Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 19. November 2019

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Das Wichtigste in Kürze Da sich in den vergangenen Jahren bei verschiedenen Untersuchungen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) Hinweise auf Mängel oder offene Fragen im Zusammenhang mit Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen ergaben, beauftragten die GPK im Januar 2018 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation dieser Thematik. Die PVK sollte dabei sowohl die rechtlichen Vorgaben zu Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung prüfen als auch Anordnung, Durchführung und den Abschluss solcher Untersuchungen in der Praxis untersuchen.

Der vorliegende Bericht stützt sich auf die Erkenntnisse der Evaluation der PVK und des Rechtsgutachtens, welches diese im Rahmen der Evaluation in Auftrag gab.

Daneben behandelt der Bericht aber auch Erkenntnisse und Informationen aus der Inspektion zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften der GPK. Im Rahmen dieser Inspektion formulierten die GPK verschiedene Empfehlungen betreffend Administrativuntersuchungen, deren Umsetzung nun im Rahmen dieser Inspektion bewertet wird.

Ergebnisse und Empfehlungen Das im Rahmen der Evaluation der PVK erstellte Rechtsgutachten von Prof. Felix Uhlmann und Jasmina Bukovac von der Universität Zürich kommt zu Schluss, dass die rechtlichen Vorgaben für Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen grundsätzlich klar sind. Gemäss dem Bericht der PVK werden die Untersuchungen auch in der Praxis mehrheitlich angemessen angeordnet, durchgeführt und abgeschlossen.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) nimmt diese relativ positive Bilanz, welche aufgrund der festgestellten Mängel und offenen Fragen aus früheren Untersuchungen der GPK nicht unbedingt zu erwarten war, erfreut zu Kenntnis. Nichtsdestotrotz weisen die Evaluation und das Rechtsgutachten aber auch auf gewisse Probleme hin, die aus Sicht der GPK-N angegangen werden sollten. Diese betreffen einerseits die grundsätzliche Frage nach der Zweckmässigkeit der bestehenden, unterschiedlichen Verfahrensarten und andererseits Massnahmen zur Verbesserung der Wissensgrundlage.

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Die Abgrenzung der verschiedenen Verfahren bzw. die Wahl der angemessenen Verfahrensart ist nicht nur rechtlich schwierig, sondern auch in der Praxis. Der Entscheid für eine bestimmte Verfahrensart ­ d.h. für eine Administrativuntersuchung, eine Disziplinaruntersuchung oder ein formloses Verfahren ­ hat aber wesentliche Folgen für die Durchführung der Untersuchung und insbesondere für die Mitwirkungsrechte der betroffenen Personen. Vor diesem Hintergrund und da einige Kantone die Unterscheidung der Verfahren in dieser Form oder einzelne Verfahren gar nicht kennen, stellt sich für die GPK-N die Fragen nach der Zweckmässigkeit der unterschiedlichen Verfahrensarten. Sie empfiehlt dem Bundesrat daher, grundsätzlich zu prüfen, ob die heutigen Verfahrensarten noch zeitgemäss sind, ob auf be-

stimmte Verfahren verzichtet oder gewisse Verfahren in einem Instrument zusammengeführt werden könnten (Empfehlung 1).

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Unabhängig davon, ob der Bundesrat im Rahmen der grundsätzlichen Überprüfung der Verfahrensarten zum Schluss kommt, dass er an den bisherigen Verfahrensarten festhalten möchte oder die Verfahren neu regelt, ist die GPK-N der Ansicht, dass die rechtlichen Regelungen alleine nicht genügen, sondern durch praxisbezogene Hilfsmittel ergänzt werden sollten. Die GPK-N fordert den Bundesrat daher auf, entsprechende Massnahmen zu treffen (Empfehlung 2). Aufgrund der Erkenntnisse aus der Inspektion zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften reicht sie zudem eine Motion ein, die den Bundesrat beauftragt, eine Anlaufstelle zu bezeichnen, welche die anordnenden und durchführenden Stellen bei Bedarf beraten kann.

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Bericht 1

Einleitung

In den vergangenen Jahren ergaben sich bei verschiedenen Untersuchungen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) Hinweise auf Mängel oder offene Fragen im Zusammenhang mit Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen. Öffentlich bekannt sind dabei beispielsweise die Inspektion zu den Hochseeschifffahrtsbürgschaften1, die Abklärungen zu den Ereignissen um den Oberfeldarzt der Armee2 sowie die Untersuchung zu Unregelmässigkeiten bei der Abrechnung von freiwilligen Militärdienstleistungen über die Erwerbsersatzordnung3.

Aus diesem Grund beauftragten die GPK im Januar 2018 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation zu Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung. Die zuständige Subkommission EDA/VBS der GPK des Nationalrates (GPK-N) entschied in der Folge, dass die PVK die Anordnung, die Durchführung und den Abschluss solcher Untersuchungen untersuchen und dabei sowohl die rechtlichen Vorgaben als auch die Anwendungspraxis prüfen soll. Zudem wurde die PVK beauftragt, auch die Frage der rechtlichen Abgrenzung von Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen gegenüber formlosen Untersuchungen zu klären.

Nicht Gegenstand der Untersuchung der PVK und der GPK waren Fragen zur Anordnung und Durchführung von Administrativuntersuchungen ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung, da für diese teilweise andere bzw. spezifische rechtliche Vorgaben bestehen.4 Dies zeigt sich beispielsweise im kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVGer), welches zum Schluss kam, dass 1

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Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Berichte der GPK vom 28. Juni 2018 (BBl 2018 6205) und vom 29. Juni 2019 (BBl 2019 7001). Die GPK kritisieren in diesem Bericht, dass das Eidg. Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Eidg. Finanzkontrolle (EFK) mit einer Administrativuntersuchung beauftragt hatte. Denn aus Sicht der GPK verfügt die EFK nicht über die nötige Unabhängigkeit für eine solche Untersuchung und führte diese im konkreten Fall mangelhaft durch.

Ereignisse rund um den Oberfeldarzt der Armee, Bericht der GPK-N vom 18. Okt. 2018 (BBl 2019 1279). Im Rahmen der Abklärungen der GPK-N zum Oberfeldarzt zeigte sich, dass die Unabhängigkeit der Einheit der Armee, welche das Disziplinarverfahren gegen den Oberfeldarzt geführt hatte, nicht gegeben war. Zudem warf das Vorgehen des VBS auch Fragen zum Rechtsschutz der betroffenen Personen sowie zur Abgrenzung von Administrativ- und Disziplinaruntersuchung auf.

Erwerbsersatzordnung: Unregelmässigkeiten bei der Abrechnung von freiwilligen Militärdienstleistungen, Bericht der GPK-S vom 28. Juni 2013 (BBl 2013 8749). Die GPK-S formulierte in diesem Bericht verschiedene Fragen zum Instrument der Disziplinaruntersuchung, insbesondere zur Verfahrensdauer und zur öffentlichen Kommunikation, sowie zur Abgrenzung bzw. zeitlichen Abfolge von Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen.

Die rechtlichen Vorgaben für Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung, d.h. in dezentralisierten Verwaltungseinheiten nach Art. 2 Abs. 3 RVOG und bei Verwaltungsträgern ausserhalb der Bundesverwaltung nach Art. 2 Abs. 4 RVOG, werden im Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac kurz erläutert (Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 94­100).

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für die Beauftragung eines externen Experten mit der Disziplinaruntersuchung gegen den Bundesanwalt durch die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (ABBA) keine rechtliche Grundlage besteht.5 Die PVK fasste die Erkenntnisse ihrer Evaluation in ihrem Bericht vom 17. Juni 2019 zusammen.6 Dieser wurde daraufhin von der GPK-N behandelt und gewürdigt.

Im vorliegenden Bericht präsentiert die Kommission nun die aus ihrer Sicht wichtigsten Feststellungen und die davon abgeleiteten Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Der Bericht der GPK-N ist somit komplementär zum Bericht der PVK und führt dessen Ergebnisse nur soweit aus, wie es zur Erläuterung der Bewertung der GPK-N notwendig ist.

Wie oben erwähnt, stiessen die GPK im Rahmen ihrer Inspektion zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften auf verschiedene Fragen in Zusammenhang mit einer Administrativuntersuchung und formulierten auf dieser Basis Empfehlungen an den Bundesrat.7 Im Rahmen der Behandlung der Stellungnahme des Bundesrates beschlossen die GPK aber später, die weiteren Abklärungen dazu der GPK-N zu übertragen. Aus diesem Grund behandelt der vorliegende Bericht soweit nötig auch die Stellungnahmen des Bundesrates zum Bericht der GPK zu den HochseeschifffahrtsBürgschaften (vgl. Kap. 2.1.2).

Ein Entwurf dieses Berichts wurde wie üblich den betroffenen Verwaltungsstellen 8 zur Konsultation zugestellt. Die Rückmeldungen aus dieser Konsultation wurden daraufhin von der GPK-N behandelt, der Bericht wo nötig angepasst und an der Sitzung vom 19. November 2019 verabschiedet. Die Kommission entschied zugleich, ihren Bericht zusammen mit der Evaluation der PVK zu veröffentlichen (siehe Anhang).

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Feststellungen und Empfehlungen

Das im Rahmen der Evaluation der PVK erstellte Rechtsgutachten von Prof. Felix Uhlmann und Jasmina Bukovac von der Universität Zürich kommt zum Schluss, dass die rechtlichen Vorgaben für Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen grundsätzlich klar sind.9 Gemäss dem Bericht der PVK werden die Untersuchungen auch in der Praxis mehrheitlich angemessen angeordnet, durchgeführt und abgeschlossen.10

5 6

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Urteil des BVGer A-3612/2019 vom 29. Juli 2019. Das Urteil wurde ans Bundesgericht weitergezogen.

Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung, Bericht der PVK zuhanden der GPK-N vom 27. Juni 2019 (im Anhang, im BBl noch nicht publiziert).

vgl. Fussnote 1 Im vorliegenden Fall wurden alle Departemente (Generalsekretariate) sowie die Bundeskanzlei zur Stellungnahme eingeladen.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 101.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 6.

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Ungeachtet dieser relativ positiven Bilanz, welche aufgrund der festgestellten Mängel und offenen Fragen aus früheren Untersuchungen der GPK 11 nicht unbedingt zu erwarten war, weisen die Evaluation und das Rechtsgutachten aber auf gewisse Probleme hin, die aus Sicht der GPK-N angegangen werden sollten.

Diese betreffen einerseits die grundsätzliche Frage nach der Zweckmässigkeit unterschiedlicher Verfahrensarten (Kap. 2.1) und andererseits Massnahmen zur Verbesserung der Wissensgrundlage bezüglich Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen (Kap. 2.2).

2.1

Zweckmässigkeit der unterschiedlichen Verfahrensarten

Wie im Bericht der PKV und im Rechtsgutachten festgehalten, liegt eine erste und grundsätzliche Schwierigkeit bei der Durchführung von Administrativ-, Disziplinaroder formlosen Untersuchungen darin, die korrekte und angemessene Verfahrensart zu bestimmen.12 Bevor diese Problematik genauer erläutert wird, soll die folgende Tabelle einen kurzen Überblick über die Verfahrensarten geben.

Verfahrensarten und ausgewählte Merkmale Verfahrensart

Kurzbeschreibung, ausgewählte Elemente

Administrativ- Ziel: Abklärung eines Sachverhalts, der im öffentlichen untersuchung Interesse ein Einschreiten von Amtes wegen erfordern könnte.

Tabelle 1 Wesentliche Rechtsgrundlagen

Art. 27a-j RVOV

Verfahren richtet sich schwergewichtig nach den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG)13 (insbes.

Recht auf Akteneinsicht und Gewährung des rechtlichen Gehörs).

Ergebnis: schriftlicher Bericht.

Beauftragung von Externen vorgesehen (auf Verordnungsstufe).

11 12 13

vgl. Fussnoten 1­3. Diese Fälle wurden durch die PVK im Rahmen ihrer Evaluation nicht untersucht.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 24f., 102­105; Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.2 und 6.1.

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG), SR 172.021.

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Verfahrensart

Kurzbeschreibung, ausgewählte Elemente

Wesentliche Rechtsgrundlagen

Disziplinar- Ziel: Abklärung, ob eine Person ihre arbeitsrechtlichen Art. 25 BPG untersuchung Pflichten verletzt und deshalb gegen diese Person gerichtete Art. 98-99 BPV Massnahmen (=Disziplinarmassnahmen) getroffen werden sollten.

Verfahren richtet sich ganz nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG)14, Parteirechte gelten.

Ergebnis: Vereinbarung oder Verfügung von Massnahmen (Disziplinarmassnahmen).15 Beauftragung von Externen vorgesehen (auf Verordnungsstufe) Formlose Ziel: Kontrollen oder Information zu jedwelchen Vorgängen Art. 24 ff. RVOV Untersuchung in einer untergeordneten Einheit.

Verfahren basiert auf dem Hierarchieprinzip in der Verwaltung und den entsprechenden Weisungsbefugnissen der vorgesetzten Stellen.

Ergebnis: Anordnung von Massnahmen, welche eine Behörde (bzw. eine vorgesetzte Person) im Rahmen ihrer Leitungs- und Führungsfunktion anordnen kann.

Beauftragung von Externen nicht möglich.16

2.1.1

Schwierigkeiten bei der Wahl der Verfahrensart

Gemäss Rechtsgutachten sind die Kriterien für die Wahl der einen oder anderen Verfahrensart nur wenig normiert. Einerseits ist nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Behörde eine Administrativuntersuchung durchführen kann oder gar muss. Damit ist es bis zu einem gewissen Grad zufällig bzw. die Behörden haben bei der Entscheidung, ob sie eine Administrativuntersuchung oder eine formlose Untersuchung einleiten, einen grossen Ermessensspielraum. 17 Andererseits ist auch die Abgrenzung der Administrativuntersuchung zur Disziplinaruntersuchung nicht immer einfach.18 Zwar richtet sich eine Administrativuntersuchung im Unterschied zu einer Disziplinaruntersuchung grundsätzlich nicht gegen Personen, sondern soll der Klärung eines Sachverhalts dienen. Allerdings gibt es auch bei einer Administrativuntersuchung immer Personen, welche mehr oder weniger von der 14 15

16 17 18

vgl. Fussnote 13 Disziplinarmassnahmen nach Art. 99 BPV: Verwarnung, Änderung des Aufgabenkreises, Lohnkürzung, Busse, Änderung der Arbeitszeit, Änderung des Arbeitsortes. Demgegenüber ist die Kündigung eine personalrechtliche Massnahme, die auch ohne vorgängige Disziplinar- oder Administrativuntersuchung ausgesprochen werden kann. Kündigungen gemäss Bundespersonalrecht (und andere personalrechtlichen Massnahmen), für die keine Einigung gefunden werden, müssen in Form einer Verfügung ergehen (Art. 25 Abs. 3 und Art. 34 BPG). Solche Verfahren richten sich nach Art. 5 ff. VwVG und Parteirechte gelten.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 22.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 24.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 26­27.

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Untersuchung betroffen sind, und es ist letztlich oft das Verhalten von Personen, welches zu Missständen oder Problemen im Geschäftsablauf führt. 19 Um eine Disziplinaruntersuchung einzuleiten, braucht es «eine gewisse gesicherte Kenntnis der Behörde über Missstände [...], die mit Blick auf ein bestimmtes Verhalten einer bestimmten Person zu erhärten» ist.20 Allerdings gibt es keine Kriterien, wie konkret der Verdacht gegen eine oder mehrere Personen sein muss, um eine Disziplinaruntersuchung einzuleiten. 21 Je nach Situation ist daher zuerst im Rahmen einer Administrativuntersuchung die Sachlage zu klären. Falls sich in diesem Rahmen Hinweise auf ein Fehlverhalten von Personen ergibt, wäre diesen dann im Rahmen einer Disziplinaruntersuchung nachzugehen.

Im Rechtsgutachten wird darauf hingewiesen, dass Betroffene die Durchführung einer Disziplinaruntersuchung als Vorverurteilung empfinden können und dass eine solche daher nicht leichtfertig eröffnet werden sollte.22 Die Personalverbände gaben gegenüber der PVK an, dass sie oftmals feststellen, dass eine Hemmschwelle bezüglich der Anordnung einer Disziplinaruntersuchung besteht.23 Dies lässt vermuten, dass solche Untersuchungen in der Praxis in der Regel tatsächlich nicht leichtfertig angeordnet werden Die Evaluation der PVK zeigte zudem, dass die Abgrenzung der Verfahrensart nicht nur rechtlich bzw. theoretisch schwierig ist, sondern dass die Wahl der «korrekten» Verfahrensart auch in der Praxis Mühe bereitet. Für die PVK war der Entscheid für die jeweilige Verfahrensart in den untersuchten Fällen nicht immer nachvollziehbar: So standen beispielsweise bei Administrativuntersuchungen bereits zu Beginn konkrete Personen im Zentrum oder eine Disziplinaruntersuchung betraf Schwächen in einem Kontrollprozess, für welche die betroffene Person nicht verantwortlich gemacht werden konnte.24

2.1.2

Konsequenzen des Entscheids für eine Verfahrensart

Das Rechtsgutachten und der Bericht der PVK zeigen, dass der Entscheid für eine bestimmte Verfahrensart ­ also für eine Administrativuntersuchung, eine Disziplinaruntersuchung oder ein formloses Verfahren ­ Folgen für dessen Durchführung und insbesondere für die Mitwirkungsrechte der betroffenen Personen hat. Während bei Disziplinaruntersuchungen die Grundsätze des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) gelten und die betroffenen Personen Parteirechte geltend machen können, ist dies bei Administrativuntersuchungen oder formlosen Untersuchungen nicht oder nur teilweise der Fall.25 Denn Administrativuntersuchungen und formlose Untersuchungen stellen kein eigentliches Verwaltungsverfahren gemäss VwVG dar; somit haben die betroffenen bzw. befragten Personen «nur» die Stellung von Auskunfts19 20 21 22 23 24 25

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 26.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 25.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 27.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 32.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.2.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.2.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 10, 15, 34­47.

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personen und können keine Parteirechte geltend machen.26 Daraus ergeben sich verschiedene, ganz konkrete Konsequenzen, welche im Folgenden näher erläutert werden.

Information über Eröffnung der Untersuchung Gemäss dem Rechtsgutachten stellt sich bei der Eröffnung einer Administrativuntersuchung (oder einer formlosen Untersuchung) die Frage, ob die betroffenen Personen auf die Eröffnung hingewiesen werden müssen bzw. wie stark sie betroffen sein müssen, dass sie darauf hingewiesen werden.27 Bei einer Disziplinaruntersuchung ist aus Sicht der Gutachter hingegen klar, dass die betroffenen Personen über die wesentlichen Verfahrensschritte ­ dazu gehören die Eröffnung der Untersuchung sowie die Nennung der Gründe dafür ­ informiert sein müssen.28 Insbesondere ist ihnen vorgängig das rechtliche Gehör zu gewähren, ansonsten können sie ihre Parteirechte nicht wahrnehmen.

Die Evaluation der PVK hat gezeigt, dass die von Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen betroffenen Personen in den meisten Fällen zeitgerecht über die Eröffnung der Untersuchung informiert wurden. Die PVK kritisiert aber gleichzeitig, dass in diesen Ankündigungsschreiben häufig explizite Informationen zu den Rechten der Betroffenen fehlten, so dass sich die betroffenen Personen oft an die Personalverbände wenden, um sich über ihre Rechte aufklären zu lassen. 29 Die Frage nach den Parteirechten wird im folgenden Absatz noch ausführlicher behandelt.

Neben der Frage nach der angemessenen Information der Betroffenen stellt sich bei der Eröffnung eines Verfahrens auch die Frage, ob diese auch der Öffentlichkeit kommuniziert werden sollte. Denn insbesondere bei Disziplinaruntersuchungen birgt die Information der Öffentlichkeit die grosse Gefahr einer Vorverurteilung bzw.

einer Schädigung der Reputation der betroffenen Person. Daher ist sorgfältig abzuwägen zwischen dem Schutz der persönlichen Interessen der betroffenen Personen und dem öffentlichen Interesse an Transparenz. Aus Sicht der GPK-N ist ausserdem klar, dass eine Behörde, welche öffentlich über die Eröffnung einer Untersuchung informiert hat, dann zwingend auch über wichtige Entwicklungen sowie über die Erkenntnisse bzw. den Abschluss der Untersuchung informieren muss. Zudem sollte die Behörde gerade bei Verfahren, die öffentlich bekannt sind und somit wesentliche Auswirkungen
auf die Reputation der betroffenen Personen haben, die nötigen Mittel bereitstellen, dass diese möglichst rasch durchgeführt und abgeschlossen werden können.

Parteirechte während des Verfahrens Gemäss Rechtsgutachten kommt bei der Durchführung einer Administrativuntersuchung oder formlosen Untersuchung «das Verfahrensrecht (VwVG, Artikel 29 ff.

BV) an sich nicht oder mindestens nicht integral zur Anwendung», allerdings werde dieses in der Praxis häufig «mindestens sinngemäss» herangezogen. 30 Der Grund 26 27 28 29 30

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 34.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 29­30.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 31.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.3.4.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 36.

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dafür liegt darin, dass auch die Ergebnisse einer Administrativuntersuchung weitreichende Folgen für die Betroffenen haben können, da sie beispielsweise deren Reputation schädigen oder als Grundlage für eine Folgeuntersuchung ­ insbesondere für eine Disziplinaruntersuchung ­ dienen können, in der die betroffenen Personen dann Parteistellung haben. Daraus ergibt sich, dass, wenn sich das Folgeverfahren auf die Ergebnisse einer vorangehenden Administrativ- oder formlosen Untersuchung stützt, auch bei dieser die Verfahrensgrundsätze gewahrt sein müssen.31 Dazu gehört insbesondere, dass den betroffenen Personen das rechtliche Gehör gewährt wird und das Verfahren angemessen dokumentiert ist (die Dokumentation ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Betroffenen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht überhaupt durchsetzen können).32 Die Einschätzung der Gutachter wird durch zwei kürzlich ergangene Urteile des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. In diesen hält es fest, dass Personen, die «wesentlich» von einer Administrativuntersuchung betroffen sind, einbezogen werden müssen bzw. ihnen das rechtliche Gehör gewährt werden muss.33 Wie bereits oben festgehalten, stellte die PVK fest, dass die betroffenen Personen bei der Ankündigung der Untersuchung in vielen Fällen nicht auf ihre Rechte hingewiesen werden. Stattdessen werden sie oft erst im Rahmen der (ersten) Anhörung ausführlicher über ihre Rechte aufgeklärt, was das Verfahren unter Umständen verzögern kann.34 Letztlich werde den betroffenen Personen der Rechtschutz aber mehrheitlich angemessen gewährt.35 Unabhängigkeit des Untersuchungsbeauftragten bzw. -organs Gemäss den geltenden Rechtsgrundlagen muss der Untersuchungsbeauftragte sowohl bei Administrativ- als auch bei Disziplinaruntersuchungen unabhängig bzw.

unbefangen sein.36 In einem Disziplinarverfahren hat eine betroffene Person die Möglichkeit, die Befangenheit des Untersuchungsbeauftragten zu rügen und ein Ausstandsbegehren zu stellen. Dieses sollte baldmöglichst nach Bekanntwerden des Ausstandsgrundes eingereicht werden, d.h. in der Regel zu Beginn einer Untersuchung. Bei einer Administrativuntersuchung oder einer formlosen Untersuchung ist diese Möglichkeit nicht gegeben, sie sollte gemäss dem Rechtsgutachten aber auch hier bestehen.37 Damit eine betroffene Person
ein entsprechendes Begehren überhaupt frühzeitig stellen kann, muss sie über die Person des Untersuchungsbeauftragten informiert werden.

Die PVK hält in ihrem Bericht fest, dass den anordnenden Stellen bewusst sein müsse, dass bereits der Anschein einer möglichen Befangenheit ausreichen würde, um die Ergebnisse der Untersuchung in Zweifel zu ziehen. Sofern sich Fragen zur Unbefangenheit stellen, müssten diese vorab rechtlich sorgfältig geprüft werden, 31 32 33 34 35 36 37

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 35.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 40­41.

Urteile A-6908/2017 und A-7102/2017 des BVGer vom 27.8.2019 (jeweils E. 5.10 und 5.11). Die Urteile wurden ans Bundesgericht weitergezogen.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 4.1.1, 4.1.2 und 6.3.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 4.1.

Administrativuntersuchung: Art. 27d Abs. 2 und Abs. 4 RVOV mit Verweis auf Art. 10 VwVG; Disziplinaruntersuchungen: Art. 98 Abs. 2 BPV i.V.m. Art. 10 VwVG.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 54.

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was mindestens in einem der untersuchten Fälle auch erfolgt sei. 38 Insgesamt stellte die PVK bei den von ihr untersuchten Fällen keine grösseren Probleme in Bezug auf die Voraussetzung der Unbefangenheit des Untersuchungsbeauftragten oder -organs fest.

In Unterschied zu den von der PVK untersuchten Fällen stiessen die GPK in zwei ihrer jüngeren Untersuchungen auf Probleme und wesentliche Fragen im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Untersuchungsorgane. So stellte die GPK-N im Rahmen ihrer Abklärungen zu den Ereignissen um den Oberfeldarzt der Armee fest, dass die Unabhängigkeit der Einheit der Armee, welche das Disziplinarverfahren gegen den Oberfeldarzt geführt hatte, nicht gegeben war. 39 Noch grundlegendere Fragen zur Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans ergaben sich im Rahmen der Inspektion zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften. Denn das WBF beauftragte mit der Administrativuntersuchung im für die Bürgschaften verantwortlichen Amt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), obwohl diese dort in früheren Jahren im Rahmen ihrer Tätigkeit als oberstes Finanzaufsichtsorgan verschiedene Prüfungen durchgeführt hatte. Damit war sie aus Sicht der GPK nicht genügend unabhängig bzw.

konnte ein Anschein von Befangenheit nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass die Untersuchung der EFK aus Sicht der GPK teilweise mangelhaft durchgeführt wurde, da diese wichtige, betroffene Personen nicht angemessen einbezogen hatte.40 Diese Feststellung wurde inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt: Denn die betroffenen Personen leiteten rechtliche Schritte ein, um zumindest die Publikation der Ergebnisse zu verhindern und erhielten diesbezüglich Recht vor dem Bundesverwaltungsgericht.41 Die GPK forderten den Bundesrat daher in Form von Empfehlungen auf, verschiedene Fragen im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans bei Administrativuntersuchungen und die «Eignung» der EFK für solche Untersuchungen zu klären.42 38 39 40 41

42

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.4.1.

Ereignisse rund um den Oberfeldarzt der Armee, Bericht der GPK-N vom 12. Okt. 2018 (BBl 2019 1279).

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Bericht der GPK der Eidg. Räte vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6205); vgl. insbesondere Kap. 3.4 und 4.4.

Die betroffenen Personen beantragten, dass die Gesuche um Zugang zum Bericht der Administrativuntersuchung, welche sich auf das Bundesgesetz über die Öffentlichkeit stützen, abzulehnen seien. Sie begründeten dies damit, dass eine Veröffentlichung des Schlussberichts der Administrativuntersuchung sie in schwerwiegender Weise in ihren Persönlichkeitsrechten verletzen würde. Sie beanstandeten insbesondere die Sachverhaltsdarstellung im Bericht und dass ihnen das rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei (vgl. dazu: Hochseeschifffahrts-Bürgschaften. Bericht der GPK der Eidg. Räte vom 26.6.2018 (BBl 2018 6205); vgl. Kap. 3.4.2.). Das BVGer stützte diese Beschwerden in seinen Urteilen vom 27.8.2019 (A-6908/2017 und A-7102/2017). Es hielt fest, dass es für die EFK ohne weiteres möglich gewesen wäre, die beiden betroffenen Personen in die Untersuchung einzubeziehen und ihnen dabei das rechtliche Gehör zu gewähren. Indem die EFK dies unterlassen habe, habe sie den in der Verfassung verankerten Anspruch auf das rechtliche Gehör und somit die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen in schwerwiegender Weise verletzt. Dass Gericht wies das WBF daher an, im Schlussbericht der Administrativuntersuchung vor der Herausgabe sämtliche Stellen zu löschen, welche sich auf die beiden Beschwerdeführenden beziehen. Die Urteile wurden ans Bundesgericht weitergezogen.

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Bericht der GPK der Eidg. Räte vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6205), vgl. Kap. 4.4, Empfehlungen 3­6.

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Der Bundesrat nahm diese Empfehlungen an. Er beauftragte die Bundeskanzlei (BK) und hinsichtlich einer Empfehlung auch das Bundesamt für Justiz (BJ) mit einer vertieften Prüfung der aufgeworfenen Fragen.43 Die GPK entschieden daraufhin, die Antworten dieser Prüfung nicht im Rahmen des konkreten Einzelfalls der Inspektion zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften zu behandeln, sondern im Rahmen der umfassenden Inspektion der GPK-N zu den Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen. Daher werden die Ergebnisse der Prüfung der BK und des BJ im Folgenden kurz zusammengefasst und bewertet.

Gemäss der Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Mai 201944 zeigen die Abklärungen der BK, dass keine Notwendigkeit besteht, die rechtlichen Vorgaben bezüglich der Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans bei Administrativuntersuchungen zu präzisieren. Ebenso sei es grundsätzlich möglich, Behörden wie die EFK mit Administrativuntersuchungen zu beauftragen. Allerdings schreibt der Bundesrat auch, dass eine Administrativuntersuchung von ihrer Glaubwürdigkeit lebt und daher kein Anschein entstehen darf, dass beim Untersuchungsorgan Interessenskonflikte bestehen. Daher sei «ausgeschlossen, dass die EFK mit einer Administrativuntersuchung beauftragt wird, wenn sie während des zu untersuchenden Zeitraums im zu untersuchenden Bereich als Aufsichtsorgan nach FKG tätig war». Es reiche dabei nicht, wenn die EFK nur Personen für die Durchführung der Administrativuntersuchung einsetze, welche nicht an früheren Prüfungen der EFK im besagten Bereich teilgenommen haben. Daraus ergibt sich, dass die EFK angesichts der umfangreichen Prüfungstätigkeit im Rahmen ihres Grundauftrags aufgrund der Vorgaben an die Unabhängigkeit und zur Vermeidung von Interessenkollisionen in der Praxis nur in beschränktem Masse als Untersuchungsorgan in einer Administrativuntersuchung eingesetzt werden könne. Im Weiteren erinnert der Bundesrat daran, dass die EFK, wenn sie eine Administrativuntersuchung durchführt, gestützt auf die entsprechenden Artikel des RVOV vorgehen muss bzw. ihre Tätigkeit in diesem Fall nicht auf das FKG stützen und somit auch nicht die Finanzdelegation über das Ergebnis der Administrativuntersuchung informieren kann.45 Schliesslich hält der Bundesrat fest, dass die Abklärungen der BK gezeigt haben, dass Aufträge für Administrativuntersuchungen
grundsätzlich sowohl an natürliche wie auch an juristische Personen vergeben werden können. Falls Angestellte der Bundesverwaltung mit Administrativuntersuchungen beauftragt werden, sei mit geeigneten Massnahmen sicherzustellen, dass sie nur gegenüber dem Auftraggeber rechenschaftspflichtig seien und den betreffenden Auftrag ohne Beaufsichtigung und Weisungen durch die vorgesetzte Stelle erfüllen können.

Aus Sicht der GPK-N ist die Antwort des Bundesrates zu begrüssen. Sie bestätigt die wesentlichen Ergebnisse und Kritikpunkte der Inspektion der GPK zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften und klärt die aufgeworfenen Fragen. Angesichts der Erläuterungen des Bundesrates hinsichtlich der Unabhängigkeit des Untersuchungs43 44

45

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Sept. 2018 zum Bericht der GPK vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6277).

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Ergänzung des Bundesrates vom 29. Mai 2019 zu seiner Stellungnahme vom 28. Sept. 2018 zum Bericht der GPK vom 26. Juni 2018 (nicht publiziert).

Vgl. dazu auch das Urteil A-6211/2017 des BVGer vom 14. Mai 2018 in Sachen A. gegen EFK.

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organs erachtet es die GPK-N als vertretbar, dass der Bundesrat darauf verzichten will, die rechtlichen Vorgaben bezüglich der Unabhängigkeit eines Untersuchungsorgans bei Administrativuntersuchungen zu präzisieren. Allerding ist aus Sicht der GPK-N unabdingbar, dass die Klärungen und Erläuterungen, welche der Bundesrat in seiner Stellungnahme zuhanden der GPK vorgenommen hat, innerhalb der Bundesverwaltung kommuniziert und insbesondere auch in geeigneter Form festgehalten werden. Denn nur so ist gewährleistet, dass eine Stelle, die in Zukunft eine Untersuchung anordnet, Kenntnis davon hat und sorgfältig prüft, ob die EFK oder andere Behörden und Angestellte aus der Bundesverwaltung mit einer Untersuchung beauftragt werden können. Die GPK-N fordert den Bundesrat daher auf, die nötigen Vorkehrungen dazu zu treffen (allenfalls in Kombination mit der Umsetzung ihrer Empfehlung 2, vgl. unten Kapitel 2.2.2).

Anfechtbarkeit des Ergebnisses der Untersuchung Auch beim Abschluss eines Verfahrens gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den Verfahrensarten. Die Disziplinaruntersuchung wird entweder mit einer einvernehmlichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder mit einer beschwerdefähigen Verfügung abgeschlossen.46 Letztere kann angefochten werden.

Die Administrativuntersuchung wird dagegen mit einem Bericht abgeschlossen; die einbezogenen Behörden und Stellen werden über die Ergebnisse informiert. 47 Weil sich daraus keine direkte rechtliche Wirkung für die Betroffenen ergibt, haben diese keine Parteistellung und keine Beschwerdelegitimation, d.h. sie können die Ergebnisse nicht anfechten. Da diese aber, wie bereits erwähnt, als Grundlage für die Einleitung anderer Verfahren dienen oder bei einer Verbreitung die Reputation einer Person beeinflussen können, stellt sich die Frage des Rechtsschutzes besonders betroffener Personen bzw. der Anfechtbarkeit der Ergebnisse dennoch.48 Der Abschluss einer formlosen Untersuchung ist nicht geregelt und dürfte formlos erfolgen.49 Die PVK stellte im Rahmen ihrer Evaluation fest, dass Personen, die von einer Disziplinaruntersuchung bzw. disziplinarischen Massnahem betroffen waren, sich in den meisten Fällen nicht dagegen wehrten bzw. wehren wollten. Sie befürchteten, dass sich eine Beschwerde negativ auf die Zusammenarbeit auswirken könnte.50 Für
die GPK-N ist hingegen klar, dass ­ wie dies auch im Rechtsgutachten ausgeführt wird ­ nicht nur das Ergebnis einer Disziplinaruntersuchung angefochten werden kann, sondern dass diese Möglichkeit auch bei einer Administrativuntersuchung gegeben sein sollte. Denn diese kann ebenso wie eine Disziplinaruntersuchung schwerwiegende Konsequenzen für die betroffenen Personen haben, da sie als Basis für Folgeuntersuchungen dienen oder bei Bekanntwerden der Reputation einer Person schaden kann. Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich kürzlich mit einer ähnlichen Fragestellung, da sich zwei Personen, welche von der Administrativuntersuchung der EFK in Sachen Hochseeschifffahrts-Bürgschaften betroffen 46 47 48 49 50

Art. 34 Abs. 1 BPG Art. 27j Abs. 1­3 RVOV Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 52.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 53.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 5.2.2.

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sind, gegen den Zugang von Medienvertretern zum Ergebnisbericht der Untersuchung wehren.51 Diese beanstanden dabei insbesondere die Sachverhaltsdarstellung im Bericht und die Nicht-Gewährung des rechtlichen Gehörs im Rahmen der Administrativuntersuchung.52 Das Bundeverwaltungsgericht stützte diese Beschwerden und rügte, dass die EFK den betroffenen Personen das rechtliche Gehör nicht gewährt hatte.53 Für die GPK-N ist zu prüfen, ob die Anfechtbarkeit der Sachverhaltsdarstellung von Administrativuntersuchungen rechtlich geregelt werden sollte. Falls der Bundesrat dies als nicht notwendig erachtet, sollte er diesbezüglich nach Ansicht der GPK-N zumindest gewisse Vorgaben oder Anleitungen im Rahmen eines allfälligen Hilfsmittels für anordnende und durchführende Stellen festhalten (vgl. Empfehlung 2).

2.1.3

Zweckmässigkeit und Angemessenheit der unterschiedlichen Verfahrensarten und deren Regelung

Angesichts der oben beschriebenen, schwierigen Abgrenzung der Verfahren und der Folgen, welche die Wahl einer Verfahrensart für die betroffenen Personen hat, stellt sich für die GPK-N die Frage, ob es überhaupt (noch) sinnvoll ist, die verschiedenen Verfahrensarten wie bisher beizubehalten. Diese Frage drängt sich umso mehr auf, da die Unterscheidung der Verfahren in gewissen Kantonen unbekannt ist oder aufgehoben wurde und gewisse Kantone ganz auf das Instrument der Disziplinaruntersuchungen verzichten.54 Der GPK-N ist bewusst, dass mit der Einleitung einer Administrativ- oder Disziplinaruntersuchung ­ insbesondere im Unterschied zu einer formlosen Untersuchung ­ teilweise auch ein Zeichen gesetzt werden kann oder soll. Dieses kann dabei nach aussen oder innen gerichtet sein: Es soll der Öffentlichkeit zeigen, dass Problemhinweise angegangen und seriös abgeklärt werden, und/oder es kann als «Warnung» für die Mitarbeitenden der betroffenen Verwaltungsstelle dienen.55 Ebenso ist für die Kommission nachvollziehbar, dass die Möglichkeit, externe Experten zu beauftragen, ebenfalls für die Einleitung einer «formalisierten» Untersuchung (Administrativ- oder Disziplinaruntersuchung) statt einer formlosen Untersuchung sprechen kann. Mit der Beauftragung eines externen Experten kann die Problematik der Unabhängigkeit und Unbefangenheit möglicherweise gemildert werden.56 Gleichzeitig kann gegen eine solche formalisierte Untersuchung sprechen, dass diese gegebenenfalls eher nach aussen getragen bzw. öffentlich bekannt wird und damit die Reputation der betroffenen Personen geschädigt wird.57 51 52 53 54 55 56 57

Vgl. oben, Absatz zu Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans.

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Bericht der GPK der Eidg. Räte vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6239f.).

Urteile A-6908/2017 und A-7102/2017 des BVGer vom 27.8.2019. Diese Urteile wurden ans Bundesgericht weitergezogen.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 6 ­ Fussnote 5 und Rz. 63 ­ Fussnote 91.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 61.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 63.

Rechtsgutachten Uhlmann/Bukovac vom 15. Mai. 2019, Rz. 63.

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Angesichts der Auswirkungen, welche eine Administrativ- oder Disziplinaruntersuchung für die betroffenen Personen hat, und der Tatsache, dass die Untersuchung einen weitgehenden Eingriff in deren Rechte darstellt, sollte der Bundesrat aus Sicht der GPK-N grundsätzlich prüfen, ob für die Externalisierung einer solchen Untersuchung nicht eine formellgesetzliche Grundlage nötig ist. In einem kürzlich ergangenen Urteil warf das Bundesverwaltungsgericht die Frage auf, ob die rechtlichen Grundlagen für die Betrauung externer Personen mit Disziplinaruntersuchungen genügen, liess sie aber vorläufig unbeantwortet.58 Ungeachtet der eben erwähnten Überlegungen muss für die GPK-N bei der Wahl der Verfahrensart letztlich im Zentrum stehen, dass die Problemhinweise durch die gewählte Verfahrensart bestmöglich abgeklärt werden können und dass die betroffenen Personen dabei rechtlich gleichzeitig so gut wie möglich geschützt sind. Wie in den Absätzen 2.1.1 und 2.1.2 ausgeführt, ist der Rechtschutz im Administrativverfahren aber nur sehr beschränkt vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich für die GPK-N vor allem die Frage, ob das Verfahren der Administrativuntersuchung angemessen geregelt ist bzw. ob dieses Verfahren angesichts der Herausforderungen und anderen Untersuchungsmöglichkeiten ­ wie z.B. formlose Untersuchungen ­ überhaupt noch angebracht ist. Weil einige Kantone die Unterscheidung der Verfahren oder einzelne Verfahrensarten gar nicht kennen, regt die GPK-N eine grundsätzliche Überprüfung an.

Empfehlung 1:

Überprüfung der Zweckmässigkeit der unterschiedlichen Verfahrensarten und deren rechtlichen Grundlagen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die heute bestehenden Verfahrensarten ­ d.h. die Administrativ-, die Disziplinar- und die formlose Untersuchung noch zeitgemäss sind. Sie bittet den Bundesrat insbesondere darum,

58

­

bei jedem einzelnen der drei Verfahren zu prüfen, ob auf dieses verzichtet werden könnte oder ob es anders bzw. genauer geregelt werden müsste;

­

zu prüfen, ob die Administrativuntersuchung und die Disziplinaruntersuchung in einem formellen Instrument zusammengeführt werden könnten und dabei soweit möglich auch entsprechende Erfahrungen aus den Kantonen einbeziehen;

­

abzuklären, wo die Grenze zwischen den formellen Verfahren und der formlosen Untersuchung zu ziehen ist;

­

zu prüfen, ob für die Externalisierung solcher Untersuchungen eine formellgesetzliche Grundlage geschaffen werden sollte.

Vgl. dazu auch das Urteil A-3612/2019 des BVGer vom 29.7.2019 in Sachen Lauber/Erni/Caputo gegen die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft, E. 3.1 in Verbindung mit E. 4.2.7.1 sowie die Besprechung dieses Urteils im Jusletter vom 9.9.2019 durch Daniel Kettiger (Unzulässige Leitung von Disziplinarverfahren durch externe Dritte).

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2.2

Konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Wissensgrundlage

Unabhängig davon, ob der Bundesrat im Rahmen der grundsätzlichen Überprüfung der Verfahrensarten (vgl. oben, Empfehlung 1) zum Schluss kommt, dass er an den bisherigen Verfahrensarten festhalten möchte oder sie neu regelt, ist die GPK-N der Ansicht, dass die rechtlichen Regelungen alleine nicht genügen, sondern durch praxisbezogene Hilfsmittel ergänzt werden sollten.

Sollte der Bundesrat zum Schluss kommen, dass er an den bestehenden Verfahrensarten festhalten will, erachtet die GPK-N eine Verbesserung der Wissensgrundlage zu Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen als nötig und wichtig. Damit sollten künftig nicht nur schwere Mängel ­ wie sie in den letzten Jahren teilweise öffentlich bekannt wurden ­, sondern auch die vielen kleineren Fehler, welche die PVK im Rahmen ihrer Evaluation festgestellt hatte, verhindert werden. Dazu bedarf es aus Sicht der GPK-N praktischer Hilfsmittel, die das einschlägige Wissen zusammenfassen und wiedergeben und in denen die Stellen, die solche Untersuchungen anordnen und durchführen, kurze und praktische Erläuterungen finden.

Auf jeden Fall sollte die anordnende Behörde aus Sicht der GPK-N weiterhin einen gewissen Ermessensspielraum bei der Beantwortung der Frage haben, welche Verfahrensart sie wählt und wie sie im Detail vorgeht. Sie muss jedoch, insbesondere im Bereich des Rechtschutzes bzw. der Parteirechte, eine sorgfältige Interessensabwägung vornehmen, bevor sie sich für die eine oder andere Untersuchungsform entscheidet. Ebenso muss sie klären, wie die Betroffenen und allenfalls auch die Öffentlichkeit über eine Untersuchung informiert werden, auch hier ist eine gründliche Abwägung der verschiedenen Interessen nötig. Um die Behörden und die Führungspersonen ­ die ja in den meisten Fällen nicht regelmässig mit solchen Untersuchungen und Fragen konfrontiert sind ­ dabei zu unterstützen, gibt es auch Sicht der GPK-N verschiedene Ansätze. Diese schliessen sich nicht aus, sondern sollten idealerweise kombiniert werden. Sie werden nachfolgend erläutert.

Falls der Bundesrat die unterschiedlichen Verfahrensarten abschaffen möchte, verlieren die folgenden Ausführungen grundsätzlich nicht an Gültigkeit. Denn auch im Hinblick auf das «neue» oder die «neuen» Verfahren wären praxisbezogene Hilfsmittel wichtig. Die folgenden Ausführungen sind dann sinngemäss zu verstehen bzw. es ist darin von den aktuell bestehenden Verfahrensarten zu abstrahieren.

2.2.1

Anlaufstelle für Administrativund Disziplinaruntersuchungen

Im Rahmen ihres Berichts vom 26. Juni 2018 zu den Hochseeschifffahrtsbürgschaften wiesen die GPK der beiden Räte auf verschiedene Fragen in Zusammenhang mit der Administrativuntersuchung zu dieser Thematik hin, welche durch die EFK im Auftrag des WBF durchgeführt wurde. Sie waren der Ansicht, dass das WBF und

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die EFK verschiedene rechtliche Fragen ungenügend geprüft hatten. 59 Aus diesem Grund empfahlen die GPK dem Bundesrat, eine Bundesstelle zu bezeichnen, welche die nötige Verfahrensexpertise besitzt bzw. sich aneignet und sowohl Auftraggebern als auch Auftragnehmern von Administrativuntersuchungen auf Anfrage beratend zur Seite stehen könnte.60 Der Bundesrat lehnte diese Empfehlung in seiner Stellungnahme vom 28. September 2018 allerdings ab. Er hielt fest, dass die zuständigen Stellen ­ insbesondere die Bundeskanzlei und das Bundesamt für Justiz ­ diese Funktion bereits wahrnehmen und die Auftraggeber von Administrativuntersuchungen beraten würden.61 Wie weitergehende Abklärungen der GPK zeigten, ist die effektive Rolle dieser Bundesstellen bei Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen allerdings stark zu relativieren. Sie werden in der Praxis nur äusserst selten konsultiert.62 Die GPK nahmen dieses Ergebnis zu Kenntnis und beschlossen, dass sich die GPK-N im Rahmen der Inspektion zu den Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen näher mit diesen Erkenntnissen auseinandersetzen und die Thematik bzw. Empfehlung gegebenenfalls weiterverfolgen soll. 63 Die Erkenntnisse aus der Inspektion Hochseeschifffahrts-Bürgschaften decken sich mit den Ergebnissen der vorliegenden Evaluation der PVK. Diese stellte ebenfalls fest, dass im Rahmen der von ihr untersuchten Fälle nur in Ausnahmefällen Kontakt zu Dienststellen mit Querschnittfunktion (BK, BJ, Eidgenössisches Personalamt) gesucht wurde. Von den von PVK befragten Stellen wurden weder die BK noch das BJ als Ressource zur Unterstützung bei der Durchführung von Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen genannt. Diese bestätigten gegenüber der PVK, dass sie von Verwaltungseinheiten keine Anfragen zu konkreten Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen erhalten.64 Vor diesem Hintergrund ist die GPK-N der Ansicht, dass der Handlungsbedarf bestätigt wurde und die Empfehlung im Bericht zu den HochseeschifffahrtsBürgschaften umgesetzt werden sollte. Sie wandelt die Empfehlung aufgrund der grossen Zurückhaltung des Bundesrates zur derselben in eine Motion um.

59 60 61 62

63

64

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Bericht der GPK der Eidg. Räte vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6205). Kap. 4.4.

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Bericht der GPK der Eidg. Räte vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6205). Kap. 4.4.4.

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften, Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Sept. 2018 zum Bericht der GPK vom 26. Juni 2018 (BBl 2018 6277).

Das BJ wurde in den vergangenen fünf Jahren nur ein einziges Mal zu Verfahrensfragen bei Administrativuntersuchungen konsultiert, die BK drei Mal. (vgl. Kap. 2.5. im Bericht der GPK zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften vom 25. Juni 2019).

Hochseeschifffahrts-Bürgschaften: Bewertung der Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Sept. 2018. Kurzbericht der GPK der Eidg. Räte vom 25. Juni 2019 (BBl 2019 7001), Kap. 2.5.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 4.4.

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Motion: Anlaufstelle(n) in Sachen Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, eine oder mehrere Stellen zu bezeichnen, welche über die erforderlichen Verfahrenskenntnisse bezüglich Administrativund Disziplinaruntersuchungen verfügen, sich über den aktuellen Wissensstand und die Rechtsprechung in diesem Bereich auf dem Laufenden halten und dadurch bei Bedarf anderen Einheiten des Bundes Rechtsauskünfte erteilen und diese beraten können. Er soll überdies dafür sorgen, dass sich die durchführenden Stellen bei formellen und rechtlichen Fragen systematischer an diese Beratungsstelle(n) wenden

2.2.2

Weitere Massnahmen

Praxisbezogene Hilfsmittel Wie oben ausgeführt, ist die GPK-N der Ansicht, dass es an praxisbezogenen «Hilfsmitteln» fehlt, welche die anordnenden und durchführenden Stellen bei einer Untersuchung konsultieren können. Solche Hilfsmittel sollen den anordnenden Stellen dabei helfen, die angemessene Verfahrensart zu wählen und die durchführenden Stellen auf wesentliche Punkte und Fragen hinweisen, die sorgfältig zu klären sind, wie beispielsweise die Fragen zum Rechtsschutz oder zur Kommunikation der Untersuchungen. Sie denkt dabei beispielsweise an ein Handbuch oder zumindest eine Checkliste mit wichtigen Fragen, die bei der Wahl der Verfahrensart und während dem Verfahren zu beachten sind.

Die Kommission ist sich im Klaren, dass solche Hilfsmittel der durchführenden Stelle weder Entscheidungen abzunehmen vermögen, noch, dass sie alle Einzelfälle umfassend abdecken können. Aus Sicht der GPK-N gibt es aber gewisse StandardFragen, die sich bei allen Untersuchungen stellen. Dazu gehört beispielsweise die Frage, welche Verfahrensart angemessen ist, wie, wann und wen man über die Eröffnung einer Untersuchung informiert oder welche Punkte im Zusammenhang mit dem Themenbereich Rechtsschutz/Parteirechte zu berücksichtigen sind. Ein Dokument oder Leitfaden, welches diese Themen auflistet und erläutert, allenfalls verbunden mit Beispielen, könnte dafür sorgen, dass sich die durchführenden Stellen frühzeitig mit den relevanten Fragen auseinandersetzen und so Fehler oder damit verbundene Verzögerungen vermieden werden können. Solche Hilfsmittel könnten auch zu einer einheitlicheren Praxis und somit zu mehr Rechtssicherheit für die betroffenen führen.

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Systematische Information der Departemente über eingeleitete Untersuchungen Die Evaluation der PVK hat gezeigt, dass die Departemente keine vollständige Übersicht über Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen in ihrem Verantwortungsbereich haben.65 Angesichts der Folgen, welche solche Untersuchungen für die betroffenen Personen und Amtsstellen haben können, und auch, weil gerade heikle Untersuchungen nicht selten publik werden, wäre es aus Sicht der GPK-N sinnvoll, wenn die anordnende Stelle auch das Departement (Generalsekretariat oder Rechtsdienst) über die Eröffnung einer solchen Untersuchung informieren müsste. Damit wäre gleichzeitig gewährleistet, dass das Departement oder sein Rechtsdienst die anordnenden Stellen bereits frühzeitig auf die noch zu schaffenden Hilfsmittel bzw.

auf das Beratungsangebot der zuständigen Stelle (siehe Motion) hinweisen könnten.

Denn die meisten Bundesstellen sind nur selten mit solchen Untersuchungen konfrontiert und verfügen daher nur über ein beschränktes Wissen zur Thematik.

Mit einer solchen Lösung könnte zudem die Problematik der teilweise unangemessenen Delegation der Anordnung von Administrativuntersuchungen, welche die PVK festgestellt hat66, zumindest entschärft werden. Denn wie die PVK feststellte, wurde in einem der von ihr untersuchten Fälle eine Administrativuntersuchung durch eine Verwaltungseinheit ausgelöst, obwohl dass im entsprechenden Departement keine Delegationsnorm existierte. In zwei weiteren Fällen wurden Administrativuntersuchungen auf tieferer Stufe angeordnet, obwohl aufgrund des Sachverhaltes eine Anordnung auf Stufe Departement angemessen gewesen wäre. Durch eine Anordnung auf (zu) tiefer Stufe besteht die Gefahr, dass Fehler der Verwaltungseinheit durch eine gezielte Ausgestaltung des Auftrags einer Untersuchung versteckt werden können. Indem das Departement jeweils informiert werden muss, wird diese Gefahr entschärft.

Verbesserung Aus- und Weiterbildung Wie die PVK in ihrem Bericht darlegt, wird die Thematik der Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen lediglich im Rahmen eines freiwilligen Kurses für Führungskräfte und HR-Fachleute des EPA und nur lückenhaft bzw. in ungenügender Weise angesprochen.67 Angesichts der schwierigen Fragen und Herausforderungen, die solche Untersuchungen mit sich bringen, ist die GPK-N der
Meinung, dass die Thematik im Rahmen der Aus- oder Weiterbildung der Führungskräfte systematischer und gründlicher aufgenommen werden sollte. Dabei sollten nicht nur die rechtlichen Vorgaben vorgestellt werden, sondern insbesondere auf die Herausforderungen hingewiesen werden, die sich den Verantwortlichen in der Praxis stellen ­ wie beispielsweise die Wahl der angemessenen Verfahrensart oder die Kommunikation im Rahmen der Untersuchung nach innen und nach aussen.

65 66 67

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.1.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 3.3.1 und 6.2.

Bericht der PVK vom 7. Juni 2019, Kap. 4.4.

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Zusammenfassung Die GPK-N ist überzeugt, dass es durch die oben geforderten Massnahmen künftig zu weniger Mängeln bei Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen kommen würde. Diese sollen einerseits dazu beitragen, dass auch Stellen, welche selten solche Untersuchungen durchführen und nur über ein beschränktes Wissen darüber verfügen, korrekt vorgehen und andererseits gleichzeitig auch eine wichtige Grundlage für eine rechtsgleiche Behandlung der Fälle darstellen.

Die in der folgenden Empfehlung vorgeschlagenen Massnahmen hängen aus Sicht der Kommission zusammen und sollten als Ganzes gesehen werden. So könnten praxisbezogene Hilfsmittel beispielsweise im Rahmen einer Aus- oder Weiterbildung des EPA behandelt werden; zudem sollte durch den Einbezug der Departemente sichergestellt sein, dass die anordnenden Stellen auf diese Hilfsmittel aufmerksam gemacht werden.

Empfehlung 2: Verbesserung der Wissensgrundlagen Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, mit geeigneten Massnahmen dafür zu sorgen, dass bei Untersuchungen jeweils die angemessene Verfahrensart gewählt und das Verfahren korrekt durchgeführt wird.

Dazu soll der Bundesrat insbesondere folgende Massnahmen / Elemente prüfen: ­

Hilfsmittel: Erarbeitung von praxisbezogenen Hilfsmitteln für die anordnenden und durchführenden Stellen, wie beispielsweise Richtlinien und Erläuterungen oder Checklisten mit Fragen, die bei Wahl der Verfahrensart und während dem Verfahren zu prüfen sind;

­

Mitteilungspflicht: Einführung der Pflicht, dass die anordnende Stelle das Departement bzw. dessen Generalsekretariat oder Rechtsdienst über alle von ihr eingeleiteten Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen informieren muss;

­

Ausbildung: Sensibilisierung der Führungspersonen bezüglich Administrativund Disziplinaruntersuchungen, indem die Vorgaben und wesentlichen Fragen dazu in der Aus- und Weiterbildung für Führungspersonen systematischer und gründlicher behandelt wird.

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3

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, bis spätestens am 20. Februar 2020 zu ihren Ausführungen und Empfehlungen sowie zu den ihnen zugrundeliegenden Feststellungen der PVK Stellung zu nehmen und darzulegen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

19. November 2019

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Die Präsidentin der GPK-N: Nationalrätin Doris Fiala Die Präsidentin der Subkommission EDA/VBS: Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler Die Sekretärin der GPK: Beatrice Meli Andres Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Céline Andereggen

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Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BBl BJ BK BPG BPV BVGer EDA EFK GPK GPK-N GPK-S PVK RVOG RVOV SR VBS VwVG WBF

1680

Absatz Artikel Bundesblatt Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (SR 172.220.1) Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (SR 172.220.111.3) Bundesverwaltungsgericht Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössische Finanzkontrolle Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Parlamentarische Verwaltungskontrolle Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (SR 172.010) Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (SR 172.010.1) Systematische Rechtssammlung Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren ((Verwaltungsverfahrensgesetz) vom 20. Dezember 1968 SR 172.021) Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung