20.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 einschliesslich Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2019 vom 15. Januar 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen erstatten wir Ihnen Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 2019. Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht und seinen Beilagen (Ziff. 9.1.1­9.1.6) Kenntnis zu nehmen Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen, mit je einer Botschaft und mit dem Antrag auf Zustimmung, Entwürfe von Bundesbeschlüssen zur Genehmigung (vgl. Ziff. 9.2.1­9.2.3): ­

des Landwirtschaftsabkommens zwischen der Schweiz und Israel

­

der Änderung des Protokolls A über landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte zwischen den EFTA-Staaten und Israel

­

des Handelsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich und des Zusatzabkommens über die Einbeziehung Liechtensteins in das Handelsabkommen

­

des Abkommens mit der Türkei im Rahmen des Allgemeinen Präferenzensystems.

Zudem unterbreiten wir Ihnen den Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2019 sowie, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesschlusses über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Ziff. 9.3), in Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Bundesgesetzes über aussenwirtschaftliche Massnahmen sowie gestützt auf Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986, auf Artikel 6a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten und auf Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981.

2019-2256

1979

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Januar 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

1980

Gesamtübersicht Aussenwirtschaftspolitik in einer zunehmend volatilen Welt Das Umfeld, in dem sich die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik im Berichtsjahr bewegt, war in besonderem Masse von bleibenden und neuen Unsicherheiten geprägt. Die in der Nachkriegszeit gewachsene Welthandelsordnung mit einem «starken Recht» für alle anstelle eines «Rechts des Starken» wird von einzelnen Gründerstaaten grundsätzlich in Frage gestellt. Der Eindruck verstärkt sich, dass die regelbasierte internationale Ordnung, über Jahrzehnte die selbstverständliche Basis für unser Wirtschaftswachstum und unseren Wohlstand, weiter erodiert. Ein Zerfall in nationale und regionale Ordnungen und ein verschärfter Wettbewerb der Systeme, lange vergessen geglaubt, zeichnen sich ab. Populistische Grundwellen und eine wachsende Skepsis gegenüber der Globalisierung äussern sich in zahlreichen Ländern in einem generellen Trend zu Abschottung und Protektionismus in Handelsfragen. Dazu gesellt sich eine wachsende Besorgnis, dass die Transformation hin zu einer nachhaltigeren und ressourceneffizienten Wirtschaft nicht rasch genug vonstatten geht.

Paradoxerweise findet diese Entwicklung in einer Zeit statt, in der sich die globalen Wertschöpfungsketten, also die grenzüberschreitenden Produktionsprozesse, verstärken. Diese Verstärkung wird beschleunigt durch einen unaufhaltsamen technologischen Fortschritt. Insbesondere die Digitalisierung verändert die Weltwirtschaft tiefgreifend und grundlegend. Die digitale Vernetzung durchdringt Staaten, Unternehmen und Individuen in noch nie gekanntem Mass. Neue Dienstleistungen und Produktionsmuster entstehen fortlaufend und ermöglichen Wohlfahrtsgewinne, gerade auch in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie eröffnen zudem Möglichkeiten für nachhaltigere und transparentere Wertschöpfungsketten, zerstören aber auch traditionelle Geschäfts- und Arbeitsmodelle und schaffen neue. Dies fordert Politik und Regulatoren weltweit heraus. Der Anpassungsdruck auf das Welthandelssystem und die darauf einwirkenden Fliehkräfte nehmen dadurch weiter zu. Das Schwerpunktkapitel dieses Berichts (Ziff. 1) ist diesem Thema gewidmet.

In diesem globalen Spannungsfeld zwischen politischem Rückzug und technologischem Aufbruch bleibt die wichtigste aussenwirtschaftspolitische Herausforderung der Schweiz bestehen:
Als mittelgrosse Volkswirtschaft mit vergleichsweise kleinem Binnenmarkt muss die Schweiz ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit verteidigen. Im Innern ist sie dafür als wichtiger Forschungs- und Bildungsstandort mit einem flexiblen Arbeitsmarkt und vergleichsweise geringer administrativer Belastung für Unternehmen nach wie vor gut aufgestellt. Nach aussen stehen die bewährten Wirtschaftsbeziehungen und die regulatorische Interoperabilität zwischen der Schweiz und der EU im Zentrum. Darüber hinaus muss die Schweiz sich, in bewährten und möglicherweise neuen Allianzen, für möglichst diskriminierungsfreie, rechtlich abgesicherte und entwicklungsfähige Wirtschaftsbeziehungen einsetzen, sich auf multilateraler Ebene um angemessene Regeln und Standards und deren Durchsetzung bemühen und ihr Netz bilateraler Abkommen erweitern und vertiefen.

1981

Zielsetzung des Bundesrates für das Jahr 2019 Vor diesem Hintergrund setzte sich der Bundesrat im Berichtsjahr auf verschiedenen Ebenen für den Erhalt und die Stärkung der regelbasierten multilateralen Welthandelsordnung ein. Weiter spielten die Verhandlungen mit der EU über ein institutionelles Abkommen (InstA) eine zentrale Rolle. Der Bundesrat führte im Berichtsjahr eine breite Konsultation zum Verhandlungsergebnis des InstA durch.

Mit dem Vereinigten Königreich wurden mehrere Abkommen abgeschlossen, welche die möglichst lückenlose Fortführung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beim Austritt aus der EU sicherstellen. Mit dem Mercosur und seinen Mitgliedstaaten wurde im Rahmen der EFTA ein Freihandelsabkommen (FHA) abgeschlossen.

Diese und weitere für die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik bedeutende Geschäfte sind Gegenstand des vorliegenden Berichts (Ziff. 2­8). Das Schwerpunktkapitel (Ziff. 1) behandelt die sich abzeichnenden Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die schweizerische Aussenwirtschaft.

Über den Stand der Umsetzung aussenwirtschaftspolitischer Ziele wird der Bundesrat im Geschäftsbericht 2019 ausführlich berichten. Eine vorläufige Beurteilung der Aussenwirtschaftspolitik des Berichtsjahres deutet darauf hin, dass die Ziele erreicht worden sind.

Wirtschaftslage und wirtschaftspolitische Entwicklungen weltweit Das Berichtsjahr war in vielen Regionen von einer markanten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums geprägt. Insbesondere war diese in den EU-Mitgliedstaaten im Verlaufe des Jahres zu beobachten. Doch auch in Amerika und Asien wurde die allmähliche Abkühlung der Wachstumsdynamik der letzten Jahre deutlich. Besonders betroffen waren der Industriesektor und, damit verbunden, der weltweite Handel mit Waren. Der Dienstleistungssektor und die Binnennachfrage der grossen Industrieländer haben demgegenüber zur Stabilisierung der globalen Konjunktur beigetragen.

Hauptverantwortlich für die Abschwächung des Welthandels war der anhaltende Handelskonflikt zwischen den USA und wichtigen Handelspartnern (vgl. hierzu schon der Aussenwirtschaftsbericht 2018). Dieser wurde mit diversen Zollerhöhungen und Drohungen, weitere durchzusetzen, kontinuierlich verschärft. In China materialisierten sich die Folgen dieses Disputs am deutlichsten: Sowohl der Aussenhandel wie auch
die Binnenwirtschaft Chinas entwickelten sich schwach, was zur Verlangsamung des volkswirtschaftlichen Gesamtwachstums beitrug. Der Rückgang des Welthandels zeitigte aber auch Auswirkungen auf stark exportorientierte Volkswirtschaften wie die Schweiz oder Deutschland, auch wenn diese an den geoökonomischen Spannungen nicht direkt beteiligt sind.

Zur anhaltenden Unsicherheit auf den globalen Märkten trugen neben den Handelsdisputen politische Unsicherheiten in Europa (z. B Brexit) bei. Diese Unsicherheit und die Risikoabneigung der Anleger und Unternehmen widerspiegelte sich in den langfristigen Zinsen, die sich verbreitet auf historischen Tiefstständen befanden.

1982

International hielten die Notenbanken vor allem im Euroraum, den USA und diversen lateinamerikanischen Ländern an der ausserordentlich expansiven Ausrichtung ihrer Geldpolitiken fest oder lockerten diese noch zusätzlich. Die Aktienmärkte waren zu Jahresbeginn trotz globaler Unsicherheiten gekennzeichnet von steigenden Kursen und tiefer Volatilität, die Verschärfung des Handelskonflikts führte allerdings zwischenzeitlich zu teilweise massiven Wertverlusten.

Positive Signale konnten demgegenüber auf den Arbeitsmärkten verzeichnet werden, die sich insgesamt robust zeigten. Die Erwerbslosenquote ist in zahlreichen Ländern auch im Berichtsjahr kontinuierlich gesunken. Sie befand sich teilweise auf historischen Tiefstwerten. Die Inflationsraten, die unter anderem stark von der Fluktuation der Ölpreise beeinflusst wurden, blieben international im moderaten Bereich. Die Kerninflationsraten blieben mehrheitlich stabil. Die gute Entwicklung der Arbeitsmärkte zusammen mit niedriger Teuerung stützten die Binnennachfrage. Die Konsumentenstimmung blieb in vielen Ländern, so auch im Euroraum, auf vergleichsweise hohem Niveau.

Wirtschaftslage in der Schweiz Auch das Bruttoinlandprodukt der Schweiz entwickelte sich in der ersten Jahreshälfte unterdurchschnittlich. Im internationalen Vergleich steht die Schweiz angesichts der globalen Entwicklung dennoch im Mittelfeld.

Dabei stützte in erster Linie der private Konsum das Wachstum, auch dank der guten Verfassung des Arbeitsmarktes. Der Beschäftigungsaufbau setzte sich bei tiefer Arbeitslosigkeit fort, wenn auch mit nachlassender Dynamik. In den verschiedenen Branchen zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede. Während der Anteil der Stellensuchenden im Dienstleistungssektor weiter zurückging, war in der Industrie ein leichter Anstieg zu verzeichnen. In der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie fiel diese Tendenz am deutlichsten aus. Zudem war erstmals seit 2015 ein geringfügiger Anstieg der Kurzarbeit zu beobachten.

Auch die schweizerische Volkswirtschaft war direkt von der anhaltenden weltwirtschaftlichen Unsicherheit betroffen. Diese belastete einerseits die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die nachlassende Auslandkonjunktur bremste andererseits die Exportwirtschaft; insbesondere waren Produzenten von konjunktursensiblen Gütern wie Maschinen (Abnahme
der Exporte um rund 1,5 % im Jahresmittel) und Metallen (Abnahme der Exporte um rund 2 % im Jahresmittel) betroffen. Zusätzlich wertete sich der Schweizerfranken aufgrund anhaltender politischer Unsicherheiten moderat auf, was insbesondere die verarbeitende Industrie belastete. Die Exporte von chemischen und pharmazeutischen Produkten wuchsen hingegen auch im Berichtsjahr robust.

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Übersicht über den Inhalt des Berichts zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 und Ausblick auf 2020 Schwerpunktkapitel: Digitalisierung und Aussenwirtschaft (Ziff. 1) Der Wirtschaftsstandort Schweiz soll auch in Zukunft zu den wettbewerbsfähigsten der Welt gehören. Er soll Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung schaffen und erhalten. Um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit sowie die Wohlfahrt zu erhalten und zu fördern, müssen digitale Dienstleistungen und Vorleistungen möglichst ungehindert genutzt werden können. Dies bedarf zum einen der Identifizierung und des Abbaus ungerechtfertigter und nachteiliger digitaler Handelshemmnisse im Inland. Zum anderen sollen Schweizer Unternehmen ihre Exportmärkte auch in einem digitalen Umfeld erfolgreich bedienen können, ohne benachteiligt zu werden.

Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der möglichst ungehinderten grenzüberschreitenden Datenübermittlung zu ­ der Grundlage der digitalen Wirtschaft (Ziff. 1.1.2).

Für die Schweiz als global vernetzte und hochentwickelte Volkswirtschaft bieten sich angesichts dieser Entwicklungen bedeutende Chancen. Bereits heute ist sie ein bedeutender und wachsender digitaler Wirtschafts- und Forschungsstandort. Allerdings ist sie auch deshalb mit Herausforderungen konfrontiert, die sich etwa in den Bereichen des Arbeitsmarktes, der Steuerpolitik und der Cybersicherheit manifestieren. Zudem wäre sie von Beschränkungen grenzüberschreitender Datenübermittlungen in wichtige Partnerländer überdurchschnittlich stark betroffen (Ziff. 1.3).

Während der technologische Fortschritt die Digitalisierung und damit die Auflösung nationaler Grenzen vorantreibt, zeichnen sich weltweit politische Gegenbewegungen ab. Staaten bemühen sich, ihre Souveränität im vernetzten digitalen Raum zu sichern und in politisch prioritären Bereichen wie der inneren Sicherheit, der Strafverfolgung oder dem Schutz von Privatsphäre und persönlichen Daten einzugreifen.

Solche Massnahmen können auch Anzeichen protektionistischer Tendenzen im digitalen Handel sein. In Ansätzen wird eine regionale Blockbildung (Ziff. 1.2) sichtbar, welche die globale und offene Natur des Internets einzuschränken droht.

Wirtschaftsvölkerrecht kann zur Transparenz sowie zum Abbau und der Verhinderung unverhältnismässiger Massnahmen beitragen. Aktuelle Debatten wie jene um den Datenschutz
zeigen auf, dass der Abwägung zwischen legitimen öffentlichen Interessen ­ etwa dem Schutz der Privatsphäre ­ und dem freien Handel bei der Regulierung der internationalen digitalen Wirtschaft eine entscheidende Rolle zukommen wird (Ziff. 1.2.2). Auf internationaler Ebene ist das Hinwirken auf möglichst globale internationale Standards und Regeln grundsätzlich im Interesse der Schweiz. Die laufenden Arbeiten in der OECD und die plurilaterale E-CommerceInitiative der WTO könnten hierbei mittelfristig eine wichtige Rolle spielen; aber auch bilaterale Instrumente sind gegebenenfalls weiterzuentwickeln.

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Wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz mit Bezug zur Aussenwirtschaft (Ziff. 2) Binnenwirtschaftspolitik und Aussenwirtschaftspolitik sind enger denn je miteinander verflochten. Die unter Ziffer 2 thematisierten, auf die Schweizer Wirtschaft ausgerichteten Regulierungen haben potenziell unmittelbare Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Schweiz.

Hinsichtlich der Kontrolle ausländischer Investitionen in der Schweiz hat der Bundesrat am 13. Februar den Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen» in Erfüllung der Postulate 18.3376 Bischof und 18.3233 Stöckli gutgeheissen (Ziff. 2.1). Er kam zum Schluss, dass die Einführung einer Kontrolle derzeit keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Die Behandlung der Motion 18.3021 Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» im Nationalrat ist noch ausstehend. Der Bundesrat hat die Ablehnung dieser Motion, welche die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Investitionskontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Schweizer Unternehmen verlangt, beantragt. Der Ständerat hat die Motion am 17. Juni angenommen.

Anlässlich der Volksabstimmung vom 19. Mai wurde das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung angenommen (Ziff. 2.2). Es ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Damit werden die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz gewahrt sowie Arbeitsplätze und mittel- bis längerfristig Steuereinnahmen gesichert. Die Reform bringt das Unternehmenssteuerrecht zudem in Einklang mit internationalen Standards.

Im Berichtsjahr beschloss der Bundesrat die unilaterale Aufhebung der Zölle auf importierten Industriegütern (Ziff. 2.3). Hinsichtlich der Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel ­ für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» legte der Bundesrat im Berichtsjahr einen indirekten Gegenvorschlag vor, der die Kernanliegen der Initiative berücksichtigt und zugleich volkswirtschaftlich schädliche Auswirkungen auf die Schweiz vermeiden soll (Ziff. 2.4).

Wirtschaftsbeziehungen mit der EU (Ziff. 3) Die Schweiz und die EU verhandelten seit 2014 über das InstA (Ziff. 3.1.2). Dieses soll die bestehenden Marktzugangsabkommen und den bilateralen Weg insgesamt konsolidieren und den Weg für Weiterentwicklungen öffnen. Der Bundesrat nahm am
7. Dezember 2018 das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis. Nach mehrmonatigen Konsultationen der am meisten betroffenen Schweizer Akteure hat er sodann am 7. Juni seine positive Einschätzung zum Entwurf des InstA bekräftigt und beschlossen, in den drei Punkten Lohnschutz, staatliche Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie Klärungen zu verlangen. Liegen zufriedenstellende Lösungen in diesen drei Punkten vor, so soll das Abkommen unterzeichnet werden.

Nachdem die Europäische Kommission die auf den 30. Juni befristete Anerkennung der Börsenäquivalenz für die Schweiz nicht verlängert hatte, aktivierte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) am 1. Juli die vorgängig vorbereitete Massnahme zum Schutz der schweizerischen Börseninfrastruktur (Ziff. 3.1.3). Diese untersagt es Handelsplätzen in der EU, den Handel mit Beteiligungspapieren von

1985

Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz anzubieten oder zu ermöglichen. Die Massnahme hat die beabsichtigte Schutzwirkung bis anhin zufriedenstellend erreicht.

Das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU hat sich im Berichtsjahr als Stütze des Wirtschaftsstandorts bewährt, ohne negative Auswirkungen auf die Erwerbsquote, die Arbeitslosigkeit oder die Lohnentwicklung zu haben. Die Nettozuwanderung aus den EU/EFTA-Staaten blieb vergleichsweise gering. Die möglichst einfache Rekrutierung von Fachkräften im Ausland ist gerade auch angesichts der fortschreitenden Digitalisierung ein wichtiger Standortvorteil (Ziff. 1.3 und 3.1.4).

Das Parlament befürwortete im Berichtsjahr grundsätzlich einen zweiten Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten. Auch dieser soll insgesamt 1,302 Milliarden Schweizerfranken über zehn Jahre betragen. Die Schweiz wird aber keine Verpflichtungen eingehen, solange diskriminierende Massnahmen der EU gegen die Schweiz in Kraft sind (Ziff. 3.2).

Im Rahmen der 2016 vom Bundesrat verabschiedeten «Mind the Gap»-Strategie wurden im Berichtsjahr ein Versicherungsabkommen, ein Strassenverkehrsabkommen, ein Handelsabkommen (siehe Botschaft als Beilage zu diesem Bericht), ein Abkommen über die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie zwei befristete Abkommen über die gegenseitige Zulassung von natürlichen Personen zu den jeweiligen Arbeitsmärkten und die Koordination der Sozialversicherungen mit dem Vereinigten Königreich unterzeichnet. Diese Abkommen kämen zur Anwendung, sobald die bilateralen Abkommen Schweiz­EU im Falle eines Austrittes des Vereinigten Königreiches aus der EU nicht mehr für ersteres gelten würden (Ziff. 3.3).

Überdies entschieden die EU-Finanzminister an ihrer Sitzung vom 10. Oktober in Luxemburg, die Schweiz von der EU-Beobachtungsliste für Steuerzwecke (sog.

«graue» Liste) zu streichen.

Internationale Organisationen (Ziff. 4) Die im Rahmen des Aussenwirtschaftsberichtes 2018 ausführlich behandelte Krise des internationalen Handelssystems widerspiegelt sich in verschiedenen WTOReforminitiativen, die im Berichtsjahr fortgesetzt wurden (Ziff. 4.1). Mit der Blockade der Ernennung von Richterinnen und Richtern im Berufungsorgan der WTO hat sich der Reformdruck akzentuiert. Im Rahmen von plurilateralen Initiativen finden sich Gruppen von willigen WTO-Mitgliedern,
um in einzelnen Themenbereichen Verhandlungen voranzutreiben ­ immer in der Absicht, diese später ins Plenum zurückzubringen. Insbesondere in den Bereichen des elektronischen Handels (E-Commerce) und der innerstaatlichen Regulierung des Handels mit Dienstleistungen (Domestic Regulation) zeigt sich dabei eine erfreuliche Dynamik. Das neben anderen WTO-Mitgliedern auch von der Schweiz gegen die USA angerufene WTOSchiedsgericht betreffend Zölle auf Stahl und Aluminium nahm im Berichtsjahr die Arbeit auf.

In der OECD wurden konzeptionelle Arbeiten zu aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung vorangetrieben (Ziff. 4.2). Die OECD-Mitgliedsstaaten, darunter auch die Schweiz, verabschiedeten Empfehlungen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz

1986

­ die weltweit ersten zu diesem Thema. Weiter tauschten sie sich auf Initiative der Schweiz über das Thema «Alterung der Gesellschaft» aus.

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) stand im Berichtsjahr im Zeichen ihres hundertjährigen Jubiläums (Ziff. 4.3). Die Feierlichkeiten wurden von der Schweiz als Gastgeberin ausgerichtet. Zu diesem Anlass lancierte die Organisation eine Initiative zur Zukunft der Arbeit.

Bilaterale Wirtschaftsabkommen (Ziff. 5) Der Schweiz gelang es im Verbund mit den EFTA-Staaten im August 2019 die Verhandlungen über ein umfassendes FHA mit dem Mercosur abzuschliessen (Ziff. 5.1). In diesem Zusammenhang wurde erstmals eine gezielte Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Das bereits im Dezember 2018 abgeschlossene Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Indonesien (Comprehensive Economic Partnership Agreement, CEPA) wurde vom Parlament genehmigt. Die exploratorischen Gespräche mit den USA über ein mögliches FHA wurden fortgeführt. Ausserdem stand die Schweiz hinsichtlich der Weiterentwicklung bestehender FHA mit diversen Partnern im Kontakt und beteiligte sich an verschiedenen Gemischten Ausschüssen (Ziff. 9.1.3) sowie Gemischten Wirtschaftskommissionen (Ziff. 9.1.5).

Auch die Verhandlungen mit mehreren Ländern über Investitionsschutzabkommen (ISA) wurden im Berichtsjahr fortgeführt (Ziff. 5.2 und 9.1.4). Darüber hinaus genehmigte der Bundesrat ein Verhandlungsmandat für die Revision beziehungsweise den Abschluss von ISA mit Angola, Bolivien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ecuador (Ziff. 5.2).

Mit der Türkei schloss die Schweiz ein Abkommen im Rahmen des Allgemeinen Zollpräferenzensystems ab (Ziff. 5.3 und Ziff. 9.2.3).

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Ziff. 6) Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung und der Übernutzung natürlicher Ressourcen hat das Thema der Nachhaltigkeit an Gewicht gewonnen.

Der Bundesrat legte im Berichtsjahr eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung zur Umsetzung der Agenda 2030 auf nationaler Ebene fest (Ziff. 6.1). Auch in den FHA gewann dieses Thema in den letzten Jahren an Bedeutung. Die Schweiz und die anderen EFTA-Staaten haben deshalb das EFTA-Modellkapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung unter anderem durch die Einführung von Bestimmungen zu Handel und Klimawandel,
Handel und biologischer Vielfalt und einem angepassten Ansatz zur Streitbeilegung überarbeitet und verstärkt (Ziff. 6.2).

Die Aktionspläne des Bundesrates zur verantwortungsvollen Unternehmensführung, zu Wirtschaft und Menschenrechten sowie der «Grünen Wirtschaft» wurden weiter umgesetzt und aktualisiert (Ziff. 6.4).

Die am 10. Oktober 2016 eingereichte eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» (sog. Konzernverantwortungsinitiative) sieht eine Sorgfaltsprüfungspflicht und die Unternehmenshaftung vor. Der Bundesrat lehnt diese Initiative ab, setzt sich aber für auf internationaler Ebene koordinierte Regeln ein. Er wartet den Abschluss der parla-

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mentarischen Diskussion über einen indirekten Gegenvorschlag ab. Aus seiner Sicht sollen Haftungsregeln nicht über das geltende Recht hinausgehen.

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (Ziff. 7) Im Berichtsjahr unterbreitete der Bundesrat den erläuternden Bericht zur Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 im Rahmen einer fakultativen Vernehmlassung den interessierten Kreisen.

Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz wurde im Rahmen der Peer-Review des Entwicklungshilfeausschusses der OECD und des Halbzeitberichts zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 überprüft (Ziff. 7.2). Die OECD empfiehlt der Schweiz unter anderem, ihr Engagement zu bündeln und 0,5 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für ihre öffentliche Entwicklungshilfe bereitzustellen. Dies entspricht dem 2011 vom Parlament festgelegten Richtwert.

Die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Entwicklungsbank beschlossen eine Kapitalerhöhung über insgesamt 7 Mia. US-Dollar (Ziff. 7.2). Zudem wurden die Verhandlungen zur 19. Wiederauffüllung des Entwicklungsfonds der Weltbankgruppe (Internationale Entwicklungsorganisation, IDA) abgeschlossen.

Exportkontrolle und Sanktionen (Ziff. 8) Der Bundesrat verlängerte am 17. April die Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung bis zum 12. Mai 2023 (Ziff. 8.1). Bewilligungen zur Ausfuhr oder Vermittlung solcher Güter können verweigert werden, wenn sie den Endempfängern zur Repression dienen könnten.

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates schloss am 26. März eine Inspektion über die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen ab (Ziff. 8.2).

Die schweizerische Sanktionspolitik wird darin insgesamt als kohärent beurteilt.

Der Bundesrat hat am 14. Juni die Botschaft zur Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» vorgelegt und die Initiative zur Ablehnung empfohlen (Ziff. 8.3). Mit der am 24. Juni eingereichten Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative)» möchten die Initiantinnen und Initianten die Bewilligungskriterien für Kriegsmaterialexporte in der Verfassung verankern. Durch die Initiative soll zudem eine Rückkehr zu den Ausschlusskriterien für Kriegsmaterialexporte erfolgen, die der Bundesrat 2008 beschloss und die
2014 geringfügig angepasst wurden.

Ausblick auf das kommende Jahr Der Bundesrat wird den Beziehungen zur EU weiterhin die höchste Priorität beimessen. Dabei stehen die Bemühungen im Mittelpunkt, mit der EU in den drei oben erwähnten Punkten zum vorliegenden Entwurf des InstA Klärungen zu vereinbaren.

Der die Schweiz betreffende Entscheid der EU-Kommission über den Fortbestand des Angemessenheitsbeschlusses im Datenschutz steht voraussichtlich 2020 an. Auf europäischer Ebene sollten 2020 die Vorbereitungsarbeiten für die Kohäsionspolitik 2021­2027 abgeschlossen werden. Die Schweizer Grenzregionen werden mit ihren Nachbarn neue grenzüberschreitende Programme lancieren. Der Bundesrat wird

1988

diese Entwicklungen in Hinblick auf einen zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten beobachten.

Daneben wird sich der Bundesrat für die Reform der WTO einsetzen. Er wird internationale Foren wie die OECD nutzen, um seine wirtschaftspolitischen Interessen einzubringen. Auch die Weiterentwicklung des Freihandelsnetzes und die Verbesserung des Zugangs von schweizerischen Unternehmen zu ausländischen Märkten bleiben zentrale Pfeiler der Aussenwirtschaftspolitik. Im Fokus dürften namentlich die Freihandelsverhandlungen mit Indien, Malaysia und Vietnam stehen. Ausserdem will der Bundesrat die exploratorischen Gespräche mit den USA fortsetzen.

Die OECD will Ende 2020 einen Schlussbericht zum Projekt «Steuerliche Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft» veröffentlichen, der substanzielle Anpassungen des internationalen Unternehmensbesteuerungsrechts ­ für die gesamte Wirtschaft, nicht beschränkt auf digitale Geschäftsmodelle ­ zur Folge haben kann.

Diese Entwicklung wäre für die Schweiz als Standort zahlreicher international tätiger Gesellschaften von erheblicher Tragweite.

Im Bereich der verantwortungsvollen Unternehmensführung fördert der Bundesrat im Rahmen der Umsetzung des aktualisierten Aktionsplans zur Corporate Social Responsibility die Anwendung der Sorgfaltsprüfung für verantwortungsvolle Unternehmensführung sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung durch Unternehmen.

Insbesondere wird der Nationale Kontaktpunkt für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen den neuen OECD-Leitfaden zur Sorgfaltsprüfung bei der Kreditvergabe durch Finanzinstitute bei Unternehmen bekannt machen. Im Zusammenhang mit dem revidierten Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte werden unter anderem ein Schweizer Forum zu Wirtschaft und Menschenrechte lanciert, die Expertise der Schweizer Botschaften gefördert und KMU betreffend die menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung unterstützt.

Anfang 2020 wird die Bundesverwaltung zum Stand der Umsetzung der Massnahmen des Berichts «Grüne Wirtschaft ­ Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz» für die Periode 2016­2019 und die Weiterentwicklung im Zeitraum 2020­2023 an den Bundesrat Bericht erstatten. Übergeordnetes Ziel der Massnahmen des Bundes ist die Reduktion der Umweltbelastung durch
Schweizer Konsum und Produktion. Gemessen in Umweltbelastungspunkten fallen rund drei Viertel dieser Umweltbelastung ausserhalb der Schweiz an. Einer der Schwerpunkte im Bericht Grüne Wirtschaft betrifft denn auch das internationale Engagement.

1989

BBl 2020

Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

1994

1

1996 1996 1997

2

3

Digitalisierung und Aussenwirtschaft 1.1 Die Digitalisierung der Weltwirtschaft 1.1.1 Digitalisierung verändert die Strukturen des Handels 1.1.2 Ungehinderte grenzüberschreitende Datenübertragungen (GDÜ): die Grundvoraussetzung 1.2 Politische Reaktionen und Regulierung 1.2.1 Das offene Internet und die Netzneutralität 1.2.2 Regulierung der Datenübertragungen und digitale Handelshemmnisse 1.2.3 Extraterritoriale Rechtsanwendung 1.2.4 Regulatorische Interoperabilität und gegenseitige Angemessenheitsanerkennung 1.2.5 Entwicklungen im Wirtschaftsvölkerrecht 1.3 Herausforderungen und Chancen für die Schweiz in einer digitalen Weltwirtschaft 1.3.1 Gewährleistung grenzüberschreitender Datenübermittlungen 1.3.2 Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft 1.3.3 Cybersicherheit und Wirtschaftsspionage 1.3.4 Digitalisierung an der Grenze (DaziT) 1.3.5 Digitalisierung in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 1.3.6 Umweltdimension des digitalen Wandels in der Wirtschaft 1.4 Fazit Wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz mit Bezug zur Aussenwirtschaft 2.1 Investitionskontrollen 2.2 Unternehmensbesteuerung 2.3 Urheberrecht 2.4 Massnahmenpaket gegen die «Hochpreisinsel Schweiz» 2.5 Fair-Preis-Initiative Wirtschaftsbeziehungen mit der EU 3.1 Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU 3.1.1 Gleichwertige Regeln in der Schweiz und der EU 3.1.2 Institutionelles Abkommen (InstA) 3.1.3 Anerkennung der Äquivalenz der schweizerischen Börsenregulierung

1990

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2009 2013 2014 2015 2017 2017 2018 2018 2020 2020 2021 2021 2022 2023 2024 2024 2025 2025 2027

BBl 2020

3.2 3.3 4

3.1.4 Personenfreizügigkeit Beitrag der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten Brexit

2027 2028 2029

Internationale Organisationen 4.1 Welthandelsorganisation (WTO) 4.1.1 Reform der WTO und Sicherung des Streitschlichtungsmechanismus 4.1.2 Plurilaterale Verhandlungen 4.1.3 Verteidigung der schweizerischen Handelsinteressen 4.2 OECD und G20 4.3 Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

2030 2030

5

Bilaterale Wirtschaftsabkommen 5.1 Freihandelsabkommen 5.2 Investitionsschutzabkommen 5.3 Weitere Wirtschaftsabkommen 5.4 Gemischte Wirtschaftskommissionen

2034 2034 2035 2036 2036

6

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung 6.1 Umsetzung der Agenda 2030 6.1.1 Umsetzung in der Schweiz 6.1.2 UN High Level Political Forum on Sustainable Development 2019 6.2 Nachhaltigkeitsbestimmungen in Freihandelsabkommen 6.2.1 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EFTA-Indonesien 6.2.2 Freihandelsabkommen EFTA-Mercosur 6.2.3 Letzte Entwicklungen in Bezug auf Nachhaltigkeit in Freihandelsabkommen 6.2.4 Memorandum of Understanding über Zusammenarbeit betreffend Arbeit und Beschäftigung (Arbeitsdialoge) 6.3 Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Entwicklung 6.4 Verantwortungsvolle Unternehmensführung 6.4.1 Sorgfaltsprüfung von Unternehmen 6.4.2 Aktualisierung der Aktionspläne 6.4.3 OECD-Leitsätze und Nationaler Kontaktpunkt

2036 2036 2037

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 7.1 Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 7.2 Multilaterale Zusammenarbeit 7.3 Fördermittel für wirkungsorientierte Investitionen und stabile Kapitalmärkte 7.4 Wirksamkeitsüberprüfung der internationalen Zusammenarbeit 2017­2020

2043

7

2030 2031 2032 2032 2033

2037 2038 2038 2038 2039 2039 2040 2040 2040 2041 2042

2043 2044 2045 2046 1991

BBl 2020

8

9

Exportkontrolle, Sanktionen und Rüstungskontrollpolitik 8.1 Exportkontrolle 8.2 Sanktionsmassnahmen 8.3 Rüstungskontrollpolitik 8.3.1 Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten 8.3.2 Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer»

2046 2046 2047 2048

Beilagen zum AWB 9.1 Beilagen zur Kenntnisnahme 9.1.1 Verhandlungsthemen in der WTO 9.1.2 Laufende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen 9.1.3 Treffen von Gemischten Ausschüssen unter bestehenden Freihandelsabkommen 9.1.4 Verhandlungen bilateraler Investitionsschutzabkommen 9.1.5 Wirtschaftsmissionen, bilaterale Arbeitstreffen und Treffen von Gemischten Wirtschaftskommissionen 9.1.6 Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 9.2 Beilagen zur Genehmigung 9.2.1 Botschaft zur Genehmigung des Landwirtschaftsabkommens zwischen der Schweiz und Israel sowie der Änderung des Protokolls A über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Israel Bundesbeschluss über die Genehmigung des Landwirtschaftsabkommens zwischen der Schweiz und Israel sowie der Änderung des Protokolls A über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse zum Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Israel (Entwurf) Beschluss Nr. 1/2018 des Gemischten Ausschusses EFTA-Israel Landwirtschaftsabkommen zwischen der Schweiz und Israel 9.2.2 Botschaft zur Genehmigung des Handelsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich und des Zusatzabkommens über die Einbeziehung Liechtensteins in das Handelsabkommen Bundesbeschlus über die Genehmigung des Handelsabkommens zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich und des Zusatzabkommens über die Einbeziehung Liechtensteins in das Handelsabkommen (Entwurf)

2050 2050 2050 2051

1992

2048 2048

2052 2055 2056 2058 2058

2059

2073 2075 2077

2081

2115

BBl 2020

9.2.3

9.2.4 9.2.4

Handelsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaftund dem Vereinigten Königreich von Grossbritannienund Nordirland Zusatzabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland und dem Fürstentum Liechtenstein über die Einbeziehung des Fürstentums Liechtenstein in gewisse Bestimmungen des Handelsabkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland Botschaft zur Genehmigung des Abkommens mit der Türkei im Rahmen des Allgemeinen Präferenzensystems Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und der Türkei im Rahmen des Allgemeinen Präferenzensystems (Entwurf) Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Türkei über die Ursprungskumulierung zwischen der Europäischen Union, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dem Königreich Norwegen und der Republik Türkei im Rahmen des Allgemeinen Präferenzensystems Beilage 9.2.4 Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2019 Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

2117

2179 2187 2197

2199 2205 2207 2011

1993

BBl 2020

Abkürzungsverzeichnis AS

Amtliche Sammlung des Bundesrechts

BIP

Bruttoinlandprodukt

BFI

Bildung, Forschung und Innovation

CLOUD

Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act der USA

CPTPP

Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership

DLT

Distributed Ledger Technology

DSGVO

Datenschutzgrundverordnung der EU

DSTRI

Digital Services Trade Restrictiveness Index der OECD

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EKBV

Einzelkulturbeitragsverordnung vom 23. Oktober 2013 (SR 910.17)

FHA

Freihandelsabkommen

GDÜ

Grenzüberschreitende Datenübermittlungen

GVC

Global Value Chains, Globale Wertschöpfungsketten

G20

Gruppe der Zwanzig (Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Südkorea, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Türkei, USA)

GATS

Allgemeines Abkommen vom 15. April 1994 über den Handel mit Dienstleistungen (SR 0.632.20 Anhang 1 B; General Agreement on Trade in Services)

IAO

Internationale Arbeitsorganisation

IEEE

Institute of Electrical and Electronics Engineers

IKT

Informations- und Kommunikationstechnologie

INSTA

Institutionelles Abkommen zwischen der Schweiz und der EU

ISA

Investitionsschutzabkommen

ISP

Internet Service Provider

MoU

Memorandum of Understanding

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

MRA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81, Mutual Recognition Agreement)

1994

BBl 2020

OECD

Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

TRIPS

Handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights)

UNCITRAL

Kommission der Vereinten Nationen für das internationale Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law)

UNCTAD

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organization)

USMCA

United States-Mexico-Canada-Agreement

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organization)

ZTG

Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 (SR 632.10)

1995

BBl 2020

Bericht 1

Digitalisierung und Aussenwirtschaft

1.1

Die Digitalisierung der Weltwirtschaft

Technologische Fortschritte in der Informations-und Kommunikationstechnik (IKT), leistungsfähigere Infrastrukturen sowie technische Entwicklungen wie Cloud Computing, künstliche Intelligenz, Big Data und das Internet der Dinge prägen die Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts. Während in ihren Anfängen die Vereinfachung von Prozessen durch IKT im Vordergrund stand, kann die seit den letzten rund zehn Jahren beschleunigte digitale Transformation zunehmend als «Digitalisierung von Allem»1 bezeichnet werden. Diese betrifft die gesamte Wirtschaft und verändert Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse, Konsumgewohnheiten und die Arbeitswelt.

Nach dem Übergang von einer industrie- zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft findet heute eine Transformation zu einer Informationswirtschaft statt. Dieser Prozess hat verschiedene Bezeichnungen erhalten, etwa «Industrie 4.0.»2, «Vierte industrielle Revolution»3, «Digitale Transformation»4. Die Grundaussagen dieser Konzepte gleichen sich: Es handelt sich nicht nur um die Verbesserung und Beschleunigung des Bestehenden, sondern um grundlegenden, qualitativen Wandel.

Der Bundesrat will gute Rahmenbedingungen schaffen, damit die Digitalisierung nachhaltig zu Sicherung und Ausbau des Wohlstandes beitragen kann. 5 Bereits im Aussenwirtschaftsbericht 2016 hob der Bundesrat die Bedeutung der Digitalisierung für den Wirtschaftsstandort hervor.6 Dieses Kapitel geht auf jüngste Entwicklungen im digitalen Handel7 und die potentiellen Auswirkungen auf die Schweiz ein.

1 2 3 4

5

6 7

Vgl. Ernst&Young, The Digitisation of Everything, London 2011.

Deutsches Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF, Industrie 4.0., www.bmbf.de > Forschung > Digitale Wirtschaft und Gesellschaft > Industrie 4.0 Schwab Klaus, Die vierte industrielle Revolution, München 2016.

Dies entspricht der Terminologie des Bundesrates. Vgl. Zielbild für die digitale Transformation der Bundesverwaltung und den Aufbau der digitalen Infrastrukturen.

www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/55503.pdf Vgl. Legislaturplanung 2015­2019, Ziel 3 sowie Legislaturplanung 2019­2023, Leitlinie 1 «Die Schweiz sichert ihren Wohlstand nachhaltig und nutzt die Chancen der Digitalisierung»; Bericht des Bundesrats über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft, 2017.

Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2016, Ziffer 1 «Chancen der Globalisierung und Digitalisierung nutzen».

Bislang gibt es keine allgemein anerkannte Definition des digitalen Handels bzw.

des teilweise verwendeten Begriffs E-Commerce. Im Grundsatz werden darunter durch digitale Mittel unterstützte wirtschaftlich motivierte grenzüberschreitende Transaktionen verstanden.

1996

BBl 2020

1.1.1

Digitalisierung verändert die Strukturen des Handels

Digitale Transaktionen spielen heute eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen Austausch. Die Zunahme des Transaktionsvolumens und der Aufstieg neuer Akteure und Geschäftsmodelle verändern zunehmend auch jene Wirtschaftsbereiche, die bislang weniger von der Globalisierung betroffen waren ­ etwa im Bereich der persönlichen Dienstleistungen und unternehmensinterner Dienste.8 Die internationale Arbeitsteilung nimmt weiter zu. Einzelne Produktionsschritte finden in verschiedenen Ländern und Regionen statt. Nicht mehr nur das Endprodukt, sondern insbesondere auch Zwischenprodukte und Halbfabrikate werden international gehandelt.9 Diese globalen Wertschöpfungsketten (Global Value Chains, GVC), in welche die schweizerische Wirtschaft überdurchschnittlich integriert ist10, werden durch die fortschreitende Digitalisierung verändert. Ein auf grenzüberschreitenden Datenübermittlungen (GDÜ) basierender digitaler Faden zieht sich zunehmend durch die gesamte Wertschöpfungskette ­ von Forschung und Entwicklung, Design, Produktion, Transport und Logistik bis hin zur Nutzung durch den Endkunden.11

8 9 10 11

Vgl. etwa Baldwin Richard, The Globotics Upheaval, London 2019.

Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2014, Schwerpunktkapitel «Wirtschaftliche Auswirkungen der globalen Wertschöpfungsketten».

Nathani Carsten et al., Die Volkswirtschaftliche Bedeutung der globalen Wertschöpfungsketten für die Schweiz, Studie im Auftrag des SECO, Bern 2014.

Darstellung ergänzt nach: OECD, Trade and Cross Border data flows, Juni 2019.

1997

BBl 2020

Die Nutzung digitaler Technologie verringert unter anderem die Transaktionskosten, verbessert und beschleunigt die Koordination von Produktionsprozessen, erleichtert die Erschliessung grösserer Märkte und ermöglicht das Erzielen von Skalen- und Netzwerkeffekten ebenso wie die Personalisierung von Produkten beziehungsweise die Rückkopplung der Produktentwicklung an das Nutzerverhalten. Dadurch vertieft sich die digitale Integration der Produktion und des Handels. Diese Entwicklung wird durch Technologien wie etwa Blockchain (Distributed Ledger Technology, DLT) oder den Einsatz künstlicher Intelligenz wesentlich beeinflusst. Zu nennen ist etwa das Potential der DLT für die Handelsfinanzierung, die Rückverfolgbarkeit natürlicher Rohstoffe oder im Energie- und Transportbereich.

Die physische Präsenz eines Anbieters in einem Markt wird durch den technologischen Fortschritt weniger wichtig. Digitale Produkte und Dienstleistungen werden einfacher handelbar. Während hinsichtlich der statistischen Erfassung dieser Prozesse weltweit Divergenzen hinsichtlich Berechnungsart und Ergebnissen bestehen, kommuniziert die WTO ein Wachstum der weltweiten Dienstleistungsexporte von 7,4 Prozent im Jahr 2017 (gegenüber 10,7 % für Warenexporte im selben Zeitraum, wobei das Wachstum im Dienstleistungshandel in der Tendenz dynamischer ist). 12 Dadurch bieten sich Chancen für weitere Produktivitätssteigerungen, etwa durch Outsourcing13 bislang interner Dienste wie Buchhaltung, IT und Kundendienst. Dies schafft Möglichkeiten gerade auch für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) und erleichtert Entwicklungsländern den Zugang zu Märkten und die Einbindung in das globale Produktions- und Handelssystem (vgl. Ziff. 1.3.5).

Während sich ein Teil des digitalen Handels in durchgehend digitaler Form abspielt, verändern digitale Technologien auch die «analoge» Wirtschaft. Die Trennung zwischen dem Handel mit Waren und Dienstleistungen verschwimmt durch die Digitalisierung.14 Sei dies an den Produkten selbst ­ etwa durch additive Fertigung (3-D-Druck)15 ­ oder an der zunehmenden Bündelung von Waren und Dienstleistungen (z. B Aufzüge, die mit Wartungs- und Überwachungsdienstleistungen vermarktet werden). Die Warenproduktion integriert zunehmend Wertschöpfung aus von Dritten erbrachten Dienstleistungen. Zudem konvergieren digitale
Dienstleistungen: Der Zugang durch die Konsumentinnen und Konsumenten kann über immer weniger Endgeräte (etwa Smartphones) erfolgen, Plattformen bieten eine breitere Palette an (etwa Zahlungen über soziale Netzwerke) und treten in Wettbewerb mit etablierten Anbietern in den betroffenen Sektoren.16 Immaterielle Wertträger und geistiges Eigentum werden insbesondere für wissensbasierte Volkswirtschaften wie die Schweiz bedeutender (vgl. Ziff. 2.3).

12 13 14 15

16

Vgl. www.wto.org > news and events > press releases > 2018 > strong trade growth in 2018 rest on policy choices.

Bericht über die zentralen Rahmenbedingungen der digitalen Wirtschaft, Bericht des Bundesrates vom 11. Januar 2017.

Vgl. Bericht des Bundesrates in Beantwortung des Po 11.3461 Pfister.

Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen ­ Chancen und Risiken, Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Postulate 15.3854 Reynard vom 16. September 2015 und 17.3222 Derder vom 17. März 2017.

Vgl. etwa Körber Torsten, Analoges Kartellrecht für digitale Märkte?, Wirtschaft und Wettbewerb, Bd. 65, Nr. 2, S. 120­132.

1998

BBl 2020

Der Handel mit auf Onlineplattformen gehandelten Kleinsendungen hat markant zugenommen, trotz weiterbestehender Zollschranken. 2015 wurde das weltweite Versandvolumen auf ca. 260 Milliarden US-Dollar geschätzt, wobei ein überwiegender Teil inländisch war (ca. 76 %). Das Volumen der grenzüberschreitenden Versände wächst indes beinahe doppelt so schnell wie der inländischen. Die OECD geht von einem Wachstum von 25 Prozent pro Jahr bis 2020 aus.17 Der Bundesrat hat am 4. September einen Bericht verabschiedet, in dem er verschiedene Massnahmen beurteilt, mit welchen den Herausforderungen bei der Verzollung im grenzüberschreitenden Online-Handel begegnet werden soll.18 Die Digitalisierung wirft zudem wettbewerbspolitische Fragen auf. So entstehen neue zwei- oder mehrseitige Märkte19 durch digitale Plattformen, wobei Anbieter wie auch Nachfrager tendenziell von einer Konzentration auf wenige Dienste profitieren und demzufolge marktmächtige Stellungen entstehen können. Wichtige Märkte, beispielsweise jener für Cloud- oder Such-Dienste werden von wenigen globalen Anbietern dominiert, allen voran aus den USA. Dies kann neben durchaus positivem Kundennutzen unter anderem auch zu erhöhten Kosten eines Anbieterwechsels (sog.

Vendor Lock-In) und damit Abhängigkeiten führen. Aufgrund noch unklarer Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt werden wettbewerbspolitische Eingriffe mit begründeter Zurückhaltung diskutiert.

1.1.2

Ungehinderte grenzüberschreitende Datenübertragungen (GDÜ): die Grundvoraussetzung

Der digitale Handel ist auf GDÜ angewiesen, die den digitalen Faden in Wertschöpfungsketten, die digitale Dienstleistungserbringung sowie die Teilhabe der Konsumentinnen und Konsumenten ermöglichen.

Die globale Geographie und Dynamik der GDÜ unterscheidet sich fundamental von jener der analogen Handelsströme. Daten werden bei der Übermittlung in einzelne Pakete aufgeteilt, die auf verschiedenen elektronischen Wegen zum Adressaten gelangen.20 Sie folgen dabei der Netzkapazität. 21 Auch vermeintlich innerstaatliche Transaktionen sind dabei häufig grenzüberschreitend. Wird etwa in der Schweiz ein Online-Dienst eines Schweizer Anbieters aufgerufen, kann die Anfrage an einen oder mehrere Server im Ausland gehen, etwa wenn der Anbieter ausländische Dienstleistungen nutzt. Dasselbe gilt für die Datenspeicherung. Bei der Nutzung sogenannter Cloud-Dienste können Daten zeitgleich an verschiedenen Orten gespei17 18 19

20 21

www.oecd.org > trade > opinion > parcels trade: the good, the bad, and the ugly?

Gleich lange Spiesse für alle Online-Versandhändler, Bericht des Bundesrates vom 4. September 2019 in Erfüllung des Postulates 17.4228, Moser vom 15. Dezember 2017.

Zwei- oder mehrseitige Märkte finden auf von einem oder mehreren Unternehmen angebotenen Plattformen statt, auf welchen unterscheidbare Nutzergruppen zusammenkommen. Die Inanspruchnahme der Plattform wird durch Netzwerkeffekte beeinflusst.

Das bedeutet, je mehr Teilnehmer einer Gruppe die Plattform einsetzen, desto attraktiver wird die Plattform für die Nutzer der anderen Gruppen und umgekehrt.

Vgl. etwa van Schewick Barbara, Internet Architecture and Innovation, MIT Press 2012.

BAKOM, Bericht zur Arbeitsgruppe Netzneutralität vom 23. Oktober 2014.

1999

BBl 2020

chert («gespiegelt» oder «dupliziert») sein. 22 Das heute bestehende Internet und die darüber stattfindenden wirtschaftlichen Transaktionen sind deshalb darauf angewiesen, dass Daten möglichst ungehindert grenzüberschreitend fliessen können. Gleichzeitig stellen sich Fragen der Regulierungshoheit etwa hinsichtlich Datenschutz sowie dem Ort der Besteuerung digital erwirtschafteter Gewinne (vgl. Ziff. 1.3.2).

Das Volumen der GDÜ weist ein ungebrochen exponentielles Wachstum auf23. So geht die OECD davon aus, dass bereits 2015 das Gesamtvolumen der globalen Datenübertragung bei 8 Zettabytes24 stand ­ was einer Verachtfachung seit 2010 entspricht.25 Schätzungen gehen zurzeit davon aus, dass sich dieses Volumen bis 2020 annähernd vervierzigfachen wird. Die unmittelbare kommerzielle Verwertbarkeit dieser Daten ist allerdings schwer zu bestimmen.

1.2

Politische Reaktionen und Regulierung

Die Regulierung der digitalen Wirtschaft entwickelt sich weltweit sehr rasch, uneinheitlich und in verschiedensten Bereichen. Sie setzt auf den drei Ebenen des Internets an: der physischen (der Netzwerke und Infrastrukturen), der logischen (der digitalen Infrastruktur, also der Protokolle und Algorithmen) sowie der inhaltlichen (der Daten, Produkte und Dienstleistungen).26 Die globale Natur des Internets und die nationalen Gesetzgebungen stehen dabei in einem Spannungsverhältnis. Völkerrechtliche Lösungen können deshalb einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten. Entsprechend befassen sich multilaterale Fora (OECD, G20, WTO) seit längerem mit der Thematik. Bislang fand die wirtschaftsvölkerrechtliche Regelsetzung aber in erster Linie in bilateralen und regionalen Wirtschafts- und Handelsabkommen statt (vgl. Ziff. 1.2.5). Dies birgt die Gefahr einer Fragmentierung in regionale Regelwerke.27 Global abweichende Ansätze: Tendenz zur Blockbildung?

Unterschiedliche Regulierungsansätze hinsichtlich GDÜ (vgl. Ziff. 1.2.2) führen tendenziell zu einer Blockbildung zwischen gleichgesinnten Staatengruppen. Zum einen lässt sich eine solche um die USA identifizieren, die selbst bislang28 über keinen ausgebauten rechtlichen Rahmen etwa hinsichtlich des Datenschutzes verfü22 23

24 25 26 27 28

www.kmu.admin.ch > Leitfaden Cloud-Computing.

Handelsstatistiken weisen bislang digital gehandelte Waren und Dienstleistungen nicht spezifisch aus. Während etwa an der OECD Bemühungen für eine genauere Erfassung laufen, vgl. OECD, Measuring the Digital Transformation, A Roadmap for the Future, 11 März 2019, verfügbar unter: www.oecd-ilibrary.org/science-and-technology/ measuring-the-digital-transformation_9789264311992-en Deshalb können derzeit nur einzelne Aspekte hervorgehoben werden.

Zum Vergleich: Ein Gigabyte entspricht 109 Bytes. Ein Zettabyte ist 1021 Bytes.

OECD, «Data-driven Innovation: Big Data for Growth and Well-being», OECD Publishing, 2015.

Nach Benkler/Lessig.

Vgl. auch Lionnet Philippe, Weltwirtschaft und Handel: Fortschreitende Normierung oder neue Gräben?, in: Die Volkswirtschaft, Nr. 8­9, 2019.

In verschiedenen Bundesstaaten (z. B Kalifornien) laufen entsprechende Gesetzgebungsprozesse.

2000

BBl 2020

gen und eine liberale Ausrichtung des Handelsrechts zu GDÜ sowie den Abbau und die Verhinderung von Beschränkungen anstreben. Im Gegensatz dazu steht eine Gruppe unter anderen um China, Russland, die Türkei und Vietnam. Diese vertritt eine restriktive Vision der Internetkontrolle (stellenweise als Cybersouveränität bezeichnet), um Eingriffe in GDÜ zu rechtfertigen. Ähnliche Tendenzen werden auch in einigen europäischen Staaten erkennbar.29 Im Übrigen bilden die EU und die EWR/EFTA-Staaten aber eine weitere Gruppe, deren Fokus auf der Sicherung von Individualrechten wie dem Schutz persönlicher Daten liegt. Während Lokalisierungsverpflichtungen für nicht-personenbezogene Daten vor allem von der EU als protektionistisch abgelehnt werden, steht sie völkerrechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich GDÜ insgesamt kritisch gegenüber, da ein Spannungsfeld mit ihrem Datenschutzrecht besteht.30 Die Schweiz ist unter anderem aufgrund ihrer datenschutzrechtlichen Ausrichtung grundsätzlich dieser Gruppe zuzurechnen.

1.2.1

Das offene Internet und die Netzneutralität

Das Internet ist weltumspannend, dabei aber auf physischer Ebene aus einer Vielzahl einzelner Netzwerke zusammengesetzt. In jedem dieser Netzwerke sind verschiedene Anbieter (Internet Service Providers, ISP), etwa nationale Telekommunikationsgesellschaften tätig. Das Grundprinzip der Datenübertragung ist Best Effort: alle Daten werden unabhängig von Sender, Empfänger, Zweck oder Inhalt gleich übermittelt, solange ausreichende Kapazitäten bestehen. Wer weltweit Daten übermittelt, braucht entsprechend keine Vereinbarungen mit einzelnen ISP. Diese arbeiten zudem auf der logischen Ebene weitgehend interoperabel. Diese Netzneutralität hat zahllose Innovationen erst ermöglicht und das offene Internet als die zentrale Kommunikationsinfrastruktur der Globalisierung etabliert.

Um dieses Grundprinzip weiterhin zu gewährleisten, gilt es, diskriminierenden Eingriffen in den Datenverkehr vorzubeugen. Eine Herausforderung liegt in den unterschiedlichen Bedürfnissen bezüglich der Bandbreite der Datenübermittlung ­ Videodienste wie Netflix und Youtube verursachen bereits heute über die Hälfte der GDÜ nach Datenvolumen.31 Wichtige Anbieter können etwa mit sogenannten «Leased Lines» privilegierte Verbindungen nutzen und bereitstellen. Preisdifferenzierungen hinsichtlich der gewährten Bandbreite bestehen schon heute, auch wenn diese teilweise umstritten sind. Gewisse ISP gewähren zudem ihren Kunden selektiv verbilligten Zugang zu gewissen Diensten (sog. «Zero Rating»).

29 30

31

Vgl. Leigh Karen, Kravchenko Stepan und Rai Saritha, How `Cybersovereignty' Splits the Once World Wide Web, Bloomberg, 2. Mai 2019.

Innerhalb des digitalen Binnenmarktes der EU wurde der freie Verkehr nichtpersonenbezogener Daten per 28. Mai 2019 beschlossen. Vgl. Verordnung (EU) 2018/1807 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 über einen Rahmen für den freien Verkehr nicht-personenbezogener Daten in der Europäischen Union, ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 59.

Sandvine, Internet Phenomena Report, 2018.

2001

BBl 2020

Die rechtliche Verankerung der Netzneutralität ist regional unterschiedlich. Die USA nehmen derzeit Abstand von einer verbindlichen Regelung der Netzneutralität.32 In der EU wurde demgegenüber das Prinzip rechtlich verankert. 33 Gleichzeitig sind Eingriffe in die Netzneutralität in anderen Ländern nicht ungewöhnlich. Insbesondere in China wurde mit dem Cyber Security Law von 2016 eine umfassende rechtliche Grundlage für staatliche Eingriffe verabschiedet, die bis hin zu einer vollständigen Sperrung von aus- und inländischen Diensten reicht. Zudem begrenzen immer öfter Regierungen aus politischen Gründen den Zugang zum Internet.34 Dies betrifft etwa die Verletzung der Netzneutralität während des Wahlkampfes in Venezuela, die Abschaltung des Internets im Irak und Kamerun, aber auch die gezielte Sperrung von Seiten in Spanien im Umfeld der Referendumsabstimmung in Katalonien. In der Schweiz gilt künftig der Grundsatz des im Berichtsjahr revidierten Fernmeldegesetzes35: Alle Daten sollen gleichbehandelt werden, Anbieter sollen aber bei Spezialdiensten die Angebote flexibel gestalten können, solange dies die Qualität der Internetverbindung nicht verschlechtert.36

1.2.2

Regulierung der Datenübertragungen und digitale Handelshemmnisse

Digitale Handelshemmnisse treten weltweit zunehmend in Erscheinung. Die OECD stellt auf der Grundlage des Digital Services Trade Restrictiveness Index (DSTRI) fest, dass sieben der G20-Staaten 2018 den internationalen Handel mit digitalen Dienstleistungen stärker einschränkten als noch 2014. Nur drei Staaten sind liberaler geworden.37 Der Index erfasst Massnahmen mit handelsverzerrender Wirkung, die sich in einer digitalisierten Welt akzentuieren. Dies sind etwa Vorschriften, welche die qualifizierte Schriftlichkeit von Dokumenten, eine Niederlassungspflicht oder die Bestimmung eines gesetzlichen Vertreters im Zielmarkt verlangen. Bei gebündelten Gütern ergibt sich eine Interdependenz zwischen dem Marktzugang sowohl für die Ware wie auch die Dienstleistungserbringung.38 Kann etwa die mit einer Maschine verbundene Wartung nur erschwert erbracht werden, erwächst den Anbietern solcher Maschinen ein Wettbewerbsnachteil.

32

33 34

35 36

37 38

Während die US-Regulierungsbehörde FCC 2014 Vorschläge für Open Internet Principles vorgelegt hatte, wurden diese inzwischen durch die eher Transparenz- und marktorientierte Restoring Internet Freedom Order ersetzt.

Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet.

Von 2016­2018 wurden 371 teilweise oder vollständige Zugangssperren registriert, die meisten davon in Asien, www.accessnow.org. Vgl. Kormann Judith, Kelen Joana, NZZ vom 9. Juli 2019.

Fernmeldegesetz (SR 784.10).

Spezialdienste sind von Providern zusätzlich zum Internetanschluss angebotene Dienste, welche über dieselbe Leitung übertragen werden ­ etwa die Sprachtelefonie über Mobilfunk der vierten Generation (VoLTE) und bestimmte Fernsehdienste (IPTV).

Vgl. www.bakom.admin.ch > Das BAKOM > Organisation > Rechtliche Grundlagen > Bundesgesetze > FMG-Revision 2019.

OECD Digital Services Trade Restrictiveness Index (DSTRI), 2018, www.oe.cd/stri-db.

Wobei der Dienstleistungsteil nicht zwingend digital sein muss: eine besondere Bedeutung kommt gerade bei Wartungsarbeiten der personengebundenen Dienstleistungserbringung zu.

2002

BBl 2020

Darüber hinaus ergreift eine zunehmende Zahl von Ländern Massnahmen auf der inhaltlichen Ebene des Internets. Diese haben die gezielte Einschränkung von GDÜ zum Gegenstand (z. B. direkte Zugriffsbeschränkungen oder Lokalisierungsanforderungen, welche die Speicherung gewisser Daten innerhalb einer Jurisdiktion verlangen). Die folgende Grafik39 zeigt die Tendenz zur Zunahme an solcher Regulierung.

Die Motive für solche Massnahmen sind unterschiedlich. Zum einen kann dies der Schutz der Privatsphäre sein. Darüber hinaus kann etwa die erzwungene Lokalisierung gewisser Daten mit der Begründung erfolgen, dass nur so der Zugriff durch Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden und die Durchführung von Audits gewährleistet ist. Zudem können Einschränkungen auch aus Zwecken des Schutzes nationaler Sicherheitsinteressen erfolgen. Während entsprechende Ausnahmebestimmungen im WTO-Recht und präferenziellen Handelsabkommen vorgesehen sind, besteht ein Missbrauchspotential. Das technische und regulatorische Instrumentarium zur Beschränkung der GDÜ kann auch für industrie- und wirtschaftspolitische Zwecke genutzt werden, etwa zum Schutz einheimischer Anbieter vor ausländischer Konkurrenz.40 Es wird deshalb auch von Vorboten eines digitalen Protektionismus41 gesprochen.

1.2.3

Extraterritoriale Rechtsanwendung

Die grenzüberschreitende Natur des digitalen Handels steht in einem Spannungsfeld zum Territorialitätsprinzip, also der ausschliesslichen Zuständigkeit rechtsanwendender Behörden in ihrem Staatsgebiet. Dies zeigt sich etwa an der extraterritorialen 39

40 41

Datenregulierungen betreffen beispielsweise grenzüberschreitende Datenübertragungen sowie Lokalisierungs-anforderungen für die Datenspeicherung. Die Zahl der Regeln hängt von der Struktur der innerstaatlichen Regeln eines Landes ab. Quelle: Casalini and Lopez-Gonzalez (2019), «Trade and cross-border data flows».

Vgl. Aaronson Susan Ariel, What we are talking about when we discuss digital protectionism?, Institute for International Economic Policy Working Paper Series, Juli 2017.

Vgl. etwa Aaronson.

2003

BBl 2020

Anwendung von Regeln, wobei auf den Ursprung der betroffenen Daten abgestellt wird. So verpflichtet die Datenschutzgrundverordnung42 (DSGVO) der EU auch Personen mit Sitz im Ausland, die Waren und Dienstleistungen an Kunden im EUBinnenmarkt anbieten und dabei deren persönliche Daten verarbeiten. Die DSGVO harmonisiert das Datenschutzrecht in der EU und ist das global am weitesten entwickelte Regelwerk im Bereich des Datenschutzes. Sie könnte sich aufgrund der Bedeutung des EU-Binnenmarktes und der extraterritorialen Anwendbarkeit als internationaler Standard etablieren.43 Ein weiteres Beispiel ist der US-Clarifying Lawful Overseas Use of Data (CLOUD) Act vom 23. März 2018. Dieser verpflichtet amerikanische Firmen, US-Ermittlungsbehörden auch dann direkten Zugriff auf Daten zu gewährleisten, wenn deren Speicherung nicht in den USA selbst erfolgt. Er sieht ausserdem vor, dass bilaterale Abkommen (sogenannte Executive Agreements) ausgehandelt werden können, um die Modalitäten solcher Behördenanfragen und der Datenherausgabe auf Grundlage der Reziprozität zu regeln. Da die Datenspeicherung in der Schweiz an wirtschaftlicher Bedeutung gewinnt und die Datenverarbeitung Teil des Tagesgeschäftes international tätiger Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ist, hat diese extraterritoriale Rechtsanwendung potentiell direkte Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen und damit den Wirtschaftsstandort.

1.2.4

Regulatorische Interoperabilität und gegenseitige Angemessenheitsanerkennung

Ob aus Sicht eines ausländischen Regulators schützenswerte Daten in der Schweiz verarbeitet werden dürfen, wird zunehmend auch von der Beurteilung des schweizerischen Rechtsrahmens durch ausländische Behörden abhängen. Dies wird von Bedeutung für alle schweizerischen Unternehmen sein, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit ausländische Kundendaten verarbeiten. Für die Schweiz steht diesbezüglich die DSGVO im Vordergrund. Die Europäische Kommission ist auf Grundlage der DSGVO befugt festzustellen, ob ein Drittstaat ein angemessenes Datenschutzniveau bietet, das den Austausch von Personendaten ohne weitere Auflagen erlaubt.44 Bei einem Angemessenheitsbeschluss handelt es sich um einen unilateralen Akt der EU-Kommission, gegen den ein betroffener Staat kein Rechtsmittel einlegen kann.45 Der die Schweiz betreffende, für die Schweizer Wirtschaft 42

43

44

45

Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG.

So haben sich bislang etwa Australien (Privacy Amendment) und Brasilien (Lei Geral de Proteçao de Dados) bei der Ausgestaltung ihres nationalen Datenschutzrechts an der DSGVO orientiert. Auch der California Consumer Privacy Act des US-Bundesstaates Kalifornien lehnt sich unter anderem an die DSGVO an.

Art. 25 DSGVO. Bislang wurden Andorra, Argentinien, Kanada (Handelsorganisationen), die Färöer, Guernsey, Israel, die Isle of Man, Japan, Jersey, Neuseeland, die Schweiz, Uruguay und die USA (beschränkt auf den Rahmen des Privacy Shield) anerkannt.

Mit Japan schloss die EU im Berichtsjahr Gespräche über die Angemessenheit ab, mit Südkorea laufen entsprechende Gespräche noch.

Vergleichbar mit Angemessenheitsentscheidungen in anderen Bereichen, etwa der Finanzmarktregulierung. Vgl. Mitteilung der EU-Kommission über die Gleichwertigkeit im Finanzdienstleistungsbereich vom 29. Juli 2019.

2004

BBl 2020

sehr bedeutsame Entscheid über den Fortbestand des Angemessenheitsbeschlusses steht voraussichtlich 2020 an (vgl. Ziff. 1.3.1). Umgekehrt bedarf die auflagenfreie Übermittlung von Personendaten aus der Schweiz ebenfalls einer Anerkennung des jeweiligen Schutzniveaus durch den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB)46. Setzt sich dieser Trend fort, wird sich vermehrt die Frage stellen, ob verschiedene nationale Datenschutzvorschriften miteinander vereinbar sind ­ womit wiederum die Frage nach internationalen Standards verknüpft ist.

1.2.5

Entwicklungen im Wirtschaftsvölkerrecht

Handelsrelevante Aspekte der Digitalisierung sind seit Mitte der Neunziger Jahre Gegenstand des internationalen Handels- und Wirtschaftsrechts.47 Bislang haben es die multilateralen Institutionen allerdings nicht vermocht, mit gemeinsamen Regeln der Zunahme potentiell handelsbeschränkender Massnahmen entgegenzutreten. Die vorhandenen und wachsenden Divergenzen zwischen Regionen und Staaten mit unterschiedlicher Regulierungstradition zeigen die Notwendigkeit von gemeinsamen Minimalstandards auf, um gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen.

Bilaterale und regionale Freihandelsabkommen Bilaterale und regionale Handelsabkommen enthalten zunehmend Bestimmungen, welche die Regelung des digitalen Handels zum Gegenstand haben.48 Wie nachfolgende Grafik49 zeigt, umfasst dieser Trend allgemeine Regeln zum E-Commerce wie auch spezifische Bestimmungen zu GDÜ. Sie sind eine wichtige Rechtsquelle geworden, wobei sie nur die beteiligten Staaten binden.

46 47 48

49

www.edoeb.admin.ch > Datenschutz > Handel und Wirtschaft > Übermittlung ins Ausland.

Vgl. Burri/Cottier, Digital technologies and international trade regulation, in: Burri/Cottier, Trade governance in the digital age, Cambridge 2015, S. 1­14.

World Trade Institute, Universität Bern, TAPED-Datenbank. Vgl. auch: Elsig Manfred, Klotz Sebastian, Data flow-related provisions in preferential trade agreements, preliminary draft 2018.

Quelle: TAPED-Datenbank.

2005

BBl 2020

Im Vergleich zu älteren Abkommen sehen das umfassende Wirtschaftsabkommen Comprehensive and Progressive Trans-Pacific Partnership (CPTPP) und das 2018 abgeschlossene United States-Mexico-Canada-Agreement (USMCA) eine substantielle Vertiefung der Regeln zum digitalen Handel vor.50 So verpflichten sich die Parteien dieser Abkommen etwa, keine willkürlichen Einschränkungen von GDÜ einzuführen oder keine Lokalisierung der Datenverarbeitung zu verlangen. Einschränkungen auf der Grundlage überwiegender öffentlicher Interessen bleiben möglich, unterstehen allerdings einer Verhältnismässigkeitsprüfung. Weitere Bestimmungen betreffen etwa die Nichtdiskriminierung digitaler Produkte nach deren Ursprung, die Anerkennung digitaler Signaturen als mit handschriftlichen gleichwertig, das unbefristete Verbot der Erhebung von Zöllen auf elektronischen Übermittlungen sowie die erzwungene Bekanntgabe des Quellcodes von Software als Bedingung für den Marktzugang. Diese beiden Abkommen haben damit neue handelsrechtliche Standards etabliert.

Auch die jüngsten FHA der EU mit der Türkei und Mexiko weisen Weiterentwicklungen im Bereich des digitalen Handels auf, reflektieren aber den eher restriktiven regulatorischen Ansatz bezüglich der Übermittlung von Personendaten. Der Bundesrat prüft, inwiefern die FHA der Schweiz in Zukunft in diesem Bereich weiterentwickelt werden sollen (vgl. Ziff. 1.3.1). Die Gleichwertigkeit der schweizerischen Datenschutzgesetzgebung (vgl. Ziff. 1.2.4 und 1.3.1) mit dem EU-Rechtsrahmen wird die Ausrichtung der Schweizer Position in dieser Frage entscheidend prägen.

50

Vgl. auch Burri Mira, Wie soll man die globalen Datenflüsse regulieren, in: Die Volkswirtschaft, Nr. 8­9, 2019.

2006

BBl 2020

Plurilaterale E-Commerce-Verhandlungen an der WTO Die WTO bietet einen wichtigen rechtlichen und institutionellen Rahmen, um längerfristig globale Regeln für den digitalen Handel zu etablieren. Ihre Grundprinzipien der Nicht-Diskriminierung (Meistbegünstigung und Inländerbehandlung) sowie der Transparenz sind auch für den digitalen Handel bedeutsam. Die WTOStreitbeilegungsorgane haben bereits Sachverhalte des Handels mit digitalen Dienstleistungen im Licht des WTO-Rechts untersucht und bindende Urteile erlassen.51 Seit Mai des Berichtsjahres verhandeln 82 WTO-Mitglieder52, darunter die Schweiz, im Rahmen einer plurilateralen Initiative Klärungen und Ergänzungen der WTORegeln bezüglich dem digitalen Handel53. Ziel der Verhandlungen ist es, den digitalen Handel zu fördern, indem unnötige Handelshemmnisse und ungerechtfertigter Protektionismus vermieden werden und gleichzeitig gemeinsame Grundprinzipien für die innerstaatliche Regulierung (z. B Lokalisierung) entwickelt werden. Ausgangspunkt sind die bestehenden Normen in bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen. Die Verhandlungen sind zurzeit thematisch breit und umfassen Themen des digitalen Handels wie etwa die Anerkennung digitaler Signaturen, die Lokalisierung der Datenspeicherung und den Konsumentenschutz (etwa die Bekämpfung von Spam). Entsprechend setzen sich die beteiligten Mitglieder mit den unterschiedlichsten Regulierungsansätzen (vgl. Ziff. 1.2.2) auseinander. Die Schweiz nimmt aktiv an den Verhandlungen teil. Die Verhandlungsgruppe, die rund 90 Prozent des Welthandels repräsentiert, hat das Potential, Regeln mit globaler Wirkung zu etablieren.

Globaler Umgang mit neuen Technologien Die aktuellen technologischen Entwicklungen und die damit einhergehenden Herausforderungen sind globaler Natur. Beispiele sind die DLT, Cloud Computing und die künstliche Intelligenz. Entsprechend sind sie zu vieldiskutierten Themen auf der internationalen Agenda (z. B. UNO, UNESCO, Europarat und die EU sowie technische Gremien wie die Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) Standards Association) geworden. Die OECD hat als erste internationale Organisation im Mai des Berichtsjahres auf Ministerebene grundlegende Empfehlungen für den Umgang mit künstlicher Intelligenz verabschiedet. Diese umfassen unter anderem die Respektierung
demokratischer Werte und der Menschenrechte, Transparenz, Erklärbarkeit, Haftbarkeit und Sicherheitsaspekte.54 Das Thema Digitalisierung wird auch von Entwicklungsländern aufgegriffen. Dies, weil sie Chancen sehen, von

51 52

53

54

U. a. Mexico-Telecoms, US-Gambling, China-Audiovisual products.

Albanien, Argentinien, Australien, Bahrain, Benin, Brasilien, Brunei Darussalam, Chile, China, Côte d'Ivoire, Costa Rica, El Salvador, EU, Georgien, Honduras, Hong Kong China, Indonesien, Island, Israel, Japan, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kenia, Kolumbien, Kuwait, Laos, Liechtenstein, Malaysia, Mazedonien, Mexico, Moldawien, Mongolei, Montenegro, Myanmar, Neuseeland, Nicaragua, Nigeria, Norwegen, Panama, Paraguay, Peru, Katar, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Schweiz, Südkorea, Taiwan (Chinesisches Taipei), Thailand, Türkei, Ukraine, USA, Uruguay, Vereinigte Arabische Emirate.

Im Rahmen der WTO wird «digitaler Handel» (wie er etwa im USMCA oder von der OECD verwendet wird) als «elektronischer Handel» (E-Commerce) bezeichnet. Diese Begriffsverwendung geht auf ein 1998 lanciertes WTO Arbeitsprogramm zum elektronischen Handel (Workprogram on E-Commerce, 1998) zurück.

OECD, Recommendation of the Council on Artificial Intelligence, 22 May 2019.

2007

BBl 2020

dieser wirtschaftlichen Revolution zu profitieren ­ beziehungsweise Risiken darin erkennen, diese zu verpassen.

Erarbeitung internationaler Regeln für die digitale Wirtschaft an der OECD Die OECD als normenschaffende Organisation dürfte inskünftig eine wichtige Rolle bei der Erarbeitung internationaler Regeln für den digitalen Handel einnehmen. Im Rahmen der Going Digital Initiative der Organisation55 soll themenübergreifendes Wissen über die digitale Transformation erarbeitet werden. Dazu gehört die Analyse von Fragen, die von der Definition und Messung des digitalen Handels, über die Bedeutung der Marktoffenheit im digitalen Zeitalter bis hin zur Einschränkung von Diensten und den Auswirkungen der Regulierung grenzüberschreitender Datenübertragungen oder neuer Technologien wie der additiven Fertigung reichen. Diese Arbeiten können in einem ersten Schritt zu Vorstufen gemeinsamer Empfehlungen (Best Practices) führen, einen kohärenten und umfassenden politischen Ansatz für die digitale Transformation fördern sowie zum Beispiel in die Verhandlungen im Rahmen der WTO oder Freihandelsabkommen einfliessen. Die Schweiz beteiligt sich ebenfalls aktiv an diesen Arbeiten, um ihre Interessen einzubringen und allfällige Risiken frühzeitig zu erkennen.

An der OECD wie auch an anderen internationalen Organisationen ist die Erarbeitung von sogenanntem Soft Law bedeutsam. Dieses ist rechtlich zwar nicht verbindlich, kann aber politische Wirkung entfalten indem bestimmte Verhaltensweisen vorgegeben werden. Der Bundesrat will das Parlament in diesem Bereich gezielter einbeziehen. In Erfüllung des Postulats 18.4104 vom 26. Juni stellt er dar, dass Soft Law sich zu einem Gestaltungsinstrument der internationalen Beziehungen entwickelt hat.56 Er zeigt Wege auf, wie das Parlament unter Wahrung der verfassungsmässigen Kompetenzordnung und der aussenpolitischen Handlungsfähigkeit gezielter mitwirken kann. Die Information und Berichterstattung über Soft Law gegenüber dem Parlament soll verbessert werden.

55 56

www.oecd.org/going-digital/ www.eda.admin.ch > Aktuell > Parlament soll bei Soft Law-Vorhaben stärker eingebunden werden.

2008

BBl 2020

1.3

Herausforderungen und Chancen für die Schweiz in einer digitalen Weltwirtschaft

Die Schweiz wird heute in internationalen Rankings bezüglich Digitalisierung positiv beurteilt.57 Dies liegt unter anderem an den attraktiven Rahmenbedingungen, beispielsweise den hochwertigen Infrastrukturen in den Bereichen Kommunikation oder Elektrizität. Zudem verfügt die Schweiz über eine sehr starke Basis im Bereich Bildung und Forschung. Die im internationalen Vergleich hohen Investitionen der Privatwirtschaft und des Staates in IKT sind eine weitere Stärke: Diese haben zwischen 1996 und 2016 kaufkraftbereinigt von 6 932 auf 24 527 Millionen Schweizerfranken zugenommen. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von 6,5 Prozent.

2016 flossen fast drei Viertel davon in Software und Datenbanken, gut ein Sechstel in Kommunikations- und die restlichen Investitionen in Informationstechnologien.

Folgende Grafik58 zeigt die Entwicklung der Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schweiz.

Die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, das Wachstums- und Innovationspotenzial der Digitalisierung zu nutzen, hängt auch von der Anzahl der Arbeitnehmenden mit einer Ausbildung im IKT-Bereich ab. 2017 wurden in der Schweiz 5995 IKTAbschlüsse erworben, sechsmal mehr als 1990. Der Fachkräftemangel macht sich aber weiterhin gerade im IKT-Bereich stark bemerkbar.59 Die Anzahl IKTPatentanmeldungen zeugt von der Bedeutung der IKT-Branche für die Forschungsund Entwicklungsaktivitäten. 2016 reichte die Schweiz 33,8 IKT-Patentanmeldungen pro Million Einwohnerinnen und Einwohner ein und platzierte sich damit an achter Stelle der OECD-Staaten. Auf dem ersten Platz lag Schweden (147,4), gefolgt von Korea (108,7), Finnland (93,6) und Israel (92,2). Der Forschungs-, Dienstleistungs-, Finanz- und Werkplatz Schweiz hat bislang erfolgreich auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagiert. Das jüngst deutliche Wachstum spezifischer 57

58 59

Vgl. World Economic Forum, Networked Readiness Index 2016: Platz 7; International Institute for Management Development, World Digital Competitiveness Ranking 2018, Platz 5.

Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS).

SECO, Fachkräftemangel in der Schweiz, 2016. www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftspolitik > Arbeitsmarkt > Fachkräftebedarf.

2009

BBl 2020

Wirtschaftszweige wie etwa der Betrieb von Rechenzentren zeigt das Potential der digitalen Wirtschaft in der Schweiz, aber auch den Bedarf nach leistungsfähigen Infrastrukturen.60 Die Schweiz ist indes stark von ausländischen Informations- und KommunikationsHerstellern abhängig. Es ist davon ausgehen, dass die weltweit entwickelten und eingesetzten Hard- und Softwarelösungen nicht hundertprozentig sicher sind. Folglich kann der unbefugte Zugriff nicht ausgeschlossen werden. Statt einen bestimmten Hersteller aus einem marktführenden Staat auszuschliessen, ist die Schweiz bestrebt, Risiken, Vor- und Nachteile eines Produkts abzuwägen und Massnahmen zu ergreifen, mit denen unberechtigte Zugriffe auf Systeme und Daten möglichst frühzeitig identifiziert und unterbunden werden können. Eine besondere Herausforderung ist die Positionierung der Schweiz angesichts einer Blockbildung, die sich auch im Bereich der Produktion von IKT-Gütern ­ etwa hinsichtlich der 5GTechnologie ­ abzeichnet.

Strategie «Digitale Schweiz» Der Bundesrat verabschiedete im September 2018 die nationale Strategie «Digitale Schweiz»61. Sie gibt Leitlinien für das staatliche Handeln im Bereich Digitalisierung vor und zeigt Potentiale für die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik auf. Gesellschaft und Wirtschaft sollen Raum zur digitalen Entfaltung haben. Die politischen Instanzen und Behörden sollen die digitale Transformation nach Möglichkeit erleichtern und unterstützen. Sie schaffen die dafür geeigneten Rahmenbedingungen. Im Aktionsfeld «Wirtschaft» ist es ein Ziel der Strategie, dass die Schweiz ihre Chancen im Hinblick auf den virtuellen internationalen Wirtschaftsraum ergreift, digitale Märkte für sich nutzbar macht und das Risiko einer Ausgrenzung abwendet. Weitere Ziele sind eine hohe Erwerbsbeteiligung im digitalen Zeitalter, Raum für die Entfaltung neuer Geschäftsmodelle und eine breit gefächerte Start-up Szene, die Innovationen schnell auf den Markt bringt. Zudem soll ein innovativer globaler Fintech-Sektor die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Finanzindustrie sichern und die Schweizer Landwirtschaft von technologischen Entwicklungen profitieren können.

Auswirkungen der Digitalisierung auf den schweizerischen Arbeitsmarkt In der Arbeitsmarktentwicklung zeigen sich konkrete
Auswirkungen der Digitalisierungs- und Automatisierungstendenzen. Der Rückblick auf die technologischen Neuerungen der letzten Dekaden belegt eine im Vergleich hohe Anpassungsfähigkeit des schweizerischen Arbeitsmarktes. Die Beschäftigung verlagert sich allerdings zunehmend in Branchen mit hohen Qualifikationsanforderungen.

So hat sich die Zahl der Bürokräfte, der Handwerksberufe und der landwirtschaftlichen Fachkräfte zwischen 1998 und 2018 um insgesamt rund 234 000 verringert. Im gleichen Zeitraum sind zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten entstanden, insbe60

61

Vgl. Deloitte, Rechenzentren in der Schweiz, www2.deloitte.com > corporate-finance > data-centres in switzerland, Langenegger Markus, Wirtschaft wächst dank Digitalisierung, in: Die Volkswirtschaft, 26.10.2015 und Betschon Stefan, Der grosse Sprung in die Cloud, Neue Zürcher Zeitung vom 29.8.2019.

www.strategy.digitaldialog.swiss.

2010

BBl 2020

sondere in akademischen und technischen Berufen, für Führungskräfte sowie im Dienstleistungs- und Verkaufssektor. Netto hat die Zahl der Erwerbstätigen um über 839 000 beziehungsweise 22 Prozent zugenommen.62 Noch ausgeprägter sind die Veränderungen innerhalb der Branchen. Durch den technischen Fortschritt entstehen Tätigkeitsfelder, die neue Kompetenzen erfordern. Bislang begegnen die Beschäftigten diesen Herausforderungen erfolgreich mit stetiger Höherqualifizierung. In der Schweiz gibt es kaum Anzeichen einer Polarisierung der Einkommensverteilung.

Der Bundesrat geht davon aus, dass auch in Zukunft eher mit stetigem strukturellen Wandel als mit einer gesamtwirtschaftlich disruptiven Entwicklung zu rechnen ist.63 In diese Richtung deutet auch eine aktuelle Schätzung der OECD64, wonach in den OECD-Ländern 14 Prozent der Stellen stark automatisierungsgefährdet sind, während sich bei weiteren 32 Prozent der Stellen die Tätigkeitsstruktur in den kommenden Jahrzehnten massgeblich verändern könnte. Dennoch kann die Digitalisierung in Zukunft weitere Herausforderungen für den schweizerischen Arbeitsmarkt mit sich bringen, die zum heutigen Zeitpunkt nicht vollkommen absehbar sind. Damit der schweizerische Arbeitsmarkt weiterhin von der Digitalisierung profitieren kann, muss die hohe Anpassungsfähigkeit bewahrt und weiter gestärkt werden. So soll die Bildungspolitik noch stärker auf die benötigten Kompetenzen ausgerichtet werden.

Diesbezüglich sind bereits Massnahmen ergriffen worden65, unter anderem im Rahmen des Aktionsplans Digitalisierung im BFI-Bereich.66 Um neue Herausforderungen zu erkennen, hatte der Bundesrat ausserdem im November 2017 ein Monitoring der Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung des Arbeitsmarktes beschlossen. Im Oktober 2018 unterzeichnete der Vorsteher WBF zusammen mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen eine tripartite Erklärung zur Zukunft der Arbeit und der Sozialpartnerschaft in der Schweiz im Zeitalter der Digitalisierung der Wirtschaft. Sie demonstrierten damit ihr Vertrauen in die Sozialpartnerschaft, um die Herausforderungen der Arbeitswelt von morgen zu bewältigen. An der Internationalen Arbeitskonferenz im Juni engagierte sich die Schweiz ausserdem für eine ambitiöse Erklärung zur Zukunft der Arbeit, um den Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation der Arbeit Rechnung zu tragen.

62 63

64 65

66

BFS/SAKE, Auswertung durch SECO.

Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen ­ Chancen und Risiken. Bericht in Erfüllung der Postulate 15.3854 Reynard «Automatisierung.

Chancen und Risiken» vom 16. September 2015 und 17.3222 Derder «Digitale Wirtschaft. Die Arbeitsplätze der Zukunft und Massnahmen für ihre Förderung in der Schweiz identifizieren» vom 17. März 2017.

OECD Better Work Initiative.

www.admin.ch > Startseite > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat verabschiedet Bericht und Massnahmen zu Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt.

www.sbfi.admin.ch > Das SBFI > Digitalisierung > Aktionsplan im Be-reich Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2019­2020.

2011

BBl 2020

Die Digitalisierung in der Standortförderung Auch die Standortförderung setzt mit ihren Instrumenten Exportförderung und Standortpromotion sowie der KMU-, Tourismus- und Regionalpolitik Schwerpunkte bei der Digitalisierung.67 Bei den aussenwirtschaftlich ausgerichteten Standortförderinstrumenten hat diese auf unterschiedlichen Kanälen Einfluss. So ermöglicht der vom Bund mandatierte Exportförderer Switzerland Global Enterprise (S-GE) Schweizer Exporteuren durch seine erweiterten Online-Angebote einen noch schnelleren Zugriff auf Marktinformationen. Auch nimmt die Digitalisierung für die Promotion des Wirtschaftsstandortes Schweiz eine zunehmend wichtige Rolle ein. In der Tourismuspolitik kommt der Befähigung der Akteure zum kompetenten Umgang mit Daten beispielsweise für die touristische Bearbeitung internationaler Märkte eine besondere Bedeutung zu. Für die KMU-Politik stellt die administrative Entlastung ein zentrales Thema dar. Diese soll durch den Ausbau der elektronischen Abwicklung von Verwaltungsangelegenheiten weiter vorangetrieben werden (E-Government). Im internationalen Vergleich besteht in der Schweiz v. a. bei den sogenannten Basisdiensten weiterhin Aufholbedarf.68 Von administrativen Effizienzgewinnen profitieren im globalen Wettbewerb insbesondere auch exportierende KMU. Mit seinen digitalen Aktivitätsfeldern setzt sich die Standortförderung 2020­2023 dafür ein, dass die KMU und Regionen in der Schweiz die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen und sich im internationalen Wettbewerb weiterhin behaupten können.

Digitalisierung des Finanzplatzes Schweiz Weltweit entstehen im Bereich der Finanzdienstleistungen neue Produkte und Geschäftsmodelle. Digitale Finanzdienstleistungen aus der Schweiz können einfacher einem globalen Markt zugänglich gemacht werden. Dies eröffnet innovativen Unternehmen neue Chancen, wobei das ausländische Aufsichtsrecht aber auch besondere Anforderungen an exportorientierte Schweizer Unternehmen und Fintechs stellt. Den Finanzdienstleistern in der Schweiz stehen neue technische Möglichkeiten wie Cloud-Outsourcing zur Verfügung, die ihre Innovationskraft erhöhen und Kosten senken können. Schweizer Konsumenten kommen in den Genuss neuer Dienstleistungen und Anlageprodukte (Zahlungssysteme, Krypto-Assets, OnlineBankkonten, etc.). Der hiesige Finanzmarkt ist,
wie auch die Behörden, gefordert, mit diesen raschen Entwicklungen Schritt zu halten. Der Bundesrat ergreift deshalb laufend Massnahmen, um die Innovationskraft der Schweizer Finanzbranche im digitalen Umfeld zu stärken. So wurden im Berichtsjahr beispielsweise die Ausführungsbestimmungen zur neuen Fintech-Bewilligung eingeführt (per 1. Januar) und im März eine Vernehmlassung zum Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register durchführt.69

67 68 69

Botschaft des Bundesrates vom 20. Februar 2019 zur Standortförderung 2020­2023, BBl 2019 2365.

Vgl. eGovernment Benchmark Report 2018, www.egovernment.ch > Benchmark Report.

www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Blockchain/DLT.

2012

BBl 2020

1.3.1

Gewährleistung grenzüberschreitender Datenübermittlungen

Einschränkungen der GDÜ aus der Schweiz in wichtige Partnerländer und umgekehrt können negative Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft haben. Solchen kann durch die Aufnahme entsprechender Verpflichtungen in den Handelsabkommen der Schweiz und die aktive Beteiligung an multilateralen Arbeiten etwa der WTO und OECD entgegengewirkt werden (vgl. Ziff. 1.2.5). Gleichzeitig soll das Datenschutzniveau gehalten und an internationalen Standards ausgerichtet werden.

Die Revision des schweizerischen Datenschutzgesetzes und Angemessenheitsbeschluss der EU Das schweizerische Datenschutzgesetz (DSG)70 ist aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäss. Der Bundesrat will es den veränderten technologischen und gesellschaftlichen Verhältnissen anpassen und dabei insbesondere die Transparenz von Datenbearbeitungen verbessern und die Selbstbestimmung betroffener Personen über ihre Daten stärken.71 Gleichzeitig beabsichtigt der Bundesrat im Rahmen der Totalrevision des Datenschutzgesetzes, die revidierte Konvention 108 des Europarates72 zu ratifizieren sowie die Richtlinie (EU) Nr. 2016/ 680 über den Datenschutz im Bereich der Strafverfolgung zu übernehmen, wozu sie aufgrund des Schengen-Assoziierungsabkommens73 verpflichtet ist. Zudem soll die Revision das DSG den Anforderungen der EU-DSGVO annähern. Dies ist zentral, damit die EU die Schweiz weiterhin als Drittstaat mit angemessenem Datenschutzniveau anerkennt und GDÜ auch künftig ohne weitere administrative Vorkehrungen (vertragliche Garantien oder ausreichende verbindliche Unternehmensregeln) möglich sind. Ein Entzug oder eine Aussetzung des Angemessenheitsbeschlusses durch die EU-Kommission hätte das Potential, die Speicherung und Verarbeitung von Daten aus dem wichtigsten Absatzmarkt der Schweiz in bislang ungewissem Mass zu erschweren oder gar zu verunmöglichen. Dadurch kämen die Geschäftsmodelle zahlreicher Schweizer Unternehmen, insbesondere KMU, unter Druck. Die Frage der Angemessenheit im Datenschutz ist auch im allgemeinen europapolitischen Kontext zu sehen (vgl. Ziff. 3).

Der «Privacy-Shield» Ansatz Der Swiss-US Privacy Shield bietet die Grundlage für die Übermittlung von Personendaten aus der Schweiz in die USA ohne ergänzende vertragliche Zusatzgarantien.

Er ersetzt das «Swiss-US Safe Harbor»-Regime (2009­2015), welches im Nachgang

70 71 72 73

Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 1992 (SR 235.1).

www.bj.admin.ch > Staat & Bürger > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Stärkung des Datenschutzes.

Europarat, SEV Nr. 108, Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten.

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (SR 0.362.31).

2013

BBl 2020

der Schrems-Rechtsprechung74 des EuGH parallel zum «EU-US Safe Harbour» aufgehoben wurde. Das Regime sieht eine Selbstzertifizierung von Unternehmen in den USA vor, durch die sich die Firmen zur Einhaltung der Datenschutzgrundsätze (unter anderem Recht Betroffener auf Zugriff auf ihre Daten und auf Auskunft über deren Verwendung) des Privacy Shield verpflichten. Die Schweiz anerkennt die Angemessenheit des Schutzniveaus für solche Firmen. In der Schweiz ansässige Personen können via EDÖB-Anfragen bezüglich US-Behördenzugriffen an eine Ombudsstelle im US-Aussenministerium richten. Der Swiss-US Privacy Shield zählt bereits über 3 000 zertifizierte US-Firmen.

Weiterentwicklung der bilateralen Wirtschaftsabkommen Die Schweiz hat bisher mit sechs Handelspartnern75 im Rahmen von Freihandelsabkommen Texte zum E-Commerce ausgehandelt. Im Vergleich zu jüngsten Abkommenstexten anderer Länder wie etwa im Rahmen des CPTPP (vgl. Ziff. 1.2.5) sind diese Bestimmungen weniger umfangreich und von geringerer Tiefe. Die Schweiz wird umfangreichere Verpflichtungen in Betracht ziehen müssen, um mittelbare Diskriminierungen ihrer Unternehmen und der Schweiz als Standort zu vermeiden.

Neben Präzisierungen etwa hinsichtlich der Anwendung allgemeiner Bestimmungen auf den digitalen Handel können diese zum einen spezifische digitale Handelshemmnisse wie die Lokalisierung der Datenspeicherung betreffen, zum anderen die Verankerung allgemeiner Politikziele (Konsumentenschutz, Datenschutz, Cybersicherheit etc.) zum Gegenstand haben. Auch im Rahmen der EFTA wurden im Berichtsjahr entsprechende konzeptionelle Arbeiten aufgenommen.

1.3.2

Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Die Digitalisierung der Wirtschaft wirft auch Fragen hinsichtlich der Besteuerung internationaler Unternehmen auf. Im Mai des Berichtsjahres hat die OECD ein entsprechendes Arbeitsprogramm verabschiedet. Bis Ende 2020 soll der Schlussbericht zu langfristigen Massnahmen vorliegen. Diese basieren auf zwei Säulen. Säule 1 bezweckt, dass in Zukunft ein grösserer Teil der Konzerngewinne in den Marktstaaten76 versteuert wird. Säule 2 zielt auf eine Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne ab.

Als innovatives und exportorientiertes Land mit kleinem Binnenmarkt droht der Schweiz mit den künftigen Regeln ein erheblicher Verlust an Gewinnsteuereinnahmen. Dieser kann zurzeit nicht genau quantifiziert werden. Dennoch beteiligt sich die Schweiz aktiv an den Arbeiten der OECD für eine multilaterale Lösung. Die Alternative wäre ein zunehmender Wildwuchs an nationalen Massnahmen wie 74

75

76

EuGH, Urteil des Gerichtshofs (Grosse Kammer) vom 6. Oktober 2015, Maximillian Schrems gegen Data Protection Commissioner, Vorabentscheidungsverfahren, Rechtssache C-362/14.

In den FHA der EFTA mit der Türkei, Zentralamerika (Costa Rica, Guatemala, Panama), Peru, dem Golfkooperationsrat (GCC) und Kolumbien sowie dem bilateralen FHA der Schweiz mit Japan.

Jene Staaten, in denen sich die Konsumentinnen und Konsumenten digitaler Leistungen befinden.

2014

BBl 2020

Digitalsteuern, welche mehrere Staaten bereits eingeführt oder geplant haben. Dies wäre für die Schweizer Wirtschaft langfristig potentiell nachteiliger. Die Schweiz wirkt darauf hin, dass die Besteuerung grundsätzlich weiterhin am Ort der leistungsbezogenen Wertschöpfung erfolgt und der den Marktstaaten zur Besteuerung zuzuweisende Anteil am Steuersubstrat moderat ausfällt. Hinsichtlich Mindeststeuersätzen warnt die Schweiz vor wachstumshemmenden Umverteilungseffekten, Einschränkungen des Standortwettbewerbs und Mehrbelastungen für Unternehmen.

Am 1. Januar des Berichtsjahres trat in der Schweiz die Versandhandelsregelung des teilrevidierten Mehrwertsteuergesetzes77 und der teilrevidierten Mehrwertsteuerverordnung vom 1. Januar 201878 in Kraft. Ziel der neuen Regelungen ist es, die mehrwertsteuerbedingten Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten zu beseitigen.79

1.3.3

Cybersicherheit und Wirtschaftsspionage

Die Digitalisierung setzt die schweizerische Wirtschaft bedeutenden Sicherheitsrisiken aus, wie jüngste Cyberattacken gegen Unternehmen aufgezeigt haben.80 Diese gehen nicht nur von Einzeltäterinnen und Einzeltätern aus. Seit einigen Jahren setzen gewisse Länder vermehrt auf Cyberspionage, um an Geschäftsgeheimnisse und geistiges Eigentum von Unternehmen zu gelangen. Die gestohlenen Informationen kommen dann den eigenen Unternehmen zugute und fliessen in deren technische Entwicklung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Auch Schweizer Unternehmen können in Einzelfällen Ziel solcher Aktivitäten sein. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zum Diebstahl von Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnissen kommt. Ebenfalls verbreitet sind Angriffe durch Tätergruppen und Einzeltäter mit dem Ziel, den Ruf der betroffenen Unternehmung zu schädigen oder Geld zu erpressen.81 Solche Angriffe erfolgen etwa durch das Einspeisen von Computerviren, Erpressung mittels sogenannter Ransomware, absichtlich herbeigeführte Überlastung von Infrastrukturen (Denial of Service, DoS), Datendiebstahl und Spam. Je weiter die Digitalisierung Geschäftsprozesse von Schweizer Unternehmen durchdringt, desto schwerwiegender werden diese Risiken. Dies gilt auch für KMU: Die Anzahl an 2017 von Erpressung betroffenen Firmen wird auf 23 000 (4 %) geschätzt, ca.

209 000 Unternehmen (36 %) dürften von Malware wie Viren oder Trojanern betroffen sein.82 Neben den Unternehmen sind auch für die schweizerische Wirtschaft kritische Infrastrukturen Cyberrisiken ausgesetzt.83

77 78 79 80 81 82 83

SR 641.20 SR 641.201 www.efd.admin.ch > Themen > Steuern > Steuern national > Revision der Mehrwertsteuer Vgl. etwa Müller Giorgio V., Cyberattacken gehören zum Geschäftsalltag ­ 40 % aller Schweizer Firmen mittlerweile betroffen, NZZ vom 10. Januar 2019.

Vgl. etwa MELANI Halbjahresbericht 1/2019 vom 29. Oktober 2019.

GFS-Zürich, Cyberrisiken in Schweizer KMUs, Dezember 2017.

Vgl. BFE, Digitalisierung im Energiesektor, Bericht vom 11. Dezember 2018.

2015

BBl 2020

Cybersicherheit: Strategie des Bundesrates Der Bundesrat ist der Ansicht, dass internationale Kooperation und Vertrauensbildung wesentlich zur Minimierung der Cyberrisiken beitragen können. Die Schweiz setzt sich darum für einen sicheren, offenen und freien Cyber-Raum ein, der auf klaren Regeln und gegenseitigem Vertrauen basiert: Das Fundament dafür bildet die Durchsetzung des Völkerrechts auch im Cyberraum. Universelle Menschenrechte wie der Schutz der Privatsphäre müssen gewährleistet sein und Freiheitsrechte wie die Meinungs- und Pressefreiheit gilt es zu verteidigen. Die Schweiz fördert den Aus- und Aufbau ihrer eigenen Kapazitäten und engagiert sich aktiv in der zwischenstaatlichen Vertrauensbildung. Sie unterstützt und entwickelt nach Möglichkeit den Kapazitätsaufbau in Drittstaaten, führt mit ausgewählten Ländern Konsultationen zu Cyberaussensicherheitspolitik durch. Im Rahmen eigener zwischenstaatlicher Initiativen (z. B dem Expertendialog zur Anwendung des Völkerrechts im Cyberraum) und durch die aktive Mitgestaltung multilateraler Dialoge (z. B den SinoEuropäischen Cyberdialog) setzt sich die Schweiz überdies sich für die Anerkennung, Einhaltung und Durchsetzung des Völkerrechts im Cyberraum ein. Dabei orientiert sie sich stets am Grundprinzip der gemeinsamen Verantwortung aller Akteure für nationale und internationale Cyberstabilität.

Die mit der Wirtschaft, den Kantonen und den Hochschulen erarbeitete Nationale Strategie des Bundesrats zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken 2018­2022 und ihr Umsetzungsplan, bildet die Basis für die Arbeiten zur Minderung der Cyberrisiken auf nationaler und internationaler Ebene.

Wirtschaftsspionage mit Cybermitteln Die Schweiz ist von Wirtschaftsspionage betroffen, die immer häufiger mit Cybermitteln betrieben wird. Auch Schweizer Unternehmen stellen für ausländische Nachrichtendienste strategische Ziele dar, beispielsweise um sich wirtschaftliche Vorteile oder Güter und Wissen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu verschaffen. Seit 2015 verzeichnet der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) eine steigende Anzahl von Cyberangriffen auf die schweizerische Wirtschaft. Dabei liegt der Fokus zum einen auf dem Diebstahl von Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen, zum anderen auf der Beschaffung von Informationen im Vorfeld von Firmenübernahmen. Die
digitale Verflechtung verschärft diese Problematik. Mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz (NDG)84 erhält der NDB eine Rechtsgrundlage, um auf Anweisung des Bundesrates Massnahmen zum Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz zu treffen. Dies beispielsweise, wenn Wirtschaftszweige von nationaler Bedeutung betroffen sind. Neben der Spionageabwehr trägt der NDB zudem mit dem seit 2004 laufenden Präventions- und Sensibilisierungsprogramm «Prophylax» (Beratung von Unternehmen, Hochschulen, Forschungsinstituten etc.)

und einer Stärkung der Melde- und Analysestelle Informationssicherung MELANI (subsidiäre Unterstützung kritischer Infrastrukturen der Schweiz in ihren Informationssicherungsprozessen) zum Schutz der Wirtschaft bei.

84

Bundesgesetz über den Nachrichtendienst vom 25. September 2015 (SR 121).

2016

BBl 2020

1.3.4

Digitalisierung an der Grenze (DaziT)

Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) wird mit dem Programm DaziT 85 ins digitale Zeitalter überführt86. Die Zollformalitäten und die Erhebung von Abgaben werden durchgehend digitalisiert. Das Programm DaziT wurde am 1. Januar 2018 lanciert und dauert bis Ende 2026. Schätzungen zufolge dürften nach der Umsetzung die Regulierungskosten allein im grenzüberquerenden Warenverkehr jährlich 125 Millionen Schweizerfranken tiefer ausfallen.87 Eine spürbare Beschleunigung des internationalen Warenhandels kann bewirkt werden, wenn die Vereinfachung und Digitalisierung der Zollabläufe auf beiden Seiten der Grenze koordiniert geplant und umgesetzt wird. Der Handel Schweiz­EU ist zollrechtlich durch verschiedene Übereinkommen geregelt.88 Im Hinblick auf effiziente Grenzprozesse misst der Bundesrat der Koordination mit Digitalisierungsvorhaben der europäischen Partner der Schweiz grosse Bedeutung zu.

1.3.5

Digitalisierung in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz

Auch in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit spielt die Digitalisierung eine zunehmend wichtige Rolle. Die Schweiz unterstützt namentlich Initiativen im Bereich der Digitalisierung, die darauf abzielen, die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die digitale Kluft89 zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie auch innerhalb der Länder zu schliessen. Eine der Hauptprioritäten der Schweiz ist die Digitalisierung öffentlicher Institutionen. Hier gilt es in erster Linie den Zugang zu den Institutionen zu verbessern, Bürokratie abzubauen und Korruption zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang setzt sich die Schweiz auch für die Sicherheit und Vertraulichkeit von Personendaten ein. Weiter unterstützt die Schweiz KMU in Entwicklungsländern bei Digitalisierungsprozessen, um sie wettbewerbsfähiger zu machen und in die Weltwirtschaft zu integrieren. Sie unterstützt die Entwicklung digitaler Dienstleistungen und wirkt auf den Abbau von Marktzu85 86

87 88

89

Die Programmbezeichnung «DaziT» steht für «Dazi», das rätoromanische Wort für Zoll, und für «T» wie «Transformation».

Vgl. BBl 2017 1719 sowie ferner Emmenegger Isabelle, Zollverwaltung definiert sich neu, Die Volkswirtschaft 5/2017, S. 55 f., Stamm Basil / Strasser Ingo, Zollprogramm «DaziT» entlastet Unternehmen, Die Volkswirtschaft 5/2017, S. 57 f., Bock Christian, Zoll der Zukunft, Foreign Trade 1/2017, S. 57 ff.

Vgl. Stamm Basil / Strasser Ingo, Zollprogramm «DaziT» entlastet Unternehmen, Die Volkswirtschaft 5/2017, S. 57 f.

Insbesondere das Übereinkommen vom 20. Mai 1987 zur Vereinfachung der Förmlichkeiten im Warenverkehr (SR 0.631.242.03), das Übereinkommen vom 20. Mai 1987 über ein gemeinsames Versandverfahren (SR 0.631.242.04) und das Abkommen vom 25. Juni 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen (SR 0.631.242.05).

Der Begriff beschreibt Unterschiede im Zugang zu und der Nutzung von IKT, insbesondere dem Internet, zwischen Volkswirtschaften und Bevölkerungsgruppen aufgrund von technischen und sozioökonomischen Faktoren. Er prägt den Diskurs in den multilateralen Institutionen.

2017

BBl 2020

trittsschranken hin. Um die negativen Folgen von Digitalisierungs- und Automatisierungsprozessen auf den Arbeitsmärkten einzudämmen, unterstützt die Schweiz zudem den Aufbau technischer Fachkompetenz mit gezielten Ausbildungs-programmen, insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen.

Die Aktivitäten der Schweiz berücksichtigen dabei auch ihre eigenen Interessen.

Durch die Finanzierung von Digitalisierungsinitiativen und durch bilaterale technische Unterstützung baut die Schweiz Allianzen mit Partnerländern auf. Auf diese Weise kann sie beispielsweise ihre Positionen in internationalen Gremien, die für die Erarbeitung von Normen und Standards für neue Technologien zuständig sind, stärken. Zudem trägt die Schweiz zur Stabilität des internationalen Finanzsystems bei, indem sie die Fähigkeit lokaler Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden stärkt, mit Risiken in den Bereichen Cyberkriminalität, Geldwäscherei und illegalen Finanzströmen umzugehen. Der Einsatz neuer Technologien ermöglicht es zudem, die Rückverfolgbarkeit insbesondere betreffend die Qualität und Nachhaltigkeit von in die Schweiz exportierten Produkten zu verbessern und den diesbezüglichen Informationsbedarf der Anspruchsgruppen zu decken. Diese Technologien tragen auch zur Bekämpfung von Piraterie, Fälschung und Schmuggel bei.

1.3.6

Umweltdimension des digitalen Wandels in der Wirtschaft

Der digitale Wandel in der Wirtschaft muss auch im Hinblick auf die Umweltaspekte betrachtet werden. Die neuen Technologien, insbesondere die DLT, versprechen nachhaltigere Wertschöpfungsketten und vor allem eine bessere Rückverfolgbarkeit der darin verarbeiteten natürlichen Ressourcen. Der digitale Wandel stützt sich jedoch auf eine Infrastruktur, die den Abbau grosser Mengen von Bodenschätzen erfordert.90 Schliesslich haben die Digitalisierung und ganz besonders der Einsatz der DLT grundsätzlich einen sehr hohen Stromverbrauch zur Folge. Es ist deshalb darauf zu achten, dass die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel umweltverträglich umgesetzt werden.

1.4

Fazit

Die Schweiz ist eine der am stärksten in die globalen Wertschöpfungsketten eingebundenen Volkswirtschaften. Sie ist in einer guten Ausgangslage, um auch in einer von der digitalen Transformation geprägten Weltwirtschaft erfolgreich zu bestehen.

Zum einen ist die Digitalisierung der schweizerischen Wirtschaft bereits weit fortgeschritten, zum anderen trägt die im Vergleich zu anderen Ländern stabile, prinzipienbasierte und technologieneutrale Regulierung zu Innovation und niedrigen Anpassungskosten für Unternehmen bei. Für den Bundesrat steht das übergeordnete Ziel im Vordergrund, im digitalen Zeitalter das Potenzial der Erhöhung der Arbeitsproduktivität als wichtiger Treiber des Wirtschaftswachstums zu nutzen sowie eine 90

Vgl., Bieser Jan C.T., Hilty Lorenz M., Chancen und Risiken der Digitalisierung für den Klimaschutz in der Schweiz, Studie der Universität Zürich, Zürich 2017.

2018

BBl 2020

möglichst hohe Erwerbsbeteiligung und hochwertige Arbeitsplätze zu sichern.

Hierzu gilt es, die Stärken der Schweizer Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik zu erhalten und auszubauen.

Die wirtschaftliche Verflechtung der Schweiz stellt sie aber zugleich vor besondere Herausforderungen. Eine zunehmende Beschränkung grenzüberschreitender Datenübermittlungen, digitale Handelshemmnisse sowie eine sich abzeichnende regulatorische Blockbildung können die Schweiz härter treffen als Volkswirtschaften mit grösseren Binnenmärkten. Die Sicherstellung der möglichst freien grenzüberschreitenden Datenübermittlung ist deshalb von zentraler Bedeutung. Dabei müssen zugleich wichtige öffentliche Interessen gewahrt werden, wie das hohe Schutzniveau für Personendaten und der Schutz von Unternehmen und Infrastrukturen vor Cyberattacken und Wirtschaftsspionage.

Der Handlungsspielraum der nationalen Regierungen und der internationalen Organisationen wird durch die globalen Herausforderungen im Zusammenhang mit der sich dynamisch entwickelnden digitalen Weltwirtschaft zunehmend beeinflusst.

Gerade für kleinere Staaten wie die Schweiz wird es in diesem Kontext schwierig, eigenständige nationale Regelungen durchzusetzen. Die Bedeutung der internationalen Kooperation, rechtlich gesicherter gegenseitiger Anerkennung von Regulierung und «smarten» Regulierungsansätzen unter Beteiligung betroffener Akteure nimmt zu. Ferner liegt die Unterstützung der Entwicklungsländer im Interesse der Schweiz, damit diese an der digitalisierten Weltwirtschaft teilhaben können.

Im Hinblick auf die möglichst freie, grenzüberschreitende Datenübermittlung in den wichtigsten Import- und Exportmarkt der Schweiz ist die Gleichwertigkeit der schweizerischen Datenschutzgesetzgebung mit jener der EU zentral. Diese hat das Potential, sich zu einem wichtigen internationalen Standard zu entwickeln.

Auf internationaler Ebene ist ausserdem das Hinwirken auf möglichst global vereinbarte Empfehlungen, Standards und Regeln im Interesse der Schweiz ­ sei dies an der WTO, der OECD oder anderen Gremien. Potentiell nachteilige regulatorische Entwicklungen müssen frühzeitig erkannt und die Position der Schweiz eingebracht werden, wie beispielsweise die laufenden Gespräche zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft an der OECD zeigen.

Schliesslich ist eine spezifische
Weiterentwicklung der Freihandelsabkommen und allenfalls anderer wirtschaftsvölkerrechtlicher Instrumente etwa hinsichtlich grenzüberschreitender Datenübertragungen, Lokalisierungsanforderungen und administrativer Vereinfachungen ins Auge zu fassen. Dies, um einer zukünftigen Diskriminierung der Schweizer Wirtschaftsbeteiligten entgegenzuwirken und zur Rechtssicherheit des digitalen Handels mit wichtigen Partnerländern der Schweiz beizutragen.

2019

BBl 2020

2

Wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz mit Bezug zur Aussenwirtschaft

Binnenwirtschaftspolitik und Aussenwirtschaftspolitik sind enger denn je miteinander verflochten. Wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Schweiz können direkte Auswirkungen auf ihre internationalen Beziehungen haben (und umgekehrt), wie sich in folgenden Regulierungsbereichen zeigt.

2.1

Investitionskontrollen

Eine offene Politik gegenüber Investitionen aus dem Ausland ist für den Wirtschaftsstandort und damit auch für den Wohlstand der Schweiz von zentraler Bedeutung. Diese Politik sichert den schweizerischen Unternehmen einen ausreichenden Zufluss von Kapital und Wissen und trägt so zur Wertschöpfung sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Die Schweiz zählt sowohl zu den weltweit grössten Empfängern von Direktinvestitionen als auch zu den weltweit grössten Direktinvestoren im Ausland. Der Bestand der ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz belief sich 2018 auf rund 1 296 Milliarden Schweizerfranken. Der Bestand der Schweizer Direktinvestitionen im Ausland betrug 1 467 Milliarden Schweizerfranken.

In den vergangenen Jahren haben staatliche oder staatsnahe Unternehmen ausaufstrebenden Schwellenländern, darunter China, vermehrt im Ausland Investitionen getätigt, in gewissen Fällen auch mit einem industriepolitisch motivierten Hintergrund. In der Schweiz weckte dies teilweise Befürchtungen, dass daraus ein Verlust von Arbeitsplätzen, Know-how oder eine Gefährdung der nationalen Sicherheit resultieren könnte. Der Bundesrat hat sich im Bericht «Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen»91 in Erfüllung der Postulate 18.3376 Bischof und 18.3233 Stöckli ausführlich mit diesen potentiellen Risiken befasst. Dabei kam er zum Schluss, dass die Einführung einer Investitionskontrolle derzeit keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Die Behörden können aufgrund der bestehenden Gesetzgebung bereits heute allfälligen Gefährdungen angemessen entgegenwirken. Eine staatliche Investitionskontrolle würde hingegen zu zusätzlichen administrativen Belastungen der betroffenen Unternehmen sowie zu Rechtsunsicherheit für Investoren und damit zu einer Minderung der Standortattraktivität der Schweiz führen.

Der Bundesrat ist sich jedoch der Risiken von Direktinvestitionen durchaus bewusst.

Er will deshalb ein Monitoring durchführen und den Bericht innerhalb der nächsten vier Jahre aktualisieren. Dieses Instrument kann mit vertretbarem administrativen Aufwand einen allfälligen zukünftigen Handlungsbedarf aufzeigen. Zudem will der Bundesrat im Bereich der Informatik kritischer Infrastrukturen92 prüfen, wie die Widerstandsfähigkeit gegenüber missbräuchlichen ausländischen Aktivitäten mit 91

92

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Internationale Investitionen > Auslandsinvestitionen > Investitionskontrollen Für eine Übersicht zu den kritischen Infrastrukturen siehe die Nationale Strategie des Bundesrates zum Schutz kritischer Infrastrukturen 2018­2022 (BBl 2018 503).

2020

BBl 2020

gezielten Massnahmen weiter verbessert werden kann. Ausserdem wird der Bundesrat in Zukunft der Frage der Reziprozität mehr Beachtung schenken.

Die Behandlung der Motion 18.3021 Rieder «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» im Nationalrat ist noch ausstehend. Der Bundesrat hat die Ablehnung dieser Motion, welche die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine Investitionskontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Schweizer Unternehmen verlangt, beantragt. Der Ständerat hat die Motion am 17. Juni angenommen.

2.2

Unternehmensbesteuerung

Der intensive internationale Wettbewerb im Bereich der Unternehmensbesteuerung hält an. Die bisherige schweizerische Praxis der steuerlichen Privilegierung im Ausland erwirtschafteter Erträge (Ring Fencing) von Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften wurde seit längerem von ihren wichtigsten Handelspartnern und von der OECD kritisiert und führte zu Gegenmassnahmen verschiedener Länder. Im Oktober 2014 hatten die Schweiz und die 28 Mitgliedstaaten der EU eine gemeinsame Verständigung unterzeichnet, wonach die EU-Mitgliedstaaten die Massnahmen aufheben, sobald die umstrittenen Steuerregimes abgeschafft sind.

Anlässlich der Volksabstimmung vom 19. Mai wurde das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF)93 mit 66,4 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Das Gesetz trat am 1. Januar 2020 in Kraft und schafft ein wettbewerbsfähiges, ausgewogenes und mit internationalem Recht vereinbares System.

Bisherige Steuerprivilegien für überwiegend international tätige Unternehmen (sog.

Statusgesellschaften) wird aufgehoben. Mit den damit einhergehenden Steuersenkungen in den Kantonen wird die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz gewahrt sowie Arbeitsplätze und mittel- bis längerfristig Steuereinnahmen gesichert.

2.3

Urheberrecht

Die Digitalisierung revolutioniert die Unterhaltungsindustrie, indem sie völlig neue Formen des Zugangs zu Kulturgütern (wie z. B Streamingplattformen für audiovisuelle Angebote) schafft und dadurch den Zugang zu Inhalten erleichtert. Diese Entwicklung führt zu einer Erweiterung des Angebots an Kulturgütern. Sie hat jedoch auch eine Schattenseite, weil die digitale Technologie die Urheberrechtspiraterie erleichtert. Die Schweiz ist in diesem Bereich in Kritik geraten, da sie vor allem aus Sicht der USA im gesetzgeberischen Bereich zu wenig gegen die Urheberrechtspiraterie unternehme. Der US-Handelsbeauftragte beobachtet die rechtlichen Entwicklungen in der Schweiz («Watch List»). Am 27. September verabschiedete das Parlament eine Revision des Urheberrechtsgesetzes94, deren Neuerungen dieser Kritik Rechnung tragen und Massnahmen für eine effizientere Bekämpfung der Urheber93 94

BBl 2018 2527 6031 SR 231.1

2021

BBl 2020

rechtspiraterie vorsehen. Gleichzeitig ist das Gesetz so ausgestaltet, dass das Urheberrecht den technischen Fortschritt, etwa auf dem Gebiet der für die Schweiz wichtigen Forschung und Entwicklung, nicht behindert.95

2.4

Massnahmenpaket gegen die «Hochpreisinsel Schweiz»

Im heutigen Wirtschaftsumfeld globaler Wertschöpfungsketten überqueren Vorprodukte mehrmals und zeitnah nationale Grenzen. In kleineren offenen Volkswirtschaften wie der Schweiz werden bis zu einem Drittel der Importe als Inputs für den Export verwendet. Deshalb sind insbesondere Schweizer Unternehmen auf eine möglichst nahtlose Einfuhr von Vorleistungen sowie Absatzmöglichkeiten im Ausland angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Handelshemmnisse bergen Kosten, die sich aufgrund zahlreicher Grenzübertritte erheblich aufsummieren können.

Der Bundesrat hat in verschiedenen Berichten auf die Bedeutung solcher Handelshemmnisse hingewiesen und aufgezeigt, welche Faktoren für das hohe Preisniveau in der Schweiz ­ die sogenannte «Hochpreisinsel Schweiz» ­ verantwortlich sind. In Erfüllung des Postulats 14.3014 «Erleichterung der Zollabfertigung und Förderung von Parallelimporten dank Anerkennung weiterer Dokumente zur Erbringung des Ursprungsnachweises» der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 24. Februar 2014 hatte der Bundesrat 2016 einen Bericht über die Erleichterung von Parallelimporten vorgelegt und umfassende Massnahmen gegen die «Hochpreisinsel Schweiz» beschlossen.96 Die vorgeschlagenen Massnahmen zielen auf den Abbau von Importhindernissen und erschweren damit die Marktsegmentierung durch ausländische Hersteller.

Im Rahmen dieser Massnahmen schlägt der Bundesrat vor, die Zölle auf Importe von Industriegütern unilateral aufzuheben. Diese Massnahme wird die Preise von importierten Waren entsprechend senken. Andererseits profitiert die Wirtschaft von günstigeren Vorleistungen und administrativer Entlastung, was deren Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Neben der Aufhebung der Zölle enthält die Vorlage auch eine Vereinfachung der Zolltarifstruktur für Industrieprodukte. Der Bundesrat verabschiedete die Botschaft zur Aufhebung der Industriezölle zuhanden des Parlaments am 27. November. Des Weiteren sollen Zölle auf ausgewählten Agrargütern, die nicht in der Schweiz hergestellt werden, gesenkt werden. Zudem soll das Cassis-deDijon-Prinzip mittelfristig gestärkt werden, indem das Bewilligungsverfahren für Lebensmittel durch ein einfacheres Verfahren abgelöst wird. Insgesamt werden mit diesen Massnahmen substanzielle Kosteneinsparungen von rund 900 Millionen Schweizerfranken
angestrebt, die bei Unternehmen sowie beim Privatkonsum anfallen sollten. Für den Bundeshaushalt sind dagegen Mindereinnahmen von mehreren hundert Millionen Schweizerfranken zu erwarten.

95 96

www.ejpd.admin.ch > Startseite EJPD > Aktuell > Themen > Modernisierung des Urheberrechts.

www.parlament.ch > 14.3014 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

2022

BBl 2020

Um den Wettbewerb noch besser zu schützen, strebt der Bundesrat eine Modernisierung der wettbewerbsrechtlichen Fusionskontrolle an. Die Einführung des auch von der EU angewandten «Significant Impediment to Effective Competition»-Tests (SIEC) würde es der Wettbewerbskommission erlauben, in Einzelfällen auch dann zu intervenieren, wenn eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs vorliegt, ohne dass eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des aktuell geltenden qualifizierten Marktbeherrschungstests besteht. Die Revision der Fusionskontrolle könnte die Entstehung marktmächtiger Unternehmen erschweren, was sich positiv auf das Wettbewerbsumfeld in der Schweiz auswirken dürfte.

2.5

Fair-Preis-Initiative

Die 2017 eingereichte Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel ­ für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» will ebenfalls die Hochpreisinsel Schweiz bekämpfen und zwar durch eine Begrenzung handelsbeschränkender Praktiken durch private Unternehmen. Konkret fordert die Initiative, die Gewährleistung der diskriminierungsfreien Beschaffung von Waren und Dienstleistungen im Ausland sowie die Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen, die durch einseitiges Verhalten von marktmächtigen Unternehmen verursacht werden. Zu diesem Zweck sieht die Initiative ein Vorgehen auf drei Ebenen vor: Erstens verlangt sie eine Anpassung des Kartellgesetzes, damit neu auch «relativ marktmächtige» Unternehmen von der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle erfasst werden. Zweitens wird eine Klausel eingeführt, um Reimporte ins Produktionsland zu verhindern. Drittens sieht die Initiative die Schaffung einer Regelung zur grundsätzlichen Gewährleistung des diskriminierungsfreien Einkaufs im Online-Handel (grundsätzliches Verbot des privaten Geoblockings) vor.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Forderungen der Initiative zu weit gehen, anerkennt aber den bestehenden Handlungsbedarf. Vor allem aus Sicht des öffentlichen Völkerrechts würde die vorgesehene Klausel zu den Reimporten Schweizer Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten bevorteilen. Aus diesem Grund möchte der Bundesrat gezielter gegen die Hochpreisinsel und die Abschottung des Schweizer Marktes vorgehen und unterbreitet deshalb einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative.97

97

Botschaft vom 29. Mai 2019 zur Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel ­ für faire Preise (Fair-Preis-Initiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Änderung des Kartellgesetzes), BBl 2019 4877.

2023

BBl 2020

3

Wirtschaftsbeziehungen mit der EU

Der EU-Binnenmarkt und vor allem der Austausch mit den Nachbarstaaten der Schweiz sind nach wie vor von fundamentaler Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft. Insgesamt ging 2018 über die Hälfte der Schweizer Warenexporte in die EU, zwei Drittel davon in die Nachbarstaaten. Gleichzeitig stammten über zwei Drittel der Schweizer Warenimporte aus der EU. Die EU ist die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin der Schweiz.

3.1

Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit der EU

Die zahlreichen bilateralen Abkommen98 zwischen der Schweiz und der EU sind weiterhin die Grundlage für einen weitgehend diskriminierungsfreien gegenseitigen Marktzugang. Sie sind ausserdem die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit in wichtigen Politikbereichen (z. B Forschung oder Sicherheit). Neben dem Freihandelsabkommen von 197299, welches die Zölle auf Industrieprodukte beseitigt und den Marktzugang für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte verbessert, sind für den Schweizer Aussenhandel insbesondere die Abkommen mit Bestimmungen zu nichttarifären Handelshemmnissen (z. B Anerkennung der Konformitätsprüfung von Industrie-100 und Agrarprodukten101, vereinheitlichte Kontrollen im Güterverkehr 102 oder Liberalisierung der Verkehrsmärkte103) sowie die Personenfreizügigkeit 104 von besonderer Bedeutung. Diese Abkommen basieren entweder auf der Übernahme von EU-Recht oder der gegenseitigen Anerkennung der Gleichwertigkeit relevanter Vorschriften.

98 99 100

101

102

103

104

www.eda.admin.ch > DEA > Europapolitik der Schweiz > Überblick Abkommen vom 22. Juli 1972 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81) und Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (SR 0.916.026.81).

Abkommen vom 25. Juni 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen ­ mit Anhängen (SR 0.631.242.05).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (SR 0.740.72).

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

2024

BBl 2020

3.1.1

Gleichwertige Regeln in der Schweiz und der EU

In der Regel haben die Schweizer Produzenten ein Eigeninteresse, die gleichen Vorschriften wie ihre wichtigsten Handelspartner anwenden zu können. In vielen Bereichen hat die Schweiz deshalb schon vor dem Abschluss der bilateralen Abkommen ihre Vorschriften an diejenigen der EU angepasst.

Mit dem Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) ist diese Gleichwertigkeit der Vorschriften zwischen der Schweiz und der EU etwa für die abgedeckten Industrieerzeugnisse vertraglich anerkannt. Seither sind zusätzliche Konformitätsbewertungen für den Vertrieb in der EU für diese Produkte nicht mehr notwendig. Schweizer Produzenten unterstehen damit in den abgedeckten Bereichen den gleichen Marktzugangsbedingungen wie ihre Konkurrenten im EU-Binnenmarkt. Dies bedingt eine regelmässige Aktualisierung des Abkommens, um es an die relevanten Rechtsentwicklungen in der EU anzupassen. Allerdings enthalten die betroffenen bilateralen Abkommen keine rechtliche Verpflichtung für eine zeitnahe Aktualisierung. So zeigte sich die EU 2016 im Nachgang zur Annahme des Verfassungsartikels zur Steuerung der Zuwanderung (Art. 121a BV) aus politischen Gründen vorübergehend nicht bereit, das MRA zu aktualisieren. Auch die anstehende Aktualisierung des Medizinproduktekapitels konnte noch nicht abgeschlossen werden; dazu braucht es eine Einigung mit der EU bis spätestens Mai 2020. Insofern die EU auch die Aufdatierung bestehender Marktzugangsabkommen mit dem institutionellen Abkommen verknüpft hat, könnte diese Aktualisierung in Frage gestellt werden. Ist die Gleichwertigkeit der Vorschriften nicht anerkannt, entstehen zusätzliche Kosten für die betroffenen Unternehmen.

Mit dem institutionellen Abkommen würden die Schweiz und die EU zur Aktualisierung der Marktzugangsabkommen verpflichtet (vgl. Art. 5 des Abkommensentwurfs). Der Abschluss des InstA würde somit für die Abkommen über eine Teilnahme am Binnenmarkt Rechtssicherheit schaffen.

3.1.2

Institutionelles Abkommen (InstA)

Mit dem Ziel, den gegenseitigen Marktzugang sowie den bilateralen Weg insgesamt zu konsolidieren, weiterzuentwickeln und langfristig zukunftsfähig zu machen, haben die Schweiz und die EU über ein institutionelles Abkommen verhandelt. Es soll auf fünf bestehende sowie alle zukünftigen Marktzugangsabkommen anwendbar sein.105 Der Entwurf des InstA sieht für die Aktualisierung der betroffenen Abkommen einen einheitlichen Rahmen bezüglich der Übernahme beziehungsweise der Angleichung an das EU-Recht vor. Dabei hat die Schweiz sorgfältig darauf geachtet, dass wie bis anhin die verfassungsmässigen direktdemokratischen Verfahren gewährleistet werden. Des Weiteren sieht das InstA für die betroffenen Abkommen einen einheitlichen Streitbeilegungsmechanismus vor. In dessen Rahmen können auch 105

Personenfreizügigkeit, Luftverkehr, Landverkehr, Landwirtschaft und MRA.

2025

BBl 2020

allfällige Ausgleichsmassnahmen inskünftig auf ihre Verhältnismässigkeit überprüft werden. Damit würde die Rechtssicherheit bezüglich der Teilnahme am EUBinnenmarkt erhöht.

Nebst institutioneller Fragen regelt das InstA gewisse Grundsätze bezüglich staatlicher Beihilfen. Das Beihilferecht ist zu einem wesentlichen Mittel des EUBinnenmarktrechts geworden, um die gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen zu garantieren. Erfasst werden nicht nur direkte finanzielle Subventionen, sondern auch Steuervergünstigungen und andere geldwerte Vorteile wie Garantien und Bürgschaften. Im Schweizer Recht werden staatliche Beihilfen und allfällige Wettbewerbsverzerrungen nicht im gleichen Masse überwacht wie in der EU. In den Verhandlungen über ein InstA war es der EU daher ein wichtiges Anliegen, rechtliche Grundsätze über die Zulässigkeit staatlicher Beihilfen festzuhalten. Diese gelten vorerst nur für das Luftverkehrsabkommen 106. Auf der Basis dieser Grundsätze sollen bei künftigen Marktzugangsabkommen im Geltungsbereich des InstA verbindliche materielle Beihilferegeln ausgehandelt werden. Dabei bleiben die Schweiz und die EU auf ihrem jeweiligen Territorium für die Überwachung der korrekten und kohärenten Anwendung der Beihilferegeln zuständig.

Nach intensiven Konsultationen der hauptbetroffenen Kreise in der Schweiz hat der Bundesrat am 7. Juni beschlossen, in drei Punkten des Textentwurfs Klärungen vorzunehmen. Die erforderlichen Klärungen betreffen (i) die Sicherstellung, dass die Regelung der staatlichen Beihilfen keine horizontalen Auswirkungen hat, insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen vor dessen Modernisierung, (ii) die Unionsbürgerrichtlinie107 sowie (iii) den Lohnschutz im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Um die Suche nach einer Einigung mit der EU zu unterstützen und breiten innenpolitischen Rückhalt zu schaffen, sind die Sozialpartner ebenso wie die Kantone eng in diesen laufenden innenpolitischen Prozess eingebunden.108 Die Schweiz hat seit 2004 mit der EU keine Marktzugangsabkommen mehr abgeschlossen. Die Anpassung bestehender Abkommen war teilweise blockiert. Damit steigt die Gefahr einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Dies einerseits gegenüber Konkurrenten im EU-Markt, die von der
fortschreitenden Binnenmarktintegration (z. B im Bereich der Dienstleistungen und der Digitalisierung) innerhalb der EU profitieren. Andererseits hat die EU in den letzten Jahren eine Reihe von umfassenden Freihandelsabkommen abgeschlossen. Dementsprechend nehmen die Wettbewerbsvorteile von Schweizer Anbietern auf dem Binnenmarkt der EU gegenüber solchen aus Drittstaaten ab.

Aus allen diesen Gründen ist es dem Bundesrat wichtig, mit dem InstA das Vertragswerk der Schweiz mit der EU und einen weitgehenden Binnenmarktzugang zu sichern, Rechtssicherheit für Unternehmen und Investoren zu schaffen und den Weg für weitere Marktzugangsabkommen mit dem wichtigsten Partner der Schweiz zu bereiten.

106

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

107 Richtlinie 2004/38/EG.

108 www.eda.admin.ch > DEA > Verhandlungen > Offene Themen > Institutionelles Abkommen.

2026

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3.1.3

Anerkennung der Äquivalenz der schweizerischen Börsenregulierung

Die Europäische Kommission verknüpft eine unbefristete Anerkennung der sogenannten Börsenäquivalenz (nach Art. 23 der Markets in Financial Instruments Regulation, MiFIR109) mit dem Abschluss des InstA. Sie liess die im Juni 2018 auf ein Jahr befristete Anerkennung auslaufen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) aktivierte daraufhin die vom Bundesrat beschlossene Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur per 1. Juli. Die entsprechende Verordnung110 sieht eine Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze vor, die Aktien von Schweizer Gesellschaften zum Handel zulassen. Den Börsen in der EU ist es seit 1. Juli untersagt, den Handel mit bestimmten Aktien von Schweizer Gesellschaften anzubieten oder zu ermöglichen. Dadurch konnten negative Auswirkungen der Nichtverlängerung der Börsenäquivalenz für den Finanzplatz bislang verhindert werden.

3.1.4

Personenfreizügigkeit

Das Personenfreizügigkeitsabkommen ermöglicht es der Schweizer Wirtschaft, angesichts des strukturellen Mangels an inländischem Personal flexibel und unkompliziert Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Das hat sich als wichtiger Standortvorteil erwiesen, insbesondere angesichts der sich rasch verändernden Nachfragestruktur des Arbeitsmarkts im Zuge der Digitalisierung, die neue Stellenprofile erfordert (vgl. Ziff. 1.3). Das Freizügigkeitsabkommen hat das ansehnliche Wirtschaftswachstum der letzten Jahre und den Wohlstandzuwachs für die Schweizer Bevölkerung unterstützt. Die Nettozuwanderung aus EU/EFTA-Staaten blieb 2018 mit 31 200 Personen im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt gering. Die Zuwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit trug zu einer Verlangsamung der Alterung der Bevölkerung in der Schweiz bei, da hauptsächlich Personen im erwerbsfähigen Alter einwandern. Mit der erhöhten Zuwanderung als Folge der guten Wirtschaftslage in der Schweiz gehen aber auch Befürchtungen einher, beispielsweise hinsichtlich von Verdrängungseffekten oder Lohneinbussen. Zahlreiche Analysen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass solche Effekte nur für einzelne Personengruppen und Regionen feststellbar sind. Zum selben Schluss kommt das diesjährig durchgeführte Observatorium, das die Entwicklungen bis 2018 abdeckt. 111 Die Analyse stellt fest, dass die Zuwanderung der letzten Jahre ohne nennenswerte negative Auswirkungen auf die inländische Erwerbsquote, die Arbeitslosigkeit, die Sozialversicherungen oder das Lohnniveau erfolgte.

109

Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84.

110 Verordnung über die Anerkennung ausländischer Handelsplätze für den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz (SR 958.2).

111 www.seco.admin.ch > Arbeit > Personenfreizügigkeit und Arbeitsbeziehungen > Das Observatorium zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU.

2027

BBl 2020

Zu dieser erfolgreichen Bewältigung des Strukturwandels beigetragen haben gezielte Massnahmen des Bundesrats zur Unterstützung der einheimischen Bevölkerung und allfälliger betroffener Personengruppen oder Regionen. Die flankierenden Massnahmen zum Schutz vor missbräuchlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen haben sich bewährt.112 Zudem konnte der Bundesrat im Berichtsjahr mit der 2018 eingeführten Stellenmeldepflicht weitere positive Erfahrungen sammeln. Die Schweiz verfügt damit über ein Instrument, um die Wiedereingliederung von Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt zu fördern. Weiter unternimmt der Bundesrat mit seiner Fachkräftepolitik113 zusätzliche Anstrengungen, um das inländische Fachkräftepotenzial noch besser zu erschliessen und auszuschöpfen. Im Berichtsjahr verabschiedete der Bundesrat zudem ein zusätzliches Massnahmenpaket. 114 Sie zielen unter anderem darauf ab, die Konkurrenzfähigkeit von älteren Arbeitskräften zu sichern, schwer vermittelbaren Stellensuchenden den Schritt in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und in der Schweiz lebende Ausländer besser in diesen zu integrieren.

Angesichts der hohen Bedeutung der Personenfreizügigkeit für die Schweizer Wirtschaft und der guten Erfahrungen mit den erwähnten Massnahmen hat der Bundesrat in seiner am 7. Juni verabschiedeten Botschaft115 die Ablehnung der Volksinitiative «Für eine massvolle Zuwanderung» empfohlen.

3.2

Beitrag der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten

Die Schweiz unterstützt seit 2007 Projekte in dreizehn EU-Mitgliedstaaten116 im Rahmen von 1,302 Milliarden Schweizerfranken. Sie hat damit einen Beitrag zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU geleistet und die bilateralen Beziehungen gestärkt. Darüber hinaus profitiert die Schweiz langfristig von einem sicheren und stabilen Europa, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten möglichst gering sind. In denjenigen Staaten, die der EU 2004 beigetreten sind (EU-10), wurden sämtliche Projekte bis 2017 abgeschlossen. Am 7. Dezember des Berichtsjahres schlossen Bulgarien und Rumänien nach zehnjähriger Laufzeit die Projekte des Schweizer Erweiterungsbeitrags ab. In Kroatien laufen die Projekte noch bis 2024.

Das Parlament befürwortete im Berichtsjahr grundsätzlich einen neuen Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten. Wie der Erweiterungsbeitrag soll auch der zweite Beitrag der Schweiz insgesamt 1,302 Milliarden Schweizerfranken über zehn Jahre betragen. Neu will die Schweiz auch jene EU-Mitgliedstaaten unterstützen, die von Migrationsbewegungen besonders stark betroffen sind. Das Parlament hat aber auch 112 113 114

Vgl. Medienmitteilung vom 23. Mai 2019 «15 Jahre Schweizer Lohnschutz».

www.seco.admin.ch > Arbeit > Fachkräftepolitik.

Vgl. Medienmitteilung vom 15. Mai 2019 «Bundesrat verstärkt die Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials».

115 Vgl. Medienmitteilung vom 7. Juni 2019 «Bundesrat sagt Nein zur Begrenzungsinitiative».

116 Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

2028

BBl 2020

entschieden, dass keine Verpflichtungen eingegangen werden, wenn die EU diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz erlässt oder aufrechterhält.

3.3

Brexit

Das Vereinigte Königreich ist ein bedeutender Handelspartner der Schweiz. So war es 2018 der sechstwichtigste Absatzmarkt für Schweizer Warenexporte im Umfang von 8.8 Milliarden Schweizerfranken.

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich basieren massgeblich auf den bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU.

Wenn das Vereinigte Königreich aus der EU austritt, sind diese nach Ablauf einer allfälligen Übergangsperiode im bilateralen Verhältnis zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich nicht mehr anwendbar.

Im Rahmen der 2016 vom Bundesrat verabschiedeten «Mind the Gap»-Strategie konnten im Berichtsjahr ein Versicherungsabkommen (25. Januar), ein Strassenverkehrsabkommen (25. Januar), ein Handelsabkommen (11. Februar), ein Abkommen über die erworbenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger (25. Februar), ein befristetes Abkommen über die gegenseitige Zulassung zum Arbeitsmarkt (10. Juli) sowie ein befristetes Abkommen über die Koordination der Sozialversicherungen (31. Oktober) unterzeichnet werden. Ein Luftverkehrsabkommen wurde bereits am 17. Dezember 2018 unterzeichnet. Diese Abkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich kommen zur Anwendung, sobald die bilateralen Abkommen Schweiz­EU nicht mehr für das Vereinigte Königreich gelten. Die beiden befristeten Abkommen werden nur im Fall eines ungeordneten Austritts des Vereinigten Königreiches aus der EU angewendet. Das Handelsabkommen und die Abkommen im Bereich der Migration bedürften der Genehmigung des Parlaments.

Sollte es noch vor dieser Genehmigung zu einem ungeordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU («No-Deal») kommen, würden die Abkommen vorläufig angewendet. Zum Abkommen über die erworbenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger hat der Bundesrat am 6. Dezember eine Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.

Das Abkommen über die erworbenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich ermöglicht die Wahrung erworbener Rechte und Pflichten und gewährt den Wirtschaftsakteuren sowie Bürgerinnen und Bürgern der Schweiz, beziehungsweise des Vereinigten Königreichs, die sich in einem der beiden Länder aufhalten, Rechtssicherheit. Das Abkommen über die gegenseitige Zulassung zum Arbeitsmarkt erlaubt es, befristet von gewissen
Zulassungsbedingungen des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG)117 abzuweichen.

Dadurch wird ­ unter Einhaltung der Vorgaben von Art. 121a BV ­ den Interessen der Schweizer Wirtschaft Rechnung getragen. Das Abkommen über die Koordinierung der Sozialversicherungen hält das im Freizügigkeitsabkommen (FZA) diesbe-

117

SR 142.20

2029

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züglich festgehaltene Regelwerk zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich aufrecht.

Das Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich (vgl. Ziff. 9.2.2) sieht im Wesentlichen die Weiterführung eines Grossteils der Rechte und Pflichten unter den Abkommen mit der EU im Wirtschafts- und Handelsbereich vor (unter anderen des Freihandelsabkommens118 und des Abkommens über das öffentliche Beschaffungswesen119). Einige im Handelsabkommen abgedeckte Abkommen zwischen der Schweiz und der EU beruhen auf der Harmonisierung oder der gegenseitigen Anerkennung der relevanten Vorschriften zwischen der Schweiz und der EU und können ohne eine vertragliche Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nicht in ihrer Gesamtheit übernommen werden (namentlich das Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit von 2009, gewisse Sektoren des Agrarabkommens, darunter der Anhang «Veterinärabkommen», und gewisse Sektoren des Abkommens über technische Handelshemmnisse). Die Anwendung der betreffenden Abkommensteile kann ­ je nach Entwicklung in den Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ­ vom zuständigen Gemischten Ausschuss (GA) beschlossen werden.

Das Handelsabkommen sieht exploratorische Gespräche zur Weiterentwicklung der Handelsbeziehungen vor. Diese sind wie in anderen Bereichen im Berichtsjahr bereits lanciert worden. Neben der Bestandswahrung hat im Berichtsjahr die Sondierung der Möglichkeiten eines Ausbaus der Zusammenarbeit mit dem UK über den Status Quo hinaus (Teil der «Mind the gap»-Strategie) an Bedeutung gewonnen.

4

Internationale Organisationen

4.1

Welthandelsorganisation (WTO)

4.1.1

Reform der WTO und Sicherung des Streitschlichtungsmechanismus

Seit 2018 wurden an der WTO verschiedenen Reforminitiativen lanciert, die vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen für das multilaterale Handelssystem zu sehen sind120. Als Mitglied der von Kanada lancierten Ottawa-Initiative121 engagierte sich die Schweiz für die Erarbeitung von Reformvorschlägen. Das Ziel der Weiterentwicklung der WTO fand im Berichtsjahr weiterhin grosse politische Unterstützung, so im Rahmen der informellen WTO-Ministertreffen in Davos, Paris und Shanghai, aber auch anlässlich des Treffens der Staatschefs der G20 in Osaka122.

Aufgrund der anhaltend verhärteten Positionen sowohl betreffend die Spannungen zwischen den USA und China, aber auch von Entwicklungsländern, die weiteren 118 119 120 121

SR 0.632.401 SR 0.172.052.68 Siehe dazu auch den Aussenwirtschaftsbericht 2018.

Mitglieder: Australien, Brasilien, Chile, EU, Kanada, Korea, Japan, Kenia, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Singapur.

122 G20 Osaka Leaders' Declaration vom 29. Juni 2019.

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Liberalisierungen kritisch gegenüberstehen, ist hinsichtlich der im Juni 2020 bevorstehenden 12. ordentlichen Ministerkonferenz in Nursultan, Kasachstan mit keinen grossen Durchbrüchen zu rechnen. Konkrete Ergebnisse werden im Bereich der Fischereisubventionen erwartet, um die Überfischung der Weltmeere im Sinne der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) einzudämmen. Auch im Agrarbereich sind viele WTO-Mitglieder an einem Abschluss interessiert.

Aufgrund der Blockade der Ernennung von Richtern durch die USA ist seit Dezember das Berufungsorgan des WTO-Streitschlichtungsmechanismus nicht mehr beschlussfähig. Die neuen erstinstanzlichen Urteile der WTO-Streitschlichtung, die weiterhin das bestehende WTO-Recht auslegt und von den Mitgliedern rege genutzt wird, können damit von dieser Behörde nicht mehr abschliessend überprüft werden.

Die Diskussionen zur Lösung der Blockade werden in den kommenden Monaten weitergeführt. Einige Mitglieder ziehen bilaterale oder plurilaterale Lösungen in Betracht, um die negativen Auswirkungen einer nicht funktionsfähigen Berufungsinstanz abzufedern und für die sie betreffenden Streitigkeiten ein Berufungsverfahren auf dem Schiedsgerichtsweg zu etablieren.

4.1.2

Plurilaterale Verhandlungen

Plurilaterale Verhandlungen (mit einem Teil der WTO-Mitgliedschaft) entwickelten im Berichtsjahr eine erfreuliche Dynamik. Am Rande des informellen WTOMinistertreffens in Davos im Januar wurden formelle Verhandlungen im Bereich des elektronischen Handels angekündigt und im Mai aufgenommen. Aufgrund der weiten Themenbreite, deren technischer Komplexität und sich abzeichnender divergierender Positionen ist nicht mit einem baldigen Abschluss der Verhandlungen zu rechnen123. Bei den Verhandlungen über die innerstaatliche Regulierung von Dienstleistungen, über die Investitionserleichterungen und über Kleinstunternehmen (KKMU) konnten demgegenüber gute Fortschritte erzielt werden. Die Schweiz engagiert sich aktiv in diesen Verhandlungen. Im Bereich der innerstaatlichen Regulierung setzt sie sich für klarere Regeln ein, um die Rechtssicherheit für Dienstleistungserbringer zu erhöhen. Zu diesen Themen werden Abschlüsse anlässlich der Ministerkonferenz in Nursultan vorbereitet.

Am 25. September wurde am Rande der UN-Generalversammlung die Initiative für ein Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit (Agreement on Climate Change, Trade and Sustainability, ACCTS) angekündigt. Das angestrebte Abkommen soll einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele, welche im Pariser Klimaabkommen124 festgehalten sind, leisten. Die Verhandlungen umfassen die Bereiche Umweltgüter und -dienstleistungen, Abschaffung von Subventionen für fossile Energieträger sowie Umweltlabelling. Mitglieder dieser Initiative sind Costa Rica, Fidschi, Island, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz. Der Beginn der Verhandlungen ist für Beginn 2020 vorgesehen.

123 124

Vgl. auch Ziff. 1.

SR 0.814.012

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4.1.3

Verteidigung der schweizerischen Handelsinteressen

Am 4. Dezember 2018 wurde der Spezialausschuss der WTO-Streitschlichtung (sog.

Panel) im Fall der Schweiz gegen die USA betreffend die Zölle auf Stahl und Aluminium eingesetzt. Die Schweiz hatte diesen Ausschuss verlangt, weil die US-Zölle auf Stahl und Aluminium, welche die USA mit nationalen Sicherheitsinteressen rechtfertigen, die Exporte der Schweiz unrechtmässig belasten und Verpflichtungen der USA unter dem Abkommen über die Schutzmassnahmen sowie dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT)125 zuwiderlaufen. Das Verfahren läuft parallel zu entsprechenden Klagen von sechs anderen WTO-Mitgliedern, an denen sich die Schweiz im Berichtsjahr als Drittpartei beteiligte.126

4.2

OECD und G20

Die Schweiz präsidierte im November zum zweiten Mal die Global Strategy Group (GSG), ein hochrangiges Treffen der OECD, das über 40 Staaten vereint. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand das Thema «Alterung der Gesellschaften». Die Regierungsvertreter der OECD-Mitgliedsstaaten und weiterer eingeladener Länder erörterten damit verbundene Herausforderungen und Chancen. Die Diskussionen haben das grosse Interesse und die Besorgnis der Länder bezüglich dieser Entwicklung und deren makroökonomischen Konsequenzen, etwa für die Bereiche Gesundheit, Bildung, Sozialversicherungen und Steuern sowie öffentliche Finanzen, klar aufgezeigt.

Hierzu verfasste die OECD im Berichtsjahr auch einen wirtschaftspolitischen Länderbericht zur Schweiz. Der Fokus lag auf den Herausforderungen des Pensionssystems und des Gesundheitswesens.

Bei der diesjährigen OECD-Ministerkonferenz wurden die möglichen öffentlichen Massnahmen zur Bewältigung des digitalen Wandels diskutiert. Konzeptionelle Vorarbeiten im Rahmen der Going Digital Initiative konnten abgeschlossen werden.

In einer zweiten Phase soll nun auf konkrete Empfehlungen hingearbeitet werden.

Die Minister der OECD-Mitgliedsstaaten verabschiedeten ausserdem Empfehlungen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz, die weltweit ersten staatlichen Richtlinien zu diesem Thema.

Im März hat die Schweiz ein erstes Mal mündlich Bericht erstattet zu dem 2018 im Rahmen der OECD-Konvention gegen Bestechung127 durchgeführten Peer-Review.

Während die OECD das Engagement der Schweiz bei der Bekämpfung der Bestechung begrüsste, kritisierte sie den fehlenden Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in der Privatwirtschaft, ­ eine Kritik, die sie bereits früher angebracht hat. 2020 wird die Schweiz einen detaillierten Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen einreichen.

125 126 127

SR 0.632.21 China, EU, Indien, Norwegen, Russland und Türkei.

Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (SR 0.311.21).

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Am G20-Gipfel, der Ende Juni in Osaka stattfand, einigten sich die Staats- und Regierungschefs trotz der aktuellen internationalen Spannungen auf eine gemeinsame Abschlusserklärung.128 Die Schweiz konnte sich auch dieses Jahr wieder als Gast bei den Treffen des Finance Track und der Arbeitsgruppe zur Antikorruption einbringen. Die Schweiz nimmt aktiv an den Diskussionen zur Besteuerung internationaler Konzerne und der digitalen Wirtschaft teil, die aktuell in der OECD im Auftrag der G20 stattfinden (vgl. Ziff 1.3.2).

Das Königreich Saudi-Arabien, welches von Japan die G20-Präsidentschaft übernahm, hat die Schweiz ­ zusammen mit Jordanien und Singapur ­ als Gaststaat eingeladen. Damit wird die Schweiz zum ersten Mal an sämtlichen Arbeitsgruppen und Ministertreffen sowie am G20-Gipfel im November 2020 teilnehmen.

4.3

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) stand im Berichtsjahr im Zeichen ihres Hundertjahrjubiläums. Zu diesem Anlass lancierte sie eine Initiative zur Zukunft der Arbeit, die im Bericht der Globalen Kommission zur Zukunft der Arbeit mündete. 129 Diese fordert die Regierungen auf, sich als Antwort auf tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt im Zug der fortschreitenden Digitalisierung zu konkreten Massnahmen zu verpflichten (vgl. Ziff 1.3). Die Kommission skizzierte eine Vision für eine am Menschen orientierte Agenda: Investitionen in die Bildung und Fähigkeiten der Menschen, in Institutionen der Arbeit sowie in menschenwürdige und nachhaltige Arbeit.

Die Feierlichkeiten fanden ihren Höhepunkt in der jährlichen Internationalen Arbeitskonferenz. Mit dem Vorsitz der Jubiläumskonferenz kam der Schweiz als Gaststaat und Gründungsmitglied der IAO eine besondere Ehre zu. Die Präsidentschaft endete mit der Verabschiedung der Deklaration zur Zukunft der Arbeit und eines internationalen Übereinkommens über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, der IAO-Konvention 190.130 Die Erklärung zur Zukunft der Arbeit soll die Richtung der IAO für ihre Arbeit im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens angeben.

Sie bestärkt das Mandat der IAO zur Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit.

Die Schweiz nutzte das Jubiläumsjahr, um die Sozialpartnerschaft zu stärken. Kernstück dieser Zusammenarbeit war die laufende Umsetzung der tripartiten Erklärung zur Zukunft der Arbeit und Sozialpartnerschaft im Zeitalter der Digitalisierung131.

Daneben organisierte die Schweiz verschiedene Anlässe und Aktivitäten, um die IAO und ihre Errungenschaften der Schweizer Bevölkerung näher zu bringen.

128 129

www.g20.org > documents > G20 Osaka Leader's Declaration.

www.ilo.org > Global > Topics > Future of Work > Publications > Für eine bessere Zukunft arbeiten.

130 www.ilo.org > Meetings and events > International Labour Conference > ILC sessions > 108th Session, 2019 > Committees on the agenda > Standard Setting Committee: violence and harassment in the world of work > Violence and Harassment Convention, 2019.

131 www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Erklärung zur Zukunft der Arbeit und der Sozialpartnerschaft in der Schweiz.

2033

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5

Bilaterale Wirtschaftsabkommen

5.1

Freihandelsabkommen

Die Schweiz baute ihr Netz an FHA im Berichtsjahr weiter aus.

Am 14. Dezember 2016 erteilte der Bundesrat dem WBF das Mandat, ein Freihandelsabkommen zwischen den EFTA- und Mercosur-Staaten auszuhandeln, das unter anderem die Förderung der nachhaltigen Entwicklung zum Ziel hat. In diesem Rahmen haben die EFTA- und Mercosur-Staaten am 23. August 2019 in Buenos Aires die Verhandlungen in der Substanz abgeschlossen. Der Bundesrat wird den Inhalt des Abkommens voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2020 zu Kenntnis nehmen, die Abkommenstexte werden derzeit rechtlich überprüft. Das Datum der Unterzeichnung ist noch nicht festgelegt.

Das WBF ist der Ansicht, dass der Abkommensentwurf das vom Bundesrat erteilte Mandat erfüllt. Mit diesem Abkommen werden mittelfristig rund 95 Prozent der schweizerischen Ausfuhren in den fünftgrössten Markt der Welt von Zöllen befreit und der Marktzugang und die Rechtssicherheit für Dienstleistungen, Investitionen und im öffentlichen Beschaffungswesen verbessert. Es umfasst weiter Bestimmungen zum Wettbewerbsrecht, zum Schutz des geistigen Eigentums, zum Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, einschliesslich sanitärer und phytosanitärer Massnahmen, sowie zu Handel und nachhaltiger Entwicklung. Der Abschluss der Verhandlungen erfolgte, kurz nachdem sich die EU- und Mercosur-Staaten nach 20 Jahren der Verhandlung auf ein FHA geeinigt hatten. Angesichts der hohen Zölle der Mercosur-Staaten drohten Schweizer Exporteuren ohne Abkommen bedeutende Diskriminierungen.

Eine besondere Herausforderung in den Verhandlungen waren die Zollkonzessionen der Schweiz für Agrarprodukte, an denen das grösste Exportinteresse der MercosurStaaten besteht. Mittels auf die schweizerische Agrarpolitik abgestimmten Zollkonzessionen, bei deren Erarbeitung die betroffenen Branchen miteinbezogen wurden, konnte nach Ansicht des WBF jedoch ein gutes Resultat im Bereich Warenhandel erzielt werden. Ausserdem sieht das Abkommen detaillierte Schutzklauseln vor, die bei unerwartet grossen Einfuhrmengen Korrekturmassnahmen erlauben. Eine weitere Herausforderung war der Bereich des geistigen Eigentums, wo insbesondere Bestimmungen zum Patent- und Testdatenschutz Gegenstand langwieriger Verhandlungen waren. Auch in diesem Bereich erzielte die Schweiz nach Ansicht des federführenden Departements ein ­
gerade im Vergleich zum Abkommen EU-Mercosur ­ zufriedenstellendes Ergebnis. Schliesslich erreichte die Schweiz ihre Ziele auch im Bereich Handel und nachhaltige Entwicklung. Es gelang der Schweiz mit den anderen EFTA-Staaten, Bestimmungen über die Achtung der Arbeitnehmerrechte und den Umweltschutz im Abkommen zu verankern (vgl. Ziff. 6.2).

Das im Dezember 2018 abgeschlossene Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Indonesien (Comprehensive Economic Partnership Agreement, CEPA) wurde im Berichtsjahr durch das Parlament genehmigt. Im Fokus der parlamentarischen Diskussionen standen die Konzessionen an Indonesien für Palmöl. Um von Zollsenkungen im Rahmen der ausgehandelten Zollkontingente zu profitieren, muss dieses nachhaltig hergestellt werden (vgl. Ziff. 6.2).

2034

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Zahlreiche weitere Verhandlungen über neue FHA und die Modernisierung bestehender FHA wurden im Berichtsjahr fortgesetzt (vgl. Ziff. 9.1.2). Auch die exploratorischen Gespräche mit den USA über ein mögliches FHA wurden fortgeführt.

Ausserdem führte die Schweiz exploratorische Gespräche mit diversen Partnern, zum Beispiel China132 und Japan133.

In Bezug auf die bestehenden Abkommen hat der Bundesrat eine Analyse der Nutzung der darin festgeschriebenen Zollpräferenzen durch die Wirtschaftsakteure veranlasst. Zu diesem Zweck wurden im Berichtsjahr mit einer Reihe von Partnerstaaten Zolldaten ausgetauscht, die anschliessend in eine umfassende externe Studie einflossen. Es zeigten sich dabei je nach Partnerstaat grosse Unterschiede hinsichtlich der Nutzung der Präferenzen. Künftig sollen diese Daten regelmässig ausgetauscht werden und eine kontinuierliche Analyse der Präferenznutzung erlauben.

Im Berichtsjahr fanden ausserdem mehrere Treffen von GA statt, die unter FHA geschaffen wurden (vgl. Ziff 9.1.3).

5.2

Investitionsschutzabkommen

Mit einem Bestand von über 1 467 Milliarden Schweizerfranken 134 Direktinvestitionen im Ausland gehört die Schweiz weltweit zu den zehn grössten Kapitalexporteuren. Gleichzeitig ist sie ein bedeutender Importeur von ausländischem Kapital 135. Es liegt somit im Interesse der Schweiz, günstige Rahmendbedingungen für Investitionen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Die bilateralen Investitionsschutzabkommen (ISA) tragen dazu bei, indem sie Investoren dank der darin enthaltenen Garantien und der Umsetzungsmechanismen zusätzliche Rechtssicherheit und Schutz vor politischen Risiken gewähren136. Vor diesem Hintergrund erneuert die Schweiz, die momentan über 111 geltende ISA verfügt, ihr Netz von ISA fortlaufend durch den Abschluss neuer oder die Revision bestehender Abkommen. Im Berichtsjahr fanden zwei Verhandlungsrunden zur Revision des ISA mit Indonesien statt. Ein gemeinsamer Textentwurf konnte ausgearbeitet werden und die Verhandlungen sind weit fortgeschritten. Die Verhandlungen zur Revision des ISA mit der Slowakei sind ebenfalls weit fortgeschritten; die beiden Parteien hoffen auf einen baldigen Abschluss. Eine Übersicht über die laufenden Verhandlungen findet sich in Ziffer 9.1.4.

132 133 134

135 136

Freihandelsabkommen vom 6. Juli 2013 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Volksrepublik China (SR 0.946.292.492).

Abkommen über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft vom 19. Februar 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Japan (SR 0.946.294.632).

Gemäss den Statistiken der Schweizerischen Nationalbank (SNB) per Ende 2018, vgl. SNB, Direktinverstitionen 2018, Dezember 2019, www.snb.ch > DE > Statistiken > Berichte und Medienmitteilungen > Direktinvestitionen.

Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz belief sich per Ende 2018 auf 1 296 Mrd. CHF (gemäss SNB).

Vgl. dazu auch «Die Entwicklungen im internationalen Investitionsschutz als Chance nutzen», Schwerpunktkapitel im AWB 2017 (BBl 2018 821).

2035

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Ausserdem hat der Bundesrat ein neues Verhandlungsmandat zur Revision bzw. für den Abschluss von ISA mit Angola, Bolivien, den Vereinten Arabischen Emiraten und Ecuador genehmigt.

5.3

Weitere Wirtschaftsabkommen

Ein weiteres bilaterales Wirtschaftsabkommen wurde im Berichtsjahr mit der Türkei abgeschlossen (vgl. Ziff. 9.2.3). Der Briefwechsel regelt die Verwendung von Vormaterialien aus den Vertragsparteien bei der Weiterverarbeitung im Rahmen des Allgemeinen Zollpräferenzensystems (APS). Das APS erlaubt eine zollvergünstigte oder zollfreie Einfuhr von Erzeugnissen mit Ursprung in einem Entwicklungsland.

5.4

Gemischte Wirtschaftskommissionen

Um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz auch ausserhalb der Freihandelsprozesse zu stärken, wurden im Berichtsjahr verschiedene Wirtschaftsmissionen und Treffen im Rahmen gemischter Wirtschaftskommissionen durchgeführt (vgl. Ziff. 9.1.5). Diese Wirtschaftsdialoge sind ein wichtiges Instrument zur Wahrung der aussenwirtschaftlichen Interessen der Schweiz im kontinuierlichen Austausch mit den wichtigsten Partnerstaaten.

6

Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung

6.1

Umsetzung der Agenda 2030

Die Agenda 2030 ist der weltweite Referenzrahmen für die nachhaltige Entwicklung und dient der schweizerischen Politik als Orientierungshilfe in diesem Bereich. Sie bündelt die nationalen und internationalen Anstrengungen, mit denen gemeinsame Lösungen für die grossen Herausforderungen wie den Ressourcenverbrauch oder den Klimawandel gefunden werden sollen.137 Im Wesentlichen umfasst die Agenda 2030 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG). Die Schweiz hat der UNO im Jahr 2018 einen Länderbericht über den Umsetzungsstand der Agenda 2030 in der Schweiz unterbreitet.138

137 138

www.eda.admin.ch > Agenda 2030 > 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung.

www.seco.admin.ch > Das SECO > Medienmitteilungen > Der Bund stärkt die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

2036

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6.1.1

Umsetzung in der Schweiz

Der Bundesrat misst der Agenda 2030 grosse Bedeutung zu. Um die Agenda 2030 in der Bundesverwaltung zu integrieren und sie entsprechend umzusetzen, hat der Bundesrat im Berichtsjahr entschieden, eine neue Organisationsstruktur zu schaffen.

So hat er das Direktionskomitee Agenda 2030 eingesetzt, in dem die hauptsächlich betroffenen Ämter auf Direktionsstufe vertreten sind. Hauptziel des Komitees ist die Steuerung und Koordination der Umsetzungsarbeiten der Agenda 2030 auf strategischer Ebene. Dazu gehört insbesondere das Monitoring der SDG in der Schweiz, die Erstellung des Länderberichts für die UNO, die Priorisierung der wichtigsten Herausforderungen und Chancen für die Schweiz, das Festlegen nationaler Ziele, die Abstimmung von Massnahmen sowie die Zusammenarbeit mit Kantonen, Gemeinden und nichtstaatlichen Akteuren. Zwei Delegierte des Bundesrates für die Agenda 2030 leiten das Direktionskomitee abwechselnd jeweils für zwei Jahre. Die eine Person wird vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) entsendet, die andere vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Neben ihren Koordinationsaufgaben verfassen die Delegierten jährlich einen Bericht über den Umsetzungsstand der Agenda 2030 zuhanden des Bundesrates; erstmalig wird dies im Jahr 2020 der Fall sein.

Die Hauptaufgabe des Direktionskomitees und der Delegierten bestand bisher darin, die neuen Stossrichtungen und Prioritäten für die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 zu erarbeiten. Konkretisiert wird diese Strategie durch einen auf vier Jahre angelegten Aktionsplan, den der Bundesrat 2020 gleichzeitig mit der Strategie genehmigen wird. In den zwei folgenden Jahren wird der Schweizer Länderbericht vorbereitet, der der UNO im Jahr 2022 vorgelegt wird.

6.1.2

UN High Level Political Forum on Sustainable Development 2019

Am hochrangigen politischen Forum über nachhaltige Entwicklung der UNO (High Level Political Forum, HLPF) konnte der Umsetzungsstand der Agenda 2030 geprüft und evaluiert werden. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Schweiz aktiv an der Überprüfung von Ziel 8 «Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern». Die Schweiz hob ihre Aktivitäten auf nationaler Ebene zur Erhöhung der Produktivität und der Arbeitsmarktbeteiligung hervor. Ausserdem berichtete sie von ihren Massnahmen zur Effizienzsteigerung bei der Nutzung der weltweiten Ressourcen und ihrem Engagement zur Förderung menschenwürdiger Arbeit im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Ein Höhepunkt des HLPF war die Übergabe der Jahrhunderterklärung der IAO zur Zukunft der Arbeit an den UNGeneralsekretär durch die Schweiz, die im Berichtsjahr die Internationale Arbeitskonferenz (IAK) präsidierte.

2037

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6.2

Nachhaltigkeitsbestimmungen in Freihandelsabkommen

6.2.1

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EFTAIndonesien

Das im Berichtsjahr genehmigte CEPA der EFTA mit Indonesien (vgl. Ziff. 5.1) verdeutlicht, wie die Schweiz die Kohärenz ihrer wirtschafts-, entwicklungs- und umweltschutzpolitischen Ziele und Massnahmen stärkt. Das Abkommen verbessert den Marktzugang für Unternehmen der betreffenden Partnerländer und bekräftigt zugleich die Ziele der Schweizer Entwicklungspolitik (vgl. Ziff. 7), die politischen und wirtschaftlichen Ziele Indonesiens und die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 (vgl. Ziff. 6.2.4). Die damit verbundenen Bestimmungen zur Sicherstellung der nachhaltigen Produktion importierten Palmöls werden im Rahmen einer Verordnung des WBF erlassen. Darin sollen Standards für Palmöl aufgeführt werden, welche die erwähnten Nachhaltigkeitsbestimmungen des CEPA erfüllen.

Die Schweiz unterstützt die Bemühungen Indonesiens, die Rahmenbedingungen für den Handel zu reformieren. Sie fördert den Handel unter Einhaltung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Standards. Um die Exportfähigkeit lokaler Produzenten zu erhöhen, stärkt sie beispielsweise mit dem Swiss Import Promotion Programme (SIPPO) die Kapazität von Exportförderorganisationen in den Bereichen Exportstrategie, Wissensmanagement oder internationales Networking. Die Einbindung kleinbäuerlicher Produzenten von Kakao und Palmöl in umweltverträgliche Wertschöpfungsketten begünstigt eine nachhaltige Entwicklung landwirtschaftsbasierter Branchen.

Weiter ist die Schweiz neben den Niederlanden, Dänemark und Norwegen einer der Hauptakteure der IDH (Sustainable Trade Initiative). Mit seinem Engagement für diese 2008 gegründeten Initiative mit Sitz in Utrecht (Niederlande) unterstützt Schweiz die öffentlich-private Zusammenarbeit zur Stärkung und Beschleunigung der nachhaltigen Produktion von Gütern wie Kaffee, Kakao, Baumwolle, Soja und Palmöl. Bezüglich Palmöl verfolgt IDH in Indonesien konkret die drei folgenden Ziele: erstens eine deutliche Erhöhung der nach Nachhaltigkeitskriterien zertifizierten Palmölproduktion, zweitens die vermehrte Rückverfolgbarkeit in der Branche und drittens eine Einkommenssteigerung für die kleinen Produzenten.

6.2.2

Freihandelsabkommen EFTA-Mercosur

Das im Berichtsjahr abgeschlossene FHA zwischen den EFTA-Staaten und den Mercosur-Staaten enthält umfassende Bestimmungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung, die auf die Verpflichtungen der Vertragsparteien gemäss der Agenda 2030 verweisen. Sie betreffen unter anderem die nachhaltige Bewirtschaftung von Waldressourcen, die biologische Vielfalt sowie Handel und Klimawandel.

Weiter ist ein Dialog zu nachhaltiger Land- und Ernährungswirtschaft vorgesehen.

Im Zusammenhang mit dem FHA hat das SECO gemeinsam mit dem BAFU eine gezielte Umweltverträglichkeitsprüfung in Auftrag gegeben. Die Ausschreibung erfolgte im Rahmen der Massnahme 7 des Berichts «Grüne Wirtschaft» an den 2038

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Bundesrat und hat zum Ziel, die möglichen Auswirkungen eines FHA zwischen den EFTA- und den Mercosur-Staaten auf die Umwelt in der Schweiz und in den Mercosur-Staaten zu beurteilen.

6.2.3

Letzte Entwicklungen in Bezug auf Nachhaltigkeit in Freihandelsabkommen

Weiter wurden im Berichtsjahr die Arbeiten zur Revision des Modellkapitels der EFTA zu Handel und nachhaltiger Entwicklung abgeschlossen. Die im Modellkapitel enthaltenen Bestimmungen stellen seit 2010 in sämtlichen Verhandlungen über FHA die Ausgangsposition der EFTA dar. Neu ist unter anderem ein ausdrücklicher Verweis auf die Ziele der Agenda 2030 und der «Decent Work»-Agenda der IAO, sowie Bestimmungen zu Handel und Klimawandel, Handel und biologischer Vielfalt, Förderung von verantwortungsvoller Unternehmungsführung und zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Ausserdem wirkte die Schweiz mit Erfolg darauf hin, den Umsetzungsmechanismus zu verstärken. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung der Nachhaltigkeitsbestimmungen kommen Konsultationsverfahren zwischen den Parteien zur Anwendung. Um die Streitbeilegungsmöglichkeiten weiter zu stärken, sieht das neue Modellkapitel nun zusätzlich vor, dass ein Panel unabhängiger Sachverständiger eingesetzt werden kann. Das Expertenpanel kann eine Stellungnahme und Empfehlungen zur Behebung des Problems abgeben. Die Schlussfolgerungen des Panels werden veröffentlicht und ihre Umsetzung wird durch den GA überwacht.

Am 18. September hat der Bundesrat das Postulat der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates 19.3011 betreffend die Erarbeitung einer Methodik zur Beurteilung der Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die nachhaltige Entwicklung angenommen. Der Bundesrat wird diesem Postulat innerhalb einer Frist von zwei Jahren nachkommen.

6.2.4

Memorandum of Understanding über Zusammenarbeit betreffend Arbeit und Beschäftigung (Arbeitsdialoge)

Die Schweiz führt mit China, Myanmar und Vietnam verschiedene Aktivitäten im Bereich Arbeit und Beschäftigung basierend auf Memoranda of Understanding (MoU) durch. Die MoU institutionalisieren einen regelmässigen, hochrangigen Dialog zwischen den Arbeitsmarktbehörden und Sozialpartnern der Schweiz und den erwähnten Partnerländern. Sie decken sich mit der Strategie der Schweiz bei der IAO und tragen zur Umsetzung der sozialen Aspekte der Nachhaltigkeitskapitel in den FHA der Schweiz bei. Projekte der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Arbeit und Beschäftigung in den erwähnten Ländern profitieren von diesem institutionalisierten Austausch. Namentlich finanziert die Schweiz in diesem Bereich die beiden Projekte der IAO Better Work in Partnerschaft mit der Internationalen Finanzkorporation (IFC) und Sustaining Competitive and Responsible Enterprises (SCORE). Im Berichtsjahr fand der dritte hochrangige, tripartite Arbeitsdialog 2039

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mit den zuständigen chinesischen Behörden, dem Ministry of Human Resources and Social Security und dem Ministry of Emergency Management, statt. Ausserdem schloss die Schweiz im Zusammenhang mit dem CEPA (vgl. Ziff. 6.2.1) im Berichtsjahr ein MoU mit Indonesien ab. Ein erster bilateraler Dialog zu Arbeits- und Beschäftigungsfragen ist 2020 geplant.

6.3

Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Entwicklung

Die SDGs sind der Referenzrahmen der Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020139 (vgl. Ziff. 7). Die bisherigen Erfahrungen und eine Evaluation zur Dauerhaftigkeit von Projekten im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit fliessen in die Ausarbeitung der Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 ein. So wird die politische Kohärenz zwischen wirtschafts-, migrations-, klima- und umweltpolitischen Aspekten laufend verbessert.

Die Schweiz setzt sich für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung in ihren Partnerländern ein und leistet damit auch einen Beitrag zur ihrer Sicherheit, ihrem Wohlstand und ihrer Unabhängigkeit.

Zudem setzt sich die Schweiz in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit dafür ein, dass von ihren Partnern aus dem Privatsektor Standards für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung eingehalten werden. In der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor verlangt die Schweiz beispielsweise die die Umsetzung der OECDLeitsätze für multinationale Unternehmen und die Einhaltung der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte.

6.4

Verantwortungsvolle Unternehmensführung

Der Bund setzte sich im Berichtsjahr weiterhin konkret für die Förderung und eine breit abgestützte Umsetzung der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) ein. Damit leisten die schweizerischen Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung sowie zur Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen.

6.4.1

Sorgfaltsprüfung von Unternehmen

Gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden und Handelskammern führte die Bundesverwaltung im Berichtsjahr schweizweit rund zwanzig Schulungen zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte durch. Im Zentrum stand die Umsetzung des branchenübergreifenden OECD-Leitfadens zur Sorgfaltsprüfung durch Unternehmen und der UNO-Leitprinzipien für «Wirtschaft und Menschenrechte». Zur Sorgfaltsprüfung im

139

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Bereich der Menschenrechte für KMU140 gab der Bund eine Publikation heraus. In Partnerschaft mit dem Netzwerk Schweiz des Global Compact der Vereinten Nationen141 wurde die 2018 gestartete Tour de Suisse on Responsible Business 2018­ 2022 mit Anlässen in verschiedenen Regionen der Schweiz weitergeführt. Der Bund hat zudem die Auslandvertretungen der Schweiz stärker und systematischer in seine Sensibilisierungsaktivitäten zur verantwortungsvollen Unternehmensführung einbezogen. Betreffend Rohstoffbranche machten Vertreter des Bundes den 2018 veröffentlichten Leitfaden für den Rohstoffhandelssektor zur Umsetzung der UNOLeitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte142 an Schulungen in der Schweiz sowie nationalen und internationalen Anlässen bei Unternehmen bekannt.

Die eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» sieht eine rechtlich verbindliche Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen vor. Sie verlangt darüber hinaus entsprechende Bestimmungen zur Unternehmenshaftung. In seiner Botschaft zur Volksinitiative143 anerkennt der Bundesrat, dass im Bereich Menschenrechte und Umwelt im Zusammenhang mit den Tätigkeiten von Schweizer Unternehmen im Ausland Handlungsbedarf besteht. Er setzt zu diesem Zweck auf die systematische Anwendung der verschiedenen bereits bestehenden Instrumente. Im Berichtsjahr fanden diesbezügliche parlamentarische Beratungen statt. Am 14. August beschloss der Bundesrat, sich in der parlamentarischen Debatte zum indirekten Gegenvorschlag für eine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung über die Achtung der Menschenrechte und den Umweltschutz entsprechend der in der EU geltenden Regeln einzusetzen. Jedoch sollen die Haftungsregeln nicht über die heute geltenden Regeln hinausgehen, um den Unternehmensstandort Schweiz nicht übermässig zu belasten.144 Weiter soll die Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht betreffend Kinderarbeit und Konfliktmineralien geprüft werden. Am 18. Dezember sprach sich nach dem Nationalrat auch der Ständerat für einen indirekten Gegenvorschlag aus. Gemäss Ständerat soll dieser Gegenvorschlag die Einführung einer Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie zur Sorgfaltsprüfung betreffend Konfliktmineralien und Kinderarbeit für Unternehmen vorsehen. Damit ging das Geschäft für die
Bereinigung der Differenzen zurück in den Nationalrat, der sich bisher für einen Gegenvorschlag mit einer Sorgfaltsprüfungspflicht und Haftung für Unternehmen ausgesprochen hat.

6.4.2

Aktualisierung der Aktionspläne

Der Bundesrat berichtete Anfang 2020 über die Umsetzung des CSR-Aktionsplans 2017­2019 und beschloss die Weiterführung des Aktionsplans für 2020­2023145.

Gestützt auf den neuen Aktionsplan wird der Bund noch stärker auf die Förderung 140 141 142 143 144

www.nap-bhr.admin.ch www.globalcompact.ch www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Rohstoffe.

BBl 2017 6335 www.admin.ch > Dokumentation Medienmitteilungen > 14.8.2019 > Schweizer Unternehmen sollen über Einhaltung der Menschenrechte und Umweltschutzstandards berichten.

145 www.csr.admin.ch

2041

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der praktischen Umsetzung der nationalen und internationalen CSR-Instrumente fokussieren. Auch unterstützt er die Angleichung der CSR-Instrumente der Privatwirtschaft an die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Zudem setzt sich der Bund für eine erhöhte Transparenz bezüglich der CSR-Massnahmen durch Unternehmen ein und prüft die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit der Digitalisierung und CSR. Im Rahmen seiner Verpflichtung als OECD-Mitgliedstaat wird der Bund periodisch die Umsetzung der OECD-Instrumente zur Sorgfaltsprüfung kontrollieren.

Koordiniert mit dem CSR-Aktionsplan, verabschiedete der BundesratAnfang 2020 auch den revidierten Nationalen Aktionsplan (NAP) zu Wirtschaft und Menschenrechten146 für 2020­2023. Die Aktualisierung wurde gestützt auf einer externen Bestandsaufnahme147 zur Umsetzung des NAP 2016­2019 und diesbezüglichen Empfehlungen vorgenommen. Entsprechend enthält der revidierte NAP über dreissig Massnahmen zur Achtung der Menschenrechte durch Bund und Privatwirtschaft.

Die Wirkung des revidierten NAP soll künftig mit Indikatoren gemessen werden.

Vertreter externer Interessengruppen (u. a. Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft) wurden in die Aktualisierung der Aktionspläne zu CSR sowie Wirtschaft und Menschenrechte einbezogen.

Im Berichtsjahr setzte der Bund die Empfehlungen des Bundesrats in der 2018 veröffentlichten Neubeurteilung bezüglich der Lage der Schweizer Rohstoffbranche148 weiter um. Diese betreffen unter anderem eine verstärkte Transparenz und Rückverfolgbarkeit betreffend die Achtung der Menschenrechte im Goldhandel.

Ausserdem wurde in Zusammenarbeit mit dem BFS eine Analyse zur Bedeutung des schweizerischen Rohstoffhandels in die Wege geleitet. Der Bundesrat beauftragte die Verwaltung bis Ende 2020, einen Bericht über den Stand der Umsetzung der Empfehlungen zu erstellen.

6.4.3

OECD-Leitsätze und Nationaler Kontaktpunkt

Die OECD-Arbeitsgruppe zur verantwortungsvollen Unternehmensführung veröffentlichte im Oktober einen neuen Leitfaden zur Sorgfaltsprüfung bei der Kreditvergabe an Unternehmen durch Finanzinstitute.149 Der Nationale Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen wird 2020 einen Anlass zur Präsentation dieses neuen Leitfadens in der Schweiz durchführen. Im Berichtsjahr erhielt der NKP eine Eingabe zum internationalen Eishockeyverband

146 147

www.nap-bhr.admin.ch Siehe Bericht «Bestandsaufnahme über die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte durch den Bund und durch Schweizer Unternehmen»: www.nap-bhr.admin.ch > DE > Veranstaltungen und Dokumentation > Studien.

148 www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit > Rohstoffe.

149 www.mneguideline.oecd.org > RBC-Financial Sector

2042

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mit Sitz in der Schweiz. Er schloss dieses sowie zwei Verfahren aus dem Vorjahr ab (Roundtable for Sustainable Palmoil und Crédit Suisse).150 Der Beirat des NKP diskutierte unter anderem die Umsetzung des OECD-Leitfadens zur Sorgfaltsprüfung für verantwortungsvolle Unternehmensführung und die Weiterentwicklung seiner Praxis bezüglich der Formulierung von Empfehlungen an die Parteien.

7

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit fördert die Eingliederung von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft, unterstützt die Entwicklung von Märkten sowie die Schaffung von menschenwürdigen Erwerbsmöglichkeiten und stärkt die wirtschaftliche Resilienz der Partnerländer. Damit leistet die Schweiz einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von Armut und Ungleichheit sowie zur Umsetzung der Agenda 2030 (vgl. Ziff. 6.3). Gleichzeitig trägt sie dazu bei, neue Absatzund Investitionsmöglichkeiten für die Schweizer Wirtschaft zu eröffnen.

Die Schweiz richtet ihre internationale Zusammenarbeit im Einklang mit der Legislaturplanung des Bundesrats 2019­2023 und der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz 2020­2023 aus. Sie ist kohärent mit der Aussenwirtschaftsstrategie und der Strategie Nachhaltige Entwicklung. Zudem stimmt sie ihre Bemühungen im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, dem Pariser Klimaabkommen und der Addis Ababa Action Agenda der Vereinten Nationen mit der internationalen Gemeinschaft ab, um positive Wechselwirkungen zwischen den Strategien zu nutzen, Zielkonflikte zu minimieren und dadurch die Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung zu erhöhen. In diesem Zusammenhang engagierte sich die Schweiz auch multilateral im Entwicklungshilfeausschuss der OECD (Development Assistance Committee, DAC) für eine Stärkung der Richtlinien zur Erhöhung der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung.

7.1

Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024

Die Botschaft des Bundesrats zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021­2024151 beschreibt die strategische Ausrichtung der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit sowie der Friedensförderung und der menschlichen Sicherheit der Schweiz in den Jahren 2021­2024. Im Berichtsjahr unterbreitete der Bundesrat die Vorlage den interessierten Kreisen im Rahmen einer fakultativen Vernehmlassung.

150

www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit > Nationaler Kontaktpunkt der Schweiz > Statements zu konkreten Fällen.

151 www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Der Bundesrat definiert die strategischen Eckpunkte für die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2021­2024.

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Die Vernehmlassungsvorlage sieht für die Jahre 2021­2024 folgende thematische Schwerpunkte vor: Die Unterstützung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums zur Erschliessung von Märkten und zur Schaffung von Arbeitsplätzen; den Kampf gegen den Klimawandel und dessen Auswirkungen sowie die nachhaltige Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen; die Rettung von Leben, die Sicherstellung einer hochwertigen Grundversorgung und die Reduktion der Ursachen von Zwangsmigration und irregulärer Migration; sowie die Förderung von Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Geschlechtergleichstellung.

Die geographische Fokussierung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit des EDA, die vier thematischen Schwerpunkte, die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und der Einsatz digitaler Technologien sollen dazu beitragen, die Wirkung der internationalen Zusammenarbeit weiter zu erhöhen.

Das WBF wird seine wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit auf Schwerpunktländer in den vier Schwerpunktregionen für die bilaterale Zusammenarbeit des EDA konzentrieren (Nordafrika und Mittlerer Osten, Subsahara-Afrika, Zentral-, Süd- und Südostasien, Osteuropa). Daneben wird es weiterhin ausgewählte Schwerpunktländer in Lateinamerika unterstützen, in denen die Schweiz aussenwirtschaftliche Interessen hat. Zudem zielt die im Berichtsjahr mit der Weltbank begonnene GovTech-Partnerschaft darauf ab, Transparenz, Rechenschaftslegung und Effizienz von öffentlichen Verwaltungen zu verbessern und damit zu besseren öffentlichen Dienstleistungen und der Bekämpfung der Korruption beizutragen.

Für den Zeitraum 2021­2024 sind fünf Rahmenkredite in der Höhe von insgesamt 11,37 Milliarden Schweizerfranken vorgesehen. Von den Rahmenkrediten fliessen etwa 1,555 Milliarden Schweizerfranken in die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des WBF. Gemäss dem erläuternden Bericht zur internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 wird die Quote für öffentliche Entwicklungshilfe (public development aid, APD) der Schweiz zwischen 2021 und 2024 rund 0,45 Prozent des Bruttonationaleinkommensbetragen.152

7.2

Multilaterale Zusammenarbeit

Die Schweiz ist Mitglied internationaler Organisationen, die sich für eine nachhaltige Entwicklung und insbesondere die Armutsbekämpfung einsetzen. Die Schweiz setzt sich für ein starkes multilaterales System ein und gestaltet es mit.

Im Berichtsjahr beteiligte sich die Schweiz aktiv an den Verhandlungen zur Kapitalerhöhung der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), wobei sie dabei auch die weiteren Stimmrechtsgruppenmitglieder Deutschland, Luxemburg und Portugal vertrat. Angesichts der fortwährenden Armut, des grossen Infrastrukturbedarfs sowie der komplexen Herausforderungen wie Klimawandel, Naturkatastrophen, Vertreibungen und Pandemien beschlossen die Mitgliedsstaaten der AfDB eine Kapitalerhöhung über insgesamt 7 Milliarden US-Dollar, dazu kommen Garantien in der 152

www.eda.admin.ch > DEZA > Aktuell > Dossiers > Erläuternder Bericht IZA 2021­2024.

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Höhe von 108.9 Milliarden US-Dollar. Der der Schweiz zufallende Anteil würde 99.7 Millionen US-Dollar (einzuzahlen 2021­2028) sowie eine Garantie über 1 562 Millionen US-Dollar betragen. Der Bundesrat wird hierzu Anfang 2020 eine Botschaft zuhanden des Parlaments verabschieden.

Im Beitragsjahr wurden zudem die Verhandlungen zur 19. Wiederauffüllung des Entwicklungsfonds der Weltbankgruppe (Internationale Entwicklungsorganisation, IDA) sowie zur 15. Wiederauffüllung des Afrikanischen Entwicklungsfonds (AfDF) abgeschlossen. Die Bekämpfung von Armut sowie die Förderung eines nachhaltigen Wachstums und der menschlichen Entwicklung stehen bei den Wiederauffüllungen im Zentrum. Die beiden Fonds legen dabei ihr Augenmerk auf Auswirkungen des Klimawandels, Gouvernanzfragen, Schaffung von Arbeitsplätzen, Entwicklung in fragilen Kontexten sowie Geschlechtergleichstellung. Die Schweiz unterstützt diese Schwerpunkte und hat die Verhandlungen mitgeprägt. Zudem engagierte sich die Schweiz mit ihren multilateralen, nationalen und privaten Partnern im Green Climate Fund, dessen erste Wiederauffüllung Ende Oktober beschlossen wurde.

7.3

Fördermittel für wirkungsorientierte Investitionen und stabile Kapitalmärkte

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit kooperiert mit privaten und öffentlichen Partnern. Sie nutzt die Erfahrungen, das Fachwissen, die innovativen Ansätze und die eigenen Ressourcen sowie die ihrer Partner, um die Wirksamkeit ihrer Aktivitäten zu erhöhen.

Zum Beispiel stellte die Schweiz im Rahmen des SECO-17 Programms Fördermittel zur Finanzierung von technischer Hilfe für wirkungsorientierte Investitionen (Impact Investing) zur Verfügung. Dazu hat sie in einem Wettbewerbsverfahren Partner aus der Privatwirtschaft ausgewählt und mit Fördermitteln für technische Hilfe unterstützt. Die Projekte liefern unter anderem Lösungen zur Reduktion des CO2Ausstosses und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Schweiz trägt damit dazu bei, Investitionsrisiken zu minimieren und zusätzliches Kapital für Partnerländer zu mobilisieren.

Gemeinsam mit der Weltbank unterstützt die Schweiz im Rahmen der Capital Markets Strengthening Facility die Entwicklung lokaler Kapitalmärkte. Indem Unternehmen und Investoren Zugang zu Kapital verschafft wird, sollen Währungsund Zinsrisiken ausländischer Kapitalströme reduziert, die Mobilisierung einheimischer Ressourcen ermöglicht und dadurch die Abhängigkeit von Entwicklungsgeldern verringert werden.

2045

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7.4

Wirksamkeitsüberprüfung der internationalen Zusammenarbeit 2017­2020

Im Berichtsjahr wurde die internationale Zusammenarbeit der Schweiz im Rahmen der Peer-Review der OECD und des Halbzeitberichts zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 überprüft. Es wurden unter anderem Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz und Dauerhaftigkeit der Aktivitäten beurteilt. Die Schweiz nutzt Evaluationen, um ihre Aktivitäten kontinuierlich zu verbessern und mit eingesetzten Ressourcen die grösstmögliche Wirkung zu erzielen. Zudem ermöglichen sie projektbezogene und institutionelle Lernprozesse für die zukünftige Gestaltung der internationalen Zusammenarbeit und Rechenschaftsablegung.

Im Berichtsjahr präsentierte der Bundesrat dem Parlament den Halbzeitbericht zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020.153 Der Halbzeitbericht zeigte, dass die Schweiz ihre Ziele zur Stärkung von Institutionen und Dienstleistungen und der Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen mehrheitlich erreichen konnte.

Externe Evaluationen im Bereich der Handelsförderung und Wettbewerbsfähigkeit zeigten unter anderem, dass die Schweiz ihr Engagement weiter intensivieren muss, um neben Nischenmärkten auch den Massenmarkt mit nachhaltigen Produkten zu erreichen. Die Massnahmen für eine klimaschonende Wirtschaft konnten im Rahmen globaler Programme und Projekte wie geplant umgesetzt werden.

Die Peer Review der OECD fiel für die Schweiz positiv aus: Die Schweiz berücksichtigt in ihrer Entwicklungszusammenarbeit die Agenda 2030 erfolgreich und setzt sich auf der bilateralen und multilateralen Ebene dafür ein, globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen. Die Partner der Schweiz schätzen deren Expertise, Verlässlichkeit und Flexibilität. Die OECD empfiehlt der Schweiz, ihr Engagement zu bündeln und 0,5 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für ihre öffentliche Entwicklungshilfe bereitzustellen. Dies entspricht dem Richtwert, welcher 2011 vom Parlament festgelegt wurde. Sie empfiehlt der Schweiz auch, Entwicklungsprogramme weiterhin auf die Ziele Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung auszurichten. Die Erkenntnisse aus der Peer-Review flossen in die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2021­2024 ein.

8

Exportkontrolle, Sanktionen und Rüstungskontrollpolitik

8.1

Exportkontrolle

Der Bundesrat verlängerte am 17. April die Verordnung über die Ausfuhr und Vermittlung von Gütern zur Internet- und Mobilfunküberwachung vom 13. Mai 2015154 um vier Jahre bis zum 12. Mai 2023. Zweck der Verordnung ist es, Bewilligungen zur Ausfuhr oder Vermittlung dieser Güter verweigern zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass sie zur Repression missbraucht werden. Die Verordnung 153

www.eda.admin.ch > Aktuell > Dossiers > Archiv > Vernehmlassung zur internationalen Zusammenarbeit 2021­2024­2024.

154 SR 946.202.3

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stützt sich direkt auf die Bundesverfassung und hat eine befristete Geltungsdauer. Im Juni 2018 übermittelte der Bundesrat dem Parlament daher eine Botschaft 155 zur Änderung des Güterkontrollgesetzes156.

8.2

Sanktionsmassnahmen

Gestützt auf das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen157 (Embargogesetz) sind gegenwärtig 23 Verordnungen sowie die Verordnung über den internationalen Handel mit Rohdiamanten158 in Kraft.

Am 1. November wurde die Vernehmlassung zu einer Änderung des Embargogesetzes abgeschlossen. Mit dieser Gesetzesänderung soll sichergestellt werden, dass das Einfuhrverbot für Feuerwaffen, Waffenbestandteile und Munition sowie weitere Güter aus Russland und der Ukraine fortgeführt werden kann und sich der Bundesrat künftig zur Regelung von vergleichbaren Fällen nicht mehr unmittelbar auf die Bundesverfassung stützen muss. Die Mehrheit der in der Vernehmlassung befragten Kantone, Parteien und interessierten Kreise begrüssten die Vorlage.

Des Weiteren wurden im Berichtsjahr die Verordnungen über Massnahmen gegenüber Syrien159 und gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea160 ergänzt, um die humanitäre Arbeit staatlicher und privater Akteure zu erleichtern. Überdies wurden zahlreiche Listen von sanktionierten natürlichen und juristischen Personen in den Anhängen der Verordnungen angepasst.

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) schloss am 26. März ihre Inspektion über die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen ab. Die schweizerische Sanktionspolitik wird von der GPK-S als klar und kohärent beurteilt.

Sie folgt den aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsätzen der Schweiz. Hingegen stellt die GPK-S gewisse Mängel beim Vollzug der beschlossenen Sanktionsmassnahmen sowie bei der Steuerung und Koordination zwischen den involvierten Verwaltungsstellen fest. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme aufgezeigt, wie er die Umsetzung von Wirtschaftssanktionen verbessern will.

155 156 157 158 159 160

BBI 2018 4529 SR 946.202 SR 946.231 SR 946.231.11 SR 946.231.172.7 SR 946.231.127.6

2047

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8.3

Rüstungskontrollpolitik

8.3.1

Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten»

Der Bundesrat hat am 14. Juni die Botschaft zur Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» verabschiedet. Er empfiehlt die Initiative zur Ablehnung. Der verfolgte Ansatz sowie die vorgesehenen Massnahmen werden vom Bundesrat als nicht zielführend beurteilt. In der Schweiz gilt bereits seit 2013 ein Finanzierungsverbot für verbotenes Kriegsmaterial (atomare, biologische und chemische Waffen sowie für Streumunition und Anti-Personenminen). Das von der Initiative vorgeschlagene Verbot für die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten ginge jedoch weit über das bestehende Verbot hinaus und hätte vor allem negative Auswirkungen auf die Tätigkeit der Nationalbank, von Stiftungen und Pensionskassen sowie auf die AHV/IV/EO. Die Initiative stellt damit den Finanzplatz Schweiz in Frage und könnte die Schweizer MEM-Industrie schwächen.

8.3.2

Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer»

Mit der am 24. Juni eingereichten Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer»161 möchten die Initiantinnen und Initianten die Bewilligungskriterien für Kriegsmaterialexporte in der Verfassung verankern. Mit der Verankerung dieser Kriterien in der Bundesverfassung streben die Initiantinnen und Initianten eine Verbesserung der demokratischen Kontrolle an, indem Parlament und Bevölkerung bei der Ausgestaltung der Ausschlusskriterien mitbestimmen können. Durch die Initiative soll zudem eine Rückkehr zu den Ausschlusskriterien für Kriegsmaterialexporte erfolgen, die der Bundesrat 2008 beschlossen hat und die 2014 geringfügig angepasst wurden. Damit soll verhindert werden, dass Kriegsmaterial in Länder exportiert werden kann, welche die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen oder in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Dies unabhängig davon, ob sich das auszuführende Kriegsmaterial für eine Verwendung im Konflikt oder zur Verletzung von Menschenrechten eignet.

Der Bundesrat hat am 20. Dezember beschlossen, die Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Er kann die Kernanliegen der Initianten nachvollziehen, eine Verankerung des Initiativtextes auf Verfassungsstufe geht dem Bundesrat jedoch zu weit.

Deshalb will der Bundesrat dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag unterbreiten, der die Bewilligungskriterien in der Kriegsmaterialverordnung (KMV)162 in das Kriegsmaterialgesetz (KMG)163 überführt. In die Vernehmlassung sollen zwei Varianten eines indirekten Gegenvorschlags geschickt werden, um den Vernehmlassungsadressaten eine Auswahl zu bieten. Die erste Variante sieht eine Verankerung der Bewilligungskriterien von Art. 5 KMV auf Gesetzesebene vor. Zudem soll eine Ausnahmeregelung geschaffen werden, die es dem Bundesrat bei ausserordentlichen 161 162 163

BBl 2019 5027 SR 514.511 SR 514.51

2048

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Umständen ermöglicht, eine befristete Anpassung der Bewilligungskriterien ohne Mitwirkung des Parlaments vornehmen zu können. Die zweite Variante sieht ebenfalls eine Verankerung der Bewilligungskriterien von Art. 5 KMV auf Gesetzesebene vor, jedoch ohne die Ausnahme in Art. 5 Abs. 4 KMV sowie ohne Ausnahmeregelung für den Bundesrat. Art. 5 Abs. 4 KMV ermöglicht die Bewilligung der Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Ländern, welche die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, wenn ein geringes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial zur Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird.

2049

BBl 2020

9

Beilagen zum AWB

9.1

Beilagen zur Kenntnisnahme

9.1.1

Verhandlungsthemen in der WTO

Themen

Gegenstand/Mandat der WTO

Format und Stand der Verhandlungen; Bemerkungen

FischereiSubventionen

Subventionen, die zur Überfischung sowie zu illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei beitragen / Ministerbeschluss 2017, Sustainable Development Goals (SDGs)

Multilaterale Verhandlungen

Landwirtschaft

Inlandstützung und weitere Themen im Bereich Agrarhandel / Agrarabkommen 1994

Das Interesse einer grossen Mehrheit der Mitglieder bleibt in diesem Bereich anhaltend hoch.

KKMU

Förderung der Teilnahme von Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen im internationalen Handel / Ministererklärung 2017

Plurilaterale Diskussionen zur Identifikation möglicher Massnahmen und Vereinbarungen

Handel und Investitionen

Erleichterung von ausländischen Direktinvestitionen / Ministererklärung 2017

Plurilaterale Verhandlungen mit substanziellen Fortschritten

Elektronischer Handel

Erleichterung des elektronischen Handels und Anerkennung von innerstaatlichen Regulierungen / Ministererklärung von 2017

Lancierung plurilateraler Verhandlungen

Innerstaatliche Regulierungen im Bereich von Dienstleistungen

Lizenzierungsanforderungen und -prozesse, Qualifizierungsanforderungen und -prozesse, technische Standards / GATS 1994 und Ministererklärung 2017

Plurilaterale Verhandlungen mit substanziellen Fortschritten

2050

BBl 2020

9.1.2

Laufende Verhandlungen zu Freihandelsabkommen

(Stand 31. Dezember 2019) Partner

Gegenstand der Verhandlung

Chile

Revision des 2019 / 1 FHA aus dem Jahr 2003164

Modernisierung/Weiterentwicklung des bestehenden Abkommens. Neu: Einschluss eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung sowie über Handelserleichterungen.

Indien

Neues FHA

2008 / 17

Verhandlungen fortgeschritten.

Kontakte auf Stufe Chefunterhändler und Experten. Differenzen beim Marktzugang für Güter, bei den Dienstleistungen, bei geistigem Eigentum und bei den Ursprungregeln. Keine Verhandlungsrunde seit September 2017.

Malaysia

Neues FHA

2014 / 8

Differenzen namentlich beim Marktzugang im Güterbereich, insbesondere für Landwirtschaftsprodukte. Kontakte auf Stufe Chefunterhändler (zuletzt im November des Berichtsjahres), aber keine Verhandlungsrunde seit März 2017.

Mercosur165 Neues FHA

2017 / 9

Verhandlungen am 23. August des Berichtsjahres in der Substanz abgeschlossen. Datum für die Unterzeichnung noch offen.

Mexiko

Verhandlung seit / Anzahl Runden

Revision des 2016 / 4 FHA aus dem Jahr 2000166

Bemerkungen

Modernisierung/Weiterentwicklung sämtlicher Bereiche des bestehenden Abkommens. Neu: Einschluss eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung sowie über Handelserleichterungen.

Differenzen insbesondere beim Marktzugang für Landwirtschaftsprodukte.

Keine Verhandlungsrunde mehr seit Juni 2017.

164 165 166

SR 0.632.312.451 Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay.

SR 0.632.315.631.1

2051

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Partner

Gegenstand der Verhandlung

SACU167

Revision des 2018 / 5 FHA aus dem Jahr 2006168

Überarbeitung beschränkt sich auf den Warenverkehr, Zollaspekte und den Einschluss eines Kapitels über Handel und nachhaltige Entwicklung.

Vietnam

Neues FHA

Substanzielle Differenzen namentlich beim Marktzugang für Industrie- und Landwirtschaftsprodukte, beim öffentlichen Beschaffungswesen und beim geistigen Eigentum. Keine Verhandlungsrunde mehr seit Mai 2018, aber Treffen auf Stufe Chefunterhändler und Experten des geistigen Eigentums im November.

9.1.3

Verhandlung seit / Anzahl Runden

2012 / 16

Bemerkungen

Treffen von Gemischten Ausschüssen unter bestehenden Freihandelsabkommen

(Stand 31. Dezember 2019) Partner

Abkommen

Treffen

Golf-Koope- FHA EFTA­ 3. Treffen, rationsrat Golf4. März Kooperationsrat169

Beschlüsse, Bemerkungen

Keine formellen Beschlüsse.

Diskussion des am 1. Juli des Berichtsjahres vorgesehenen Zollabbaus, insbesondere für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte aus den EFTA-Staaten und verschiedener Anwendungsfragen des Abkommens (insbesondere Etikettierungsvorschriften sowie Notwendigkeit der Legalisierung gewisser Zollformulare in bestimmten GCC-Staaten).

Die Vertragsparteien bekundeten ihre Absicht, die Aufnahme von Bestimmungen über Handelserleichterung zu prüfen.

167 168 169

Südafrikanische Zollunion: Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland.

SR 0.632.311.181 SR 0.632.311.491

2052

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Partner

Abkommen

Treffen

Beschlüsse, Bemerkungen

Ägypten

FHA EFTAÄgypten

4. Treffen, 2. Mai

Keine formellen Beschlüsse.

Diskussion über Schwierigkeiten ägyptischer Unternehmen, in die EFTAStaaten zu exportieren.

Diskussion über mögliche Nachverhandlungen in Bezug auf verarbeitete Landwirtschaftsprodukte (bisher: befristete, regelmässig verlängerte einseitige Zollsenkungen der EFTA-Staaten).

Ägypten ist bereit, EFTAModellbestimmungen über Handel und nachhaltige Entwicklung zu prüfen.

Die EFTA unterbreitete Ägypten ihren Vorschlag betreffend Austausch von Daten über die präferenzielle Zollnutzung.

PLO/PalästinFHA EFTA- 6. Treffen ensische PLO/Palästinen27. Juni Autonomie- sische Autobehörde nomiebehörde170

Keine formellen Beschlüsse.

Aufnahme von Gesprächen zur Anpassung der präferenziellen Zölle für unverarbeitete Agrarprodukte.

Diskussion über mögliche gemeinsame Projekte im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zur Förderung des Handels.

Diskussion über die Aktualisierung anderer Bereiche des bestehenden Abkommens, wie etwa Handel und nachhaltige Entwicklung.

Peru

FHA EFTAPeru171

2. Treffen, Keine formellen Beschlüsse.

20. September Die EFTA hat Peru ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung vorgeschlagen, Peru sieht derzeit aber keinen Bedarf, dieses ins Abkommen aufzunehmen.

Peru ist weiter momentan nicht bereit, den Anhang über Handelserleichterungen zu aktualisieren.

170 171

SR 0.632.316.251 SR 0.632.316.411

2053

BBl 2020

Partner

Abkommen

Treffen

Beschlüsse, Bemerkungen

Diskussionen über eine mögliche Annäherung im Dienstleistungsbereich werden fortgesetzt.

Kolumbien EFTAKolumbien

3. Treffen, 30. Oktober

Keine formellen Beschlüsse.

Kolumbien zeigte sich offen für einen Austausch über die Aufnahme der EFTA-Modellbestimmungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung in das FHA, verfügt aber derzeit noch über kein Mandat.

Kolumbien signalisierte Interesse an weiteren Zollkonzessionen im Agrarbereich.

Die EFTA unterbreitete Kolumbien ihren Vorschlag betreffend Austausch von Daten über die präferenzielle Zollnutzung: Grundsätzlich positive Reaktion Kolumbiens.

Diskussion über allfällige Revision der Vorbehaltsliste Kolumbiens zu Investitionen.

EU

FHA Schweiz- 63. Treffen, Keine formellen Beschlüsse.

EU, Unteraus- 13. November Gespräche über Themen im Zollbereich.

schuss für Zollfragen

EU

FHA Schweiz- 66. Treffen, Keine formellen Beschlüsse.

EU 21. November EU-Massnahmen auf Stahl- und Aluminiumimporten, Radioaktivitätsmessungen an der schweizerisch-italienischen Grenze bei Metallprodukten, Handel mit landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten, aktuelle Freihandelspolitik gegenüber Drittstaaten sowie Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU auf das FHA Schweiz-EU.

2054

BBl 2020

9.1.4

Verhandlungen bilateraler Investitionsschutzabkommen

(Stand 31. Dezember 2019) Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Bahrain

Neues ISA

2018 / 0

Verhandlungsbeginn ursprünglich geplant für Ende 2018 oder 2019, auf Wunsch der bahrainischen Behörden vertagt.

Kolumbien Revision des ISA

­

Revision des ISA von 2006172.

Indien

2017 / 4

Neues ISA

Verhandlungsbeginn geplant für 2020.

Das ISA aus dem Jahr 1997173 wurde durch Indien gekündigt, ausser Kraft seit dem 6. April 2017.

Verhandlungsbeginn im April 2017; 4. Runde geplant Mitte 2020.

Indonesien Neues ISA

2018 / 4

Das ISA aus dem Jahr 1974174 wurde durch Indonesien gekündigt, ausser Kraft seit dem 8. April 2016.

Zwischen 2010 und 2013 fanden Verhandlungen statt, die dann aber nicht weitergeführt wurden. 2018 wurden neue Verhandlungen aufgenommen; 4. Runde fand im Oktober 2019 statt.

Malaysia

Mexiko

172 173 174 175 176

Revision des ISA

2016 / 1

Revision des ISA

2017 / 2

Revision des ISA aus dem Jahr 1978175.

Wird parallel zum FHA verhandelt, deshalb keine Verhandlungsrunden seit 2017.

Revision des ISA aus dem Jahr 1995176.

Wird parallel zum FHA verhandelt, deshalb keine Verhandlungsrunden seit 2017.

SR 0.975.226.3 AS 2002 2037 AS 1976 1954 SR 0.975.252.7 SR 0.975.256.3

2055

BBl 2020

Partner

Gegenstand der Verhandlungen

Verhandlung seit / Bemerkungen Anzahl Runden

Slowakei

Revision des ISA

2018 / 4

Neues ISA

­

Südafrika

Revision des ISA aus dem Jahr 1990177.

Verhandlungsbeginn im Februar 2018; 4. Runde fand im Mai 2019 statt.

Das ISA aus dem Jahr 1995178 wurde durch Südafrika gekündigt, ausser Kraft seit dem 1. November 2014.

Zurzeit ist Südafrika nicht bereit, Verhandlungen aufzunehmen.

9.1.5

Wirtschaftsmissionen, bilaterale Arbeitstreffen und Treffen von Gemischten Wirtschaftskommissionen

Wichtigste Missionen und bilaterale Arbeitstreffen des WBF-Vorstehers und der SECO-Staatssekretärin in der Schweiz und im Ausland Partner

Format, Ort und Datum

Österreich

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit dem Generalsekretär des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Esterl (Wien, 14. März)

Österreich

Arbeitstreffen des WBF-Vorstehers mit der Wirtschaftsministerin Schramböck (Wien, 27. März)

USA

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers beim Handelsbeauftragten Lighthizer (Washington, 13. April)

Polen

Arbeitstreffen des WBF-Vorstehers mit dem Minister für Investitionen und Entwicklung Kwieciski (Bern, 8. Mai)

Italien

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit dem Staatssekretär des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung Geraci und dem Regierungsrat der Region Lombardei Sertori (Mailand, 14.­15. Mai)

Russland

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin (Moskau, Kasan, St. Petersburg, 3.­8. Juni)

Libanon

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit dem Staatsminister für Investitionen und Technologie Afiouni (Bern, 11. Juni)

Japan und Vietnam

Wirtschafts- und Wissenschaftsmission des WBF-Vorstehers (Tokio, Osaka, Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt, 7.­14. Juli)

177 178

SR 0.975.274.1 AS 1999 629

2056

BBl 2020

Partner

Format, Ort und Datum

Vereinigtes Königreich

Arbeitsbesuch des WBF-Vorstehers (London, 5. September)

Peru

Arbeitsbesuch von Vize-Aussenminister Jaime Pomareda bei der SECO-Staatssekretärin (Bern, 5. September)

Deutschland, Jährliches Vierertreffen der Wirtschaftsminister Liechtenstein, (Liechtenstein, 11. Oktober) Österreich Deutschland

Arbeitstreffen der SECO-Staatssekretärin mit der Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Dörr-Voss (Berlin, 29. Oktober)

Italien

Arbeitstreffen des WBF-Vorstehers mit dem Minister für Wirtschaftsentwicklung Patuanelli und Arbeitsministerin Nunzia Catalfo (Rom, 31. Oktober)

Kenia

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin (Nairobi, 12.­13. November)

Gemischte Wirtschaftskommissionen Partner

Usbekistan

Dialogrunde, Ort und Datum

8. Tagung, Taschkent, 17. Mai

Italien

11. Tagung. Bern, 29. Mai

Serbien

9. Tagung, Bern, 5. Juni

Argentinien

3. Tagung, Bern, 13. Juni

Ukraine

12. Tagung, Bern, 20. Juni

Aserbaidschan

8. Tagung, Bern, 28. Juni

Indonesien

7. Tagung, Jakarta, 15. Juli

Peru

3. Tagung, Bern, 5. September

Mexiko Kasachstan Iran

9. Tagung, Mexiko-Stadt, 18. September 10. Tagung, Bern, 28. Oktober 2. Tagung, Bern, 8. November

USA

14. Tagung, Washington, 20. November

Deutschland

41. Tagung, Dresden, 26.­27. November

Türkei Russland

9. Tagung, Bern, 3. Dezember 20. Tagung, Moskau, 17. Dezember

2057

BBl 2020

9.1.6

Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Vom 1. Oktober 2018 bis 30. September 2019 wurden gestützt auf die Güterkontrollverordnung vom 3. Juni 2016179 und die Chemikalienkontrollverordnung vom 21. August 2013180 die nachfolgend aufgeführten Ausfuhrgesuche oder der Meldepflicht unterstellten Ausfuhren behandelt; detaillierte Aufstellungen der erteilten Bewilligungen und Ablehnungen können auf der Website des SECO181 konsultiert werden: Güterkategorie

Anzahl

Wert in Mio. CHF

35

14,8

1587

324,4

Anhang 3 GKV ­ Liste der besonderen militärischen Güter

154

14,7

Anhang 5 GKV ­ Güter, die nicht international abgestimmten Ausfuhrkontrollen unterliegen

323

8,9

58

0,3

5

0,05

619

167

OGB

156

­

AGB

51

­

GAB

12

­

4

0,6

Anhang 2, Teil 1 GKV ­ Liste der Nukleargüter Anhang 2, Teil 2 GKV ­ Liste der Dual-UseGüter

Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) ­ Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit Bewilligungen nach Art. 3 Abs. 4 GKV Einfuhrzertifikate Generallizenzen

Abgelehnte Gesuche

9.2

Beilagen zur Genehmigung Teil II:

179 180 181

Beilage nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung)

SR 946.202.1 SR 946.202.21 www.seco.admin.ch > Exportkontrollen.

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