20.079 Botschaft zur Änderung des Verrechnungssteuergesetzes (Too-big-to-fail-Instrumente) vom 28. Oktober 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Oktober 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-2878

8701

Übersicht Die geltenden Ausnahmen bei der Verrechnungssteuer für Zinsen aus Too-big-tofail-Instrumenten wie beispielsweise Bail-in-Bonds laufen Ende 2021 aus. Mit der Umsetzung der laufenden Reform der Verrechnungssteuer (Stärkung des Fremdkapitalmarkts) würde eine Verlängerung der Ausnahmen zwar hinfällig. Da die Botschaft zu dieser Reform aber erst im zweiten Quartal 2021 durch den Bundesrat verabschiedet werden wird und anschliessend dem Parlament vorgelegt werden kann, beantragt der Bundesrat im Interesse der Finanzstabilität in einer separaten Vorlage, die Geltungsdauer der Ausnahmebestimmungen um fünf Jahre, also bis Ende 2026, zu verlängern. Eine Verlängerung wird auch in der Vernehmlassung zur Reform der Verrechnungssteuer begrüsst. Da die Ausnahmen bereits im geltenden Recht bestehen, ergeben sich keine Auswirkungen aus der Verlängerung. Würden die Ausnahmen nicht bis zum Inkrafttreten der Reform der Verrechnungssteuer gelten, so hätte dies negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität.

8702

BBl 2020

Botschaft Die in der Botschaft verwendeten Fachbegriffe können dem Glossar entnommen werden. Sie werden bei der ersten Verwendung mit einem Sternchen* gekennzeichnet.

1

Ausgangslage

1.1

Aufsichtsrechtliche Ausgangslage

Die im Jahr 2013 eingeführten Too-big-to-fail-Bestimmungen (TBTF*) des Bankengesetzes vom 8. November 19341 (BankG) sollen verhindern, dass systemrelevante Banken*, die der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) unterstellt sind, im Krisenfall mit Steuergeldern gerettet werden müssen. Systemrelevante Banken sind Banken*, Finanzgruppen und bankdominierte Finanzkonglomerate*, deren Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde (Art. 7 Abs. 1 BankG). Derzeit gelten die UBS, die CreditSuisse (CS), die Zürcher Kantonalbank, die Raiffeisen-Gruppe und die PostFinance als systemrelevante Banken. Zur Reduktion der Ausfallwahrscheinlichkeit und zur Verbesserung von Sanier- und Liquidierbarkeit (= aufsichtsrechtliche Anforderungen*) sind vier Massnahmen vorgesehen: höhere Eigenmittel, verbesserte Liquidität, Planung der Stabilisierung/Sanierung sowie besondere Bestimmungen zur Abwicklung*. Die Vorschriften zu den ersten beiden aufsichtsrechtlichen Anforderungen betreffen in geringerem Umfang auch nicht systemrelevante Banken.

Banken können die aufsichtsrechtlichen Anforderungen durch die Emission von Eigenkapital, beispielsweise Aktien, erfüllen. Systemrelevante Banken müssen rund 70 Prozent der Eigenmittelanforderungen zur ordentlichen Weiterführung der Bank durch solches Eigenkapital erfüllen. Für die restlichen rund 30 Prozent sowie betreffend die Anforderungen an zusätzlich verlustabsorbierende Mittel stellt das TBTFRegime drei Instrumente zur Verfügung:

1

­

Contingent Convertibles (CoCos)* sind Anleihen, die bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (sog. Trigger*) in Eigenkapital (meist Aktien) der betreffenden Bank umgewandelt werden. Dieses Kapital kann in gewissem Umfang an die Eigenmittel gemäss den regulatorischen Anforderungen angerechnet werden. Diese Instrumente stehen allen Banken offen. In der ersten Phase des TBTF-Regimes waren CoCos die emittierten Instrumente; gegenwärtig existieren sie im Schweizer Markt nicht mehr.

­

Write-off-Bonds* werden bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses abgeschrieben. Auch damit können die regulatorischen Anforderungen an ausreichende Eigenmittel in gewissem Umfang erfüllt werden. Diese Instrumente stehen ebenfalls allen Banken offen. Gegenwärtig (Juni 2020) haben die CS und die UBS zusammen Write-off-Bonds im Umfang von rund 38 MilliarSR 952.0

8703

BBl 2020

den Franken ausstehend. Es ist nach Einschätzung der FINMA zu erwarten, dass dieses Volumen mittelfristig voraussichtlich um rund 5­7 Milliarden zurückgehen wird. Die übrigen drei systemrelevanten Banken haben gesamthaft Write-off-Bonds im Umfang von rund 3 Milliarden Franken ausstehend, alle übrigen Finanzinstitute gesamthaft solche von rund 3,5 Milliarden Franken.

­

Bail-in-Bonds* sind zumeist Anleihensobligationen, die bei (drohender) Insolvenz im Rahmen eines durch die FINMA eingeleiteten Sanierungsverfahrens reduziert oder in Eigenkapital umgewandelt werden können. Hier besteht kein im Voraus definierter Trigger, sondern die FINMA entscheidet über die Wandlung oder Abschreibung. Mit Bail-in-Bonds können die Anforderungen an zusätzlich verlustabsorbierende Mittel erfüllt werden. Diese Anforderungen treffen derzeit einzig systemrelevante Banken. Gegenwärtig (Juni 2020) haben die CS und die UBS zusammen rund 74 Milliarden Franken in Bail-in-Bonds ausstehend. Nach Einschätzung der FINMA dürfte das Volumen von Bail-in-Bonds in den nächsten 3­4 Jahren noch um weitere 20­25 Milliarden Franken ansteigen. Die übrigen systemrelevanten Banken werden nach Einschätzung der FINMA die Anforderungen an verlustabsorbierende Mittel voraussichtlich primär über andere Mechanismen erfüllen (bspw. Staatsgarantien, die an die zusätzlich verlustabsorbierenden Mittel angerechnet werden).

Systemrelevante Banken müssen die TBTF-Instrumente gemäss aufsichtsrechtlichen Vorgaben aus einer Einheit mit Sitz in der Schweiz emittieren. Aufgrund des Mittelbedarfs im Vergleich zur Grösse des lokalen Finanzplatzes können bei Weitem nicht sämtliche Mittel bei inländischen Investorinnen und Investoren platziert werden. Für ausländische Investorinnen und Investoren sind TBTF-Instrumente auch aus steuerlichen Gründen u. a. interessanter als Aktien. Ausserdem sind die Zinskonditionen üblicherweise für einen längeren Zeitraum unverändert und sprechen somit andere Investorengruppen an.

1.2

Steuerrechtliche Ausgangslage

Im Steuerrecht bestehen eine ganze Reihe von Bestimmungen über TBTF-Instrumente: ­

2 3 4

Im Rahmen einer Revision des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober 19652 (VStG), die per 1. Januar 2013 in Kraft trat, wurden auf vier Jahre befristete Ausnahmen von der Verrechnungssteuer auf Zinsen aus CoCos und Write-off-Bonds eingeführt (Art. 5 Abs. 1 Bst. g VStG).3 Per 1. Januar 2017 wurden diese Ausnahmen bis Ende 2021 verlängert und eine auf den selben Zeitpunkt befristete Ausnahme für Bail-in-Bonds aufgenommen (Art. 5 Abs. 1 Bst. i VStG).4 Die Ausnahmen gelten für bis Ende 2021 ausSR 642.21 AS 2012 5981 AS 2016 3451

8704

BBl 2020

gegebene Instrumente. Diese TBTF-Instrumente stellen bis zu einer allfälligen Wandlung zumeist Obligationen dar, deren Zinszahlungen ansonsten unter die Verrechnungssteuer fallen würden. Im Interesse der Finanzstabilität bestand indes ein erhöhtes Bedürfnis, dass diese Instrumente in der Schweiz ausgegeben werden und schweizerischem Recht unterstehen. Diese Ausnahmen gelten nicht für Instrumente, die ab dem Jahr 2022 emittiert werden, womit die TBTF-Zinsen aus neu emittierten TBTF-Instrumenten der Verrechnungssteuer unterliegen würden. Dies würde die Mittelbeschaffung der Banken enorm erschweren und verteuern. Denn viele internationale Anlegerinnen und Anleger akzeptieren die Verrechnungssteuer nicht und weichen ­ selbst wenn sie aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens die Rückerstattung geltend machen können ­ auf andere Produkte aus, soweit die Verrechnungssteuer nicht durch eine höhere Verzinsung kompensiert wird.

­

Gleichzeitig mit den Ausnahmen im VStG wurde im Bundesgesetz vom 27. Juni 19735 über die Stempelabgaben (StG) die Ausnahme von der Stempelabgabe für die im Krisenfall in Eigenkapital umgewandelten CoCos durch eine analoge Ausnahme für Bail-in-Bonds per 1. Januar 2017 ergänzt (Art. 6 Abs. 1 Bst. l und m StG).

­

Schliesslich wurde per 1. Januar 2019 eine Regelung bei der Gewinnsteuer in das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19906 über die direkte Bundessteuer (Art. 70 Abs. 6 DBG) und das Bundesgesetz vom 14. Dezember 19907 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Art. 28 Abs. 1quater StHG) eingeführt. Um zu verhindern, dass die Ausgabe von TBTF-Instrumenten Auswirkungen auf die Besteuerung der Beteiligungserträge hat, wurde die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei der Konzernobergesellschaft systemrelevanter Banken punktuell angepasst. Ihre Gewinnsteuerbelastung auf Beteiligungserträgen bleibt auch bei einer Emission von TBTF-Instrumenten und der Weitergabe der Mittel gleich hoch wie vor der Ausgabe der Instrumente.

Die Revisionen der Verrechnungssteuer, der Stempelabgabe und der Gewinnsteuer stellen sicher, dass Banken TBTF-Instrumente zu wettbewerbsfähigen Bedingungen aus der Schweiz heraus emittieren können. Für diese Instrumente, die bis zu einer allfälligen Wandlung zumeist Obligationen und somit Fremdkapital darstellen, besteht ein erhöhtes volkswirtschaftliches und regulatorisches Interesse, dass die Emission aus der Schweiz und unter schweizerischem Recht erfolgt. Die Bestimmungen dienen der Finanzstabilität.

1.3

Handlungsbedarf und Ziele

Die Ausnahmebestimmungen für TBTF-Zinsen bei der Verrechnungssteuer gelten nicht für ab dem 1. Januar 2022 emittierte TBTF-Instrumente. TBTF-Zinsen würden 5 6 7

SR 641.10 SR 642.11 SR 642.14

8705

BBl 2020

für nach diesem Zeitpunkt emittierte TBTF-Instrumente der Verrechnungssteuer unterliegen. Durch diese Verrechnungssteuerbelastung würde die Platzierbarkeit von TBTF-Instrumenten erschwert (Ziff. 1.2). Es ist angezeigt, die Geltungsdauer der Ausnahme bei der Verrechnungssteuer zu verlängern, um die Rechtssicherheit und die Finanzstabilität weiterhin zu gewährleisten. Dadurch bleibt es den Banken möglich, die Anforderungen des TBTF-Regimes zu erfüllen, ohne dass wegen der Verrechnungssteuer die Kosten dieser Kapitalisierung hoch ausfallen. Allerdings führt die Ausnahme zu einer Privilegierung gegenüber den übrigen Unternehmensobligationen. Dieser Zustand sollte aus Sicht des Bundesrates so rasch wie möglich beseitigt werden.

Der Bundesrat hat vom 3. April 2020 bis zum 10. Juli 2020 eine Vernehmlassung zu einer Reform der Verrechnungssteuer (Stärkung des Fremdkapitalmarkts*) durchgeführt. Wirtschaftspolitisches Ziel ist die Stärkung des Fremdkapitalmarkts. Die Verrechnungssteuer bei Zinsen soll zu diesem Zweck ausschliesslich gegenüber inländischen natürlichen Personen erhoben werden. Alle anderen Anlegerinnen und Anleger (inländische juristische Personen, ausländische Anlegerinnen und Anleger) sollen von der Verrechnungssteuer auf Zinsen befreit werden.

Mit dem Inkrafttreten jener Reform würde die Verlängerung der Geltungsdauer der Ausnahmen bei der Verrechnungssteuer für Zinsen aus TBTF-Instrumenten hinfällig, da wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für sämtliche Anleihen geschaffen würden, so auch für TBTF-Instrumente. Da das Parlament die Vorlage erst ab Sommer 2021 behandeln kann, will der Bundesrat im Interesse der Finanzstabilität die Geltungsdauer der Ausnahmebestimmungen befristet verlängern. Deshalb beantragt er dem Parlament mit dieser Vorlage eine Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2026 (s. auch Ziff. 2).

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20208 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 nicht separat angekündigt. Sie ist jedoch Teil der laufenden Reform der Verrechnungssteuer, die als Richtliniengeschäft Eingang in die Botschaft zur Legislaturplanung9 und in den Bundesbeschluss vom 21. September 202010 zur Legislaturplanung 2019­2023 gefunden hat.

2

Vorverfahren

In der Vernehmlassung zur Reform des Verrechnungssteuergesetzes (Stärkung des Fremdkapitalmarkts)11 hat der Bundesrat gefragt, ob und wie lange die Ausnahmen

8 9 10 11

BBl 2020 1777 BBl 2020 1777, hier 1838 und 1889 BBl 2020 8385, hier 8386 Der Ergebnisbericht ist einsehbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > EFD.

8706

BBl 2020

bei der Verrechnungssteuer für TBTF-Zinsen verlängert werden sollen. Dies für den Fall, dass die Reform nicht rechtzeitig in Kraft tritt.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden stehen einer Verlängerung positiv gegenüber.

Abgelehnt wird sie einzig von Travail.Suisse und der Vereinigung der Privaten Aktiengesellschaften. Vorgeschlagen wurden Fristen von drei Jahren (SwissHoldings, EXPERTsuisse, SwissRe, SVV) und zehn Jahren (FDK, alle Kantone mit Ausnahme von VD). Einige plädieren für eine Frist, die ausdrücklich mit dem Inkrafttreten der Reform der Verrechnungssteuer endet oder wenn eine anderweitige Lösung gefunden ist (VD, die meisten Organisationen und alle Parteien). Das KMUForum fordert eine Frist bis Ende 2027.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Die beantragte Neuregelung

Mit Blick auf das Vernehmlassungsergebnis soll die Geltungsdauer der Ausnahmebestimmungen um fünf Jahre (31. Dezember 2026) verlängert werden. Dies erlaubt eine angemessene Beratung der Reform der Verrechnungssteuer (Stärkung des Fremdkapitalmarkts) im Parlament und eine Implementierungsfrist nach der Verabschiedung. Die fünf Jahre sind mit Blick auf das Vernehmlassungsergebnis sinnvoll und entsprechen der letzten Verlängerungsdauer. Für den Bundesrat hat die Reform der Verrechnungssteuer nach wie vor hohe Priorität. Im Rahmen dieser Reform wird er dem Parlament beantragen, die Verlängerung der Ausnahmebestimmungen per Inkrafttreten der Reform zu beenden. Für vor dem Inkrafttreten emittierte Instrumente ist es sinnvoll, die Befreiung beizubehalten.

3.2

Umsetzungsfragen

Die Verlängerung der Ausnahmebestimmungen bedingt für steuerliche Zwecke keine weitere Konkretisierung (bestehendes Recht).

Derzeit ist eine Teilrevision des Bankengesetzes im Gange.12 Einige der dort vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen haben Auswirkungen auf die vorliegende Vorlage. Während der parlamentarischen Beratung werden diese beiden Vorlagen zu koordinieren sein.

Ziel des Bundesrates ist es, dass die vorliegende Regelung per 1. Januar 2022 in Kraft tritt. Damit ist eine nahtlose Verlängerung sichergestellt. Der Bundesrat schlägt daher dem Parlament vor, das Inkrafttreten entsprechend in der Referendumsvorlage festzulegen. Bei einer Verabschiedung in der Sommersession 2021 könnte Ziffer II Absatz 2 wie folgt lauten: «Steht am 31. Oktober 2021 fest, dass gegen das Gesetz kein Referendum zustande gekommen ist, so tritt es am 1. Januar 2022 in Kraft.» Andernfalls würde der Bundesrat das Inkrafttreten regeln.

12

BBl 2020 6359

8707

BBl 2020

4

Erläuterungen zum Artikel

Art. 5 Abs. 1 Bst. g Ziff. 2 und Bst. i Ziff. 3 Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben g und i regelt Ausnahmen von der Verrechnungssteuer für Zinsen aus TBTF-Instrumenten. Es wird lediglich in Buchstabe g Ziffer 2 und Buchstabe i Ziffer 3 die Befristung angepasst. Materiell ändert sich nichts. So ist insbesondere nach wie vor erforderlich, dass die genannten TBTF-Instrumente von der FINMA genehmigt werden. Als Bail-in-Bonds gelten auch von der FINMA genehmigte Instrumente, wenn sie nicht als eigentliche Obligation, sondern als Darlehen mit den gleichen Bedingungen ausgegeben werden. Dies entspricht der geltenden Praxis.

5

Auswirkungen

Da mit der vorliegenden Neuerung lediglich die Geltungsdauer einer bestehenden Ausnahme verlängert wird, ergeben sich keine Auswirkungen auf Bund, Kantone, Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen, Berggebiete, den Personalbestand oder die Volkswirtschaft.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Bundeskompetenz zur Erhebung einer Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens ist in Artikel 132 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)13 geregelt. Die Anforderungen von Artikel 127 BV gelten auch für die Erhebung der Verrechnungssteuer. Das VStG regelt namentlich das Steuerobjekt und das Steuersubjekt. Diese Vorgaben sind allesamt eingehalten. Die Ausnahmen sind sachlich begründet, weil TBTF-Instrumente dazu dienen, die Stabilität des Finanzmarkts Schweiz zu erhalten (Ziff. 1.1). Die Verlängerung der Privilegierung gegenüber den übrigen Unternehmensobligationen liegt im öffentlichen Interesse und ist daher verfassungskonform. Ausserdem ist die Verlängerung wiederum befristet.

6.2

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen noch neue Verpflichtungskredite beschlossen.

13

SR 101

8708

BBl 2020

Glossar Abwicklung

Abwicklung ist vorliegend gleichzusetzen mit dem Ausscheiden aus dem Markt. Ein plötzlicher und ungeordneter Marktaustritt einer Bank kann sich negativ auf die Stabilität des Finanzsystems und die Volkswirtschaft auswirken. Es gibt daher spezifische Vorschriften zur Insolvenz einer Bank.

Damit wird ein geordneter Marktaustritt (Abwicklung) sichergestellt.

Aufsichtsrechtliche Anforderungen

Aufsichtsrechtlich stellen CoCos und Write-off-Bonds bei allen Banken Eigenmittel dar und dienen damit der Erfüllung eines regulatorischen Erfordernisses. CoCos und Write-offBonds werden von den systemrelevanten Banken primär zur Erfüllung der Anforderungen an Eigenmittel zur ordentlichen Weiterführung eingesetzt. Sie können aber auch zur Erfüllung der Anforderungen an zusätzlich verlustabsorbierende Mittel dienen. Bail-in-Bonds eignen sich einzig zur Erfüllung der Anforderungen an zusätzlich verlustabsorbierende Mittel; diese Anforderungen haben nur die gegenwärtig fünf systemrelevanten Banken zu erfüllen.

Steuerrechtlich handelt es sich bei CoCos, Write-off-Bonds und Bail-in-Bonds um Fremdkapital.

Schätzungsweise wurden über 95 Prozent aller TBTFInstrumente bisher von systemrelevanten Banken emittiert.

Sämtliche systemrelevante Banken unterliegen allen Anforderungen, wenn auch in unterschiedlicher Höhe. Dadurch könnte sich der Anteil von systemrelevanten Banken am Volumen aller TBTF-Instrumente tendenziell noch erhöhen.

Bail-in-Bonds

14

Bail-in-Bonds wurden per 1. Juli 2016 in die Bankenregulierung aufgenommen. Sie sind Schuldinstrumente zur Verlusttragung bei Insolvenzmassnahmen und dienen den Banken als zusätzliches Pufferkapital. Es handelt sich um Anleihensobligationen, die bei (drohender) Insolvenz im Rahmen eines durch die FINMA eingeleiteten Sanierungsverfahrens nach den Artikeln 28­32 BankG und insbesondere nach Artikel 31 Absatz 3 BankG reduziert oder in Eigenkapital umgewandelt werden können (vgl. ferner Art. 126a, 132 und 133 der Eigenmittelverordnung vom 1. Juni 201214, ERV). Anders als bei CoCos, bei denen die Gesellschaftsorgane bereits im Ausgabezeitpunkt dafür verantwortlich sind, dass im Falle einer Wandlung die Aktien bereitstehen, würden bei einem Bail-in-Bond die Aktien durch die FINMA als Sanierungsbehörde kraft behördlichen Entscheides geschaf-

SR 952.03

8709

BBl 2020

fen und den Gläubigern im Ausgleich für die Herabschreibung der Forderung zugeteilt, wobei vorgängig das frühere Fremdkapital abgeschrieben würde.

Mit der Änderung der Eigenmittelverordnung vom 21. November 2018 betreffen die Anforderungen an zusätzlich verlustabsorbierende neu auch die nicht international tätigen systemrelevanten Banken, jedoch in vermindertem Umfang.

Gemäss den Bestimmungen der ERV können Bail-in-Bonds von der FINMA nicht nur als Anleihensobligationen, sondern auch als Darlehen zu analogen Bedingungen genehmigt werden.

Bank

Als Banken gelten laut Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Bankenverordnung vom 30. April 201415 Unternehmen, die hauptsächlich im Finanzbereich tätig sind und insbesondere gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegennehmen oder sich öffentlich dafür empfehlen. Banken benötigen zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit eine Bewilligung und werden von der FINMA prudenziell überwacht.

Im vorliegenden Zusammenhang werden unter den Begriff auch Finanzgruppen und bank- oder effektenhandelsdominierte Finanzkonglomerate subsumiert.

Zu den systemrelevanten Banken siehe dort.

CoCos

CoCos (Contingent Convertibles) sind Pflichtwandelanleihen, die bei Eintritt eines bestimmten, in den Emissionsbedingungen vordefinierten Ereignisses (sog. Trigger) in Eigenkapital (meist Aktien) der betreffenden Bank umgewandelt werden. Vor der Umwandlung qualifizieren CoCos als Fremdkapital, das aufsichtsrechtlich an die Eigenmittel angerechnet werden darf.

Sie wurden zusammen mit der Einführung des TBTFRegimes per 1. März 2012 in das Bankengesetz aufgenommen (vgl. Art. 11 Abs. 2 BankG).

Gegenwärtig haben die Banken aber ausschliesslich Writeoff-Bonds ausgegeben. Grund dafür ist einerseits die vergleichsweise höhere Komplexität bei der Festlegung der Wandlungsbestimmungen, andererseits der Umstand, dass Gesellschaftskapital aus einer Wandlung im Rahmen einer Sanierung ohne Vorrechte gegenüber den ursprünglichen Kapitalgebern abgeschrieben wird.

15

SR 952.02

8710

BBl 2020

Finanzgruppen, bank- oder effektenhandelsdominierte Finanzkonglomerate

Eine Finanzgruppe ist eine durch wirtschaftliche Einheit oder Beistandszwang verbundene Gruppe von Unternehmen, die hauptsächlich im Finanzbereich tätig ist und mindestens eine Bank oder einen Effektenhändler aufweist (Art. 3c Abs. 1 BankG). Ist eines der beteiligten Unternehmen in der Finanzgruppe ein Versicherer, so spricht man von einem bank- oder effektenhandelsdominierten Finanzkonglomerat (Art. 3c Abs. 2 BankG).

Die FINMA kann diese Finanzgruppen und Finanzkonglomerate der Gruppenaufsicht unterstellen. Diese Gruppenaufsicht erfolgt ergänzend zur Aufsicht über die einzelnen Unternehmen.

Finanzgruppen und Finanzkonglomerate unterstehen lediglich dann der Sanierungszuständigkeit der FINMA, wenn sie bank- oder effektenhandelsdominiert sind. Bei Finanzgruppen ist dies immer der Fall, bei Finanzkonglomeraten lediglich dann, wenn die Konzernobergesellschaft unter die Aufsicht und die Konkurszuständigkeit der FINMA fällt (Art. 2bis Abs. 1 Bst. a BankG).

Fremdkapitalmarkt

Der Fremdkapitalmarkt ist Teil des Kapitalmarkts. Fremdkapital umfasst im vorliegenden Zusammenhang die Schulden eines Unternehmens. Vorwiegend relevant sind Obligationen und weitere Anlagen mit Zinserträgen.

Systemrelevante Banken

Systemrelevante Banken sind Banken, bei deren Ausfall es aufgrund von deren Grösse, Marktbedeutung und Vernetzung zu erheblichen Verwerfungen im Finanzsystem und zu negativen gesamtwirtschaftlichen Folgen kommen kann.

Derzeit gelten UBS und CS aufsichtsrechtlich als global systemrelevante Banken16 sowie gemäss Artikel 124a ERV als international tätige systemrelevante Banken. Als inlandorientierte systemrelevante Banken gelten die Zürcher Kantonalbank, die Raiffeisen-Gruppe und die PostFinance.

Für alle systemrelevanten Banken gelten besondere Eigenmittelvorschriften (etwa zu erfüllen mit CoCos oder Writeoff-Bonds) sowie Anforderungen an zusätzliche Mittel zur Verlusttragung bei Insolvenzmassnahmen (je nach Eigentümerstruktur zu erfüllen mit Bail-in-Bonds resp. mit Staatsgarantie oder ähnlichem Mechanismus).

16

Systematik des Financial Stability Board (FSB); letztmals publizierte Liste vom 22. November 2019, abrufbar unter www.fsb.org > Publications > list of global systemically important banks (G-SIBs).

8711

BBl 2020

Alle weiteren Banken unterstehen den allgemeinen aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Der Begriff der nicht systemrelevanten Bank ist kein aufsichtsrechtlicher und wird entsprechend auch nicht von der Schweizerischen Nationalbank so verwendet. Er wird im vorliegenden Zusammenhang genutzt, um die Abgrenzung zu verdeutlichen.

TBTF

Too-big-to-fail. Um in Zukunft staatliche Rettungsmassnahmen für systemrelevante Banken und damit mögliche Kostenfolgen für die Steuerpflichtigen zu minimieren, hat die Schweiz eine gezielte TBTF-Regulierung erlassen.

Zur Reduktion der Ausfallwahrscheinlichkeit und zur Verbesserung von Sanierung und Liquidierbarkeit sind vier Massnahmen vorgesehen17: ­ Höhere Eigenmittel: Systemrelevante Banken sind verpflichtet, höhere Eigenmittel zur Verlustdeckung aufzubauen.

­ Verbesserung der Liquidität: Die Resistenz der Bank gegenüber einem Liquiditätsschockereignis wird mit einem besonderen Liquiditätsregime verbessert.

­ Planung der Stabilisierung und Sanierung/Abwicklung: Mit der Vorbereitung für den Krisenfall wird frühzeitig begonnen. Mit dem Notfallplan muss die Weiterführung von systemrelevanten Dienstleistungen im Insolvenzfall gewährleistet werden.

­ Änderung der Bestimmungen zur Bankeninsolvenz: Das rechtliche Instrumentarium zur Sanierung und Abwicklung von Finanzinstituten wurde angepasst.

Der Aufsicht der FINMA unterstellte Banken können aufgrund der TBTF-Gesetzgebung u. a. dazu verpflichtet sein, CoCos, Write-off-Bonds und Bail-in-Bonds zur Stärkung der Eigenmittelbasis oder zur Erfüllung der Anforderungen an zusätzliche verlustabsorbierende Mittel auszugeben.

17

Faktenblatt der FINMA vom 1. Dezember 2014, Das Schweizer Too-big-to-fail-Regime, abrufbar unter www.finma.ch.

8712

BBl 2020

TBTF-Instrumente

CoCos, Write-off-Bonds, Bail-in-Bonds; vgl. dort.

Die TBTF-Bestimmungen des BankG sollen verhindern, dass Banken, die der Aufsicht der FINMA unterstellt sind, im Krisenfall mit Steuergeldern gerettet werden müssen.

Dazu müssen diese Institute bestimmte Anforderungen an Eigenmittel und verlustabsorbierende Mittel erfüllen. Die Bestimmungen sind seit dem 1. März 2012 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt können Banken Pflichtwandelanleihen (CoCos) und Anleihen mit Forderungsverzicht (Write-offBonds) emittieren, die den regulatorischen Eigenmitteln angerechnet werden.

Trigger

Write-off-Bonds

Gestützt auf den im Bankengesetz verankerten Auftrag an den Bundesrat muss dieser alle zwei Jahre eine Evaluation durchführen. Im Rahmen dieses Prozesses können mit der Änderung vom 1. Juli 2016 neu auch Bail-in-Bonds emittiert werden.

TBTF-Instrumente stellen bei der emittierenden Gesellschaft Fremdkapital dar. Es handelt sich um strukturierte Fremdkapitalprodukte (siehe dort).

Auslösendes Ereignis bei den beiden TBTF-Instrumenten CoCos und Write-off-Bonds. Ein Trigger löst die Umwandlung von TBTF-Instrumenten in Eigenkapital oder deren Abschreibung aus. In der Praxis ist dies hauptsächlich der Fall bei Unterschreiten einer bestimmten Eigenkapitalquote (Kapitaltrigger) sowie im Falle der drohenden Insolvenz.

Bei Bail-in-Bonds ist der Trigger ein formeller Sanierungsentscheid der FINMA.

Anleihen mit Forderungsverzicht. Sie werden bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Trigger wie bei den CoCos; vgl. dort) nicht in Eigenkapital umgewandelt, sondern abgeschrieben (der ersatzlose Wegfall der Fremdkapitalverpflichtung schafft Eigenkapital). Der Forderungsverzicht ist nicht eine Option im Krisenfall, sondern wurde von der Emittentin als Variante von Beginn weg gewählt. Je nach Rechtsform des emittierenden Instituts (insbesondere öffentliche Körperschaft oder Genossenschaft) muss diese Variante allein schon deswegen gewählt werden, weil eine Wandlung in Gesellschaftskapital sich gar nicht realisieren liesse.

Vor der Abschreibung handelt es sich steuerrechtlich um Fremdkapital. Aufsichtsrechtlich können die Mittel an die Eigenmittel angerechnet werden.

Write-off-Bonds wurden zusammen mit der Einführung des TBTF-Regimes per 1. März 2012 in das Bankengesetz aufgenommen (vgl. Art. 11 Abs. 2 BankG).

8713

BBl 2020

8714