20.078 Botschaft zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vom 21. Oktober 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 20041.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Oktober 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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SR 961.01

2020-0193

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Übersicht Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) regelt seit 2006 die Aufsicht des Bundes über Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler. Bis heute wurden punktuell Anpassungen im VAG vorgenommen. Mit der hier vorgelegten Vorlage soll das VAG nun in ausgewählten Themen an die veränderten Gegebenheiten und an die Entwicklungen in den letzten Jahren angepasst werden.

Ausgangslage Seit der Einführung des VAG hat sich in einigen Bereichen des Gesetzes Änderungsbedarf manifestiert. So gibt es im Gegensatz zu den Banken für Versicherungsunternehmen bis heute kein eigenständiges Sanierungsrecht. Weiter hat sich in der Praxis der Bedarf gezeigt, bei Versicherungsunternehmen, die nur professionelle Kunden haben, nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Erleichterungen von der Aufsicht zu gewähren. Im Zuge der Gesetzesarbeiten zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) hat das Parlament schliesslich entschieden, dass die Verhaltenspflichten des FIDLEG nicht direkt auf Versicherungsunternehmen Anwendung finden, sondern ins VAG aufgenommen werden sollen.

Inhalt der Vorlage Das VAG soll mithin neu ein Sanierungsrecht erhalten, damit insolvente Versicherungsunternehmen gegebenenfalls saniert werden können und nicht direkt liquidiert werden müssen, falls damit den Interessen der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer im Krisenfall Rechnung getragen werden kann. Als Zweites wird ­ wohl zumindest im europäischen Raum erstmalig ­ eine Kundenkategorisierung im Versicherungsaufsichtsrecht eingeführt, die es den Versicherungsunternehmen ermöglichen soll, insbesondere dann von Aufsichtserleichterungen zu profitieren, wenn professionelle Kunden, die keines besonderen Schutzes bedürfen, ihre alleinigen Vertragspartner sind. Unternehmen, die unter Wahrung des Versichertenschutzes über besondere innovative und zukunftsfähige Geschäftsmodelle verfügen, sollen ganz oder teilweise von der Aufsicht befreit werden können. Dem Auftrag des Parlaments folgend, werden als Drittes analog zum FIDLEG Verhaltenspflichten für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler beim Vertrieb von Versicherungsprodukten, die Anlagecharakter haben, aufgenommen. Für solche Produkte soll künftig auch ein Basisinformationsblatt erforderlich sein. Daneben werden weniger weitgehende Anpassungen am Gesetz
vorgenommen, die sich bei den Arbeiten als sachgerecht erwiesen haben. Formal wird dem VAG durch die Einführung von Abschnittstiteln eine übersichtlichere Struktur gegeben.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 1.2.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 1.2.2 Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

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Vernehmlassung (Ergebnis und Würdigung)

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Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

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Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragten Neuregelungen 4.1.1 Sanierung von Versicherungsunternehmen 4.1.2 Kundenschutzbasiertes Regulierungs- und Aufsichtskonzept 4.1.3 Verhaltensregeln für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler 4.1.4 Ombudswesen 4.1.5 Weitere Themen 4.2 Nach der Vernehmlassung nicht weiterverfolgte Vorschläge 4.2.1 Ausländische Rückversicherungsunternehmen mit Niederlassung in der Schweiz 4.2.2 Änderungen des Geschäftsplans 4.3 Umsetzung

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Versicherungsaufsichtsgesetz 5.2 Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 1908 5.3 Zivilprozessordnung 5.4 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 5.5 Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007

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Auswirkungen

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Rechtliche Aspekte 7.1 Datenschutz 7.2 Neue oder modifizierte Rechtsetzungsdelegationen

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Abkürzungsverzeichnis

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Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Vor 2006 waren die aufsichtsrechtlichen Regeln für Versicherungsunternehmen in verschiedenen Bundesgesetzen geregelt. Mit dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 20042 (VAG), das am 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist, wurde das Aufsichtsrecht in einem einzigen Erlass zusammengefasst. Das VAG wurde seitdem, abgesehen von punktuellen Anpassungen im Zusammenhang mit anderen Gesetzesvorlagen (z. B. dem Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 20073; FINMAG), nicht verändert. Im Laufe der Zeit hat sich in der Praxis, namentlich im Zusammenhang mit der Sanierung von Versicherungsunternehmen, aber auch in anderen Bereichen, ein Anpassungsbedarf ergeben.

Die Teilrevision des VAG nimmt Entwicklungen im Versicherungsmarkt auf und setzt Vorgaben des Parlaments aus der Beratung des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 20184 (FIDLEG) um. Die Vorlage hat zudem zum Ziel, durch gezielte Anpassungen den Versichertenschutz im Einklang mit internationalen Entwicklungen zu stärken. Insgesamt soll ein differenzierter Regulierungs- und Aufsichtsrahmen geschaffen werden, der gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizerischen Versicherungssektors stärkt und den Kundenschutz verbessert.

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Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

1.2.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20205 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 angekündigt. Sie erscheint jedoch nicht im Bundesbeschluss vom 21. September 20206 zur Legislaturplanung 2019­2023. Die Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist auch unter den Jahreszielen des Bundesrates 2020 aufgeführt (Band I S. 5, 15 und 45; Band II S. 21).

Die Aufnahme eines Sanierungsrechts für Versicherungsunternehmen, welche bis anhin im Krisenfall nur liquidiert werden können, erscheint aufgrund der internationalen Entwicklungen ­ nicht zuletzt im aktuellen Zinsumfeld ­, aber auch im Sinne eines adäquaten Schutzes der Interessen der Versicherten als vordringlich. Weiter hat das Parlament im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten zum FIDLEG entschieden, dass die Verhaltenspflichten bei Erbringung von Versicherungsdienstleistungen im VAG geregelt werden sollen.

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SR 961.01 SR 956.1 SR 950.1 BBl 2020 1777 BBl 2020 1907

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1.2.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Die bundesrätliche Strategie in der Finanzmarkpolitik kennt drei Ziele: Erstens sollen die Rahmenbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit der Marktteilnehmer stärken und dafür sorgen, dass die Finanzwirtschaft den Kundinnen und Kunden hochwertige Produkte anbietet, zweitens soll das Finanzsystem in seiner Gesamtheit stabil sein und drittens soll ein integrer Finanzplatz mit einem angemessenen Kundenschutz bestehen7.

Der Vorschlag, denjenigen Versicherungsunternehmen Erleichterungen zu gewähren, deren Versicherte professionell genug sind und nicht denselben regulatorischen Schutz benötigen wie andere Versicherte, trägt zur Wettbewerbsfähigkeit der Versicherungsbranche bei und könnte die Produkte für die professionelle Kundschaft vergünstigen. Die Möglichkeit, ein insolventes Versicherungsunternehmen zu sanieren, statt es zu liquidieren, falls damit der Schaden für die Versicherten verkleinert werden kann, vergrössert den Kundenschutz, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherer reduziert würde. Das Ombudswesen soll dazu beitragen, Streitigkeiten zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherten zu lösen, bevor ein teureres gerichtliches Verfahren durchlaufen werden müsste. Es ist damit zum Nutzen beider Parteien. Die Stärkung der Gruppen- und Konglomeratsaufsicht (Gruppenaufsicht) schliesslich leistet einen Beitrag an die Systemstabilität, weil in der Versicherungswirtschaft Systemrisiken in der Regel nicht von der traditionellen Versicherung von Kundenrisiken ausgehen, sondern allenfalls von Finanzgeschäften, die nicht mit der Versicherungstätigkeit zusammenhängen und die tendenziell eher in einer Tochtergesellschaft als in einer eigentlichen Versicherungsunternehmung stattfinden. Die Gruppenaufsicht, anders als die Aufsicht über einzelne Versicherungsunternehmen, ist geeignet, solche Tätigkeiten zu überwachen.

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Vernehmlassung (Ergebnis und Würdigung)

Die Vorlage war vom 14. November 2018 bis zum 29. Februar 2019 Gegenstand der Vernehmlassung. Im Allgemeinen wird das Projekt von der Mehrheit der Kantone, den politischen Parteien und Dachverbänden der Wirtschaft gut aufgenommen. Die Organisationen der interessierten Kreise sind dagegen kritischer und äussern Vorbehalte. Die Stellungnahmen zu den Hauptpunkten der Vorlage können wie folgt zusammengefasst und gewürdigt werden: Sanierung von Versicherungsunternehmen (vgl. auch Ziff. 4.1.1) Der Vorschlag zum Sanierungsrecht wird von einer Vielzahl der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer grundsätzlich begrüsst. Nebst kleineren Präzisierungsvorschlägen wird die Kompetenz der FINMA zur Durchführung der Sanierung vereinzelt in Frage gestellt.

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vgl. dazu den Bericht des Bundesrates von Oktober 2016 «Finanzmarktpolitik für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz» unter www.sif.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Bericht Finanzmarktpolitik.

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In der Vorlage wird dementsprechend an den Grundzügen des Sanierungsrechts festgehalten.

Kundenschutzbasiertes Regulierungs- und Aufsichtskonzept (vgl. auch Ziff. 4.1.2) Die Vorschläge für ein kundenschutzbasiertes Regulierungs- und Aufsichtskonzept werden von den Vernehmlassungsadressatinnen und -adressaten mehrheitlich gut aufgenommen. Kritisch bis ablehnend äussern sich namentlich die SP sowie Konsumentenschutzorganisationen insbesondere zur Definition der professionellen Versicherungsnehmer. Die meisten Kantone und einige Interessenvertreterinnen und -vertreter haben auf eine ausdrückliche Stellungnahme zum Thema verzichtet.

Auch hier halten wir in der Vorlage gemäss Vernehmlassung weitgehend fest. Die Definition des professionellen Versicherungsnehmers wird auf die mittlerweile verabschiedete Revision des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2. April 19088 abgestimmt.

Verhaltensregeln für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler (vgl. auch Ziff. 4.1.3) Die Definitionen der gebundenen und der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie das Verbot, gleichzeitig gebunden und ungebunden tätig zu sein, werden mehrheitlich begrüsst und unterstützt. Die Vorschläge zur Registrierungspflicht und ihre Voraussetzungen ebenfalls. Kontrovers aufgenommen werden die Bestimmungen zur Registerführung, zum Nachweis der Aus- und Weiterbildung sowie die Anschlusspflicht an eine Ombudsstelle. Die Vorschriften zu den Informationspflichten werden mehrheitlich, vorbehältlich weniger Kritikpunkte, unterstützt.

Generell begrüsst wird die Pflicht zur Offenlegung der Entschädigung von ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern gegenüber den Kundinnen und Kunden.

Die Vorschläge zur Regulierung von qualifizierten Lebensversicherungen werden von den Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern mehrheitlich begrüsst, allerdings vielfach unter Vorbehalt. Kontrovers diskutiert werden namentlich die Definition der qualifizierten Lebensversicherungsprodukte, der Inhalt des Basisinformationsblatts sowie die Informations- und Aufklärungspflichten der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler.

Die Definition der Vermittlerinnen und Vermittler wird gegenüber der Vernehmlassungsvorlage unverändert beibehalten. Das Vermittlerregister soll weiterhin durch die FINMA geführt werden. Die
Definition der qualifizierten Lebensversicherung wurde aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung überarbeitet.

Ombudswesen (vgl. auch Ziff. 4.1.4) Die gesetzliche Verankerung der Ombudsstelle(n) und die vorgeschlagene Anschlusspflicht für Versicherungsunternehmen und ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler werden kontrovers aufgenommen: Die Mehrheit der Vernehmlassten begrüsst den Vorschlag. Abgelehnt wird er von den bestehenden Ombudsstellen und von Branchenorganisationen sowie bürgerlichen Parteien.

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SR 221.229.1

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An der vorgeschlagenen Regelung für Ombudsstellen wird festgehalten. Sie ist für die Streitschlichtung aus Kundensicht klar das effizienteste Instrument. Den Bedenken in der Vernehmlassung wird mit einer eigenen Vermittler-Ombudsstelle begegnet werden können.

Weitere Themen (vgl. auch Ziff. 4.1.5) Die meisten weiteren vernehmlassten Vorschläge werden gut aufgenommen. Kontrovers kommentiert werden insbesondere der bundesrätliche Vorschlag zur Befreiung der Aufsicht für innovative Geschäftsmodelle und die neue Bewilligungspflicht für ausländische Niederlassungen von Rückversicherern. Darauf wird weiter hinten eingegangen.

Für Einzelheiten zu den Vernehmlassungseingaben wird auf den Ergebnisbericht zum Vernehmlassungsverfahren verwiesen.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die vorliegende Revision des VAG steht im Einklang mit den von der International Association of Insurance Supervisors (IAIS) entwickelten Insurance Core Principles (ICPs) sowie mit ähnlichen Regelungen in den europäischen Nachbarländern. Zudem wurde der Äquivalenz mit der EU im Versicherungsbereich eine hohe Bedeutung zugemessen. Weitere Ausführungen zum Rechtsvergleich finden sich in Anhang 1.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragten Neuregelungen

4.1.1

Sanierung von Versicherungsunternehmen

Geltendes Recht Das geltende Versicherungsrecht sieht bis anhin kein spezielles Sanierungsrecht vor, das den Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts Rechnung trägt. Das VAG erwähnt die Sanierung lediglich als Möglichkeit, indem es festhält, dass ein Versicherungskonkurs nur erfolgen darf, wenn keine Aussicht auf Sanierung besteht oder eine solche gescheitert ist (Art. 53). Da überdies die Anwendbarkeit des allgemeinen Nachlassverfahrens nach dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht9 (SchKG) explizit ausgeschlossen wird (vgl. Art. 53 Abs. 2), bestehen derzeit keine rechtlichen Grundlagen für die Durchführung eines Sanierungsverfahrens bei Versicherungsunternehmen. Demgegenüber existiert für Banken seit einigen Jahren ein spezielles Sanierungsrecht (vgl. Art. 2832 des Bankengesetzes vom 8. November 193410; BankG).

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SR 281.1 SR 952.0

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Mangels Regelungen kann die FINMA lediglich «Schutzmassnahmen» anordnen, wenn ein Versicherungsunternehmen zum Beispiel in finanzielle Schwierigkeiten gerät und dadurch die Interessen der Versicherten gefährdet werden (Art. 51). Diese Massnahmen umfassen zwar explizit die Übertragung des Versicherungsbestandes auf ein anderes Versicherungsunternehmen (Art. 51 Abs. 2 Bst. d), enthalten aber weder Kapitalmassnahmen noch die Möglichkeit, in die Rechte Dritter einzugreifen, damit eine Sanierung erfolgreich durchgeführt werden kann.

Vor diesem Hintergrund besteht für die FINMA nach geltendem Recht im Anwendungsfall faktisch ein Zwang zur Konkurseröffnung, auch wenn das betroffene Versicherungsunternehmen erfolgreich saniert werden könnte. Dieser Umstand kann (zum Nachteil insbesondere der Versicherten) zu stossenden Ergebnissen führen.

Die Versicherten haben namentlich im Bereich der Kranken- und Lebensversicherungen regelmässig ein höheres Interesse an der Weiterführung ihrer Versicherungsverträge als an deren Auflösung infolge Versicherungskonkurs. Es ist ihnen hier oftmals nur erschwert möglich, von einem anderen Versicherer eine vergleichbare Versicherungsdeckung zu erhalten (dies wegen Vorbehalten aufgrund vorbestehender Krankheiten oder des Alters sowie höherer Prämien). Für sie wäre eine erfolgreiche Sanierung eines Versicherungsunternehmens somit in den meisten Fällen besser als die Eröffnung des Konkurses über das Versicherungsunternehmen.

Beantragte Neuregelung Die Aufnahme eines Sanierungsrechts für Versicherungsunternehmen ist in der heutigen Zeit nicht nur sachgerecht, sondern zwingend notwendig. Der faktische Zwang zur Konkurseröffnung durch die FINMA soll ersetzt werden durch ein Sanierungsrecht, das den Umständen im Einzelfall adäquat Rechnung trägt. Das vorgeschlagene Sanierungsrecht orientiert sich an den Regelungen zur Bankensanierung, wobei versicherungsspezifischen Anliegen Rechnung getragen wird.

Ein Sanierungsrecht bedarf sowohl formeller als auch materieller Bestimmungen.

Auf der formellen Seite braucht es die notwendigen Rechtsgrundlagen, damit die FINMA ein Sanierungsverfahren eröffnen und durchführen sowie die notwendigen Ausführungsbestimmungen erlassen kann. Die materiellen Bestimmungen regeln namentlich die Sanierungsmassnahmen, so etwa die Übertragung des
Versicherungsbestandes auf ein anderes Versicherungsunternehmen oder auf eine Auffanggesellschaft oder aber die Weiterführung des Bestandes im bestehenden Versicherungsunternehmen, jeweils mit der Möglichkeit, gegebenenfalls in die Rechte der Gläubigerinnen und Gläubiger einzugreifen. Im Bereich der Kapitalmassnahmen kommen zum Beispiel die Herabsetzung und Wiedererhöhung des Aktienkapitals oder die Umwandlung bestimmter Forderungen in Beteiligungsrechte (bail-in) in Frage, wobei der Grundsatz zu beachten ist, dass keine Gläubigerin und kein Gläubiger schlechtergestellt werden darf, als dies im Versicherungskonkurs der Fall wäre (No creditor worse off than in liquidation-Prinzip).

Ziel eines Sanierungsverfahrens ist die Abwendung der Insolvenzgefahr. Das Versicherungsunternehmen soll so aufgestellt werden, dass die finanzielle Notsituation überwunden und ein Versicherungskonkursverfahren vermieden werden können.

Entsprechend dem Zweck des VAG hat das Sanierungsverfahren dabei den Schutz der Versicherten im Fokus. Es wurde schon erwähnt, dass Versicherungsnehmerin8974

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nen und -nehmer ­ anders etwa als Bankkundinnen und -kunden ­ ein überwiegendes Interesse am Weiterlaufen ihres Vertragsverhältnisses haben, insbesondere weil ein Wechsel einer Versicherung unter Umständen sehr schwierig sein kann. Das Fortbestehen des betroffenen Versicherungsunternehmens ist damit nicht zwingend das Ziel der Sanierung; vielmehr wird sich deren Fokus auf die Weiterführung des Bestandes der Versicherten richten. Diese Weiterführung kann durch Übertragung des Versicherungsbestandes auf ein anderes Versicherungsunternehmen erfolgen.

Denkbar ist auch, dass ein Versicherungskonkurs und damit die sofortige Auflösung der Versicherungsverträge durch die Sanierung abgewendet werden, mit dem Ziel, ohne Abschluss von Neugeschäften die bestehenden Versicherungsverträge ordentlich zu erfüllen und die Gesellschaft im Anschluss aus der Versicherungsaufsicht zu entlassen (sog. run-off). Im Regelfall wird ein von einer Sanierung betroffenes Versicherungsunternehmen nach der Sanierung nicht mehr weitergeführt, sondern geordnet abgewickelt.

4.1.2

Kundenschutzbasiertes Regulierungs- und Aufsichtskonzept

Geltendes Recht Das VAG baut grundsätzlich auf einem einheitlichen Schutzbedürfnis der Versicherten auf. Dies heisst, dass aufsichtsrechtlich die unterschiedlichen Schutzbedürfnisse der Versicherten (Privatpersonen, kleinere und mittlere Unternehmen, Grosskunden, Erstversicherer) nicht systematisch bewertet und differenziert und entsprechend die aufsichtsrechtlichen Anforderungen nicht kategorisiert werden. Erst mit der Regelung der Rückversicherung wurde bei der Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen des VAG differenziert (vgl. Art. 35). Das geltende Recht unterscheidet somit lediglich zwischen Versicherern im Erstversicherungsgeschäft mit höherer und Versicherern im Rückversicherungsgeschäft mit niedrigerer Regulierungs- und Aufsichtsintensität.

Beantragte Neuregelung Mit der Revision soll für die Regulierungs- und Aufsichtsintensität gegenüber dem Versicherer nicht mehr der Zweck seiner massgeblichen Versicherungsverhältnisse (Erst- oder Rückversicherung) ausschlaggebend sein, sondern das Schutzbedürfnis seiner jeweiligen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer. Dafür sollen verschiedene Segmente von Versicherten definiert werden. Damit kann dem Prinzip der Verhältnismässigkeit entsprechend auch die Erstversicherung mit tieferer Regulierungsund Aufsichtsintensität betrieben werden, soweit sie nur mit professionellen Versicherungsnehmern (z. B. Grosskunden) abgeschlossen wird. Hat der Versicherer nur professionelle Versicherungsnehmer, so kann auf die spezielle Sicherung der Ansprüche der Versicherten (gebundenes Vermögen) verzichtet werden. Dies, weil professionelle Versicherungsnehmer von sich aus entsprechende Sicherungsmassnahmen ergreifen können. Ausserdem sind professionelle Versicherungsnehmer in der Lage, die finanzielle Stabilität ihrer Versicherungsunternehmen und die Einzelheiten des Versicherungsvertrags zu beurteilen.

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Da im Versicherungsbereich der Fokus der Regulierung und Aufsicht im Vergleich zum Bankensektor naturgemäss weniger auf dem Funktionsschutz (Systemstabilität) liegt, führt eine abgestufte Regulierungsintensität nicht zu unvertretbaren Risiken für den Finanzplatz. Die Schweiz soll mit diesem System vielmehr international konkurrenzfähig bleiben. Der Beibehaltung der Äquivalenz mit der EU-Regulierung kommt eine hohe Bedeutung zu. Weiter soll es nicht Ziel der Anpassungen sein, den Versicherungsunternehmen neue Konzernstrukturen aufzuzwingen (z. B. soll keine Separierung des Geschäfts mit nicht-professionellen Versicherungsnehmerinnen und nehmern verlangt werden). Die Versicherungsunternehmen wären vielmehr frei, sich so aufzustellen, dass sie von den Erleichterungen profitieren können.

4.1.3

Verhaltensregeln für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler

In seinen Beratungen zum FIDLEG hat das Parlament beschlossen, dass die in diesem Gesetz für Finanzdienstleister vorgesehenen Verhaltensregeln ­ also die im Verhältnis zur Kundin oder zum Kunden geltenden Pflichten insbesondere zur Information und Dokumentation ­ nicht direkt auf die Versicherungsbranche anwendbar sein sollen. Diese Regeln sollen vielmehr im Rahmen der Revision des VAG einer gesonderten Vernehmlassung unterzogen werden, wobei die Schaffung eines level playing field bei Anlageprodukten unbestrittenes Ziel war. Reine Risikoversicherungen fallen mithin nicht unter die neuen Regeln. Die hier unterbreitete Vorlage sieht diesem Auftrag entsprechend solche Regelungen vor, wobei diese auf die spezifischen Bedürfnisse der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer zugeschnitten werden. So soll die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler vor der Empfehlung einer qualifizierten Lebensversicherung prüfen, ob das entsprechende Produkt für die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer angemessen ist und über welche Kenntnisse und Erfahrung diese oder dieser verfügt. Weiter hat die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler zu dokumentieren, welche qualifizierte Lebensversicherung abgeschlossen worden ist, welche entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers erhoben worden sind und dass eine Angemessenheitsprüfung durchgeführt worden ist. Weiter ist die Versicherungsnehmerin oder der Versicherungsnehmer über die Entschädigung zu informieren, welche die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler von Dritten im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung erhält. In diesem Zusammenhang wird auch klargestellt, dass Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler nicht gleichzeitig als gebunden und als ungebunden tätig sein können, da nur ungebundene Vermittlerinnen und -vermittler in einem Treueverhältnis zu den Versicherten stehen.

Schliesslich soll auch beim Vertrieb von qualifizierten Lebensversicherungen analog zum Vertrieb von komplexen Finanzinstrumenten den Versicherten ein Basisinformationsblatt mit aussagekräftigen und leicht verständlichen Informationen zum Produkt zur Verfügung gestellt werden.

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4.1.4

Ombudswesen

Ombudsstellen entsprechen internationalen Standards und stehen auch in Übereinstimmung mit der bewährten Tradition des Schlichtungsverfahrens. Beide Parteien sollen die Möglichkeit haben, eine unabhängige, unparteiische, mit spezifischen Fachkenntnissen ausgestattete und staatlich anzuerkennende Ombudsstelle anzurufen, ohne dass dadurch die allgemeinen Verfahrensrechte und -garantien eingeschränkt werden. Vielmehr wird die justizförmige Rechtsdurchsetzung mit einem sinnvollen und bewährten Instrument der alternativen einvernehmlichen Streitbeilegung ergänzt und gestärkt.

Im Bereich der Privatversicherungen bestehen heute bereits zwei Ombudsstellen: Die Stiftung «Ombudsman der Privatversicherung und der Suva» sowie die «Ombudsstelle Krankenversicherung». Die beiden Ombudsstellen decken einen grossen Teil des Versicherungsmarktes ab und haben sich in der Praxis bewährt. Sie sollen mit dieser Vorlage denn auch nicht in Frage gestellt werden. Neu soll jedoch ­ analog zu den seit 2020 für die Finanzdienstleister nach FIDLEG geltenden Grundsätzen ­ für sämtliche Versicherungsunternehmen und die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler Pflicht statuiert werden, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen. Es ist sachgerecht, diese Anschlusspflicht nicht nur für den Bereich der qualifizierten Lebensversicherung, sondern generell für alle Versicherungsunternehmen und neu auch für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler vorzusehen. Neu bedürfen die Ombudsstellen zudem einer Anerkennung durch das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD). Diese ist ­ in Anlehnung an die entsprechenden Regelungen im FIDLEG ­ an die Erfüllung bestimmter elementarer Grundvoraussetzungen gebunden.

Es ist der Versicherungsbranche überlassen, ihr Ombudswesen entlang diesen gesetzlichen Mindestvorgaben im Sinne einer Selbstregulierung zu organisieren. Dabei ist denkbar, dass die beiden bestehenden Ombudsstellen ihre heutige Tätigkeit auf alle anschlusspflichtigen Versicherungsunternehmen, nicht aber auf die unabhängigen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler ausdehnen, und dass die Letztgenannten eine eigene Ombudsstelle gründen. Wie für Finanzdienstleister nach FIDLEG würde der Bundesrat beim Fehlen einer Ombudsstelle eine solche bezeichnen. Es ist aber heute schon klar, dass die Versicherungsvermittlerinnen
und -vermittler nicht den heutigen beiden Ombudsstellen zugewiesen würden, sondern dass in diesem Fall eine andere Institution gefunden werden müsste.

Verworfen wurde die Idee, anstelle einer Ombudsstelle die Pflicht für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler einzuführen, eine Berufshaftpflichtversicherung mit Nachhaftung abzuschliessen, weil damit Streitigkeiten zwischen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern und Versicherungsnehmerinnen und -nehmern letztlich vor das entsprechende Versicherungsunternehmen getragen würden. Diese Lösung hätte zum einen den Nachteil, dass dann in einem Teil des Versicherungsmarkts eine Ombudsstelle (weiter) bestehen würde, im andern aber nicht. Vor allem aber sollen mit einer Ombudsstelle Differenzen zwischen Kundinnen und Kunden und Vermittlerinnen und Vermittlern in erster Linie rasch und effizient geklärt und pragmatisch gelöst werden. Muss die Kundin oder der Kunde sich zuerst an seine Vermittlerin oder seinen Vermittler wenden und diese oder dieser sich dann an

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seinen Berufshaftpflichtversicherer und müssen dann alle zusammen schliesslich an die Ombudsstelle der Versicherungen gelangen, so ist offensichtlich, dass bei diesem Prozedere auch kleine Differenzen rasch eskalieren und in Streit ausarten werden. Dies soll und kann mit einer neutralen Ombudsstelle vermieden werden.

4.1.5

Weitere Themen

­

In der Vernehmlassung beantragten vor allem die Kantone, im Gesetz ausdrücklich festzuhalten, dass öffentlich-rechtliche kantonale Versicherer (insbesondere die Gebäudeversicherer, aber auch etwa die neuenburgische Caisse cantonale d'assurance populaire) dem VAG nicht unterstehen. Es ist unbestritten, dass mit der vorliegenden Revision hinsichtlich der genannten Versicherer nichts an der Aufsicht geändert werden soll, wie sie sich insbesondere auch aus der Bundesgerichtspraxis ergibt (vgl. BGE 138 I 378, E. 9.5). Eine neue ausdrückliche gesetzliche Ausnahmeregelung für Versicherungsunternehmen des kantonalen öffentlichen Rechts im VAG könnte indes so ausgelegt werden, dass die Ausnahme für die bestehenden Monopole künftig weiter ausgedehnt werden soll. Dies wird von keiner Seite beabsichtigt und würde die Schweiz international in Erklärungsprobleme bringen.

Auf eine ausdrückliche Regelung soll daher weiterhin verzichtet werden.

­

Von Seiten der Branche wurde in der Vernehmlassung sodann beantragt, Versicherungs-Zweckgesellschaften einer reduzierten Aufsicht nach VAG zu unterstellen. Während Eigenversicherer prinzipiell auch Risiken von Nicht-Versicherungsunternehmen direkt decken können, übernehmen Versicherungs-Zweckgesellschaften nur Risiken von Erst- und Rückversicherungsunternehmen. Das übernommene Risiko sichern sie in der Folge durch Ausgabe nachrangiger Schuldtitel ­ beispielsweise Katastrophenanleihen ­ ab. Damit werden, wirtschaftlich betrachtet, Risiken auf den Kapitalmarkt transferiert. Nach heutigem Recht bestehen in der Schweiz keine Spezialbestimmungen (wie etwa in D oder UK). Versicherungs-Zweckgesellschaften unterstehen von daher in der Regel als Versicherungsunternehmen den allgemeinen Aufsichtsregeln des VAG. Hinsichtlich der geschilderten Funktion und Struktur von Versicherungs-Zweckgesellschaften erweist sich diese Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht als nicht sachgerecht. Im Sinne einer liberalen und risikobasierten Betrachtung ­ es sind keine Versicherten zu schützen ­ kann darum sogar auch auf eine reduzierte Aufsicht nach VAG verzichtet werden.

­

Ebenfalls wurde von der Branche gefordert, es sei bei den von den Versicherungsunternehmen zu liefernden Angaben zum Auslandgeschäft auf die Vorlage einer Bewilligung der zuständigen ausländischen Aufsichtsbehörde oder einer gleichwertigen Bescheinigung zu verzichten (vgl. Art. 4 Abs. 2 Bst. c VAG). Der entsprechende Vorschlag der Branche, nur noch «Angaben zur Versicherungstätigkeit im Ausland» machen zu müssen, würde indessen zu einer weitgehend inhaltslosen Formel führen und wäre nicht geeignet, den Zweck der Norm (Reduktion insbesondere von Reputationsrisiken im Aus-

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landsgeschäft) zu erreichen. Es wird aber bei Ausarbeitung des Verordnungsrechts zu prüfen sein, ob unter dem Begriff der «gleichwertige(n) Bescheinigungen» nicht auch andere Nachweise zur risikobasierten Sicherstellung einer rechtmässigen Auslandtätigkeit zugelassen werden sollen.

11

­

Der Schweizer Solvenztest (SST) ging auf die Neuerung im Versicherungsaufsichtsgesetz von 2004 zurück, wonach die Solvabilität der Versicherer risikobasiert zu bestimmen sei (Art. 9VAG). Auch wenn der SST dort nicht namentlich genannt wurde, ist er materiell implizit bereits im VAG verankert, soll aber in den neu formulierten Artikeln 9­9b E-VAG eine unmissverständliche formelle Basis finden. Dabei wird gleichzeitig die nicht mehr aktuelle Terminologie beseitigt, die sich noch an den alten Solvenzbestimmungen orientiert. An der Kalibrierung des SST soll in dieser Vorlage aber nichts geändert werden, da dies wegen der notwendigen Detaillierung ohnehin nicht auf Gesetzesstufe erfolgen kann. Eines der Fundamente jeglicher Solvenzsysteme ist die Art und Weise der Bewertung der Bilanzpositionen.

Der Bundesrat ist der Meinung, dass für den Zweck der Bestimmung der Solvenz eine Bewertung zu Marktpreisen am besten geeignet ist. Denn damit werden den Bilanzpositionen diejenigen Werte beigemessen, zu denen sie veräussert werden könnten. Daraus ergibt sich ein für Solvenzzwecke unverfälschtes Bild. In der Vernehmlassung wiesen die Versicherer richtigerweise darauf hin, dass nicht alle Positionen auf einer Versichererbilanz regelmässig an einem Markt gehandelt werden, woraus sie den Schluss zogen, die Formulierung sei zu ändern. Dieser Umstand ist allerdings mit dem vom Bundesrat gewählten Begriff der «marktnahen Bewertung» bereits berücksichtigt. In der Aufsichtsverordnung vom 9. November 200511 (AVO), die denselben Begriff aufnimmt, ist im Detail aufgeführt, wie Marktwerte beim Fehlen von Markttransaktionen zu schätzen sind. Es ist deswegen nicht notwendig, einen neuen, von der Versicherungswirtschaft vorgeschlagenen Begriff «marktkonform» einzuführen. Vielmehr könnte der Wechsel des Begriffs fälschlicherweise Anlass zur Vermutung geben, am Bewertungsprinzip des SST sei eine Änderung vorgenommen worden.

­

Nach der Vernehmlassung aufgenommen wurde die Kompetenz des Bundesrates, namentlich für international tätige Versicherungsunternehmen, -gruppen und -konglomerate, zur Erfüllung internationaler Kapitalstandards ergänzend zu den Vorschriften zur Solvabilität weitere Kapitalanforderungssysteme vorgeben zu können (vgl. Art. 9c E-VAG).

­

Ebenfalls hinzugekommen ist eine Kompetenz der FINMA, analog zur Regelung bei systemrelevanten Banken, von grossen Versicherungsunternehmen Stabilisierungspläne mit Blick auf einen möglichen Krisenfall zu verlangen (vgl. Art. 22a E-VAG). Auch damit wird internationalen Entwicklungen Rechnung getragen.

­

Mit der Revision des Versicherungsaufsichtsrechts in den Jahren 20042006 wurden erstmals besondere Bestimmungen für eine Gruppenbetrachtung ins VAG aufgenommen. Diese Gruppenaufsicht erfolgt jedoch nicht eigenstänSR 961.011

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dig, sondern ergänzend zur Einzelinstitutsbetrachtung (Art. 66; Primat der Einzelaufsicht). Die Gruppenaufsicht soll weiter gestärkt werden, indem z. B. Ernennungen und Mutationen von Gewährsträgern auch auf Gruppenebene von der FINMA zu bewilligen sind. Dies führt zu einer einheitlichen und konsistenten Regelung bei Einzel- und Gruppenaufsicht.

­

Nach dem heutigen Artikel 27 Absatz 2 besteht die Möglichkeit, dass die FINMA ein Versicherungsunternehmen in begründeten Fällen von der Pflicht, eine interne Revision zu bestellen, befreit. Eine Ausnahmeregelung in dieser Breite lässt sich im heutigen Finanzumfeld nicht mehr rechtfertigen. Im Übrigen war diese Ausnahmebestimmung ein Thema im Rahmen des Äquivalenzverfahrens der EU. Seitens der EU besteht die Erwartung, dass sie aufgehoben wird.

­

Die Strafbestimmungen des VAG wurden überprüft und es wurden nur diejenigen beibehalten, die wichtige aufsichtsrechtliche Anliegen schützen.

Dies dient der Stärkung der Aufsicht und befreit die Strafverfolgungsbehörden von Verfahren, die wenig Nutzen haben. Zudem steht die Überarbeitung im Einklang mit den neuen ­ gegenüber der seinerzeitigen bundesrätlichen Botschaft entschlackten ­ Strafbestimmungen im FIDLEG, welches am 15. Juni 2018 von den eidgenössischen Räten verabschiedet wurde.

­

Die Einführung einer Rentenumwandlungsgarantieprämie schliesslich bildete nicht Gegenstand der Vernehmlassungsvorlage, wurde aber von diversen Stellungnehmenden verlangt. Der Bundesrat hat am 13. Dezember 2019 eine Revision der beruflichen Vorsorge in die Vernehmlassung geschickt, welche auch die geforderte Rentenumwandlungsgarantieprämie umfasst. Es erscheint richtig, die Frage der erwähnten Prämie in diesem weiteren Kontext der Anpassung der beruflichen Vorsorge an die demografische und ökonomische Entwicklung zu prüfen und nicht im Rahmen der VAG-Revision. Es wird daher darauf verzichtet, die Sache in die hier vorgestellte Vorlage aufzunehmen.

4.2

Nach der Vernehmlassung nicht weiterverfolgte Vorschläge

4.2.1

Ausländische Rückversicherungsunternehmen mit Niederlassung in der Schweiz

In der Vernehmlassung wurde vorgeschlagen, Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland, die in der Schweiz oder von der Schweiz aus nur die Rückversicherung betreiben, neu ebenfalls der Aufsicht zu unterstellen, sofern sie über eine Zweigniederlassung in der Schweiz verfügen (vgl. dazu Art. 2 Abs. 1 Bst. b Ziff. 2 VE-VAG).

Ergänzend sollte künftig die völlige Befreiung von der Aufsicht nur noch für Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland gelten, welche keine Niederlassung in der Schweiz haben und ausschliesslich die Rückversicherung betreiben (Art. 2 Abs. 2 Bst. a VE-VAG). In der Vernehmlassung wurde das vorgeschlagene Regime von Seiten der Branche insofern kritisiert, als für die neu beaufsichtigten Niederlas-

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BBl 2020

sungen kein volles, sondern ein erleichtertes Aufsichtsregime verlangt wurde. Dieses Ansinnen erweist sich als kaum umsetzbar und auch nicht als sachgerecht. Würde man die Aufsicht in der Rückversicherung, die bereits heute umfassende geschäftsbezogene Erleichterungen enthält (Art. 35 VAG), noch weiter zurückfahren, verblieben kaum mehr nennenswerte Anforderungen. Unter diesen Umständen von einer beaufsichtigten Niederlassung zu sprechen, würde den Marktteilnehmern ein falsches Bild von Sicherheit vermitteln. Entsprechend wird in dieser Vorlage auf eine Änderung des Aufsichtsregimes bei Niederlassungen ausländischer Rückversicherer verzichtet. Diese verbleiben mithin wie bisher ohne Schweizer Aufsicht und damit unter der alleinigen Aufsicht ihres Sitzstaates. Um auf allfällige Änderungen internationaler Standards reagieren zu können, welche möglicherweise trotzdem eine Niederlassungsaufsicht fordern könnten, wird eine entsprechende Kompetenz des Bundesrates eingeführt (vgl. Art. 2 Abs. 5 Bst. a E-VAG).

4.2.2

Änderungen des Geschäftsplans

Bei der Regelung zu den Änderungen des Geschäftsplans wurde in der Vernehmlassung vorgeschlagen, dass die vorgängige Zustimmung der FINMA erforderlich ist für die Ernennung von Gewährspersonen und bei der Planung von komplexen Auslagerungsvorhaben (vgl. dazu Art. 5 Abs. 1 VE-VAG). Im Gegenzug sollten die Genehmigungsfiktion aufgehoben und die unter diesem Absatz zu meldenden Änderungen auf wesentliche Änderungen beschränkt werden (Art. 5 Abs. 2 VE-VAG).

Nachdem in den Stellungnahmen die vorgängige Zustimmung der FINMA auf grössere Kritik stiess, wird vorliegend auf die Änderungen in Artikel 5 verzichtet. Es bleibt also bei einer Mitteilungspflicht und es wird wie bislang weiter an den Versicherungsunternehmen sein, darauf zu achten, dass sie sich bei der Ernennung von Gewährspersonen und bei komplexen Auslagerungen für den Fall absichern, dass ihnen die FINMA am Ende die Genehmigung verweigert.

4.3

Umsetzung

Einige der Gesetzesbestimmungen werden im Rahmen der allgemeinen bundesrätlichen Kompetenz in beschränktem Umfang auf Verordnungsstufe detaillierter ausgeführt werden müssen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich hieraus spezifische Umsetzungsprobleme ergeben.

8981

BBl 2020

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Versicherungsaufsichtsgesetz

1. Kapitel: Gegenstand, Zweck und Geltungsbereich 1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen Zwecks besserer Lesbarkeit werden neu an verschiedenen Stellen Abschnittstitel eingefügt.

Art. 1 Abs. 2 Ein Kerngedanke der vorliegenden VAG-Revision besteht darin, dass bei Versicherungsunternehmen mit professionellen Versicherungsnehmern der gesetzliche Schutzbereich angemessen eingeschränkt werden soll. Die Regulierung soll sich stärker als heute am Schutzbedürfnis der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer ausrichten («kundenschutzbasiertes Aufsichtskonzept»), was mit dem Zusatz «nach Massgabe ihrer Schutzbedürftigkeit» ausgedrückt werden soll.

Im Nachgang zur vorliegenden VAG-Revision wird sodann zu prüfen sein, welche zusätzlichen Erleichterungen insbesondere im Bereich der konzerninterne Direktoder Rückversicherung (Captive) und im Versicherungsgeschäft mit ausschliesslich professionellen Versicherungsnehmern (Wholesalebereich) durch Anpassungen auf tieferer Regulierungsstufe (AVO, Versicherungsaufsichtsverordnung-FINMA und FINMA-Rundschreiben) verwirklicht werden können.

Art. 2 Abs. 1 Bst. a und e, 2 Einleitungssatz und Bst. bbis, e­g sowie Abs. 3­5 Absatz 1 Buchstabe a Mit der Änderung in Buchstabe a wird der heutigen Auslegung entsprechend klargestellt, dass ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Schweiz in jedem Fall der Aufsicht untersteht, unabhängig von der Art des von ihm betriebenen Versicherungsgeschäfts. Eine Aufzählung der einzelnen möglichen Geschäftsfelder auf Gesetzesstufe ist nicht notwendig. Sobald ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz entweder die Direkt- oder Erstversicherung oder die Rückversicherung betreibt, ist es ein Versicherungsunternehmen im Sinne des VAG und untersteht entsprechend der Aufsicht.

Nachdem auf die Einführung einer Aufsicht über Niederlassungen von ausländischen Rückversicherern verzichtet wird (vgl. die vorstehenden Erwägungen), bleiben die Buchstaben b und c unverändert.

Absatz 2 Der Einleitungssatz zu Absatz 2 wird ohne inhaltliche Änderung aus Gründen der inhaltlichen Kohärenz und zur Ausräumung von Missverständnissen demjenigen von Absatz 1 angepasst. Klar ist damit, dass Versicherungsunternehmen, welche von Bundesrechts wegen einer besonderen Aufsicht unterstellt sind, weiterhin nicht dem VAG unterstehen. So bleiben zum Beispiel soziale Krankenversicherungen nach

8982

BBl 2020

dem Krankenversicherungsgesetz vom 18. März 199412 (KVG) weiterhin den Regelungen des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. September 201413 (KVAG) und damit der Aufsicht des Bundesamts für Gesundheit (BAG) unterstellt, was bereits mit der Einführung des VAG im Jahr 2006 klar geregelt worden ist (vgl.

auch BBl 2003 3808). Bereits vorne ausgeführt wurde, dass auf eine ausdrückliche Erwähnung der ebenfalls unbestrittenermassen weiterhin nicht dem VAG unterstehenden Versicherer kantonalen öffentlichen Rechts verzichtet wird.

Absatz 2 Buchstabe bbis Viele Staaten fördern ihre Exporttätigkeit über zumeist eigenständig organisierte Anbieter von Exportrisikoversicherungen (sog. export credit agencies, ECA). Diese finanzieren konkrete Exportgeschäfte beziehungsweise decken damit verbundene Risiken ab. Sie können privat oder öffentlich-rechtlich organisiert sein, handeln aber typischerweise im Namen und auf Rechnung des jeweiligen Staates. So bietet auch die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) als öffentlich-rechtliche Anstalt ihre Deckungen nach dem Grundsatz der Subsidiarität in Ergänzung zur Privatwirtschaft an (Art. 6 Abs. 1 Bst. d des Exportrisikoversicherungsgesetzes vom 16. Dezember 200514, SERVG). Als Instrumente des Aussenhandels sind ECA integraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik des jeweiligen Staates. Auf internationaler Ebene besteht folgerichtig auch kein Versicherungsaufsichtsregime, welches ECA unter eine prudenzielle Bewilligungspflicht oder laufende Aufsicht stellt. Das EU-Recht zum Beispiel nimmt staatliche oder staatlich garantierte ECA explizit vom Anwendungsbereich des Versicherungsaufsichtsrechts aus (vgl. Art. 5 Ziff. 4 Solvency-II-Richtlinie15). Auch die SERV ist im Ausland ­ selbst für ihre dort belegenen Risiken ­ nicht bewilligungspflichtig.

Das heutige VAG kennt keine explizite Ausnahmeregelung für ECA. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ausländische ECA eine bewilligungspflichtige Versicherungstätigkeit im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausüben, insbesondere im Zusammenhang mit in der Schweiz belegenen Risiken. Während für die SERV heute mit Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b VAG eine gesetzliche Ausnahme besteht, existiert im Moment keine solche Ausnahme für die ausländischen ECA, welche auch die Handelsaktivitäten von Schweizer Exporteuren
und Handelsfinanzierungen von Schweizer Banken absichern. Dies ist nicht sachgerecht. ECA sind überwiegend aus handelspolitischen Gründen tätig, und es besteht auch ein nachrangiges Schutzbedürfnis der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer. Auch lässt die klar abweichende internationale Praxis eine Klarstellung auf Stufe VAG als angezeigt erscheinen. Mit einer expliziten Ausnahmeregelung soll deshalb Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden. Ausgenommen sind aber nur Tätigkeiten im Kernbereich von ECA als Instrument der Aussenhandelspolitik, nicht aber Konstellationen, in denen der gleiche Rechtsträger allenfalls weitergehende Versiche-

12 13 14 15

SR 832.10 SR 832.12 SR 946.10 Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungsund der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. L 335/1.

8983

BBl 2020

rungstätigkeiten in direkter Konkurrenz zu privaten Wettbewerbern ausüben würde.

Der Bundesrat wird Einzelheiten auf Verordnungsstufe noch regeln können.

Absatz 2 Buchstabe e Diese Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gewährung von Bürgschaften und Garantien sowie andere Geschäfte mit Sicherungscharakter unter gewissen Voraussetzungen nicht als Versicherungstätigkeit zu qualifizieren sind. Vereine, Verbände, Genossenschaften sowie Stiftungen, die ihren Mitgliedern, Genossenschafterinnen und Genossenschaftern und Destinatären solche Geschäfte anbieten, sollen dementsprechend unter zwei Voraussetzungen, die beide zu erfüllen sind, von der Aufsicht nach VAG durch die FINMA ausgenommen werden: Zum einen hat sich ihr örtlicher Tätigkeitsbereich auf das Hoheitsgebiet der Schweiz zu beschränken, zum anderen muss ein allfällig mit diesen Geschäften erwirtschafteter Gewinn vollumfänglich den Bürgschafts- und Garantienehmern zugewiesen werden. Dieser Ausschluss hält vor dem Abkommen vom 10. Oktober 1989 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (SR 0.961.1) stand, da das Abkommen keine Definition der Versicherungstätigkeit beinhaltet und es grundsätzlich den Vertragsstaaten obliegt, die Versicherungstätigkeit zu definieren. Nicht unter den Ausschluss fallen die genossenschaftlich organisierten Versicherungsunternehmen.

Dass die Vergabe von Bürgschaften und Garantien durch eine Bank im Rahmen ihrer Banktätigkeit nicht in den Anwendungsbereich des VAG fällt, ist selbstverständlich und braucht nicht noch eigens geregelt zu werden.

Absatz 2 Buchstabe f Beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen kann seitens des Kunden oder der Kundin eine Nachfrage nach einer Versicherung bestehen, die dieses Produkt oder diese Dienstleistung ergänzt und daran gebunden ist («Annexversicherung»). Im Fokus stehen dabei Versicherungsprodukte von geringfügigem Umfang wie beispielsweise eine Glasbruchversicherung beim Kauf eines Mobiltelefons oder eine Reiseannullationsversicherung beim Buchen einer Reise. Während das Vermitteln von Versicherungsverträgen in der Regel dem VAG untersteht, soll mit dem Buchstaben f bei Annexversicherungen von geringer Bedeutung eine Ausnahme eingeführt werden, wobei der
Bundesrat die Bedingungen aufstellen wird. Solche Ausnahmebedingungen könnten beispielsweise eine Limitierung der versicherten Schadenhöhe, der Versicherungsprämie, der zeitlichen Dauer der Versicherungsdeckung oder eine Einschränkung der versicherten Risiken umfassen. Im Vergleich zum vorliegenden Gesetzesvorschlag ist die entsprechende Bestimmung in der EU-Richtlinie 2016/97 über den Versicherungsvertrieb (Insurance Distribution Directive, IDD) restriktiver formuliert. Sie schränkt die Ausnahmen ein: (a) auf das Versichern von verlorener oder schadhafter Ware, die Nichtinanspruchnahme einer Dienstleistung, die Beschädigung oder den Verlust von Reisegepäck und anderer Risiken im Zusammenhang mit einer gebuchten Reise und (b) auf Versicherungen, deren Prämie, aufgerechnet auf ein Jahr, höchstens 600 Euro beträgt.

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BBl 2020

Absatz 2 Buchstabe g Mit diesem Buchstaben werden neu Versicherungs-Zweckgesellschaften als der Versicherungsaufsicht ausdrücklich nicht unterstellte juristische Personen aufgeführt. Es handelt sich dabei um Unternehmen, die versicherungstechnische Risiken von Versicherungsunternehmen übernehmen, selbst aber keine Versicherungsunternehmen im eigentlichen Sinn sind. Das übernommene Risiko wird durch Ausgabe nachrangiger Schuldtitel ­ beispielsweise Katastrophenanleihen (sog. Cat-Bonds) ­ abgesichert. Versicherungsunternehmen können auf diesem Weg Risiken auf den Kapitalmarkt übertragen.

Absatz 3 Die Bestimmung kann infolge der neuen bundesrätlichen Kompetenzen in Absatz 5 aufgehoben werden. Eine FINMA-Kompetenz ist bei der Befreiung von der Aufsicht nicht mehr nötig.

Absatz 4 Buchstabe a entspricht dem bestehenden Absatz 4 VAG. Mit dem neuen Buchstaben b erhält der Bundesrat die Kompetenz zu regeln, welchen Umfang die Aufsicht über Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland für ihre Versicherungstätigkeit von der Schweiz aus haben soll.

Absatz 5 Der Bundesrat erhält mit Buchstabe a die Kompetenz, Niederlassungen von ausländischen Rückversicherungsunternehmen in der Schweiz der Aufsicht zu unterstellen, insbesondere, wenn sich dies unter Berücksichtigung ausländischer Standards als angezeigt erweisen sollte.

Die Bestimmung in Buchstabe b gibt dem Bundesrat die Kompetenz, insbesondere (aber nicht nur) zur Förderung der Zukunftsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes kleine Versicherungsunternehmen von der Versicherungsaufsicht zu befreien. Damit wird zum einen die bisher der FINMA zustehende Kompetenz, Versicherungsunternehmen, deren Versicherungstätigkeit von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist oder nur einen kleinen Kreis von Versicherten betrifft, von der Aufsicht zu befreien, wenn besondere Umstände es rechtfertigen (vgl. heutiger Art. 2 Abs. 3 VAG), in Form einer Verordnungskompetenz auf den Bundesrat übertragen. Zum anderen soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, auf innovative Geschäftsmodelle angemessen reagieren zu können.

Im Versicherungsbereich ist derzeit die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle verglichen mit dem Bankensektor noch nicht oder nur in Ansätzen sichtbar. Der Bundesrat wird deshalb bei der Ausarbeitung der entsprechenden Verordnungsbestimmungen die Förderung
der Zukunftsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes ins Zentrum stellen, ohne dabei einen angemessenen Schutz der Versicherten zu vernachlässigen. Die Förderung innovativer Geschäftsmodelle soll zudem auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein und nicht auf kurzfristigen Erfolg. In diesem Sinn soll der Bundesrat die Gewährung von Ausnahmen an Bedingungen knüpfen können. Solche Bedingungen können sein: Sitz in der Schweiz, Garantien (bspw. auch in Form von Rückversicherungen), eine angemessene Information der Kundinnen und Kunden, Anforderungen an die Organisation usw. Was die Interessen der Kundinnen und 8985

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Kunden angeht, so wird der Bundesrat insbesondere die von diesen zu tragenden Risiken bei einem Ausbleiben oder bei einer Verzögerung der Leistungen im Schadenfall zu berücksichtigen haben. Aus diesen Vorgaben ergibt sich, dass Lebensversicherungen oder der Tarifkontrolle unterstehende Versicherungen kaum von den Ausnahmen dieser Bestimmung profitieren können werden.

Gewisse Ausprägungen der Peer-to-Peer-Versicherungen könnten von der Befreiung gemäss diesem Absatz profitieren. Im Konzept der Peer-to-Peer-Versicherung vereinbaren eine kleinere Anzahl von Personen (Pool), dass Kleinschäden bis zu einer gewissen Grenze aus einem Teil der Summe der Jahresprämien ebendieser Personen finanziert werden, während allfällige weitere versicherte Schäden von einem regulären Versicherungsunternehmen übernommen werden. Diesem Versicherungsunternehmen steht dafür der Rest der Jahresprämien zu. Ein bis zum Ende der Abrechnungsperiode nicht verbrauchter Teil der Prämie fliesst zurück an die Poolmitglieder. Soweit vereinbart wird, dass für die beteiligten Poolmitglieder nach Zahlung der Jahresprämie keine Nachschusspflicht besteht und der vom Pool übernommene Jahresschaden eine festzulegende Grenze nicht übersteigt, wäre eine Befreiung von der Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht denkbar.

Art. 2a

Konzernobergesellschaften und wesentliche Gruppenund Konglomeratsgesellschaften

In der Schweiz domizilierte Gruppengesellschaften von Banken, Finanzmarktinfrastrukturen und Versicherungen, die für bewilligungspflichtige Tätigkeiten wesentliche Funktionen übernehmen («wesentliche Gruppengesellschaften»), unterstehen im Insolvenzfall seit dem 1. Januar 2016 (vgl. geänderte Erlasse im Anhang zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 201516; FinfraG) der FINMA-Zuständigkeit. Im derzeit geltenden VAG ist dies für den Konkursfall von unter Gruppen- oder Konglomeratsaufsicht stehenden Gesellschaften in den Artikeln 71bis und 79bis geregelt.

Die Konkurszuständigkeit in anderen Finanzmarktgesetzen geht weiter. Im Bankengesetz zum Beispiel gelten als wesentliche Gruppengesellschaften auch solche von Solo-Instituten (subkonsolidierte Sicht). Der reduzierte Fokus im Versicherungsaufsichtsbereich führt zu Schutzlücken. So kann auch für ein Solo-Versicherungsunternehmen eine Servicegesellschaft eine wesentliche Funktion erfüllen, die im Insolvenzfall bedeutsam ist. Der neue Artikel 2a E-VAG dient dazu, die Abwicklungsfähigkeit der Versicherungsunternehmen zu verbessern. Er lehnt sich im Aufbau an die bestehenden Bestimmungen von Artikel 2bis BankG oder Artikel 3 FinfraG an.

Die Konkurszuständigkeit sowie die Zuständigkeit für Massnahmen und neu auch für die Sanierung gelten unabhängig davon, ob die FINMA eine Versicherungsgruppe oder ein -konglomerat der Gruppen- oder Konglomeratsaufsicht unterstellt hat.

Art. 2b

Systemrisiken

Die Organisation für das internationale Standardsetting im Versicherungssektor, die International Association of Insurance Supervisors (IAIS), verabschiedete im No16

SR 958.1

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vember 2019 einen Standard zur Überwachung von Systemrisiken und zur Ergreifung von Massnahmen, sollten sich solche Systemrisiken im Versicherungswesen ergeben. Dem Bundesrat wird mit diesem Artikel die gesetzliche Grundlage gegeben, diesbezüglich für die privaten Versicherer per Verordnung zu regulieren. Inhalte einer solchen Regulierung könnten zum Beispiel sein: das Erheben und Auswerten geeigneter Daten von Versicherungsunternehmen durch die FINMA, der Austausch bestimmter Daten zwischen der FINMA und Versicherungsaufsichtsbehörden anderer Länder und das Verhängen von Massnahmen, um allfällige Systemrisiken zu vermindern.

2. Abschnitt: Pflichten für von der Aufsicht ausgenommene Unternehmen und Personen Art. 2c Die Absätze 1 und 2 dienen vor allem dem Versichertenschutz, indem sie für Transparenz sorgen. Vor dem 1. Januar 1993 bestehende Versicherungsgenossenschaften gemäss Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d VAG (bei den anderen Unternehmen unter Absatz 2 ist nach den Umständen keine Regelung notwendig) und Versicherungsunternehmen, die unter die Ausnahme von Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe b E-VAG fallen, sollen die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer vor Eingehen einer Geschäftsbeziehung auf die Ausnahme von der Aufsicht hinweisen. Die Durchsetzbarkeit wird mit der Ergänzung des Übertretungstatbestandes in Artikel 86 Absatz 1 Buchstabe a E-VAG sichergestellt.

Erfüllt ein Versicherungsunternehmen die Ausnahmebedingungen, ist es nicht mehr der Aufsicht unterstellt. Absatz 3 regelt die Modalitäten der Überführung des Unternehmens in den bewilligungslosen Zustand.

Art. 4 Abs. 2 Bst. k Das Versicherungsunternehmen muss neu innerhalb von sechs Monaten ab Inkrafttreten der vorliegenden Änderung darlegen, welche Art von Geschäften es betreibt, wenn es von den neu vorgesehenen gesetzlichen Erleichterungen profitieren will (vgl. Art. 90a E-VAG). Die Geschäftsplanposition K (entsprechend Bst. k in dieser Bestimmung) ist hierfür der geeignete Ort.

Es stehen dabei im Ergebnis drei Varianten zur Auswahl: 1.

Versicherungsunternehmungen, die ausschliesslich das Geschäft mit professionellen Versicherungsnehmern (Wholesale) betreiben;

2.

Versicherungsunternehmungen, die ausschliesslich die konzerninterne Direkt- oder Rückversicherung (Captive) betreiben;

3.

Versicherungsunternehmungen, die ausschliesslich Geschäfte mit nichtprofessionellen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern betreiben.

Mischformen sind dabei jeweils zulässig, müssen aber klar ausgewiesen werden (siehe insbesondere Erläuterungen zu den Art. 30a und 30d E-VAG).

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Vorbemerkung zu den Artikeln 9­9b Es ist unbestritten, dass Artikel 9 des geltenden Rechts die mit dem SST in der AVO eingeführten Vorgaben bei einer grosszügigen Auslegung formal zwar abdeckt, betreffend die Begrifflichkeiten im Wortlaut aber nicht mehr den heutigen Gegebenheiten entspricht. Die Bestimmung soll aus diesen Gründen überarbeitet und gleichzeitig verständlicher formuliert werden, was in den nachstehenden Artikeln 9­9b E-VAG geschieht. Die Anpassungen ändern an den heutigen materiellen Vorgaben zum SST nichts.

Gleichzeitig wird mit den neuen Artikeln 9­9b E-VAG dem Bundesrat eine Kompetenz zur Festlegung wichtiger Parameter und Prinzipen bezüglich der detaillierten Vorschriften zur Solvabilität von Versicherungsunternehmen gegeben. Angesichts der Bedeutung der Bestimmungen erscheint es stufengerecht, wenn sie durch den Verordnungsgeber festgelegt werden und nicht auf Stufe Rundschreiben.

Art. 9

Solvabilität

Der bisher verwendete Begriff «Solvabilitätsspanne» wird aus dem VAG gestrichen; stattdessen wird neu festgeschrieben, dass ein Versicherungsunternehmen über eine «ausreichende Solvabilität» verfügen muss. Unter Solvabilität versteht man die Ausstattung eines Versicherungsunternehmens mit finanziellen Mitteln, die potenzielle Verluste aus ungünstigen Entwicklungen absorbieren können, ohne dass Versicherte und andere Gläubigerinnen und Gläubiger zu Schaden kommen. Damit ein Versicherungsunternehmen die Solvabilitätsanforderung erfüllt und somit finanziell als genügend robust im Sinne dieses Gesetzes gelten kann, muss das sogenannte risikotragende Kapital (Ist-Grösse des vorhandenen Kapitals) mindestens so gross sein wie das sogenannte Zielkapital (Soll-Grösse des Kapitals). Das Erfüllen der Solvabilitätsanforderung bedeutet nicht, dass ein Versicherungsunternehmen nicht insolvent werden kann, sondern lediglich, dass dies mit einer gesellschaftlich akzeptabel kleinen Wahrscheinlichkeit eintritt. Ansonsten wären Unmengen an Kapital notwendig, welche die Versicherungsdeckungen enorm verteuern würden. Für die Gläubigerinnen und Gläubiger, darunter die Versicherten, bleibt daher immer ein Restrisiko der Insolvenz.

Art. 9a

Risikotragendes Kapital und Zielkapital

Absatz 1 Versicherungsunternehmen haben nach Absatz 1 ihre Vermögensgegenstände (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Fremdkapital) für die Ermittlung der Solvabilität marktwertnah zu bewerten. Grundgedanke der Marktwertbilanz ist eine marktwertnahe Bewertung aller Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit der Präzisierung, dass bei der Marktbewertung der eigenen Verbindlichkeiten ein Versicherungsunternehmen die eigene Ausfallsmöglichkeit nicht berücksichtigen darf, sondern den Wert unter der Annahme zu ermitteln hat, dass die Verbindlichkeit eingehalten wird. Der Begriff der marktnahen Bewertung impliziert für Bilanzpositionen, bei welchen kein Wert an einem Markt direkt ersichtlich ist (z. B. Immobilien oder versicherungstechnische Rückstellungen), dass ein Wert zu ermitteln ist, der quantitativ einem Wert im Markt entspricht, der nicht im Widerspruch zu anderen Markt8988

BBl 2020

werten steht oder zu dem zwei willige und unabhängige Geschäftspartner die Position kaufen oder verkaufen würden.

Die Marktbewertung bietet sich für die Ermittlung der Kapitalanforderung aus den folgenden Gründen an: Der Zweck der Solvabilitätsanforderung besteht darin, die Versicherten und diverse andere Gläubigerinnen und Gläubiger vor einer Insolvenz des Versicherungsunternehmens zu schützen. Im Falle einer Insolvenz des Versicherungsunternehmens sind die Marktwerte der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten relevant, denn diese Werte müssen sowohl bei der Liquidation als auch bei der Sanierung mittels Weiterführung der Verträge durch ein anderes Versicherungsunternehmen übertragen werden. Kein solcher Dritter wäre bereit, für zu übernehmende Verbindlichkeiten unter ihrem Marktwert entschädigt zu werden oder für Vermögenswerte mehr als ihren Marktwert zu bezahlen. Eine Solvabilitätsbetrachtung muss deshalb eine Marktwertsicht einnehmen. Des Weiteren zeigt nur eine Marktwertsicht, wie weit ein Versicherungsunternehmen aufgrund seiner Kapitaldecke vom Zustand der Insolvenz entfernt ist. Eine Solvabilitätsbilanz, welche hingegen über die Zeit geglättete Werte oder die Aktiva zu ihren Gestehungskosten darstellte und damit versteckte Reserven und Lasten enthielte, könnte dies nicht leisten.

Verschiedene Vermögenswerte werden nicht regelmässige am Markt gehandelt.

Deshalb lässt sich für diese auch kein Marktwert direkt aus den Marktdaten ablesen.

Ein Beispiel sind individuelle Immobilien; trotz eines bestehenden Immobilienmarktes wird eine gegebene Immobilie nicht regelmässig gehandelt. Ihr Marktwert muss deshalb geschätzt werden, wobei ein solcher Schätzwert nicht im Widerspruch zu anderen Marktwerten stehen soll. Dieselbe Problemstellung ergibt sich auch für versicherungstechnische Verbindlichkeiten. Der marktnahe Wert solcher Verbindlichkeiten entspricht dem Wert, zu dem zwei unabhängige, willige und freie Akteure bereit wären, die Verbindlichkeit auszutauschen. Die AVO legt heute fest, dass für die Ermittlung dieses Schätzwertes rechnerisch zwei Bestandteile zu bilden sind.

Der erste Bestandteil ist der Barwert des erwarteten Zahlungsstroms aus einer Verbindlichkeit (best estimate), der zweite der Mindestbetrag, der den Preis für das Risiko und damit für die Unsicherheit darstellt,
welche mit dem erwarteten Zahlungsstrom verbunden ist. Der Gesamtbilanzansatz bedeutet, dass sämtliche Aktiva und Verpflichtungen zu berücksichtigen sind, und zwar unabhängig davon, ob sie in einer buchhalterischen Betrachtung ausserhalb der Bilanz geführt werden oder nicht.

Ausgenommen sind lediglich Positionen, die wegen einer verschwindend kleinen Grösse ohne Verlust von Genauigkeit vernachlässigt werden können.

Würde die sogenannte «ökonomische Basis» als Berechnungsgrundlage aufgenommen, wäre zwar eine marktnahe Bewertung weiterhin möglich, andere, nicht sachgerechte Konzepte wie zum Beispiel eine Einstandskostenbewertung bei den Aktiva oder eine stärkere Diskontierung bei den Verpflichtungen rückten aber ebenfalls in den Fokus. Damit wäre die Äquivalenz zur EU-Richtlinie zur Solvabilität II gefährdet, da mit diesen Vorgaben deutlich hinter die Vorgaben der EU-Richtlinie zurückgegangen würde.

Absatz 2 Das risikotragende Kapital entspricht den verlustabsorbierenden Mitteln des Versicherungsunternehmens. Der Bundesrat legte in der AVO fest, dass es sich aus der

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Summe aus Kernkapital und ergänzendem Kapital zusammensetzt (vgl. Art. 47­49 AVO).

Absätze 3 und 4 Im Zielkapital sind die Risiken quantifiziert, denen das Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist. Darunter fallen Versicherungs-, Markt- und Kreditrisiken sowie in begründeten Fällen weitere relevante Risiken. Wertänderungen der Aktiven und des Fremdkapitals sind gesamthaft zu betrachten (vgl. Art. 41 AVO). Das bedeutet, dass die Risiken der Aktiva einerseits und die Risiken der Verbindlichkeiten andererseits nicht getrennt voneinander zu je einem Beitrag an das Zielkapital führen sollen, sondern dass vielmehr das gesamthafte Risiko von Aktiven und Verbindlichkeiten relevant ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich Wertänderungen der Aktiva und der Verbindlichkeiten gegenseitig teilweise oder ganz aufheben können. Das Gesamtrisiko darf darum als geringer als die Summe der Teile betrachtet werden, und es ist weniger Kapital vonnöten, als wenn die Risiken separat voneinander zu tragen wären. Anschaulich zeigt sich dies am Beispiel von Zins- und Wechselkursrisiken: Falls Verbindlichkeiten auf dieselbe Fremdwährung lauten und im selben Zeitpunkt fällig werden wie korrespondierende Aktiva des Versicherungsunternehmens, ist es angebracht, die Zins- und Währungsrisiken netto als Null zu betrachten und somit kein Kapital zu fordern.

Art. 9b

Weitere Vorschriften zur Solvabilität

Die Bestimmung präzisiert den heutigen Artikel 9 Absatz 3. Der Bundesrat berücksichtigt bei der Festlegung der Vorschriften zur Solvabilität international anerkannte Grundsätze und regelt insbesondere das mit der Solvabilität anzustrebende Niveau des Schutzes der Versicherten vor Insolvenzrisiken der Versicherungsunternehmen (Abs. 1 Bst. a). Es geht hier um das akzeptierte Restrisiko, dass ein Versicherungsunternehmen trotz Erfüllen der Solvabilitätsanforderung in der Zukunft insolvent wird. Selbstverständlich wird der Bundesrat den konkreten Umständen und insbesondere den Besonderheiten des jeweils betroffenen Versicherungsgeschäfts Rechnung tragen. Des Weiteren regelt der Bundesrat das risikotragende Kapital sowie das Zielkapital und deren Ermittlung, einschliesslich der Anforderungen an die anzuwendenden Modelle (Abs. 1 Bst. b), und die Schwellenwerte, bei deren Unterschreiten die FINMA Massnahmen nach Artikel 51 ergreifen kann (Abs. 1 Bst. c). Die Aufzählung ist nicht abschliessend. Absatz 2 gibt dem Bundesrat die nötige Kompetenz und Flexibilität, über die in Artikel 9a Absatz 3 E-VAG genannten Versicherungs-, Markt- und Kreditrisiken hinaus weitere Risikokategorien als relevant zu erklären.

Art. 9c

Ergänzende internationale Versicherungskapitalstandards

Die Organisation für das internationale Standardsetting im Versicherungssektor, die IAIS, verabschiedete 2019 einen Kapitalstandard für international tätige Versicherungsgruppen. Es handelt sich dabei um ein System zum Vergleich (i) der Risiken, die eine solche Versicherungsgruppe aufgrund ihrer Versicherungstätigkeit eingeht, und (ii) der Fähigkeit dieser Gruppe, Risiken mit ihrer eigenen Kapitalausstattung zu tragen. Allein schon, weil absehbar ist, dass im internationalen Geschäftsverkehr 8990

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auch von den in der Schweiz domizilierten international tätigen Versicherungsgruppen erwartet wird, diesen Kapitalstandard anzuwenden, soll dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben werden, dieses System für sie einzuführen. Es soll keineswegs das in der Schweiz etablierte Solvabilitätsregime gemäss den Artikeln 9­9b E-VAG ersetzen. Dazu wäre der neue Kapitalstandard ungeeignet, weil er spezifisch für international tätige Versicherungsgruppen geschaffen und von der IAIS lediglich in einer Minimalversion formuliert wurde, die vermutlich zu relativ geringen Anforderungen führen wird. Der Bundesrat könnte für schweizerische international tätige Versicherungsunternehmen, -gruppen oder -konglomerate oder Teile davon den Kapitalstandard in dieser Minimalversion oder in einer interational anerkannten weiterentwickelten Variante umsetzen, dies aber lediglich ergänzend zum bestehenden Solvabilitätsregime.

Art. 11

Geschäfte neben dem Versicherungsgeschäft

Die Bestimmung führt zu einer klareren Kompetenzordnung bei der Regelung, welche Geschäfte neben dem Versicherungsgeschäft ein Versicherungsunternehmen betreiben darf, nimmt aber materiell keine grundsätzlichen Änderungen vor. Auch haben Versicherungsunternehmen ­ wie bereits im geltenden Recht ­ weiterhin die Möglichkeit, im Rahmen des Gesellschaftszwecks über Servicegesellschaften zusätzliche Dienstleistungen und Geschäfte anzubieten. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis bereits heute rege Gebrauch gemacht.

Absatz 1 Die Neuregelung nimmt in Buchstabe a den heutigen Absatz 1 auf.

In Buchstabe b wird den Versicherungsunternehmen wie im geltenden Recht erlaubt, in beschränktem Umfang versicherungsfremde Dienstleistungen zu erbringen. An der Bewilligungspflicht durch die FINMA wird festgehalten. Wäre dem nicht so, dann hätte die FINMA keine Kenntnis von den versicherungsfremden Dienstleistungen und würde Gefahr laufen, objektiv falsche Solvabilitätsbescheinigungen auszustellen und so den korrekten Vollzug des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung17 gefährden. Die Bewilligungspflicht durch die FINMA schafft zudem Rechtssicherheit und hat sich in der heutigen Praxis bewährt. Die FINMA wird im Rahmen ihrer Aufsicht über die Versicherungsunternehmen im Einzelfall prüfen, ob die Unternehmen die gesetzlichen und die in der Verordnung noch festzulegenden Vorgaben (vgl. Abs. 2) einhalten. Dabei stützt sie sich auf die Angaben, die die Versicherungsunternehmen zu machen haben.

Absatz 2 Die Möglichkeiten der Versicherungsunternehmen, Geschäften neben dem Versicherungsgeschäft andere Geschäften zu betreiben, sind begrenzt durch die mit solchen Geschäften für das Unternehmen und die Versicherten verbundenen spezifischen Risiken. Der Bundesrat wird auf Verordnungsstufe die für die Beurteilung dieser Risiken massgeblichen Kriterien definieren.

17

SR 0.961.1

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BBl 2020

Art. 14

Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit

Die Absätze 1 und 2 entsprechen der mit der Verabschiedung des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 201818 (FINIG) bereits eingeführten Regelung für Finanzinstitute. Mit der Aufnahme der neuen Absätze 3 und 4 werden entsprechend den Regelungen in den übrigen Finanzmarktgesetzen (vgl. Art. 9 FinfraG, Art. 3 BankG und Art. 11 FINIG) auch qualifiziert Beteiligte in die Gewährsregelung aufgenommen.

Als qualifiziert an einem Versicherungsunternehmen beteiligt gelten diejenigen Personen, welche direkt oder indirekt an mindestens zehn Prozent des Kapitals oder der Stimmen beteiligt sind oder die Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens auf andere Weise massgebend beeinflussen können.

Art. 14a

Vermeidung von Interessenkonflikten

Versicherungsunternehmen haben wie alle im Finanzmarkt tätigen Unternehmen jederzeit Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung zu bieten. Dazu gehört auch, dass sie angemessene organisatorische Massnahmen treffen, um bei der Erbringung von Versicherungsdienstleistungen Interessenkonflikte möglichst zu vermeiden. Diese Pflicht wird nun in Artikel 14a ausdrücklich kodifiziert.

Absatz 1 Die Versicherungsunternehmen haben dafür zu sorgen, dass ihre Eigeninteressen sowie die Interessen ihrer Mitarbeitenden und der an sie gebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler den Kundeninteressen nicht entgegenstehen.

Weiter müssen sie sicherstellen, dass die Kundeninteressen untereinander nicht in Konflikt geraten. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, müssen Versicherungsunternehmen das Nötige tun, um diese zu erkennen. Insbesondere haben sie zu prüfen, ob für sie, ihre Mitarbeitenden oder an sie gebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler Anreize bestehen, die Interessen von Versicherungsnehmerinnen und -nehmern zu vernachlässigen oder hinter die eigenen Interessen zu stellen.

Absatz 2 Interessenkonflikte sind durch die Versicherungsunternehmen so weit wie möglich durch geeignete Massnahmen zu beseitigen. Können sie nicht ausgeschlossen werden, so sind sie vor Abschluss eines Versicherungsvertrags offenzulegen. Die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer sollen beurteilen können, ob sie einen Vertrag abschliessen wollen. Auf eine umfassende Beseitigung eines Interessenkonflikts soll nicht leichthin verzichtet werden können.

Absatz 3 Der Bundesrat erhält die Kompetenz, Einzelheiten zu regeln. Er kann insbesondere Verhaltensweisen bezeichnen, die wegen Interessenkonflikten in jedem Fall unzulässig sind. Er wird sich dabei an Artikel 27 der Finanzdienstleistungsverordnung vom 6. November 201919 (FIDLEV) orientieren können.

Für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler gelten diese Bestimmungen ebenfalls (vgl. Art. 45a E-VAG). Hinsichtlich der Entgegennahme von Entschädigungen 18 19

SR 954.1 SR 950.11

8992

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gilt für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler zusätzlich die Sonderbestimmung von Artikel 45b E-VAG.

Art. 15

Allgemein

Der Einleitungssatz enthält eine sprachliche Präzisierung ohne materielle Auswirkung. Materiell geändert wird in diesem Artikel nur Absatz 1 Buchstabe b; die übrigen Anpassungen sind redaktioneller Natur.

Absatz 1 Buchstabe b Gemäss Artikel 160 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198720 über das Internationale Privatrecht (IPRG) untersteht die schweizerische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens grundsätzlich dem schweizerischen Recht.

Im IPRG ist der Begriff der Zweigniederlassung jedoch nicht definiert. Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist darunter ein kaufmännischer Betrieb zu verstehen, der zwar rechtlich Teil einer Hauptunternehmung ist, von der er abhängt, der aber in eigenen Räumlichkeiten dauernd eine gleichartige Tätigkeit wie die Hauptunternehmung ausübt und dabei über eine gewisse wirtschaftliche und geschäftliche Unabhängigkeit verfügt (vgl. Urteil 4 C.373/2004 E 2.2; ferner BGE 117 II 85 E 3; grundlegend BGE 76 I 150 E 2; Richard Gassmann, in: Internationales Privatrecht Art. 1-200 IPRG, Art. 160 IPRG, S. 644 f.). Mit anderen Worten referenziert Artikel 160 Absatz 1 IPRG auf die Zweigniederlassung im handelsregisterrechtlichen Sinne.

In der Vergangenheit erteilte die FINMA auch Niederlassungen Bewilligungen zum Geschäftsbetrieb, welche insbesondere, weil sie nicht über eine hinreichende Unabhängigkeit verfügten, nicht im Handelsregister eingetragen waren. Wichtige schweizerische Rechtsnormen gelten aber nicht ohne Weiteres für diejenigen Niederlassungen von ausländischen Versicherungsunternehmen, welche nicht im Handelsregister eingetragen sind. Um solche Niederlassungen umfassend der Schweizerischen Rechtsordnung zu unterstellen und um hier eine gewisse Rechtsunsicherheit zu beseitigen, wird neu statuiert, dass diese zwingend ins Handelsregister eingetragen werden müssen. Ausländische Versicherungsunternehmen, welche in der Schweiz bereits eine Versicherungstätigkeit ausüben, erhalten eine sechsmonatige Übergangfrist zur Eintragung ihrer Niederlassung ins Handelsregister (vgl. Art. 90a E-VAG).

Art. 15a

Als Lloyd's bezeichnete Vereinigung von Versicherern

Lloyd's oder Lloyd's of London als solches ist ein Rechtssubjekt des englischen Rechts, das sich auf verschiedene Sondergesetze (the Lloyd's Acts etc.) stützt. Diese Society oder Corporation of Lloyd's hat auch eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Zürich. Dieses Rechtssubjekt selbst ist nicht Versicherer, sondern als Vereinigung seiner Mitglieder für die Unterstützung, Infrastruktur, Beaufsichtigung usw. des Geschäfts der einzelnen Mitglieder zuständig und wird daher gemeinhin als Versicherungsmarkt bezeichnet. Die eigentliche Versicherung erfolgt durch die einzelnen Mitglieder von Lloyd's (sog. names), von denen sich einige oder viele für die einzelne Versicherung zu Syndikaten zusammenschliessen, 20

SR 291

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die von einem managing agent geleitet werden, der auch Verpflichtungen zulasten der einzelnen Mitglieder eingehen kann. Die Versicherer werden dann als «Lloyd's underwriters (London) (ev. subscribing to Policy No. XXX)» oder als «the association of underwriters known as Lloyd's» bezeichnet. Jedes Mitglied des Syndikats haftet dabei mit einem Vermögen für seine eigene Quote an dem durch das jeweilige Syndikat versicherten Risiko; zwischen den Mitgliedern besteht dabei keine Solidarhaftung.

Lloyd's oder Lloyd's of London ist als Rechtssubjekt des englischen Rechts grundsätzlich partei- und damit auch rechtsfähig. Dem gegenüber sind «Lloyd's underwriters (London) (ev. subscribing to Policy No. XXX)» oder «the association of underwriters known as Lloyd's» als solche nicht rechtsfähig, auch nicht nach englischem Recht, und daher auch nicht parteifähig. Das jeweilige Syndikat für einen spezifischen Versicherungsvertrag erscheint nach schweizerischem Recht am ehesten als einfache Gesellschaft der names, weshalb nur diese partei- und prozessfähig sind.

Aufgrund fehlender Partei- und Prozessfähigkeit ist auf Klagen im Namen der «Lloyd's underwriters (London) (ev. subscribing to Policy No. XXX)» oder «the association of underwriters known as Lloyd's» oder gegen diese jeweils auch nicht einzutreten, es sei denn, es kommt zu einer Berichtigung, indem sämtliche Mitglieder der betroffenen Versicherungspolice als Kläger oder Beklagte auftreten.

Um diese Unklarheiten zu beseitigen und für allfällige Zivil- und Aufsichtsverfahren Rechtssicherheit zu schaffen, wird neu eine Sonderregelung für Lloyd's als einzigartigem Versicherungsmarkt ins VAG aufgenommen. Die Regelung im VAG erfolgt dabei in Anlehnung an das Recht in der Europäischen Union, in welchem, soweit ersichtlich, eine ähnliche Sonderregelung ebenfalls im Versicherungsaufsichtsrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten verankert ist.

Durch die Aufnahme dieser Sonderregelung für Lloyd's als einzigartigem Versicherungsmarkt wird überdies auch klargestellt, dass die Artikel 57­59 (Zusätzliche Schutzmassnahmen für ausländische Versicherungsunternehmen) ebenfalls für Lloyd's gelten.

Im Weiteren kann an dieser Stelle in Klärung einer in der Vernehmlassung aufgeworfenen Frage ergänzend festgestellt werden, dass Artikel 7 VAG auf Lloyd's infolge seiner speziellen
Rechtsstruktur auch weiterhin nicht anwendbar ist, Lloyd's also weder als Aktiengesellschaft noch als Genossenschaft organisiert sein muss.

Art. 17 Abs. 2 Gemäss geltendem Artikel 17 Absatz 2 muss ein schweizerisches Versicherungsunternehmen seine ausländischen Versicherungsbestände durch ein gebundenes Vermögen sicherstellen, sofern nicht im Ausland eine gleichwertige Sicherheit geleistet werden muss. Diese Regelung erweist sich insofern als unnötig, als die im Ausland wohnenden Versicherungsnehmerinnen und -nehmer bereits durch das jeweilige lokale Schutzregime geschützt werden.21 Es entspricht auch internationalen Bestimmungen und dem Prinzip der Gleichbehandlung, wenn das spezfische Schutz21

So verlangen z.B. einzelne EU-Mitgliedstaaten die Sicherstellung der Ansprüche aus Versicherungsverträgen durch ein gebundenes Vermögen.

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regime in einem Land auf alle dort ansässigen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer angewendet wird, unbesehen des Sitzes des Versicherungsunternehmens.

Eine Ausnahme davon bildet das Direktversicherungsabkommens zwischen der Schweiz und der EU, aber nur in Bezug auf die Bestimmungen zur Solvabilität. Die hier vorgeschlagenen Änderungen zum gebundenen Vermögen werden von dieser nicht berührt. In diesem Sinne wird hier vorgeschlagen, dass für ausländische Versicherungsbestände ausländischer Niederlassungen von schweizerischen Versicherungsunternehmen oder solchen, die ihnen im Aufsichtsverfahren zugeordnet werden, keine spezifischen Vorgaben mehr gemacht werden und insbesondere kein gebundenes Vermögen mehr zu schaffen ist. Weiterhin bestehen jedoch insbesondere die Pflicht des Versicherungsunternehmens, für die gesamte Geschäftstätigkeit ­ inklusive seiner ausländischen Versicherungsbestände ­ ausreichende versicherungstechnische Rückstellungen zu bilden (Art. 16 VAG) und naturgemäss auch die Anforderungen zur Sicherstellung der Ansprüche aus Versicherungsverträgen aufgrund des ausländischen Rechts.

Mit dieser Anpassung entfällt die ­ sehr schwierige und aufwendige ­ Prüfung der Gleichwertigkeit des ausländischen Aufsichtsregimes, denn es muss nicht mehr zwischen gleichwertigen und nicht gleichwertigen ausländischen Rechtsordnungen unterschieden werden. Ausfälle ausländischer Versicherungsbestände können zwar weiterhin im schweizerischen Konkurs des schweizerischen Versicherungsunternehmens geltend gemacht werden, es wird aber im schweizerischen Konkurs zwischen das ausländische Schutzregime und die Anmeldung und Abwicklung des verbleibenden Ausfalls nicht noch ein Spezialsubstrat inländischen gebundenen Vermögens eingeschoben. Damit erhöht sich die Klarheit der Rechtslage erheblich, und schwierige Wertungen und mögliche Friktionen können vermieden werden, was nicht zuletzt im Interesse der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer im In- und Ausland die Koordination im Fall der Sanierung oder des Konkurses erleichtert. All dies bedingt aber, dass die Schaffung des hier beschriebenen gebundenen Vermögens nicht dem Belieben der Versicherungsunternehmen anheimgestellt, sondern ausgeschlossen wird. Entsprechend sieht der Gesetzestext vor, dass kein gebundenes Vermögen gebildet werden «darf».

Nicht erfasst
von dieser Neuregelung werden Versicherungsunternehmen, welche ohne Niederlassung im Ausland grenzüberschreitend Versicherungen anbieten, sofern dies die ausländische Rechtsordnung zulässt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass unter anderem die zusätzliche Sicherheit durch das gebundene Vermögen in der Schweiz für die ausländischen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer wesentlich war, den Versicherungsvertrag abzuschliessen.

Klar ist zudem nach wie vor, dass Verträge von schweizerischen Versicherungsunternehmen, welche mit ausländischen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern in der Schweiz abgeschlossen und geführt werden, von der Änderung nicht erfasst werden. Auf diese ist die allgemeine Regel nach Artikel 17 Absatz 1 anwendbar.

Ebenfalls nicht erfasst werden Verträge, welche ausländische Tochtergesellschaften von schweizerischen Versicherungsunternehmen im Ausland mit ausländischen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer abschliessen. Auf diese Verträge ist allerdings auch die allgemeine Regel nach Artikel 17 Absatz 1 nicht anwendbar, weil auf

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solche Verträge das Recht des jeweiligen ausländischen Staates zur Anwendung gelangt.

Art. 20

Vorschriften zum gebundenen Vermögen

Heute schreibt der Bundesrat gestützt auf Artikel 20 den Versicherungsunternehmen in den Artikeln 70 ff. AVO (vgl. insb. Art. 79 und 83 AVO) detailliert vor, welche Vermögenswerte dem gebundenen Vermögen zugewiesen werden können. Neu soll der Bundesrat auf ausführliche Anlagevorschriften verzichten und die Bestellung des gebundenen Vermögens ausgehend vom Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht (prudent persons principle) regeln.

Der Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht spiegelt die Anforderungen an die Kapitalanlage des gebundenen Vermögens sowie das dazugehörige Risikomanagement wider. Versicherungsunternehmen dürfen demnach ihr gebundenes Vermögen nur in Kapitalanlagen investieren, deren Natur und Risiken sie genau verstehen, sodass sie aufgrund dieses Verständnisses auf aktuelle Entwicklungen jederzeit angemessen reagieren können.

Mit dieser Anpassung wird den Versicherungsunternehmen in Anlehnung an die EU-Richtlinie zur Solvabilität II grössere Flexibilität bei der Kapitalanlage des gebundenen Vermögens gewährt.

Art. 21 Abs. 3 Diese formale Anpassung lehnt sich «spiegelbildlich» an die Formulierung in Absatz 2 an. Sie entspricht der Solvabilität-II-Regelung (und jener der Vorgängerrichtlinien). Artikel 21 ist dieser Regelung nachgebildet.

Art. 22a

Stabilisierungspläne

Von gewissen Schweizerischen Versicherungsunternehmen soll die FINMA mit Blick auf die Risiken, denen sie im Fall einer Krise ausgesetzt sein können, die Erstellung von Stabilisierungsplänen verlangen können. Diese Kompetenz orientiert sich nach Sinn und Zweck an den Anforderungen, die in der Schweiz bereits für systemrelevante Banken gelten, und soll mithin nur Versicherungsunternehmen erfassen, die für den Schweizer Versicherungsmarkt als Ganzem bedeutend sind. Als in diesem Sinne wirtschaftlich bedeutende Versicherungsunternehmen sollen solche nach der Aufsichtskategorien 2 und 3 gelten, was in der Verordnung noch zu präzisieren sein wird. Die Regelung ist insbesondere auch wichtig für grosse schweizerische Versicherungsunternehmen, die Teil einer ausländischen Versicherungsgruppe sind. Sie ermöglicht der FINMA einen Abgleich mit ausländischen Aufsichtsbehörden und den diesen Behörden nach ausländischem Recht vorzulegenden Stabilisierungsplänen.

Für Versicherungsunternehmen der Aufsichtskategorien 4 und 5 soll Artikel 22a E-VAG genau so wenig gelten wie für Niederlassungen von ausländischen Versicherungsunternehmen (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b VAG).

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Die Regelung ist eine «Kann-Vorschrift». Die FINMA wird nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu bestimmen haben, von welchen Unternehmen sie einen Stabilisierungsplan verlangen wird und welchen konkreten Inhalts dieser sein soll.

Art. 24 Abs. 1, 3bis und 4 Diese Bestimmung wird den heutigen Gegebenheiten in der Praxis insbesondere hinsichtlich der innerbetrieblichen Verantwortlichkeiten angepasst.

Absatz 1 Die derzeitige Formulierung zur Solvabilitätsspanne ist nach dem Wegfall der Solvabilitätsbestimmung nach Massgabe des Geschäftsumfangs (Solvabilität 1) nicht mehr passend. Neu wird daher auch hier, wie in den Artikeln 9­9b, der Begriff Solvabilität eingefügt (Bst. a Ziff. 2). Damit wird klar, dass die Solvabilität nach dem SST gemeint ist. Die Verantwortung des verantwortlichen Aktuars oder der verantwortlichen Aktuarin liegt dabei vor allem im Bereich der versicherungstechnischen Teile des SST. Die Gesamtverantwortung für die Berichterstattung zum SST liegt nach Artikel 53 AVO aber klar bei der Geschäftsleitung des Unternehmens. Im jährlichen Bericht stellt der verantwortliche Aktuar oder die verantwortliche Aktuarin insbesondere versicherungstechnische Entwicklungen dar, welche die finanzielle Lage des Unternehmens gefährden. Sie oder er soll jedoch nicht nur die versicherungstechnischen Risiken einschätzen, sondern eine Beurteilung der GesamtrisikoSituation, insbesondere auch der finanziellen Risiken der Anlagen, vornehmen.

Werden Teile dieser Funktion schon von anderen Verantwortungsträgern wahrgenommen, beispielsweise von einem Chief Risk Officer, so hat sich der verantwortliche Aktuar oder die verantwortliche Aktuarin bei dieser Person über diese Risiken sachkundig zu machen und deren Beurteilung in den Bericht zu integrieren. Durch die neu gewählte Formulierung in Buchstabe a wird der Regelungsinhalt des bisherigen Buchstaben b in Buchstabe a überführt und Buchstabe b erhält einen neuen Regelungsinhalt.

Statt bisher von «Bildung» wird neu in Buchstabe a von «Berechnung» ausreichender technischer Rückstellungen gesprochen. Der verantwortliche Aktuar oder die verantwortliche Aktuarin kann und muss der Geschäftsleitung nicht mehr und nicht weniger als die Berechnung ausreichender Rückstellungen liefern und über allfällige Unzulänglichkeiten bei der Bildung von Rückstellungen informieren
und im Bericht festhalten.

Bei der Berechnung ausreichender versicherungstechnischer Rückstellungen sind Angaben des zugrunde liegenden Anlageportfolios zu verwenden, wobei sich der verantwortliche Aktuar oder die verantwortliche Aktuarin regelmässig auf die Informationen von Spezialisten anderer Abteilungen im Unternehmen stützen und diese Informationen alsdann einer Plausibilitätsprüfung unterziehen wird. Bestehen Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Informationen, sind Rückfragen zu stellen oder andere unternehmensinterne Quellen zu konsultieren.

Im neuen Buchstaben b ist darüber hinaus die Pflicht des verantwortlichen Aktuars oder der verantwortlichen Aktuarin festgeschrieben zu prüfen, ob der Sollbetrag des gebundenen Vermögens den aufsichtsrechtlichen Vorschriften entspricht. Es wird hier von «Prüfung» gesprochen, da der verantwortliche Aktuar nicht die Kompetenz 8997

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hat, die tatsächliche Sicherstellung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen durchzusetzen. Diese Verantwortung liegt letztlich beim Verwaltungsrat, allfälligen Ausschüssen des Verwaltungsrates und bei der Geschäftsleitung des jeweiligen Versicherungsunternehmens.

Absatz 3bis Damit der verantwortliche Aktuar oder die verantwortliche Aktuarin die Verantwortung gebührend wahrnehmen kann, ist neu vorgesehen, dass er oder sie auf eigenes Verlangen direkten Zugang zum Verwaltungsrat haben muss. Dies soll ihm oder ihr ermöglichen, bei festgestellten Unzulänglichkeiten adäquat reagieren und an die höchsten Entscheidungsträger im Unternehmen gelangen zu können. Die Art des Zugangs ist dabei von den einzelnen Unternehmen selber zu regeln; denkbar sind sowohl die Möglichkeit zu informellen Gesprächen als auch Traktandierung an der nächsten Verwaltungsratssitzung oder nächsten Sitzung eines entsprechenden Ausschusses des Verwaltungsrates.

Art. 25 Abs. 3, 5 und 6 Absatz 3 Der geltende Absatz 3 legt die Berichterstattungstermine für Erst- und Rückversicherer unterschiedlich fest (Erstversicherer 30. April / Rückversicherer 30. Juni).

Die unterschiedlichen Termine gehen auf eine (veraltete) Annahme zurück, dass die Rückversicherer ihre Bücher erst nach den Erstversicherern schliessen. Es gibt heute keine guten Gründe für diese Unterscheidung mehr. Gemäss Rz. 106 des FINMA-RS 16/2 «Offenlegung ­ Versicherer (Public Disclosure)» gilt der 30. April auch für die Offenlegung der Rückversicherer, sodass die Daten bereits dann vorliegen müssen.

Absatz 5 Der geltende Absatz enthält einen Verweis auf den bereits gestrichenen Artikel 48.

Dies wird mit der Anpassung korrigiert. Mit der Veröffentlichungspflicht überschneiden sich künftig Daten, welche die Versicherungsunternehmen veröffentlichen, mit Daten, welche die FINMA veröffentlichen muss. Da die Versicherungsunternehmen geprüfte Zahlen veröffentlichen, besteht ausserdem ein gewisses Risiko einer Inkonsistenz der Daten.

Mit der neuen Formulierung entsteht die Flexibilität, dass die Daten, die die FINMA veröffentlicht, mit den Daten, die die Versicherungsunternehmen veröffentlichen müssen, koordiniert werden können. Die FINMA kann weiterhin Daten veröffentlichen, wie bis anhin, zur Jahresberichterstattung oder zum Versicherungsmarkt und zur Transparenz. Dabei wird
das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Versicherten berücksichtigt.

Absatz 6 Formell kann der bisherige Absatz 6 aufgehoben werden. Sein Inhalt wird in Absatz 5 integriert. Absatz 6 erhält dafür einen neuen Regelungsinhalt. Die FINMA hat vor der Veröffentlichung von Daten zur Jahresberichterstattung, zum Versicherungsmarkt und zur Transparenz jeweils eine Abwägung der involvierten Interessen 8998

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der betroffenen Versicherungsunternehmen sowie der Versicherten und der Öffentlichkeit vorzunehmen.

Art. 27

Interne Überwachung der Geschäftstätigkeit

Der bisherige und nunmehr einzige Absatz 1 wird redaktionell angepasst: Die Bezeichnung Inspektorat für die interne Revisionsstelle ist heute nicht mehr gebräuchlich ist. Sie wird deshalb gestrichen.

Die geltende Regelung in Absatz 2 ist in dieser Breite nicht mehr angemessen und wird bereits nach bestehender FINMA-Praxis nur für Kleinstversicherer angewendet. Darum und weil die Äquivalenz-Anerkennung durch die EU nur unter der Bedingung erfolgt, dass auf diese Ausnahmeregelung verzichtet wird, wird und Absatz 2 gestrichen. Die interne Revision kann unter gewissen Bedingungen auch ausgelagert werden. Damit ist die Bedeutung einer Befreiung von der Pflicht, eine interne Revision zu bestellen, ohnehin eingeschränkt (vgl. FINMA-RS 17/2 «Corporate Governance ­ Versicherer», Rz. 53­56). Die vollständige oder teilweise Auslagerung der Aufgaben der internen Revision ist nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe j in Verbindung mit Artikel 5 genehmigungspflichtig. Die Äquivalenz mit dem Aufsichtsrecht der EU ist auch im Falle eines Outsourcings der internen Revision gegeben.

5a. Abschnitt: Versicherungsunternehmen, die professionelle Versicherungsnehmer versichern, und konzerninterne Direkt- und Rückversicherung Art. 30a

Versicherungsunternehmen, die professionelle Versicherungsnehmer versichern: Erleichterungen

Absatz 1 Die Bestimmung orientiert sich systematisch an Artikel 35 für Rückversicherungen und sieht für diese neu geschaffene Kategorie von Versicherungsunternehmen angemessene Erleichterungen vor. Zukünftig ist damit eine Kategorisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen möglich. Im Fokus steht dabei die Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmer der jeweiligen Versicherungsunternehmen.

Entsprechend sind auch die Bestimmungen über das Ombudswesen in den Artikeln 82­82i auf Versicherungsunternehmen, die ausschliesslich Verträge mit professionellen Versicherungsnehmern abschliessen, nicht anwendbar. Es soll künftig auch Erstversicherern möglich sein, von einer tieferen Regulierungs- und Aufsichtsintensität zu profitieren, sofern sie ausschliesslich Verträge mit professionellen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern abschliessen.

Absatz 2 Für die Definition von professionellen Versicherungsnehmern wird auf Artikel 98a Absatz 2 Buchstaben b­f des Versicherungsvertragsgesetzes vom 2. April 190822 (VVG) verwiesen, wie er vom Parlament in der Schlussabstimmung vom 19. Juni 22

SR 221.229.1

8999

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2020 verabschiedet wurde23. Die Definition von professionellen Versicherungsnehmern im VVG und im VAG ist also weitgehend, aber nicht ganz deckungsgleich.

Anders als im VVG sollen im VAG (1) Vorsorgeeinrichtungen und Einrichtungen, die der beruflichen Vorsorge dienen (Art. 98a Abs. 2 Bst. a VVG), sowie (2) Unternehmen, nur weil sie bestimmte Grössen überschreiten (Art. 98a Abs. 2 Bst. g VVG), nicht als professionelle Versicherungsnehmer gelten.

Was Vorsorgeeinrichtungen und Einrichtungen, die der beruflichen Vorsorge dienen, betrifft, so sollen sie dem besonderen Schutzbedürfnis des Vorsorgevermögens der Versicherten entsprechend nach VAG nicht als professionelle Versicherungsnehmer gelten (und entsprechend auch nach Abs. 4 weiterhin von einem gebundenen Vermögen profitieren können).

Die im VAG gegenüber dem VVG spezifischere Regelung bei Unternehmen rechtfertigt sich, da es im Anwendungsbereich des VAG darum geht, dass die professionelle Gegenpartei aufgrund ihres Wissens ihre Gegenpartei aus einer Risikosicht einschätzen kann (Kreditrisiko etc.). Daher muss die professionelle Gegenpartei nach VAG über ein professionelles Risikomanagement verfügen. Diese Risikosicht ist dem VVG, welches die vertragliche Beziehung zwischen den Parteien regelt, nicht gleichermassen inhärent. Die Risikosicht dürfte sich dort primär auf operationelle und insbesondere rechtliche Risiken beschränken. Im Ergebnis sollen im Anwendungsbereich des VAG nur Unternehmen mit professionellem Risikomanagement (vgl. Art. 98a Abs. 2 Bst. f, nicht aber Bst. g VVG) als professionelle Versicherungsnehmer gelten, da nur sie in der Lage sind, eine fundierte Risikoabschätzung zu machen (und deshalb auf ein gebundenes Vermögen verzichten können).

Absatz 3 Zentral ist, dass die Anforderungen nur so weit reduziert werden, als das Geschäft mit professionellen Gegenparteien betroffen ist. Dies wird in Absatz 3 klargestellt.

Für das übrige Geschäft sind die strengeren Vorschriften relevant. Es gilt auch das Prinzip, wonach der institutionelle Rahmen durch das Geschäft mit dem höchsten Schutzniveau (Geschäft mit nicht professionellen Gegenparteien) vorgegeben wird, zum Beispiel in Bezug auf allgemeine Aufsichtsinstrumente.

Absatz 4 Hier wird klargestellt, dass die in Absatz 1 gemachten Ausnahmen nicht greifen, wenn aus Versicherungsverträgen
mit professionellen Versicherungsnehmern Ansprüche aus Pflichtversicherungen zugunsten nicht professioneller Personen resultieren könnten. Hier ist namentlich an gesetzliche oder vertragliche Anspruchsberechtigungen aus Kollektiv-Verträgen oder bei Haftpflichtversicherungen zu denken. Zu erwähnen ist hier insbesondere der unmittelbare Anspruch der geschädigten Person gegen den Motorfahrzeughaftpflichtversicherer gemäss Artikel 65 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 195824 (SVG). Nicht professionelle Anspruchsberechtigte aus solchen Verträgen haben prinzipiell denselben Versichertenschutz verdient (z. B. durch das gebundene Vermögen) wie nicht professionelle Versiche23 24

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9000

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rungsnehmerinnen und -nehmer. Dies soll aber nur so weit gehen, als Pflichtversicherungen betroffen sind. In jedem Fall ein gebundenes Vermögen zu stellen ist darüber hinaus bei der Versicherung sämtlicher Risiken aus der beruflichen Vorsorge.

Art. 30b

Versicherungsunternehmen, die professionelle Versicherungsnehmer versichern: Abklärungs- und Dokumentationspflicht

Mit dieser neuen Bestimmung wird das Versicherungsunternehmen verpflichtet, sich vor einem erstmaligen Vertragsabschluss über den Status seines potenziellen Versicherungsnehmers oder seiner potenziellen Versicherungsnehmerin ­ professionell oder nicht professionell ­ zu orientieren und eine entsprechende Dokumentation anzulegen. Gegebenenfalls und namentlich dort, wo die Professionalität der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers nicht zum Vorneherein offensichtlich ist, sind vertiefte Abklärungen geboten, und zwar in beiderseitigem Interesse.

Die FINMA ihrerseits erhält damit die Möglichkeit, zum Beispiel anlässlich quervergleichender Vor-Ort-Kontrollen zu überprüfen, ob die Versicherungsunternehmen den Begriff der Professionalität der Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer einheitlich auslegen und handhaben.

Art. 30c

Versicherungsunternehmen, die professionelle Versicherungsnehmer versichern: Informationspflicht

Mit Aufnahme dieses neuen Artikels werden die berechtigten Interessen der potenziellen Versicherungsnehmerinnen und -nehmer gewahrt, indem das Versicherungsunternehmen diese vor Vertragsschluss darüber informieren muss, dass sie als professionelle Versicherungsnehmerinnen oder -nehmer gelten. Dadurch erfahren die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer namentlich, dass für ihre Ansprüche kein gebundenes Vermögen bestellt sein wird. Dies kann sie allenfalls dazu veranlassen, mit dem Versicherer in Verhandlung zu treten über die Stellung eines Ersatzes (collateral o. ä.) oder über anderweitige vertragliche Kompensationsmassnahmen.

Art. 30d

Konzerninterne Direkt- und Rückversicherung

Mit dem neuen Artikel 30d ist eine weitreichende Deregulierung verbunden. Im geltenden Recht gelten Direktversicherungscaptives als «normale» Sachversicherer, die gebundenes Vermögen stellen müssen. Die Bestimmung gilt auch für die konzerninterne Rückversicherung.

Absatz 1 ist dem analogen Absatz in Artikel 30a nachgebildet und verfolgt auch dieselbe Ratio Legis: Zukünftig ist damit eine Kategorisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen möglich. Im Fokus steht dabei die Schutzbedürftigkeit der Versicherungsnehmerinnen und ­nehmer der jeweiligen Versicherungsunternehmen.

Entsprechend sind auch die Bestimmungen über das Ombudswesen in den Artikeln 82­82i auf Versicherungsunternehmen, welche die konzerninterne Direkt- oder Rückversicherung betreiben, nicht anwendbar. Es soll künftig auch konzerninternen Direktversicherungscaptives möglich sein, von einer tieferen Regulierungs- und Aufsichtsintensität zu profitieren, sofern sie ausschliesslich die konzerninterne

9001

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Direktversicherung betreiben. Analoges gilt entsprechend für konzerninterne Rückversicherungscaptives.

Die Definition der Captive gemäss neuem Absatz 2 ist an Artikel 13 Ziffern 2 und 5 EU-Richtlinie zur Solvabilität II angelehnt. Allerdings ist die vorliegende CaptiveDefinition in einem Punkt grosszügiger, verlangt die EU doch, dass ausschliesslich Konzernrisiken versichert werden. Die vorliegende Bestimmung lässt es demgegenüber zu, dass in bescheidenem Umfang auch konzernfremde Risiken versichert werden. Versichert eine Captive auch konzernfremde Risiken, so profitiert sie jedoch nicht in demselben Ausmass von Erleichterungen wie die «reine» Captive.

Absatz 3 ist den analogen Regelungen in den Artikeln 30a und 35 nachgebildet.

Eine Captive darf mithin zwar Drittgeschäft betreiben; die e contrario aus dem neuen Artikel 30d zu ziehende Konsequenz ist dann aber, dass sie für dieses Drittgeschäft alle Voraussetzungen erfüllen muss wie jeder andere Direkt- oder Rückversicherer auch. Das heisst, sie muss alle aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllen wie ein Direktversicherer mit nicht-professionellen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern, oder sie kann von Artikel 30a profitieren, wenn dieses Drittgeschäft ein sog. «Wholesale»-Geschäft ist. Sofern der Anspruchsberechtigte aus den Versicherungsverträgen also ein nicht-professioneller Dritter ist (z. B. Versicherter aus Kollektiv-Vertrag, Geschädigter aus haftpflichtversicherter Handlung), dann soll er über denselben Versichertenschutz verfügen können wie jeder nicht-professionelle Versicherungsnehmer. Die Captives dürfen damit zwar Versicherungsgeschäfte betreiben, aus denen nicht-professionelle Anspruchsberechtigte resultieren können, sie werden dann aber für dieses Geschäft dem vollen Regime des VAG unterstellt. Der Captive bleibt es sodann selbst überlassen zu entscheiden, ob sie angesichts dieser Konsequenz drittrelevantes Geschäft betreiben will, und die Regulierung bleibt so auf jeden Fall konform zum Aufsichtsregime der EU.

Art. 35

Rückversicherung

Versicherungsunternehmen, welche ausschliesslich die Rückversicherung betreiben, geniessen heute das liberalste Aufsichtsregime aller Versicherungsunternehmen.

Durch die neue Regelung in Artikel 30a für Versicherungsunternehmen, welche ausschliesslich Verträge mit professionellen Versicherungsnehmern abschliessen, werden für diese weitergehende Erleichterungen eingeführt. Mit den Änderungen in Absatz 1 und der Neuformulierung von Absatz 2 werden diese Erleichterungen, spiegelbildlich zu denjenigen nach Artikel 30a, auch für Rückversicherungen gewährt, was sachgerecht erscheint. Entsprechend sind auch die Bestimmungen über das Ombudswesen in den Artikeln 82­82i auf Versicherungsunternehmen, welche ausschliesslich die Rückversicherung betreiben, nicht anwendbar.

Absätze 1 und 2 Die bereits bestehende Formulierung «Versicherungsunternehmen, die ausschliesslich die Rückversicherung betreiben» ist bewusst gewählt. Einerseits geniessen Rückversicherer das liberalste Regime und andererseits wird mit «ausschliesslich» klar, dass die Ausnahmebestimmungen nur dann gelten, wenn das Versicherungsunternehmen einzig das Rückversicherungsgeschäft betreibt.

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Neu in die Ausnahmebestimmungen eingefügt ist Artikel 10 (Organisationsfonds).

Ein solcher Fonds wird nicht mehr verlangt.

Zu beachten bleibt, dass trotzdem weiterhin jegliche Verletzung des Aufsichtsrechts sowie sonstige Gefährdungen von Versicherteninteressen von den übrigen Aufgaben der FINMA gemäss Artikel 46 erfasst und in Verbindung mit Artikel 51 ff. sowie dem Massnahmeninstrumentarium des FINMAG angegangen werden können.

Absatz 2 stellt klar, was heute schon bestehende Praxis ist: Namentlich müssen die gemischten Versicherer den Rückversicherungsteil weiterhin nicht mit einem gebundenen Vermögen sicherstellen.

Es versteht sich, dass Rückversicherungscaptives ebenfalls in die Kategorie der Versicherungsunternehmen fallen, welche ausschliesslich die Rückversicherung betreiben.

7. Abschnitt: Qualifizierte Lebensversicherungen Art. 39a

Begriff

Als «qualifizierte Lebensversicherungen» sollen, entsprechend dem im Rahmen der parlamentarischen Beratung des FIDLEG geäusserten Willen des Gesetzgebers, diejenigen Versicherungsprodukte gelten, die den Charakter von Anlageprodukten haben und die entsprechenden Vorschriften zum Schutz der Anlegerin oder des Anlegers unterstehen sollen. Damit wird ein level playing field zu den im FIDLEG geregelten Anlageprodukten ausserhalb des Versicherungsbereichs hergestellt, was im Übrigen auch dem international üblichen Standard eines integren Finanzplatzes entspricht.

Massgebendes Kriterium für die Unterstellung von Versicherungsprodukten unter die vorliegenden Schutzbestimmungen ist, dass die Versicherungsnehmerin oder der Versicherungsnehmer im Sparprozess ein Verlustrisiko und damit ein Anlagerisiko trägt. Ein Verlustrisiko liegt dann vor, wenn aufgrund von Marktschwankungen der (Bar-)Wert des Sparteils einer Versicherung im Zeitpunkt der regulären Auszahlung oder Umwandlung tiefer als die nominelle Summe der geleisteten Sparprämien sein kann. Produkte mit einer Überschussbeteiligung als einzigem Produktebestandteil mit möglichem Anlagecharakter gelten nicht als qualifizierte Lebensversicherungen, da kein Verlustrisiko im Sinne der obigen Definition vorliegt. Es rechtfertigt sich daher, diese Produkte nicht in den Anwendungsbereich der Artikel 39a ff. aufzunehmen. Das Versicherungsunternehmen hat die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer allerdings klar darauf hinzuweisen, dass die Überschussbeteiligung ­ je nach Geschäftsergebnis des Versicherungsunternehmens ­ auch null sein kann.

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Unter den Begriff «qualifizierte Lebensversicherung» fallen ferner auch Kapitalisations- und Tontinengeschäfte. Ein Kapitalisationsgeschäft (Versicherungszweig A625) ist eine vertragliche Vereinbarung ohne minimales biometrisches Risiko zwischen einem Lebensversicherungsunternehmen und einer Versicherungsnehmerin oder einem Versicherungsnehmer betreffend die Übernahme von Vermögenswerten und deren Bewirtschaftung nach einem mathematischen Verfahren.

Diese Vereinbarung endet an einem vereinbarten Zeitpunkt oder beim Tod der versicherten Person. Das Versicherungsunternehmen trägt dabei also kein biometrisches Risiko; Kapitalisationsgeschäfte beinhalten aber in der Regel für die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer ein Anlagerisiko. Es ist deshalb gerechtfertigt, eine solche Vereinbarung als «qualifizierte Lebensversicherungen» zu behandeln und entsprechend ein Basisinformationsblatt, Informationspflichten und die Angemessenheitsprüfung vorzuschreiben. Tontinengeschäfte (Versicherungszweig A725) sind Verträge, die vorsehen, dass einbezahlte Beträge der versicherten Personen gemeinsam kapitalisiert werden, und die regeln, wie das so gebildete Vermögen auf die Überlebenden oder die Rechtsnachfolger der Verstorbenen verteilt wird. Das versicherte Risiko an sich wird dabei nicht vom Versicherungsunternehmen, sondern von der Gemeinschaft der Versicherten selber getragen. Weiter trägt die Gemeinschaft der Versicherten auch ein Anlagerisiko, da die einbezahlten Beiträge entsprechend angelegt werden sollen. Dieser überwiegende Kapitalmarktbezug rechtfertigt es, Tontinengeschäfte ebenfalls als «qualifizierte Lebensversicherungen» zu behandeln und damit ein Basisinformationsblatt, Informationspflichten und die Angemessenheitsprüfung vorzuschreiben.

Art. 39b

Basisinformationsblatt für qualifizierte Lebensversicherungen

Absatz 1 Die Pflicht, ein Basisinformationsblatt (BIB) zu erstellen, trifft das Versicherungsunternehmen, das eine qualifizierte Lebensversicherung anbietet. Im Versicherungsbereich ist es nicht sinnvoll, wie im FIDLEG (Art. 58 FIDLEG) den Ersteller des Finanzinstruments in die Pflicht zu nehmen, da es wohl kaum vorkommt, dass ein Versicherungsunternehmen fremde Lebensversicherungen verkauft.

Absatz 2 Die Bestimmung ist Artikel 59 Absatz 2 FIDLEG nachgebildet. Auch im Versicherungsbereich sollen Dokumente nach ausländischem Recht, die dem BIB gleichwertig sind, anstelle des BIB nach VAG verwendet werden. Entsprechend muss diesfalls nicht noch ein BIB nach VAG erstellt werden. Der Bundesrat wird die Gleichwertigkeit ausländischer Dokumente mit dem BIB regeln (vgl. Art. 39f E-VAG).

Absatz 3 In Anlehnung an Artikel 58 Absatz 3 FIDLEG wird hier ausdrücklich zugelassen, dass die Erstellung des BIB einem qualifizierten Dritten übertragen werden kann.

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Vgl. Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe k VAG i.V.m Artikel 3 Absatz 1 AVO sowie Anhang 1 AVO.

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Absatz 4 Die Bestimmung hinsichtlich des Umgangs mit indikativen Angaben ist Artikel 58 Absatz 4 FIDLEG nachgebildet.

Art. 39c

Inhalt des Basisinformationsblatts

Absätze 1 und 2 Die Bestimmung ist Artikel 60 FIDLEG nachgebildet. Das BIB muss alle Angaben enthalten, die wesentlich sind, damit die Versicherungsnehmerin oder der Versicherungsnehmer gleichartige qualifizierte Lebensversicherungen miteinander vergleichen kann. Aufgrund des besonderen Charakters von qualifizierten Lebensversicherungen muss kein Vergleich mit Finanzinstrumenten ausserhalb des Versicherungsbereichs möglich sein. Anzugeben sind etwa der Name der qualifizierten Lebensversicherung und die Identität des Versicherungsunternehmens, das sie anbietet, das Risiko- und Renditeprofil der qualifizierten Lebensversicherung unter Angabe des höchsten Verlusts, der den Versicherungsnehmerinnen und -nehmern auf dem angelegten Kapital droht, sowie die Kosten der qualifizierten Lebensversicherung.

Der Bundesrat wird den genauen Inhalt des BIB gestützt auf Artikel 39f E-VAG in der AVO umschreiben. Dabei ist davon auszugehen, dass er analog der Regelung in der FIDLEV auch eine Mustervorlage vorgeben wird.

Absatz 3 Die Regelung enthält Vorgaben für den Fall, in dem das in der qualifizierten Lebensversicherung enthaltene Anlageprodukt ein Finanzinstrument nach FIDLEG ist.

Diesfalls sind die wesentlichen Angaben zum betreffenden Finanzinstrument in das BIB nach VAG aufzunehmen, oder es kann auf ein allenfalls bestehendes BIB nach FIDLEG verwiesen werden. Sofern das Basisinformationsblatt für das Finanzinstrument nach FIDLEG zur Verfügung steht, kann auf dieses verwiesen werden.

Dies gilt auch für Dokumente nach ausländischem Recht, die dem Basisinformationsblatt nach Artikel 59 Absatz 2 FIDLEG gleichwertig sind.

Art. 39d

Anforderungen

Die Bestimmung entspricht Artikel 61 FIDLEG. Damit das BIB seinen Zweck erfüllen kann, wird vorausgesetzt, dass es leicht verständlich ist. Dessen Umfang, Sprache und Gestaltung wird der Bundesrat näher bestimmen (vgl. Art. 39f Bst. b E-VAG).

Art. 39e

Anpassungen

Die Bestimmung ist Artikel 62 FIDLEG nachgebildet. Der Bundesrat wird die Periodizität der Überprüfung näher bestimmen (vgl. Art. 91 Abs. 1 FIDLEV).

Art. 39f

Ergänzende Bestimmungen

Der Bundesrat wird, wie auch im Bereich des FIDLEG (vgl. Art. 63 FIDLEG), auf Verordnungsstufe ergänzende Bestimmungen zum BIB erlassen und insbesondere 9005

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dessen Inhalt, Umfang, Sprache, Gestaltung, die Modalitäten der Bereitstellung und die Gleichwertigkeit ausländischer Dokumente mit dem BIB regeln.

Art. 39g

Haftung

Die Bestimmung ist Artikel 69 Absatz 1 FIDLEG nachgebildet.

Art. 39h

Informationspflichten bei der Empfehlung von qualifizierten Lebensversicherungen

Die Pflicht, ein BIB zur Verfügung zu stellen, tritt zu den allgemeinen vorvertraglichen Informationspflichten beim Vertrieb von Versicherungen, insbesondere nach den Artikeln 3 VVG und 45 VAG, hinzu.

Versicherungsunternehmen haben bei der Empfehlung von qualifizierten Lebensversicherungen nach Absatz 2 offenzulegen, wenn ihnen im Zusammenhang mit dem betroffenen Versicherungsprodukt Entschädigungen Dritter zufliessen. Dabei ist etwa an den Fall einer fondsgebundenen Lebensversicherung zu denken, bei welcher dem Versicherungsunternehmen vom Fondsanbieter eine Vertriebsentschädigung oder Bestandeskommission entrichtet wird. Nicht erfasst von dieser Bestimmung sind Entschädigungen, die an Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler fliessen.

Die Offenlegung der Entschädigung ungebundener Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler ist in Artikel 45b E-VAG geregelt.

Art. 39i

Werbung

Die Bestimmung übernimmt die für Finanzdienstleister allgemein geltende Regelung von Artikel 68 FIDLEG.

Art. 39j

Angemessenheitsprüfung für qualifizierte Lebensversicherungen

Diese Regelungen orientieren sich an denjenigen, die hinsichtlich Prüfung der Angemessenheit und Eignung im Bereich der Finanzdienstleistungen gelten (Art. 10­14 FIDLEG). Es handelt sich gleich wie im FIDLEG um Pflichten, die sich schon heute grundsätzlich aus den allgemeinen gegenseitigen Rechten und Pflichten nach Treu und Glauben in einem Dienstleistungsvertrag ergeben. Sie sollen hier aus Gründen der im Interesse aller liegenden Rechtssicherheit konkretisiert werden. In Absatz 4 wird analog zum FIDLEG geregelt, dass keine Angemessenheitsprüfung nötig ist, wenn der Abschluss einer qualifizierten Lebensversicherung auf Veranlassung der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers und ohne persönliche Beratung erfolgt (sog. execution only).

Art. 39k

Dokumentation und Rechenschaft für qualifizierte Lebensversicherungen

Auch die hier festgehaltenen Regeln ergeben sich aus allgemein anerkannten vertragsrechtlichen Grundsätzen, wie sie im FIDLEG für die Finanzdienstleister konkretisiert worden sind (Art. 15 und 16 FIDLEG). Es erscheint selbstverständlich, dass die Kundenbeziehung dokumentiert werden soll (was mit den heutigen elektro9006

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nischen Mitteln einfach und effizient geschehen kann). Eine saubere Dokumentation hilft auch dem Versicherungsunternehmen bei Beweisschwierigkeiten bei einer allfälligen Streitigkeit mit der Versicherungsnehmerin oder dem Versicherungsnehmer. Auch die Pflicht, über die Dokumentation und über erbrachte Dienstleistungen Rechenschaft abzulegen, gehört heute zu einem allgemein anerkannten Standard.

Art. 40

Definition

Das Aufsichtsrecht teilt die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler in ungebundene und gebundene ein. Die heute geltende Regelung definiert einerseits in Artikel 43 Absatz 1 (Registereintrag) die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler und präzisiert andererseits im Artikel 183 AVO (Eintragungspflicht) die Kriterien der gebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler.

Die Begriffe der ungebundenen Versicherungsvermittlerin und des ungebundenen Versicherungsvermittlers und der gebundenen Versicherungsvermittlerin und des gebundenen Versicherungsvermittlers werden neu in den Absätzen 2 und 3 definiert.

Klar hervorgestrichen wird dabei, dass ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler in einem Treueverhältnis zu den Versicherungsnehmerinnen und -nehmern stehen und in deren Interesse handeln. Alle übrigen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler gelten entsprechend nicht als ungebunden. Dabei ist hier vor allem an die Fälle zu denken, in denen eine Versicherungsvermittlerin oder ein -vermittler als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer oder als Agentin oder Agent in einem Treueverhältnis zu einem Versicherungsunternehmen steht. Welche Tätigkeiten im konkreten Fall als Versicherungsvermittlung im Sinne von Artikel 40 Absatz 1 qualifiziert werden und welche Hilfstätigkeiten in diesem Bereich noch nicht unter diesen Begriff fallen, soll weiterhin von den Umständen im Einzelfall abhängen.

Art. 41

Registrierungspflicht und Registrierungsvoraussetzungen

Nach heutigem Recht müssen sich ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler in einem zentralen Register bei der FINMA eintragen lassen. Gebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler müssen dies nicht, sie sind aber berechtigt, sich im Register eintragen zu lassen (Art. 43 Abs. 2). Für die Aufnahme ins Register bestehen persönliche, fachliche und finanzielle Erfordernisse (Art. 44). Die Erfüllung dieser Voraussetzungen sowie die Einhaltung der für die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler nach Artikel 45 geltenden Informationspflichten werden laufend durch die FINMA überprüft. Durch die Registrierung fallen ungebundene und registrierte gebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler unter Artikel 3 FINMAG und gelten als Beaufsichtigte.

Der bisherige Artikel 44 wird nun in einen neuen Artikel 41 verschoben und inhaltlich ergänzt. Er regelt neu explizit die Registrierungspflicht und die Registrierungsvoraussetzungen für ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler.

Die gebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler können sich nicht mehr in das Register eintragen lassen, es sei denn, sie können den Nachweis erbringen, dass sie eine Tätigkeit im Ausland aufnehmen wollen, für die vom jeweiligen

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Staat ein Registereintrag in der Schweiz verlangt wird (siehe Art. 42 Abs. 4 sogleich).

Diese Änderung zum heute geltenden Recht setzt konsequent die in Artikel 40 neu eingeführte Interessensphärenzuteilung mit ihrer klaren Trennung zwischen der ungebundenen und der gebundenen Vermittlung um. Ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler stehen in einem Treueverhältnis zu den Versicherten und handeln in deren Interesse. Hier rechtfertigt es sich im Sinne eines wirksamen Konsumentenschutzes, dass die FINMA eine entsprechende Aufsicht zielgerichtet wahrnehmen kann. Die FINMA hat im Rahmen dieser gesetzlichen Anpassungen auch klar signalisiert, dass sie die Aufsicht über die ungebundene Vermittlung personell ausbauen wird, um die Erwartungen, die an ihre Funktion gegenüber Beaufsichtigten bestehen, auch tatsächlich erfüllen zu können.

Die übrigen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler stehen in einem offen dargelegten und erkennbaren Treueverhältnis zu ihren Arbeitgebern, welche in den allermeisten Fällen Versicherungsunternehmen sind. Diese gebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler kann die FINMA indirekt und effektiv via die Versicherungsunternehmen beaufsichtigen. Ein Registereintrag ist dazu nicht notwendig.

Absatz 1 Die Bestimmung übernimmt die bereits heute in Artikel 43 statuierte Pflicht der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, sich in das Register der FINMA eintragen zu lassen. Gleichzeitig wird klargestellt, dass der Registereintrag eine Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit als ungebundene Versicherungsvermittlerin oder ungebundener Versicherungsvermittler darstellt. Dies soll der FINMA ermöglichen, bereits vor Markteintritt der einzelnen Akteure die Erfüllung der Tätigkeitsvoraussetzungen zu prüfen und allenfalls entsprechend reagieren zu können.

Absatz 2 Hier werden die Voraussetzungen für den Eintrag ins Register formuliert, wobei es Sache der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler ist, den entsprechenden Nachweis über deren Erfüllung zu erbringen. Dieser Absatz übernimmt den Regelungsinhalt des bisherigen Artikels 44 (fachliche Kenntnisse und Berufshaftpflichtversicherung, Bst. c und d), welcher entsprechend aufgehoben wird. Neu aufgenommen werden die Voraussetzungen des guten Rufs und der Gewähr für die
Erfüllung der Pflichten nach dem VAG (Bst. b), was dem heutigen Standard für die Zulassung zur Tätigkeit auf dem Finanzmarkt entspricht (vgl. dazu beispielsweise Art. 11 FINIG). Aufgrund der umfangreichen Ressourcen, welche für die Durchsetzung der für Versicherungsunternehmen geltenden umfassenden Gewährsnorm von Artikel 14 notwendig sind, wird die Gewähr für die Vermittleraufsicht eingeschränkt auf die «Gewähr für die Erfüllung der Pflichten nach diesem Gesetz».

In Buchstabe a wird sodann für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler das Erfordernis eines Sitzes, Wohnsitzes oder einer Niederlassung in der Schweiz festgeschrieben, was im Hinblick auf eine wirksame Aufsicht der FINMA unerlässlich erscheint und der FINMA die Möglichkeit geben soll, ihre Aufsichtsin9008

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strumente anzuwenden und durchzusetzen . Zu guter Letzt wird der Nachweis des Anschlusses an eine Ombudsstelle verlangt, welche selber neu in das VAG aufgenommen wird (Bst. e).

Absatz 3 In diesem Absatz werden Ausschlussgründe für die Eintragung ins Register aufgeführt. Demnach wird nicht ins Register eingetragen, wer den strafbewehrten aufsichtsrechtlichen Vorgaben des VAG vorsätzlich zuwiderhandelt und einen entsprechenden Strafregisterauszug vorweist oder wer wegen einer strafbaren Handlung gegen das Vermögen im Sinne des Strafgesetzbuches (StGB) einen Strafregistereintrag vorzuweisen hat (Bst. a). Ferner darf kein Tätigkeits- oder Berufsverbot gemäss FINMAG gegen die Gesuchstellerin oder den Gesuchsteller vorliegen (Bst. b).

Absatz 4 Der Bundesrat legt wie bisher die Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung sowie die Mindesthöhe der finanziellen Sicherheiten fest. Er kann die FINMA zur Regelung der technischen Einzelheiten ermächtigen.

Art. 42

Register

Die FINMA führt wie bisher das Register der von ihr direkt beaufsichtigten ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler. Gleichzeitig wird mit der Ergänzung in Absatz 1 einschränkend klargestellt, dass die gebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sich nicht mehr in das Register eintragen können, auch nicht auf freiwilliger Basis. Allerdings kann die FINMA der Registerpflicht nicht unterstehende Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler ins Register aufnehmen, wenn diese nachweisen, dass sie eine Tätigkeit aufnehmen wollen, für die vom jeweiligen Staat ein Registereintrag in der Schweiz verlangt wird. Zu denken ist hier konkret an Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, welche im Fürstentum Liechtenstein tätig sind oder werden wollen (Abs. 4). Sofern sie es als sachgerecht erachtet, kann die FINMA gestützt auf die Ermächtigung im zweiten Satz von Absatz 1 die Registerführung in Bereichen untergeordneter Bedeutung Dritten übertragen. Zu denken ist an die ergänzende Registerführung zum Nachweis der Aus- und Weiterbildung der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler (vgl. Art. 43).

Der Branche ist es unbenommen, darüber hinaus ein eigenes Register über alle Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler zu führen respektive ein bereits vorhandenes Register entsprechend auszubauen (bspw. Cicero). Die FINMA wird dementsprechend in Absatz 3 dazu ermächtigt, die im Register geführten Angaben Dritten weiterzugeben oder im Abrufverfahren zugänglich zu machen, sodass beispielsweise mittels einer Schnittstelle auf die Daten des Registers der FINMA zugegriffen werden kann.

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Art. 43

Aus- und Weiterbildung

Absatz 1 Der neue Artikel 43 ist weitgehend identisch mit Artikel 6 FIDLEG, wie er in der Botschaft des Bundesrates vorgesehen war. Das Erfordernis, über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zu verfügen, erfasst sämtliche Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, sowohl die ungebundenen als auch die gebundenen. Für die ungebundenen sind die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse darüber hinaus eine der Voraussetzungen zur Eintragung ins Register gemäss den Artikeln 41 und 42. Mit der Klarstellung, dass sämtliche Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler über die für ihre Tätigkeit notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen müssen, ergibt sich zwangsläufig, dass bezüglich dieser Anforderungen nicht unter den heutigen Stand, wie er in der AVO definiert ist, zurückgegangen werden soll.

Absätze 2 und 3 Die Anforderungen an eine angemessene Aus- und Weiterbildung der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sind nur dann wirksam, wenn sie sich an einem Mindeststandard ausrichten. Absatz 2 fordert die Einführung eines solchen Qualitätsmassstabs für die Fähigkeiten und Kenntnisse, welche die genannten Personen für ihre Tätigkeit benötigen.

Die Mindeststandards haben nebst Grundanforderungen, welche alle Vermittlerinnen und Vermittler erfüllen müssen, auch die besonderen Erfordernisse an die Ausund Weiterbildung zu berücksichtigen, die sich aus den verschiedenen Versicherungszweigen ergeben. Jemand, der nur Haftpflichtversicherungen vermittelt, wird andere Anforderungen erfüllen müssen, als derjenige, der Lebensversicherungen vermittelt. Weiter sind die Mindeststandards auch laufend an neue Entwicklungen auf dem Markt anzupassen. Um diese Voraussetzungen zu gewährleisten, ist in erster Linie die Versicherungsbranche selbst zur Ausarbeitung der Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung ihrer Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler aufgefordert. Die Branchenverbände haben im Rahmen der Ausarbeitung dieser Gesetzesrevision denn auch schon angekündigt, dass sie gemeinsam solche Standards ausarbeiten wollen. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, wird die FINMA diese Standards dann auch als branchenweit geltende Mindeststandards anerkennen können (vgl. Art. 7 Abs. 3 FINMAG).

Es wird bei der durch die vorliegende Gesetzesänderung notwendige Anpassung der AVO zu bestimmen sein,
ob und inwieweit die heutigen Bestimmungen in der AVO zu den fachlichen Voraussetzungen (Art. 184 AVO) zu überarbeiten sind. Auf jeden Fall wird der Bundesrat nach dem hier besprochenen Absatz 3 nur dann eine weitere Konkretisierung der Anforderungen vornehmen, wenn die Finanzdienstleister keine oder ungenügende Standards an die Aus- und Weiterbildung statuieren.

Art. 44

Unzulässige Tätigkeiten

Das schon im heutigen Recht in Artikel 41 (neu Abs. 1 Bst. a) statuierte Verbot, dass Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler nicht für Versicherungsunternehmen oder andere Personen tätig sein dürfen, die zwar dem VAG unterstehen, aber nicht 9010

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zur Ausübung der Versicherungstätigkeit ermächtigt sind, soll nach Absatz 2 in Zukunft sinngemäss und umgekehrt auch auf Versicherungsunternehmen Anwendung finden. Zur Klarstellung wird im Tatbestand neu auf das Fehlen einer nach diesem Gesetz notwendigen Bewilligung abgestellt.

Hierzu sei angemerkt, dass die Vermittlung für Versicherungsunternehmen des kantonalen öffentlichen Rechts nicht unter das VAG fällt, da diese Unternehmen selber nicht unter dieses Gesetz fallen (vgl. die Erwägungen vorstehend unter Ziffer. 4.1.5) und von daher auch keiner Bewilligung nach diesem Gesetz bedürfen.

Im Weiteren wird neu in Absatz 1 Buchstabe b zum Schutz der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer vor Interessenkonflikten ausdrücklich festgehalten, dass Versicherungsvermittlerinnen oder -vermittler nicht gleichzeitig als gebundene und als ungebundene Versicherungsvermittlerinnen oder -vermittler tätig sein dürfen.

Art. 45

Informationspflicht

Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler müssen ihre Versicherungsnehmerinnen und -nehmer über sich selber, den Datenschutz und die Möglichkeit zur Einleitung eines Vermittlungsverfahrens informieren. Diese Informationen sind insbesondere in der Vertragsanbahnung von Bedeutung. Sie sind möglichst einfach und gut verständlich zu formulieren und haben so zu erfolgen, dass sie weder missverständlich noch verwirrend sind. Die Verständlichkeit bemisst sich an einem durchschnittlichen Empfänger.

Absatz 1 Wie schon im geltenden Recht (vgl. Abs. 1 Bst. a) gehören zur allgemeinen Informationspflicht Angaben zu Name und Adresse (Bst. a) sowie darüber, ob die Vermittlung gebunden oder ungebunden erfolgt (Bst. b). Erfolgt die Vermittlung im Auftrag eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen, so umfasst die Informationspflicht zudem die Angabe von deren Name und Adresse. Diese Pflicht entspricht inhaltlich der bisherigen Informationspflicht gemäss Absatz 1 Buchstabe c. Zusätzlich dazu haben Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler ihre Versicherungsnehmerinnen und -nehmer darauf aufmerksam zu machen, wie sich diese über den Stand ihrer Aus- und Weiterbildung gemäss Artikel 43 informieren können (Bst. c).

Unverändert zur Regelung im geltenden Recht (Bst. d) hat die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler zudem eine verantwortliche Person zu bezeichnen, die im Schadenfall, namentlich bei unrichtigen Auskünften, Fehlern und Nachlässigkeiten, haftet. Ergänzend kommt ­ entsprechend den Informationspflichten für Finanzdienstleister nach Artikel 8 FIDLEG ­ neu die Pflicht dazu, die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer über die Möglichkeit zur Einleitung eines Vermittlungsverfahrens vor einer Ombudsstelle zu informieren (Bst. f). Schliesslich bleibt die Pflicht zur Information über die Bearbeitung der Personendaten (Bst. e) unverändert.

Absätze 2 und 3 Sie konkretisieren die bisher in Absatz 2 geregelten Vorgaben zur Abgabe der Informationen nach Absatz 1. Neu wird nicht mehr verlangt, dass die Informationen auf einem dauerhaften Träger abgegeben werden müssen, vielmehr können diese 9011

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auch in elektronischer Form gegeben werden, wobei klar ist, dass die Empfängerinnen und Empfänger die Möglichkeit haben müssen, die Informationen bei sich dauerhaft zu speichern. Sie sind ­ analog der für Versicherungsunternehmen geltenden Regelung gemäss Artikel 3 Absatz 2 VVG ­ den Versicherungsnehmerinnen und -nehmern so zu übergeben, dass diese sie kennen können, wenn sie den Versicherungsvertrag beantragen oder annehmen (Abs. 3).

Art. 45a

Vermeidung von Interessenkonflikten

Die in Artikel 14a E-VAG festgehaltene generelle Pflicht für Versicherungsunternehmen, Interessenkonflikte möglichst zu vermeiden, gilt bei der Vermittlung von Versicherungsdienstleistungen ebenfalls, sowohl für Versicherungsunternehmen im Direktvertrieb als auch für gebundene und ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler.

Hinsichtlich der Entgegennahme von Entschädigungen gilt für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler zusätzlich die Sonderbestimmung von Artikel 45b E-VAG.

Art. 45b

Offenlegung der Entschädigung

Die heute bei den ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern vorherrschende Vergütungsart folgt dem sogenannten Courtagesystem. Dabei erhalten die Vermittlerinnen und Vermittler pro abgeschlossenen Versicherungsvertrag vom Versicherungsunternehmen eine Courtage (oder Provision). Diese ist in der (Brutto-)Versicherungsprämie eingerechnet. Mit ihren Prämienzahlungen an das Versicherungsunternehmen finanzieren die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer daher indirekt auch das Honorar der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler.

Dem Courtagesystem ist ein Interessenkonflikt der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler inhärent. Diese sind wegen des Auftragsverhältnisses verpflichtet, die Interessen ihrer Versicherten gegenüber dem Versicherungsunternehmen wahrzunehmen. Gleichzeitig werden sie aber von diesem für ihre Vermittlungstätigkeit bezahlt. Diese Konstellation führt zu einem Konflikt zwischen dem Interesse der Versicherten an einem optimalen Vertrag und dem Interesse der ungebundenen Versicherungsvermittlerin oder des ungebundenen Versicherungsvermittlers an einer möglichst hohen Entschädigung.

Bei der Regelung von Artikel 45b E-VAG handelt es sich um eine öffentlichrechtliche (aufsichtsrechtliche) Pflicht, über die von Dritten erhaltene Entschädigung zu informieren und diese Entschädigung den Versicherungsnehmerinnen und -nehmern weiterzugeben. Artikel 45b ist nicht als Doppelnorm ausgestaltet, weshalb er keine unmittelbare Wirkung auf das Privatrechtsverhältnis zeitigt. Namentlich geht die Regelung von Artikel 45b den Ansprüchen aus Auftragsrecht nicht vor.

Hingegen können die aufsichtsrechtlichen Informationspflichten zur Konkretisierung der privatrechtlichen Verhältnisse durch das Zivilgericht beigezogen werden.

In diesem Sinne haben sie eine Ausstrahlungswirkung auf die zivilrechtliche Beziehung.

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Absatz 1 Es wird klargestellt, dass ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler die Versicherten ausdrücklich über sämtliche Entschädigungen informieren müssen, die sie von Dritten (beispielsweise Versicherungsunternehmen) im Zusammenhang mit der Erbringungen ihrer Dienstleistung erhalten.

Absatz 2 Ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, die ­ nebst der genannten Entschädigung ­ aus dem Auftragsverhältnis mit den Versicherten von diesen eine Vergütung erhalten, dürfen die Entschädigungen von Versicherungsunternehmen oder sonstigen Dritten nur behalten, wenn sie (1) die Versicherten vorgängig ausdrücklich über diese Entschädigungen informiert haben und (2) die Versicherten ausdrücklich darauf verzichten, dass ihnen die Entschädigung weitergegeben wird (Abs. 2 Bst. a). Ein stillschweigender Verzicht reicht nicht aus. Liegt kein Verzicht vor, so ist eine entgegengenommene Entschädigung vollumfänglich an die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer weiterzuleiten.

Absatz 3 Eine ausreichende Information liegt vor, wenn die Versicherten die Art und den Umfang der Entschädigungen vor Vertragsschluss oder vor Erbringung der Dienstleistung kennen. Sofern die Höhe des Betrages nicht vorgängig feststellbar ist, muss zumindest über die Berechnungsparameter und die Bandbreiten informiert werden.

Die Versicherten sind sodann auf entsprechende Anfrage auch über den konkreten Betrag zu informieren. Auch bei einem allfälligen Verzicht auf die Entschädigung ist den Versicherten auf Nachfrage Auskunft über die erhaltene Entschädigung zu geben.

Absatz 4 Er definiert, was alles als Entschädigung zu gelten hat, und stellt klar, dass sämtliche Leistungen, die den ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern im Zusammenhang mit der Erbringung einer Dienstleistung von Dritten (insbesondere von Versicherungsunternehmen) zufliessen, als Entschädigungen im Sinne des Gesetzes gelten.

Art. 46 Abs. 1 Die Ergänzung in Buchstabe b ermächtigt die FINMA zu prüfen, ob die Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler einen guten Ruf geniessen und Gewähr für die Erfüllung der Pflichten nach dem VAG bieten.

Die Aufnahme des Erfordernisses des guten Rufes für die Versicherungsunternehmen in Artikel 14 E-VAG sowie für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen
und -vermittler in Artikel 41 E-VAG weitet entsprechend auch den Aufgabenkatalog der FINMA aus. Die Ergänzung erlaubt es der FINMA darüber hinaus, sämtliche Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler direkt bezüglich des Erfordernisses des guten Rufes zu prüfen, was letztlich die Missbrauchsaufsicht stärkt. Im Weiteren wird Buchstabe f formell an die neue Terminologie des VAG angepasst.

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2. Abschnitt: Schutzmassnahmen, Massnahmen bei Insolvenzgefahr und Liquidation In Anlehnung an die Terminologie des BankG wird der Begriff «sichernde Massnahme» durch «Schutzmassnahme» im ganzen VAG ersetzt.

Art. 51

Schutzmassnahmen

Absatz 1 Zu den Rechtsträgern, welche von Schutzmassnahmen betroffen sein können, werden zur Gewährleistung umfassender Massnahmen die wesentlichen Gruppen- und Konglomeratsgesellschaften (vgl. auch Art. 2a E-VAG) hinzugefügt. Die Anpassung gibt die heutige Praxis wieder und wird hier zur Klarstellung kodifiziert.

Absatz 2 Buchstabe i beschränkt bis anhin den Erlass einer Stundung oder eines Fälligkeitsaufschubs auf das Vorliegen einer Insolvenzgefahr. Der Begriff der Insolvenzgefahr wird nun neu in Artikel 51a definiert und bildet insbesondere die Grundlage für die Eröffnung eines Sanierungs- oder Versicherungskonkursverfahrens. Die Möglichkeit eine Stundung und einen Fälligkeitsaufschub anzuordnen, sollte nicht auf das Vorliegen der Insolvenzgefahr im vorgenannten Sinne eingeschränkt werden. Wenn Interessen der Versicherten gefährdet sind und diese Massnahme als zweckdienlich und verhältnismässig erscheint, sollte die FINMA dies bereits zu einem früheren Zeitpunkt anordnen können. Insofern ist die Eingrenzung dieser Massnahme auf die Insolvenzgefahr aufzuheben.

Absatz 3 Die geltende Regelung zur Publikation von Schutzmassnahmen nach diesem Absatz wird insoweit ergänzt, als auf die Publikation verzichtet werden kann, wenn durch diese die angeordnete Massnahme vereitelt würde. So kann eine Publikation einer Massnahme, statt zu sichern, zu einer zusätzlichen Verunsicherung im Markt und damit zu einer Destabilisierung des Versicherungsunternehmens führen, was die Anordnung einer eigentlich zielführenden Massnahme im Ergebnis verunmöglicht.

In derartigen Fällen kann im Sinne einer Interessenabwägung auf die Publikation verzichtet werden. Mit der Ergänzung wird ein bereits bei Sanierungsverfahren von Banken geltendes Verständnis ausdrücklich festgehalten.

Absatz 4 Dieser Absatz entspricht der Regelung in Artikel 26 Absatz 3 BankG.

Art. 51a

Massnahmen bei Insolvenzgefahr

Absatz 1 Artikel 51a definiert die Insolvenzgefahr (Überschuldung oder ernsthafte Liquiditätsprobleme) und regelt die Massnahmen, die von der FINMA bei deren Vorliegen angeordnet werden können.

Die Insolvenzgefahr ergibt sich aus der bilanziellen Situation; Überschuldung und Illiquidität sind mithin die einzig massgeblichen Kriterien. Die Begriffe der Insol-

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venz, der Überschuldung und der Illiquidität basieren auf den Grundsätzen des SchKG.

Anders als nach den Bestimmungen des SchKG muss nicht abgewartet werden, bis die Insolvenz des Versicherungsunternehmens tatsächlich eingetreten ist. Vielmehr genügt es, wenn dafür eine begründete Besorgnis besteht (Insolvenzgefahr). Dies erlaubt es der FINMA, bereits zu einem früheren Zeitpunkt Massnahmen zu ergreifen. Die Formulierung entspricht bereits dem heutigen Artikel 53 Absatz 1, der somit aufgehoben werden kann, sowie der entsprechenden Regelung gemäss Artikel 25 Absatz 1 BankG und dem internationalen Standard in diesem Bereich.

Keine Relevanz für die Beurteilung einer Insolvenzgefahr haben die aufsichtsrechtlichen Kapitalvorschriften des VAG. Insbesondere sollen Insolvenzmassnahmen nicht an den SST angeknüpft werden. Das bestehende Interventionsschwellenkonzept des SST basiert auf Artikel 51 und gilt unverändert weiter.

Absatz 2 Absatz 2 stellt klar, dass die Schutzmassnahmen nach Artikel 51 nicht nur in einem eigenen Verfahren, sondern auch im Rahmen einer Sanierung oder eines Versicherungskonkurses angeordnet werden können. Insbesondere die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens kann die Anordnung von weiteren Schutzmassnahmen notwendig machen.

Absatz 3 Dieser Absatz wurde inhaltlich unverändert aus Artikel 53 übernommen.

Mit dieser Bestimmung soll das aktienrechtliche Moratorium, das heisst der Konkursaufschub und damit einhergehend die Zuständigkeit des Zivilgerichts, ausgeschlossen werden. Im Anwendungsfall von Artikel 51a soll ausschliesslich die FINMA zuständig sein. Der übrige Inhalt der Artikel 725 f. OR ist nicht tangiert.

Durch die eigenständige Regelung des Sanierungsrechts entfällt auch die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Nachlassverfahren gemäss SchKG.

Absatz 4 Grundsätzlich entfalten Zwangsmassnahmen staatlicher Behörden lediglich innerstaatliche Wirkung. Ob schweizerische Massnahmen nach diesem Artikel auch auf ausländisches Vermögen einer schweizerischen Versicherungsunternehmung Anwendung finden, hängt von der Haltung des ausländischen Rechts ab. Nach US-amerikanischem Recht wären die Massnahmen wahrscheinlich nicht durchsetzbar. Hingegen gilt in allen EU-Mitgliedstaaten Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-Verordnung)26, der es ermöglicht, zwingende
Eingriffsnormen von Drittstaaten zu berücksichtigen (sog. loi d'application immédiate).

Voraussetzung ist unter anderem aber, dass der Wille zur internationalen Anwendung in der betreffenden Norm klar zum Ausdruck kommt. Absatz 4 stellt deshalb klar, dass die Anordnungen der FINMA nach Absatz 1 sämtliche Vermögenswerte des Versicherungsunternehmens mit all seinen im In- und Ausland belegenen Akti26

Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6, berichtigt in ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 87.

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ven und Passiven erfassen können. Dieser extraterritoriale Anspruch entspricht der Regelung des Bankengesetzes sowie des SchKG.

Art. 51b

Vorrang von Aufrechnungs-, Verwertungsund Übertragungsvereinbarungen

Diese Regelung entspricht der analogen bankenrechtlichen Bestimmung (Art. 27 BankG), die mit dem FinfraG angepasst wurde. Wie im BankG soll auch im VAG ein entsprechender Ausnahmekatalog gelten.

2a. Abschnitt: Sanierung Im geltenden VAG ist lediglich das Konkursverfahren ausführlich geregelt. Eine Regelung eines Sanierungsverfahrens für Versicherungsunternehmen fehlt bis anhin, obwohl das Gesetz selbst die Sanierung voraussetzt (vgl. Art. 53 Abs. 1). Mit dem neuen 2a. Abschnitt soll diese Regelungslücke geschlossen und auch das Sanierungsverfahren explizit gesetzlich geregelt werden. Die neuen Bestimmungen zum Sanierungsverfahren sind den entsprechenden Bestimmungen des BankG nachgebildet, wobei den Besonderheiten der Versicherungsbranche Rechnung getragen wird.

Der Begriff des Versicherungsunternehmens nach diesem Abschnitt umfasst sowohl die schweizerischen Versicherungsunternehmen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a als auch Versicherungsunternehmen mit Sitz im Ausland betreffend ihre Versicherungstätigkeit, die sie in der Schweiz oder von der Schweiz aus ausüben (Art. 2 Abs. 1 Bst. b VAG).

Art. 52a

Verfahren

Absatz 1 Diese Bestimmung wurde Artikel 28 BankG nachgebildet. Wie im Bankengesetz setzt die Einleitung eines Sanierungsverfahrens nach VAG eine Insolvenzgefahr voraus (vgl. Art. 51a Abs. 1 Bst. b). Neben der begründeten Aussicht auf Sanierung des (gesamten) Versicherungsunternehmens kann die FINMA auch dann ein Sanierungsverfahren einleiten, wenn bloss begründete Aussicht auf Weiterführung einzelner Versicherungsdienstleistungen besteht (z. B. eines Versicherungsbestandes, der Bestandesverwaltung oder des Schadendienstes). Diese Teile können auch auf ein anderes Versicherungsunternehmen übertragen und dort weitergeführt werden, während der Rest der Gesellschaft im Rahmen eines Konkurses abgewickelt wird.

Ziel der Sanierung ist nicht in erster Linie die Rettung des bestehenden Versicherungsunternehmens, sondern der bestmögliche Schutz der Versicherten.

Absätze 2 und 4 Gegebenenfalls erweist es sich als notwendig, dass weitere Spezialbestimmungen zur Durchführung des Sanierungsverfahrens erlassen werden müssen. Für diesen Fall kann die FINMA im Einzelfall die dafür notwendigen Verfügungen erlassen, aber auch in generell-abstrakter Weise in Form einer Verordnung die Einzelheiten des Verfahrens regeln. Dabei wird es sich insbesondere um Bestimmungen formeller und abwicklungstechnischer Natur handeln. Die FINMA hat von dieser Kompetenz 9016

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analog für den Konkursfall in der Versicherungskonkursverordung-FINMA vom 17. Oktober 201227 (VKV-FINMA) sowie bei den Banken in der Bankeninsolvenzverordnung-FINMA vom 30. August 201228 (BIV-FINMA) Gebrauch gemacht.

Absatz 3 Dieser Absatz ermächtigt die FINMA, einen Sanierungsbeauftragten einzusetzen.

Tut sie dies, überträgt sie damit auch die Verantwortung für die Erstellung und Umsetzung des Sanierungsplans. Die Ernennung eines Sanierungsbeauftragten ist aber nicht zwingend notwendig und kann auch im Rahmen der Genehmigung lediglich zwecks Umsetzung des bereits bestehenden Sanierungsplans erfolgen. In vielen Fällen werden die Grundzüge der Sanierung bei Einleitung des Sanierungsverfahrens bereits bekannt sein und für eine glaubwürdige Kommunikation auch bekannt sein müssen. In diesen Fällen kann es sich erübrigen, einen Beauftragten mit der Ausarbeitung zu beauftragen.

Art. 52b

Sanierungsplan

Absatz 1 Ziel der Sanierung ist die Abwendung der Insolvenzgefahr. Das Versicherungsunternehmen soll so aufgestellt werden, dass ausserhalb eines Versicherungskonkursverfahrens die Insolvenzgefahr beseitigt werden kann. Der Sanierungsplan ist dabei das wesentliche Strategieinstrument. Absatz 1 stellt als Grundsatz fest, dass der Sanierungsplan aufzeigen muss, wie die Insolvenzgefahr beseitigt wird und welche Massnahmen hierfür getroffen werden. Kernpunkt des Sanierungsplans ist die Strategie zur Behebung der finanziellen Probleme des Versicherungsunternehmens.

Neben finanziellen sind beispielsweise auch organisatorische Massnahmen (personelle Konsequenzen, Anpassungen in der Organisation und Führung des Unternehmens) im Sanierungsplan aufzuführen.

Die Sanierung wird je nach Einzelfall aus verschiedenen Massnahmen bestehen.

Diese werden in diesem Absatz beispielhaft aufgeführt und in den nachfolgenden Artikeln 52c­52e vertieft. Sie können demnach etwa in einer vollständigen oder in einer teilweisen Übernahme des Versicherungsunternehmens oder von dessen Versicherungsportfolio durch einen anderen Versicherer (Übernehmer) oder durch eine Auffanggesellschaft bestehen. Möglich sind zudem eine Neuorientierung der Geschäftstätigkeit unter Aufgabe bestimmter Geschäftsbereiche, der Verkauf eines Teils der Aktiven, eine Rekapitalisierung der Unternehmung (allenfalls auch durch Drittinteressenten), das Einschiessen von Kapital durch die Aktionärinnen und Aktionäre oder eine Kapitalerhöhung.

Gegenüber den Gläubigerinnen und Gläubigern beziehungsweise gegenüber den Versicherten steht als primäre finanzielle Massnahmen die klassische Forderungsreduktion im Vordergrund. Im Falle der Fortführung der Versicherungsverträge kann anstelle einer summenmässigen Forderungsreduktion auch eine Kürzung der Vertragslaufzeit (im Sinne eines Eingriffs in die nicht verbrauchte Versicherungsdeckung, sodass der Vertrag als Sanierungsbeitrag bei gleicher Prämie eine kürzere 27 28

SR 961.015.2 SR 952.05

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Laufzeit hat) in Betracht gezogen werden. Die Art der Kürzung soll dabei im Ermessen des Sanierungsbeauftragten liegen. Klar ist, dass die Höhe der Kürzung für sämtliche gleichberechtigten Gläubigerinnen und Gläubiger gleich hoch ausfallen muss, egal, ob die Forderung durch eine Verkürzung der Laufzeit des Vertrags oder summenmässig reduziert wird. Anstelle einer Forderungsreduktion ist auch die Umwandlung von Forderungen durch Verrechnungsliberierung in Eigenkapital (debt equity swap) ein denkbares Sanierungsinstrument. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade Versicherte keine Finanzanlagen getätigt haben und in der Regel ein Interesse an ihrer Versichertenstellung haben und nicht Aktionärin oder Aktionär werden möchten. Insofern wird sich dieses Sanierungsinstrument eher auf andere Gläubigerinnen und Gläubiger richten, falls es zur Anwendung gelangt.

Schliesslich kann gegenüber Versicherten auch eine Anpassung der Versicherungsverträge eine sinnvolle Massnahme darstellen.

Absatz 2 Bezweckt der Sanierungsplan dementsprechend die Weiterführung des Versicherungsunternehmens, so muss zwingend sichergestellt sein, dass dieses nach Durchführung der Sanierung die Bewilligungsvoraussetzungen vollumfänglich und nachhaltig erfüllt.

Absatz 3 Es ist jedoch sehr gut denkbar, dass sich eine Sanierung des Versicherungsunternehmens auf die geordnete Abwicklung des bestehenden Versicherungsbestandes beschränken soll, ohne dass neue Versicherungsverträge abgeschlossen werden.

Dies dürfte gegenüber der Weiterführung des Versicherungsunternehmens der Regelfall sein. Bei einer derartigen Abwicklung, welche im Versicherungsbereich einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen kann, sieht Absatz 3 vor, dass die FINMA Erleichterungen betreffend die aufsichtsrechtlichen Bewilligungsvoraussetzungen gewähren kann (z. B. betreffend Mindestkapital oder SST). Ausserdem sollen Erleichterungen bei den Aufsichtsanforderungen gewährt werden können.

Dies kann eine im Interesse der Versicherten erfolgende, geordnete Abwicklung des bestehenden Versicherungsbestandes erleichtern, indem nicht zwingend erforderliche Auflagen vermieden und so die Kosten der Abwicklung verringert werden können. Erleichterungen können sowohl bei einer Abwicklung innerhalb des insolventen Versicherungsunternehmens als auch bei einer Übertragung an eine
Drittgesellschaft, beispielsweise an eine Auffanggesellschaft, gewährt werden. Die FINMA hat hier im Einzelfall eine Ermessensabwägung auszuüben, ob mit allfälligen Erleichterungen dem Schutz der Versicherten noch adäquat Rechnung getragen wird.

Art. 52c

Übertragung des Versicherungsbestandes oder von Teilen davon sowie weiterer Teile des Versicherungsunternehmens

Absatz 1 Der Sanierungsplan kann die Übertragung des Versicherungsbestandes oder von Teilen davon sowie weiterer Teile des Versicherungsunternehmens auf einen anderen Rechtsträger vorsehen. Andere Rechtsträger können sowohl andere Versicherungsunternehmen als auch eine Auffanggesellschaft sein. Letztere könnte zum 9018

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Beispiel in der Form einer Genossenschaft ­ die Versicherungsnehmerinnen und -nehmern würden zu Genossenschafterinnen und Genossenschaftern ­ spezifisch zum Zwecke der Abwicklung des Portfolios errichtet werden und so einen sogenannten geordneten Run-off sicherstellen. Eventuelle Abwicklungsgewinne würden an die Genossenschafterinnen und Genossenschafter fliessen und blieben damit den Versicherten erhalten. In diesem Zusammenhang ist Artikel 52f E-VAG betreffend allfällige Eingriffe in die Rechte der Versicherten zu berücksichtigen.

Absatz 2 Mit der Ausnahmeregelung in Absatz 2 erhält die FINMA die Möglichkeit, in begründeten Fällen dem Übernehmer eines Versicherungsportfolios Erleichterungen von den aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu gewähren. So kann sie zum Beispiel einer Portfolioübertragung zustimmen, auch wenn die übernehmende Gesellschaft als Folge der Übertragung (während einer gewissen Übergangsfrist) die SST-Ratio von 100 Prozent nicht zu erfüllen vermag. Die FINMA soll entsprechende Erleichterungen nur sehr restriktiv handhaben; die Erleichterungen dürfen nicht zu einem «moral hazard» führen. Insbesondere sind allfällige Erleichterungen auch nur in Bezug auf das übernommene Geschäft zu gewähren und sollen sich möglichst nicht auf das bestehende Geschäft des Übernehmers auswirken. Erleichterungen von den aufsichtsrechtlichen Anforderungen sollen zudem nur befristet möglich sein; in jedem Fall müssen die Interessen der Versicherten gewahrt bleiben.

Absatz 3 Absatz 3 entspricht der Regelung in Artikel 31b BankG. Gemäss Artikel 52b Absatz 1 Buchstabe a kann zur Sanierung eines Versicherungsunternehmens dessen Vermögen auf einen anderen Rechtsträger oder auf eine Auffanggesellschaft übertragen werden. Würde man in solchen Fällen vor der Übertragung stets eine unabhängige Bewertung verlangen, so könnte dies in gewissen Situationen eine rasche und wirkungsvolle Sanierung gefährden. Dies gilt insbesondere für Situationen, in denen das Vermögen rasch an einen übernehmenden Rechtsträger verkauft werden muss. Aus diesem Grund soll der FINMA die Kompetenz zukommen, den Ausgleich unter den betroffenen Rechtsträgern nach eigenem Ermessen zu regeln. Die Anordnung einer unabhängigen Bewertung soll aber möglich bleiben. Weiter denkbar wäre auch eine Kombination, wonach die FINMA gleichzeitig mit
der Anordnung einer unabhängigen Bewertung eine maximale Ausgleichssumme festlegt, um einen Verkauf zu ermöglichen. Der Ausgleich hat nur unter den betroffenen Rechtsträgern und nicht unter Eignerinnen und Eignern oder Gläubigerinnen und Gläubigern zu erfolgen. Er wird als Nachtrag in den Sanierungsplan aufgenommen.

Art. 52d

Herabsetzung des bisherigen und Schaffung von neuem Eigenkapital sowie Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und Forderungsreduktion

Absatz 1 Bei der Schaffung von neuem Eigenkapital geniessen die bisherigen Eignerinnen und Eigner grundsätzlich ein Bezugsrecht (vgl. Artikel 652b OR). In gewissen Situationen ­ zum Beispiel, wenn eine Käuferin oder ein Käufer das gesamte Aktienkapital übernehmen möchte ­ kann dieses Bezugsrecht das Gelingen der Sanie9019

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rung gefährden. Aus diesem Grund bestimmt Absatz 1 (in Anlehnung an die entsprechende Regelung zur Bankensanierung in Art. 47 BIV-FINMA), dass bei der Schaffung von neuem Eigenkapital das Bezugsrecht der Eignerinnen und Eigner (für neue Aktien) entzogen werden kann, sofern dieses die Sanierung gefährden könnte.

Absatz 2 Buchstabe a nimmt verrechenbare und gesicherte Forderungen von der Wandlung und der Forderungsreduktion aus.

Zusätzlich sind auch Forderungen aus Verbindlichkeiten, welche das Versicherungsunternehmen während der Dauer von Schutzmassnahmen oder während eines Sanierungsverfahrens mit Genehmigung der FINMA oder eines von dieser eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten eingehen durfte, von der Wandlung oder Forderungsreduktion ausgenommen (Bst. b). Damit sollen insbesondere Forderungen von Dienstleistern und anderen Gläubigerinnen und Gläubigern geschützt werden, welche während der Dauer von Schutzmassnahmen oder des Sanierungsverfahrens weiterhin ihre Leistungen erbringen. Es soll vermieden werden, dass diese Gläubigerinnen und Gläubiger in einer sich abzeichnenden Krise aus Sorge über mögliche Sanierungsmassnahmen ihre Vertragsbeziehung zum gefährdeten Versicherungsunternehmen auflösen oder ihre Leistungen nur noch gegen Sicherheiten oder Vorauszahlung anbieten. Durch die Ausnahme dieser Forderungen werden die Ansprüche dieser Gläubigerinnen und Gläubiger gewahrt. Das gemeinrechtliche Nachlassverfahren sieht eine vergleichbare Regelung in Artikel 310 Absatz 2 SchKG vor, wonach die während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten in einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung oder in einem nachfolgenden Konkurs die Masse verpflichten.

Eine ähnliche Regelung gilt im Fall der Konkursliquidation (vgl. Art. 54bbis E-VAG).

Ausgenommen von Wandlung und Forderungsreduktion sind nach Buchstabe c zudem Forderungen aus Versicherungsverträgen, die durch ein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 VAG besichert sind, soweit dieses zur Sicherstellung der Ansprüche ausreicht.

Nicht ausgenommen sind die nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG sowie die übrigen nach VAG privilegierten Forderungen (d. h. Forderungen aus Versicherungsverträgen, die nicht durch ein gebundenes Vermögen besichert sind, oder solchen, bei denen dieses nicht zur Sicherstellung der
Ansprüche ausreicht). Hintergrund bildet der Umstand, dass Forderungen aus Versicherungsverträgen, welche durch ein gebundenes Vermögen besichert sind, höchstrangig privilegiert sind, aufgrund ihres Volumens ­ derartige Forderungen können über 90 Prozent aller Forderungen eines Versicherungsunternehmens ausmachen ­ aber für eine zielführende Sanierung auch von Massnahmen betroffen sein müssen.

Absatz 3 Die Versicherten und die weiteren Gläubigerinnen und Gläubiger des Versicherungsunternehmens sind gegenüber den Eignerinnen und Eignern beziehungsweise den Aktionärinnen und Aktionären als Träger des unternehmerischen Risikos bevorzugt zu behandeln. Aus diesem Grund bestimmt Absatz 3 Buchstabe a, dass vor Durchführung einer Wandlung oder einer Forderungsreduktion, waseinens massiven 9020

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Eingriff in ihre finanziellen Rechte darstellt, das bisherige Aktienkapital vollständig herabgesetzt werden muss. Dadurch gehen sämtliche Aktionärsrechte, insbesondere auch die Mitwirkungsrechte, unter. Eine Ausnahme gilt einzig für das Bezugsrecht an neuen Aktien. Das Bezugsrecht geht immanent bei einer Wandlung verloren, ansonsten kann es bei der Schaffung von neuem Aktienkapital einzig gemäss den Voraussetzungen nach Absatz 1 entzogen werden.

Neben der Herabsetzung des Aktienkapitals müssen auch die sogenannten risikoabsorbierenden Kapitalinstrumente gewandelt oder vollständig reduziert werden. Als risikoabsorbierende Kapitalinstrumente nach Buchstabe b dieses Absatzes gelten die Instrumente nach Artikel 22a AVO. Das Spektrum dieser Instrumente erstreckt sich vom nicht wandelbaren Hybridkapital bis hin zu den Wandelanleihen.

Absatz 4 In diesem Absatz wird die Reihenfolge beschrieben, die bei der Wandlung von Fremd- in Eigenkapital und bei der Reduktion von Forderungen einzuhalten ist. Sie deckt sich mit der Rangreihenfolge, welche im Falle eines Versicherungskonkurses gilt (vgl. Art. 54a und 54abis). In die Rechte der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer, deren Ansprüche durch ein gebundenes Vermögen gedeckt werden, soll erst an letzter Stelle eingegriffen werden (vgl. Abs. 4 Bst. f, unten).

Die Bestimmung in Absatz 4 legt, angelehnt an die BIV-FINMA (Art. 48 Abs. 1 Bst. d BIV-FINMA), die Reihenfolge fest, nach der Forderungen gewandelt oder reduziert werden dürfen. Forderungen eines nachfolgenden Rangs dürfen erst einbezogen werden, wenn die Wandlung oder die Reduktion von Forderungen des vorangehenden Rangs für eine zweifelsfreie Erfüllung der Eigenmittelanforderungen nicht ausreicht (Erschöpfungsprinzip). Zudem hat innerhalb der gleichen Gläubigerkategorie die Forderungsreduktion gleichmässig zu erfolgen.

Gestützt auf Buchstabe a sind zuerst alle nachrangigen Forderungen zu wandeln oder zu reduzieren.

Gemäss Buchstabe b folgen an zweiter Stelle Forderungen, die eigens zur Verlusttragung im Falle der behördlichen Anordnung von Insolvenzmassnahmen ausgegeben wurden (Bail-in-Bonds). Hierbei handelt es sich um Forderungen, zu deren Wandlung die Gläubigerinnen und Gläubiger bereits im Voraus vertraglich zugestimmt haben. Die Schaffung eines eigenen Rangs für diese Forderungen zwischen den
nachrangigen Forderungen und den übrigen Forderungen ist zur Einhaltung der Gläubigerhierarchie unumgänglich. Es wäre nicht angemessen, diese Bonds im gleichen Rang wie die übrigen (3.-Klasse-) Forderungen ­ wozu auch die SeniorBonds gehören ­ zu wandeln, deren Wandlung die Gläubigerinnen und Gläubiger im Vorfeld nicht zugestimmt haben. Erst hierauf können die übrigen Forderungen gemäss der Privilegienordnung des SchKG reduziert werden.

Als Nächstes werden Forderungen von Versicherten aus Versicherungsverträgen einbezogen, für die kein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 vorgeschrieben ist (Bst. c). Sie sind in der Privilegienordnung aufgrund des Verweises auf Artikel 54a Absatz 2 der zweiten Klasse nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG zugeordnet. Sie werden aber erst nach Erfüllung aller anderen 2.-Klasse-Forderungen aus der Konkursmasse befriedigt. Sie sind somit noch vor den 2.- und 1.-Klasse-Forderungen nach Artikel 219 Absatz 4 SchKG zu reduzieren (vgl. Bst. d und e). Kein gebunde9021

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nes Vermögen ist vorgesehen bei Rückversicherungsverträgen und Versicherungsverträgen mit professionellen Gegenparteien sowie für Versicherungsbestände ausländischer Niederlassungen von Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Schweiz.

Nach Buchstabe f folgen an letzter Stelle und somit nachrangig zur Reduktion aller anderen Forderungen die Wandlung und die Reduktion von Forderungen der Versicherten aus Versicherungsverträgen, für welche ein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 vorgeschrieben ist. Grund dafür ist die privilegierte Stellung des gebundenen Vermögens zugunsten der Versicherten. Diese geniessen entsprechend dem Zweck des VAG eine besondere Privilegierung im Insolvenzfall. Ein Eingriff in die Rechte der Versicherten ist deshalb auch nur insoweit zulässig, als das vorgeschriebene gebundene Vermögen zur Sicherstellung ihrer Forderungen nicht ausreicht.

Das Eingriffsrecht beschränkt sich somit auf den ungedeckten Teil.

Das Recht, Versichertenansprüche bei Lebensversicherungen zu reduzieren, war bereits im Sicherstellungsgesetz vom 25. Juni 193029 vorgesehen (vgl. Art. 29 Sicherstellungsgesetz, das mit Schaffung des neuen VAG aufgehoben wurde).

Bei Eingriffen in Rechte aus Versicherungsverträgen ist zudem stets Artikel 52f zu beachten.

Absatz 5 Die FINMA kann die Beteiligung an einem Versicherungsunternehmen untersagen oder an Bedingungen knüpfen, wenn die Beteiligung die qualifiziert beteiligten Eignerinnen und Eigner (mindestens 10 % Stimmen oder Kapital oder andere massgebliche Beeinflussung) nach Art und Umfang das Versicherungsunternehmen oder die Interessen der Versicherten gefährden könnte (Art. 21 Abs. 4 VAG). Sieht der Sanierungsplan die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital vor, so werden Gläubigerinnen und Gläubiger des Versicherungsunternehmens mit der Genehmigung des Sanierungsplans von Gesetzes wegen zu Eignerinnen und Eignern beziehungsweise zu Aktionärinnen und Aktionären. Generell gilt auch hier, dass die neuen Aktionärinnen und Aktionäre ihre Stimmrechte erst ausüben können, sobald sie im Aktienbuch des betreffenden Versicherungsunternehmens eingetragen wurden. Dies ermöglicht es dem Versicherungsunternehmen, eine Bestandsaufnahme ihres neuen Aktionariats durchzuführen. Trotzdem besteht die Gefahr, dass neue Aktionärinnen und Aktionäre mit einer qualifizierten Beteiligung
ihre Stellung zum Nachteil des Versicherungsunternehmens oder der Interessen der Versicherten ausüben. Daher ist eine generelle Suspendierung aller Stimmrechte vorgesehen, welche die Schwelle von 10 Prozent übersteigen. Diese Rechte können erst ausgeübt werden, wenn von der FINMA die Unbedenklichkeit der betreffenden Aktionärinnen und Aktionäre festgestellt worden ist.

Art. 52e

Anpassung von Versicherungsverträgen

Je nach Art der Versicherungsverträge kann es sinnvoll sein, anstelle einer Forderungsreduktion oder einer Wandlung auf Stufe der Versicherten direkt in die Versicherungsverträge einzugreifen und diese anzupassen. Das Recht der FINMA, in das 29

BS 10 303; AS 1978 1836, 1992 288 2363, 1993 3211, 1995 1227

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privatrechtliche Verhältnis zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherten einzugreifen, bedarf einer expliziten Grundlage im Gesetz. Entsprechend kann gemäss dieser Norm der Sanierungsplan vorsehen, direkt in die Rechte der Versicherten einzugreifen, indem Versicherungsverträge inhaltlich (d. h. materiell) angepasst werden. Die Anpassung kann sich auf Vertragsbedingungen, Prämien (sofern diese nicht mittels Prämienanpassungsklausel rechtzeitig anpassbar sind), Überschussbeteiligungen, Schadenfreiheitsboni oder -rabatte, Wahlrechte, Garantien aus der Lebensversicherung usw. beziehen. Die Vertragsanpassung kann sowohl vor einem allfälligen Versicherungsfall als auch nach einem eingetretenen, aber noch nicht erledigten Versicherungsfall erfolgen. Ein Eingriff in die Versicherungsverträge kann sowohl bilanzielle als auch nicht bilanzielle Auswirkungen haben: Will das übernehmende Versicherungsunternehmen zum Beispiel ein Versicherungsportfolio nur übernehmen, wenn bestimmte vertraglich zugesicherte Leistungen gestrichen werden (z. B. Streichung der Beiträge an ein Fitness-Abo) hat dies Auswirkungen auf die Bilanz; im Gegensatz dazu steht bei der Streichung eines Gestaltungsrechts (z. B. Kündigungsrecht) aus dem Versicherungsvertrag in der Regel die nicht bilanzielle Komponente im Vordergrund.

Vertragsanpassungen nach diesem Artikel stehen dabei grundsätzlich auf einer Stufe zur Forderungsreduktion oder Wandlung gegenüber den Versicherten und sind somit alternativ anwendbar. Der Sanierungsplan hat dabei dasjenige Instrument vorzusehen, das am besten geeignet ist, die Versicherten zu schützen. Aufgrund der mit einer Vertragsanpassung verbundenen Komplexität dürfte dieses Sanierungsinstrument dennoch eher zurückhaltend Anwendung finden. In Fällen, in denen eine Forderungsreduktion den gleichen Zweck bzw. Nutzen erfüllt, dürfte diesem Instrument der Vorrang zu geben sein. Vertragsanpassungen sind insbesondere dort denkbar, wo es um Eingriffe in marktunübliche Elemente von Versicherungsverträgen geht. Eine Anpassung von Versicherungsverträgen kann unter anderem dort sinnvoll sein, wo sie eine Übertragung eines Versicherungsportfolios auf ein anderes Versicherungsunternehmen ermöglicht.

Absatz 1 Wird in die Rechte der Versicherten eingegriffen, so sind die Voraussetzungen und die Reihenfolge nach
Artikel 52d zu beachten. Damit wird klargestellt, dass das Instrument der Vertragsanpassung grundsätzlich auf gleicher Stufe steht wie die Forderungsreduktion sowie die Wandlung. Ebenfalls wird klargestellt, dass auch bei Vertragsanpassungen der Privilegierung der Ansprüche aus Versicherungsverträgen Rechnung getragen wird. Eine solche Regelung zur Anpassung von Lebensversicherungsverträgen sah bereits das frühere Sicherstellungsgesetz vor (Art. 29).

Der Anwendungsbereich dieses Artikels erstreckt sich sowohl auf die Sanierung innerhalb eines Versicherungsunternehmens als auch auf die Übertragung des Versicherungsbestandes auf ein anderes Versicherungsunternehmen oder auf eine Auffanggesellschaft.

Die Kompetenz der FINMA nach diesem Absatz soll ihr auch erlauben, in Verträge einzugreifen, falls die Sanierung auf Kriegs- oder Terrorereignisse zurückzuführen ist. Mit dieser Regelung wird ein Ersatz für die sogenannte Kriegsklausel geschaffen, wonach das ehemalige Bundesamt für Privatversicherungen über eine Kompe-

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tenz zur Vertragsanpassung verfügte. Das geltende Recht sieht bislang keine solche Regelung vor.

Absatz 2 Bei einem Eingriff in die Rechte der Versicherten gilt grundsätzlich das Gebot der Gläubigergleichbehandlung. Das bedeutet, dass ein Eingriff in die Rechte der Versicherten ­ und somit auch eine Vertragsanpassung ­ grundsätzlich bei allen Versicherten, welche in der Rangfolge nach Artikel 52d gleich privilegiert sind, gleich sein muss.

Von diesem Grundsatz der Gleichbehandlung erlaubt Absatz 2 abzuweichen. Mit der vorliegenden Bestimmung wird dem Vorrang des Allgemeininteresses (Gesamtinteresse der Versicherten) Rechnung getragen. Im Interesse dieses Prinzips ist eine gewisse Ungleichbehandlung der Versicherten in der Sanierung zulässig. So kann unter Umständen mit einer verhältnismässig geringfügigen Anpassung bei einer bestimmten Vertragskategorie eine grössere Sanierungswirkung erzielt werden, als wenn eine Anpassung über alle Vertragskategorien hinweg vorgenommen wird.

Namentlich können zum Beispiel auch Wahlrechte oder Garantien aus einer Lebensversicherung für den einzelnen Versicherten relativ unbedeutend sein; bei einer Sanierung kann eine Streichung solcher Rechte unter Umständen jedoch eine grosse Sanierungswirkung entfalten. Auch kann eine Vertragsanpassung innerhalb eines Versichertenbestandes unter Umständen gar nicht bei allen Versicherten erfolgen, da nicht alle Verträge den betroffenen Passus haben. Hier kann es sinnvoll sein, dass der Passus bei allen Betroffenen gestrichen wird, die restlichen Versicherten aber keinen Eingriff erleiden. Die Grenze bildet das Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubigerinnen und Gläubiger. Versicherte, die sich in der gleichen Situation befinden, sind nach Massgabe ihrer Gleichheit gleich zu behandeln (z. B. Versicherte mit identischen Verträgen). Trotz Vorrang des Allgemeininteresses sind die Rechte jedes einzelnen immer zu beachten. So darf auch bei einer Ungleichbehandlung kein Versicherter durch die Sanierungsmassnahmen objektiv schlechtergestellt werden als im Versicherungskonkurs (vgl. auch Art. 52j Abs. 1 Bst. c). Das bedeutet, dass selbst bei einer Ungleichbehandlung der schlechter Behandelte durch die Sanierung immer noch bessergestellt sein muss als im Versicherungskonkurs. Ebenfalls als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsprinzips
darf ein Eingriff in die Verträge nur so weit gehen, als er für die Sanierung des oder der betroffenen Versicherungsbestände notwendig ist, damit das finanzielle Gleichgewicht wiederhergestellt werden kann.

Zu beachten ist, dass dieser Absatz mit der Möglichkeit der Ungleichbehandlung nur für Versicherungsverträge gilt, für welche die Sicherstellung durch ein gebundenes Vermögen nach Artikel 17 vorgeschrieben ist. Dies bedeutet, dass er auf Rückversicherungen (vgl. Art. 35), auf Verträge mit professionellen Gegenparteien (vgl.

Art. 30a) sowie auf die konzerninterne Versicherung (vgl. Art. 30d) keine Anwendung findet. Eine Vertragsanpassung ohne Ungleichbehandlung ist aber auch in diesen Fällen gegenüber allen Versicherten möglich.

Absatz 3 Eine Ungleichbehandlung der Versicherten innerhalb der gleichen Privilegienordnung ist nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen. Insofern ist das Gesamtinteresse der Versicherten gemäss Absatz 2 (vgl. oben) nur gegeben, wenn die 9024

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unterschiedliche Anpassung der Versicherungsverträge einen verhältnismässig grösseren Sanierungsbeitrag leistet als die Gleichbehandlung aller Versicherten oder wenn durch sie die Sanierung des Versicherungsunternehmens erst möglich wird.

Art. 52f

Rechte der Versicherten bei der Wandlung von Fremdin Eigenkapital, bei der Forderungsreduktion sowie bei der Anpassung von Versicherungsverträgen

Absätze 1 und 2 Die im Rahmen der Artikel 52d und 52e vorgesehenen Massnahmen gegenüber den Versicherten stellen einen erheblichen Eingriff in deren Rechte dar. Artikel 52f versucht, diesen Eingriffen durch zusätzliche Rechte der Versicherten Rechnung zu tragen. In den Absätzen 1 und 2 wird zugunsten der Versicherten ein ausserordentliches Kündigungsrecht statuiert, das demjenigen nach Artikel 62 Absatz 3 nachgebildet ist.

Es wäre allenfalls denkbar, dass das Kündigungsrecht von derart vielen Versicherten ausgeübt wird, dass das Versicherungsunternehmen dadurch in finanzielle Schwierigkeiten gerät (wenn z. B. Illiquidität drohen würde). In einer derartigen Ausnahmesituation könnte die FINMA begleitende Schutzmassnahmen, beispielsweise eine Stundung oder den Zahlungsaufschub, anordnen, um die Lage zu stabilisieren.

Absatz 3 Wird das Versicherungsportfolio oder werden Teile davon im Rahmen der Sanierung auf einen anderen Rechtsträger übertragen und dabei in die Rechte der Versicherten eingegriffen, so steht diesen eine gleichrangige Ersatzforderung gegenüber dem zu sanierenden Versicherungsunternehmen im Umfang der finanziellen Einbusse zu. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass die von einer Portfolioübertragung betroffenen Versicherten mit finanziellen Einbussen nicht gegenüber den verbleibenden Gläubigerinnen und Gläubigern schlechtergestellt werden.

Art. 52g

Aufschub der Beendigung von Verträgen

Diese Bestimmung entspricht Artikel 30a BankG. Ziel der Regelung ist, dass die FINMA Massnahmen nach dem 2. Abschnitt (Schutzmassnahmen, Massnahmen bei Insolvenzgefahr und Liquidation) ergreifen kann, ohne dass diese vertragliche Beendigungsrechte oder Rechte nach Artikel 52f auslösen. Damit soll die ununterbrochene Fortführung der Vertragsverhältnisse auch in einer Stresssituation sichergestellt werden. Als Spezialfall ist der Aufschub der Beendigung von Rückversicherungsverträgen in Artikel 52h geregelt.

Absatz 1 Ein Aufschub der Beendigung von Verträgen ist grundsätzlich immer dann möglich, wenn die FINMA eine oder mehrere Massnahmen nach dem 2. Abschnitt (Schutzmassnahmen, Massnahmen bei Insolvenzgefahr und Liquidation) anordnet oder genehmigt. Damit soll sichergestellt werden, dass namentlich die Fälle, in denen eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital oder eine Forderungsreduktion angeordnet wird, von der Bestimmung erfasst sind. Wie im Bankenrecht ist zudem vor-

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gesehen, dass nicht nur Finanzverträge von einem Aufschub betroffen sein können, sondern jegliche Verträge. Damit können neben den Versicherungsverträgen insbesondere auch Vertragsverhältnisse betroffen sein, welche die Erbringung von Dienstleistungen, zum Beispiel bezüglich der IT-Infrastruktur des Versicherungsunternehmens, regeln und für dessen operationellen Betrieb notwendig sind, oder solche, die beispielsweise ein Miet- oder Leasingverhältnis zum Gegenstand haben.

Ein Aufschub betrifft schliesslich nicht nur Rechte zur Beendigung, sondern gemäss Buchstabe b auch Aufrechnungs-, Verwertungs- und Übertragungsrechte nach Artikel 51b. Gleiches gilt für eine automatische Beendigung von Verträgen. Dies wird durch die Formulierung in Buchstabe a klargestellt.

Absatz 2 Er stellt klar, dass ein Aufschub für alle Verträge angeordnet werden kann, welche die Beendigung oder die Ausübung eines Rechts nach Absatz 1 an die Anordnung oder Genehmigung von Massnahmen nach dem 2. Abschnitt (Schutzmassnahmen, Massnahmen bei Insolvenzgefahr und Liquidation) knüpfen. Damit sind zunächst Verträge gemeint, welche eine behördliche Massnahme als Beendigungsgrund vorsehen. Zudem werden Verträge erfasst, bei welchen eine Beendigung oder das Recht zur Beendigung einen Zusammenhang mit der Massnahme hat. Damit sollen etwa auch Fälle abgedeckt werden, in welchen einem Versicherungsunternehmen aufgrund der ergriffenen Massnahme vertraglich besondere Pflichten auferlegt werden können (z. B. erhöhte Sicherheitsleistungen).

Ein Aufschub kann auch für Verträge angeordnet werden, welche die Beendigung nicht direkt an eine von der FINMA ergriffene Massnahme knüpfen, sondern mittelbar daraus ableiten. Weiter können von einem Aufschub Verträge betroffen sein, bei welchen das Versicherungsunternehmen nicht Vertragspartei ist, sondern beispielsweise Garantin oder eine im Vertrag bezeichnete «Specified Entity». Der Aufschub ist nämlich bereits dann möglich, wenn der Vertrag die Beendigung an die von der FINMA ergriffene Massnahme knüpft. Der Aufschub kann sodann auch Verträge zwischen Drittparteien betreffen, die eine Beziehung zum Versicherungsunternehmen haben, gegenüber dem Massnahmen ergriffen werden. Damit wird insbesondere die Problematik sogenannter Cross-Default-Klauseln entschärft. Diese Klauseln können unter anderem
vorsehen, dass ein Vertrag mit einer Tochtergesellschaft beendet werden kann, wenn gegenüber der Muttergesellschaft Insolvenzmassnahmen ergriffen werden. Ein Aufschub kann demnach angeordnet werden, unabhängig davon, ob das von den Massnahmen betroffene Versicherungsunternehmen Vertragspartei, Garantin oder eine für den Beendigungsgrund massgebliche Person ist.

Absatz 3 Die Dauer des Aufschubs darf nicht mehr als zwei Arbeitstage betragen, auch wenn die Gründe für einen Aufschub weiterbestehen würden. Zur Berechnung dieser Frist werden Samstage, Sonntage und am Sitz des Versicherungsunternehmens staatlich anerkannte Feiertage nicht mitgezählt. Würde der Beginn des Aufschubs beispielsweise auf Donnerstag, 12.00 Uhr, gelegt, könnte als Ende des Aufschubs Montag, 12.00 Uhr, bezeichnet werden. Der Aufschub kann auch an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ausgelöst werden.

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Absatz 4 Absatz 4 beschreibt die Bedingungen, unter denen der Aufschub ausgeschlossen ist und gegebenenfalls hinfällig wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Grund, welcher zur Beendigung oder zum Recht nach Absatz 1 führt, nicht mit den Massnahmen nach dem 2. Abschnitt (Schutzmassnahmen, Massnahmen bei Insolvenzgefahr und Liquidation) zusammenhängt. Zu beachten ist dabei, dass nach Absatz 2 Anforderungen an das betroffene Versicherungsunternehmen, welche sich aus solchen Massnahmen ergeben, als mit diesen Massnahmen zusammenhängend betrachtet werden müssen.

Absatz 5 Für den Fall, dass das Versicherungsunternehmen nach Ende des Aufschubs die Bewilligungsvoraussetzungen und die übrigen gesetzlichen Vorschriften einhält, stellt Absatz 5 klar, dass die aufgeschobenen Rechte nicht mehr ausgeübt werden können und der Vertrag fortbesteht. Zur Feststellung, ob dies gegeben ist oder nicht, verfügt die FINMA wie im Bankenrecht über einen Beurteilungsspielraum. Nicht zu berücksichtigen sind gegebenenfalls einzuhaltende ausländische Vorschriften. Die Voraussetzungen sollten insbesondere dann erfüllt sein, wenn der Grund, welcher zu Massnahmen geführt hat, weggefallen ist. Sollten die in Absatz 5 statuierten Voraussetzungen nach Ende des Aufschubs nicht gegeben sein, können im Fall von Beendigungsrechten die Verträge unter Berücksichtigung der vertraglichen Rechte beendigt werden. Zu bemerken ist, dass sich in einem solchen Fall der dauerhafte Aufschub nur auf diejenigen Beendigungsrechte bezieht, welche aufgrund des Aufschubs nicht ausgeübt werden konnten. Entstehen zu einem späteren Zeitpunkt neue Beendigungsrechte, welche nicht aufgeschoben werden, so können diese jederzeit ausgeübt werden.

Art. 52h

Aufschub der Beendigung von Rückversicherungsverträgen

Rückversicherungsverträge sind für einen Direktversicherer eine zentrale Absicherungsmöglichkeit. Gerade im Sanierungsfall ist die Weiterführung einer Rückversicherung von grundlegender Bedeutung. Verliert der Direktversicherer die Rückversicherung, kann das eine erfolgreiche Sanierung gefährden. Dies insbesondere, weil es in einer finanziellen Krisensituation für ein Direktversicherungsunternehmen sehr schwierig sein wird, eine neue Rückdeckung zu finden. Artikel 52h sieht deshalb vor, dass die FINMA einen Aufschub für die Beendigung von Rückversicherungsverträgen oder die Ausübung von Rechten zu deren Beendigung anordnen kann.

Dies gilt auch bei einer Übertragung des Versicherungsportfolios. Der Aufschub von Rückversicherungsverträgen bedarf insbesondere deshalb einer von Artikel 52g abweichenden Regelung, um dem sanierungsbedürftigen Versicherungsunternehmen die Möglichkeit und damit Rechtssicherheit zu geben, die Rückversicherungsdeckung seines Versicherungsportfolios am Markt abzulösen oder weiterzuführen.

So soll es der FINMA denn auch möglich sein, den Aufschub der Beendigung von Rückversicherungsverträgen für höchstens vier Monate (im Vergleich zu zwei Tagen gemäss der Reglung in Art. 52g) anzuordnen. Innerhalb dieses Zeitraums kann das Versicherungsunternehmen für das betroffene Versicherungsportfolio eine neue Rückdeckung suchen.

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Der Eingriff geht zulasten des betroffenen Rückversicherungsunternehmens. Dieses kann während maximal 4 Monaten nicht von betreffenden Vertrag zurücktreten. Um den Interessen des Rückversicherungsunternehmens entgegenzukommen, kann die FINMA während dieses Zeitraums dem Rückversicherungsunternehmen zusätzliche Einsichtsrechte in das Direktversicherungsunternehmen einräumen.

Art. 52i

Auswirkungen der Sanierung eines Direktversicherungsunternehmens auf den Rückversicherungsvertrag

Artikel 52i bestimmt, dass im Sanierungsfall die Forderungen des Direktversicherers gegenüber dem Rückversicherer aus dem Rückversicherungsvertrag unverändert weiterbestehen. Das Rückversicherungsunternehmen erbringt somit seine Leistungen in der vertraglich vereinbarten Höhe, selbst wenn die Forderungen der Versicherten gegenüber dem Direktversicherer gestützt auf eine der Massnahmen nach Artikel 52e gekürzt worden sind. Damit wird verhindert, dass das Rückversicherungsunternehmen anstelle des betroffenen Direktversicherers von der Sanierungsmassnahme profitiert. In Extremfällen kann dies aber dazu führen, dass der Direktversicherer vom Rückversicherer für einen Schadenfall mehr erhält, als er selber an den Versicherten entrichten muss. Deshalb ist auch im Sanierungsfall das Rückversicherungsunternehmen wie in der ordentlichen Vertragsabwicklung darauf angewiesen, dass die Schadenregulierung sorgfältig vorgenommen wird. Dies ist umso wichtiger, als im Sanierungsfall ein erhöhtes Risiko besteht, dass sich der Direktversicherer durch eine zu grosszügige Schadensbegleichung auf Kosten des Rückversicherers bereichern könnte. Das Rückversicherungsunternehmen ist deshalb in angemessener Weise in die Schadenregulierung einzubeziehen. Hierzu stehen ihm gegenüber dem Direktversicherer auch während der Sanierung die im Rückversicherungsvertrag standardmässig geregelten Überprüfungsrechte zur Verfügung; diese müssen von daher nicht auch noch im Gesetz verankert werden, umso weniger, als sie nach Artikel 52h Absatz 4 auch von der FINMA gewährt werden könnten. Im Weiteren ist es die Aufgabe des Sanierungsbeauftragten, durch geeignete organisatorische Massnahmen (Vier-Augen-Prinzip, Stichproben-Kontrollen etc.) sicherzustellen, dass auch in der Schadenregulierung die nötige Sorgfalt eingehalten wird. Für eine korrekte Aufgabenerfüllung hat im Übrigen auch die FINMA zu sorgen, wenn sie den Sanierungsbeauftragten einsetzt und überwacht.

Art. 52j

Genehmigung des Sanierungsplans

Diese Bestimmung wurde Artikel 31 BankG nachgebildet. Wie im BankG soll auch im VAG die FINMA den Sanierungsplan unabhängig von einem Eingriff in die Rechte und Pflichten der Gläubigerinnen und Gläubiger und Eignerinnen und Eigner genehmigen und dessen Grundzüge veröffentlichen. Eine Zustimmung der Eigner des Versicherungsunternehmens ist nicht notwendig (vgl. Abs. 2). Zudem orientiert die FINMA zeitgleich mit der Veröffentlichung des Sanierungsplans darüber, wie die betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger und Eigenerinnen und Eigner Einsicht in den Sanierungsplan nehmen können (Abs. 3). Die Voraussetzungen, die für eine Genehmigung des Sanierungsplans erfüllt sein müssen, sind nicht abschliessend aufgezählt. Vorab sind die gesetzlichen Anforderungen an den Sanierungsplan gemäss Artikel 52b zu erfüllen. Weitere Voraussetzungen für die Genehmigung des 9028

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Sanierungsplans sind insbesondere, (1) dass die Gläubigerinnen und Gläubiger im Vergleich zur sofortigen Eröffnung eines Konkurses des Versicherungsunternehmens nicht schlechtergestellt werden, (2) dass die konkursrechtliche Rangordnung der Gläubigerinnen und Gläubiger untereinander sowie gegenüber den Eignerinnen und Eignern berücksichtigt wird sowie (3) die angemessene Berücksichtigung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verbundenheit unter Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen genannt.

Die Bewertung von Aktiven und Passiven verlangt nicht zwingend eine Prüfung durch einen zugelassenen Revisor nach Artikel 725 Absatz 2 OR. Soweit die Aktiven und Passiven einen Teil des Versicherungsunternehmens bilden, der fortgeführt werden soll, ist auf die Fortführungswerte abzustellen. Die Bewertung der Aktiven und Passiven sowie die Schätzung des Sanierungsbedarfs sind nach dem Vorsichtsprinzip durchzuführen, was Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe a BankG beziehungsweise Artikel 30c Absatz 1 Buchstabe a E-BankG entspricht. Die Bewertung hat insbesondere auch die zu erwartenden zukünftigen Verluste zu berücksichtigen Den Besonderheiten, welche sich aus dem Versicherungsaufsichtsrecht ergeben, kann dabei aber Rechnung getragen werden.

Buchstabe c von Absatz 1 statuiert das Prinzip «no creditor worse off than in liquidation». Dessen Umsetzung setzt einen Vergleich zwischen der potenziellen Konkursdividende und dem Wert der Beteiligung (und evtl. anderer Leistungen) im Falle einer Sanierung voraus. Der FINMA kommt beim Vergleich dieser Werte ein grosser Ermessensspielraum zu; sie hat aberden Besonderheiten der jeweiligen Versicherungsdeckungen Rechnung zu tragen hat. So können die Versicherten etwa ein Interesse an der Fortführung des Versicherungsvertrags haben, welches schwierig zu quantifizieren ist. So beispielsweise im Bereich der Krankenzusatzversicherung: Versicherte können unter Umständen wegen ihres Alters oder vorbestehender gesundheitlicher Einschränkungen keinen gleichwertigen Versicherungsschutz bei einer anderen Versicherung mehr finden, sollte ihr bestehender Vertrag aufgelöst werden. Aus diesem Grund können bei dieser Vergleichsrechnung neben den finanziell quantifizierbaren Interessen auch weitere Interessen der Versicherten berücksichtigt werden.

Ein weiteres Beispiel für die möglichen
Schwierigkeiten bei der Vergleichsrechnung ist die Frage, ob eine Kapitalleistung oder eine Rente einen grösseren Wert für die Versicherten hat. Dies kann von der spezifischen Situation der einzelnen Versicherten und von weiteren Faktoren wie der zukünftigen Konjunkturentwicklung abhängen. Eine allgemeingültige Antwort ist nicht möglich. Es muss daher auch zulässig sein, dass bei der Vergleichsrechnung zukünftige ungewisse Entwicklungen ausgeklammert werden.

Bei der Verbundenheit unter Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen ist darauf zu achten, dass der Sanierungsplan berücksichtigt, dass bei Versicherungsunternehmen oftmals bestimmte Aktiven bestimmten Passiven gegenüberstehen (beispielsweise ein bewusstes Asset-Liability-Management, Hedging-Verträge, die zur Mitigierung bestimmter Risiken abgeschlossen wurden). Ein sinnvoller Sanierungsplan berücksichtigt solche Abhängigkeiten und sieht hier abgestimmte Lösungen für verbundene Aktiven und Passiven oder Vertragsverhältnisse vor.

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Art. 52k

Ablehnung des Sanierungsplans

Eine Sanierung kann den Gläubigerinnen und Gläubigern nicht einfach aufgezwungen werden, weil damit möglicherweise massive Eingriffe in ihre Rechte, beispielsweise durch Kürzung, Stundung oder Umwandlung ihrer Forderungen, verbunden sind. Soweit die Sanierungsmassnahmen ihre Rechte unmittelbar betreffen, hat ihnen die FINMA spätestens im Zeitpunkt der Genehmigung gemäss Absatz 1 eine Frist zur Ablehnung des Sanierungsplans anzusetzen.

Die FINMA ist gehalten, die betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger so früh wie möglich einzubeziehen. Es wird jedoch nicht in jedem Fall möglich sein, sie vor der Genehmigung zu orientieren, da eine vorzeitige Information über mögliche, aber noch nicht definitive Massnahmen zu zusätzlicher Verunsicherung führen kann. Zu einer Beruhigung kommt es möglicherweise erst mit der Genehmigung des Sanierungsplans. Erfolgt die Information erst im Zeitpunkt der Genehmigung, so steht diese unter Vorbehalt der möglichen Ablehnung durch die Gläubigerinnen und Gläubiger.

Lehnt die Hälfte der bekannten Gläubigerinnen und Gläubiger den Sanierungsplan ab, so ordnet die FINMA den Konkurs des Versicherungsunternehmens nach dem 2b. Abschnitt an. Ablehnungsberechtigt sind nicht einzig die Versicherten, sondern alle Gläubigerinnen und Gläubiger des Versicherungsunternehmens.

Art. 52l

Rechtswirkung des Sanierungsplans

Mit dieser Regelung werden allfällige Rechtsunsicherheiten bezüglich des Zeitpunkts der Rechtswirkung des Sanierungsplans ausgeschlossen. Absatz 1 legt fest, dass der Sanierungsplan nach unbenutztem Ablauf der Frist für die Ablehnung nach Artikel 52k Absatz 1 sofort Rechtswirkung entfaltet. Diese Regelung folgt derjenigen im Beschwerdeverfahren, wonach eine Beschwerde nach Artikel 54d keine Auswirkungen auf die Rechtsgültigkeit des Sanierungsplans hat. Konsequenz ist, dass mit der sofortigen Rechtswirksamkeit allfällige Formvorschriften übersteuert werden. So hält Absatz 2 zur Klarheit explizit fest, dass insbesondere die unmittelbare Rechtswirksamkeit auch den allgemeinen Regeln über die Eintragung ins Grundbuch oder ins Handelsregister vorgeht (vgl. Abs. 2).

Art. 52m

Geltendmachung von Ansprüchen

Absätze 1 und 2 Artikel 52m nimmt den geltenden Artikel 32 BankG zum Vorbild. Auch im VAG soll die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen während eines auf Fortführung der Gesellschaft gerichteten Verfahrens erlaubt sein. Entsprechend sollen paulianische Klagen des Versicherungsunternehmens nach den Artikeln 285­292 SchKG bereits im Sanierungsverfahren zulässig sein, sobald der Sanierungsplan genehmigt ist, und nicht erst bei einer (allenfalls gar nicht stattfindenden) Liquidation (vgl. Abs. 1). Die Gläubigerinnen und Gläubiger sollen paulianische Ansprüche nur dann geltend machen können, wenn in einem in ihre Rechte eingreifenden Sanierungsplan die Anfechtung der genannten Rechtsgeschäfte durch das Versicherungsunternehmen nicht vorgesehen ist oder wenn dieses diese Ansprüche nicht 9030

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durchsetzt (vgl. Abs. 2). Jede Gläubigerin und jeder Gläubiger kann Forderungen zudem nur in dem Umfang geltend machen, in dem der Sanierungsplan in ihre oder seine Rechte eingreift (d. h. es findet keine Abtretung nach Art. 260 Abs. 1 SchKG statt). Das Anfechtungsrecht umfasst grundsätzlich auch Forderungen, die während des Sanierungsverfahrens eingegangen worden sind. Da die Sanierung indes unter Aufsicht der FINMA erfolgt, dürften gegenüber diesen Forderungen nur selten tatsächlich Anfechtungsgründe vorhanden sein.

Der in der Lehre gegenüber Artikel 32 BankG geäusserten Kritik an dieser Ungleichbehandlung der Gläubigerinnen und Gläubiger gegenüber dem gemeinrechtlichen Sanierungsverfahren ist zu entgegnen, dass für die von einer Beschneidung ihrer Rechte betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger die Kürzung ihres Anspruchs massgeblich ist, nicht aber die Frage, ob die Gesellschaft nach Beendigung des Verfahrens weiterbesteht oder nicht. Dass das zu sanierende Versicherungsunternehmen die anfechtbare Rechtshandlung mit der begünstigten Person abgeschlossen hat und somit die selbst herbeigeführte Handlung anficht, spielt für die Gläubigerinnen und Gläubiger ebenfalls keine Rolle, da in der Regel die FINMA einen Sanierungsbeauftragten einsetzt, der die Anfechtung vornimmt (soweit nicht ohnehin gemäss Abs. 2 eine Gläubigerin oder ein Gläubiger zur Anfechtung befugt ist).

Absatz 3 Der Sanierungsplan muss sofort umgesetzt werden und die allenfalls neuen Rechtsträger müssen ihre Funktionen umgehend ausüben können. Dies ist nicht möglich, solange auf dem Sanierungsplan basierende Rechtshandlungen, wie namentlich die Übertragung von Vermögenswerten, mit paulianischen Klagen nach den Artikeln 285 ff. SchKG angefochten werden können. Diese Klagen sind daher ebenfalls auszuschliessen und die allfällig in ihren Rechten Beeinträchtigten auf den Wertausgleich nach Artikel 52c Absatz 3 sowie den Beschwerdeweg nach Artikel 54d zu verweisen.

Absatz 4 Die Artikel 286­288 SchKG lassen die Anfechtung von Rechtshandlungen zu, welche in einem bestimmten Zeitraum vor der Pfändung oder Konkurseröffnung stattgefunden haben. Da es bei der Sanierung eines Versicherungsunternehmens ­ wie bei jener einer Bank ­ weder zur Pfändung noch zur Konkurseröffnung kommt, soll stattdessen auf den Zeitpunkt der Genehmigung des
Sanierungsplans durch die FINMA abgestellt werden (vgl. Abs. 4). Sollte allerdings bereits vorher durch die FINMA eine Schutzmassnahme nach Artikel 51 Absatz 2 Buchstaben a, b, d, e und i verfügt worden sein, so wäre der Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung massgeblich.

Absatz 6 Für die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen wird in Ermangelung einer zu Artikel 39 BankG analogen Verweisungsnorm unmittelbar auf die Bestimmungen zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeit (Art. 752­760 OR) verwiesen.

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2b. Abschnitt: Versicherungskonkurs Art. 53

Konkurseröffnung

Diese Bestimmung ist aufgrund der Neuregelung des Sanierungsrechts anzupassen, ohne dass der materielle Inhalt sich ändert. Sie entspricht Artikel 33 BankG. Der Tatbestand im geltenden Artikel 53 Absatz 1 regelt das, was im E-VAG in Artikel 51a geregelt wird. (Damit der Konkurs eröffnet wird, muss begründete Besorgnis bestehen, dass das Versicherungsunternehmen überschuldet ist oder Liquiditätsprobleme hat.) Darum genügt im neuen Absatz 1 der Verweis auf Artikel 51a Absatz 1. Absatz 2 wird aufgrund der Neuregelung von Artikel 51a obsolet.

Art. 54 Abs. 2 und 3 Die Absätze 2 und 3 werden neu in Absatz 2 zusammengeführt, wobei aus Gründen der Klarheit der mehrdeutige und unklare Begriff der Anordnung im geltenden Absatz 3 gestrichen wird. Materielle Änderungen werden nicht vorgenommen. Mit dem neuem Absatz 3 wird die FINMA ermächtigt, das Verfahren näher zu regeln.

Art. 54a

Forderungen Versicherter aus Versicherungsverträgen

Absatz 1 sieht eine allgemeine Privilegierung der Versicherten in der Gläubigerhierarchie nach SchKG vor. In Abweichung zum SchKG wird hier festgehalten, dass Forderungen der Versicherten aus Versicherungsverträgen im Konkurs zwar grundsätzlich der zweiten Klasse zugeordnet, aber erst nach Erfüllung aller anderen Forderungen der zweiten Klasse aus der Konkursmasse befriedigt werden. Zu beachten ist, dass durch das gebundene Vermögen gemäss Artikel 17 besicherte Forderungen weiterhin besonders privilegiert bleiben und vorgängig befriedigt werden, noch bevor die Rangordnung der Gläubigerinnen und Gläubiger zum Tragen kommt (vgl.

geltender Art. 54a Abs. 2 bzw. den neuen Art. 54abis).

Die Terminologie in Absatz 1 soll im Sinne der Klarheit zudem vereinheitlicht werden. Neu wird die Formulierung «Forderungen von Versicherten aus Versicherungsverträgen» verwendet. Damit wird klargestellt, dass nur die Versicherten, nicht aber die Gegenpartei (Vertragspartner) privilegiert sind und sich die Privilegierung einzig auf Forderungen aus einem Versicherungsvertrag beschränkt.

Art. 54abis

Gebundenes Vermögen

Absatz 1 Absatz 1 wird aus dem bisherigen Artikel 54a Absatz 2 übernommen und insoweit angepasst, als neu allfällige Überschüsse aus einem gebundenen Vermögen zuerst anteilig auf die übrigen gebundenen Vermögen des Versicherungsunternehmens verteilt werden. Sie fallen erst dann in die allgemeine Konkursmasse, wenn sämtliche durch gebundene Vermögen besicherte Forderungen gedeckt sind.

Absatz 2 Der Konkursliquidator erhält die Kompetenz, Forderungen der Versicherten, die durch ein gebundenes Vermögen besichert sind, vor Rechtskraft des Kollokations9032

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plans einzeln zu befriedigen. Diese Kompetenz war bis anhin in Artikel 35 Absatz 2 VKV-FINMA geregelt und wird nun angepasst und auf Gesetzesstufe verankert. Mit dieser Möglichkeit des Konkursliquidators wird eine wesentliche Beschleunigung der Auszahlung erreicht, denn die Rechtskraft des Kollokationsplans muss nicht mehr abgewartet werden. Eine Auszahlung könnte sonst über Jahre hinweg blockiert sein. Der Auszahlung werden jedoch insoweit Schranken gesetzt, als alle Versicherten finanziell gleich behandelt und am Ende des Verfahrens eine anteilmässig gleich hohe Konkursdividende erhalten müssen (Bst. a). Dies bedingt, dass der Konkursliquidator eine Abschätzung der Gesamthöhe der Forderungen vornehmen muss, und wird wohl dazu führen, dass Versicherungsleistungen vorweg nicht vollständig, sondern nur zu einem bestimmten Prozentsatz ausbezahlt werden können (sodass die Voraussetzung der finanziellen Gleichbehandlung auch im Worst-Case-Szenario sichergestellt ist). Hingegen besteht keine Pflicht, alle Versicherten zeitgleich auszubezahlen. Voraussetzung für die Auszahlung ist sodann, dass der Konkursliquidator nach einer provisorischen Überprüfung der Forderungen zum Schluss kommt, dass sich eine Aufnahme des auszubezahlenden Betrags in den Kollokationsplan rechtfertigt (Bst. b). Damit wird sichergestellt, dass nur Forderungen (oder Teilforderungen) ausbezahlt werden, welche der Konkursliquidator geprüft hat und als gerechtfertigt erachtet.

Absatz 3 Der Konkursliquidator hat zu Unrecht geleistete Zahlungen von der Empfängerin oder vom Empfänger zurückzufordern. Stellt sich heraus, dass der Konkursliquidator vorsätzlich oder grobfahrlässig pflichtwidrig gehandelt hat, so ist er haftbar für Schäden, welche der Konkursmasse durch die vorweg erfolgte Auszahlung entstanden sind.

Art. 54b

Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss

Hier erfolgen rein sprachliche Anpassungen.

Art. 54bbis

Bei Schutzmassnahmen oder im Sanierungsverfahren eingegangene Verbindlichkeiten

Diese Bestimmung entspricht der Regelung in Artikel 37 BankG. Sie legt fest, dass Verbindlichkeiten, die das Versicherungsunternehmen während der Dauer der von der FINMA angeordneten Massnahmen oder während eines Sanierungsverfahrens mit der Genehmigung der FINMA oder eines von dieser eingesetzten Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten eingehen durfte, im Falle einer Konkursliquidation des Versicherungsunternehmens vor allen anderen befriedigt werden. Damit werden diese Forderungen Massaverbindlichkeiten im Konkurs gleichgesetzt. Die Privilegierung erleichtert die Weiterführung der Gesellschaft im Sanierungsverfahren. Würde keine entsprechende Privilegierung statuiert werden, besteht die Gefahr, dass aufgrund des Ausfallrisikos das zu sanierende Versicherungsunternehmen keine Vertragspartner mehr findet und dadurch die Sanierung gefährdet wird.

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2c. Abschnitt: Verfahren Art. 54d

Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans

Mit einer Beschwerde gegen die Genehmigung des Sanierungsplans soll weder die Aufhebung noch die Anpassung des Sanierungsplans und damit auch keine Rückübertragung von Aktiven, Passiven und Vertragsverhältnissen verlangt werden können.

Angelehnt an die Bestimmung im Bankengesetz soll gewährleistet werden, dass eine Sanierung zeitgerecht und als Gesamtes durchgeführt werden kann, was im Interesse aller Beteiligten ist. Eine Behinderung der Sanierung durch langwierige Prozesse in Einzelfragen ist auf jeden Fall zu vermeiden. Die monetären Interessen der Gläubigerinnen und Gläubiger oder der Eignerinnen und Eigner sollen ausschliesslich mit einer Entschädigung abgegolten werden können. Als Beschwerdeführerin kann dabei auch das Versicherungsunternehmen zur Beschwerde legitimiert sein. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund sachgerecht, als eine Konkursliquidation für die Beteiligten als Gesamtheit grössere Nachteile zur Folge hätte als eine Sanierung, da eine Sanierung nur angeordnet werden darf, wenn die Voraussetzungen nach Art. 52j E-VAG erfüllt sind.

Damit die Weiterführung des sanierten Versicherungsunternehmens nicht verunmöglicht wird, indem das neue Kapital unmittelbar für Entschädigungszahlungen verwendet wird, soll eine allfällige Entschädigung in der Regel in Form von Aktien, anderen Beteiligungsrechten, Optionen oder Besserungsscheinen erfolgen. Entschädigungen in Geldform sind auch möglich, dürften aber die Ausnahme sein und eher bei kleineren Summen zum Tragen kommen. Um sicherzustellen, dass das Versicherungsunternehmen genügend Mittel hat, um eine Entschädigung auszurichten, können bereits im Rahmen des Sanierungsplans Vorbereitungshandlungen getroffen werden. So könnte zum Beispiel ein Teil der neu geschaffenen Aktien zurückbehalten und (noch) nicht an die betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger verteilt werden. Die Aktien würden in das Eigentum des Versicherungsunternehmens, als eigene Aktien, übertragen werden. Damit würde den Gläubigerinnen und Gläubigern der gleiche Wert zukommen, wie wenn man ihnen die gesamthaft ausstehenden Aktien zuteilen würde. Würde das Gericht nachträglich eine Entschädigung anordnen, könnten diese zurückbehaltenen Aktien den obsiegenden Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern zugeteilt werden.

Art. 54e

Beschwerden der Gläubiger und Eigner bei Insolvenzmassnahmen

In der heute geltenden Fassung regelt Artikel 54e die Beschwerderechte einzig in Bezug auf das Konkursverfahren. Zufolge der Einführung eines umfassenden Insolvenzrechts im VAG ist sein Anwendungsbereich in Analogie zu Artikel 24 BankG entsprechend auszuweiten, wobei der Artikel gleichzeitig eine neue Nummerierung erhält. Die Schutzmassnahmen nach Artikel 51 fallen dabei nur dann in den Anwendungsbereich der vorliegenden Bestimmung, wenn sie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gemäss Artikel 51a Absatz 1 angeordnet werden. Entsprechend wird auch die Sachüberschrift angepasst. Die Bestimmung wurde bereits mit der Verabschiedung des FINIG angepasst. Sie wird nun vorliegend auf die neuen Verfahrensbestimmungen zum Sanierungs- und Konkursrecht ausgedehnt.

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Gemäss Absatz 1 haben die Gläubigerinnen und Gläubiger und Eignerinnen und Eigner eines Versicherungsunternehmens (oder einer wesentlichen Gruppen- oder Konglomeratsgesellschaft) ­ analog zur Bankeninsolvenz (vgl. Art. 24 Abs. 2 BankG) ­ lediglich ein Beschwerderecht gegen die Genehmigung des Sanierungsplans (vgl. Art. 52j), gegen Verwertungshandlungen sowie gegen die Genehmigung der Verteilungsliste und der Schlussrechnung (vgl. Art. 54c in der Version des FINIG).

Eine Präzisierung zum Beschwerdegegenstand der Verwertungshandlung im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b wird in Absatz 2 vorgenommen. Dies vor dem Hintergrund, dass dem Konkursliquidator im Konkursverfahren eines Versicherungsunternehmens keine Verfügungskompetenz zukommen soll. Die Verwertungshandlungen des Konkursliquidators sind (anders als die durch die FINMA erfolgenden Genehmigungen des Sanierungsplans, der Verteilungsliste oder der Schlussrechnung) entsprechend auch keine Verfügungen im Sinne des VwVG, da sie keine Rechte oder Pflichten begründen, ändern oder aufheben und auch sonst keinen Tatbestand nach Artikel 5 VwVG erfüllen. Vielmehr handelt es sich hier um Realakte im Sinne von Artikel 25a VwVG, also um Handlungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und Rechte und Pflichten berühren. Wer ein schutzwürdiges Interesse hat, kann über solche Realakte von der für die Handlung zuständigen Behörde eine Verfügung und darin insbesondere das Feststellen oder Unterlassen einer widerrechtlichen Handlung verlangen. Absatz 2 bildet diese Bestimmung ab und gibt einer von einer Verwertungshandlung berührten Person das Recht, von der FINMA eine Verfügung zu verlangen. Da der Konkursliquidator in der Regel eine Verwertungshandlung vorankündigt, wird die berührte Person eine Verfügung auf Feststellung der Widerrechtlichkeit beantragen können. Artikel 25a VwVG entsprechend wird die FINMA in ihrer Verfügung eine Prüfung der Widerrechtlichkeit, nicht aber der Angemessenheit der Verwertungshandlung vornehmen.

Art. 54f

Fristen

Die Bestimmung legt im Interesse der Klarheit die Fristen und den Beginn des Fristenlaufs in den verschiedenen Beschwerdeverfahren fest.

Art. 54g

Aufschiebende Wirkung

Diese Norm entspricht der aktuellen Rechtsgrundlage bezogen auf das Konkursrecht (Art. 54e Abs. 3 in der Version des FINIG). Die Regelung wird um die nun neu regulierten Schutzmassnahmen im Insolvenzfall und das Sanierungsverfahren erweitert.

Besteht die begründete Besorgnis, dass ein Versicherungsunternehmen überschuldet ist oder ernsthafte Liquiditätsprobleme hat, und ordnet die FINMA nach Artikel 51a Absatz 1 Schutzmassnahmen, ein Sanierungsverfahren oder den Versicherungskonkurs an, so ist allfälligen Beschwerden die aufschiebende Wirkung grundsätzlich entzogen. Die Instruktionsrichterin oder der Instruktionsrichter kann die aufschiebende Wirkung auf Gesuch hin erteilen, jedoch insbesondere nicht für Beschwerden gegen die Genehmigung des Sanierungsplans.

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Art. 54h

Nationaler Garantiefonds

Obwohl dem Nationalen Garantiefonds (NGF) keine direkten Forderungsrechte gegenüber dem zu sanierenden beziehungsweise konkursiten Versicherungsunternehmen zukommen, ist seine Auszahlungspflicht direkt vom Ausgang des Insolvenzverfahrens abhängig. Aus diesem Grund sollen dem NGF die Rechte eines Gläubigers zukommen, soweit ihm aus der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens Aufgaben gemäss Artikel 76 Absatz 2 Buchstabe b SVG erwachsen.

Art. 54i

Anerkennung ausländischer Konkursdekrete und Massnahmen

Im geltenden Recht (Art. 54d) wird betreffend die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete und Insolvenzmassnahmen sowie die Koordination mit ausländischen Insolvenzmassnahmen auf die sinngemässe Anwendung der Artikel 37f und 37g BankG verwiesen. Die vorgeschlagenen Regelungen in den Artikeln 54h und 54i E-VAG erhöhen die Transparenz und normieren die Anerkennung von Konkursdekreten und Insolvenzmassnahmen eigenständig und ohne Verweis auf das BankG.

Artikel 54i E-VAG übernimmt die bis anhing aufgrund des Verweises auf Artikel 37g BankG aufgestellten Regeln über die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete und Massnahmen. Materiell ergibt sich somit keine Änderung zum jetzigen Regelungsgehalt. Einzige Ausnahme betrifft Absatz 2 Buchstabe a. Die gleichwertige Behandlung im Ausland wird über die nach Artikel 219 SchKG pfandgesicherten und privilegierten Forderungen von Gläubigerinnen und Gläubigern mit Wohnsitz in der Schweiz auf Forderungen aus Versicherungsverträgen, für die nach Artikel 17 Sicherstellung geleistet wird, erweitert. Die eigenständige Regulierung im VAG erlaubt, die Privilegierung des gebundenen Vermögens auch im Rahmen der Anerkennung explizit im Gesetz zu verankern, und schliesst damit eine bisher bestandene Lücke.

Art. 54j

Koordination mit ausländischen Verfahren

Dieser Artikel wurde anstelle des Verweises auf Artikel 37f BankG eingefügt. Er entspricht Artikel 37f BankG, womit keine materielle Änderung entsteht.

3. Abschnitt (Gliederungstitel, Art. 55 und 56) Die Artikel 55 und 56 sind infolge der Regelung des Sanierungsverfahrens obsolet und darum aufzuheben. Sie sahen im Insolvenzfall die Möglichkeit vor, dass trotz erfolgter Konkurseröffnung Lebensversicherungsverträge weiterlaufen können. Ziel der Weiterführung war es, dass auch im Nachgang an die Insolvenz diese Verträge durch eine Übertragung auf ein anderes Versicherungsunternehmen aufrechterhalten werden können. Eine derartige mit den Regeln des Konkursrechts im Konflikt stehende Lösung ist künftig nicht mehr notwendig, da nun im Insolvenzfall mit einer möglichen Übertragung dieser Versichertenverträge auf eine andere Gesellschaft das besser geeignete Sanierungsverfahren zur Anwendung gelangen kann.

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4. Abschnitt (Gliederungstitel) Der Gliederungstitel des 4. Abschnitts wird an die neue Terminologie angepasst.

Art. 67

Instrumente der Gruppenaufsicht

Bereits mit der Verabschiedung des FINIG ist in der Bestimmung, wie in den übrigen Finanzmarktgesetzen auch, die unbestrittene Bewilligungspraxis der FINMA ausdrücklich verankert worden, dass auch das beaufsichtigte Institut ­ vorliegend die Versicherungsgruppe ­ selbst Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten muss (vgl. Art. 11 FINIG).

Absätze 1 und 2 Wie bereits unter geltendem Recht wird bestimmt, dass die Gewährspersonen auf Gruppenstufe einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten müssen.

Sodann muss auch die Versicherungsgruppe selbst Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten (vgl. Fassung gemäss Anhang Ziff. II 19 FINIG30, in Kraft seit dem 1. Januar 2020).

Das neue Recht hält an diesen wichtigen Anforderungen fest. Insbesondere das europäische Recht und die internationalen Standards (ICP und ComFrame31) legen ebenfalls ein grosses Augenmerk auf die Gewährspersonen auf Gruppenstufe, womit die Regelung auch im internationalen Kontext eingebettet ist.

Absatz 3 Die Versicherungsgruppe muss so organisiert sein, dass sie insbesondere alle wesentlichen Risiken erfassen, begrenzen und überwachen kann.

Der Verweis auf das qualitative Risikomanagement ist damit umfassend und betrifft grundsätzlich alle Aspekte, die auch in der Einzelaufsicht massgebend sind, übertragen auf die Gruppenstufe. Zu erwähnen sind insbesondere das Risikomanagement gemäss Artikel 22 VAG, die interne Überwachung der Geschäftstätigkeit gemäss Artikel 27 VAG, die Sicherstellung der Kontrollfunktionen und der aktuariellen Funktion und Verantwortung auf Gruppenstufe.

Die Regelung entspricht Artikel 3f BankG und führt damit auch zu einer gewünschten Harmonisierung der Finanzmarktaufsicht in einem Gebiet, in welchem eine solche Angleichung auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Geschäftsmodelle von Versicherungen und Banken sinnvoll erscheint.

Diese Art von Verweis findet auch in der EU nach einer vergleichbaren Logik statt32. Die Überlegungen finden sich sodann in den ICP und in ComFrame: Dort 30 31

32

AS 2018 5247, 2019 4631 International Association of Insurance Supervisors IAIS, Insurance Core Principles and Common Framework for the Supervision of Internationally Active Insurance Groups, November 2019. Abrufbar unter www.iaisweb.org.

Vgl. Artikel 246 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungsund der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1.

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wird das qualitative Risikomanagement gleichermassen umfassend auf Gruppenstufe gefordert.

Absatz 4 Versicherungsgruppen sind verpflichtet, Stabilisierungspläne auszuarbeiten. Damit soll im Rahmen der Prävention sichergestellt werden, dass Versicherungsgruppen Vorkehrungen treffen, wonach ihre Einheiten beim Auftreten finanzieller Probleme adäquat reagieren können (z. B. Reduktion der Risiken, Veräusserung von Vermögensteilen, Portfoliotransfer usw.). Diese Massnahmen sind von den Versicherungsgruppen selbst zu treffen. Diese Stabilisierungspläne entsprechen den gemäss internationalen Standards geforderten Recovery-Plänen.

Die FINMA kann von Versicherungsgruppen weitere Massnahmen zur Intervention in Krisen oder bei finanzieller Destabilisierung verlangen, insbesondere Abwicklungspläne. Diese Anforderung entspricht den gemäss internationalen Standards geforderten Resolution-Plänen. Mit der Kann-Vorschrift soll zum Ausdruck gegeben werden, dass die FINMA hier eine risikoorientierte Betrachtung vornehmen kann.

Die Anforderungen dieses Absatzes können auch auf Subgruppen angewendet werden.

Absatz 5 Die weitere Umsetzung von ComFrame soll auf Stufe AVO durch den Bundesrat erfolgen. Dies erhöht die Flexibilität in der Umsetzung internationaler Standards.

Entsprechend hält Absatz 5 die dazugehörige Kompetenz des Bundesrates fest.

Art. 69

Solvabilität

Neben den einzelnen Versicherungsunternehmen hat auch eine Versicherungsgruppe als Ganzes die Vorschriften zur Solvabilität gemäss den Artikel 9­9c E-VAG zu erfüllen. Damit ist sichergestellt, dass das gesamte risikotragende Kapital der Versicherungsgruppe jederzeit ausreicht, die Risiken, denen die Versicherungsgruppe ausgesetzt ist, abzudecken.

Art. 71

Auskunfts- und Meldepflicht

Der Auskunfts- und Meldepflicht nach Artikel 29 FINMAG unterstehen ebenfalls wesentliche Gruppengesellschaften sowie natürliche oder juristische Personen, welche im Rahmen einer Auslagerung wesentliche Funktionen für wesentliche Gruppengesellschaften erbringen.

Art. 71bis

Geschäftsplan

Absatz 1 Buchstabe G des Geschäftsplans soll neu für die oberste Konzerngesellschaft der Gruppe gelten, damit das Führungspersonal der Holding bzw. des Stammsitzes einer Genehmigungspflicht unterzogen werden kann.

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BBl 2020

Absatz 2 Der FINMA wird zudem die Möglichkeit eingeräumt, die Regeln betreffend Buchstabe G des Geschäftsplans für die übrigen wesentlichen Gruppengesellschaften mittels Verfügung als anwendbar zu erklären. Die FINMA wird von dieser Kompetenz nur Gebrauch machen, wenn dies aufgrund der Umstände als gerechtfertigt erscheint.

Art. 75

Instrumente der Konglomeratsaufsicht

Die Instrumente der Gruppen- und der Konglomeratsaufsicht sind in jeder Hinsicht identisch. Es wird daher auf die Erläuterungen zu Artikel 67 verwiesen.

Art. 77

Solvabilität

Mit den vorgenommenen Änderungen wird spiegelbildlich festgehalten, dass die Bestimmungen zur Solvabilität für Versicherungskonglomerate genauso gelten wie für einzelne Versicherungsunternehmen. Die Anforderungen sind letztlich identisch, was mit dem Verweis auf die Artikel 9­9c in Absatz 2 festgehalten wird.

Art. 79bis

Geschäftsplan

Absatz 1 Buchstabe G des Geschäftsplans soll für die oberste Konzerngesellschaft des Konglomerats gelten, damit das Führungspersonal der Holding bzw. des Stammsitzes einer Genehmigungspflicht unterzogen werden kann.

Absatz 2 Der FINMA wird zudem die Möglichkeit eingeräumt, die Regeln betreffend Buchstabe G des Geschäftsplans für die übrigen wesentlichen Konglomeratsgesellschaften mittels Verfügung als anwendbar zu erklären. Die FINMA wird von dieser Kompetenz nur Gebrauch machen, wenn dies aufgrund der Umstände als gerechtfertigt erscheint.

7. Kapitel: Herausgabe von Dokumenten an die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer Die neuen Bestimmungen zur Herausgabe von Dokumenten orientieren sich an den Vorgaben für Finanzdienstleister nach den Artikeln 72 und 73 FIDLEG.

Art. 80

Anspruch

Voraussetzung für eine effektive Rechtsdurchsetzung ist die genügende Kenntnis über eine Geschäfts- und Rechtsbeziehung. Dies giltsowohl für die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler und die Versicherungsunternehmen als auch für die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer. Dementsprechend sieht diese Bestimmung vor, dass die Versicherungsnehmerin oder der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie des Kundendossiers sowie sämtlicher Dokumente hat, welche die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler oder das 9039

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Versicherungsunternehmen im Rahmen der Geschäftsbeziehung erstellt hat. Damit wird eine Lücke des Kundenschutzes im geltenden Recht geschlossen, soweit sich ein solcher Anspruch bisher nicht bereits aus den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen wie insbesondere Treu und Glauben ergibt. Erfasst werden dabei sowohl Dokumente oder Unterlagen in Papierform als auch entsprechende elektronische oder elektronisch geführte Dokumente, Dateien oder Aufzeichnungen aller Art, soweit es sich dabei um die massgebenden Informationen und Dokumentationen handelt, zu deren Führung die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen verpflichtet ist (vgl. beispielsweise die Art. 30b, 39h, 45 und 45a). Ausgenommen davon sind rein interne Dokumente wie vorbereitende Studien, Notizen oder (Vertrags-)Entwürfe, bezüglich welcher gerade keine Informations- oder Dokumentationspflicht besteht und die daher für die Überprüfung des vertrags- und gesetzeskonformen Verhaltens der Versicherungsvermittlerin oder des Versicherungsvermittlers oder des Versicherungsunternehmens nicht relevant sind (vgl. BGE 139 III 49 E.4.). Ebenfalls ausgenommen ist die mit der Ombudsstelle im Rahmen einer Streitigkeit geführte Korrespondenz, selbst wenn sich diese im Kundendossier befinden sollte.

Absatz 2 Vorbehältlich einer anderen Vereinbarung hat die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen auf Verlangen der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers eine physische Kopie der Dokumente beziehungsweise eine physisch wahrnehmbare Form der elektronischen Daten zu übergeben.

Art. 81

Verfahren

Absatz 1 Der Herausgabeanspruch ist von der Versicherungsnehmerin oder vom Versicherungsnehmer mittels schriftlichen Gesuchs an die Versicherungsvermittlerin oder den Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen geltend zu machen, welche nach Erhalt 30 Tage Zeit haben, um der Versicherungsnehmerin oder dem Versicherungsnehmer eine Kopie der Dokumente und Unterlagen zukommen zu lassen.

Absatz 2 Die erstmalige Herausgabe dient der gegenseitigen Transparenz im Vertragsverhältnis und begründet keinen Anspruch auf Entschädigung oder Aufwendungsersatz.

Die entsprechende Pflicht steht zudem in unmittelbarem Zusammenhang mit der ohnehin geforderten Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Dokumentations-, Rechenschafts- und Informationspflichten.

Absatz 3 Eine Weigerung oder eine unvollständige Herausgabe seitens der Versicherungsvermittlerin oder des Versicherungsvermittlers oder des Versicherungsunternehmens kann in einem späteren Rechtsstreit zwischen denselben Parteien beim Entscheid über die Prozesskosten berücksichtigt werden, da sich eine Versicherungsnehmerin

9040

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oder ein Versicherungsnehmer in einem solchen Fall in guten Treuen zu einer Klage veranlasst sehen kann.

7a. Kapitel: Ombudsstellen Die Position einzelner Versicherungsnehmerinnen und -nehmer wird nur dann effektiv verbessert, wenn diese mit den Mitteln der privaten Rechtsdurchsetzung erfolgreich gegen ein allfälliges Fehlverhalten des Versicherungsunternehmens oder der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler vorgehen können. Die vorliegende Revision des VAG sieht deshalb eine Stärkung des Ombudswesens vor. Unter der neuen Regelung soll das heute freiwillige Ombudswesen gesetzlich verankert und auf Streitigkeiten zwischen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern und ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern ausgedehnt werden. Die Ombudsstellen sollen weiterhin ausschliesslich zwischen den Parteien vermitteln und keine Entscheidkompetenz erhalten.

Das VAG regelt in Anlehnung an die Bestimmungen des FIDLEG die Grundsätze dieses besonderen Streitbeilegungsverfahrens (Art. 82­82b), die Pflichten der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler und Versicherungsunternehmen (Art. 82c­82i) sowie die Anerkennung der Ombudsstellen (Art. 83­83c).

1. Abschnitt: Vermittlung Das im schweizerischen Zivilprozessrecht (vgl. heute Art. 197 der Zivilprozessordnung33; ZPO) seit Langem verankerte und bewährte Prinzip «Zuerst schlichten, dann richten» soll für zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern und Versicherungsunternehmen und ihren Versicherungsnehmerinnen und -nehmern ausdrücklich festgehalten werden.

Dies steht auch in Übereinstimmung mit heutigen anerkannten internationalen Standards, namentlich den Empfehlungen der G-20 und der Weltbank34 sowie auch mit den Vorgaben zur aussergerichtlichen Streitbeilegung nach dem EU-Recht35.

Aufgrund der Besonderheiten tatsächlicher und rechtlicher Natur solcher Streitigkeiten sollen entsprechende Vermittlungsverfahren in Zukunft von besonderen Ombudsstellen durchgeführt werden, wie sie im Privatversicherungsbereich mit dem Versicherungsombudsman der Privatversicherung und der Suva bereits besteht (vgl.

dazu auch vorne unter Ziff. 4.1.4). Den Ombudsstellen soll (weiterhin) keine Entscheidungsbefugnis zustehen. Gegenstand der Verfahren sind nicht nur eigentliche Streitigkeiten über Forderungen, sondern jegliche Art von Rechtsansprüchen, wie der Anspruch auf Herausgabe von Dokumenten.

33 34

35

SR 272 G20 High-Level Principles on Financial Consumer Protection, Oktober 2011; Weltbank, Resolving Disputes between Consumers and Financial Businesses: Fundamentals for a Financial Ombudsman, Januar 2012.

Vgl. Art. 15 (1) der Richtlinie 2016/97/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Neufassung), ABl. L 26/19, sowie Artikel 75 (1) der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 909/2014, ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1 («MiFID II»).

9041

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Art. 82

Grundsatz

Voraussetzung dafür, dass Differenzen mit Versicherungsunternehmen oder mit ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern überhaupt vor eine Ombudsstelle gebracht werden können, ist, dass sich diese Marktteilnehmer einer Ombudsstelle anschliessen.

Mit dieser Vorlage wird neu im Bereich der Versicherungen die gesetzliche Pflicht aufgenommen, nach der sich die Versicherungsunternehmen und die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler einer Ombudsstelle anzuschliessen haben. Der Nachweis des Anschlusses ist bei Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern Voraussetzung für die Eintragung ins Vermittlerregister (Art. 41 Abs. 2 Bst. e); für die Versicherungsunternehmen ist der Anschluss Bewilligungsvoraussetzung (Art. 6 Abs. 1).

Art. 82a

Verfahren

Artikel 82a konkretisiert die massgebenden Grundsätze des Vermittlungsverfahrens.

Auch diese basieren auf allgemeinen und international anerkannten Standards36 und entsprechen der Regulierung des Vermittlungsverfahrens bei Streitigkeiten zwischen Finanzdienstleistungskundinnen und -kunden und Banken oder anderen Finanzdienstleistern.

Absatz 1 Absatz 1 legt dem Sinn und Geist des Vermittlungsverfahrens folgend fest, dass dieses unbürokratisch, fair, rasch, unparteiisch und für die Versicherungsnehmerin und den Versicherungsnehmer kostengünstig oder kostenlos sein muss.

Absatz 2 Absatz 2 statuiert die Vertraulichkeit des Verfahrens vor einer Ombudsstelle. Damit soll den Parteien das Suchen und Finden einer Einigung erleichtert werden. Entsprechend hält die Bestimmung ­ wie Artikel 75 Absatz 2 FIDLEG für das Vermittlungsverfahren oder Artikel 205 Absatz 1 ZPO für das Schlichtungsverfahren ­ auch fest, dass die Aussagen der Parteien sowie die zwischen einer Partei und der Ombudsstelle geführte Korrespondenz in einem anderen Verfahren und damit insbesondere in einem späteren Zivilprozess nicht verwendet werden dürfen. Eine Ausnahme gilt für die Verfahrensabschlussmitteilung der Ombudsstelle nach Absatz 8, die auch eine rechtliche Einschätzung der Ombudsstelle und damit einen Vorschlag zur Streitbeilegung enthalten kann.

Absatz 3 Ähnliche Überlegungen wie in Absatz 2 gelten auch für die Regelung in Absatz 3.

Aussagen, welche die Parteien nur gegenüber der Ombudsstelle gemacht haben, sollen vertraulich behandelt werden. Deshalb haben die Parteien kein Anrecht auf Einsicht in die Korrespondenz der jeweils anderen Partei.

36

Vgl. zum Beispiel Ziffer 9 "G20 High-Level Principles on Financial Consumer Protection", Oktober 2011; Weltbank, Resolving Disputes between Consumers and Financial Businesses: Fundamentals for a Financial Ombudsman, Januar 2012, S. 45 ff.

9042

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Absatz 4 Absatz 4 regelt die kumulativen Voraussetzungen, unter denen ein Vermittlungsgesuch zulässig ist.

Absatz 5 Mit dieser Regelung zur anwendbaren Amtssprache soll den individuellen Besonderheiten der Geschäftsbeziehung zwischen der Versicherungsvermittlerin oder dem Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen und der Versicherungsnehmerin oder dem Versicherungsnehmer Rechnung getragen werden können.

Absatz 6 Hier werden die zwei zentralen Punkte des Vermittlungsverfahrens ­ die Weisungsungebundenheit der Ombudsstelle und die freie Würdigung der Sach- und Rechtslage ­ festgehalten. Diese Verfahrensgrundsätze sollen ein dem Rechtsstaat genügendes Vermittlungsverfahren garantieren.

Absatz 7 Die Bestimmung hält weiter fest, dass die Ombudsstelle die zweckmässigen Massnahmen für die Durchführung des Vermittlungsverfahrens trifft. Namentlich hört sie die Parteien an und gibt ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme. Allerdings kann daraus kein gesetzlicher Anspruch auf die Durchführung eines mündlichen Verfahrens abgeleitet werden. Es ist aber den Ombudsstellen anheimgestellt, im Verfahrensreglement einen entsprechenden Anspruch vorzusehen.

Absatz 8 Die Ombudsstellen können eine Einschätzung der Streitigkeit vornehmen und diese in die Verfahrensabschlussmitteilung als Vorschlag für die Streitbeilegung aufnehmen. Das Vermittlungsverfahren endet alternativ mit dem Rückzug des Gesuchs, einer Einigung der Parteien oder der Ablehnung eines Schlichtungsvorschlags durch mindestens eine Partei, aber auch mit der Ablehnung des Gesuchs durch die Ombudsstelle zufolge Missbräuchlichkeit.

Art. 82b

Verhältnis zum Schlichtungsverfahren und zu anderen Verfahren

Die Bestimmung regelt das Verhältnis zwischen dem besonderen Vermittlungsverfahren vor einer anerkannten Ombudsstelle und den allgemeinen Verfahren, wie sie das Zivilprozessrecht zur Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen und Forderungen vorsieht. Grundsätzlich gilt, dass die allgemeinen Zivilverfahren vom besonderen Vermittlungsverfahren unabhängig bleiben sollen und damit sämtliche Verfahrensrechte und -garantien aller Betroffenen vollständig erhalten bleiben. Dies gilt insbesondere hinsichtlich örtlicher, sachlicher und funktioneller Zuständigkeit, aber auch hinsichtlich des rechtlichen Gehörs sowie des Anspruchs auf ein unabhängiges und unparteiisches, gesetzliches Gericht (Art. 6 EMRK37).

37

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; SR 0.101.

9043

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Absatz 1 Nach Absatz 1 schliesst ein Vermittlungsgesuch die Einreichung einer Zivilklage nicht aus. Praktisch bedeutsam ist dies dann, wenn eine Versicherungsvermittlerin oder ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen ein Vermittlungsgesuch gestellt hat. Auch in diesen Fällen soll der Versicherungsnehmerin oder dem Versicherungsnehmer der Zugang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit unverändert offenstehen. Im umgekehrten Falle trifft die Versicherungsvermittlerin oder der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen die Pflicht zur Teilnahme am Verfahren vor der Ombudsstelle.

Absatz 2 Die Durchführung eines Schlichtungsversuchs, wie es die ZPO vor dem Entscheidverfahren vorsieht (vgl. Art. 197 ZPO), ist in den Fällen, bei denen bereits ein Verfahren zur Vermittlung erfolglos durchgeführt wurde, nicht mehr sinnvoll. Daher wird in Absatz 2 festgehalten, dass die Partei, welche sich nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens zur Klageeinleitung entscheidet, einseitig auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nach ZPO verzichten kann (vgl. dazu auch die Ausführungen zur entsprechenden parallelen Bestimmung in Art. 199 Abs. 2 Bst. e ZPO unter Ziff. 0).

Absatz 3 Da ein Verfahren vor einer Ombudsstelle grundsätzlich ohne Einfluss auf den Gang der ordentlichen Gerichtsbarkeit bleibt, sieht Absatz 3 vor, dass die Ombudsstelle das Verfahren beendet, sobald eine Schlichtungsbehörde, ein Gericht, ein Schiedsgericht oder eine Verwaltungsbehörde mit der Sache befasst ist.

2. Abschnitt: Pflichten der Versicherungsunternehmen sowie der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler Art. 82c

Anschlusspflicht

Absatz 1 Damit Versicherungsnehmerinnen und -nehmern in Zukunft für alle Streitigkeiten die Möglichkeit eines Vermittlungsverfahrens vor einer Ombudsstelle offensteht, sieht Artikel 82c für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie die Versicherungsunternehmen die Pflicht vor, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen: Wer als Versicherungsvermittlerin, -vermittler oder Versicherungsunternehmen im Sinne des VAG tätig ist, hat sich spätestens mit der Aufnahme seiner Tätigkeit einer anerkannten Ombudsstelle anzuschliessen.

Soweit Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsunternehmen von der FINMA beaufsichtigt werden, prüft diese im Rahmen ihrer Aufsicht auch die Erfüllung dieser Anschlusspflicht. Bei ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern ist der Anschluss an eine anerkannte Ombudsstelle Voraussetzung für die Registrierung im Beraterregister (vgl. Art. 41 Abs. 2 Bst. e).

Nicht anwendbar sind ­ gestützt auf die entsprechenden Spezialbestimmungen in diesem Gesetz ­ die Vorschriften über die Vermittlung (Art. 82­82b) sowie die 9044

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Pflichten der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittlern und Versicherungsunternehmen (Art. 82c­82i) auf (1) Versicherungsunternehmen, die professionelle Versicherungsnehmer versichern (Art. 30a), (2) die konzerninterne Direkt- und Rückversicherung (Art. 30d Abs. 1) sowie (3) auf die Rückversicherung (Art. 35 Abs. 1). Entsprechend besteht für Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, die ausschliesslich Rückversicherungsverträge oder ausschliesslich konzernintern Versicherungsverträge vermitteln, auch keine Pflicht, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen (Art. 82c).

Absätze 2 und 3 Dem EFD kommt die Kompetenz zu, eine Ombudsstelle zu verpflichten, einzelne Versicherungsvermittlerinnen oder -vermittler oder einzelne Versicherungsunternehmen aufzunehmen, falls diese keine Möglichkeit haben, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen. Sofern mehrere Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler oder einzelne Versicherungsunternehmen insgesamt keinen Anschluss an eine geeignete Ombudsstelle finden, kommt dem Bundesrat darüber hinaus die Kompetenz zu, eine neue Ombudsstelle zu errichten oder eine zu bezeichnen.

Im Bereich der Privatversicherungen bestehen bereits heute zwei Ombudsstellen: die Stiftung «Ombudsman der Privatversicherung und der Suva» sowie die «Ombudsstelle Krankenversicherung». Es ist davon auszugehen, dass für die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler eine neue Ombudsstelle geschaffen wird. Sollte dies wider Erwarten nicht durch die Branche erfolgen, müsste der Bundesrat von der Kompetenz nach Absatz 3 Gebrauch machen. Dabei kann schon heute gesagt werden, dass keine Absicht besteht, die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler den beiden oben erwähnten bestehenden Ombudsstellen zuzuweisen, soweit diese Ombudsstellen dem nicht zustimmen würden.

Die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Anschlusses an eine anerkannte Ombudsstelle sowie die Rechte und Pflichten der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsunternehmen ihr gegenüber bestimmen sich grundsätzlich nach dem Organisationsreglement der entsprechenden Ombudsstelle (siehe dazu auch Ziff. 4.1.4).

Art. 82d

Teilnahmepflicht

Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, an einem Vermittlungsverfahren teilzunehmen, wenn sie von einem Gesuch einer Versicherungsnehmerin oder eines Versicherungsnehmers betroffen sind (Abs. 1). Insbesondere haben sie damit an den Verfahrenshandlungen (Verhandlungen, Sachverhaltserstellung etc.) mitzuwirken und entsprechenden Vorladungen, Aufforderungen oder Anfragen fristgerecht nachzukommen (Abs. 2). Die Ombudsstelle ist selbstverständlich frei in der Wahl der zweckmässigen Verfahrenshandlungen, weshalb beispielsweise eine Versicherungsnehmerin oder ein Versicherungsnehmer nicht eine Vorladung einer Versicherungsvermittlerin, eines Versicherungsvermittlers oder eines Versicherungsunternehmens verlangen kann. Diese Entscheidung liegt im Ermessen der Ombudsstelle. Diese Teilnahmepflicht für

9045

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Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsunternehmen ­ wie sie zum Beispiel auch in England und Irland38 vorgesehen ist ­ gewährleistet über die Anschlusspflicht hinaus, dass auf ein entsprechendes Gesuch einer Versicherungsnehmerin oder eines Versicherungsnehmers hin effektiv ein Vermittlungsverfahren vor der Ombudsstelle zustande kommt.

Art. 82e

Pflicht zur Information

Zur praktischen Wirksamkeit der Möglichkeit der Vermittlung durch eine anerkannte Ombudsstelle ist es zentral, dass Versicherungsnehmerinnen und -nehmer überhaupt wissen, dass diese Möglichkeit besteht. Die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie die Versicherungsunternehmen sind daher zu zu verpflichten, sie entsprechend zu informieren. Zu informieren ist bei Eingehung einer Geschäftsbeziehung, bei einer Zurückweisung eines von der Versicherungsnehmerin oder dem Versicherungsnehmer geltend gemachten Rechtsanspruchs sowie auf deren oder dessen Ersuchen. Als geeignete Form steht die einfache Schriftlichkeit im Vordergrund, jedoch kann dies auch mittels E-Mail oder anderer an die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer gerichtete elektronische Kommunikation und Information erfolgen. Im Unterschied etwa zum Fernmelderecht wird aber davon abgesehen, die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer mit jeder Rechnung auf die Existenz der Ombudsstelle hinzuweisen (vgl. Art. 47 Abs. 3 FDV39).

Art. 82f

Finanzielle Beteiligung

Die anerkannten Ombudsstellen sollen nach dem Vorbild der beiden bisher bestehenden Ombudsstellen primär durch die ihnen angeschlossenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsunternehmen finanziert werden.

Dabei ist sowohl eine direkte als auch eine indirekte Finanzierung denkbar. Es ist somit möglich, dass die Branchenverbände als Inkassostelle fungieren und die Beiträge bei ihren Mitgliedern einfordern. Die Höhe der Beiträge der Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler sowie Versicherungsunternehmen bemisst sich nach der Beitrags- und Kostenordnung der entsprechenden Ombudsstelle. Sie ist in der Ausgestaltung der Beitragszahlung frei. So kann sie beispielsweise Gesamtbzw. Fallpauschalen oder eine Verfahrensgebühr für jedes einzelne Verfahren vorsehen. Eine finanzielle Beteiligung der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer kommt nur insofern in Betracht, als ihnen eine geringe Verfahrensgebühr auferlegt werden kann (vgl. auch Art. 82a Abs. 1). Die konkreten Regelungen sind in einer Beitrags- und Kostenordnung der entsprechenden Ombudsstelle vorzusehen.

38

39

Vgl. Contratto, Franca, Alternative Streitbeilegung im Finanzsektor, AJP 2012, S. 217 ff., 228; Weber, Rolf H., Anlegerschutz durch regulatorisches Enforcement, in: Sethe/Hens/ von der Crone/Weber (Hrsg.), Anlegerschutz im Finanzmarktrecht kontrovers diskutiert, Zürich 2013, S. 319 ff., 331.

Verordnung vom 9. März 2007 über Fernmeldedienste (FDV); SR 784.101.1.

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3. Abschnitt: Aufnahme und Ausschluss Art. 82g

Aufnahme

Die Aufnahmepflicht der Ombudsstellen nach Artikel 82g bildet das logische Gegenstück der Anschlusspflicht der Versicherungsvermittlerinnen, Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen nach Artikel 82c. Ohne diese gesetzliche Pflicht besteht die Gefahr, dass eine Versicherungsvermittlerin, ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen unter Umständen bei keiner Ombudsstelle aufgenommen würde und damit ihrer oder seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen könnte. Besteht für einzelne Versicherungsvermittlerinnen, Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen keine Möglichkeit, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen, so kann das EFD eine Stelle zur deren Aufnahme verpflichten. Besteht für mehrere von ihnen keine Ombudsstelle, so kann der Bundesrat eine solche Stelle errichten (vgl. Art. 82c Abs. 3).

Art. 82h

Ausschluss

Verstösst eine Versicherungsvermittlerin, ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen wiederholt gegen seine Pflichten nach den Artikeln 82c­ 82f, so kann sie oder er von der Ombudsstelle ausgeschlossen werden (Art. 82h).

Art. 82i

Informationspflicht

Artikel 82i regelt den Informationsaustausch zwischen den anerkannten Ombudsstellen und den Aufsichtsbehörden sowie den Registrierungsstellen betreffend den Status der Anschlusspflichtigen. Diese Informationen dienen der Wahrnehmung der aufsichtsrechtlichen Aufgaben.

4. Abschnitt: Anerkennung, Öffentlichkeit und Informationsaustausch Art. 83

Anerkennung

Absatz 1 Zuständige Behörde für die Anerkennung der Ombudsstellen ist das EFD (Abs. 1).

Diese Übertragung der Anerkennungskompetenz erscheint angesichts des primär finanzmarktrechtlichen Bezugs sachgerecht und wird auch im FIDLEG so gehandhabt. Über den Informationsaustausch (vgl. Art. 82i) ist sichergestellt, dass auch die weiteren Behörden über die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Informationen über die anerkannten Ombudsstellen verfügen.

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Absätze 2 und 3 Absatz 2 regelt die verschiedenen Voraussetzungen, welche eine Organisation erfüllen muss, um als Ombudsstelle im Sinne des VAG anerkannt zu werden: ­

Unter Buchstabe a sind die zentralen und allgemein anerkannten Grundsätze40 jeder Vermittlung festgehalten. Es sind dies Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Transparenz und Effizienz sowie allgemeine und spezielle Weisungsungebundenheit der Ombudsstelle. Diese Grundsätze sollen eine rechtsstaatlich genügende Vermittlung im Interesse aller Beteiligten garantieren. Die Berücksichtigung dieser Grundsätze sind Anerkennungsvoraussetzungen.

­

Nach Buchstabe b werden nur Organisationen anerkannt, die sicherstellen, dass die mit der Vermittlung beauftragten Personen über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen. Besondere Fachkunde der befassten Personen stellt einen zentralen Mehrwert der Vermittlung durch anerkannte Ombudsstellen dar. Dabei geht es insbesondere um spezifische Kenntnisse über Versicherungsdienstleistungen, Finanzinstrumente und -dienstleistungen sowie den Versicherungs-, Finanz- und Kapitalmarkt insgesamt. Weiter sollen die befassten Personen auch Fachwissen im Bereich der Vermittlung besitzen.

­

Die Anerkennung setzt sodann voraus, dass die Ombudsstelle über ein Organisations- und ein Verfahrensreglement sowie über eine Beitrags- und Kostenordnung verfügt (Bst. c­e).

Art. 83a

Überprüfung der Anerkennung

Absatz 1 Die anerkannten Ombudsstellen sind verpflichtet, jede Änderung, die für die Anerkennung relevant ist, dem EFD zu melden.

Absätze 2 und 3 Nach den Absätzen 2 und 3 wird einer Ombudsstelle vom EFD die Anerkennung entzogen, wenn sie die Voraussetzungen nach Artikel 83 ­ nach Ansetzung einer angemessenen Frist zur Nachbesserung ­ nicht mehr erfüllt. Wird einer Ombudsstelle die Anerkennung entzogen, so müssen sich die betroffenen Versicherungsvermittlerinnen oder -vermittler oder Versicherungsunternehmen einer anderen anerkannten Ombudsstelle anschliessen. Laufende Verfahren sind von einem Entzug der Anerkennung grundsätzlich nicht betroffen.

40

Vgl. z. B. Ziff. 9 «G20 High-Level Principles on Financial Consumer Protection», Oktober 2011; Empfehlungen der Kommission 98/257/EG vom 30. März 1998 betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die aussergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, und 2001/310/EG vom 4. April 2001 über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte aussergerichtliche Einrichtungen.

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Art. 83b

Berichterstattung

Im Sinne einer transparenten Berichterstattung sind die Ombudsstellen gehalten, jährlich über ihre Tätigkeit zu informieren. Dies ist bereits heute Usanz der beiden bestehenden Ombudsstellen.

Art. 83c

Informationsaustausch

Artikel 83c regelt den Informationsaustausch zwischen den anerkannten Ombudsstellen und den Aufsichtsbehörden sowie den Registrierungsstellen. Die Bestimmung stellt sicher, dass jeder Akteur über die für ihn zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Informationen verfügt. Sie stellt insbesondere auch sicher, dass die verschiedenen Ombudsstellen in einem Vermittlungsverfahren effizient zusammenarbeiten können. Bedingung für den Austausch von Informationen ist, dass die Informationen für die Erfüllung der Aufgaben der Aufsichtsbehörden, der Registrierungsstellen und der Ombudsstellen relevant sind. Daraus ergibt sich, dass kein Austausch von Informationen zu einzelnen Schlichtungsverfahren erfolgt.

7b. Kapitel: Tarifverfügungen und Gerichte Art. 84

Sachüberschrift

Die Sachüberschrift dieses Artikels wird geändert: Neu heisst sie Tarifverfügungen, womit mehr Klarheit geschaffen und direkt auf den Inhalt des Artikels referenziert wird. Der Inhalt selber bleibt unverändert.

Art. 86

Übertretungen

Absatz 1 wird vollständig überarbeitet. Dabei wird dem durch das Parlament beim FIDLEG verfolgten Grundsatz Rechnung getragen, dass im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechts die Gewährleistung rechtmässigen Verhaltens im Wesentlichen und soweit möglich über die Instrumente des Aufsichtsrechts erfolgen soll und nicht über Strafbestimmungen (vgl. dazu die Art. 89­92 FIDLEG). Entsprechend den Ansätzen im FIDLEG werden auch die Bussenhöhen reduziert.

Die heutigen Buchstaben a, c, d, und f werden in diesem Sinne aufgehoben.

Buchstabe a stellt neu die Verletzung der zum Schutz der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer zentralen Informationspflichten von Unternehmen unter Strafe, die nicht der Aufsicht unterstehen.

Buchstabe b wird beibehalten, da die strafbewehrten Mitteilungspflichten nicht nur von Beaufsichtigten, sondern auch von an Versicherungsunternehmen beteiligten Personen zu erfüllen sind. Würde keine Strafdrohung bestehen, blieben die Pflichten toter Buchstabe. Die Beibehaltung der Strafbarkeit gegenüber Beaufsichtigten rechtfertigt sich deshalb, weil sonst eine erhebliche Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer bestehen würde.

Buchstabe e und damit die Verletzung der Informationspflichten nach den Artikeln 14a, 45, 45a Absatz 2, 45b VAG soll als Straftatbestand ebenfalls beibehalten werden, damit insbesondere auch der Status der Versicherungsvermittlerin und des

9049

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Versicherungsvermittlers strafrechtlich geschützt bleibt. Er wird in Buchstabe c verschoben.

Art. 87

Vergehen

Die Strafbestimmungen in den Buchstaben a und b werden inhaltlich nicht geändert, aber ­ angeglichen an den Wortlaut der Artikel 3 und 41 ­ präziser formuliert.

Gestützt auf den durch das Parlament bereits beim FIDLEG verfolgten Grundsatz, dass die Gewährleistung rechtmässigen Verhaltens im Wesentlichen und soweit möglich über die Instrumente des Aufsichtsrechts erfolgen soll (siehe hiervor), soll das unterlassene oder verspätete Vorlegen oder Mitteilen von Änderungen des Geschäftsplans nicht mehr unter Strafe gestellt werden. Der heutige Buchstabe b wird daher aufgehoben. Unberührt von dieser Änderung bleibt selbsverständlich die Strafbarkeit nach Art. 44 FINMAG im Fall einer Versicherungstätigkeit ausserhalb des bewilligten Bereichs.

Die in Absatz 1 Buchstaben c und d aufgeführten Vergehen bleiben im Vergleich zum geltenden Recht unverändert.

Art. 90a

Übergangsbestimmungen zur Änderung vom [...]

Nach Absatz 1 haben alle Versicherungsunternehmen innerhalb von sechs Monaten ab Inkrafttreten der Änderung mittels Formular K zu erklären, ob sie das Wholesaleund/oder das Captivegeschäft betreiben und ob sie Verträge mit nicht-professionellen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern abschliessen wollen, vorausgesetzt, sie wollen die entsprechenden Erleichterungen beanspruchen.

Nach Absatz 2 haben Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Schweiz mit gebundenem Vermögen für Versicherungsbestände ausländischer Niederlassungen innert sechs Monaten nach Inkrafttreten der Änderung dieses gebundene Vermögen aufzulösen und die entsprechenden Versicherten über den Wegfall des gebundenen Vermögens zu informieren. Die Information der Versicherten dient dem Kundenschutz: Die Versicherten können damit ab Bekanntgabe wissen, dass für allfällige Forderungen aus dem Versicherungsvertrag kein gebundenes Vermögen mehr besteht.

Die Versicherungsunternehmen sowie die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler erhalten nach Absatz 3 eine einjährige Übergangsfrist ab Inkrafttreten der Gesetzesänderungen für die Erfüllung der neuen Pflichten mit Bezug auf den Vertrieb von qualifizierten Lebensversicherungen. Diese Frist wird ausreichen, um die Abläufe und Systeme den neuen Regeln anzupassen.

Bei den Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung nach Artikel 43 E-VAG wird in Absatz 4 eine zweijährige Übergangsfrist eingeräumt, die es insbesondere erlaubt, die Mindeststandards zu definieren, die Ausbildungsangebote bereitzustellen sowie allfällige Ausbildungen zu absolvieren.

Die Versicherungsunternehmen und die ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler schliesslich haben sich nach Absatz 5 innerhalb von sechs Monaten ab Inkrafttreten der Änderung einer Ombudsstelle anzuschliessen (Abs. 5).

9050

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5.2

Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 190841

Art. 3 Abs. 1 Bst. h Der Versicherer muss die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags unter anderem verständlich über den wesentlichen Inhalt des Versicherungsvertrags informieren. Dazu gehört neu auch, ob es sich bei einer Lebensversicherung um eine qualifizierte Lebensversicherung gemäss Artikel 39a E-VAG handelt.

5.3

Zivilprozessordnung42

Art. 199 Abs. 2 Bst. d und e Die vorgeschlagene Regelung von Artikel 82b Absatz 2 E-VAG soll auch in der ZPO verankert werden. Die klagende Partei kann nach Durchführung eines Verfahrens vor einer Ombudsstelle auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verzichten, weil in diesen Fällen ein solches meistens nicht mehr sinnvoll ist. Gleiches gilt bereits für Streitigkeiten zwischen einer Kundin oder einem Kunden und einem Finanzdienstleister, wenn ein Vermittlungsverfahren vor einer anerkannten Ombudsstelle nach den Artikeln 74 ff. FIDLEG durchgeführt wurde. In den neuen Buchstaben d und e sollen daher die entsprechenden Regelungen parallel auch direkt für das Schlichtungsverfahren verankert werden.

5.4

Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 195843

Art. 76

Nationaler Garantiefonds

Gemäss aktueller Regelung erbringt der Nationale Garantiefonds (NGF) im Bereich der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung (MFH) zwar im Versicherungskonkurs, aber nicht im Falle einer Sanierung Leistungen (Art. 76 Abs. 2 Bst. b). Mit der vorliegenden Anpassung wird der Erweiterung im VAG Rechnung getragen und sichergestellt, dass der NGF neu auch im Rahmen von Sanierungsverfahren oder bei bestimmten Schutzmassnahmen bei Insolvenzgefahr Leistungen erbringt. Der Anwendungsbereich der Leistungspflicht des Nationalen Garantiefonds, das heisst die Pflicht zur Leistung im Falle der Insolvenzgefahr, wird durch die Anpassung nicht erweitert. Die bisher unbeschränkte Konkursdeckung des NGF soll aber beschränkt werden. Der Umfang der entsprechenden Leistungsbeschränkung soll in der Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 195944 (VVV) präzisiert werden.

Schliesslich wird durch die sprachliche Überarbeitung und die inhaltliche Neugliederung die Lesbarkeit der Bestimmung erhöht.

41 42 43 44

SR 221.229.1 SR 272 SR 741.01 SR 741.31

9051

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Absätze 1 und 2 Absatz 1 entspricht inhaltlich dem geltenden Recht. Zur besseren Lesbarkeit wird der zweite Halbsatz in einen neuen Absatz 2 verschoben.

Absätze 3 und 5 Absatz 3 regelt wie bis anhin (Abs. 2) die Aufgaben des NGF. Diese werden nach Absatz 5 durch den Bundesrat in der VVV konkretisiert. Neu soll in der Verordnung gemäss Absatz 5 Buchstabe b auch der maximale Umfang der Konkurs- und Sanierungsdeckung (Abs. 4) sowie das Verfahren zur vorgezogenen Regulierung von Ansprüchen gegen den Nationalen Garantiefonds im Versicherungskonkursverfahren geregelt werden (Abs. 5 Bst. e).

Absatz 4 Absatz 4 übernimmt die heute in Absatz 2 Buchstabe b festgeschriebene Regelung zur Insolvenzdeckung. Diese wird in Buchstabe a in zwei Punkten modifiziert. Der NGF soll im Versicherungskonkursverfahren erst ganz am Schluss zum Zuge kommen. Die geschädigte Person kann den Verlustschein, den sie für den durch die Konkursmasse nicht gedeckten Teil des Schadens erhält, dem NGF präsentieren, welcher ihr ihren Verlust ersetzt. Auch mit dieser Neuregelung bleibt es deshalb bei der im SVG vorgesehenen Privilegierung der Verkehrsopfer.

Da das ordentliche Versicherungskonkursverfahren wohl mehrere Jahre dauern wird, wird sich die Auszahlung des vollständigen Schadens gegenüber dem bisherigen Modell deutlich verzögern. Mit der neuen Verfahrens- und Deckungsregelung in Buchstabe a soll nun die Schlechterstellung von Verkehrsunfallopfern im Vergleich zu heute vermieden werden, indem eine vorgezogene Regulierung erfüllbarer Ansprüche ermöglicht wird. Angedacht ist, dass das Verkehrsunfallopfer vom Konkursverwalter eine Bestätigung erhalten wird, die festhält, wie hoch in Prozent die Akontozahlung ausfällt (vgl. vorne den neuen Art. 54abis VAG). Diese Bestätigung kann das Verkehrsunfallopfer dem NGF zukommen lassen, welcher sodann denjenigen Teil der erfüllbaren Ansprüche, der durch die Akontozahlung nicht gedeckt ist, übernimmt. So erhält das Verkehrsunfallopfer rasch und unbürokratisch den ganzen Direktschaden ersetzt und wird durch diesen Prozess bessergestellt, da seine Ersatzansprüche rascher reguliert werden, als wenn nur die Akontozahlung ausgerichtet und ein Verlustschein ausgestellt werden.

Unter Buchstabe b wird die Leistungspflicht des NGF im Sanierungsfall statuiert.

Der NGF soll im Sanierungsverfahren nach
Artikel 52a E-VAG dem MFHGeschädigten denjenigen Betrag vergüten, um den die betreffenden Schadenzahlungen von der FINMA im Rahmen des Sanierungsverfahrens gekürzt worden sind. Die Schadenregulierung erfolgt dabei weiterhin durch das notleidende Versicherungsunternehmen. Der NGF leistet diesem periodische Akontozahlungen. So können alle MHF-Schäden ohne Kürzung ausbezahlt werden.

Mit der neuen Bestimmung besteht somit wie im geltenden Recht in allen Insolvenzfällen ein umfassender Schutz. Die Sozialversicherungen treten in die Ansprüche der Verkehrsopfer insoweit ein, als sie diese entschädigt haben. Ihre Leistungen müssen daher mit denjenigen des Nationalen Garantiefonds koordiniert werden.

9052

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Absätze 6 und 7 Die bisherigen Absätze 4 und 5 bleiben unverändert und werden neu zu den Absätzen 6 und 7.

Absatz 8 Wie im geltenden Recht (heutiger Abs. 6) soll der NGF mit der Zahlung der Ersatzleistung in die Rechte der geschädigten Person eintreten. Die Zahlungen des NGF an die geschädigte Person sollen aber neu bei Leistungen nach Absatz 4 mit befreiender Wirkung für die Halterin oder den Halter und die Lenkerin oder den Lenker des Fahrzeugs, mit dem der Schaden verursacht wurde, erfolgen. Neu ist sodann nach dem zweiten Satz, dass der NGF nicht auf die Lenkerin oder den Lenker oder die Halterin oder den Halter Regress nehmen soll, die oder der nur leichtfahrlässig gehandelt hat oder gar nur wegen der Betriebsgefahr des Fahrzeugs haftet. Die Ergänzung im letzten Satz schliesslich dient der Klarstellung, dass Geschädigte, sofern eine Leistungspflicht des NGF besteht, die gleiche Forderung nicht gegen die Halterin oder den Halter und die Lenkerin oder den Lenker des Fahrzeugs, mit dem der Schaden verursacht wurde, geltend machen können. Dies rechtfertigt sich schon deshalb, weil diesen kein Regressrecht gegenüber dem NGF zusteht.

Art. 76a Abs. 4bis Neu wird mit diesem Absatz die Pflicht des NGF im Falle der Eröffnung eines Sanierungs- oder Versicherungskonkursverfahrens durch die FINMA über einen MFH-Versicherer festgeschrieben, eine Schätzung über die zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen im Anhang zur Jahresrechnung aufzunehmen. Damit ist ­ im Gegensatz zu einer entsprechenden Bilanzierung auf der Passivseite ­ sichergestellt, dass der NGF nicht in eine Überschuldungssituation gerät. Dies ist sachgerecht, weil der NGF für das Folgejahr die Beiträge gestützt auf Artikel 76a Absatz 2 erhöhen und mit diesen Mehreinnahmen auch ohne Sanierungsmassnahmen seinen Verpflichtungen nachkommen kann.

5.5

Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 200745

Art. 15 Abs. 2 Einleitungssatz und Bst. c Massgebend für die Bemessung der Aufsichtsabgabe an die FINMA ist heute ausschliesslich der Anteil eines Versicherungsunternehmens an den gesamten Prämieneinnahmen aller Versicherungsunternehmen. Die Messgrösse «Prämieneinnahmen» ist nicht zuletzt mit Blick auf mögliche künftige regulatorische Entwicklungen sehr eng gefasst. So ist bereits heute absehbar, dass zum Beispiel unter den International Financial Reporting Standards (IFRS) für Versicherungsgruppen die Messgrösse «Prämieneinnahmen» (resp. heute «Bruttoprämien») nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Neu soll deshalb die Festlegung bei der Bemessung der Aufsichtsabgabe im FINMAG flexibler ausgestaltet werden.

45

SR 956.1

9053

BBl 2020

Um den Entwicklungen im Zusammenhang mit «ComFrame»46 und der damit einhergehenden absehbaren Verschärfung der Aufsicht über international aktive Versicherungsgruppen Rechnung tragen zu können, soll zudem bei der Bemessung der Aufsichtsabgabe bei Versicherungsgruppen und -konglomeraten die Internationalität und Komplexität mitberücksichtigt werden können.

Der Bundesrat spezifiziert die konkreten Messgrössen ­ wie im geltenden Recht ­ auf Verordnungsstufe47.

Die Bemessung der Aufsichtsabgabe für ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler bleibt unverändert: Massgebend sind weiterhin ihre Anzahl und die Betriebsgrösse.

Art. 37

Entzug der Bewilligung, der Anerkennung, der Zulassung oder der Registrierung

Gemäss Botschaft zu FIDLEG/FINIG (BBl 2015 8901) hätte aus Gründen der Rechtssicherheit in Artikel 3 FINMAG klargestellt werden sollen, dass registrierte Finanzmarktteilnehmer nicht als Beaufsichtigte gelten48, wobei vor allem auch die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler anvisiert waren, die mit ihrer blossen Registrierung keiner mit den anderen Beaufsichtigten vergleichbaren Aufsicht unterstanden. Nachdem das Parlament beschlossen hatte, die Verhaltenspflichten der Versicherungsbranche nicht dem FIDLEG zu unterstellen, wurde die Registrierung in Artikel 3 FINMAG wieder eingefügt, während die ebenfalls notwendige Anpassung von deren Entzug in Artikel 37 FINMAG vergessen ging. Dieses gesetzgeberische Versehen wird vorliegend nun korrigiert, indem der Begriff «Registrierung» wieder in Artikel 37 Absatz 1 FINMAG aufgenommen und die Sachüberschrift entsprechend angepasst werden. Dies bedeutet im Übrigen aber nicht, dass bis zum Inkrafttreten dieser Korrektur die FINMA einer Versicherungsvermittlerin oder einem Versicherungsvermittler die Registrierung nicht entziehen könnte. Der polizeirechtliche Grundsatz, dass eine einmal erteilte Bewilligung auch wieder entzogen werden kann, gilt selbstverständlich auch ohne explizite Gesetzesgrundlage.

6

Auswirkungen

Die Revision des VAG betrifft per Ende 2018 direkt 205 von der FINMA beaufsichtigte Versicherungsunternehmen, alle ungebundenen und gebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler, deren Kundinnen und Kunden sowie Gläubigerinnen und Gläubiger. Die vorgeschlagenen Änderungen bewegen sich erstens im Rahmen, den die IAIS mit ihren Insurance Core Principles steckt, und sind zweitens aus heutiger Sicht im Einklang mit den Äquivalenzanforderungen der EU für die Versicherungsregulierung.

46 47 48

IAIS Common Framework for the Supervision of Internationally Active Insurance Groups (ComFrame).

FINMA-Gebühren- und Abgabenverordnung vom 15. Oktober 2008 ( FINMA-GebV, SR 956.122).

BBl 2015 9071

9054

BBl 2020

Die Einführung eines Sanierungsrechts bringt den Versicherern eine Alternative zum Versicherungskonkursverfahren und ist auf die Fortführung der jeweiligen Unternehmung ausgerichtet. Dies schützt auch die Versicherungsnehmerinnen und -nehmer insbesondere im Krankenzusatz- oder Lebensversicherungsbereich, indem es die Übertragung von Versichertenbeständen und die Fortsetzung der entsprechenden Versicherungsverträge erleichtert. Solche Portfolioübertragungen wären derzeit bei grossen Versichertenbeständen aufgrund der vorausgesetzten Freiwilligkeit und möglicherweise unterdeckten Rückstellungen kaum möglich. Versicherte (und Rückversicherte) werden gleichzeitig in der Gläubigerhierarchie zulasten der Dritteklassegläubigerinnen und -gläubiger privilegiert.

Der Kundenschutz für Private wird im Bereich der ungebundenen Versicherungsvermittlung gestärkt, indem Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler über alle Versicherungsarten hinweg nur noch entweder ungebunden oder gebunden sein können. Ungebundene müssen zudem alle Arten von Entschädigungen offenlegen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung gemäss den Vorgaben der FINMA bieten. In Anlehnung ans FIDLEG müssen ferner zur Stärkung des Kundenschutzes auch alle Anbieterinnen und Anbieter der Versicherungsvermittlung einer Ombudsstelle angeschlossen sein, und im Bereich qualifizierter Lebensversicherungen müssen die Versicherungen zusätzliche Informationspflichten einhalten.

Schliesslich verlieren gebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler die Möglichkeit, sich freiwillig ins Register der FINMA einzutragen, sie können sich jedoch weiterhin in privat geführte Register eintragen.

Die vorgesehenen Kundenschutzmassnahmen führen zu administrativen Mehrbelastungen für ungebundene Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler und Anbieter qualifizierter Lebensversicherungen. Weitere Mehrbelastungen resultieren für rund 30 vorwiegend kleine Versicherungsunternehmen, welche neu der Pflicht unterliegen, eine interne Revision zu führen. Die betroffenen Versicherungen haben dabei die Wahl, eine interne Revision selber einzurichten oder die entsprechenden Dienstleistungen auf dem Markt zu beziehen. Die Abschaffung der Kompetenz der FINMA, Versicherungsunternehmen von der Pflicht einer internen Revision zu befreien, ist mit der Erhaltung
von Äquivalenzvorgaben der EU verbunden. Die Einführung eines Sanierungsrechts führt zu keiner direkten Mehrbelastung für Versicherer.

Demgegenüber vergünstigt die Abschaffung der Pflicht zur Haltung von gebundenem Vermögen für professionelle Kunden im Rahmen des neuen kundenschutzbasierten Regulierungs- und Aufsichtskonzepts die Finanzierung der betroffenen Versicherer. Ferner wird die Möglichkeit geschaffen, dass Versicherungsunternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen unter Wahrung des Versichertenschutzes von der Aufsicht befreit sind.

Die Gesetzesrevision stärkt insgesamt die Attraktivität des Versicherungssektors in der Schweiz, trägt der Erhaltung der EU-Äquivalenz im Versicherungsbereich Rechnung und schafft dadurch Wachstumsmöglichkeiten. Für Bund, Kantone und Gemeinden fallen keine zusätzlichen Aufgaben und Kosten an.

9055

BBl 2020

Detaillierte Ausführungen zur Regulierungsfolgenabschätzung finden sich in Anhang 1 zum Erläuternden Bericht49.

7

Rechtliche Aspekte

Das (revidierte) VAG stützt sich wie das geltende VAG auf die Artikel 82 Absatz 1, 98 Absatz 3, 117 Absatz 1 und 122 Absatz 1 der Bundesverfassung. Die Änderungen des SVG stützen sich auf die gleichen Grundlagen wie dieses Gesetz selbst.

Die vorliegende Revision des VAG ist vereinbar mit dem Direktversicherungsabkommen Schweiz­EU von 1989 und weiteren internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Überdies steht sie im Einklang mit den von der IAIS entwickelten Insurance Core Principles (ICP).

7.1

Datenschutz

Mit der Aufnahme des vorgeschlagenen Artikels 42 Absatz 3 wird eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass die FINMA Daten, welche sich im von ihr zu führenden Register der ungebundenen Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler befinden, an Dritte weitergeben darf oder im Abrufverfahren mittels einer Schnittstelle Dritten zugänglich machen kann.

Mit der Aufnahme der vorgeschlagenen Artikel 82i und 83c werden die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die FINMA die Personen, die der Pflicht, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen, unterliegen (Versicherungsvermittlerinnen, -vermittler und Versicherungsunternehmen), sowie das EFD als Registrierungsstelle für Ombudsstellen einander die nicht öffentlich zugänglichen Informationen übermitteln können, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.

7.2

Neue oder modifizierte Rechtsetzungsdelegationen

Die vorgeschlagene VAG-Revision enthält die folgenden neuen oder modifizierten Rechtsetzungsdelegationen: ­

an den Bundesrat: E-VAG: Artikel 9c, 11 Absatz 2, 14a Absatz 3, 39b Absatz 3, 39f, 41 Absatz 4, 45a, E-FINMAG: Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe c,

­

an die FINMA: E-VAG: Artikel 15 Absatz 2, 52a Absatz 4.

49

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EFS

9056

BBl 2020

Zur Begründung der Rechtsetzungsdelegationen wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen verwiesen.

9057

BBl 2020

Abkürzungsverzeichnis ABl.

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs.

Absatz

AJP

Aktuelle Juristische Praxis

Art.

Artikel

AVO

Aufsichtsverordnung vom 9. November 2005 (SR 961.011)

AVO-FINMA Versicherungsaufsichtsverordnung-FINMA vom 9. November 2005 (SR 961.011.1) BAG

Bundesamt für Gesundheit

BankG

Bankengesetz vom 8. November 1934 (SR 952.02)

BBl

Bundesblatt

BGE

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

BIB

Basisinformationsblatt

BIV-FINMA

Bankeninsolvenzverordnung-FINMA vom 30. August 2012 (SR 952.05)

Bst.

Buchstabe

D

Deutschland

E

Entwurf

E.

Erwägung

ECAs

Export Credit Agencies

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EU

Europäische Union

ev.

eventuell

f.

folgend

FDV

Verordnung vom 9. März 2007 über Fernmeldedienste (SR 784.101.1)

ff.

fortfolgend

FIDLEG

Finanzdienstleistungsgesetz vom 15. Juni 2018 (SR 950.1)

FinfraG

Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 2015 (SR 958.1)

FINIG

Finanzinstitutsgesetz vom 15. Juni 2018 (SR 954.07)

FINMA

Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (www.finma.ch)

FINMAG

Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007 (SR 956.1)

FINMA-RS

FINMA-Rundschreiben

9058

BBl 2020

Hrsg.

Herausgeber

i. V. m.

in Verbindung mit

IAIS

Association of Insurance Supervisors

ICP

Insurance Core Principals

ILS

Insurance- Linked Securities

insb.

insbesondere

IPRG

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291)

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

KVAG

Krankenversicherungsaufsichtsgesetz vom 26. September 2014 (SR 832.12)

KVG

Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10)

NGF

Nationaler Garantiefonds

No.

Nummer

o.ä.

oder ähnlich

OR

Obligationenrecht (SR 220)

Rz.

Randziffer(n)

S.

Seite

SchKG

Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1)

SERVG

Exportrisikoversicherungsgesetz vom 16. Dezember 2005 (SR 946.10)

sog.

sogenannt

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

SR 0.961.1

Abkommen vom 10. Oktober 1989 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (SR 0.961.1)

SST

Schweizer Solvenztest / Swiss Solvency Test

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch 1937 (SR 311.0)

SVG

Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01)

UK

Vereinigtes Königreich

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004 (SR 961.01)

v. a.

vor allem

VE

Vorentwurf 9059

BBl 2020

vgl.

vergleiche

VKV-FINMA Versicherungskonkursverordnung-FINMA vom 17. Oktober 2012 (SR 961.015.2) VVG

Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 1908 (SR 221.229.1)

VVV

Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 (SR 741.31)

VwVG

Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021)

z. B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

9060