Stellungnahme zum Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen des National- und Ständerats vom 24. Juni 2020 über das «Aufsichtsverhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsichtsbehörde» vom 21. September 2020

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommissionen des National- und Ständerats betreffend «Aufsichtsverhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsichtsbehörde» vom 24. Juni 20201 nehmen wir nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. September 2020

Im Namen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) Der Präsident: Hanspeter Uster Der Sekretär: Patrick Gättelin

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Geschäftsprüfungskommissionen des National-und Ständerats (GPK-N/S) haben am 24. Juni 2020 den Bericht «Aufsichtsverhältnis zwischen der Bundesanwaltschaft und ihrer Aufsichtsbehörde» verabschiedet. Darin treffen die GPK-N/S elf Schlussfolgerungen.

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Stellungnahme der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

2.1

Grundsätzliche Bemerkungen

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) teilt die Ansichten der GPK-N/-S und dankt für die Berichterstattung. Zur Schlussfolgerung 8: Der Inspektionsbericht über das Generalsekretariat der Bundesanwaltschaft (BA) befindet sich derzeit in der Konsultation bei der BA. Die AB-BA wird die GPK informieren, sobald sie den Bericht definitiv verabschiedet hat.

Nachfolgend erlauben wir uns hinsichtlich der nächsten Phase Ihrer Inspektion einige grundsätzliche Bemerkungen.

2.2

Entstehungsgeschichte der heutigen Ordnung

Die heutige Ordnung der Stellung und Kompetenzen der BA sowie der sie beaufsichtigenden AB-BA geht auf die Schaffung des Strafbehördenorganisationsgesetzes (StBOG) vom 19. März 20102 zurück. Zuvor war die BA ein Amt im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und somit Teil der Bundesverwaltung.

Der Bundesanwalt bzw. die Bundesanwältin und die übrigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Bundes genossen eine gewisse Unabhängigkeit, indem ihnen der Bundesrat und die Leitung des EJPD keine Weisungen für die Strafverfahren erteilen konnten und sie auf eine feste Amtsdauer von vier Jahren gewählt wurden.

Strittig war die Grenzziehung zwischen der Fachaufsicht, die zuerst dem Bundesgericht und seit dem 1. April 2004 der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts oblag, sowie der administrativen Aufsicht durch das EJPD. Vor allem die Frage, ob der Bundesrat nicht in besonderen Fällen aus staatspolitischen Gründen die Informationspolitik der BA über ein bestimmtes Verfahren mitbestimmen dürfe, erwies sich als kritisch.3 Obwohl das Bundesstrafgericht Amtsberichte einfordern und der BA 2 3

Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71).

Vgl. Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes, Bericht vom 5. September 2007 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, Stellungnahme des Bundesrates vom 28. November 2007, BBl 2007 2081 ff.

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Weisungen erteilen durfte, zeigte sich in der Folge, dass es die Fachaufsicht nur beschränkt ausüben konnte. Auch das EJPD hatte ­ wie der Bundesrat betonte ­ nur beschränkte Möglichkeiten, die Geschäftsabwicklung der BA im Rahmen der administrativen Aufsicht zu beurteilen. Letztlich waren sich die Geschäftsprüfungskommissionen und der Bundesrat einig, dass es für die BA unter Sicherstellung ihrer Unabhängigkeit eine klare und einheitliche Aufsichtsregelung brauche.4 Der Bundesrat schlug deshalb 2007 einen besonderen gemischten «Aufsichtsrat» vor. Dieser wäre von ihm eingesetzt worden und hätte anstelle des EJPD die Aufsicht über die BA wahrnehmen sollen. Nach Ansicht des Bundesrates sollten die BA und deren Aufsicht aufgrund der laufenden Koordination der Strafverfahren der BA mit dem Bundesamt für Polizei (fedpol) und dem Bundesamt für Justiz (BJ) der Exekutive zugeteilt werden.

In der Botschaft zum Entwurf des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 10. September 2008 unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten eine Auslegeordnung, in der alle möglichen Aufsichtsmodelle sowie die wichtigsten Aspekte behandelt werden:5 «4.1.4.1 Mögliche Aufsichtsmodelle Vor dieser Zielsetzung ist die Zuweisung der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft an folgende Gremien zu prüfen: ­

die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts;

­

das Bundesgericht (z. B. strafrechtliche Abteilung);

­

das EJPD;

­

den Gesamtbundesrat;

­

eine parlamentarische Kommission oder Delegation;

­

ein neu zu schaffendes gemischtes Aufsichtsorgan, in dem die Justiz-, die Exekutiv- und die Legislativbehörden vertreten sind; dieses würde sowohl die administrative als auch die fachliche Aufsicht wahrnehmen (häufig als Justizrat bezeichnet).»

Der Bundesrat betonte zugleich, dass die Aufsicht über die BA einer einzigen Behörde ungeteilt zugewiesen werden müsse. Allerdings machte der Bundesrat neu den Vorschlag, die BA im EJPD zu belassen und sie der Aufsicht des Gesamtbundesrates zu unterstellen, da dieser am ehesten eine sachlich unabhängige Fachaufsicht gewährleisten könne. Die Wahl, Nichtwiederwahl oder Entlassung einer Bundesanwältin bzw. eines Bundesanwalts und von deren Stellvertretern wären in die Zuständigkeit des Bundesrates gefallen.

Das Parlament entfernte sich in den Jahren 2008 bis 2010 von den Vorschlägen des Bundesrates und beschloss auf Antrag der Rechtskommission des Ständerates, den Bundesanwalt, respektive die Bundesanwältin und deren beide Stellvertreter durch die Bundesversammlung zu wählen sowie die Aufsicht über die BA einem «Sonder4 5

Stellungnahme des Bundesrates vom 28. November 2007, BBl 2007 2085/6 und 2093/94.

Botschaft StBOG, BBl 2008 8132 ff.

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gremium», der nachmaligen AB-BA, zu übertragen.6 In der Folge wurde die AB-BA als Aufsichtsorgan «sui generis» geschaffen.7 AB-BA und BA wurden somit bewusst in die Organisation der Bundesrechtspflege eingeordnet und ihre Unabhängigkeit, insbesondere gegenüber der Exekutive postuliert; bei beiden Behörden handelt es sich um Organe der Justizverwaltung.8 Die Bundesversammlung präzisierte das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der drei von ihr gewählten leitenden Personen der BA sowie in Grundzügen die Organisation und Aufgaben der AB-BA9 und erliess die entsprechenden Verordnungen.10

2.3

Grundsatzfragen

2.3.1

Stellung und Organisation der Bundesanwaltschaft im Gewaltengefüge

Zentral ist die Frage nach der Stellung und Organisation der BA im Gewaltengefüge und deren Leitung. Die BA als Organ der Bundesstrafrechtspflege ist die Untersuchungs- und Anklagebehörde des Bundes für Fälle, die der Bundestrafgerichtsbarkeit unterliegen. Entgegen der Mehrheit der Staatsanwaltschaften in den Kantonen wird die BA nicht als richterliche Behörde angesehen. Nach Artikel 2 StBOG und Artikel 12 ff. der Strafprozessordnung (StPO)11 ist sie als Strafverfolgungsbehörde eine Justizverwaltungsbehörde, nicht eine gerichtliche Behörde des Bundes.12 Mit der sog. «Effizienz-Vorlage» wurde die Zuständigkeit des Bundes in der Strafgerichtsbarkeit ausgeweitet.13 Die Reform führte zu Unsicherheiten in der Kompetenzaufteilung zwischen den Staatsanwaltschaften der Kantone und der BA sowie zu 6

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8 9

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11 12

13

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 3. Juni 2009: www.parlament.ch/afs/data/d/bericht/2008/d_bericht_s_k25_0_20080066_0_20090603.

htm.

FELIX UHLMANN, Kurzgutachten zuhanden der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft betreffend Rechtcharakter und aufsichtsrechtliche Kompetenzen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) vom 30. Mai 2018, Ziff. 28.

Vgl. die Ausführungen von Ständerat DICK MARTY vom 9. Juni 2009, AB 2009 587 ff.

Vgl. Parl. Initiative 10.441 Arbeitsverhältnis und Besoldung etc. und Parl. Initiative 10.442 Organisation und Aufgaben der AB-BA, zwei Berichte der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 20. Mai 2010, BBl 2010 4101 und BBl 2010 4117; Stellungnahme des Bundesrates zu diesen beiden Berichten vom 4. Juni 2010, BBl 2010 4133.

Verordnung der Bundesversammlung vom 1. Oktober 2010 über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin sowie der Stellvertretenden Bundesanwälte oder Bundesanwältinnen (SR 173.172.23); Verordnung der Bundesversammlung vom 1. Oktober 2010 über die Organisation und die Aufgaben der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (SR 173.712.24).

SR 312 Art. 2 StBOG Strafbehörden des Bundes.

1 Strafverfolgungsbehörden des Bundes sind: a. die Polizei; b. die Bundesanwaltschaft.

2 Gerichtliche Befugnisse in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit haben: a. das Bundesstrafgericht; b. das Bundesgericht; c. die kantonalen Zwangsmassnahmengerichte, wenn sie für den Bund tätig werden.

Botschaft vom 28. Januar 1998 über die Änderung des Strafgesetzbuches, der Bundesstrafrechtspflege und des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes (Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung), BBl 1998 II 1529.

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einer deutlich steigenden Geschäftslast der BA.14 2011 wurde mit der neuen Strafprozessordnung das Strafbefehlsverfahren als besonderes Sanktionsverfahren eingeführt. Dieses erlaubt den Staatsanwaltschaften der Kantone und der BA, die Strafverfahren in der grossen Mehrzahl der Fälle ohne richterliche Überprüfung eigenständig zu erledigen.15 Bis zum Inkrafttreten der Strafprozessordnung waren zudem die Untersuchungshandlungen in Strafverfahren dem Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt zugewiesen, das Führen der Anklage vor Gericht hingegen der BA. Darauf wurde in der neuen Strafprozessordnung verzichtet: Staatsanwältinnen und Staatsanwälte führen zusammen mit der Kriminalpolizei unmittelbar die Untersuchung im Vorverfahren und leiten danach auch das Hauptverfahren.16 Nach Artikel 13 StBOG verfügt die Leiterin oder der Leiter der BA in den Strafverfahren über ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Diesem kommen somit bedeutende Kompetenzen zu.

Nach Artikel 14 StPO sind zwei verschiedene Organisationsmodelle einer Staatsanwaltschaft möglich: Ein Modell mit einer Ersten Staatsanwältin oder einem Ersten Staatsanwalt, der an der Spitze der Hierarchie der Staatsanwaltschaft steht, und ein Modell mit einer Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft als eigenständiges Organ, das die «Leitungs-, Aufsichts-, Genehmigung- und Kontrollfunktionen getrennt von der Staatsanwaltschaft (oder den Staatsanwaltschaften) ausübt».17 Aus den oben aufgeführten Gründen wurden verschiedene Vorschläge zur Überprüfung oder gar zur Aufteilung der Zuständigkeit und Befugnisse der Bundesanwältin und des Bundesanwalts gemacht.18 Gleichzeitig wurden aber auch Forderungen laut, die Unabhängigkeit der BA zu stärken.19

2.3.2

Notwendigkeit einer unabhängigen Aufsicht mit klaren und einheitlichen Zuständigkeiten

Jedes Modell der Aufsicht über die BA muss der gesetzlich bedingten, grossen Kompetenzkonzentration bei der BA Rechnung tragen. Dies führt zur für die Aufsicht zentralen Frage: Was muss eine Aufsichtsbehörde über die BA leisten können?

Definiert werden sollten die an die Aufsicht gestellten Anforderungen sowie die auf das Leistungsprofil abgestimmten konkreten personellen, finanziellen und sachlichen Mittel, die zur Erfüllung des Auftrags notwendig sind. Von Bedeutung ist, dass die Sicherung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde gewahrt bleibt.20 Zu Recht 14

15 16 17 18 19 20

Vgl. die Kritik von alt Bundesrichter NICCOLÒ RASELLI, Schweizerische Bundesanwaltschaft, Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, in: recht 2020, Heft 3, S. 213 ff.

FRANZ RIKLIN, in: BSK-StPO, Vor Art. 352-356, N. 2 ff.

Zu den Problemen dieses Verfahrens: MARC THOMMEN, Gerechtigkeit und Wahrheit im modernen Strafprozess, in: recht 2014, S. 264 ff., bes. 272 ff.

HANSPETER USTER, in: BSK-StPO, Art.14 N. 8 und 9.

Postulat 19.3570 DANIEL JOSITSCH, Überprüfung von Struktur, Organisation, Zuständigkeit und Überwachung der Bundesanwaltschaft.

DICK MARTY, in: WOZ vom 6. August 2020.

Vgl. allgemein: Sicherstellung der Unabhängigkeit von Aufsichts- und Regulierungsbehörden der dezentralen Bundesverwaltung. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 6. Oktober 2015, BBl 2016 1711 ff.

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hat der Bundesrat betont, dass die Aufsichtsbehörde über klare und einheitliche Zuständigkeiten verfügen müsse und zugleich auch allein verantwortlich sein solle.

In jedem Fall vorbehalten bleibt die verfassungsrechtliche Oberaufsicht der Bundesversammlung über die Justizorgane ­ auch über die AB-BA und die BA nach Artikel 169 Absatz 1 BV.21 Bei der parlamentarischen Oberaufsicht handelt es jedoch nicht um eine Dienstaufsicht oder eine Kontrolle der Art und Weise, wie einzelne Strafverfahren anhand genommen, durchgeführt und beendet werden (dies untersagt Artikel 26 Absatz 4 2. Satz des Parlamentsgesetzes22 ausdrücklich), sondern um eine allgemeine Rechtmässigkeits- und Organisationskontrolle.23

2.3.3

Überprüfung und Optimierung der Grundlagen und Befugnisse der AB-BA und der Bundesanwaltschaft

Der Reformbedarf der heutigen rudimentären gesetzlichen Grundlagen der AB-BA ist unbestritten. Die AB-BA bietet hierzu Hand, ist jedoch der Ansicht, dass die Reform in eine Gesamtüberprüfung des Strafbehördenorganisationsgesetzes eingebettet werden sollte. Schon zuvor beabsichtigt die AB-BA, ihr geltendes Organisationsreglement24 zu revidieren. Über ihr revidiertes Organisationsreglement wird sie die Geschäftsprüfungskommissionen in Kenntnis setzen.

Die im Disziplinarverfahren betreffend den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber und in der sonstigen Aufsichtspraxis sichtbar gewordenen Mängel und Lücken wird die AB-BA im Sinne einer Auslegeordnung systematisch zusammentragen. Der gesetzgeberische Handlungsbedarf ist gegeben; aufgrund des Ausscheidens von Bundesanwalt Michael Lauber aus der BA per Ende August 2020 besteht jedoch keine Dringlichkeit, namentlich mit Blick auf die Sicherstellung des systemischen Funktionierens der Strafverfolgung auf Bundesebene. Zudem müsste jede Gesetzesrevision dem Gesamtkonzept der Reform entsprechen.

Bezüglich der AB-BA hat sich gezeigt, dass ihre nicht immer genügend klar formulierten und teilweise auch rudimentären Rechtsgrundlagen revisionsbedürftig sind.

Trotzdem hat die AB-BA ihren gesetzlichen Auftrag kontinuierlich und gewissenhaft erfüllt. Dies allerdings nur dank der vor allem beim derzeitigen Präsidenten vorhandenen Ressourcen, die ein Engagement ermöglichten, das weit über das gesetzlich vorgesehene Pensum hinausging. Es hat sich manifestiert, dass es der ABBA erheblich an Ressourcen mangelt. Indiziert ist ein Ausbau des Engagements der Präsidentin oder des Präsidenten sowie der personellen Ressourcen des Sekretariats.

Unbestritten ist, dass die Aufsicht der AB-BA auf grundsätzliche Fragen ausgerichtet sein soll; als solche muss sie, wie die Erfahrung zeigt, sowohl als nachträgliche 21

22 23 24

Dazu etwa PHILIPPE MASTRONARDI/BENJAMIN SCHINDLER/PATRIK LOUIS, in: St. Galler Kommentar BV, Art. 169 Rz. 23 ff.; GIOVANNI BIAGGINI, Kommentar BV, 2. Aufl., Zürich 2017, Art. 169, N. 9 ff.

Bundesgesetz über die Bundesversammlung vom 13. Dezember 2002 (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 1171.10).

Vgl. ANDREAS LIENHARD, Oberaufsicht über die Gerichte. Eigenheiten, Verbindungslinien und Abgrenzungen, in: «Justice ­ Justiz ­ Giustizia» 2018/1.

SR 173.712.22

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wie unter Umständen auch parallele, begleitende Aufsicht tätig sein.25 Gleichzeitig sollte es grundsätzlich weiterhin nicht Aufgabe der AB-BA sein, Handlungen der BA in laufenden Strafverfahren anstelle der Gerichte aufsichtsrechtlich zu überprüfen.

Insgesamt lässt sich nicht zuletzt aufgrund der Erkenntnisse aus dem Disziplinarverfahren betreffend den ehemaligen Bundesanwalt Lauber feststellen, dass weder der Bundesrat als Gesamtbehörde noch das EJPD die Aufsicht über die BA in der gleichen Unabhängigkeit, Gründlichkeit und Qualität wie die AB-BA gegen politische Widerstände hätten wahrnehmen können. Die Aufsicht im sensiblen Justizbereich verlangt besondere Voraussetzungen und Untersuchungsmethoden, über die politisch geführte Verwaltungsstellen nicht verfügen.

Auch unbesehen vom Disziplinarverfahren betreffend Bundesanwalt Lauber bestehen bei Lichte betrachtet für die Reintegration der BA in das EJPD oder die Unterstellung unter den Gesamtbundesrat keine einschlägigen Argumente. Vor allem die konkrete Ausgestaltung der Aufsicht über die BA im Verhältnis zu ihrer Unabhängigkeit bliebe bei einer Wiederansiedlung innerhalb der Exekutive ungelöst. Eine solche Reintegration käme gar einem Rückschritt gleich.

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Vgl. FELIX UHLMANN, Kurzgutachten, Ziff. 38 ff.

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