20.039 Botschaft zu einer dringlichen Änderung des Luftfahrtgesetzes angesichts der COVID-19-Krise vom 29. April 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer dringlichen Änderung des Luftfahrtgesetzes angesichts der COVID-19-Krise.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. April 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Mit der vorliegenden Änderung des Luftfahrtgesetzes soll die Rechtsgrundlage für Beteiligungen des Bundes an bestimmten Betrieben im Bereich der Luftfahrt sowie für weitere Finanzhilfen des Bundes an solche Betriebe geschaffen werden, um einen unterbruchfreien und geordneten Betrieb der Landesflughäfen zu gewährleisten. Dieser ist infolge der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen unmittelbar gefährdet.

Die Vorlage sieht vor, die bestehende Rechtsgrundlage in den Artikeln 101­103 des Luftfahrtgesetzes mit einem neuen Artikel 102a zu ergänzen. Damit soll sich der Bund zusammen mit den Landesflughäfen an Gesellschaften zur Sicherstellung der Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung beteiligen oder solchen Gesellschaften sowie den Landesflughäfen selber Darlehen, Bürgschaften oder Garantien gewähren können.

Die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Bundes und für die Ausrichtung weiterer Finanzhilfen sowie die Bedingungen und Auflagen für Darlehen, Bürgschaften und Garantien sollen vom Bundesrat geregelt werden. Er soll dafür sorgen, dass die Finanzhilfen ausschliesslich zur Sicherstellung der Dienstleistungen in der Schweiz verwendet werden.

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Botschaft 1

Ausgangslage und Grundzüge der Vorlage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Wie andere Branchen auch ist die Luftfahrtindustrie unmittelbar von den Massnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie betroffen. Schwerwiegende Folgen haben insbesondere die von sehr vielen Staaten beschlossenen Einreiseverbote. Der internationale Flugverkehr ist eingebrochen. Die Flugbewegungen auf den Schweizer Landesflughäfen sind fast vollständig zum Erliegen gekommen.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Luftverkehrs ist hoch, sowohl im Passagierverkehr als auch bei der Luftfracht, welche ein elementarer Teil der Schweizer Wertschöpfungskette ist. Für rund 70 Prozent der Schweizer Unternehmen ist die Abwicklung von Luftfracht eine wichtige Grundvoraussetzung. Mehr als ein Drittel aller Exporte, bezogen auf den Wert der Waren, verlassen die Schweiz per Luftfracht, rund ein Sechstel aller Importe erreichen die Schweiz per Flugzeug. Schliesslich wird durch die Branche eine grosse Zahl an Arbeitsplätzen angeboten und eine beachtliche Wertschöpfung generiert: Gemäss einer Berechnung, die im Rahmen der Erarbeitung des Berichts vom 24. Februar 20161 über die Luftfahrtpolitik der Schweiz erstellt wurde, generiert der private Flugverkehr direkt und indirekt eine Wertschöpfung von rund 30 Milliarden Franken pro Jahr (rund 5 % des BIP 2016).

Bedeutend für den Betrieb der Flughäfen sind auch die sogenannten Bodenabfertigungsdienste und Flugzeugwartungsbetriebe (flugnahe Betriebe). Es handelt sich hierbei um verschiedene Unternehmen, welche im Rahmen von vertraglichen Verhältnissen die Infrastrukturen der Flughäfen nutzen können und in der Regel im Auftrag der Flugbetriebe vor allem die logistischen, bodengestützten Aspekte des Flugbetriebs verantworten (Abwicklung und Beförderung der Passagiere, des Gepäcks, der Fracht und des Caterings zu den Flugzeugen, Beladung und Betankung der Flugzeuge, Reinigung der Flugzeuge, Sicherheitsdienste, Treibstofflieferungen und Betrieb der Tankanlagen) oder kleinere und grössere Flugzeugwartungen ausführen.

Aus heutiger Sicht werden die Einschränkungen im Luftverkehr noch längere Zeit anhalten. Infolge des fast vollständigen Einnahmenausfalls sind in wenigen Wochen bei allen Fluggesellschaften und Bodenabfertigungsunternehmen Liquiditätsengpässe zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass nur wenige der davon betroffenen Unternehmen die Engpässe selbst überbrücken können.

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Gesuche um konkrete finanzielle Unterstützung des Bundes sind von Fluggesellschaften, aber auch von den an allen Landesflughäfen aktiven flugnahen Unternehmen eingegangen: von Swissport international2, Gategroup3 und SR Technics4.

Die Swissport International ist mit Abstand Marktführerin bei der Bodenabfertigung in der Schweiz und liesse sich kurzfristig nicht ersetzen. SR Technics Switzerland bietet Wartungsdienstleistungen für eine Vielzahl von Fluggesellschaften an und ist insbesondere für den Flugbetrieb von easyJet Switzerland von hoher Relevanz. Die Catering-Dienstleistungen der Gategroup sind vor allem für die interkontinentalen Verbindungen und damit auch für Swiss und Edelweiss wichtig.

An seiner Sitzung vom 8. April 2020 hat sich der Bundesrat deshalb bereit erklärt, in Abstimmung mit den Kantonen Massnahmen zu prüfen, damit die internationale Anbindung der Schweiz im Luftfahrtbereich durch die Coronapandemie nicht gefährdet wird. Zudem hat er beschlossen, dass eine finanzielle Unterstützung nur unter Einhaltung strenger Bedingungen gewährt werden darf und insbesondere eine angemessene Lastenverteilung sichergestellt werden muss. Das bedeutet, dass die öffentliche Hand nur subsidiär tätig werden soll und dass in erster Linie die Unternehmen und deren Kapitalgeber gefordert sind, alle vertretbaren Massnahmen umzusetzen.

In der Medienmitteilung zum Grundsatzentscheid des Bundesrats heisst es hierzu: «Im Vordergrund stehen dabei Garantien des Bundes. Diese sollen an strenge Voraussetzungen geknüpft werden, um die Risiken für den Bund zu minimieren.

Dazu gehört etwa der Nachweis, dass sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Zukünftig erwirtschaftete Mittel wären zudem prioritär zur Rückzahlung der Liquiditätshilfen zu verwenden. Und dem Bund stünden für das von ihm getragene Risiko marktkonforme Zinsen oder anderweitige Vergütungen zu. Vom Bund garantierte Mittel müssten ausserdem in einem angemessenen Verhältnis zum Engagement der Muttergesellschaften stehen und ausschliesslich zur Sicherstellung der schweizerischen Infrastrukturen verwendet werden. Schliesslich werden Zusicherungen zur langfristigen Beibehaltung der internationalen Luftanbindung der Schweiz erwartet».

Weiter hat der Bundesrat den Auftrag erteilt, ihm bis Ende April 2020 Massnahmen und allenfalls notwendige
Gesetzesanpassungen vorzuschlagen, um einen unterbruchfreien und geordneten Betrieb der Landesflughäfen sicherzustellen.

Nach vertieften Abklärungen der wirtschaftlichen Situation und der Organisationsstrukturen der zuvor genannten Unternehmen hat der Bundesrat am 29. April 2020 beschlossen, dem Parlament Anträge zur Bewilligung eines Verpflichtungs- und eines Nachtragskredits zu unterbreiten. Der Bundesrat unterbreitet dem Parlament 2

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4

Swissport international: 100-prozentige Tochtergesellschaft der chinesischen HNA Group; bis zum Ausbruch der COVID-19-Krise ca. 65 000 Beschäftigte, davon ca. 5000 in der Schweiz.

Gategroup: je zu 50 % im Eigentum der Finanzinvestoren RRJ Capital und Temasek aus Singapur; bis zum Ausbruch der COVID-19-Krise ca. 40 000 Beschäftigte, davon ca. 1300 in der Schweiz.

SR Technics: zu 80 % im Eigentum der HNA Group, zu 20 % im Eigentum der Mubadala Development Company PJSC (Staatsfonds der Vereinigten Arabischen Emirate); bis zum Ausbruch der COVID-19-Krise ca. 2700 Beschäftigte, davon ca. 1400 in der Schweiz.

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zugleich im dringlichen Verfahren eine Anpassung des Luftfahrtgesetzes. Damit soll eine Rechtsgrundlage für die allfällige Unterstützung der flugnahen Betriebe geschaffen werden.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Beteiligung und weitere Finanzhilfen (Darlehen, Bürgschaften und Garantien) Mit einem neuen Artikel 102a soll im Luftfahrtgesetz vom 21. Dezember 19485 (LFG) die rechtliche Grundlage geschaffen werden, damit der Bund infolge der COVID-19-Pandemie zusammen mit den Flugplatzunternehmungen Massnahmen zur Aufrechterhaltung der notwendigen Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung durch die schweizerischen Unternehmensteile der erwähnten Gesellschaften treffen kann. Die Flughäfen und die beteiligten Kantone verfügen möglicherweise nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um die notwendigen Massnahmen treffen zu können. Zudem stehen vorab Landesinteressen im Vordergrund, weshalb sich der Bund vorübergehend beispielsweise an Auffanggesellschaften beteiligen sowie solchen Gesellschaften, den Dienstleistungsunternehmen selber und den Landesflughäfen Darlehen, Bürgschaften oder Garantien gewähren können soll. Die neue Gesetzesbestimmung überträgt dem Bundesrat die Aufgabe, die Voraussetzungen für die zu treffenden Massnahmen sowie die Bedingungen und Auflagen für die Ausrichtung von Finanzhilfen zu regeln. Er soll dafür sorgen, dass die Finanzhilfen ausschliesslich zur Sicherstellung der Dienstleistungen in der Schweiz verwendet werden.

Wettbewerb Der bestehende Artikel 103 Absatz 1 Buchstabe a LFG, der der Wettbewerbskommission die Aufgabe zuweist, die Vereinbarkeit von Leistungen, Beteiligungen und Finanzhilfen auf die Vereinbarkeit mit dem internationalen und europäischen Recht zu überprüfen, soll auf den neuen Artikel 102a ausgedehnt werden.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Akteure in der Schweizer Luftfahrt

Der Luftverkehr wird üblicherweise unterteilt in Linien- und Charterverkehr sowie «Allgemeine Luftfahrt», auch General Aviation genannt. Die General Aviation umfasst sehr unterschiedliche aviatische Sparten, die grundsätzlich nach Geschäftsreiseverkehr (Business Aviation), Rettungs- und Einsatzverkehr, Arbeitsluftverkehr und übrige Allgemeine Luftfahrt unterschieden werden.

99,3 Prozent aller in der Schweiz beförderten Flugpassagiere sind dem Linien- und Charterverkehr zuzuordnen. Dieser findet, wie auch der Frachtverkehr, praktisch zu 5

SR 748.0

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100 Prozent auf den drei Landesflughäfen Basel, Genf und Zürich statt. Das grösste Verkehrsaufkommen weist dabei der Flughafen Zürich auf, gefolgt von Genf und Basel.

Die drei Landesflughäfen und die Skyguide bilden das Fundament der Schweizer Zivilluftfahrt und sind von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Leistungen, welche die Flughäfen Basel, Genf und Zürich erbringen, bei einem Konkurs vor allem aus Gründen der Anbindung und Auslastung nicht in gleichem Masse von anderen Flughäfen (z. B. Mailand, Stuttgart, München) erbracht werden können. Die Eigentümerschaft der drei Landesflughäfen (die Flughäfen Genf und Basel sind weitgehend in Staatsbesitz und der Flughafen Zürich gehört zu knapp 40 Prozent der öffentlichen Hand) entschärft diesbezüglich basierend auf den aktuellen Erkenntnissen die Herausforderungen für den Bund.

Betreffend die Bodenabfertigungs- und Wartungsdienste haben Swissport International AG, Gate Gourmet Switzerland GmbH und SR Technics Switzerland AG gestützt auf die aktuellen Erkenntnisse, die auf Untersuchungen von externen Expertinnen und Experten des Bundes basieren, die grössten Ausfallrisiken. Alle Gesellschaften gehören asiatischen Investoren, über die keine transparenten und verlässlichen Finanzinformationen verfügbar sind (vgl. auch Ziff. 1.1). Die Swissport International AG ist an allen drei Landesflughäfen mit Abstand Marktführerin bei der Bodenabfertigung und liesse sich insbesondere kurzfristig nicht ersetzen.

SR Technics Switzerland AG ist vorwiegend für easyJet Switzerland von hoher Relevanz, vor allem auch in Bezug auf kurzfristig erforderliche Wartungsdienste.

Gate Gourmet erbringt wichtige Dienstleistungen im Bereich Versorgung von Passagierflügen, die kurzfristig nicht anderswo beschafft werden könnten.

1.3.2

Rechtliche Rahmenbedingungen

Gemäss Artikel 101 Absatz 1 LFG kann der Bund der schweizerischen Luftfahrt an den Betrieb regelmässig beflogener Linien Beiträge oder Darlehen gewähren. Dabei ist in jedem Fall die finanzielle Lage des Empfängers zu berücksichtigen (Abs. 2).

Nach Artikel 102 LFG kann sich der Bund an Flugplatz- oder Luftverkehrsunternehmungen beteiligen, wenn dies im allgemeinen Interesse liegt. Beide Bestimmungen kamen bei der seinerzeitigen Finanzierung des Redimensionierungskonzeptes für die nationale Zivilluftfahrt nach dem Grounding der Swissair im Oktober 2001 zur Anwendung. Der Bund gewährte der Swissair damals gestützt auf Artikel 101 LFG zinsfreie Darlehen von insgesamt 1450 Millionen Franken zur vorübergehenden Aufrechterhaltung des Flugbetriebes auf einem reduzierten Streckennetz. Weiter beteiligte sich der Bund gestützt auf Artikel 102 LFG mit 600 Millionen Franken an der Erhöhung des Aktienkapitals von Crossair, die nach der Übergangsphase einen Grossteil der bisher von der Swissair betriebenen Flotte und Fluglinien übernahm.

Eine Unterstützung der flugnahen Betriebe ist gestützt auf die beiden Artikel 101 und 102 LFG nicht möglich. Beim damaligen Redimensionierungskonzept war für diese Bereiche eine Überbrückungsfinanzierung vorgesehen. Die dazu notwendigen Mittel von rund 150 Millionen Franken stammten aber nicht vom Bund. Sie wurden 3672

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unter der Federführung des Kantons Zürich durch eine gemeinsame Anstrengung der Flughafenkantone, der Flughafengesellschaften und verschiedener Grossbanken sichergestellt.

Für eine finanzielle Unterstützung der flugnahen Betriebe durch den Bund muss eine entsprechende gesetzliche Grundlage über Dringlichkeitsrecht (Art. 165 der Bundesverfassung, BV6) oder über Notrecht (Art. 173 Abs. 1 Bst. c oder Art. 185 Abs. 3 BV) geschaffen werden. Vorliegend wird die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage über Dringlichkeitsrecht gewählt, weil der Bundesrat dem Parlament zum Zweck der Unterstützung der Luftfahrt gleichzeitig die Bewilligung von Verpflichtungsund Nachtragskrediten beantragt und eine formell-gesetzliche Grundlage einer Parlamentsverordnung vorzuziehen ist.

Werden Bundesgelder zugesprochen, ist Artikel 103 LFG zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung prüft die Wettbewerbskommission (WEKO) Entwürfe zu Beschlüssen des Bundesrates, die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige im Anwendungsbereich des Luftverkehrsabkommens mit der EU 7 begünstigen, insbesondere Leistungen und Beteiligungen nach den Artikeln 101 und 102 LFG, daraufhin, ob sie mit Artikel 13 des Abkommens vereinbar sind (siehe unten Ziffer 4.2). Allfällige Beteiligungen oder Finanzhilfen gestützt auf den neuen Artikel 102a E-LFG fallen ebenfalls darunter. Die WEKO ist darum gegebenenfalls frühzeitig einzubeziehen.

1.3.3

Vernehmlassung

Aufgrund der Dringlichkeit musste auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

1.3.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

Die hier beantragte Änderung des LFG ist weder in der Legislaturplanung 2019­ 2023 vorgesehen noch mit Strategien des Bundesrates abgestimmt. Weder die Legislaturplanung noch die Strategien des Bundesrates konnten die aktuelle COVID-19Pandemie und deren Auswirkungen vorhersehen und berücksichtigen.

1.3.5

Verworfene Revisionsideen

Aufgrund der Ergebnisse der rechtlichen Abklärungen durch die Verwaltung wurden folgende Regelungsvarianten verworfen: ­

6 7

Schaffung der Rechtsgrundlage mit einer Notverordnung des Bundesrates gestützt auf Artikel 185 BV; SR 101 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr, SR 748.127.192.68

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­

Schaffung der Rechtsgrundlage mit einer Notverordnung des Parlaments gestützt auf Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe c BV.

1.4

Umsetzung

Die neue Gesetzesbestimmung ist unmittelbar anwendbar. Der Bundesrat kann die Voraussetzungen für die zutreffenden Massnahmen, die Bedingungen und Auflagen für die Ausrichtung von Finanzhilfen in einer Verordnung oder in Verträgen mit den Empfängern der Finanzhilfen regeln. Er sorgt dabei dafür, dass die Finanzhilfen ausschliesslich zur Sicherstellung der Dienstleistungen in der Schweiz verwendet werden.

2 Art. 102a

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln IIa. Finanzhilfen infolge der COVID-19-Pandemie

Abs. 1 Da die Schweiz ein Binnenland ist, dienen die Landesflughäfen der Anbindung der Schweiz an Europa (mit Ausnahme der direkt angrenzenden Regionen) und an die weiteren Kontinente. Zur Sicherstellung dieser Anbindung, die durch Luftfahrtgesellschaften gewährleistet wird, müssen die Flughäfen die für die Abfertigung von Passagieren, Post und Fracht notwendigen Infrastrukturen und Prozesse zur Verfügung stellen. Diese sogenannten Bodenabfertigungsdienste umfassen die Abwicklung und Beförderung der Passagiere, des Gepäcks, der Fracht und des Caterings zu den Flugzeugen, die Beladung und Betankung der Flugzeuge, die Reinigung der Flugzeuge, Sicherheitsdienste, Treibstofflieferungen und den Betrieb der Tankanlagen.

Die aktuelle Pandemiesituation gefährdet die Sicherstellung eines unterbruchfreien und geordneten Betriebs der Flughäfen. Um diesen sicherzustellen, sieht Absatz 1 Bst. a vor, dass sich der Bund, zusammen mit den Flugplatzunternehmungen, vorübergehend an Gesellschaften beteiligen kann, die sicherstellen, dass die Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung weiterhin erbracht werden (erster Satzteil). Der Bund kann einer oder mehreren solchen Auffanggesellschaften auch Darlehen, Bürgschaften oder Garantien gewähren (zweiter Satzteil).

Bst. b bildet die gesetzliche Grundlage dafür, dass der Bund den Unternehmen, die Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung erbringen, zur Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeit Darlehen, Bürgschaften oder Garantien gewährt.

Gemäss Artikel 102 LFG kann der Bund die Flughäfen selber nur dadurch unterstützen, dass er sich beteiligt. Ergänzend dazu sieht Artikel 102a Buchstabe c E-LFG vor, dass der Bund den Landesflughäfen auch Darlehen, Bürgschaften oder Garantien gewähren kann.

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Abs. 2 Diese Bestimmung überträgt dem Bundesrat die Regelung der Voraussetzungen, unter denen der Bund sich an Gesellschaften, die Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung erbringen, beteiligen sowie diesen oder den Flughäfen selber weitere Finanzhilfen in Form von Darlehen, Bürgschaften oder Garantien ausrichten kann. Der Bundesrat regelt auch die damit zu verbindenden Bedingungen und Auflagen. Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Finanzhilfen ausschliesslich zur Sicherstellung von Dienstleistungen in der Schweiz verwendet werden.

Art. 103

Überprüfung von Beihilfen

Werden Bundesgelder zugesprochen, ist Artikel 103 LFG zu berücksichtigen. Nach Buchstabe a dieser Bestimmung prüft die Wettbewerbskommission (WEKO) Entwürfe zu Beschlüssen des Bundesrates, welche bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige im Anwendungsbereich des Luftverkehrsabkommens mit der EU begünstigen, insbesondere Leistungen und Beteiligungen nach den Artikeln 101 und 102 LFG vorsehen, daraufhin, ob sie mit Artikel 13 des Abkommens vereinbar sind.

Allfällige Beteiligungen oder Finanzhilfen gestützt auf Artikel 102a E-LFG fallen ebenfalls darunter. Die WEKO ist darum gegebenenfalls frühzeitig einzubeziehen.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Der dem Parlament zur Bewilligung beantragte Verpflichtungskredit von 600 Millionen Franken bzw. der damit verbundene Nachtrag in gleicher Höhe für die Unterstützung von flugnahen Betrieben an den Landesflughäfen könnte kurzfristig zu entsprechenden Mittelabflüssen führen. Da noch offen ist, in welcher Form und in welcher Höhe eine Bundesunterstützung nötig werden könnte, lassen sich diese allerdings nicht beziffern. Auch bei diesen Unterstützungen ist eine angemessene Entschädigung des Bundes Voraussetzung.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Die Umsetzung der mit dieser Botschaft beantragten Änderung des LFG führt kurzfristig zu einer leichten Zunahme der Arbeitsbelastung bei den beteiligten Stellen der Verwaltung. Sollte sich der Bund an Gesellschaften, die Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung erbringen, beteiligen, nähme er auch Einsitz in die entsprechenden Organe. Die dafür nötigen Kenntnisse und Ressourcen sind in der Verwaltung (vorab EFD/EFV und UVEK/BAZL) verfügbar.

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3.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Aufgrund der bereits dargestellten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Landesflughäfen profitiert das ganze Land davon, dass die Landesflughäfen ihre Funktion als Tore der Schweiz zur Welt ohne Unterbruch wahrnehmen können.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Landesflughäfen und der dort tätigen Betriebe, die Dienstleistungen in den Bereichen Bodenabfertigung und Luftfahrzeuginstandhaltung erbringen, wurde im 1. Kapitel bereits erläutert. Es kann auf diese Ausführungen verwiesen werden.

3.4

Auswirkungen in weiteren Bereichen

Es ist offensichtlich, dass in den Bereichen Gesellschaft und Umwelt sowie in weiteren Bereichen wie zum Beispiel der Aussenpolitik von dieser Vorlage keine direkten Auswirkungen zu erwarten sind; die entsprechenden Fragen wurden daher nicht geprüft.

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 87 BV. Diese Bestimmung verleiht dem Bund die Kompetenz, im Bereich der Luft- und Raumfahrt gesetzgeberisch tätig zu sein.

Artikel 165 BV ermächtigt das Parlament, Bundesgesetze, deren Inkrafttreten keinen Aufschub dulden, dringlich zu erklären.

4.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die beantragte Revision des LFG betrifft einen Bereich des Luftverkehrs, in dem sich die Schweiz zur Erfüllung internationaler Vorgaben staatsvertraglich verpflichtet hat. Internationale Verpflichtungen gehen vor allem aus dem Luftverkehrsabkommen mit der EU hervor.Nach den Artikeln 13 und 14 des Abkommens sind staatliche Beihilfen nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Für die Gewährung von staatlichen Beihilfen kennt die EU klare Regeln, gestützt auf die sie eine Praxis entwickelte, an die sich im Anwendungsbereich des Luftverkehrsabkommens auch die Schweiz hält.

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Angesichts des Ausmasses der derzeitigen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des europäischen Luftfahrtsystems erarbeitet die Europäische Kommission zurzeit verschiedene Massnahmenpakete, die es den Mitgliedstaaten erlauben sollen, kurzfristig auch sehr weitgehende Unterstützungsmassnahmen ergreifen zu können. Die Kompatibilität schweizerischer Unterstützungsmassnahmen mit den Vorgaben des Luftverkehrsabkommens ist auch im Lichte der von der EU und ihren Mitgliedstaaten beschlossenen Massnahmen zu beurteilen.

Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b des Abkommens sieht vor, dass Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige aussergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, mit dem Abkommen vereinbar sind. Diese Bestimmung entspricht Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). In der EU gilt für die Beihilfenpraxis der Europäische Kommission der «Befristete Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19».8 Die Kommission qualifiziert die COVID-19-Pandemie «sonstiges aussergewöhnliches Ereignis» im Sinne dieser Bestimmung. Auf dieser Grundlage können nur effektive Schäden vergütet werden.

Artikel 13 Absatz 3 Buchstabe b des Abkommens sieht die Möglichkeit vor, «Beihilfen zur [...] Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben einer Vertragspartei» zu gewähren. Diese Bestimmung entspricht Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV. Auch hier gilt in der EU der «Befristete Rahmen», wonach es den EU-Mitgliedstaaten erlaubt ist, kurzfristig auch sehr weitgehende Unterstützungsmassnahmen ergreifen zu können. Zurzeit liegen noch nicht alle Entscheide über Umfang und Inhalt dieser Massnahmen vor.

Die vorliegende dringliche Änderung des LFG sieht keine konkreten Massnahmen vor, sondern zielt auf die Schaffung innerstaatlicher Rahmenbedingungen ab, um geeignete Unterstützungskonzepte entwickeln zu können. Wegen der Ungewissheit über die Ausgestaltung der europäischen Massnahmen ist es wichtig, die Rahmenbedingungen im LFG möglichst offen zu gestalten. Dabei versteht es sich von selbst, dass die schweizerischen Massnahmen im Einklang mit dem für die Schweiz anwendbaren Völkerrecht stehen werden. Für eine völkerrechtskonforme Umsetzung müssen die auf innerstaatlicher
Ebene vorgesehenen Massnahmen mit den internationalen Verpflichtungen kompatibel sein. Dies ist mit der vorgesehenen Prüfung von Beihilfen durch die Wettbewerbskommission der Fall.

4.3

Vereinbarkeit mit dem Subventionsgesetz

Die zu genehmigenden Kredite stützen sich auf die beantragte Änderung des LFG (neuer Artikel 102a). Nach dessen Absatz 2 regelt der Bundesrat die Voraussetzungen, Bedingungen und Auflagen für die Subventionsgewährung. Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass Finanzhilfen ausschliesslich zur Sicherstellung der Dienstleistungen in der Schweiz verwendet werden. Ausserdem lässt sich der Bundesrat von den Grundsätzen des öffentlichen Interesses, der Effektivität und Effizienz sowie der 8

C(2020) 1863 vom 19. März 2020; geändert durch C(2020) 2215 vom 3. April 2020.

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zeitlichen Befristung leiten. Den Anforderungen nach den Artikeln 6 und 7 des Subventionsgesetzes (SuG9) an die Gewährung von Finanzhilfen wurde somit entsprochen.

4.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 3 LFG erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, Ausführungsbestimmungen im Bereich der Luftfahrt zu erlassen. Artikel 102a Absatz 2 E-LFG soll ihn zudem ermächtigen, die Voraussetzungen für die zu treffenden Massnahmen sowie die Bedingungen und Auflagen die Ausrichtung von Finanzhilfen zu regeln. Der Bundesrat soll dafür sorgen, dass die Finanzhilfen ausschliesslich zur Sicherstellung der Dienstleistungen in der Schweiz verwendet werden.

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SR 616.1

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