17.029 Botschaft zur Genehmigung und zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Medicrime-Konvention) vom 22. Februar 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Medicrime-Konvention).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

22. Februar 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2016-1506

3135

Übersicht Das Übereinkommen des Europarats vom 28. Oktober 2011 über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Medicrime-Konvention) ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Die Konvention bekämpft die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Die Vertragsparteien verpflichten sich, ihre Gesetzgebung in Bezug auf Straftaten betreffend die Herstellung, das Angebot und den Handel mit gefälschten Heilmitteln anzupassen, die Rechte der Opfer zu schützen und international zusammenzuarbeiten. Die Schweiz erfüllt die Anforderungen des Übereinkommens bereits weitgehend. Einige punktuelle Anpassungen der Strafprozessordnung und des Heilmittelgesetzes sind aber notwendig, um schärfer gegen Heilmittelfälschungen vorgehen zu können.

Ausgangslage Heilmittelfälschungen sind eine grosse Gefahr für die Gesundheit. Bei einem bisher vergleichsweise geringen Strafverfolgungs- und Sanktionsrisiko locken enorme Gewinne. Deshalb nehmen Heilmittelfälschungen weltweit zu. Durch den Handel im Internet ist die Frage von globaler Bedeutung.

Die Medicrime-Konvention will Heilmittelfälschungen und ähnlichen Straftaten international begegnen und sieht zu diesem Zweck repressive und präventive Massnahmen vor. Die Schweiz hat sie am 28. Oktober 2011 in Moskau unterzeichnet. Die Konvention ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten.

Ferner wurde in parlamentarischen Vorstössen der Bundesrat zur Stellungnahme im Hinblick auf eine allfällige Einfuhrbeschränkung von nicht zugelassenen Arzneimitteln durch Einzelpersonen aufgefordert (Anfrage Hardegger 12.1065 «Einfuhr nicht zugelassener, verwendungsfertiger Arzneimittel durch Einzelpersonen»; Interpellation Kessler 12.3746 «Qualitativ schlechte Medikamente aus Indien. Gesundheitsrisiko und hohe Kosten»).

Inhalt der Vorlage Die Medicrime-Konvention hält die Straftatbestände in Bezug auf Herstellung, Angebot und Handel mit gefälschten Arzneimitteln und Medizinprodukten (Heilmitteln) fest. Sie sieht Massnahmen zur Prävention und zum Schutz der Opfer vor.

Zudem regelt sie die nationale und internationale Zusammenarbeit der betroffenen Behörden. Fragen des Patentschutzes und des geistigen Eigentums sind explizit vom Geltungsbereich der Konvention ausgenommen.

Die Schweiz erfüllt die Anforderungen
des Übereinkommens bereits weitgehend.

Verschiedene Elemente (z. B. Anpassung der Strafbestimmungen) wurden bereits bei der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes (HMG, 2. Etappe, vgl. Botschaft vom 7. November 2012, BBl 2013 1) in schweizerisches Recht umgesetzt. Im Rahmen dieser Vorlage zur Genehmigung und zur Umsetzung der Medicrime-

3136

Konvention sollen weitere Anpassungen im HMG sowie in der Strafprozessordnung (StPO) vorgenommen werden: ­

Die Definition von «Vertreiben» wird ergänzt.

­

Es wird eine Gesetzesgrundlage für das Anbringen von Sicherheitsmerkmalen und -vorrichtungen auf Arzneimittelverpackungen geschaffen.

­

Der Informationsaustausch zwischen Behörden und Unternehmen wird verbessert.

­

Das Schweizerische Heilmittelinstitut (Institut) wird als nationale Kontaktstelle bezeichnet.

­

Das Institut und die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) erhalten die Kompetenz, bestimmte Massnahmen zur geheimen Überwachung anordnen zu können.

­

Strafverfahren, die besonders einschneidende geheime Überwachungsmassnahmen wie namentlich die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs oder eine verdeckte Ermittlung bedingen, werden vom Institut oder von der EZV auf die Bundesanwaltschaft übertragen. Auch Strafverfahren, die eine internationale Bedeutung haben oder besonders komplex sind, können auf die Bundesanwaltschaft übertragen werden.

­

Die StPO wird ergänzt, sodass die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie die verdeckte Ermittlung für Straftaten im Heilmittelbereich möglich werden.

Mit der Ratifizierung der Medicrime-Konvention und den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stehen der Schweiz für eine verschärfte Bekämpfung von Heilmittelfälschungen die nötigen Instrumente zur Verfügung.

Gestützt auf die Vernehmlassungsergebnisse wird der Bundesrat ausserdem eine Beschränkung der Einfuhrmöglichkeiten von Arzneimitteln prüfen, die von Einzelpersonen im Ausland bestellt und per Post zugestellt werden. Dafür ist keine Gesetzesänderung erforderlich. Die Anpassung kann auf Verordnungsstufe erfolgen.

3137

BBl 2017

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3136

1

3141 3141 3141

2

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage und Entstehung des Übereinkommens 1.1.1 Allgemeine Ausgangslage 1.1.2 Internationale Bemühungen zur Bekämpfung von Heilmittelfälschungen 1.1.3 Entstehung des Übereinkommens 1.2 Überblick über den Inhalt des Übereinkommens 1.3 Würdigung des Übereinkommens 1.4 Verhältnis zur Europäischen Union 1.5 Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel durch Einzelpersonen 1.6 Das Vernehmlassungsverfahren Die Bestimmungen des Übereinkommens und ihr Verhältnis zum schweizerischen Recht 2.1 Kapitel I: Ziel und Zweck, Begriffsbestimmungen 2.1.1 Ziel und Zweck (Art. 1) 2.1.2 Nichtdiskriminierungsgrundsatz (Art. 2) 2.1.3 Geltungsbereich (Art. 3) 2.1.4 Begriffsbestimmungen (Art. 4) 2.2 Kapitel II: Materielles Strafrecht 2.2.1 Herstellung von Fälschungen (Art. 5) 2.2.2 Lieferung und Angebot zur Lieferung von Fälschungen sowie Handel mit Fälschungen (Art. 6) 2.2.2.1 Vorgaben der Konvention 2.2.2.2 Anpassung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e HMG 2.2.3 Fälschung von Dokumenten (Art. 7) 2.2.4 Ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Art. 8) 2.2.5 Beihilfe oder Anstiftung und Versuch (Art. 9) 2.2.6 Gerichtsbarkeit (Art. 10) 2.2.7 Verantwortlichkeit juristischer Personen (Art. 11) 2.2.8 Sanktionen und Massnahmen (Art. 12) 2.2.9 Strafverschärfungsgründe (Art. 13) 2.2.10 Vorstrafen (Art. 14) 2.3 Kapitel III: Ermittlungen, Strafverfolgungen und Verfahrensrecht 2.3.1 Einleitung und Fortführung von Verfahren (Art. 15) 2.3.2 Strafrechtliche Ermittlungen (Art. 16) 2.3.2.1 Vorgaben der Konvention 2.3.2.2 Ergänzungen der StPO (Art. 269 Abs. 2 Bst. k und Art. 286 Abs. 2 Bst. i)

3138

3142 3143 3144 3144 3145 3146 3147 3147 3147 3147 3148 3148 3148 3148 3148 3149 3149 3149 3150 3151 3151 3152 3153 3155 3156 3156 3156 3156 3157 3157 3158

BBl 2017

2.3.2.3

Änderungen des HMG (Art. 90 Abs. 4 und 90a­ 90c) 2.4 Kapitel IV: Zusammenarbeit der Behörden und Informationsaustausch (Art. 17) 2.4.1 Anforderungen der Konvention 2.4.2 Änderungen des HMG (Art. 59 Abs. 3bis, 62b und 69 Abs. 4 HMG) 2.5 Kapitel V: Massnahmen zur Prävention (Art. 18) 2.5.1 Anforderungen der Konvention 2.5.2 Änderungen des HMG (Art. 17a und 18 Abs. 1 und 2 HMG) 3165 2.6 Kapitel VI: Schutzmassnahmen 2.6.1 Opferschutz (Art. 19) 2.6.2 Stellung der Opfer in strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren (Art. 20) 2.7 Kapitel VII: Internationale Zusammenarbeit 2.7.1 Internationale Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 21) 2.7.2 Internationale Zusammenarbeit bei der Prävention und bei anderen administrativen Massnahmen (Art. 22) 2.8 Kapitel VIII: Folgemechanismus (Art. 23­25) 2.9 Kapitel IX: Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften (Art. 26) 2.10 Kapitel X: Änderungen des Übereinkommens (Art. 27) 2.11 Kapitel XI: Schlussbestimmungen (Art. 28­32) 2.12 Rein formelle Änderungen des HMG (Art. 29, 75a Abs. 3 und 90 Abs. 1 HMG)

3159 3162 3162 3163 3165 3165

3167 3167 3168 3168 3168 3169 3169 3170 3170 3170 3171

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein 3.3 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.4 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3171 3171 3172 3172 3172

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

3173

5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 5.5 Vereinbarkeit mit der Datenschutzgesetzgebung 5.6 Ausgabenbremse

3173 3173 3174 3174 3174 3175 3175

3139

BBl 2017

Bundesbeschlusses über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (MedicrimeKonvention) (Entwurf)

3177

Übereinkommen des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Medicrime-Konvention)

3185

3140

BBl 2017

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage und Entstehung des Übereinkommens

1.1.1

Allgemeine Ausgangslage

Die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Heilmittel) und ähnliche Straftaten sind eine besonders schwere Form der Kriminalität. Sie gefährden die menschliche Gesundheit und täuschen die Opfer. Zum einen erwarten die Patientinnen und Patienten von Heilmitteln, die weder sicher noch wirksam, hingegen sogar gefährlich sind, eine Verbesserung des Gesundheitszustands. Zum anderen täuschen Hersteller von Fälschungen all jene, die nicht den geltenden Standards entsprechende Heilmittel erwerben. Bisher sind die mit solchen illegalen Aktivitäten erzielten Gewinne ein Vielfaches höher als das Risiko, dafür belangt zu werden, und als die angedrohten Sanktionen. Wie bei anderen Formen des illegalen Handels hat auch bei den Heilmitteln mit dem Aufkommen des Internethandels die grenzüberschreitende Kriminalität stark zugenommen, was die Aufgabe der Untersuchungs- und Strafverfolgungsbehörden erschwert.

Die «European Alliance for Access to Safe Medicines» hat 2008 eine Studie durchgeführt, in der bei rund hundert Online-Apotheken dreissig der meistgekauften verschreibungspflichtigen Arzneimittel bestellt wurden. Die Untersuchung hat ergeben, dass über 60 Prozent der gelieferten Arzneimittel gefälscht und die meisten (95,6 %) Online-Apotheken illegal tätig waren.1 2014 haben die Zollbehörden der Europäischen Union (EU) 2,8 Millionen gefälschte Arzneimittel sichergestellt, die 8 Prozent der Fälschungen ausmachten und die drittgrösste Kategorie von beschlagnahmten Gütern darstellten.2 Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Bericht von 2006 macht in industrialisierten Ländern mit effizienten Marktkontrollsystemen der Anteil an gefälschten Arzneimitteln unter 1 Prozent des Gesamtmarkts aus. Hingegen beläuft er sich in einigen Ländern Lateinamerikas, Südostasiens und Afrikas gemäss Erhebungen der WHO und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf über 30 Prozent.3 Auch in der Schweiz erscheinen manchmal gefälschte Heilmittel, auch wenn diese nicht immer für den hiesigen Markt bestimmt sind. So wurden beispielsweise im Februar 2010 bei einer Zollkontrolle in Genf über 17 000 Packungen gefälschter Medikamente gegen Thrombose und Schizophrenie sichergestellt. Im Frühling 2012 tauchte in den USA ein gefälschtes Krebsmedikament ohne Wirkstoff in der legalen 1 2 3

European Alliance for Access to Safe Medicines: The Counterfeiting Superhighway, 2008, abrufbar unter www.eaasm.eu > News & Media > Reports (Stand 13.12.2016) Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 27.10.2015, abrufbar unter www.europa.eu > European Commission > Press Releases (Stand 13.12.2016) WHO and partners accelerate fight against conterfeit medicines (2006), abrufbar unter www.who.int > Media center > News > News Releases > Previous Years (Stand 13.12.2016)

3141

BBl 2017

Lieferkette auf. Die Spuren zur Quelle verliefen durch mehrere Länder, darunter die Schweiz, wo das Medikament aber nicht in den Handel kam. Kürzlich wurden in Israel von einer Schweizer Handelsgesellschaft eingeführte Fälschungen eines Hepatitismedikaments aus Indien sichergestellt. Auch in der EU wurden in den legalen Vertrieb eingeschleuste gefälschte Arzneimittel aufgedeckt.

Fälschungen von Arzneimitteln umfassen ein breites Spektrum: Es reicht von Präparaten, die aussehen und gekennzeichnet sind wie das Original und die auch den gleichen Wirkstoff enthalten, bis zu gesundheitsgefährdenden Mitteln und überoder unterdosierten Präparaten. Allen gemeinsam ist eine Täuschung bezüglich des Inhalts oder der Herkunft. Die Fälschungen betreffen nicht nur sogenannte LifestyleMedikamente wie Mittel gegen Erektionsprobleme oder Übergewicht, sondern auch Antibiotika, Medikamente gegen Krebs, Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria. Sie sind mit grossen Gefahren verbunden, vor allem für Patientinnen und Patienten mit einer fortschreitenden Krankheit wie Krebs oder Hepatitis, die unwirksame Präparate verwenden. Bei unterdosierten Antibiotika und Antimalaria-Arzneimitteln zeigt sich, dass Fälschungen die Entwicklung von Resistenzen fördern.

Die Anfrage Hardegger (12.1065) vom 14. Juni 2012 «Einfuhr nicht zugelassener, verwendungsfertiger Arzneimittel durch Einzelpersonen» und die Interpellation Kessler (12.3746) vom 20. September 2012 «Qualitativ schlechte Medikamente aus Indien. Gesundheitsrisiko und hohe Kosten» haben die Einfuhr von gesundheitsgefährdenden Arzneimitteln durch Einzelpersonen zum Thema. In seinen Antworten hält der Bundesrat fest, im Rahmen der Arbeiten zur Ratifizierung der MedicrimeKonvention zu prüfen, ob diesbezüglich Handlungsbedarf besteht (siehe Ziff. 1.5).

1.1.2

Internationale Bemühungen zur Bekämpfung von Heilmittelfälschungen

Heilmittelfälschungen sind ein globales Phänomen und müssen dementsprechend auf internationaler Ebene angegangen werden. Neben den Aktivitäten im Europarat, die zum vorliegenden Übereinkommen führten, wurden Heilmittelfälschungen deshalb auch in anderen internationalen Organisationen thematisiert.

Im Rahmen der WHO wurde im Mai 2012 ein Gremium zu dieser Problematik (kurz SSFFC für Substandard/Spurious/Falsely-labelled/Falsified/Counterfeit) geschaffen, um die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich für einen besseren Schutz der öffentlichen Gesundheit weltweit zu stärken.

Im April 2011 hat die Kommission für Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege der Vereinten Nationen (Commission on Crime Prevention and Criminal Justice, CCPCJ) eine Resolution verabschiedet, in der sie die Gremien der Vereinten Nationen, andere internationalen Organisationen wie die WHO, die Weltzollorganisation und Interpol sowie die nationalen Behörden zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens mit gefälschten Arzneimitteln aufruft. 4

4

Resolution 20/6 der CCPCJ «Countering fraudulent medicines, in particular their trafficking» (Bekämpfung gefälschter Arzneimittel und insbesondere des Handels damit)

3142

BBl 2017

Des Weiteren führt Interpol mit den Zoll- und Gesundheitsbehörden zahlreicher Länder, der Polizei und der Privatwirtschaft immer wieder gross angelegte Aktionen gegen den Handel mit illegalen Arzneimitteln im Internet wie die Operation Pangea durch. 2015 wurden im Rahmen von Pangea VIII mit Beteiligung von 115 Ländern, darunter die Schweiz, 20 Millionen illegale Arzneimittel beschlagnahmt und 2414 Internetseiten geschlossen.5 In der Schweiz wurden bei dieser Aktion 66 Sendungen mit gesundheitlichem Risikopotenzial beschlagnahmt. 6

1.1.3

Entstehung des Übereinkommens

Der Europarat sorgt über die Europäische Direktion für die Qualität von Medikamenten und Gesundheitsvorsorge (European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare, EDQM) seit Jahrzehnten für die Verbesserung und Harmonisierung der Standards bei der Versorgung mit Heilmitteln. Die Problematik der Fälschungen und ähnlicher Straftaten gehört seit Beginn der 2000er-Jahre zu den Schwerpunkten und wurde in verschiedenen Studien untersucht.7 Die Parlamentarische Versammlung des Europarats gab zwischen 2004 und 2007 drei Empfehlungen heraus, die im Wesentlichen feststellten, dass der rasche Anstieg gefälschter Heilmittel in Europa staatliche Massnahmen und eine internationale Übereinkunft erforderte.8 2007 begannen zwei durch den Europäischen Ausschuss für Strafrechtsfragen (European Committee of Crime Problems, CDPC) eingesetzte Expertengruppen mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für die Konvention. Nach der Verabschiedung durch die zuständigen Gremien wurde das Übereinkommen am 28. Oktober 2011 in Moskau zur Unterzeichnung aufgelegt und von der Schweiz bei dieser Gelegenheit unterzeichnet. Die Konvention ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten und wurde bisher von neun Staaten ratifiziert.9

5 6 7 8

9

Medienmitteilung von Interpol vom 18. Juni 2015, abrufbar unter www.interpol.int > News and Media > News (Stand 13.12.2016) Medienmitteilung des Instituts vom 18. Juni 2015, abrufbar unter www.swissmedic.ch > Aktuell > Allgemeine Mitteilungen (Stand 13.12.2016) Vgl. Counterfeit Medicines ­ Survey Report, Harper, Gellie, Hrsg. Europarat, 2006 Empfehlung 1673 (2004), Counterfeiting: problems and solutions; Empfehlung 1793 (2007), Need for a Council of Europe convention on the suppression of counterfeitig and trafficking in counterfeit goods; Empfehlung 1794 (2007), The quality of medicines in Europe; abrufbar unter http://assembly.coe.int > Work > Documents > Recommendation (Stand 13.12.2016) Stand Dezember 2016. Unterzeichnerstaaten und Ratifizierungen siehe www.coe.int > Full list > Details of Treaty no. 211; das Übereinkommen und Erläuterungen des Europarats (in Englisch und Französisch) sind abrufbar unter www.coe.int > Human Rights and Rule of Law > Counterfeiting of medical products (Medicrime) (Stand 13.12.2016)

3143

BBl 2017

1.2

Überblick über den Inhalt des Übereinkommens

Der Geltungsbereich der Medicrime-Konvention beschränkt sich auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit. Die Rechte des geistigen Eigentums sind explizit ausgenommen (Art. 3).

Die Konvention enthält in erster Linie materielle Strafbestimmungen im Hinblick auf eine Harmonisierung des Strafrechts unter den Staaten. Die Vertragsparteien verpflichten sich unter anderem, die Herstellung gefälschter Arzneimittel und Medizinprodukte (Art. 5), die Lieferung und das Angebot zur Lieferung von Fälschungen sowie den Handel mit Fälschungen (Art. 6), das Fälschen von Dokumenten (Art. 7), das unerlaubte Herstellen oder Abgeben von Arzneimitteln und Medizinprodukten und das Inverkehrbringen von nicht den Konformitätsanforderungen entsprechenden Medizinprodukten (Art. 8) unter Strafe zu stellen.

Des Weiteren enthält die Konvention Regelungen in Bezug auf die Strafverfolgung und Ermittlungen, zu denen insbesondere auch verdeckte Massnahmen gehören (Art. 15 und 16).

Sodann werden die nationale Zusammenarbeit (Art. 17) sowie die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen und bei administrativen Massnahmen (Art. 21 und 22) behandelt.

Schliesslich sieht die Konvention präventive Massnahmen zu Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen der Heilmittel, für den sicheren Vertrieb sowie zur Schulung der beteiligten Fachleute, zur Aufklärung der Öffentlichkeit (Art. 18) und zum Schutz der Opfer (Art. 19 und 20) vor.

1.3

Würdigung des Übereinkommens

Die Medicrime-Konvention ist das erste internationale Abkommen in diesem Bereich, das sich der besonderen Herausforderungen der Heilmittelfälschung für die internationale Gemeinschaft annimmt. Angesichts der zunehmenden Bedeutung dieser Problematik in den letzten Jahren ist ein Übereinkommen zur Harmonisierung der nationalen Gesetzgebungen in Europa und ­ da die Ratifizierung auch Nichtmitgliedstaaten des Europarats offensteht ­ auch darüber hinaus zu begrüssen.

Beim Handel mit gefälschten Heilmitteln werden oft mit Absicht möglichst komplizierte Lieferwege durch mehrere Länder in Kauf genommen, um Spuren zu verwischen und Informationslücken zwischen einzelnen Staaten auszunutzen. So hat die Konvention auch zum Ziel, die internationale wie auch die nationale Zusammenarbeit unter den Behörden und mit den betroffenen Unternehmen zu verbessern. Sie befasst sich ebenfalls mit den Überwachungsmöglichkeiten bei der Ermittlung.

Das Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 200010 (HMG) und die zugehörigen Verordnungen ermöglichen bereits heute die Verfolgung von Heilmittelfälschungen.

Auch ist das Prinzip einer einzigen nationalen Koordinationsstelle (Single Point of Contact, SPOC) bereits etabliert und kann mit der Umsetzung der Konvention auf 10

SR 812.21

3144

BBl 2017

Gesetzesstufe verankert werden. Darüber hinaus sind einige punktuelle Anpassungen im Heilmittelgesetz und in der Strafprozessordnung11 (StPO) vorgesehen, um schärfer gegen die Heilmittelfälschung vorgehen zu können.

Es wurden kritische Stimmen zur Konvention und insbesondere im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des legalen Handels laut.12 So wurde befürchtet, unbeabsichtigte Fehler, die in jedem Unternehmen vorkommen, könnten kriminalisiert oder der Handel mit Generika könnte eingeschränkt werden. Die Konvention stuft aber ein Produkt nicht allein aufgrund der Tatsache, dass es in einem Staat nicht zugelassen ist oder illegal auf den Markt gebracht wird, als Fälschung ein. Auch Heilmittel, die grundsätzlich legal auf dem Markt sind, aber von den technischen Spezifikationen abweichen, werden nicht als Fälschungen eingestuft, wenn die Abweichung nicht absichtlich herbeigeführt wurde. Die Kritik erwies sich damit als unbegründet. Wie die Praxis in der Schweiz zeigt, in der die Herstellung und das Inverkehrbringen von Fälschungen geahndet und die Konvention somit bereits nach geltendem Recht umgesetzt wird, sind die befürchteten negativen Auswirkungen ausgeblieben.

1.4

Verhältnis zur Europäischen Union

Die Umsetzung der Medicrime-Konvention bereitet hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht keine Probleme. Ein Grossteil der Mitgliedstaaten der EU hat die Konvention unterzeichnet; vier Staaten haben sie bereits ratifiziert.

Am 27. Mai 2011 hat die EU die Richtlinie zur Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette (Richtlinie 2011/62/EU)13 verabschiedet, deren Fokus auf der Prävention liegt. So sollen unter anderem Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung verschreibungspflichtiger Medikamente angebracht werden, damit in die legale Lieferkette eingeschleuste Fälschungen spätestens bei der Abgabe entdeckt werden. Die technischen Einzelheiten der Umsetzung sind in einer delegierten Verordnung14 geregelt, die 2019 in Kraft tritt.

Die Schweiz ist nicht verpflichtet, die Anforderungen der Richtlinie zu übernehmen.

Im Rahmen der Vernehmlassung haben aber zahlreiche Akteure15 den Wunsch geäussert, dass die Schweiz eine analoge Regelung wie die EU betreffend Sicherheitsmerkmale auf Arzneimittelpackungen vorsieht. Daher wird eine entsprechende 11 12

13

14

15

SR 312.0 Vgl. z. B. Amir Attaran, Roger Bate: Why and How to Make an International Crime of Medicine Counterfeiting (Journal of International Criminal Justice, 2011) sowie A counterfeit treaty: great idea, wrong implementation (Lancet, 2010) Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette, ABl. L 174 vom 1. Juli 2011, S. 74 Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission vom 2. Oktober 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln, ABl. L 32 vom 9. Februar 2016, S. 1 Kanton FR, SP, Apothekerverband des Kantons FR, Centre Patronal, Fédérations des Entreprises Romandes, Groupement Romand de l'Industrie Pharmaceutique, pharmalog, Schweizerischer Apothekerverband

3145

BBl 2017

Rechtsgrundlage im HMG vorgeschlagen. Im Gegensatz zum EU-Recht soll in der Schweiz das Anbringen und Überprüfen der Sicherheitsmerkmale freiwillig sein, wobei dem Bundesrat die Möglichkeit eingeräumt wird, ein verpflichtendes System auf dem Verordnungsweg vorzuschreiben (siehe Ziff. 2.5.2).

Weitere Punkte der Richtlinie 2011/62/EU, wie die Kontrolle der Vermittlung und die Optimierung des Informationsaustauschs, sind als Massnahmen zur Umsetzung der Konvention in dieser Vorlage vorgesehen (siehe Ziff. 2.2). Weitere Anpassungen können bei Bedarf auf Verordnungsstufe vorgenommen werden.

1.5

Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel durch Einzelpersonen

Das HMG sieht vor, dass nur in der Schweiz zugelassene oder nicht zulassungspflichtige Arzneimittel eingeführt werden dürfen (Art. 20 Abs. 1 HMG). Der Bundesrat kann aber erlauben, dass nicht zugelassene Arzneimittel in kleinen Mengen unter anderem von Einzelpersonen für den Eigengebrauch eingeführt werden (Art. 20 Abs. 2 HMG). Der Bundesrat hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und Ausnahmen für einzelne Kategorien von Arzneimitteln (u. a. gentechnisch veränderte Organismen enthaltende) vorgesehen (vgl. Art. 36 Abs. 1 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung vom 17. Oktober 200116, AMBV). Keine Einschränkungen gelten bezüglich des Herkunftslands der importierten Arzneimittel; eine ärztliche Verordnung wird für die Einfuhr von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht verlangt. Als kleine Menge gilt nach etablierter Praxis der Arzneimittelbedarf für maximal einen Monat.

Der Internethandel mit Arzneimitteln hat in den letzten Jahren stark zugenommen.

Gemäss Hochrechnungen des Instituts gelangen jedes Jahr etwa 100 000 an Privatpersonen adressierte Pakete mit Arzneimitteln aus dem Ausland in die Schweiz.

Man geht davon aus, dass rund die Hälfte davon entweder grössere Mengen als zugelassen, gefälschte oder qualitativ minderwertige Arzneimittel enthalten. Nach einem Rückgang zwischen 2010 und 2012 ist die Zahl der an der Grenze sichergestellten illegalen Sendungen 2015 wieder gestiegen (1225 beschlagnahmte illegale Sendungen).

Die Medicrime-Konvention bedingt keine Änderung der heute geltenden Einfuhrregelung für Einzelpersonen. Die in den letzten Jahren eingereichten parlamentarischen Vorstösse (siehe Ziff. 1.1.1) zeigen aber, dass die geltende Regelung neu beurteilt werden muss.

Bei der Vernehmlassung wurde deshalb auch ein allfälliges Verbot der Arzneimitteleinfuhr per Post oder Kurier aus dem Ausland durch Einzelpersonen zur Diskussion gestellt. 18 der 45 Stellungnahmen zu dieser Frage befürworten das Verbot; namentlich aus Gründen des Gesundheitsschutzes und weil die Versorgung mit auf dem Schweizer Markt nicht verfügbaren Arzneimitteln dennoch gewährleistet wäre.

14 Vernehmlassungsteilnehmende lehnen das Verbot ab, da es die freie Wahl der Konsumentinnen und Konsumenten einschränke und kaum umsetzbar sei. In 13 16

SR 812.212.1

3146

BBl 2017

Antworten werden diverse andere Meinungen geäussert. Das Ergebnis zu dieser Frage ist somit kontrovers ausgefallen. Eine Mehrheit (25 Stellungnahmen, darunter 17 Kantone) spricht sich für eine restriktivere Regelung aus. Der Bundesrat hält sich die Möglichkeiten offen, bei der Anpassung der Ausführungsbestimmungen eine Alternative zum totalen Verbot vorzuschlagen. Bei der Prüfung dieser Möglichkeiten werden die Vollzugsbehörden einbezogen, um dem Aspekt der Umsetzbarkeit Rechnung zu tragen. Falls eine Anpassung in Betracht gezogen wird, so werden sich die betroffenen Kreise jedenfalls im Rahmen einer Vernehmlassung zu den Vorschlägen äussern können.

1.6

Das Vernehmlassungsverfahren

Am 18. Dezember 2013 hat der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) mit der Durchführung der Vernehmlassung über den Vorentwurf der Änderung der StPO und des HMG beauftragt. Bei der Vernehmlassung wurde auch ein allfälliges Verbot der Arzneimitteleinfuhr per Post oder Kurier aus dem Ausland durch Einzelpersonen zur Diskussion gestellt. Die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien und die interessierten Institutionen und Organisationen wurden zur Stellungnahme bis am 2. April 2014 eingeladen. Es gingen 62 Vernehmlassungsantworten ein.

Die Umsetzung und Ratifizierung der Konvention stossen in den Grundzügen mehrheitlich auf Zustimmung. 20 Kantone sowie die Mehrheit der politischen Parteien und der Organisationen unterstützen den Beitritt zum Übereinkommen und die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen ausdrücklich. Zum Teil werden die vorgeschlagenen Bestimmungen als zu weit gehend erachtet, zum Teil werden Präzisierungen verlangt. Vier Vernehmlassungsteilnehmende verlangen den Verzicht auf den Beitritt zum Übereinkommen.

Auf die Kommentare und Kritikpunkte zur Konvention und den vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen wird jeweils bei der Erörterung der betreffenden Bestimmungen eingegangen.

2

Die Bestimmungen des Übereinkommens und ihr Verhältnis zum schweizerischen Recht

2.1

Kapitel I: Ziel und Zweck, Begriffsbestimmungen

2.1.1

Ziel und Zweck (Art. 1)

Artikel 1 legt die Rahmenbedingungen fest. Ziel des Übereinkommens ist der Schutz der öffentlichen Gesundheit, indem das Fälschen von Heilmitteln und ähnliche Straftaten kriminalisiert, die Rechte der Opfer geschützt und die nationale und internationale Zusammenarbeit gefördert werden. Die Ziele stimmen mit dem einschlägigen schweizerischen Recht überein.

3147

BBl 2017

2.1.2

Nichtdiskriminierungsgrundsatz (Art. 2)

Der Artikel entspricht inhaltlich Artikel 8 Absatz 2 der Bundesverfassung17 (BV).

2.1.3

Geltungsbereich (Art. 3)

Die Konvention schliesst Arzneimittel zur Anwendung am Menschen und am Tier sowie Medizinprodukte ein und umfasst auch Wirkstoffe, Hilfsstoffe sowie Stoffe und Materialien, die zur Herstellung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten verwendet werden. Sie schliesst explizit auch Generika in den Geltungsbereich mit ein, deren Status bezüglich des geistigen Eigentums mit Blick auf das Übereinkommen nicht relevant ist.

2.1.4

Begriffsbestimmungen (Art. 4)

Die Begriffsbestimmungen des Übereinkommens unterscheiden sich in praktischer Hinsicht nicht wesentlich von den in der Schweiz verwendeten Begriffen; die wenigen Abweichungen haben keinen Einfluss auf die Umsetzung der Konvention in der Schweiz. So wird der in der französischen Version der Konvention geführte Oberbegriff «produit médical» im Schweizer Heilmittelrecht mit «produit thérapeutique» (deutsch: «Heilmittel», italienisch: «agenti terapeutici») bezeichnet und erfasst analog der Medicrime-Konvention sowohl Arzneimittel (französisch: «médicaments») als auch Medizinprodukte.

Der schweizerischen Tradition schlanker Gesetzgebung entsprechend enthält das HMG weniger Begriffsbestimmungen als die Konvention. So ist beispielsweise in der Heilmittelgesetzgebung der Begriff der «Fälschung» ­ gemäss Übereinkommen «falsche Darstellung im Hinblick auf Identität und/oder Herkunft» ­ nicht definiert.

Den Begriff im HMG aufzunehmen ist nicht nötig, da die Fälschung illegale Tätigkeiten umfasst, die bereits im HMG definiert sind und strafbar sind.

2.2

Kapitel II: Materielles Strafrecht

2.2.1

Herstellung von Fälschungen (Art. 5)

Artikel 5 der Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, die vorsätzliche Herstellung von gefälschten Heilmitteln, von gefälschten Wirkstoffen, Hilfsstoffen, Teilen und Materialien sowie von gefälschtem Zubehör als Straftaten zu umschreiben.

Die vorsätzliche Herstellung gefälschter Heilmittel stellt nach Artikel 86 Absatz 1 Buchstabe g in der vom Parlament am 18. März 201618 verabschiedeten Fassung des HMG (nHMG) eine Straftat dar. Demnach macht sich strafbar, wer vorsätzlich Heilmittel unrechtmässig nachmacht, verfälscht oder falsch bezeichnet oder un17 18

SR 101 BBl 2016 1953

3148

BBl 2017

rechtmässig nachgemachte, verfälschte oder falsch bezeichnete Heilmittel in Verkehr bringt, anwendet, einführt, ausführt oder damit im Ausland handelt.

Artikel 86 Absatz 1 Buchstabe g nHMG zielt nicht nur auf die Verantwortlichen von Herstellungsbetrieben ab, die Fälschungen auf den Markt bringen, sondern auch auf die Lieferanten von Bestandteilen (Wirkstoffen, Hilfsstoffen oder Verpackungen), von denen sie wissen oder annehmen müssen, dass sie zur Herstellung von Fälschungen dienen. Sie machen sich je nach Grad der Beteiligung für die Herstellung gefälschter Arzneimittel oder für die Gehilfenschaft zu einer solchen Straftat strafbar.

Somit wird den Anforderungen dieser Konventionsbestimmung durch das geltende Recht Genüge getan.

2.2.2

Lieferung und Angebot zur Lieferung von Fälschungen sowie Handel mit Fälschungen (Art. 6)

2.2.2.1

Vorgaben der Konvention

Artikel 6 der Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, die Abgabe oder das Angebot zur Abgabe, einschliesslich der Vermittlung, des Handels, der Lagerung sowie der Ein- und Ausfuhr, von gefälschten Heilmitteln, Wirkstoffen, Hilfsstoffen, Teilen und Materialien sowie von gefälschtem Zubehör als Straftat zu umschreiben, sofern die Tat vorsätzlich begangen wird.

Im Handel mit gefälschten Heilmitteln spielen Vermittlungstätigkeiten insofern eine wichtige Rolle, als sie oft zum Verwischen der Spuren dienen. In der Konvention wird deshalb die Vermittlungstätigkeit explizit in den Katalog der strafbaren Handlungen aufgenommen.

2.2.2.2

Anpassung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e HMG

Alle in Artikel 6 der Konvention genannten Tätigkeiten stellen Straftaten dar, die unter die Strafbestimmung des HMG fallen (Art. 86 HMG). Sie verletzen die in der Heilmittelgesetzgebung vorgesehenen Anforderungen in Bezug auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit Arzneimitteln oder das Inverkehrbringen von Medizinprodukten.

Zur Gewährleistung der Klarheit ist es jedoch sinnvoll, die Vermittlungstätigkeiten unter dem Begriff «Vertreiben» im HMG zu erwähnen. Die Vermittler kommen denn auch selbst nicht mit den Heilmitteln in Kontakt und es könnten Zweifel bestehen, ob ihre Tätigkeiten unter diesen Begriff fallen. Der Vertrieb von Arzneimitteln ist nicht auf physische Handlungen begrenzt. Im Übrigen ist sicherzustellen, dass alle in Artikel 6 Absatz 1 der Konvention genannten Handlungen unter Strafe gestellt werden.

3149

BBl 2017

Nach schweizerischer Rechtsterminologie umfasst die Vermittlung die Tätigkeit von Mäklern und Agenten (Art. 412 und 418a Obligationenrecht19). Demnach sind diese Tätigkeiten explizit in den Oberbegriff des «Vertreibens» in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e HMG aufzunehmen. Die detailliertere Definition in der AMBV wird entsprechend anzupassen sein.

Die Änderung im HMG orientiert sich am Betäubungsmittelrecht, in dem die Tätigkeiten von Mäklern und Agenten ebenfalls als bewilligungspflichtige Handelsaktivitäten erfasst werden (Art. 2 Bst. b der Betäubungsmittelkontrollverordnung vom 25. Mai 201120). Durch die Einführung einer Bewilligungspflicht für das Vermitteln von Arzneimitteln sind im legalen Bereich keine Einschränkungen zu erwarten. Die Bedeutung von Mäklern oder Agenten ist auf dem Schweizer Markt im legalen Bereich gering, da die Vertriebswege kurz und übersichtlich sind. Denkbar ist aber, dass diese Art von Tätigkeit im Rahmen des Handels im Ausland zunehmen könnte.

Im Übrigen wurde bei der Vernehmlassung verschiedentlich gewünscht, 21 die Begriffe «Vertreiben» (Art. 4 Abs. 1 Bst. e HMG), «Grosshandel» (Art. 2 Bst. e AMBV) und «Vermittlung» (Art. 2 Bst. k AMBV) auf Stufe des Gesetzes oder der Verordnung zu vereinheitlichen. Die in der Verordnung enthaltenen Begriffe sind nicht konsistent und entsprechen nicht der Systematik des HMG. Um eine erhebliche und unnötige Überarbeitung des Gesetzes zu vermeiden, sieht der Bundesrat vor, die Begriffe «Grosshandel» und «Vermittlung» auf Stufe Verordnung zu klären. Da die Vereinheitlichung der Begriffe keine sich direkt aus der Konvention ergebende Verpflichtung ist, dient sie nicht der Umsetzung des Vertrags im Sinne von Artikel 141a BV.

2.2.3

Fälschung von Dokumenten (Art. 7)

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die vorsätzlich falsche Dokumente erstellen oder Dokumente verändern, um die Echtheit von Heilmitteln vorzutäuschen. Der Begriff «Dokument» umfasst neben Bescheinigungen und ähnlichen Unterlagen auch die Verpackung, Kennzeichnung und weitere Dokumente wie den Beipackzettel.

Das Fälschen von Bescheinigungen oder Zertifikaten einer Behörde oder einer Konformitätsbewertungsstelle fällt unter Artikel 28 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 199522 über die technischen Handelshemmnisse, auf den Artikel 88 HMG verweist.

Was das Fälschen von Verpackungen, Kennzeichnungen oder Beipackzetteln anbelangt, so wird die Tätigkeit als unrechtmässiges Herstellen23 bestraft. Nach dem HMG beschränkt sich das Herstellen von Heilmitteln nicht auf die Produktion und Zusammensetzung der als Grundlage dienenden chemischen, biologischen, mecha19 20 21 22 23

SR 220 SR 812.121.1 Kantone GE, TI, ZH, Kantonsapothekervereinigung, Pharmalog SR 946.51 Vgl. Art. 86 Abs. 1 Bst. g nHMG

3150

BBl 2017

nischen oder elektronischen Bestandteile, sondern umfasst auch die Verpackung (Art. 4 Abs. 1 Bst. c HMG). Demnach sind diese Straftaten der Konvention durch Artikel 86 Absatz 1 HMG abgedeckt.

Die Anforderungen des Übereinkommens sind somit ohne Anpassungsbedarf erfüllt.

2.2.4

Ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Art. 8)

Nach Artikel 8 der Konvention haben die Vertragsparteien die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um Tätigkeiten im Zusammenhang mit Arzneimitteln ohne Zulassung und mit nicht den Konformitätsanforderungen entsprechenden Medizinprodukten sowie die gewerbsmässige unerlaubte Nutzung von Originaldokumenten, als Straftat zu umschreiben, sofern die Tat vorsätzlich begangen wird und soweit sie nicht unter die Artikel 5­7 fällt.

Diese Bestimmung betrifft Taten, welche die öffentliche Gesundheit gefährden, ohne sich auf Fälschungen zu beziehen. Diese Ausdehnung des Geltungsbereichs der Konvention festigt ein umfassendes System zur Bekämpfung der Heilmittelkriminalität, indem sie vorsätzliche Verletzungen der innerstaatlichen Zulassungs- und Konformitätssysteme als Straftaten umschreibt. Hingegen verlangt die Bestimmung nicht, dass die Vertragsparteien ihre Zulassungs- und Konformitätssysteme ändern.

Da sie kein zusätzliches Element gegenüber schweizerischem Recht enthält, muss dieses nicht angepasst werden.

2.2.5

Beihilfe oder Anstiftung und Versuch (Art. 9)

Nach Artikel 9 der Konvention haben die Vertragsparteien die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Beihilfe oder Anstiftung zu einer Straftat nach dem Übereinkommen sowie den Versuch der Begehung einer solchen Tat als Straftat zu umschreiben, sofern die Tat vorsätzlich begangen wird.

In der französischen Fassung der Konvention wird die Anstiftung («instigation») nicht erwähnt, da diese vom Begriff der Beihilfe («complicité») gemäss französischem Strafrecht miterfasst wird. Der englische Konventionstext erwähnt die Anstiftung («abetting») explizit. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie zu den Straftaten nach Artikel 9 gehört.

Der Versuch von Straftaten nach dem HMG und die Teilnahme (Beihilfe oder Anstiftung) an solchen Straftaten sind im schweizerischen Recht, was Verbrechen und Vergehen anbelangt, nach den Artikeln 22, 24 und 25 des Strafgesetzbuchs24 (StGB) und in Bezug auf Übertretungen nach Artikel 87 Absatz 4 HMG in Verbindung mit Artikel 105 Absatz 2 StGB strafbar. Die Anforderungen der Konvention sind somit erfüllt.

24

SR 311.0

3151

BBl 2017

2.2.6

Gerichtsbarkeit (Art. 10)

Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben a­c der Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, ihre Zuständigkeit zu begründen, wenn die Straftat in ihrem Hoheitsgebiet, an Bord eines Schiffes unter ihrer Flagge oder an Bord eines in diesem Land eingetragenen Luftfahrzeugs begangen wird. Die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte in diesen Fällen ergibt sich aus Artikel 3 StGB, Artikel 4 Absatz 2 des Seeschifffahrtsgesetzes vom 23. September 195325 und Artikel 97 Absatz 1 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 194826.

Gemäss Absatz 1 Buchstabe d und Absatz 2 begründet jede Vertragspartei ausserdem ihre Gerichtsbarkeit, wenn die Täterin oder der Täter oder das Opfer einer im Ausland begangenen Straftat eine oder einer ihrer Staatsangehörigen oder eine Person ist, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet hat.

Die Grundlage für die schweizerische Gerichtsbarkeit im Falle der Tatbegehung durch eine Schweizer Staatsangehörige oder einen Schweizer Staatsangehörigen bildet Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a StGB. Die schweizerische Gerichtsbarkeit bei einem Schweizer Opfer geht aus Artikel 7 Absatz 1 StGB hervor, auf den Absatz 2 verweist.

Hingegen sieht das Strafgesetzbuch keine Gerichtsbarkeit der Schweiz vor, wenn die Täterin oder der Täter oder das Opfer einer im Ausland begangenen Straftat lediglich gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat. Die Schweiz macht deshalb von der Vorbehaltsmöglichkeit bezüglich dieser Bestimmungen nach dem Übereinkommen (Abs. 4) Gebrauch.27 Bei nicht in der Schweiz begangenen Straftaten begründen die Schweizer Gerichte ihre Zuständigkeit wie bisher nur in Fällen, in denen die Straftat von einer oder einem Schweizer Staatsangehörigen oder gegen eine oder einen solchen begangen wurde.

Die Vertragsstaaten müssen sodann gemäss Absatz 3 ihre Zuständigkeit begründen, wenn sich die mutmassliche Täterin oder der mutmassliche Täter einer im Ausland begangenen Straftat in ihrem Hoheitsgebiet befindet und wegen ihrer oder seiner Staatsangehörigkeit nicht ausgeliefert wird. Dieser Pflicht zur Strafverfolgung bei Nichtauslieferung kommt die Schweiz aufgrund der Artikel 6 und 7 StGB und nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 195728 nach.

Die Regeln für die stellvertretende Strafverfolgung durch die Schweiz sind in den Artikeln 85 ff. des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198129 (IRSG) enthalten.

Die Anforderungen von Artikel 10 der Konvention sind somit im erforderlichen Masse erfüllt.

25 26 27 28 29

SR 747.30 SR 748.0 Ungarn hat auch diesbezüglich einen Vorbehalt angebracht.

SR 0.353.1 SR 351.1

3152

BBl 2017

2.2.7

Verantwortlichkeit juristischer Personen (Art. 11)

In Anwendung von Artikel 11 der Konvention müssen Unternehmen für Straftaten nach dem Übereinkommen verantwortlich gemacht werden können, die zu ihren Gunsten von einer Führungsperson innerhalb des Unternehmens begangen werden (Abs. 1). Das Unternehmen muss auch verantwortlich gemacht werden können, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung einer solchen Straftat ermöglicht hat (Abs. 2).

Die Verantwortlichkeit des Unternehmens kann straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlicher Art sein (Abs. 3) und berührt nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit der natürlichen Person, welche die Straftat begangen hat (Abs. 4).

Viele in den letzten Jahren abgeschlossene internationale Übereinkommen enthalten ähnliche oder zum Teil gleichlautende Bestimmungen in Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmen. Das Strafrechtsübereinkommen vom 27. Januar 199930 über Korruption sieht die Verantwortlichkeit juristischer Personen ebenfalls vor, ohne deren Art (straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlich) genauer zu umschreiben.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Gesellschaften ist im schweizerischen Recht seit 1. Oktober 2003 in den Artikeln 102 und 102a StGB enthalten. Das Strafgesetzbuch umschreibt eine primäre Verantwortlichkeit für eine beschränkte Zahl von Straftatarten, wenn das Unternehmen nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um die Straftat zu verhindern. Die unter die Medicrime-Konvention fallenden Straftaten gehören jedoch nicht zu den aufgeführten Straftatkategorien.

Gleichzeitig hat die Schweiz eine subsidiäre Strafbarkeit des Unternehmens in Fällen eingeführt, in denen eine Straftat wegen mangelhafter Organisation keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann (Art. 102 Abs. 1 StGB). Die vorgesehene Strafe ist eine Busse bis zu fünf Millionen Franken. Die subsidiäre Strafbarkeit der Unternehmen betrifft sämtliche Verbrechen und Vergehen im Sinne des schweizerischen Rechts und umfasst alle unter die Konvention fallenden Straftaten. Sie betrifft von einer Person in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks begangene Straftaten und geht über die in der Konvention vorgesehene hinaus, die sich auf Straftaten beschränkt, die zugunsten einer juristischen Person von einer Führungsperson nach Absatz
1 der Konvention begangen werden.

Wie bereits erwähnt werden die juristischen Personen grundsätzlich nur bestraft, wenn die Tat keiner natürlichen Person zugerechnet werden kann. Gemäss Artikel 11 Absatz 4 der Konvention darf die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmen jedoch diejenige der natürlichen Person nicht berühren. Folglich stellt sich hier die Frage, ob diese Bestimmung die Staaten zur Einführung einer parallelen strafrechtlichen Verantwortlichkeit verpflichtet. Die Erläuterungen zum Übereinkommen enthalten dazu keine näheren Ausführungen.

30

SR 0.311.55

3153

BBl 2017

Die subsidiäre Verantwortlichkeit der juristischen Personen nach schweizerischem Recht schliesst die Strafbarkeit natürlicher Personen nicht aus. Sie kommt zur Anwendung, wenn es wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens nicht möglich ist, die Person zu bestrafen, die die Tat begangen hat. Artikel 102 Absatz 1 StGB steht somit Artikel 11 Absatz 4 der Konvention nicht entgegen. Denn falls das Verhalten und das Verschulden der Täterin oder des Täters nach der Verurteilung des Unternehmens feststehen und ihr oder ihm die Straftat zuvor wegen mangelnder Organisation des Unternehmens nicht zugerechnet werden konnte, ist die Bestrafung beider Parteien, das heisst der juristischen und der natürlichen Person denkbar.31 Im Übrigen ist in Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197432 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) eine Sonderordnung vorgesehen, die sowohl in Fällen, die unter die Zuständigkeit der Bundesbehörden fallen (Art. 90 Abs. 1 HMG), als auch in denjenigen in der Kompetenz der Kantone (vgl. Art. 89 Abs. 2 nHMG i. V. m.

Art. 90 Abs. 3 nHMG) gilt. Gestützt auf Artikel 89 Absatz 1 nHMG in der vom Parlament am 18. März 2016 verabschiedeten Fassung kann einer juristischen Person eine Busse bis zu 20 000 Franken auferlegt werden, wenn die Ermittlung in Bezug auf die im Unternehmen arbeitenden natürlichen Personen unverhältnismässige Untersuchungsmassnahmen gegenüber der zu erwartenden Strafe bedingen würde. In diesem Fall wird nur das Unternehmen bestraft.

Neben der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sieht das HMG zwecks Prävention auch die administrative Verantwortlichkeit vor. Nach Artikel 66 HMG können das Institut und die Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle Verwaltungsmassnahmen treffen, die zum Vollzug des Gesetzes erforderlich sind. Dies geht von der Beanstandung bis zum Widerruf von Betriebsbewilligungen oder dem Rückruf eines Heilmittels vom Markt. Ausserdem können Unternehmen, die unsittliche oder widerrechtliche Zwecke verfolgen, das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen. Sie werden aufgelöst, und ihr Vermögen fällt an das Gemeinwesen (Art. 52 und 57 des Zivilgesetzbuchs33). Begeht eine Führungsperson eine Straftat zugunsten eines Unternehmens oder verletzt sie ihre Aufsichtspflicht, indem sie die Begehung einer solchen Straftat durch eine Untergebene oder einen
Untergebenen nicht verhindert, so kann das Unternehmen zivilrechtlich haftbar gemacht werden.

Somit sind die Voraussetzungen nach Artikel 11 der Konvention grundsätzlich erfüllt. Die schweizerische Regelung in Bezug auf die subsidiäre Verantwortlichkeit geht teilweise über die Anforderungen der Konvention hinaus und gewährleistet, dass in einem Unternehmen begangene Verbrechen und Vergehen nicht unbestraft bleiben, auch wenn sie keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden können. Demnach muss keine primäre strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unternehmen für die Straftaten nach dem Übereinkommen eingeführt werden.

31 32 33

Vgl. Niggli/Gfeller, Basler Kommentar, Strafrecht I, Basel 2013, N 119 zu Art. 102 02 SR 313.0 SR 210

3154

BBl 2017

2.2.8

Sanktionen und Massnahmen (Art. 12)

Nach Absatz 1 dieser Bestimmung haben die Vertragsparteien dafür zu sorgen, dass die im Übereinkommen umschriebenen Straftaten mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen bedroht werden, einschliesslich Geldsanktionen und Freiheitsstrafen, die zur Auslieferung führen können.

Ein Ziel der vom Parlament am 18. März 2016 verabschiedeten Revision des HMG besteht in einer Annäherung des Dispositivs zur Bekämpfung der Heilmittelkriminalität an dasjenige der illegalen Betäubungsmittel. Diese Annäherung erfolgt insbesondere durch eine Verschärfung der Strafen.34 Vorsätzliche Straftaten, die eine konkrete Gefährdung der Gesundheit des Menschen beinhalten, sind immer Verbrechen oder Vergehen. Dementsprechend ist die Auslieferung in jedem Fall möglich, sei es in Anwendung des europäischen Auslieferungsübereinkommens oder anderer einschlägiger, für die Schweiz verbindlicher Verträge.

Absatz 2 verlangt, dass auch juristische Personen, die nach Artikel 11 verantwortlich gemacht werden, wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen, einschliesslich Geldsanktionen, unterliegen.

Die Sanktionsmassnahmen des schweizerischen Rechts gegenüber Unternehmen sind in den Erläuterungen zu Artikel 11 der Konvention dargelegt.

Nach Absatz 3 haben die Vertragsparteien die Beschlagnahme und Einziehung der Tatwerkzeuge zur Begehung der Straftaten sowie der Erträge aus solchen Straftaten oder der dem Wert dieser Erträge entsprechenden Vermögensgegenstände zu gestatten. Weiter müssen die Vertragsstaaten die erforderlichen Massnahmen treffen, um die Vernichtung von eingezogenen Gegenständen zu gestatten und um sonstige angemessene Massnahmen zur Verhütung künftiger Straftaten zu treffen.

Diese Massnahmen sind alle durch das Strafgesetzbuch vorgesehen. Gemäss Artikel 69 Absatz 1 StGB verfügt das Gericht die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat dienen oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen gefährden. Das Gericht kann die Vernichtung der eingezogenen Gegenstände anordnen. Gestützt auf Artikel 70 StGB können Vermögenswerte eingezogen werden, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen. Nach Artikel 71 StGB erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung
des Staates in gleicher Höhe. Darüber hinaus sieht das Strafgesetzbuch insbesondere die Möglichkeit des Berufsverbots (Art. 67 StGB), der Veröffentlichung des Urteils (Art. 68 StGB) und des Strafregistereintrags (Art. 365 ff. StGB) vor.

Somit ist für die Umsetzung von Artikel 12 der Konvention keine Gesetzesänderung erforderlich.

34

Vgl. Botschaft zur Änderung des HMG vom 7. November 2012 (BBl 2013 1, insbesondere S. 47 ff.)

3155

BBl 2017

2.2.9

Strafverschärfungsgründe (Art. 13)

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien, erschwerende Umstände bei der Festsetzung der Strafen für Straftaten nach dem Übereinkommen vorzusehen. Es handelt sich um Umstände, die das Gericht im schweizerischen Recht nach Artikel 47 StGB berücksichtigen muss.

Sind die Umstände nach Buchstabe a erfüllt (Gefährdung von Leben und Gesundheit), bemisst sich die Strafe nach dem StGB nach der Schwere der Verletzung. Der Vertrauensmissbrauch nach den Buchstaben b und c lässt darauf schliessen, dass der Täter mit besonderem Wissen und Willen gehandelt hat, was bei der Strafzumessung nach Artikel 47 Absatz 2 StGB berücksichtigt werden muss. Die Nutzung von Möglichkeiten des Grossvertriebs (Bst. d) spricht für die Absicht, Geschäfte im grossen Stil zu betreiben und damit eine Vielzahl von Personen zu gefährden. Auch dabei handelt es sich um ein Element, das das Verschulden nach Artikel 47 Absatz 2 StGB erhöht. Die Begehung der Straftat im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (Bst. e) stellt eine Straftat an sich dar, die im Sinne der Konkurrenz erschwerend berücksichtigt werden kann (Art. 260ter StGB). Die wiederholte Begehung (Bst. f) wird bei der Strafzumessung nach schweizerischem Recht seit jeher berücksichtigt (Art. 47 Abs. 1 StGB).

Die Bestimmung der Konvention wird somit durch das geltende Recht abgedeckt.

2.2.10

Vorstrafen (Art. 14)

Die in Artikel 14 der Konvention enthaltene Verpflichtung, von einer anderen Vertragspartei erlassene Strafurteile zu berücksichtigen, wird durch Artikel 47 StGB zu den Kriterien der Strafzumessung abgedeckt.

2.3

Kapitel III: Ermittlungen, Strafverfolgungen und Verfahrensrecht

2.3.1

Einleitung und Fortführung von Verfahren (Art. 15)

Nach Artikel 15 der Konvention dürften die Ermittlungen wegen oder die Strafverfolgung von Straftaten nach dem Übereinkommen nicht von einer Anzeige abhängig gemacht werden; das Verfahren muss auch bei einem Rückzug der Anzeige fortgeführt werden können.

Die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben nach dem StGB sowie nach den Artikeln 86 und 87 HMG werden von Amtes wegen verfolgt (vgl. Art. 30 ff. StGB).

Somit erfüllt das schweizerische Recht diese Anforderung des Übereinkommens.

3156

BBl 2017

2.3.2

Strafrechtliche Ermittlungen (Art. 16)

2.3.2.1

Vorgaben der Konvention

Gemäss Artikel 16 Absatz 1 der Konvention haben die Parteien mit den erforderlichen Massnahmen sicherzustellen, dass die für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständigen Personen auf dem Gebiet der Bekämpfung der Fälschung von Heilmitteln und ähnlicher Straftaten spezialisiert sind oder zu diesem Zweck geschult werden; hierzu gehören auch Finanzermittlungen. Die Vertragsstaaten müssen angemessene Ressourcen (finanzielle und personelle Mittel) dafür bereitstellen.

Die Hauptakteure von Strafverfahren im Heilmittelbereich sind in der Schweiz gegenwärtig das Institut, die Zollbehörden, das Bundesamt für Polizei (fedpol) sowie die kantonalen Strafverfolgungs- und Polizeibehörden. Gemäss Artikel 20 Absatz 1 VStrR müssen die Mitarbeitenden des Instituts und der Eidgenössischen Zollverwaltung, die mit Einvernahmen, Augenscheinen und Zwangsmassnahmen betraut werden, besonders ausgebildet sein.

Ist spezifische Fachkompetenz in Finanz- und Informatikfragen erforderlich, muss das Institut für die Sicherung und die Auswertung umfangreicher elektronischer Datenbestände und die Auswertung von Buchhaltungsunterlagen externe Fachkräfte als Hilfspersonen beiziehen. Zu diesem Zweck ist eine Anpassung des HMG notwendig (siehe unten Erläuterungen zu Art. 90c HMG). Die spezifische Fachkompetenz im Heilmittelbereich (insb. wissenschaftliche Beurteilung von Präparaten, Laboranalysen) ist beim Institut hingegen vorhanden. Die Zollverwaltung verfügt bereits über die in der Konvention vorgesehenen Spezialkenntnisse im Bereich der Finanzermittlungen und der Informatik sowie der Sicherstellung von Vermögenswerten und elektronischen Daten. Das fedpol sowie die kantonalen Strafverfolgungs- und Polizeibehörden können sich auf ihre Erfahrung im Bereich der Betäubungsmittel abstützen, da die dort eingesetzten Ermittlungsmethoden und Probleme denjenigen im Heilmittelbereich ähnlich sind (Suche nach Produkten, Eruierung der Finanzflüsse). Die kantonalen Behörden können sich auf die Kenntnisse der kantonalen Gesundheitsbehörden stützen. Darüber hinaus arbeiten die beteiligten Akteure zusammen und tauschen ihre Erfahrungen aus.

Nach Absatz 2 gewährleisten die Parteien wirksame strafrechtliche Ermittlungen und eine wirksame Strafverfolgung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres internen Rechts. Sie können dafür, soweit angemessen,
auch die Möglichkeit der Durchführung von Finanzermittlungen, verdeckten Ermittlungen, überwachten Lieferungen und sonstigen besonderen Ermittlungsmethoden vorsehen.

Die vom Institut und der Eidgenössische Zollverwaltung durchgeführten Verfahren unterstehen dem VStrR, die von den Strafbehörden der Kantone oder des Bundes durchgeführten der StPO. Diese beiden Verfahrensgesetze ermöglichen den Personen, die für die Untersuchung zuständig sind, alle klassischen Ermittlungsmassnahmen einzusetzen (u. a. Einvernahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Auskunftsersuchen, Beizug von Sachverständigen).

3157

BBl 2017

Im Zuge der Strafuntersuchungen erfordert die Sachverhaltsklärung jedoch teilweise geheime Überwachungsmassnahmen wie Observationen, Scheineinkäufe, die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie verdeckte Ermittlungen. Damit sie den Behörden zur Bekämpfung der Heilmittelkriminalität zur Verfügung stehen, sind Ergänzungen der StPO und des HMG vorzunehmen.

2.3.2.2

Ergänzungen der StPO (Art. 269 Abs. 2 Bst. k und Art. 286 Abs. 2 Bst. i)

Mit den traditionellen Ermittlungsinstrumenten ist die Fahndung und Beweisführung im Zusammenhang mit dem Handel von illegalen Heilmitteln oder mit deren Herstellung in vielen Fällen nicht möglich, da die Opfer oftmals nicht bekannt sind. In solchen Fällen rechtfertigt sich die Anwendung von geheimen Ermittlungsmassnahmen wie der Überwachung des Mailverkehrs oder von Telefongesprächen.

Dadurch kann eine Straftat wirksamer aufgedeckt oder verhindert werden.

Aufgrund der zunehmend globalisierten Heilmittelkriminalität müssen auch die Überwachungsmöglichkeiten ausgeweitet werden: Verschiedene Staaten in Europa (z. B. Deutschland und England) lassen geheime Überwachungsmassnahmen zur Verfolgung der Heilmittelkriminalität bereits heute zu. Die Schweizer Behörden erhalten Rechtshilfeersuchen aus solchen Ländern, können jedoch nicht mit den gleichen Ermittlungsmöglichkeiten arbeiten wie diese. Das soll nun geändert werden.

Deshalb ist Artikel 86 Absätze 2 und 3 nHMG in die Deliktskataloge der Artikel 269 Absatz 2 und 286 Absatz 2 StPO aufzunehmen, die die geheime Überwachung und die verdeckte Ermittlung regeln. Es handelt sich dabei normalerweise um qualifizierte Widerhandlungen. Wie bei allen Ermittlungen muss der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt werden. So ist die Anordnung einer Überwachungsmassnahme nach Artikel 269 ff. StPO, einer Standortfeststellung von Personen oder Sachen nach den Artikeln 280 und 281 StPO oder einer verdeckten Ermittlung nach Artikel 285a ff. StPO nur möglich, wenn der Tatverdacht und die Schwere der Straftat eine solche Massnahme rechtfertigen.

Die weiteren in Artikel 16 Absatz 2 der Konvention genannten Ermittlungsmöglichkeiten (Finanzermittlungen, überwachte Lieferungen, andere spezielle Untersuchungstechniken) sind in der StPO nicht auf bestimmte Delikte beschränkt (vgl.

Art. 246 ff. betreffend Durchsuchung von Aufzeichnungen, Art. 263 ff. betreffend Beschlagnahme, Art. 284 ff. betreffend Überwachung von Bankbeziehungen, Art. 298a­298d betreffend verdeckte Fahndung). Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden können bei HMG-Straftaten somit bereits heute derartige Massnahmen treffen; eine Änderung des geltenden Rechts ist nicht erforderlich.

3158

BBl 2017

2.3.2.3

Änderungen des HMG (Art. 90 Abs. 4 und 90a­90c)

Art. 90 Abs. 4 Nach Artikel 16 Absatz 2 der Konvention stellen die Vertragsparteien eine wirksame Strafverfolgung der Straftaten nach dem Übereinkommen sicher.

In der Schweiz werden Straftaten gegen das HMG im Vollzugsbereich der Kantone durch die kantonalen Strafbehörden verfolgt (Art. 90 Abs. 3 nHMG). Der Vollzugsbereich der Kantone betrifft hauptsächlich die Bewilligung und Aufsicht im Detailhandel, das heisst die Abgabe von Arzneimitteln in Apotheken, Arztpraxen und Spitälern (vgl. Art. 30 HMG). Straftaten im Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln betreffen jedoch meistens den Grosshandel, die Einfuhr oder die Herstellung von Arzneimitteln; diese Tätigkeiten unterstehen der Aufsicht des Instituts. In solchen Fällen besteht im Bereich der Strafverfolgung eine konkurrierende Zuständigkeit zwischen Bund und Kanton. Der Bund kann zurzeit, gestützt auf Artikel 20 Absatz 3 VStrR, seine eigene Strafverfolgung an die örtlich zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde delegieren. Eine Delegation in umgekehrter Richtung, von der kantonalen Behörde an den Bund, ist bisher nicht vorgesehen.

Wenn die kriminelle Tätigkeit in erster Linie den Zuständigkeitsbereich des Instituts betrifft, wäre dies aber sinnvoll. Um die Delegation von Verfahren an den Bund zu ermöglichen wird im neuen Artikel 90 Absatz 4 HMG eine Spezialregelung geschaffen. Diese Bestimmung regelt auch gleich die Vereinigung zuhanden des zuständigen Kantons; in diesen Fällen gelangt Artikel 20 Absatz 3 VStrR somit nicht mehr zur Anwendung.

Art. 90a

Geheime Überwachungsmassnahmen

Abs. 1­3: Nach Artikel 16 Absatz 2 der Konvention sehen die Vertragsparteien, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres internen Rechts und wenn sie es für zweckmässig halten,35 die Möglichkeit vor, geheime Überwachungen und Finanzermittlungen durchzuführen, Lieferungen zu überwachen sowie weitere besondere Ermittlungsmethoden anzuwenden.

Die StPO sieht bereits solche Instrumente vor, wie namentlich die Observation (Art. 282 und 283 StPO) und die verdeckte Fahndung (Art. 298a­298d StPO). Diese Instrumente sind nicht auf bestimmte Straftatbestände beschränkt; sie können von den Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone, welche die StPO anwenden (vgl. Art. 1 Abs. 1 StPO), bei Ermittlungen im Bereich der Heilmittelkriminalität eingesetzt werden.

Auch das Institut und die Eidgenössische Zollverwaltung, die nicht Strafverfolgungsbehörden im Sinne des StPO sind, müssen aber im Rahmen der von ihnen geführten Ermittlungen verdeckte Observationen von Personen und Sachen an allgemein zugänglichen Orten sowie Scheinkäufe von Arzneimitteln anordnen können. Es ist deshalb vorgesehen, dem Institut und der Eidgenössischen Zollverwaltung die Kompetenz zur Anordnung von Observationen (Art. 282 und 283 StPO) und verdeckten Fahndungen (Art. 298a­298d StPO) zu erteilen.

35

Vgl. Erläuterungen des Europarats zum Übereinkommen, Ziff. 109

3159

BBl 2017

Da die Verfahren des Instituts oder der Eidgenössischen Zollverwaltung nach den Bestimmungen des VStrR geführt werden (vgl. Art. 90 Abs. 1 HMG), muss das HMG die Kompetenz dieser Behörden zur Anordnung der oben erwähnten Überwachungsmassnahmen vorsehen. Aus der Aufzählung der Zwangsmassnahmen in Artikel 45 Absatz 1 VStrR und der Systematik des VStrR wird in der Lehre teilweise geschlossen, dass sich die Anordnung geheimer Überwachungsmassnahmen schwerlich auf das VStrR abstützen lasse.36 Bei der Vernehmlassung hatten mehrere Teilnehmer 37 beantragt, die bisherigen Kompetenzen im Bereich der Strafverfolgung beizubehalten und Artikel 90a Absatz 1 (oder den ganzen Art. 90a) zu streichen. Alternativ wurde verlangt, dass das Institut und die Zollverwaltung geheime Überwachungsmassnahmen bei den zuständigen kantonalen Behörden anfordern sollten. Andere Teilnehmer 38 waren der Ansicht, geheime Überwachungsmassnahmen sollten einer unabhängigen Kontrolle unterstellt sein. Die Streichung von Artikel 90a ist jedoch nicht angezeigt: Das Institut und die Zollverwaltung müssen selber geheime Überwachungen anordnen können, um wirksame Ermittlungen sicherzustellen. Ab 30 Tagen müssen die Massnahmen der Direktorin oder dem Direktor der umsetzenden Behörde zur Genehmigung unterbreitet werden (Abs. 2). Spätestens mit Abschluss der Untersuchung teilt die zuständige Behörde der überwachten Person Grund, Art und Dauer der Massnahme mit (Abs. 3).

Abs. 4 und 5: Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 269­279 StPO), die Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten (Art. 280 und 281 StPO) sowie die Überwachung der Bankbeziehungen (Art. 284 und 285 StPO) und die verdeckte Ermittlung (Art. 286­298 StPO) sind besonders einschneidende Massnahmen, die spezifische Fachkompetenz voraussetzen und vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt werden müssen.

Sind bei Fällen in der Kompetenz des Instituts oder der Eidgenössischen Zollverwaltung solche Massnahmen erforderlich, ist aus den nachfolgenden Gründen eine Übernahme der Verfahren durch die Bundesanwaltschaft vorgesehen. Straffälle, die geheime Überwachungsmassnahmen erfordern (derzeit ca. einer pro Jahr), sind meist internationaler und komplexer Art. Sie betreffen einen wichtigen Sektor der Schweizer Wirtschaft. Sie bedingen eine intensive internationale Zusammenarbeit
und erhebliche Ressourcen. Dadurch sind sie mit Fällen im Bereich der Wirtschaftskriminalität vergleichbar, für deren Verfolgung heute die Bundesanwaltschaft fakultativ zuständig ist. Diese verfügt über die nötigen Kenntnisse und Erfahrung, um die Verhältnismässigkeit solcher Massnahmen zu beurteilen und diese umzusetzen.

36 37 38

Vgl. Eicker/Frank/Ackermann, Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahrensrecht, Bern 2012, S. 191 f.

Kantone BE und ZG, Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten, Verband der Schweizerischen Versandapotheken Kanton VD, Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte der Schweiz und subsidiär Kanton ZG. Die Kantone VD und ZG verlangen, dass Überwachungsmassnahmen, die über einen Monat hinaus andauern, von einer überprüfenden Instanz genehmigt werden.

3160

BBl 2017

Die Notwendigkeit zur Anordnung der Massnahmen kann sich vor Beginn eines Verfahrens, während dessen Verlauf oder aufgrund eines internationalen Rechtshilfeersuchens ergeben. In diesen Fällen gelangen das Institut oder die Eidgenössische Zollverwaltung mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft an das Zwangsmassnahmengericht. Werden die Massnahmen genehmigt, übernimmt die Bundesanwaltschaft das Verfahren in Anwendung der StPO. Allfällige vom Institut oder der Eidgenössischen Zollverwaltung bereits erhobene Beweismittel werden von der Bundesanwaltschaft zu den Akten genommen.

Das Institut verfügt über das Fachwissen (insbesondere auf medizinischer und pharmazeutischer Ebene), um die Bundesanwaltschaft bei Bedarf zu unterstützen.

Mit der vorgesehenen Lösung können die Kompetenzen sowie die Verfahrens- und die polizeilichen Mittel der Bundesanwaltschaft mit den Kompetenzen des Instituts und der Eidgenössischen Zollverwaltung kombiniert werden.

Art. 90b

Im Ausland begangene Straftaten und komplexe Verfahren

Wie vorgängig dargelegt, verlangt Artikel 16 Absatz 2 der Konvention wirksame strafrechtliche Ermittlungen und eine wirksame Strafverfolgung. Aufgrund dieses Erfordernisses müssen Straftaten komplexer und internationaler Art gegen das HMG von den Strafverfolgungsbehörden des Bundes bearbeitet werden. Diesbezüglich wird auf die Erläuterungen zu Artikel 90a Absätze 2 und 3 HMG zu den Merkmalen der Heilmittelkriminalität und den durch die Bundesanwaltschaft übernommenen Verfahren verwiesen.

Eine Übertragung an die Bundesanwaltschaft wird nur in wenigen Fällen erforderlich sein. Die meisten Fälle, auch solche mit internationaler Bedeutung, können durch das Institut oder die Eidgenössische Zollverwaltung bearbeitet werden.

Art. 90c

Einbezug Dritter

Nach Artikel 16 Absatz 1 der Konvention sind Spezialistinnen und Spezialisten mit den strafrechtlichen Ermittlungen zu betrauen.

Die Strafverfolgungsbehörden sind oft mit technischen Fragen konfrontiert, die spezielles Fachwissen insbesondere in der Buchhaltung und Informatik voraussetzen. Sie ziehen deshalb die Unterstützung anderer Strafverfolgungsbehörden oder unabhängige Spezialistinnen und Spezialisten der Verwaltung bei. Nach Artikel 43 VStrR können zur Beurteilung von punktuellen Fragen, die besondere Fachkenntnis voraussetzen, private Sachverständige beigezogen werden.

Die Bedürfnisse des Instituts gehen aber über diesen punktuellen Einbezug von Sachverständigen hinaus. So ist es bei der Sicherung und Auswertung umfangreicher elektronischer Datenbestände und der Auswertung von Buchhaltungsunterlagen trotz der Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei, dem fedpol und der Eidgenössischen Zollverwaltung darauf angewiesen, private Fachleute als Hilfskräfte beiziehen zu können. Dies gilt auch für das Bundesamt für Gesundheit bezüglich der Strafverfolgungsaufgaben, die es gemäss den vom Parlament am 18. März 2016 verabschiedeten Änderungen des HMG übernehmen wird. Für diese Aufgabenübertragung ist eine spezialgesetzliche Grundlage erforderlich.

3161

BBl 2017

Nach der neuen Bestimmung sollen die Kosten im Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung analog zur Bestimmung der StPO zu den Kosten für Gutachten und die Mitwirkung anderer Behörden (Art. 422 Abs. 1 Bst. c und d StPO) als Auslagen gelten, die grundsätzlich der oder dem Verurteilten auferlegt werden. Bei einem Freispruch oder bei Vorliegen besonderer Verhältnisse (Art. 94 ff. VStrR) werden sie vom Bund getragen.

2.4

Kapitel IV: Zusammenarbeit der Behörden und Informationsaustausch (Art. 17)

2.4.1

Anforderungen der Konvention

Artikel 17 Absätze 1, 3 und 4 der Konvention verpflichtet die Vertragsparteien, die Erfassung und den Austausch von Informationen unter ihren zuständigen Behörden in Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor sicherzustellen, um die Fälschung von Heilmitteln und ähnliche Straftaten wirksam zu bekämpfen.

Die Konvention lässt den Vertragsstaaten grosse Freiheit bei der Umsetzung dieser Bestimmung. Genannt wird aber das vom Europarat entwickelte System der nationalen Kontaktstelle. Die Schweiz hat bereits seit einigen Jahren eine solche eingerichtet. Die Leitung der «Kontrolle illegale Arzneimittel» beim Institut stellt die nationale Kontaktstelle im Sinne von Artikel 17 Absatz 3 und Artikel 22 Absatz 2 der Konvention dar. Sie ist einerseits Ansprechpartnerin für die nationalen Behörden für die Entgegennahme, Erfassung und Bereitstellung von Informationen, die im Hinblick auf die Bekämpfung von Fälschungen von Heilmitteln und ähnlichen Straftaten wesentlich sind. Sie nimmt die von den bezeichneten Kontaktstellen beim Zoll, fedpol usw. (sektorielle Kontaktstellen) eingehenden Informationen entgegen und leitet sie den ausländischen Kontaktstellen (Art. 22 Abs. 2 der Konvention) weiter.

Die sektoriellen Kontaktstellen haben die Pflicht, sämtliche ihnen zur Kenntnis gebrachten Informationen im Zusammenhang mit der Fälschung von Heilmitteln und ähnlichen Straftaten an die nationale Kontaktstelle zu übermitteln. In der Praxis erfolgen die Kontakte jeweils bei Bedarf im Rahmen laufender Verfahren. Andererseits ist die Kontaktstelle beim Institut verantwortlich für die Entgegennahme, Erfassung und Bereitstellung der Informationen, die ihr durch die ausländischen Kontaktstellen der Konvention zugestellt werden. Die Kontaktstelle leitet erhaltene Informationen umgehend an die betroffene sektorielle Kontaktstelle weiter.

Die Verankerung im HMG wird diesem System zu mehr Sichtbarkeit und Legitimität verhelfen. Die Instrumente und Kontaktstellen im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen bleiben unverändert bestehen. Der von der Eidgenössischen Zollverwaltung und vom fedpol heute praktizierte Informationsaustausch mit Kontaktstellen im In- und Ausland soll weder unterbunden noch beeinträchtigt werden.

Artikel 17 Absatz 2 der Konvention verpflichtet die Vertragsparteien, sich um die Zusammenarbeit mit den im Heilmittelbereich tätigen gewerblichen und industriellen Sektoren zu bemühen. Die Umsetzung dieser Verpflichtung bedingt eine Änderung des HMG.

3162

BBl 2017

2.4.2

Änderungen des HMG (Art. 59 Abs. 3bis, 62b und 69 Abs. 4 HMG)

Art. 59 Abs. 3bis Wer Heilmittel herstellt, vertreibt oder abgibt, erlangt früher als die Behörden Kenntnis von Verstössen gegen einschlägige Vorschriften durch Dritte. Im Hinblick auf eine wirksame Strafverfolgung und die Umsetzung von Artikel 17 Absatz 2 der Konvention soll Artikel 59 HMG mit einem neuen Absatz 3bis ergänzt werden, wonach diese Personen dem Institut diesbezüglich jeden Verdacht melden müssen.

Es handelt sich um eine Ergänzung des vom Parlament am 18. März 2016 verabschiedeten Artikels 59 Absatz 3, wonach im Gesundheitsbereich tätige Personen dem Institut Beobachtungen schwerwiegender Tatsachen, einschliesslich des Verdachts auf Fälschungen, sowie Qualitätsmängel, die für die Heilmittelsicherheit von Bedeutung sind, melden müssen.

Bezugnehmend auf in der Vernehmlassung geäusserte Kritik 39 sei hier darauf hingewiesen, dass damit nicht von den Unternehmen und Gesundheitsberufen verlangt wird, sich als Ermittler zu betätigen oder selbst Untersuchungen durchzuführen. Es handelt sich auch nicht um eine Pflicht zur Strafanzeige, sondern lediglich zur Meldung an das Institut, wie sie auch für andere Informationen nach Artikel 59 HMG gilt.

Die Nichtmeldung kann Verwaltungsmassnahmen im Sinne von Artikel 66 HMG wie auch eine Strafverfolgung (vgl. Art. 87 Abs. 1 Bst. c HMG) nach sich ziehen.

Art. 62b

Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor

Bei schwerwiegenden und komplexen Fällen von illegalem Heilmittelhandel spielen die Unternehmen, die das zugelassene Produkt herstellen und in Verkehr bringen, bei den Untersuchungen und Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit eine zentrale Rolle. Sie verfügen über massgebliche Informationen über ihr Heilmittel und die legalen Vertriebskanäle. Ausserdem nehmen sie teilweise eigene Untersuchungen vor, um ihre Rechte zu verteidigen und Gefahren abzuwenden, die mit ihrem Heilmittel in Zusammenhang gebracht werden könnten.

Insofern kann der Schutz der öffentlichen Gesundheit mit der Bekanntgabe von Informationen durch die Behörden an die betreffenden Unternehmen erheblich verbessert werden. So kann beispielsweise ein über die Lieferwege einer Fälschung informierter Hersteller den Rückzug des legal vertriebenen Arzneimittels im Ausland veranlassen, was die Schweizer Behörde nicht anordnen könnte.

Der neue Artikel 62b HMG ermächtigt die Behörden, den beteiligten Akteuren vertrauliche Daten einschliesslich besonders schützenswerter Personendaten nach Artikel 3 Buchstabe c Ziffer 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199240 über den

39

40

Dachverband Schweizer Medizintechnik (FASMED), Verband der Schweizerischen Versandapotheken (VSVA), Arbeitgeberverband der Schweizer Dentalbranche (ASD), SP und Kanton TI SR 235.1

3163

BBl 2017

Datenschutz (DSG), das heisst über administrative und strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen, bekanntzugeben.

Vertraulichen Daten sind im Rahmen des HMG gesammelte, nicht öffentlich zugängliche Daten (Art. 62 HMG). Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und ähnlichen Straftaten handelt es sich dabei hauptsächlich um im Laufe von Verwaltungs- oder strafrechtlichen Verfahren offengelegte Elemente wie beispielsweise Verzeichnisse von Fälschungen, Namen von Lieferanten oder Adressaten.

Ausgehend von in der Vernehmlassung geäusserter Kritik 41 im Sinne einer Schwächung der Patientenrechte oder des Berufsgeheimnisses hält die Bestimmung fest, dass Personendaten (Art. 3 Bst. a DSG) von Patientinnen und Patienten nicht übermittelt werden dürfen (Art. 62b Abs. 2 HMG).

Art. 69 Abs. 4 Artikel 17 Absatz 3 der Konvention verpflichtet die Vertragsparteien, auf nationaler oder lokaler Ebene Mechanismen zur Sicherstellung des Informationsflusses unter den an der Bekämpfung von Heilmittelfälschung und ähnlichen Straftaten beteiligten Behörden einzuführen.

Die Schweiz hat 2005 bei der Erarbeitung des Konzepts der nationalen Kontaktstelle im Europarat mitgewirkt und das System aufgrund seiner Eignung rasch eingeführt.

Die zentrale nationale Kontaktstelle der Schweiz ist das Institut als zuständige Behörde für dringliche Massnahmen im Zusammenhang mit Heilmitteln.

Im Institut, in der Oberzolldirektion und beim fedpol wurden sektorielle Kontaktstellen (Justiz, Zoll und Polizei) geschaffen. Die sektoriellen Kontaktstellen in der Oberzolldirektion und beim fedpol melden dem Institut umgehend Vorkommnisse oder Feststellungen in Bezug auf illegale Heilmittel und umgekehrt. Die zentrale nationale Kontaktstelle stellt die Verbindung zu den sektoriellen Kontaktstellen und die Koordination der Information sicher. Ausserdem ist sie für die Entgegennahme und Übermittlung von internationalen Auskunftsersuchen und Ersuchen um Zusammenarbeit im Zusammenhang mit der Fälschung von Heilmitteln zuständig (Art. 22 Abs. 2 der Konvention).

Das System ist in Betrieb. Die neue Bestimmung in Artikel 69 Absatz 4 verankert die etablierte Praxis im HMG.

41

Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), Schweizerischer Apothekerverband, Apothekerverband des Kantons Freiburg, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut (SwissTPH) und SP

3164

BBl 2017

2.5

Kapitel V: Massnahmen zur Prävention (Art. 18)

2.5.1

Anforderungen der Konvention

Nach Artikel 18 Absätze 1 und 2 der Konvention müssen die Vertragsparteien Massnahmen treffen, um die Herstellung von sicheren und qualitativ hochstehenden Heilmitteln und einen sicheren Vertrieb zu gewährleisten.

Bei der Umsetzung dieser Verpflichtung haben die Staaten grossen Spielraum. Als mögliche Massnahme wird in den Erläuterungen des Europarats zur Konvention beispielsweise die Nachverfolgbarkeit der Arzneimittel genannt.42 In der Schweiz stellt das HMG sicher, dass nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr gebracht werden (vgl. Art. 1 Abs. 1 HMG). Einzelne Bestimmungen müssen aber zur Vorbeugung des Handels mit Fälschungen verstärkt werden.

Nach Artikel 18 Absatz 3 der Konvention treffen die Vertragsparteien Massnahmen zur Schulung der zuständigen Regulierungsbehörden sowie der Angehörigen der Gesundheitsberufe, der Lieferanten, der Polizei und der Zollbehörden. Zudem sind Sensibilisierungskampagnen zur Aufklärung der Öffentlichkeit und Massnahmen zur Verhütung der Lieferung von gefälschten Heilmitteln vorzusehen.

Diese Massnahmen werden vom Institut bereits weitgehend umgesetzt, das regelmässige Beziehungen zu anderen mit dem Vollzug des HMG beauftragten Behörden sowie den beteiligten Akteuren pflegt und die Öffentlichkeit informiert. Für die Massnahmen ist keine Gesetzesänderung erforderlich.

2.5.2 Art. 17a

Änderungen des HMG (Art. 17a und 18 Abs. 1 und 2 HMG) Sicherheitsmerkmale und -vorrichtungen

Auf EU-Ebene soll die Richtlinie 2011/62/EU das Eindringen von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette verhindern (vgl. Ziff. 1.4). Die Richtlinie sieht das Anbringen von Sicherheitsmerkmalen und -vorrichtungen auf der Verpackung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ausser in von der Kommission bestimmten Ausnahmen vor.

Es wurden in der EU verschiedene Fälle von Arzneimittelfälschungen in der legalen Lieferkette festgestellt. Das Identifizierungssystem der Einzelpackungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Sicherheitsmerkmale) und die Sicherheitsvorrichtungen, um festzustellen, ob sie geöffnet wurden, sind wirksame Mittel im Kampf gegen Fälschungen. So wird spätestens bei der Abgabe festgestellt, ob es sich um gefälschte Arzneimittel handelt.

Im Hinblick auf gleichwertigen Schutz in der Schweiz wie in der EU ist eine entsprechende Regelung in der Schweiz sinnvoll. Entgegen dem EU-Recht erfolgt nach der neuen Bestimmung das Anbringen von Sicherheitsmerkmalen und 42

Erläuterungen des Europarats zum Übereinkommen, Art. 18, Ziff. 113

3165

BBl 2017

-vorrichtungen durch die betroffenen Unternehmen auf freiwilliger Basis. Dem Bundesrat wird aber die Möglichkeit eingeräumt, das System auf dem Verordnungsweg vorzuschreiben (Abs. 8). Die Überprüfung der Sicherheitsmerkmale und -vorrichtungen ist somit auch freiwillig, solange der Bundesrat nicht das Gegenteil auf dem Verordnungsweg vorsieht.

Der Begriff «Sicherheitsmerkmale und -vorrichtungen» in der Sachüberschrift von Artikel 17a umfasst einerseits die Merkmale zur Prüfung der Echtheit von Arzneimitteln und der Identifikation der einzelnen Schachteln (individuelle Erkennungsmerkmale) und anderseits die Vorrichtungen, um zu erkennen, ob Packungen geöffnet wurden.

Wie in der EU sollen Sicherheitsmerkmale grundsätzlich nur auf verschreibungspflichtigen Arzneimitteln angebracht werden. Diese Kategorie von Arzneimitteln ist dem Fälschungsrisiko am meisten ausgesetzt. Ausserdem bergen diese Fälschungen die grössten gesundheitlichen Gefahren. Der Bundesrat kann jedoch die Möglichkeit des Anbringens von Sicherheitsmerkmalen auf weitere Arzneimittel ausdehnen (Abs. 8).

Die Identifikation der einzelnen Arzneimittelpackungen setzt ein Datenbanksystem voraus. Mit dem Aufbau und Betrieb des Datenbanksystems soll wie in der EU eine von den beteiligten Pharmaunternehmen mit Einbezug weiterer Interessierter gebildete Organisation betraut werden. Der Bundesrat hat die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für den Aufbau und Betrieb des Datenbanksystems zu schaffen und die Aufsicht sowie die Einzelheiten des Betriebs zu regeln (Abs. 3­5).

Die in der Kennzeichnung enthaltenen Angaben, die technischen Merkmale, die Anforderungen bezüglich der Anbringung und die Überprüfung der Sicherheitsmerkmale und -vorrichtungen, die im Datenbanksystem zu erfassenden Informationen (insbesondere die Aktivierung und Desaktivierung der individuellen Erkennungsmerkmale) sowie die Einzelheiten bezüglich der Meldung von Verdachtsfällen an das Institut werden ebenfalls auf dem Verordnungsweg geregelt (Abs. 2 und 7).

Dabei wird der Bundesrat international anerkannte Richtlinien und Normen sowie die Erfahrungen im Ausland berücksichtigen. Er wird sich am EU-Recht orientieren und dieses bei Bedarf an unsere Gegebenheiten anpassen.

Die Kosten im Zusammenhang mit dem Datenbanksystem tragen die Zulassungsinhaberinnen von Arzneimitteln mit
individuellen Erkennungsmerkmalen (Abs. 6).

Art. 18 Abs. 1 und 2 Unternehmen, die nicht verwendungsfertige Arzneimittel ein- und ausführen, müssen gegenwärtig über eine Grosshandelsbewilligung verfügen. Die Kontrolle dieser Unternehmen und die Einhaltung von Voraussetzungen zur Gewährleistung der Qualität und Sicherheit der Produkte sind von grundlegender Bedeutung, um die Herstellung von und den Handel mit Arzneimittelfälschungen zu verhindern. Die Ein- und Ausfuhr von Arzneimitteln ist jedoch nicht im Vertriebsbegriff nach schweizerischem Recht enthalten. Um die rechtliche Grundlage formell zu klären, ist in Artikel 18 HMG aufzunehmen, dass die Ein- und Ausfuhr sämtlicher Arzneimittel, verwendungsfertiger und nicht verwendungsfertiger, bewilligungspflichtig sind (Abs. 1 Bst. a und b). Gleichzeitig wird festgehalten, dass auch die Vermitt3166

BBl 2017

lungstätigkeiten von der Schweiz aus der Bewilligungspflicht unterstehen (Abs. 1 Bst. d). Der bisherige Absatz 2, wonach der Bundesrat auch für die Ein- und Ausfuhr von nicht verwendungspflichtigen Arzneimitteln eine Bewilligungspflicht vorsehen kann, erübrigt sich und wird aufgehoben.

Im Sinne des Legalitätsprinzips ist die Konkretisierung der Anforderungen für die Tätigkeiten, die bewilligungspflichtig sind, insbesondere die sinngemässe Anwendung der Guten Vertriebspraxis, an den Bundesrat zu delegieren.

2.6

Kapitel VI: Schutzmassnahmen

2.6.1

Opferschutz (Art. 19)

Artikel 19 der Konvention verpflichtet die Vertragsparteien, die nötigen Massnahmen zu treffen, um die Rechte und Interessen der Opfer zu schützen, insbesondere indem sie für deren Zugang zu Informationen sorgt, sie bei der Genesung unterstützt und eine Entschädigung durch die Täterschaft vorsieht.

Durch gefälschte Heilmittel geschädigte Personen haben, wenn sie damit unmittelbar in ihrer körperlichen oder psychischen Integrität beeinträchtigt wurden, den Status eines Opfers im Sinne der StPO und des Opferhilfegesetzes vom 23. März 200743 (OHG).

Opfer im Sinne der StPO, aber auch andere Personen (z. B. vermögensrechtlich Geschädigte), können sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin oder -kläger beteiligen und erlangen so ebenfalls Zugang zu Informationen über das Verfahren gegen die Täterschaft (Art. 107 ff. und Art. 118 ff. StPO). Die anzeigende Person ist im Verwaltungsstrafverfahren zur Kenntnisnahme des Urteils berechtigt. 44 Mit dem Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 200445 (BGÖ) wird zudem eine Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Akten nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens eingeräumt.

Über das Haftpflichtrecht können die geschädigten Personen Schadenersatz und Genugtuung von der Täterin oder vom Täter verlangen; die Ansprüche können auch als Partei im Strafverfahren geltend gemacht werden. Zudem besteht bei Verwaltungsstrafverfahren die Möglichkeit, eingezogene Vermögenswerte den Geschädigten zukommen zu lassen (Art. 2 VStrR i. V. m. Art. 73 StGB).

Die Leistungen nach dem OHG (Beratung und Hilfe, Entschädigung und Genugtuung) sind nicht an ein Strafverfahren oder eine Verurteilung gebunden. Die Täterschaft muss nicht bekannt sein. Die Leistungen der Opferhilfe werden subsidiär zu den von der Täterin oder vom Täter, der Privatversicherung und den Sozialversicherungen erbrachten gewährt (Art. 4 OHG).

Somit wird den Anforderungen von Artikel 19 der Konvention durch das geltende Recht Genüge getan.

43 44 45

SR 312.5 BGE 124 IV 234, E. 3 SR 152.3

3167

BBl 2017

2.6.2

Stellung der Opfer in strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren (Art. 20)

Nach Artikel 20 der Konvention haben die Vertragsparteien die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Rechte und Interessen der Opfer von Straftaten in allen Phasen der Ermittlung und auf allen Stufen des Strafverfahrens zu schützen.

Die aufgeführten Massnahmen betreffen unter anderem die Information der Opfer über ihre Rechte und die zur Verfügung stehenden Dienste. Die Opfer, ihre Familien sowie Belastungszeuginnen und -zeugen sind vor Einschüchterung und Vergeltung zu schützen. Die Opfer sollen nötigenfalls unentgeltlichen Rechtsbeistand erhalten.

In der Schweiz sind diese genannten Massnahmen insbesondere in der Strafprozessordnung vorgesehen (vgl. Art. 107, 117, 127, 152, 305 und 330 StPO). Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu den Artikeln 10, 19 und 21 der Konvention verwiesen.

Die Anforderungen von Artikel 20 der Konvention werden durch das geltende Recht erfüllt.

2.7

Kapitel VII: Internationale Zusammenarbeit

2.7.1

Internationale Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 21)

Nach Artikel 21 Absätze 1 und 2 der Konvention arbeiten die Vertragsparteien nach Massgabe der anzuwendenden völkerrechtlichen Übereinkünfte und ihres innerstaatlichen Rechts im grösstmöglichen Umfang zusammen. Als Bereiche werden Ermittlungen und Strafverfahren, Beschlagnahmen und Einziehungen sowie Auslieferung und Rechtshilfe genannt.

Die einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkünfte, zu deren Vertragsparteien die Schweiz gehört, sind unter anderem das Europäische Übereinkommen vom 20. April 195946 über die Rechtshilfe in Strafsachen sowie dessen zweites Zusatzprotokoll47 und das Europäische Auslieferungsübereinkommen sowie seine zwei Zusatzprotokolle48. Hinzu kommen die Übereinkommen vom 8. November 199049 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, das Übereinkommen vom 21. März 198350 über die Überstellung verurteilter Personen und dessen Zusatzprotokoll51 neben weiteren strafrechtlichen Übereinkünften des Europarats und der UNO. Schliesslich regelt das IRSG die Fragen, die nicht durch die völkerrechtlichen Übereinkommen geregelt sind. Dieses Gesetz gelangt mit Ländern zur Anwendung, die nicht Vertragsparteien der genannten völkerrechtlichen Übereinkünfte sind.

46 47 48 49 50 51

SR 0.351.1 SR 0.351.12 SR 0.353.11 und 0.353.12 SR 0.311.53 SR 0.343 SR 0.343.1

3168

BBl 2017

Artikel 21 Absatz 3 ist für unser Land insofern nicht von Bedeutung, als die Schweiz die Auslieferung und Rechtshilfe nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht.

Somit sind die Anforderungen von Artikel 21 der Konvention durch das geltende Recht erfüllt.

2.7.2

Internationale Zusammenarbeit bei der Prävention und bei anderen administrativen Massnahmen (Art. 22)

Nach Absatz 1 arbeiten die Vertragsparteien beim Schutz und bei der Unterstützung von Opfern zusammen. Die Umsetzung in unserem Land ist insofern sichergestellt, als die Opfer einer Straftat in der Schweiz Opferhilfe beanspruchen können, auch wenn sie im Ausland wohnhaft sind. In der Schweiz ansässige Personen, die Opfer einer Straftat im Ausland sind, haben in der Schweiz Anspruch auf Beratung und Hilfe durch eine Beratungsstelle nach dem OHG. Schliesslich gelten bei Verfahren, die in der Schweiz geführt werden, die besonderen Bestimmung der StPO und der ausserprozessuale Zeugenschutz; der Wohnort des Opfers oder der Zeuginnen und Zeugen ist dabei nicht massgeblich.

Nach Absatz 2 benennen die Vertragsparteien eine Kontaktstelle für den Informationsaustausch zur Bekämpfung der Fälschung von Heilmitteln. Diese Aufgabe wird bereits vom Institut wahrgenommen; sie soll im Gesetz verankert werden (siehe dazu die Erläuterungen zu Art. 17 der Konvention und zu Art. 69 Abs. 4 HMG, Ziff. 2.4).

Nach Absatz 3 schliesslich sind die Vertragsparteien gehalten, die Bekämpfung der Fälschung und ähnlicher Straftaten in Entwicklungsprogramme zugunsten von Drittstaaten aufzunehmen. In der Schweiz erfolgt dies im Rahmen internationaler Organisationen oder bilateraler Beziehungen.

Somit erfordert Artikel 22 der Konvention keine Anpassung des geltenden Rechts.

2.8

Kapitel VIII: Folgemechanismus (Art. 23­25)

Die Bestimmungen in Kapitel VIII der Konvention sollen eine wirksame Umsetzung des Übereinkommens sicherstellen. Der Folgemechanismus beruht hauptsächlich auf dem Ausschuss der Vertragsparteien, der aus Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsparteien des Übereinkommens besteht.

Artikel 23 der Konvention betrifft den Ausschuss der Vertragsparteien, seine Zusammensetzung und Funktionsweise.

Die in Artikel 24 der Konvention vorgesehene Teilnahme anderer Vertreterinnen und Vertreter am Folgemechanismus des Übereinkommens, bei denen es sich insbesondere um die Parlamentarische Versammlung des Europarats, den Europäischen Ausschuss für Strafrechtsfragen (European Committee on Crime Problems, CDPC) sowie weitere einschlägige zwischenstaatliche oder wissenschaftliche Ausschüsse 3169

BBl 2017

des Europarats und der Zivilgesellschaft (NGO) handelt, soll zu einem sektor- und fachübergreifenden Ansatz beitragen.

Artikel 25 der Konvention nennt die Aufgaben des Ausschusses. Neben den grundlegenden Zuständigkeiten (wie Erleichterung der Umsetzung des Übereinkommens, Information, Stellungnahmen und Empfehlungen zu seiner Anwendung) dient der Ausschuss als Zentrale für die Sammlung, die Analyse und den Austausch von Informationen, Erfahrungen und guter Praxis unter den Vertragsparteien.

2.9

Kapitel IX: Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften (Art. 26)

Diese Bestimmung stellt sicher, dass die Rechte und Pflichten aus anderen völkerrechtlichen Übereinkünften, denen die Vertragsparteien ebenfalls angehören, durch die Konvention nicht berührt werden (Abs. 1).

Die Vertragsparteien können völkerrechtliche Abkommen zu Fragen abschliessen, die in der Konvention geregelt sind. Sie können jedoch keine von der Konvention abweichenden Übereinkünfte treffen (Abs. 2).

2.10

Kapitel X: Änderungen des Übereinkommens (Art. 27)

Nach dieser Bestimmung können die Vertragsparteien Änderungen des Übereinkommens beantragen. Stimmt das Ministerkomitee der Änderung zu, wird diese den Vertragsparteien unterbreitet. Die Änderung tritt erst nach der Annahme durch alle Vertragsparteien in Kraft.

2.11

Kapitel XI: Schlussbestimmungen (Art. 28­32)

Die Schlussbestimmungen der Konvention entsprechen weitgehend denjenigen anderer bestehender Übereinkommen des Europarats.

Nach Artikel 28 steht der Beitritt zur Konvention nicht nur den Mitgliedstaaten des Europarats offen, sondern auch den Nichtmitgliedstaaten, die an der Ausarbeitung beteiligt waren (Israel und Japan) oder die Beobachterstatus im Europarat haben.

Weitere Staaten können eingeladen werden.

Artikel 29 der Konvention betrifft lediglich einzelne Hoheitsgebiete mit Sonderstatus. Die Schweiz ist davon nicht betroffen.

Artikel 30 der Konvention hält fest, dass ausschliesslich die in der Konvention vorgesehenen Vorbehalte zulässig sind. Die Schweiz macht gestützt auf Artikel 10 Absatz 4 bei Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d und Absatz 2 von dieser Möglichkeit Gebrauch (siehe Erläuterungen zu Art. 10 Abs. 4 der Konvention, Ziff. 2.3).

3170

BBl 2017

Nach Artikel 31 erleichtern der Ausschuss der Vertragsparteien und der CDPC die gütliche Lösung von allfälligen Schwierigkeiten bei der Anwendung der Konvention.

Nach Artikel 32 kann das Übereinkommen mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

2.12

Rein formelle Änderungen des HMG (Art. 29, 75a Abs. 3 und 90 Abs. 1 HMG)

Art. 29 HMG Der Ausdruck «Gute Grosshandelspraxis» soll durch die üblichere «Gute Vertriebspraxis» ersetzt werden. Inhaltlich hat diese Änderung keine Auswirkungen.

Art. 75a Abs. 3 HMG52 Die Bestimmung wurde nur formal geändert (Einfügen der Abkürzung StPO). Inhaltlich bleibt die Bestimmung unverändert.

Art. 90 Abs. 1 HMG53 Die Bestimmung wurde nur formal geändert (Verwendung der Abkürzung EZV).

Inhaltlich bleibt die Bestimmung unverändert.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die strafrechtlichen Zuständigkeiten bei der Heilmittelkriminalität sind auf Bund und Kantone verteilt. Die Umsetzung des Übereinkommens wird keinen Einfluss auf die im HMG vorgesehene Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen haben.

Die Heilmittelfälschung nimmt weltweit zu. Mittelfristig ist mit einer Zunahme und einer steigenden Komplexität der Fälle zu rechnen. Das Übereinkommen wird eine bessere Nutzung der vorhandenen Ressourcen insbesondere durch den verstärkten Informationsaustausch auf internationaler Ebene ermöglichen.

Die Umsetzung der Konvention wird für die Bundesanwaltschaft und das fedpol aufgrund der ihnen neu zugeteilten Aufgaben einen Mehraufwand zur Folge haben.

Wie gross dieser sein wird, kann heute nicht beziffert werden. Die Übertragung von Verfahren an die Bundesanwaltschaft wird sich zwar voraussichtlich auf ein bis zwei Fälle im Jahr beschränken, diese sind aber umfangreich und komplex und binden daher erfahrungsgemäss bereits ab Beginn der Untersuchung mehrere Personen.

52 53

BBl 2016 1953 BBl 2016 1953

3171

BBl 2017

Hinsichtlich des Folgemechanismus werden die Kosten vom Europarat getragen.

Die Aufgaben, die sich aus dem Folgemechanismus für das Institut ergeben, werden im Rahmen seiner laufenden Tätigkeiten wahrgenommen und erfordern keine zusätzlichen Ressourcen.

Es ist kein Pflichtbeitrag der Vertragsstaaten der Konvention vorgesehen.

3.2

Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

Das Fürstentum Liechtenstein hat die Medicrime-Konvention ebenfalls unterzeichnet.

Die schweizerische Heilmittelgesetzgebung ist gemäss Notenaustausch vom 11. Dezember 200154 zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Geltung der schweizerischen Heilmittelgesetzgebung in Liechtenstein und gemäss Vertrag vom 29. März 192355 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet auch im Fürstentum Liechtenstein anwendbar. Wie weit die vorliegenden Änderungen des HMG anwendbar sind, werden die beiden Länder im Rahmen des regulären Bereinigungsverfahrens der Anlagen zum Zollvertrag prüfen.

3.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Umsetzung der Konvention führt zu keinen Mehrkosten für die Kantone und die Gemeinden. Bereits heute werden von den Kantonen im Bereich Heilmittelkriminalität Ermittlungen und Strafverfolgungen durchgeführt. Mit der Zunahme von Fälschungen kann auch der Aufwand für deren Bekämpfung bei den Kantonen steigen.

Die Konvention wird aber die Möglichkeiten bei der Ermittlung und beim internationalen Informationsaustausch optimieren und auch auf Kantonsebene eine bessere Nutzung der verfügbaren Ressourcen ermöglichen.

3.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Heilmittelfälschungen können gravierende Folgen für die Gesundheit von Patientinnen und Patienten haben und damit hohe Kosten für die Allgemeinheit verursachen.

Ausserdem besteht das Risiko, dass das Vertrauen in die legalen Vertriebskanäle verloren geht, wenn gefälschte Heilmittel in diese gelangen. Die Ratifizierung und Umsetzung der Konvention werden sich diesbezüglich positiv auf die Volkswirtschaft auswirken.

Auch muss vermieden werden, dass die Schweiz zu einer Drehscheibe für den organisierten internationalen Handel mit gefälschten Heilmitteln wird. Dank den neuen Mitteln bei der strafrechtlichen Ermittlung, der Übernahme von Verfahren 54 55

SR 0.812.101.951.4 SR 0.631.112.514

3172

BBl 2017

betreffend im Ausland begangene Straftaten oder besonders komplexe Verfahren durch die Bundesanwaltschaft sowie dem verbesserten Informationsaustausch auf internationaler Ebene kann dieser Gefahr besser begegnet werden.

Beim Anbringen von Sicherheitsmerkmalen auf den Arzneimittelverpackungen werden Pharmaunternehmen, die das System anwenden, zusätzliche Anforderungen erfüllen müssen, was die Kosten für die Herstellung der Arzneimittel erhöht. Ebenso wird auf Stufe Vertrieb und Abgabe die Überprüfung der Sicherheitsmerkmale für die betroffenen Unternehmen zumindest am Anfang mit einem gewissen Aufwand verbunden sein. Die EU ging aufgrund von Schätzungen davon aus, dass das Anbringen eines individuellen Erkennungsmerkmals den Preis einer Arzneimittelpackung um rund 0.033 Euro erhöhen könnte.56 Dazu kommen die Kosten des Datenbanksystems und der Überprüfung des individuellen Erkennungsmerkmals. Trotz Freiwilligkeit in der Schweiz könnte sich das Anbringen von Sicherheitsmerkmalen somit auf die Arzneimittelpreise auswirken. Im Gegenzug ermöglicht die Massnahme der Schweiz, einen gleichwertigen Schutz der Gesundheit vor dem Eindringen von Fälschungen in die legale Lieferkette zu gewährleisten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 201257 zur Legislaturplanung 2011­ 2015 und im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201258 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig.

56

57 58

Commission Staff Working Document, Impact Assessment accompanying the document COMMISSION DELEGATED REGULATION (EU) No .../... supplementing the Directive 2001/83/EC of the European Parliament and of the Council by laying down detailed rules for the safety features appearing on the packaging of medicinal products for human use, SWD(2015) 189 final, Brüssel, 2.10.2015; abrufbar unter www. ec.europa.eu > More about the Commission > How the Commission is organised > Departments and agencies > DG Health and Food Safety > Public health > Policies > Pharmaceuticals > Medicinal Products for Human Use > Falsified Medicines > «Background to the delegated Regulation» (Stand 17.1.2017).

BBl 2012 481, hier 561 und 613 BBl 2012 7155, hier 7160

3173

BBl 2017

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Alle vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar und lassen die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU unberührt (siehe Ziff. 1.4, 2.2 und 2.7).

5.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200259 sind unter rechtsetzenden Normen Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Die vorliegende Konvention wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit gekündigt werden (Art. 32) und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Jedoch führt der Beitritt zum Übereinkommen zu Anpassungen des HMG sowie der StPO. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

Nach Artikel 141a BV können die Verfassungs- oder Gesetzesänderungen, die der Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags dienen, der dem Referendum untersteht, in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden. Die in der Vorlage vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen dienen der Umsetzung des Übereinkommens. Der Entwurf des Umsetzungserlasses kann deshalb in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorliegenden Änderungen des HMG beinhalten Delegationsnormen. Nach Artikel 17a präzisiert der Bundesrat die Anforderungen für das Anbringen und die Überprüfung der Sicherheitsmerkmale und -vorrichtungen (Abs. 2 und 7). Er stellt auf dem Verordnungsweg die Rahmenbedingungen für die Einrichtung und den Betrieb des Datenbanksystems auf (Abs. 3­5). Er kann das Anbringen und die Überprüfung der Sicherheitsmerkmale und -vorrichtungen für obligatorisch erklären und ermöglichen, dass diese auch auf anderen Arzneimitteln angebracht werden (Abs. 8). Ausserdem sieht Artikel 18 Absatz 2 vor, dass der Bundesrat die Anforde59

SR 171.10

3174

BBl 2017

rungen für die bewilligungspflichtigen Tätigkeiten, insbesondere die analoge Anwendung der Guten Vertriebspraxis, präzisiert.

Die Rechtsetzungsdelegationen lassen sich mit dem hohen Detailierungsgrad und dem technischen Inhalt der Materie begründen. Das Ausführungsrecht kann dann rasch und flexibel an internationale Normen, an die im Ausland gemachten Erfahrungen und in Bezug auf Artikel 17a auch an die Entwicklungen betreffend Fälschungen angepasst werden.

5.5

Vereinbarkeit mit der Datenschutzgesetzgebung

Der neue Artikel 62b HMG ermächtigt die Behörden, den beteiligten Akteuren vertrauliche Daten einschliesslich besonders schützenswerter Personendaten nach Artikel 3 Buchstabe c Ziffer 4 DSG, d. h. Daten über administrative und strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen, bekanntzugeben.

Die Möglichkeit, vertrauliche Informationen zu übermitteln liegt im Ermessen der Behörde, die darauf zurückgreifen kann, aber nicht muss. Die Nutzung ist auf Fälle begrenzt, in denen es zur Aufdeckung und Bekämpfung von illegalem Handel mit Arzneimitteln notwendig scheint, das heisst, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt. Wie ebenfalls ausdrücklich erwähnt, wägt die Behörde das Interesse im Einzelfall ab. Schliesslich dürfen die Behörden nur schützenswerte Personendaten im Sinne des DSG über administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen übermitteln (Abs. 1). Persönliche Patientendaten dürfen nicht bekanntgegeben werden (Abs. 2).

Da Artikel 62b HMG die Möglichkeit der Weitergabe vertraulicher Daten wie soeben aufgezeigt begrenzt, ist er mit den Grundsätzen des Datenschutzes vereinbar.

5.6

Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen. Mit der Medicrime-Vorlage werden weder Subventionsbestimmungen noch Finanzierungsbeschlüsse beantragt. Damit unterliegt die Vorlage nicht der Ausgabenbremse.

3175

BBl 2017

3176