu, wonach die Umsatz- und die Versicherungsabgabe in zwei Etappen und mit zwei separaten Vorentwürfen abzuschaffen seien. In der Gesamtabstimmung wurden die beiden Vorentwürfe mit 17 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung bzw. mit 15 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen. Darüber hinaus beschloss die Kommission, gestützt auf Arti-

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kel 3 des Vernehmlassungsgesetzes5 ein Vernehmlassungsverfahren zu eröffnen.

Dieses dauerte vom 16. Januar bis zum 23. April 2020 (zu den Ergebnissen siehe Kap. 2.7).

Die Kommission nahm an ihrer Sitzung vom 17. August 2020 Kenntnis von den Vernehmlassungsergebnissen und entschied über das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit den beiden Vorentwürfen: Sie nahm den Vorentwurf zur ersten Etappe mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten an und beschloss, den Vorentwurf zur zweiten Etappe zu sistieren, um ihn gemeinsam mit der für 2021 in Aussicht gestellten Botschaft des Bundesrates zur Verrechnungssteuerreform beraten zu können (siehe auch Kap. 2.8).

2

Ausgangslage

2.1

Das geltende Recht im Bereich der Umsatzund der Versicherungsabgabe

Die Bundesverfassung6 (BV) verleiht dem Bund in Artikel 132 Absatz 1 die Kompetenz, auf Wertpapieren, auf Quittungen von Versicherungsprämien und auf anderen Urkunden des Handelsverkehrs eine Stempelsteuer zu erheben. Ausgenommen von dieser Bundeskompetenz sind Urkunden des Grundstück- und Grundpfandverkehrs.

Damit bleibt die Erhebung von Handänderungssteuern den Kantonen vorbehalten.

Der Bund erhebt seit 1918 Stempelabgaben. Mit der Verabschiedung des StG wurde das gesamte Stempelsteuerrecht revidiert und die in zahlreichen Erlassen geregelte Materie in einem einzigen Gesetz zusammengefasst. Entgegen dem Namen kennt das Gesetz die Form des Stempels nicht mehr. Die Stempelabgaben bezeichnen vielmehr eine Reihe verschiedenartiger Steuern, deren verbindendes Merkmal ihre Natur als Rechtsverkehrssteuern darstellt. Diese Einteilung beruht auf einer Klassifikation nach dem Steuerobjekt.

Nach verschiedenen Teilrevisionen des Gesetzes sind die Stempelabgaben heute auf die folgenden drei Pfeiler beschränkt: ­

Emissionsabgabe auf den Beteiligungsrechten an inländischen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften sowie den Anteilen an inländischen Anlagefonds;

­

Umsatzabgabe auf in- und ausländischen Titeln;

­

Abgabe auf den Prämien bestimmter Versicherungen.

Da die Vorlage die Abschaffung der Umsatz- und der Versicherungsabgabe beinhaltet, beschränkt sich die Darstellung des geltenden Rechts auf diese beiden Stempelabgaben, und die Emissionsabgabe wird nicht behandelt.

5 6

SR 172.061 SR 101

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2.1.1

Umsatzabgabe

Die Umsatzabgabe erfasst den Kauf und Verkauf von Wertschriften. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Geschäft an einer Börse oder ausserhalb einer solchen abgeschlossen wird und ob es terminiert oder sofort zu realisieren ist. Die Börse selbst ist nicht abgabepflichtig, sondern die Effektenhändlerin oder der Effektenhändler. Als solche gelten nebst den dem Bankengesetz unterstellten Banken auch die professionellen Händlerinnen und Händler, Anlage- und Vermögensverwalterinnen und -verwalter. Unter gewissen Voraussetzungen fallen auch inländische Gesellschaften, Einrichtungen der beruflichen und gebundenen Vorsorge sowie der Bund, die Kantone und die politischen Gemeinden unter die Abgabepflicht. Alle diese Effektenhändlerinnen und -händler sind zur Entrichtung der Umsatzabgabe verpflichtet.

Vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Finanzmärkte und der damit verbundenen Gefahr der Abwanderung von Geschäften an ausländische Finanzplätze sind in den letzten Jahren vermehrt Anpassungen verlangt worden. Diese reichten von einer Reduktion der Umsatzabgabe bis hin zur vollständigen Abschaffung. Das Parlament verabschiedete mehrere Gesetzesänderungen.

Gegenstand der Abgabe (Artikel 13 Absätze 1 und 2 StG) Gegenstand der Umsatzabgabe ist die entgeltliche Übertragung von Eigentum an gewissen inländischen7 und ausländischen Urkunden, vorausgesetzt, eine der Vertragsparteien oder einer der Vermittler ist Effektenhändler im Sinne von Artikel 13 Absatz 3 StG.

Steuerbare Urkunden sind: (a) die von einem Inländer (oder Liechtensteiner) ausgegebenen: i. Obligationen; ii. Aktien, Stammanteile von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften, Partizipationsscheine, Genussscheine; iii. Anteile an kollektiven Kapitalanlagen gemäss dem Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 20068 (KAG); (b) die von einem Ausländer ausgegebenen Urkunden, die in ihrer wirtschaftlichen Funktion den unter a) genannten Titeln gleichstehen (vorbehältlich Ausnahmen in Form befreiter Transaktionen); (c) Ausweise über Unterbeteiligungen an Urkunden der unter a) und b) bezeichneten Arten.

Abgabebefreiungen Bei der Umsatzabgabe gibt es sowohl objektive Befreiungsgründe ­ solche, die in der Natur der Transaktionen liegen ­ als auch subjektive, in der Person der Händle7

8

Als inländische Urkunden gelten Titel, deren Schuldnerin oder Schuldner Inländerin oder Inländer sind. Aber auch miteinander verbundene inländische und ausländische Urkunden, die nur als Einheit gehandelt werden können, werden als inländische Urkunden betrachtet.

SR 951.31

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rinnen und Händler oder Vermittlerinnen und Vermittler begründete Befreiungen.

Im Weiteren gibt es ganze Gruppen von Investorinnen und Investoren oder ausländische Gegenparteien, die von der Umsatzabgabe befreit sind.

Befreite Transaktionen (Artikel 14 StG) Von der Abgabe sind folgende Geschäfte ausgenommen:

9

10

11

­

die Ausgabe inländischer Aktien, Stammanteile von Gesellschaften mit beschränkter Haftung und von Genossenschaften, Partizipationsscheine, Genussscheine, Anteile an kollektiven Kapitalanlagen gemäss KAG, Obligationen und Geldmarktpapiere (einschliesslich der Festübernahme durch eine Bank oder Beteiligungsgesellschaft und der Zuteilung bei einer nachfolgenden Emission)9;

­

die Sacheinlage von Urkunden zur Liberierung in- oder ausländischer Aktien, Stammanteile von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteile, Partizipationsscheine und Anteile von kollektiven Kapitalanlagen gemäss KAG;

­

der Handel mit Bezugsrechten;

­

die Rückgabe von Urkunden zur Tilgung;

­

die Ausgabe von Obligationen ausländischer Schuldner;

­

der Handel mit in- und ausländischen Geldmarktpapieren;

­

die Vermittlung oder der Kauf und Verkauf von ausländischen Obligationen, soweit der Käufer oder der Verkäufer eine ausländische Vertragspartei ist;10

­

die mit einer Umstrukturierung, insbesondere einer Fusion, Spaltung oder Umwandlung verbundene Übertragung steuerbarer Urkunden von der übernommenen, spaltenden oder umwandelnden Unternehmung auf die aufnehmende oder umgewandelte Unternehmung;

­

der Erwerb oder die Veräusserung von steuerbaren Urkunden im Rahmen von Umstrukturierungen nach den Artikeln 61 Absatz 3 und 64 Absatz 1bis des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199011 über die direkte Bundessteuer sowie bei der Übertragung von Beteiligungen von mindestens 20 Prozent am Grund- oder Stammkapital anderer Gesellschaften auf eine in- oder ausländische Konzerngesellschaft;

­

Transaktionen für den Handelsbestand eines gewerbsmässigen Effektenhändlers, soweit dieser Titel aus diesem Bestandveräussert oder zur Äufnung dieses Bestandes erworben wird (Befreiung für den auf ihn selbst entfallenDadurch wird eine Kumulation von Emissions- und Umsatzabgabe vermieden. Dies trifft beispielsweise bei der Emission von Aktien schweizerischer Gesellschaften zu, die bis zur Zuteilung an den Endzeichner vom Umsatzstempel befreit sind.

1. Ausländische Kunden sind bei Geschäften mit ausländischen Obligationen generell von der Umsatzabgabe ausgenommen.

2. In Anbetracht aller gesetzlichen Ausnahmefälle unterliegt beim Emissionsgeschäft im Wesentlichen nur noch die Ausgabe von Anteilen an ausländischen kollektiven Kapitalanlagen der Umsatzabgabe.

SR 642.11

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den Teil der Abgabe); der professionelle Effektenhändler ist also auf dem Teil befreit, welcher seinen eigenen Handelsbestand betrifft.12 Befreite Anleger (Artikel 17a StG) Um der Gefahr einer Abwanderung von Transaktionen institutioneller Anlegerinnen und Anleger an ausländische Börsen vorzubeugen, ist ein Teil dieser Anlegerinnen und Anleger von der Umsatzabgabe befreit. Zurzeit gilt dies für: ­

ausländische Staaten und Zentralbanken;

­

in- und ausländische kollektive Kapitalanlagen;

­

ausländische Einrichtungen der Sozialversicherung;

­

ausländische Einrichtungen der beruflichen Vorsorge;13

­

ausländische Lebensversicherer, die einer der Bundesaufsicht vergleichbaren ausländischen Regulierung unterstehen;

­

ausländische Gesellschaften, deren Aktien an einer anerkannten ausländischen Börse kotiert sind (so genannte Corporates) inklusive deren konsolidierte Konzerngesellschaften.

Die Befreiung gilt nur für den auf diese Anlegerinnen und Anleger entfallenden Teil der Umsatzabgabe; die schweizerischen Anlegerinnen und Anleger bleiben dagegen für ihre Anteile weiterhin abgabepflichtig.

Befreite Vertragsparteien bei Geschäften mit ausländischen Banken und Börsenagenten (Artikel 19 StG) Um den Finanzplatz Schweiz keinen fiskalischen Nachteilen zu unterwerfen, sind Geschäfte an der Derivatebörse Eurex und der Handel mit Schweizer Titeln an einer ausländischen Börse von der Umsatzabgabe befreit; diese Ausnahmen bestehen gesetzlich mittels Befreiung der ausländischen Vertragspartei.

Ist nämlich beim Abschluss eines Geschäftes mit ausländischen Titeln eine ausländische Bank oder ein ausländischer Börsenagent Vertragspartei, so entfällt die diese Partei betreffende halbe Abgabe. Das Gleiche gilt für in- und ausländische Titel, die von einer als Gegenpartei auftretenden Börse bei Ausübung von standardisierten Derivaten übernommen oder geliefert werden (z.B. Eurex).

Die schweizerischen Händlerinnen und Händler bleiben dagegen für ihre Anteile weiterhin abgabepflichtig.

12

13

Als Handelsbestand gelten die aus steuerbaren Urkunden zusammengesetzten Titelbestände, die sich aus der Handelstätigkeit der gewerbsmässigen Händler ergeben. Nicht dazu gehören Beteiligungen und Bestände mit Anlagecharakter.

Als ausländische Einrichtungen der beruflichen Vorsorge gelten Einrichtungen der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, deren Mittel dauernd und ausschliesslich für die berufliche Vorsorge bestimmt sind. Ausserdem müssen diese Einrichtungen einer der schweizerischen Bundesaufsicht vergleichbaren Aufsicht unterstellt sein.

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Zum Zwecke der Steuersicherung zwischengeschaltete Organisationen (Artikel 19a StG) Wer im Wohnsitzstaat einer natürlichen Person einer staatlichen Bewilligungs- oder Kontrollpflicht untersteht und ausschliesslich die Melde- und Steuerpflichten für deren in der Schweiz gehaltene Vermögenswerte erfüllt, ist für die damit verbundenen Geschäfte von der Umsatzabgabe befreit.

Diese am 1. März 2018 in Kraft getretene Regelung14 bezweckt, Mehrfachbelastungen durch die Umsatzabgabe zu vermeiden und damit Wettbewerbsnachteile des Schweizer Finanzplatzes zu beseitigen. Derzeit betrifft dies nur Geschäftsbeziehungen mit italienischen Kundinnen und Kunden.

Abgabepflicht (Artikel 17 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 3 StG) Die Abgabepflicht obliegt den am Geschäft beteiligten inländischen Effektenhändlerinnen und Effektenhändlern. Normalerweise ist für jede Vertragspartei die Hälfte der Abgabe (= halbe Abgabe) zu entrichten, es sei denn, die Effektenhändlerin oder der Effektenhändler veräussere Titel aus ihrem oder seinem Handelsbestand oder erwerbe Titel für letzteren. In diesem Fall würde eine Steuerbefreiung greifen.

Es werden vier Kategorien von Effektenhändlerinnen und Effektenhändlern unterschieden: Kategorie

Umschreibung

Banken und bankähnliche Finanzgesellschaften im Sinne des Bankengesetzes vom 8. November 193415 sowie die Schweizerische Nationalbank

Den Banken gleichgestellt sind die von ausländischen Banken in der Schweiz errichteten Sitze, Zweigniederlassungen und Agenturen sowie die in der Schweiz tätigen Vertreterinnen und Vertreter ausländischer Banken. Ebenfalls unter den Bankenbegriff fallen die Sparkassen und die Privatbankiers (in Form von Einzelfirmen, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaften);

Gewerbsmässig Handelnde und Vermittelnde

Unter diesen Begriff fallen natürliche und juristische Personen, die gewerbsmässig den An- und Verkauf von steuerbaren Urkunden betreiben. Es sind dies Handelnde und Vermittelende, deren Tätigkeit ausschliesslich oder zu einem wesentlichen Teil darin besteht, für Dritte Handel mit steuerbaren Urkunden zu betreiben sowie bzw. als Anlageberaterin oder Vermögensverwalter Kauf und Verkauf von steuerbaren Urkunden zu vermitteln (z. B. Treuhänderinnen, Remisiers, Broker und andere Wertschriftenmakler).

Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass auch professionelle Vermittlerinnen und die übrigen Effektenhändler (z. B. abgabepflichtige Holding- und Industriegesellschaften) in den Genuss der Befreiung der Handelsbestände kommen; diese Ausnahme soll nämlich nur den eigentlichen Händlerinnen und Händlern zugutekommen.

14 15

AS 2018 705; BBl 2017 1511 SR 951.11

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Kategorie

Umschreibung

Kapitalgesellschaften mit steuerbaren Urkunden im Wert von über 10 Mio. Fr.

In diese Kategorie fallen z.B. die Pensionskassen und grosse Versicherungsunternehmen

Ebenfalls steuerpflichtig sind Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften, die zwar die Bedingungen für den gewerbsmässigen Handel nicht erfüllen, deren Aktiven aber nach Massgabe der letzten Bilanz zu mehr als 10 Mio. Fr. aus steuerbaren Urkunden (d.h. aus Wertschriften und Beteiligungen) bestehen.

In Bezug auf das Erhebungsverfahren schafft Art. 21 Abs. 8 der Verordnung über die Stempelabgaben vom 3. Dezember 197316 (StV) eine Erleichterung für diese beiden Kategorien von Effektenhändlern: Sie können auf die Eintragung der mit inländischen Banken und mit inländischen professionellen Händlern getätigten Geschäfte im Umsatzregister verzichten, sofern sie sich beim Abschluss dieser Geschäfte nicht als Effektenhändler ausgewiesen haben. Die Abgabe wird somit von der Bank abgeliefert, die in diesem Fall die Gegenpartei als «Kundin» betrachtet.

Bund, Kantone und politische Gemeinden samt ihren Anstalten, sofern sie in ihrer Rechnung für mehr als 10 Mio.

Fr. steuerbare Urkunden ausweisen sowie schweizerische Sozialversicherungen (inländische institutionelle Anlegerinnen und Anleger)

Auch gewisse institutionelle Anlegerinnen und Anleger gelten als Effektenhändler und sind somit abgabepflichtig: ­ der Bund, die Kantone und die politischen Gemeinden samt ihren Anstalten, sofern sie in ihrer Rechnung für mehr als 10 Mio. Fr. steuerbare Urkunden ausweisen; ­ die inländischen Einrichtungen der Sozialversicherung;17 ­ die inländischen Einrichtungen der beruflichen und gebundenen Vorsorge.18

Abgabesätze und Berechnungsgrundlage (Artikel 16 StG) Die Abgabe wird auf dem Entgelt oder, wenn dieses nicht in einer Geldsumme besteht, auf dem Verkehrswert der vereinbarten Gegenleistung berechnet und beträgt:

16 17

18

­

1,5 für eine inländische Urkunde (bzw. 0,75 je Vertragspartei);

­

3,0 für eine ausländische Urkunde (bzw. 1,5 je Vertragspartei).

SR 641.101 Als inländische Einrichtungen der Sozialversicherung nach Artikel 13 Absatz 5 StG gelten die Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung und der Arbeitslosenversicherung.

Als inländische Einrichtungen der beruflichen und der gebundenen Vorsorge gelten nach Artikel 13 Absatz 4 StG: a. Vorsorgeeinrichtungen, die den obligatorischen Teil der beruflichen Altersvorsorge gemäss BVG versichern; dazu zählen auch die Einrichtungen, die den überobligatorischen Bereich abdecken; b. Freizügigkeitsstiftungen der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge; c. Bankstiftungen, die im Rahmen der Säule 3a Gelder zur Altersvorsorge entgegennehmen; d. Anlagestiftungen, die sich der Anlage und der Verwaltung von Vermögen von Vorsorgeeinrichtungen widmen und unter der Stiftungsaufsicht des Bundes oder der Kantone stehen.

8734

BBl 2020

Erhebung der Abgabe (Artikel 17 StG) Die Erhebung der Umsatzabgabe weicht von derjenigen der übrigen Stempelabgaben ab. Folgende Unterscheidungen sind für Erhebung und Betrag der Abgaben von Bedeutung: (a) Wer sind die Parteien (inländischer/ausländischer Effektenhändler, registrierte/nicht registrierte Effektenhändlerinnen)?

(b) Welche Urkunden werden gehandelt (in- oder ausländische Urkunden, Obligationen oder Aktien)?

(c) Treten die beteiligten Effektenhändlerinnen und Effektenhändler als Vertragsparteien oder blosse Vermittlerinnen und Vermittler auf?

(d) Erwerben oder veräussern die gewerbsmässig Handelnden für bzw. aus ihrem eigenen Handelsbestand?

Falls es sich um ein steuerbares Geschäft handelt, schuldet die Effektenhändlerin oder der Effektenhändler je eine halbe Abgabe: ­

wenn sie oder er vermittelt: für jede Vertragspartei, die sich nicht als registrierte Effektenhändlerin oder registrierter Effektenhändler oder von der Abgabe befreite Anlegerin oder befreiter Anleger ausweist;

­

wenn sie oder er Vertragspartei ist: für sich selbst und für die Gegenpartei, die sich nicht als registrierte Effektenhändlerin oder registrierter Effektenhändler oder von der Abgabe befreite Anlegerin oder befreiter Anleger ausweist

Als Vermittlerin oder Vermittler gilt sie oder er in drei Fällen: ­

bei Abrechnung mit ihrem oder seinem Auftraggebenden zu den Originalbedingungen des abgeschlossenen Geschäfts;

­

bei Nachweis von blosser Gelegenheit zum Geschäftsabschluss;

­

bei Weiterveräusserung der Urkunden am Tage ihres Erwerbs.

Die beiden nachfolgenden Tabellen liefern eine Übersicht über die verschiedenen Konstellationen bei Eigen- bzw. Vermittlungsgeschäften: Eigengeschäfte

a)

in einem Geschäft für eigene Bestände (ohne Handelsbestand) mit folgenden Gegenparteien: ­ inländischer Effektenhändler ­ ausländische Bank oder Börsenagent ­ inländische kollektive Kapitalanlage ­ inländische Kundin

Inländische Urkunden

Ausländische Obligationen

Ausländische Aktien und Fondsanteile

½

½

½

0 0

0 0

0 0

0

0

0

½

½

½

8735

BBl 2020

b)

Inländische Urkunden

Ausländische Obligationen

Ausländische Aktien und Fondsanteile

­ ausländischer Kunde ­ ausländische befreite Anlegerin

½ 0

0 0

½ 0

in einem Geschäft für den eigenen Handelsbestand

0

0

0

0 0

0 0

0 0

0

0

0

½ ½ 0

½ 0 0

½ ½ 0

mit folgenden Gegenparteien: ­ inländischer Effektenhändler ­ ausländische Bank oder Börsenagent ­ inländische kollektive Kapitalanlagen ­ inländischer Kundin ­ ausländischer Kunde ­ ausländische befreite Anlegerin

Vermittlungsgeschäfte

a)

zwischen einer inländischen Effektenhändlerin

Inländische Urkunden

Ausländische Obligationen

Ausländische Aktien und Fondsanteile

0

0

0

0 0

0 0

0 0

0

0

0

½ ½ 0

½ 0 0

½ ½ 0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

½ ½ 0

½ 0 0

½ ½ 0

mit folgenden Gegenparteien:

b)

­ inländischer Effektenhändler ­ ausländische Bank oder Börsenagent ­ inländische kollektive Kapitalanlage ­ inländische Kundin ­ ausländischer Kunde ­ ausländische befreite Anlegerin zwischen einer ausländischen Bank / Börsenagent mit folgenden Gegenparteien: ­ ausländische Bank oder Börsenagent ­ inländische kollektive Kapitalanlage ­ inländische Kundin ­ ausländischer Kunde ­ ausländische befreite Anlegerin

8736

BBl 2020

c)

zwischen einem inländischen Kunden

Inländische Urkunden

Ausländische Obligationen

Ausländische Aktien und Fondsanteile

½

½

½

0

0

0

½ ½ 0

½ 0 0

½ ½ 0

½

0

½

½ 0

0 0

½ 0

mit folgenden Gegenparteien: ­ inländische kollektive Kapitalanlage ­ inländische Kundin ­ ausländischer Kunde ­ ausländische befreite Anlegerin d)

zwischen einem ausländischen Kunden und mit folgenden Gegenparteien: ­ ausländischer Kunde ­ ausländische befreite Anlegerin

Bei Übertrag aus dem Handelsbestand auf einen anderen Bestand und umgekehrt ist die halbe Abgabe geschuldet.

2.1.2

Abgabe auf Personenversicherungen

Im Jahre 1973 wurde anlässlich der Totalrevision des StG die Stempelabgabe auf den Prämien für Lebensversicherungen aufgehoben. Die Prämien für Lebensversicherungen waren seither generell von der Abgabe befreit. In der Botschaft zur Reform der Unternehmensbesteuerung 1997 schlug der Bundesrat u. a. die Wiedereinführung einer Stempelabgabe von 2,5 Prozent auf den Prämien der privaten Lebensversicherung (Bereich freie Vorsorge, Säule 3b) vor. Er begründete diese Massnahme wie folgt: Die Lebensversicherung habe in vielen Fällen ihren ursprünglichen Vorsorgecharakter verloren; insbesondere sei die moderne rückkaufsfähige Lebensversicherung zu einer bevorzugten Form der Kapitalanlage geworden. Der Grund dafür liege eindeutig in der allzu starken steuerlichen Privilegierung gegenüber anderen Anlageformen. Die Erträge aus dem klassischen Banksparen, aus den Wertschriften sowie aus übrigen Kapitalformen unterliegen bekanntlich vollumfänglich der Einkommensteuer. Die Wiedereinführung einer Stempelabgabe auf den Prämienzahlungen solle ­ auch wenn der Satz von 2,5 Prozent bescheiden sei ­ dazu beitragen, diese bestehende steuerliche Ungleichbehandlung etwas zu korrigieren.

Mit der vom Parlament 1997 beschlossenen Änderung von Artikel 22 Buchstabe a StG sind die Einmalprämien für die rückkaufsfähige Lebensversicherung seit dem 1. April 1998 der Stempelabgabe zum Satz von 2,5 Prozent unterstellt.

8737

BBl 2020

Gegenstand der Abgabe Gegenstand der Abgabe sind die Prämienzahlungen für Versicherungen: ­

die zum inländischen Bestand eines der Aufsicht des Bundes unterstellten oder eines inländischen öffentlich-rechtlichen Versicherers gehören;

­

die eine inländische Versicherungsnehmerin mit einem nicht der Bundesaufsicht unterstellten ausländischen Versicherer abgeschlossen hat.

Ausnahmen (Art. 22 StG) Von der Abgabe ausgenommen sind die Prämienzahlungen für die: a)

nichtrückkaufsfähige Lebensversicherung sowie die rückkaufsfähige Lebensversicherung mit periodischer Prämienzahlung;

abis) Lebensversicherung, soweit diese der beruflichen Vorsorge im Sinne des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge19 dient; ater) Lebensversicherung, welche von einem Versicherungsnehmer mit Wohnsitz im Ausland abgeschlossen wird; b)

Kranken- und Invaliditätsversicherung;

c)

Unfallversicherung.

2.2

Die Stempelabgaben des Fürstentum Liechtenstein

Aufgrund des Bundesbeschlusses betreffend die Genehmigung des Vertrages vom 29. März 192320 zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet findet das StG auch im Fürstentum Liechtenstein Anwendung.

Gemäss diesem Vertrag führt die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) eine besondere Rechnung und rechnet mit der Fürstlichen Regierung alljährlich über diese Einnahmen ab. Der Anteil der Eidgenossenschaft für die Abgeltung der Verwaltungskosten wurde im Laufe der Jahre mehrmals geändert. Die heute geltende Regelung bestimmt, dass der Eidgenossenschaft 1 Prozent der Einnahmen und zusätzlich ein Pauschalbetrag von 30 000 Franken zustehen. 21

2.3

Fiskalische Bedeutung der Stempelabgaben

2.3.1

Die Einnahmen der Eidgenossenschaft

Die Einnahmen aus den Stempelabgaben blieben nach der 2001 in Kraft getretenen Reform der Umsatzabgabe bis 2011 ziemlich stabil und fluktuierten in einer Band19 20 21

SR 831.40 SR 0.631.112.514 SR 0.631.112.514, Artikel 37

8738

BBl 2020

breite zwischen 2,6 und 3,0 Milliarden Franken. 2012 bis 2014 fiel der Fiskalertrag mit gut 2,1 Milliarden Franken schwächer aus. Dies ist zum einen auf die per 1. März 2012 erfolgte Abschaffung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital und zum anderen auf niedrigere Einnahmen bei der Umsatzabgabe zurückzuführen. 2015 wurde ein leichter Anstieg auf 2,4 Milliarden Franken verzeichnet, der vor allem auf die Erhöhung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital zurückzuführen war. Seither fluktuierten die Einnahmen zwischen 2,0 und 2,4 Milliarden Franken.

Bruttoerträge der Eidgenossenschaft aus den Stempelabgaben in Millionen Franken, 2008­2019 2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

Emissionsabgabe ­ auf Fremdkapital

584

672

779

874

353

182

177

360

209

407

248

173

219

341

527

596

151

2

2

0

1

0

0

0

­ auf Eigenkapital

365

331

252

279

202

180

175

360

208

407

248

173

Umsatzabgabe ­ auf inländischen Wertpapieren

1727 1472 1417 1312 1108 1262 1260 1319 1106 1315 1166 1262

­ auf ausländischen Wertpapieren

1477 1244 1185 1120

250

228

232

192

162

174

183

195

165

257

167

187

945 1088 1077 1123

941 1058

999 1075

Versicherungsabgabe ­ auf Sachund Vermögensversicherungen

660

662

659

671

675

691

707

710

702

713

703

717

613

620

619

639

642

668

674

679

683

689

690

705

­ auf Lebensversicherungen

46

41

40

31

33

23

33

31

19

24

14

12

Stempelabgaben insgesamt Bussen und Verzugszinsen

2971 2806 2855 2857 2136 2134 2144 2388 2017 2434 2117 2152

4

6

3

5

5

9

4

5

4

0

0

0

8739

BBl 2020

2008

Delkredere und Verluste

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

­1

­0

­1

­2

­2

­1

­1

­1

0

0

0

Bruttoertrag 2975 2810 2858 2861 2139 2141 2148 2392 2020 2434 2117 2152

2.3.2

Die Einnahmen des Fürstentums Liechtenstein

Die Einnahmen des Fürstentums Liechtenstein entwickelten sich zwischen 2008 und 2019 gemäss den Angaben in der nachfolgenden Tabelle.

Bruttoerträge des Fürstentums Liechtenstein aus den Stempelabgaben in Millionen Franken, 2008­2019 2008

2009

Emissionsabgabe ­ auf Fremdkapital

5.08

3.49 3.28 2.61 3.42 1.22 1.08 1.27 1.16 1.82 1.18 3.72

2.52

2.31 1.91 1.10 0.46 0.01 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00 0.00

­ auf Eigenkapital

2.56

1.17 1.37 1.51 2.97 1.20 1.08 1.27 1.16 1.82 1.18 3.72

Umsatzabgabe ­ auf inländischen Wertpapieren ­ auf ausländischen Wertpapieren

Bussen und Verzugszinsen

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

48.77 38.86 41.79 34.96 29.31 31.22 32.20 33.40 31.51 37.28 36.75 32.44 4.74

3.83 6.18 3.68 3.14 3.94 3.34 3.52 3.26 3.98 3.93 3.65

44.04 35.03 35.61 31.28 26.17 27.28 28.86 29.88 28.24 33.30 32.82 28.79

Versiche11.22 rungsabgabe Stempelabgaben insgesamt

2010

9.01 10.96 12.00 7.07 8.39 8.30 7.96 7.93 7.24 7.10 7.71

65.07 51.35 56.03 49.57 39.80 40.82 41.58 42.63 40.60 46.34 45.02 43.87

0.14

0.06 0.09 0.28 0.03 0.13 0.04 0.27 0.23 0.24 0.00 0.17

Bruttoertrag 65.22 51.41 56.13 49.86 39.83 40.95 41.62 42.90 40.83 46.58 45.02 44.04

8740

BBl 2020

2.4

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

2.4.1

Umsatzabgabe

Zum Thema der Umsatzabgabe bestehen in der Europäischen Union (EU) keine Richtlinien. Gemäss Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital22 können die Mitgliedstaaten eine pauschal oder nicht pauschal erhobene Steuer auf die Übertragung von Wertpapieren erheben. Die meisten europäischen Staaten machen von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch.

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird in der EU seit der Krise des Finanzsektors diskutiert. Den jüngsten Vorschlag für eine EU-weite Finanztransaktionssteuer haben Ende 2018 Deutschland und Frankreich lanciert. Ob und ­ falls ja ­ wann eine solche Steuer in der EU eingeführt wird, ist derzeit offen.

2.4.2

Abgabe auf Lebensversicherungen

In Europa wird nur in gewissen Staaten eine IPT auf Lebensversicherungen erhoben.

Die Sätze schwanken dabei zwischen 0,3 Prozent und 11 Prozent.23 Eine inländische Versicherungsnehmerin oder ein inländischer Versicherungsnehmer wird nur im Inland mit der Stempelabgabe belastet; im Gegensatz zur Vermögensversicherung ist eine Doppelbesteuerung bei den Lebensversicherungen ausgeschlossen. Schliesst eine Versicherungsnehmerin oder ein Versicherungsnehmer mit Wohnsitz im Ausland eine Einmalprämienversicherung mit einer Versicherungsgesellschaft in der Schweiz ab, so unterliegt die Prämienzahlung nicht der Stempelabgabe (Ausnahmebestimmung Artikel 22 Buchstabe ater StG). Eine Doppelbesteuerung der ausländischen Versicherungsnehmerin oder des ausländischen Versicherungsnehmers ist deshalb ebenfalls ausgeschlossen.

2.5

Von der Subkommission der WAK-N untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Die Subkommission der WAK-N diskutierte verschiedene Ansätze zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative. Ausgangspunkt bildeten dabei die Ausführungen in der Studie der ESTV «Schrittweise Abschaffung der Stempelabgaben» in der angepassten Version vom 25. September 2012.24 Die Studie zeigt auf, wie die Stempelabgaben in mehreren Etappen abgeschafft bzw. reformiert werden könnten. Konkret 22 23 24

ABl. L 46 vom 21.2.2008, S. 11; geändert durch Richtlinie 2013/13/EU, ABl. L 141 vom 28.5.2013, S. 30.

Siehe dazu: Insurance Europe, Indirect taxation on insurance contracts in Europe, May 2018, unter: www.bvvm.be/?q=fr/system/files/Insurance%20Europe2018.pdf.

Die Studie kann bei der ESTV unter www.estv.admin.ch > Steuerpolitik Steuerstatistik Steuerinformationen > Steuerpolitik > Fachinformationen > > Berichte > 2011 heruntergeladen werden.

8741

BBl 2020

enthält die Studie mit dem graduellen und dem radikalen Ansatz zwei Vorschläge für die zeitliche Staffelung der einzelnen Abschaffungsschritte und die Gegenfinanzierung durch einnahmenseitige Massnahmen. Die Subkommission orientierte sich am graduellen Ansatz, wich davon aber in verschiedener Hinsicht ab. Im Einzelnen diskutierte die Subkommission die folgenden Punkte: ­

Gegenfinanzierung: Die Subkommission diskutierte darüber, ob sie Massnahmen zur Gegenfinanzierung der reformbedingten Mindereinnahmen vorschlagen solle. Die Mehrheit der Subkommission entschied, auf dieses Element zu verzichten.

­

Mehrwertsteuerunterstellung: In der Studie der ESTV wird vorgeschlagen, mit der Abschaffung der Umsatzabgabe sämtliche Kommissionen für Finanzdienstleistungen der Mehrwertsteuer (MWST) zu unterstellen. Die Subkommission diskutierte dies, eine Mehrheit wollte jedoch, dass diese Frage nicht vorliegend, sondern allenfalls im Rahmen einer Revision des Mehrwertsteuergesetzes thematisiert würde.

­

Vollständige versus teilweise Abschaffung der Stempelabgaben: Die Studie der ESTV empfiehlt, auf die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen zu verzichten, solange die Unterbesteuerung der rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen im Rahmen der Einkommensteuer bestehen bleibt.

Ausserdem solle auch an der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen festgehalten werden, soweit diese in der Konsumsphäre greift, da die Abgabe als Ersatz für die fehlende Besteuerung dieser Leistungen im Rahmen der Mehrwertsteuer diene. Die Subkommission sprach sich demgegenüber mehrheitlich für die vollständige Abschaffung der Stempelabgaben aus.

­

Etappierung bei der Umsatzabgabe: Bei der Etappierung der Abschaffungsschritte der Umsatzabgabe sind verschiedene Varianten möglich. Als Alternative zum in der Studie der ESTV vorgeschlagenen Weg der etappierten Steuerbefreiung einzelner Segmente wäre auch eine stufenweise Reduktion der Steuersätze denkbar. Die Mehrheit der Subkommission entschied jedoch nicht zuletzt wegen der niedrigeren Vollzugskosten, dem Weg zu folgen, den die Studie der ESTV vorschlägt.

Die Kommissionsmehrheit schloss sich den Erwägungen ihrer Subkommission stillschweigend an.

2.6

In die Vernehmlassung geschickte Vorentwürfe

Am 16. Januar 2020 schickte die WAK-N zwei Vorentwürfe in die Vernehmlassung.

Diese sahen vor, die Umsatzabgabe und die Abgabe auf Versicherungsprämien in zwei Etappen vollständig abzuschaffen.

8742

BBl 2020

Vorentwurf 2 (erste Etappe): Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften25 (Steuerausfälle von 190 Millionen Franken) und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr (Steuerausfälle von 5 Millionen Franken) sowie Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen (Steuerausfälle von 24 Millionen Franken). Die Gesamtkosten der ersten Etappe wurden auf 219 Millionen Franken geschätzt.

Vorentwurf 3 (zweite Etappe): Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften (Steuerausfälle von 1043 Millionen Franken) und Abschaffung der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen (Steuerausfälle von 743 Millionen Franken). Die Gesamtkosten der zweiten Etappe beliefen sich auf 1786 Millionen Franken (siehe Tabelle in Kap. 5.2.1).

Die Mehrheit der Kommission war der Ansicht, mit diesem zweistufigen Vorgehen könne in einem ersten Schritt jener Teil der Stempelabgaben aufgehoben werden, dessen Abschaffung für den Schweizer Kapitalmarkt am dringendsten sei (siehe auch Kap. 2.9.1.1) und der zudem nur begrenzte finanzielle Folgen habe.

2.7

Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse26

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 16. Januar bis zum 23. April 2020. Es gingen 58 Stellungnahmen ein.

2.7.1

Grundsatzpositionen zur vollständigen oder teilweisen Abschaffung der Umsatzund der Versicherungsabgabe

Im Grundsatz befürworten 6 Kantone (NW, SH, SZ, TI, ZG, ZH), 5 Parteien (BDP, FDP, GLP, SVP, up!) und 23 Organisationen (AFBS, ASIP, CP, economiesuisse, EXPERTsuisse, FER, GVTG, HKBB, KGAST, NSV, Publica, sgv-usam, SIX, Suva, SVDS, SVV, SwissBanking, SwissHoldings, Swissmem, VAV, VKG, VSPB, VSV) mit oder ohne Einschränkungen die vollständige oder teilweise Abschaffung der Umsatzabgabe und der Versicherungsabgabe.

3 Kantone (BS, NE, UR), 4 Parteien (CVP, EVP, GPS, SPS) und 3 Organisationen (SBV, SGB, Travail.Suisse) lehnen die Abschaffung der Umsatz- und der Versicherungsabgabe teils grundsätzlich und teils wegen anderer Prioritäten ab.

Ein Kanton (BE) nimmt eine neutrale Haltung ein, eine Organisation (Schweizerischer Städteverband) vertritt eine kritische Haltung und befürwortet einzig die Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften.

25

26

Die Einnahmeeinbussen, die durch die in die Vernehmlassung geschickten Vorentwürfe entstehen, wurden anhand der Einnahmen der Jahre 2014­2018 und nicht wie beim vorliegenden Entwurf anhand der Jahre 2015­2019 berechnet.

Der vollständige Bericht zu den Vernehmlassungsergebnissen ist zu finden unter: www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/3105/09.503-Pa.Iv.-Stempelsteuerabschaffen_Ergebnisbericht_de.pdf

8743

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Die FDK und 12 Kantone (AG, AI, AR, BL, FR, GE, GR, LU, SG, SO, TG, VS) beantragen, die Vorlage zugunsten anderer Geschäfte zu sistieren bzw. zurückzustellen.

Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende stellen den Bezug zur geplanten Reform der Verrechnungssteuer sowie zur Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital her und thematisieren die Frage der finanzpolitischen Prioritäten und der sich aufgrund der finanziellen Auswirkungen der Coronakrise verschärfenden Konkurrenz zwischen budgetwirksamen Reformprojekten. Sie ziehen daraus aber unterschiedliche Schlüsse. Es lassen sich vier Lager unterscheiden: ­

Lager 1 (GPS, SPS, SGB und Travail.Suisse) lehnt die Abschaffung der Stempelabgaben kategorisch ab.

­

Lager 2 (CVP, EVP, SBV, FDK und viele Kantone) erblickt in der Abschaffung der Umsatz- und Versicherungsabgabe auch Vorteile, gibt aber anderen Reformprojekten eine höhere Priorität und lehnt die Abschaffung daher ebenfalls ab.

­

Lager 3 (GLP, Schweizerischer Städteverband, einige Kantone) begrüsst im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten einzelne Abschaffungsschritte im Bereich der Stempelabgaben, verlangt aber eine strengere Priorisierung aufgrund von Kosten-Nutzen-Überlegungen und lehnt die undifferenzierte vollständige und kompensationslose Abschaffung der Stempelabgaben ab.

­

Lager 4 (BDP, FDP, SVP, up!, viele Wirtschaftsverbände und einige Kantone) erblickt in den Herausforderungen der Coronakrise einen Grund, dass die Steuerpolitik standortrelevanten Massnahmen Priorität einräumen müsse.

Dazu gehöre der schrittweise Abbau standortrelevanter Stempelabgaben ebenso wie eine für Banken tragbare Reform der Verrechnungssteuer auf Grundlage des Zahlstellenprinzips.

2.7.2

Vorentwurf 2

Vorentwurf 2 stösst bei 6 Kantonen (GE, NW, SH, SZ, TI, ZH), 4 Parteien (BDP, FDP, SVP, up!) und 23 Organisationen (AFBS, ASIP, CP, economiesuisse, EXPERTsuisse (implizit), FER (implizit), GVTG, HKBB, KGAST, NSV, Publica, sgvusam, SIX, Suva (äussert sich nur zur Umsatzabgabe), SwissBanking, SwissHoldings, Swissmem, SVDS, SVV, VAV, VKG, VSPB, VSV) auf Zustimmung.

TG, die GLP und der Schweizerische Städteverband fordern, auf die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen zu verzichten. Die GLP will darüber hinaus in Abhängigkeit von der Finanzlage die Steuerbefreiung unter Umständen auf inländische (ökologisch nachhaltige) Obligationen beschränken.

BE nimmt eine neutrale Haltung ein.

Abgelehnt wird Vorentwurf 2 von 3 Kantonen (BS, implizit auch UR und NE), 4 Parteien (EVP, implizit auch CVP, GPS, SPS) und 3 Organisationen (SBV, SGB, Travail.Suisse).

8744

BBl 2020

2.7.3

Vorentwurf 3

Vorentwurf 3 findet die Zustimmung von 6 Kantonen (GE, NW, SZ, TG, TI, ZH), 4 Parteien (BDP, FDP, SVP, up!) und 23 Organisationen (AFBS, ASIP, CP, economiesuisse, EXPERTsuisse (implizit), FER (implizit), GVTG, HKBB, KGAST, NSV, Publica, sgv-usam, SIX, SwissBanking, SwissHoldings, Swissmem, Suva (äussert sich nur zur Umsatzabgabe), SVDS, SVV, VAV, VKG, VSPB, VSV).

2 Kantone (BE, SH) nehmen eine neutrale Haltung ein. Die GLP vertritt eine kritische Haltung und merkt an, dass die grundsätzlichen Überlegungen zum KostenNutzen-Verhältnis und zur Priorisierung bzw. Zurückstellung gegenüber anderen Steuervorlagen beim Vorentwurf 3 noch stärker gälten als beim Vorentwurf 2.

Abgelehnt wird Vorentwurf 3 von 3 Kantonen (BS, implizit auch UR und NE), 4 Parteien (EVP, implizit auch CVP, GPS, SPS) und 4 Organisationen (SBV, Schweizerischer Städteverband, SGB, Travail.Suisse).

2.7.4

Minderheitsanträge zur Inkraftsetzung der Vorentwürfe 2 und 3

Die Minderheitsanträge zur Inkraftsetzung der Vorentwürfe 2 und 3 verlangen vom Bundesrat, vor der Inkraftsetzung jeweils sicherzustellen, dass die durch die Gesetzesänderung entstehenden Einnahmenausfälle anderweitig kompensiert werden.

Die Minderheitsanträge zu den Vorentwürfen 2 und 3 werden überwiegend und im je gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. Der Zustimmung von 2 Kantonen (BE, SH) und einer Partei (EVP) steht jeweils die Ablehnung von 7 Kantonen (BS, GE, NW, SZ, TG, TI, ZH), 5 Parteien (BDP, FDP, GLP, SVP, up!) und 22 Organisationen (ASIP, CP, economiesuisse, EXPERTsuisse (implizit), FER (implizit), GVTG, HKBB, KGAST, NSV, Publica, sgv-usam, SIX, SwissBanking, SwissHoldings, Swissmem, SVDS, SVV, Travail.Suisse, VAV, VKG, VSPB, VSV) gegenüber.

2.7.5

Staffelung gemäss Vorentwürfen

Nur eine Minderheit aus 4 Kantonen (NW, SH, SZ, TI), 1 Partei (FDP) und 10 Organisationen (ASIP, CP, FER, GVTG, KGAST, NSV, Publica, Suva, SVDS, VKG) stimmt der vorgeschlagenen Staffelung, wonach Vorentwurf 2 vor Vorentwurf 3 in Kraft treten soll, explizit zu.

GLP und economiesuisse schlagen alternative Konzeptionen vor. Diejenige der GLP ist prozedural angelegt und schlägt ein Prüfprogramm vor, wie man zu einer besseren Lösung kommen könnte. Diejenige von economiesuisse fordert, dass die Abschaffung in einer einzigen Gesetzesvorlage erfolge und umfasst materielle Vorschläge zur Priorisierung und zeitlichen Staffelung der Abschaffungsschritte.

8745

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2.7.6

Forderungen zu Einzelfragen

Zur Staffelung der Abschaffung der Umsatzabgabe existieren unterschiedliche Auffassungen. Dies betrifft einerseits die Frage, ob ­ wie gemäss Vernehmlassungsvorlage ­ zuerst die Umsatzabgabe auf den inländischen Wertschriften oder alternativ zuerst die Umsatzabgabe auf ausländischen Wertschriften abgeschafft werden soll oder ob eine parallele Abschaffung mit schrittweiser Reduktion der Steuersätze zu wählen sei. Andere Forderungen betreffen die prioritäre Befreiung der Vermittler, der Vorsorgegelder oder der ökologisch nachhaltigen Anlagen.

Bei der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen wird der prioritär zu erfolgende Übergang zum Risikobelegenheitsprinzip gefordert. Danach sei diese Abgabe je nach Standpunkt im Rahmen des finanzpolitischen Spielraums abzuschaffen, die Abschaffung auf den Produktionsbereich zu beschränken und im Konsumbereich als Ersatz für die fehlende Besteuerung im Rahmen der Mehrwertsteuer (MWST) beizubehalten oder gar nicht abzuschaffen. Die Abschaffung und Unterstellung der Leistungen unter die MWST wird teils zur Prüfung empfohlen und teils vehement bekämpft.

Die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherung wird einerseits prioritär gefordert, anderseits bekämpft, solange die Unterbesteuerung der rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen im Rahmen der Einkommenssteuer bestehen bleibe.

2.8

Beschluss der WAK-N über das weitere Vorgehen nach der Vernehmlassung

Die WAK-N nahm am 17. August 2020 Kenntnis von den Vernehmlassungsergebnissen und befand über das weitere Vorgehen.

Was Vorentwurf 2 betrifft, lehnte die Kommission zunächst mit 19 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen einen Antrag ab, wonach die Beratung so lange zu sistieren sei, bis der Bundesrat den neuen Finanzplan mit dem finanziellen Handlungsspielraum infolge der Coronakrise veröffentlicht habe. Die Kommission trat daraufhin mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten auf den Vorentwurf ein und nahm ihn ohne Änderungen an. In Bezug auf Vorentwurf 3 hingegen beschloss sie mit 15 zu 10 Stimmen, dessen Beratung auszusetzen, damit sie ihn dann zusammen mit der für das erste Halbjahr 2021 in Aussicht gestellten Botschaft des Bundesrates zur Revision des Verrechnungssteuergesetzes (Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip) behandeln kann.

Angesichts der coronabedingt stark belasteten Bundesfinanzen räumt die Kommissionsmehrheit bereitwillig ein, dass Vorentwurf 3 zu grosse finanzielle Auswirkungen hätte. Seine Beratung kann also vorerst sistiert bleiben. Die Situation kann 2021 neu beurteilt werden, wenn sich die Kommission mit der Botschaft zur Verrechnungssteuerreform befasst. Vorentwurf 2, der deutlich niedrigere Steuerausfälle nach sich zieht als Vorentwurf 3, ist in den Augen der Kommissionsmehrheit hingegen immer noch notwendig und sollte vom Parlament angenommen werden. Er wird sich durchaus vorteilhaft auf den Finanzplatz und die Schweizer Wirtschaft auswirken, sieht er doch in erster Linie die Abschaffung der Umsatzabgabe auf den Schweizer 8746

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Wertschriften vor (siehe auch Kap. 2.9.1.1). Wird Vorentwurf 2 dem Nationalrat vorgelegt, wird ihn der Ständerat zusammen mit Entwurf 1 zur Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital beraten können (siehe Kap. 1.2.1). Diese Abschaffung ist dringend notwendig, da in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Eigenkapital der Unternehmen gestärkt werden muss.

2.9

Gesetzgeberischer Handlungsbedarf

Innerhalb der Kommission ist man uneins darüber, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, wurde der Eintretensbeschluss doch knapp mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten gefasst.

2.9.1

Argumente der Kommissionsmehrheit

2.9.1.1

Argumente für die Teilabschaffung der Umsatzabgabe

Die Mehrheit weist erstens darauf hin, dass die Umsatzabgabe gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstösst. Steuersystematisch ist die Umsatzabgabe eine Rechtsverkehrsteuer, die an der Übertragung von Eigentum anknüpft. Wirtschaftlich betrachtet stellt die Umsatzabgabe eine Kapitalverkehrs- oder Transaktionssteuer dar.

Transaktionssteuern knüpfen an Vorgänge an, die als solche keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indizieren. Die Umsatzabgabe belastet Personen, die eine Vermögensumschichtung vornehmen, und lässt Personen unbesteuert, die keine Umschichtung vornehmen. Dies widerspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Namentlich ist die Aussage unhaltbar, dass diejenigen Sparenden, die ihre Anlagen beibehalten, weniger leistungsfähig seien als diejenigen, die ihre Anlagen aus irgendwelchen Gründen umschichten. Im Unterschied etwa zu einer Abschöpfung von Nettowertzuflüssen, die eine Bereicherung der steuerpflichtigen Person beinhalten, durch die Einkommens- oder durch die Gewinnsteuer, bleibt bei der Umsatzabgabe die Leistungsfähigkeit der Betroffenen unbeachtet. Die Abgabe ist unabhängig davon geschuldet, ob aus dem besteuerten Verkehrsvorgang ein Gewinn oder ein Verlust resultiert.

Zweitens führt die Umsatzabgabe zu Verzerrungen der Ressourcenallokation und beeinträchtigt somit die Effizienz und den wirtschaftlichen Wohlstand der Schweiz.

Diese Verzerrungen kommen auf der Angebotsseite, auf der Nachfrageseite oder auf der Vermittlungsebene zum Tragen.

Was die Verzerrungen auf der Angebotsseite betrifft (Emittenten der umsatzabgabepflichtigen Wertpapiere), so erhöht die Umsatzabgabe die Finanzierungskosten der emittierenden Unternehmen, weil die Anleger die abgabepflichtigen Wertpapiere nur halten, wenn sie dafür mit einer höheren erwarteten Vorsteuerrendite kompensiert werden. Die Verteuerung der Finanzierungskosten der emittierenden Unternehmen ist sowohl unter dem Standortziel (Standortentscheid aufgrund der durchschnittlichen effektiven Steuerbelastung) als auch unter dem Effizienzziel (aussenfinanzierte Investition einer sich bereits vor Ort befindlichen Unternehmung) relevant. Die 8747

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Umsatzabgabe verzerrt überdies die Wahl der Finanzierungswege für eine Investition, da die Abgabe die Finanzierung mittels Eigenkapital oder Obligationen, nicht aber mittels Bankkredite oder Geldmarktpapiere verteuert. Diese Verzerrung verletzt die Entscheidungsneutralität und damit das Effizienzziel.

Was die Verzerrungen auf der Nachfrageseite betrifft (Anleger, welche umsatzabgabepflichtige Wertpapiere nachfragen), so erhöht die Umsatzabgabe die Steuerbelastung auf dem Ertrag des Sparens und verzerrt so den Entscheid der Haushalte zwischen Sparen und Konsumieren. Die Umsatzabgabe verzerrt auch die Wahl zwischen den Anlageinstrumenten, welche der Abgabe unterstehen bzw. ihr nicht unterliegen. Die Umsatzabgabe erzeugt zudem einen Einschliessungseffekt (Lockin-Effekt), sodass die Anleger ihr Portfolio weniger stark umschichten, als sie dies ohne die Abgabe tun würden. Alle diese Verzerrungen wirken sich negativ auf das Effizienzziel aus.

Was schliesslich die Verzerrungen auf der Vermittlungsebene betrifft (Finanzintermediation im Inland), so verursacht die Umsatzabgabe der inländischen Finanzintermediation einen Standortnachteil und beeinträchtigt das Standortziel, soweit Emittenten oder Anleger aufgrund der Umsatzabgabe inländische Finanzintermediationsdienstleistungen durch in ausländischen Finanzzentren erbrachte Dienstleistungen ersetzen.

Im oberen Teil der nachfolgenden Abbildung sind die drei Ansatzpunkte der Verzerrungen der Umsatzabgabe zusammengefasst. In der Vierfeldertafel im unteren Teil der Abbildung sind die einzelnen Verzerrungen dann den vier Konstellationen zugeordnet, welche sich ergeben, je nachdem, ob in- oder ausländische Anleger inoder ausländische Wertpapiere halten.

1

2

An Inlandbörse kotierte Unternehmen

· Erhöhung der Finanzierungskosten · Verzerrung zwischen alternativen Finanzierungswegen

Inländische Anleger Ausländische Anleger

Finanzintermediation im Inland

· Standortnachteil infolge erhöhter Transaktionskosten bei der Vermögensumschichtung

3

Inländische Anleger

· Verzerrung der Spar-KonsumEntscheidung · Verzerrung zwischen alternativen Anlageinstrumenten · Einschliessungseffekt

Inländische Wertpapiere

Ausländische Wertpapiere

1, 2, 3

2, 3

1, 2

2

Schädlichkeit aus nationaler Perspektive: 1 > 3 > 2

Die Verzerrungen, welche bei der Finanzintermediation im Inland ansetzen (2), treten in allen vier Konstellationen auf. Demgegenüber betreffen die Verzerrungen, 8748

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die bei den Emittenten der umsatzabgabepflichtigen Wertpapiere zum Tragen kommen (1), nur die inländischen Wertpapiere, unabhängig davon, ob diese von in- oder ausländischen Anlegern gehalten werden. Die Verzerrungen, welche bei den Anlegern wirksam werden (3), vermindern die inländische Wohlfahrt nur, wenn sie auch die inländischen Anleger betreffen ­ unabhängig davon, ob diese in- oder ausländische Wertpapiere nachfragen.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive sind die Verzerrungen (1) gewichtiger als die Verzerrungen (3), da sie unmittelbar auf Unternehmensebene ansetzen und daher den heimischen Produktionsstandort sowohl über die verminderte Kapitalakkumulation als auch über die niedrigere Arbeitsproduktivität, welche niedrigere Löhne nach sich zieht, schädigt. Demgegenüber sind die Verzerrungen (3) weniger schädlich für die Schweizer Wirtschaft, da sie nur die Vermögensakkumulation der Haushalte beeinträchtigen, was sich nur teilweise auf die inländische Produktionssphäre niederschlägt. Am wenigsten schädlich dürfte sich die Umsatzabgabe beim Ansatzpunkt Finanzintermediation (2) auswirken. Hierfür spricht vor allem das Argument, dass ein substanzieller Teil des Steueraufkommens durch ausländische Kunden inländischer Banken generiert wird.

Aus den Überlegungen in der obigen Tabelle geht hervor, dass in erster Linie die Schweizer Wertpapiere von der Umsatzabgabe befreit werden sollten, da die Verzerrungen, die sich aus deren Besteuerung ergeben, für die Schweizer Wirtschaft die schädlichsten Auswirkungen haben. Die Kommissionsmehrheit möchte deshalb die Umsatzabgabe auf diesen Wertpapieren mit Entwurf 2 abschaffen. Die Umsatzabgabe auf ausländischen Wertpapieren wiederum wird im Rahmen von Vorentwurf 3 ­ zusammen mit der Botschaft des Bundesrates zur Verrechnungssteuerreform und unter Berücksichtigung der Lage der Bundesfinanzen ­ zu prüfen sein. Die Kommissionsmehrheit bezieht in diesen Entwurf 2 jedoch auch die ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr mit ein. Da der Handel mit diesen Wertpapieren nicht mehr am Finanzplatz Schweiz erfolgt, ist eine Rückführung dieses Handels in die Schweiz dringend anzustreben.

In den Augen der Mehrheit wird sich die Teilabschaffung der Umsatzabgabe positiv auf den Finanzplatz und die Schweizer Wirtschaft auswirken, was
angesichts der coronabedingt schwierigen Konjunkturlage umso mehr zu begrüssen ist. Die Mehrheit ist im Übrigen überzeugt, dass der durch die Abschaffung der Abgaben ausgelöste Wachstumseffekt langfristig einen grossen Teil der Steuerausfälle wettmacht.

Gemäss einer Studie von BAK economic intelligence (siehe diesbezüglich Kap. 5.1.1 und 5.2.1) dürfte das BIP bei einer vollständigen Abschaffung der Umsatzabgabe innert zehn Jahren um 0,4 Prozent steigen. Dadurch wird der Bund zusätzliche Einnahmen aus der direkten Bundessteuer und der Mehrwertsteuer erzielen, die gemäss der BAK-Studie die anfänglichen, durch die Abschaffung der Umsatzabgabe bedingten Einbussen zur Hälfte ausgleichen werden. Auch die Kantone und die Gemeinden werden über zusätzliche Einnahmen aus anderen Steuern von diesem positiven Wachstumseffekt profitieren.

8749

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2.9.1.2

Argumente für die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen

Die Abgabe auf Lebensversicherungen bringt, basierend auf dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre (2015­2019) ein jährliches Steueraufkommen von 20 Millionen Franken. Die Vollzugkosten der Abgabe, namentlich die Entrichtungskosten seitens der steuerpflichtigen Versicherungsunternehmen, stehen demnach in einem ungünstigen Verhältnis zum Steueraufkommen. Von daher sollte diese Abgabe in den Augen der Kommissionsmehrheit mit Entwurf 2 abgeschafft werden.

Die Abschaffung der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen, welche viel grössere Steuerausfälle nach sich zieht als die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen, ist in Entwurf 2 nicht vorgesehen. Sie wird im Rahmen von Vorentwurf 3 beraten, der in der Kommission sistiert ist (siehe Kap. 2.8).

2.9.2

Argumente der Kommissionsminderheit

Die Kommissionsminderheit (Müller Leo, Badran Jacqueline, Baumann, Bendahan, Bertschy, Birrer-Heimo, Grossen Jürg, Michaud Gigon, Ritter, Ryser, Rytz Regula, Wermuth) beantragt, auf den Entwurf nicht einzutreten.

Sie weist zunächst darauf hin, dass der von der Mehrheit vorgeschlagene Entwurf jährlich Steuerausfälle von mehr als 200 Millionen Franken nach sich ziehe, ohne eine finanzielle Kompensation vorzusehen. Die Coronakrise habe jedoch zu beträchtlichen Ausgaben des Bundes und somit zu einer deutlichen Verschlechterung der Bundesfinanzen geführt: Der Bund hat im Jahr 2020 über Nachtragskredite zum Voranschlag 2020 ausserordentliche Mittel in Höhe von 31 Milliarden Franken freigegeben, um die Folgen der Coronapandemie zu bewältigen, und der Voranschlag 2021 des Bundes sieht ein Defizit von 1,1 Milliarden Franken vor. Die Minderheit hält es deshalb aus finanzpolitischer Sicht für unverantwortlich, auch nur teilweise auf die Einnahmen aus der Umsatzabgabe und der Abgabe auf Lebensversicherungen zu verzichten. Während die Abschaffung der Umsatzabgabe und der Abgabe auf Lebensversicherungen für einen Teil der Minderheit vor der Coronakrise noch erstrebenswert war, kommt sie nun auch für ihn nicht mehr infrage ­ zumindest, solange die Lage der Bundesfinanzen schwierig ist.

Die Minderheit hebt zudem hervor, dass neben den Ausgaben zur Bewältigung der Coronakrise auch noch zahlreiche weitere Steuerreformen, die derzeit vom Parlament vorbereitet werden oder bereits verabschiedet worden sind, zu grossen finanziellen Einbussen führen werden. In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Vorlagen aufgeführt, aufgrund deren die Minderheit die Einnahmen aus den Stempelabgaben aus finanzpolitischer Sicht für unverzichtbar hält.

8750

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Vorlagen

Geschätzte Mindereinnahmen für den Bund (in Mio.)

Stand

Vorlagen, die Gegenstand eines Inkrafttretensbeschlusses sind 18.031 BG Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF)

1400

In Kraft getreten am 1. Januar 2020

Vorlage in der Referendumsphase 18.050 300 Referendum ergriffen BG Berücksichtigung der (aufgrund der Coronakri- (Abstimmung am Kinderdrittbetreuungskosten se vorübergehend, bezo- 27. September 2020) gen auf das Steuerjahr 2021, schätzungsweise um 40 bis 80 Millionen Franken geringere Mindereinnahmen 16.077 BG Revision des Aktienrechts

Nicht quantifizierbare Referendumsfrist läuft, Mindereinnahmen bei der Inkrafttreten frühestens Emissionsabgabe 2021

Vorlage in der parlamentarischen Phase 09.503 Entwurf 1: Abschaffung der Emissionsabgabe

250

Zustimmung Nationalrat, derzeit sistiert durch Ständerat

19.076 Aufhebung der Industriezölle

562,5

NR ist nicht eingetreten SR ist eingetreten

Vorlage in der Vorbereitungsphase 18.034 Ehepaarbesteuerung

1150 (Variante Bundesrat)

Vorlage vom Parlament an Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, zusätzliche Modelle vorzulegen

8751

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Vorlagen

Geschätzte Mindereinnahmen für den Bund (in Mio.)

Stand

Verrechnungssteuerreform (Wechsel vom Schuldnerzum Zahlstellenprinzip)

120 (gemäss Vernehmlassungsvorlage; ohne Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Anleihen)

Vernehmlassung beendet

17.3171 Erhöhung der Pauschalabzüge bei der direkten Bundessteuer

Eckwerte noch nicht festgelegt: 290 bis 380

Vernehmlassungsvorlage in Vorbereitung

Der Bundesrat wird seine Botschaft im Frühjahr 2021 vorlegen

Inkrafttreten offen

Weitere, weniger umfangreiche Vorlagen sind noch in der Vorbereitungsphase ­ die Höhe der Mindereinnahmen bei deren Umsetzung lässt sich noch nicht präzise einschätzen. Es handelt sich dabei um die Vorlagen zur überwiesenen Motion zur Besteuerung von Leibrenten und Leibrentenversicherungen (12.3814), zur Tonnagebesteuerung (15.049; Entwurf 3), zu zwei überwiesenen Motionen im Bereich der Mehrwertsteuer (16.3431 und 18.3540) sowie zur überwiesenen Motion zur wettbewerbsfähigen steuerlichen Behandlung von Start-ups (17.3261). Schliesslich will die OECD die internationalen Vorschriften zur Besteuerung von multinationalen Konzernen ­ namentlich im Zusammenhang mit den Herausforderungen der digitalen Wirtschaft ­ anpassen. Obwohl es derzeit nicht möglich ist, die Mindereinnahmen zu beziffern, weil der Schlussbericht der OECD noch nicht vorliegt, sind solche in einem dreistelligen Millionenbereich Franken zu befürchten. Kommen zu diesen Reformen noch die Teilabschaffung der Umsatzabgabe und die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen hinzu, könnte dies aufgrund der Schuldenbremse zu Sparprogrammen führen. Die Bürgerinnen und Bürger müssten dann für die steuerliche Entlastung von Finanztransaktionen aufkommen.

Die Minderheit ist im Übrigen der Auffassung, dass mehrere dieser Steuerreformen sicherlich dringender seien als die Teilabschaffung der Umsatzabgabe und der Abgabe auf Versicherungsprämien. Dazu gehören nach Meinung der Minderheit insbesondere die Verrechnungssteuerreform, die für den Finanzplatz Schweiz sehr wichtig sein wird, sowie die Reform zur Abschaffung der Heiratsstrafe. Insbesondere die letztere darf durch die Teilabschaffung der Stempelabgaben nicht gefährdet werden. Unabhängig davon, für welches Modell sich das Parlament letztlich entscheiden wird, hat eine Lösung auf Bundesebene schon zu lange auf sich warten lassen.

Die Minderheit bezweifelt, dass die Abschaffung der Stempelabgaben einen so wachstumsfördernden Effekt haben wird, wie ihn sich die Mehrheit erhofft. Der positive Effekt auf die Einnahmen ­ bei einer dynamischen Betrachtung ­ dürfte ebenfalls weniger stark ausfallen als erwartet. Selbst die BAK-Studie kommt zum Schluss (siehe Kap. 5.1.1 und 5.2.1), dass die vollständige Abschaffung der Umsatzabgabe innert zehn Jahren einen wachstumsfördernden Effekt von lediglich 8752

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0,4 Prozent hätte, während die Verrechnungssteuerreform 1 Prozent zum BIP beisteuern dürfte. Auf der Grundlage des BIP der letzten Jahre von rund 700 Milliarden Franken beliefe sich der wachstumsfördernde Effekt der vollständigen Abschaffung der Stempelabgaben nach 10 Jahren lediglich auf 2,8 Milliarden Franken ­ bei Steuerausfällen von über 1,2 Milliarden Franken pro Jahr. Legt man das pessimistische Szenario der BAK mit einer Wirkung auf das Wachstum von nur rund 0,2 Prozent zugrunde, würde das BIP bei einer vollständigen Abschaffung der Umsatzabgabe sogar lediglich um 1,4 Milliarden Franken zunehmen.

Ein Teil der Minderheit ist gar der Ansicht, dass sich die Abschaffung der Stempelabgaben überhaupt nicht auf das Wirtschaftswachstum auswirken werde, da diese Massnahme lediglich einen Mitnahmeeffekt für die Wirtschaftsakteure darstellen werde. Da die aktuelle Lage von einem Liquiditätsüberschuss geprägt sei, werde die Abschaffung dieser Abgabe nicht zu zusätzlichen Investitionen führen. Im Übrigen seien frühere Teilabschaffungen der Stempelabgaben nie im Nachhinein daraufhin untersucht worden, ob sie sich tatsächlich positiv auf das Wachstum und die Steuereinnahmen ausgewirkt hätten.

Die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen hält die Minderheit aus Gründen der Steuergerechtigkeit für problematisch. Bei einer Abschaffung dieser Stempelabgabe würde die Lebensversicherung als Anlageform gegenüber anderen Arten von Anlagen, deren Erträge der Einkommenssteuer unterliegen, bevorzugt.

Zu guter Letzt weist die Minderheit darauf hin, dass der Banken- und Finanzsektor von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronakrise eher verschont wurde und es in dieser Situation daher kaum angebracht sei, diesem Sektor mit Steuererleichterungen unter die Arme zu greifen, während andere Branchen, die unter den Folgen der Pandemie litten, viel mehr auf Hilfe angewiesen seien.

3

Grundzüge der Vorlage

Der vorliegende Entwurf enthält gegenüber dem in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf 2 keine Änderungen. Er sieht einerseits die Abschaffung der Umsatzabgabe auf Schweizer Wertpapieren und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr vor, andererseits die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen. Der Gesetzesentwurf sieht keine Kompensation der Steuerausfälle vor.

Die Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften und der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen ist im Entwurf nicht enthalten, weil die Kommission die Beratung des entsprechenden Gesetzesentwurfs bis zur Vorlage der Botschaft des Bundesrates zur Verrechnungssteuerreform sistiert hat (siehe Kap. 2.8).

8753

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4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Der Entwurf wird als Entwurf 2 bezeichnet. Entwurf 1 war der erste Entwurf, der im Rahmen der parlamentarischen Initiative 09.503 ausgearbeitet wurde und die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital vorsieht (siehe Kap. 1.2.1).

I Entwurf 2 sieht vor, ­

die Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften,

­

die Umsatzabgabe auf ausländischen Obligationen mit Restlaufzeit von unter einem Jahr und

­

die Versicherungsabgabe auf Lebensversicherungen aufzuheben.

Art. 1 Abs. 1 Bst. b Einleitungssatz Die Neuformulierung von Buchstabe b schränkt den Gegenstand des Gesetzes im Bereich der Umsatzabgabe ein. Der Bund erhebt nur noch die bisherige Umsatzabgabe auf ausländischen Wertpapieren. Die Umsatzabgabe auf inländischen Wertpapieren wird somit aufgehoben.

Art. 13 Abs. 2 Bst. a­c Die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b vorgenommene Einschränkung des Gegenstandes des Gesetzes erfolgt auch im Bereich des Gegenstandes der Umsatzabgabe, indem Buchstabe a aufgehoben wird.

In Buchstabe b wird der bisherige Verweis auf den aufzuhebenden Buchstaben a durch einen Verweis auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b ersetzt. Materiell ändert sich dadurch in Buchstabe b nichts.

In Buchstabe c wird der bisherige Verweis auf die Buchstaben a und b ebenfalls durch einen Verweis auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b ersetzt. Auch hier ändert sich dadurch in Buchstabe c materiell nichts.

Art. 14 Abs. 1 Bst. a, b und g Die bisherige Ausnahme in Buchstabe a bezieht sich ausschliesslich auf inländische Wertpapiere. Da auf inländische Wertpapiere ohnehin keine Umsatzabgabe mehr erhoben wird, kann dementsprechend Buchstabe a aufgehoben werden.

Die Ausnahmen in Buchstabe b und g beziehen sich demgegenüber auf in- und ausländische Wertpapiere. Da eine solche Ausnahme für inländische Wertpapiere nicht mehr nötig ist, werden die Ausnahmen in den Buchstaben b und g auf ausländische Wertpapiere eingeschränkt.

8754

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Art. 16 Abs. 1 Mit der Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländische Urkunden wird auch der Steuersatz auf diese Urkunden von 1,5 Promille in Buchstabe a gegenstandslos. Es verbleibt somit nur noch der bisher in Buchstabe b geregelte Steuersatz auf ausländischen Urkunden von 3 Promille. Dieser wird neu direkt in Absatz 1 geregelt. Es muss dabei nicht mehr erwähnt werden, dass der Steuersatz «für von einem Ausländer ausgegebenen Urkunden» handelt. Buchstabe b kann infolgedessen gänzlich aufgehoben werden.

Art. 22 Bst. a, abis und ater Die Ausnahme von der Erhebung der Abgabe auf Versicherungsprämien wird in Buchstabe a auf die Prämien sämtlicher Lebensversicherungen ausgedehnt. Damit wird die Versicherungsabgabe auf Lebensversicherungen abgeschafft. Entsprechend können die bisherigen Ausnahmen in den Buchstaben abis und ater aufgehoben werden.

Art. 24 Abs. 1 Da die Abgabe auf Lebensversicherungen aufgehoben wird, kann der zweite Halbsatz, welcher die Höhe der Abgabe auf Lebensversicherungen regelt, aufgehoben werden.

II Abs. 3 (Minderheit) Eine Minderheit (Rytz Regula, Baumann, Bendahan, Birrer-Heimo, Michaud Gigon, Ryser, Wermuth) weist darauf hin, dass die Teilabschaffung der Umsatzabgabe und die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen zu strukturellen Mindereinnahmen führen würde, welche unter dem Regime der Schuldenbremse zwingend durch entsprechende Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen kompensiert werden müssten. Dieser zusätzliche Artikel erteilt dem Bundesrat ausdrücklich den Auftrag, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen.

Die Minderheit bevorzugt eine Kompensation durch zusätzliche Einnahmen. Die Teilabschaffung der Umsatzabgabe könnte beispielsweise dadurch kompensiert werden, dass eine Steuer auf Finanztransaktionen im Sinne der Tobin-Steuer eingeführt oder die Erträge aus Lebensversicherungen der direkten Bundessteuer unterstellt würden.

Jegliche Lösung über zusätzliche Steuereinnahmen muss natürlich gemäss dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden.

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5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

5.1.1

Teilabschaffung der Umsatzabgabe

Niedrigere Finanzierungskosten: Die Teilabschaffung der Umsatzabgabe senkt die Steuerbelastung auf der Ersparnis der Anlegerinnen und Anleger. Sie fragen daher Anlagen mit einer tieferen Vorsteuerrendite nach, wodurch die Finanzierungskosten der emittierenden Unternehmen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften sinken.

Die niedrigeren Finanzierungskosten stimulieren die Investitionen und entlasten die öffentlichen Haushalte.

Substitutionseffekte: Durch die Teilabschaffung der Umsatzabgabe werden die mittels Eigenkapital oder Obligationen finanzierten Investitionen relativ zu bereits bisher abgabebefreiten Bankkrediten und Geldmarktpapieren attraktiver. Die bisher von der Umsatzabgabe höher belasteten ausländischen Wertpapiere profitieren vom Wegfall der Umsatzabgabe vergleichsweise stärker als die inländischen Wertpapiere und ihre Verrechnungssteuerfreiheit fällt nun gegenüber den inländischen, verrechnungssteuerbelasteten Anlagen stärker ins Gewicht.

Zunahme des Handelsvolumens: Der Einschliessungseffekt (Lock-in-Effekt) der Umsatzabgabe entfällt bei den Wertschriften, denen die Teilabschaffung der Umsatzabgabe zugutekommt. Die Anlegerinnen und Anleger schichten daher ihr Portfolio häufiger um. Das Transaktionsvolumen nimmt zu und mit ihm die Liquidität des Schweizer Kapitalmarktes. Das höhere Handelsvolumen weitet einerseits die Finanzintermediation aus, anderseits kann auch der Druck auf die Handelsmargen zunehmen, zumal das Umfeld für Discount-Brokerinnen und -Broker attraktiver wird. Von der Teilabschaffung der Umsatzabgabe profitiert der vergleichsweise wenig liquide inländische Obligationenmarkt stärker als die inländische Aktienbörse, an der das Transaktionsvolumen im internationalen Vergleich ohnehin schon relativ hoch ist.

Wertschöpfungszufluss aus dem Ausland: Ein Teil der Emittentinnen und Emittenten oder Anlegerinnen und Anleger hat bisher die Nachteile der Umsatzabgabe vermieden, indem er inländische Finanzintermediationsdienstleistungen durch in ausländischen Finanzzentren erbrachte Dienstleistungen ersetzt hat. Mit der Teilabschaffung der Umsatzabgabe entfällt dieser Standortnachteil der inländischen Finanzintermediation. Dies kann deren Geschäftstätigkeit beleben und zusätzliche Wertschöpfung im Inland generieren.

Eine Studie der BAK economic intelligence27 enthält eine
Einschätzung basierend auf Meinungen von Expertinnen und Experten, welche Geschäftsfelder von einer vollständigen Abschaffung der Umsatzabgabe besonders profitieren würden: ­

27

Depotgeschäft: Ein Teil des von der Schweiz aus verwalteten Wertschriftenvermögens wird aufgrund der Umsatzabgabe über Depots in Booking BAK economic intelligence (2019): Volkswirtschaftliche Auswirkungen einer Reform der Stempelabgaben und Verrechnungssteuer, Studie im Auftrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung, S. 24f.. Die Studie kann bei der ESTV unter www.estv.admin.ch > Steuerpolitik Steuerstatistik Steuerinformationen > Steuerpolitik > Fachinformationen > Gutachten und Berichte heruntergeladen werden.

8756

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Centern und Tochtergesellschaften im Ausland ausgeführt. Bei einer Abschaffung der Umsatzabgabe könnte dieses Wertschriftenvermögen und die damit verbundene Wertschöpfung in die Schweiz geholt werden (Repatriierungspotenzial). Gleichzeitig wäre die Schweiz ohne Umsatzabgabe für ausländische Depotinhaberinnen und -inhaber attraktiver. Daraus ergibt sich im Depotgeschäft zusätzliches Potenzial für Neugelder und für Wachstum.

­

Anleihengeschäft kurze Laufzeiten: Der Handel von Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten findet gegenwärtig so gut wie nicht in der Schweiz statt. So ist die Umsatzabgabe in der Regel höher als die Rendite. Bei einer Abschaffung der Umsatzabgabe könnte dieses Geschäftsfeld hierzulande verstärkt ausgeführt werden (Repatriierungspotenzial).

­

Institutionelle Vermögensverwaltung: Die Umsatzabgabe führt zu starken Umgehungsaktivitäten im Vermögensverwaltungsgeschäft (z.B. Einanlegerfonds). Die komplexen Strukturen zur Steueroptimierung sind vor allem ein Kostenfaktor.

Laut der Simulation der BAK würde der Wachstumsimpuls aus der Totalabschaffung der Umsatzabgabe gemäss Hauptszenario nach zehn Jahren das BIP um rund 0,4 Prozentpunkte erhöhen, wobei insbesondere im Depotgeschäft bereits kurzfristig nach Abschaffung der Umsatzabgabe nennenswerte Wachstumsimpulse aufgrund von Repatriierungen zu erwarten sind.28

5.1.2

Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen

Administrative Entlastung: Mit der Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen wird die Versicherungswirtschaft von den Entrichtungskosten einer verhältnismässig unbedeutenden Steuer entbunden.

Substitutionseffekte: Bestimmte ­ nicht alle ­ Lebensversicherungsprodukte werden im Rahmen der Einkommensteuer auch innerhalb der Säule 3b privilegiert besteuert.

Bei rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen erfolgt die Auszahlung typischerweise einkommenssteuerfrei. Bei mit periodischen Prämien finanzierten Kapitalversicherungen gilt dies stets, bei Kapitalversicherungen mit Einmalprämien und bei anteilgebundenen Versicherungen unter bestimmten Voraussetzungen. Mit der Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen können somit die Kapitalerträge einer für die Steuerplanung besonders geeigneten Kapitalversicherung mit Einmalprämie steuerfrei vereinnahmt werden. Beim derzeit tiefen Zinsniveau ist dieser Vorteil nicht gross; bei steigenden Zinsen kann sich der Steuervorteil jedoch beträchtlich ausweiten. Es würde dann eine Verlagerung weg von anderen Anlageinstrumenten zu solchen nullbesteuerten Kapitalversicherungen stattfinden, so dass die Lebensversicherer Wertschöpfungsanteile zulasten anderer Anbieterinnen und Anbieter von Vermögensanlagen gewinnen würden.

28

Vgl. BAK economic intelligence (2019): S.4 und S. 60.

8757

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5.2

Auswirkungen auf den Bund

5.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Einnahmen aus der Umsatzabgabe und der Abgabe auf Lebensversicherungen lassen in den letzten zehn Jahren (2009­2019) keinen klaren Aufwärts- oder Abwärtstrend erkennen und können von Jahr zu Jahr starken Schwankungen unterliegen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich die statischen jährlichen Mindereinnahmen des Entwurfs ­ unabhängig vom Jahr des Inkrafttretens ­ wie folgt abschätzen: Geschätzte statische finanzielle Auswirkungen des Entwurfs Massnahme

Einnahmenbasis für Mindereinnahmenschätzung in Mio. Franken

Abschaffung Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften: 1 Abschaffung Umsatzabgabe auf ausländischen Obligationen mit Restlaufzeit < 1 Jahr: 1 Abschaffung Abgabe auf Lebensversicherungen:1

5-Jahres-Durchschnitt der Einnahmen 2015­2019 Schätzung für 5-JahresDurchschnitt der Einnahmen 2015­2019 5-Jahres-Durchschnitt der Einnahmen 2015­2019

Total Entwurf 2 1

Geschätzte Mindereinnahmen in Mio. Franken

194

­194

5

­5

20

­20 ­219

Basis 2019, unterstelltes Wachstum der Steuereinnahmen: 0% p.a.

Die strukturellen Mindereinnahmen, welche durch die Teilabschaffung der Umsatzabgabe und der Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen entstehen, müssen kompensiert werden. Dabei ist im Rahmen der Schuldenbremse grundsätzlich eine Gegenfinanzierung sowohl über die Einnahmenseite (Mehreinnahmen) als auch über die Ausgabenseite (Minderausgaben) möglich.

Diese rein statische Betrachtungsweise ist durch eine dynamische Perspektive zu ergänzen, da von der Abschaffung der Stempelabgaben gewisse Wachstumsimpulse ausgehen. Soweit diesen eine Verbesserung unter dem Effizienzziel zugrunde liegt, entfalten sie sich im Rahmen des Kapitalakkumulationsprozesses nur langsam und tragen kurzfristig zur Gegenfinanzierung nur wenig bei. Rühren die Wachstumseffekte aus einer Verbesserung unter dem Standortziel, manifestieren sie sich rascher.

Selbst langfristig werden die statischen Mindereinnahmen, welche die Abschaffung der Umsatz- und der Versicherungsabgabe im Bundeshaushalt erzeugen, durch die Wachstumseffekte nur teilweise kompensiert. Der Wegfall der Abgaben und die Wachstumseffekte wirken sich hingegen positiv auf die Sozialversicherungen aus.

Die BAK simulierte in ihrer Studie29 (siehe auch Kap. 5.1.1) die dynamische Entwicklung der Einnahmen nach vollständiger Abschaffung der Umsatzabgabe über einem Zeitraum von zehn Jahren, berücksichtigte dabei aber auch die Auswirkungen der Verrechnungssteuerreform (Wechsel vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip).

29

Siehe BAK economic intelligence (2019), S. 4 und 58

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Sie geht davon aus, dass die Einnahmenausfälle des Bundes bis zum Ende dieses Zeitraums zur Hälfte ausgeglichen werden. Hingegen werden die Kantone und Gemeinden durch die Mehrerträge bei anderen Steuerarten von diesen Reformen profitieren.

Bei steigendem Zinsniveau könnten sich überdies zusätzliche Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer ergeben, wenn Anlegerinnen und Anleger in ihren Portfolios Produkte mit steuerbaren Erträgen durch steuerfreie Kapitalversicherungen ersetzen.

5.2.2

Personelle Auswirkungen

Gemessen am gesamten Kontroll- und Erhebungsaufwand der ESTV fällt die Teilabschaffung der Umsatzabgabe und die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen kaum ins Gewicht. Er hat daher keine personellen Auswirkungen. Die frei werdenden Ressourcen werden in bisher ungenügend überprüften Gebieten eingesetzt.

5.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Der Kantonsanteil an den Einnahmen der Stempelabgaben wurde bereits per 1. Januar 1986 aufgehoben. Von daher sind Kantone und Gemeinden von der Aufhebung der Stempelabgaben nicht direkt betroffen. Indirekte Auswirkungen können sich hingegen ergeben, wenn der Bund zur Gegenfinanzierung der Mindereinnahmen aus der Teilabschaffung der Umsatzabgabe und der Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen Staatsausgaben kürzen sollte, welche den Kantonen oder Gemeinden zugutekommen.

Indirekt profitieren die Kantone und Gemeinden langfristig von höheren Einnahmen bei der Gewinn-, Einkommens- und Vermögenssteuer als Folge der Wachstumseffekte, welche die Teilabschaffung der Abgaben auslöst.

Auch bei den Kantonen und Gemeinden könnten sich Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer ergeben, wenn Anlegerinnen und Anleger in ihren Portfolios künftig Produkte mit steuerbaren Erträgen durch steuerfreie Kapitalversicherungen ersetzen würden.

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebiete.

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Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsgrundlage für die Erhebung der Stempelabgaben wurde im Rahmen der neuen Bundesverfassung überarbeitet. Sie findet sich in Artikel 132 Absatz 1 BV und lautet wie folgt: «Der Bund kann auf Wertpapieren, auf Quittungen von Versicherungsprämien und auf anderen Urkunden des Handelsverkehrs eine Stempelsteuer erheben; ausgenommen von der Stempelsteuer sind Urkunden des Grundstück- und Grundpfandverkehrs.» Die Besteuerung der Urkunden im Grundstück- und Grundpfandverkehr liegt daher in der Kompetenz der Kantone.

Eine gänzliche oder teilweise Abschaffung der verschiedenen Stempelabgaben kann ohne Änderung der Verfassung erfolgen, da Artikel 132 Absatz 1 BV eine KannVorschrift darstellt.

Bei der in Artikel 132 BV verankerten Kompetenz handelt es sich um eine konkurrierende Kompetenz von Bund und Kantonen. Bei einer konkurrierenden Kompetenz bleiben die Kantone zuständig, bis und solange der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch macht. Verzichtet der Bund später wieder auf die Ausübung der Kompetenz, lebt diejenige der Kantone wieder auf. Artikel 134 BV hält zwar fest, dass die Kantone und Gemeinden nicht mit gleichartigen Steuern belasten dürfen, was die Bundegesetzgebung für steuerfrei erklärt. Ein Verzicht auf die (weitere) Ausübung der Kompetenz zur Erhebung der Stempelsteuer ist aber nicht mit einer «SteuerfreiErklärung» im Sinne von Artikel 134 BV gleichzusetzen.

Mit dem vorliegenden Entwurf würde der Bund weiterhin auf bestimmten Wertschriften eine Umsatzabgabe und auf bestimmten Versicherungsprämien eine Versicherungsabgabe erheben. Die restlichen Wertschriften und Versicherungsprämien wären von diesen Abgaben befreit. Die kantonale Kompetenz würde somit nicht wiederbelebt.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Schweiz hat keine internationale Verpflichtung, eine Umsatz- oder eine Versicherungsabgabe zu erheben. Entsprechend steht der Abschaffung verschiedener Stempelabgaben keine internationale Verpflichtung entgegen.

6.3

Erlassform

Der vorliegende Entwurf ergeht in der Form eines Bundesgesetzes.

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6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Keine Bestimmung des Gesetzesentwurfs ist der Ausgabenbremse unterstellt.

6.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Gesetzesentwurf sieht in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b zweiter Satz eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Bundesrat vor. Diese besteht jedoch bereits im geltenden Recht.

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