19.074 Botschaft zum Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register vom 27. November 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-2208

233

Übersicht Mit dem Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register werden verschiedene bestehende Bundesgesetze punktuell angepasst, um die Voraussetzungen weiter zu verbessern, damit die Schweiz sich als ein führender, innovativer und nachhaltiger Standort für Blockchain-/Distributed-Ledger-Technologie (DLT)-Unternehmen weiterentwickeln kann.

Ausgangslage Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) und die Blockchain-Technologien zählen zu den vielversprechenden Entwicklungen der Digitalisierung. Der Bundesrat will die Voraussetzungen weiter verbessern, damit die Schweiz die Chancen dieser Technologien nutzen kann. Gleichzeitig legt der Bundesrat hohen Wert darauf, auch in diesem Bereich die Integrität und die Reputation des Finanz- und Wirtschaftsstandorts Schweiz weiterhin zu gewährleisten. Der Bundesrat hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2018 einen Bericht zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologie im Finanzsektor verabschiedet.

Der Bericht zeigt konkret auf, wo nach Ansicht des Bundesrates kurzfristig ­ sowie allenfalls mittelfristig ­ ein rechtlicher Handlungsbedarf besteht. Im März 2019 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register. Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung insgesamt positiv aufgenommen.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat sieht derzeit keine Notwendigkeit, aufgrund einer spezifischen, sich noch in einer rasanten Entwicklung befindenden Technologie den Rechtsrahmen grundlegend anzupassen oder ein umfassendes, spezifisches Gesetz einzuführen. Der Schweizer Rechtsrahmen bietet heute schon viel Flexibilität und Möglichkeiten.

Gleichwohl gibt es einzelne Rechtsgebiete, in denen sich gezielte Anpassungen aufdrängen zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit, zur Beseitigung von Hürden für Anwendungen, die auf DLT oder Blockchain basieren, sowie zur Begrenzung neuer Risiken.

Um den Handel von Rechten mittels manipulationsresistenter elektronischer Register auf eine sichere rechtliche Basis zu stellen, wird eine Anpassung des Wertpapierrechts vorgeschlagen. In der Folge ist im Bucheffektenrecht die Schnittstelle zur neuen Wertpapierkategorie durch punktuelle Anpassungen zu regeln. Zudem wird
die Aussonderung kryptobasierter Vermögenswerte im Fall eines Konkurses aus der Konkursmasse gesetzlich geklärt. Die bankinsolvenzrechtlichen Bestimmungen im Bankenrecht werden mit den Anpassungen im allgemeinen Insolvenzrecht abgestimmt. Im Finanzmarktinfrastrukturrecht wird eine neue Bewilligungskategorie für DLT-Handelssysteme geschaffen. Damit soll ein angemessener und flexibler Rechtsrahmen für die aufgrund der technologischen Entwicklungen neu möglichen Formen von Finanzmarktinfrastrukturen geschaffen werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Potenzial der DLT- und der Blockchain-Technologie 1.1.2 Bericht des Bundesrates zu den rechtlichen Rahmenbedingungen 1.1.3 Grundsätze des DLT-Berichts des Bundesrats 1.1.4 Handlungsbedarf 1.1.5 Ausarbeitung des Vorentwurfs 1.1.6 Ausarbeitung des Entwurfs 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.2.1 Wertpapierrecht 1.2.1.1 Zivilrechtliches Grundkonzept 1.2.1.2 Keine umfassende Anpassung des Bucheffektengesetzes 1.2.1.3 Laufende Überprüfung der Formerfordernisse bei der Übertragung von Rechten 1.2.2 Insolvenzrecht 1.2.3 Finanzmarktrecht 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

238 238 238

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

250

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 3.1 Vorbemerkungen 3.2 Zivil- und finanzmarktrechtliche Einordnung von Token 3.2.1 Keine spezifische Regelung, aber Beobachtung durch Finanzmarktaufsichtsbehörden 3.2.2 Spezifische Regelung 3.2.3 Verbot von spezifischen Dienstleistungen 3.3 Insolvenzrechtliche Behandlung von Token 3.3.1 Liechtenstein 3.3.2 Luxemburg 3.3.3 England und Wales 3.3.4 USA

252 252 252

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Änderungen des Obligationenrechts 4.1.1.1 Vorgeschlagene Änderung des allgemeinen Wertpapierrechts 4.1.1.2 Vorgeschlagene Änderung des Aktienrechts

258 258 258

4

238 239 240 241 242 242 242 242 244 244 245 248 250

253 254 255 255 256 256 257 257

258 261

235

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4.1.1.3

4.2 5

236

Vorgeschlagene Änderung der Vorschriften über Warenpapiere 4.1.1.4 Keine Auswirkungen auf finanzmarktrechtliche Qualifikation 4.1.2 Änderungen des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs 4.1.2.1 Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte 4.1.2.2 Zugang zu Daten 4.1.2.3 Anpassung der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter 4.1.3 Änderungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht 4.1.4 Änderungen des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 2003 4.1.5 Änderungen des Bankengesetzes vom 8. November 1934 4.1.6 Änderungen des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 2018 4.1.7 Änderungen des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 2018 4.1.8 Änderungen des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 1997 4.1.8.1 Änderungen auf Gesetzesstufe 4.1.8.2 Vorgesehene Änderungen auf Verordnungsstufe 4.1.9 Änderungen des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008 4.1.10 Änderungen des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015 Umsetzungsfragen und Übergangsrecht

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Obligationenrecht 5.1.1 Aktienrecht 5.1.2 Allgemeines Wertpapierrecht 5.1.3 Warenpapiere 5.2 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs 5.3 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht 5.4 Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 2003 5.5 Bankengesetz vom 8. November 1934 5.6 Finanzdienstleistungsgesetz vom 15. Juni 2018 5.7 Finanzinstitutsgesetz vom 15. Juni 2018 5.8 Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997

262 262 263 263 266 267 267 268 268 269 269 270 270 270 271 272 273 274 274 274 275 291 291 297 301 301 304 305 306

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6

7

5.9 Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008 5.10 Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 2015

308 309

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.1 Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz 6.2 Auswirkungen auf die betroffenen Gruppen 6.2.1 Anbieter von Finanzmarktinfrastrukturen 6.2.2 Anlegerinnen und Anleger 6.3 Auswirkungen auf den Bund, Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.4 Zweckmässigkeit im Vollzug

317 317 318 318 319

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

321 321 321 321 322

320 321

Abkürzungsverzeichnis

323

Literaturverzeichnis

325

Materialienverzeichnis

328

Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (Entwurf)

329

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Potenzial der DLT- und der Blockchain-Technologie

Die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber der Innovation, des laufenden Strukturwandels und längerfristig der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Volkswirtschaft.

Zu den bemerkenswerten und vielversprechenden Entwicklungen der Digitalisierung zählt auch die zunehmende Anwendung der Technik verteilter elektronischer Register (sogenannte Distributed Ledger Technology, DLT) und der BlockchainTechnologie.

Die DLT- und Blockchain-Technologien ermöglichen eine gemeinschaftliche Buchführung mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich gegenseitig nicht vertrauen, sich nicht kennen und nicht wissen, wie viele andere Teilnehmende im System sind.

Die abstrakte Funktionalität einer gemeinsamen Datenverwaltung ist potenziell in vielen Bereichen von grossem Nutzen, und viele Problemstellungen werden mit einer Blockchain und mit Konsensmechanismen zu lösen versucht.

Der Begriff der Distributed Ledger Technology (DLT) umfasst die Vielfalt solcher auf verteilten Registern bestehender Systeme. Die Blockchain ist dabei eine mögliche Form, wie die Daten in einem solchen System abgelegt werden können.

Der Entwicklung dieser Technologien wird sowohl im Finanzsektor als auch in andern Wirtschaftssektoren ein erhebliches, wenn auch nicht abschliessend abschätzbares Innovations- und Effizienzsteigerungspotenzial vorausgesagt. In der Schweiz hat sich in den letzten Jahren namentlich im Finanzbereich bereits ein ausgeprägtes Ökosystem mit innovativen Fintech- und Blockchain-Unternehmen entwickelt.

1.1.2

Bericht des Bundesrates zu den rechtlichen Rahmenbedingungen

Der Bundesrat hat vor diesem Hintergrund an seiner Sitzung vom 7. Dezember 2018 einen Bericht zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Blockchain und Distributed-Ledger-Technologie (DLT) im Finanzsektor verabschiedet (DLT-Bericht).1 Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen beinhaltet der DLT-Bericht u. a. auch eine Auseinandersetzung mit der Technologie und eine Diskussion der damit zusammenhängenden Risiken.

1

238

Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat will Rahmenbedingungen für Blockchain/DLT weiter verbessern (Medienmitteilung vom 14.12.2018 [Stand 21.08.2019]).

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Der Bundesrat will die Voraussetzungen weiter verbessern, damit die Schweiz die Chancen der Digitalisierung effektiv nutzen kann. Auf DLT und Blockchain bezogen gilt es nach Ansicht des Bundesrates, bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich die Schweiz als ein führender, innovativer und nachhaltiger Standort für Fintech- und Blockchain-Unternehmen etablieren und weiterentwickeln kann. Gleichzeitig legt der Bundesrat hohen Wert darauf, auch in diesem Bereich die Integrität und die gute Reputation des Finanz- und Wirtschaftsstandorts Schweiz weiterhin zu gewährleisten. Die mit der Verbreitung neuer Technologien verbundenen Risiken sind daher proaktiv anzugehen und Missbräuche konsequent zu bekämpfen.

Der DLT-Bericht beruht auf den Analysen der Arbeitsgruppe «Blockchain / ICO».

Die aus Mitgliedern von Bundesbehörden zusammengesetzte Arbeitsgruppe2 hat im Rahmen ihrer Analysen einen vielfältigen Austausch mit dem Privatsektor geführt.

So führte sie im September 2018 auf der Basis eines Konsultationspapiers 3 eine informelle Konsultation der Fintech- und Finanzbranche zu diversen Fragestellungen durch. Zusätzlich führten Mitglieder der Arbeitsgruppe zahlreiche Gespräche mit einzelnen Vertreterinnen und Vertretern aus der Fintech- und Finanzbranche, von Anwaltskanzleien und Verbänden.

1.1.3

Grundsätze des DLT-Berichts des Bundesrats

Der Bundesrat legte die folgenden Grundsätze dem DLT-Bericht zugrunde: I.

Die Politik soll für optimale, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sorgen, während die Präferenzen des Marktes und der Gesellschaft entscheiden sollen, welche Technologien sich durchsetzen werden.

II.

Die Schweiz soll ihren bewährten und ausgewogenen Rechtsrahmen nicht grundsätzlich in Frage stellen, aber bei Bedarf rasch gezielte Anpassungen vornehmen, wo es im Hinblick auf DLT-/Blockchain-Anwendungen Lücken oder Hindernisse gibt.

III. Die Schweiz soll weiterhin einen prinzipienbasierten und technologieneutralen Rechtsetzungs- und Regulierungsansatz verfolgen, jedoch bei Bedarf auch Ausnahmen zulassen; dabei sind die Regeln möglichst wettbewerbsneutral zu gestalten.

IV. Die Schweiz soll sich gegenüber DLT-/Blockchain-Unternehmen mittels Rechtssicherheit, effizienter Regulierung und guter Reputation als attraktiver Standort positionieren; dabei wird die Nutzung innovativer Technologien für betrügerisches oder missbräuchliches Verhalten oder zur Umgehung des regulatorischen Rahmens nicht toleriert.

2 3

Mit Vertreterinnen und Vertretern aus SIF, BJ, FINMA, SNB, fedpol, EZV und SECO.

Vgl. das Konsultationsdokument, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Arbeitsgruppe Blockchain/ICO konsultiert Branche zu ihren Arbeiten (Medienmitteilung vom 31.08.2018 [Stand: 30.01.2019]).

239

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V. Die Schweizer Behörden sollen sich gegenüber neuen Technologien und Innovation wie Blockchain und DLT offen positionieren und einen regelmässigen Dialog mit der Branche pflegen.

1.1.4

Handlungsbedarf

Der DLT-Bericht des Bundesrates zeigt konkret auf, wo nach Ansicht des Bundesrates kurzfristig ­ sowie allenfalls mittelfristig ­ ein rechtlicher Handlungsbedarf besteht. Dieser Handlungsbedarf wurde in der Vernehmlassung grundsätzlich bestätigt. Zusätzlich zum bereits identifizierten Handlungsbedarf zeigte die Vernehmlassung punktuellen Handlungsbedarf auch im Bucheffektengesetz4. Die Vorlage wurde dahingehend ergänzt.

Der Bundesrat sieht derzeit keine Notwendigkeit, aufgrund einer spezifischen, sich noch in einer rasanten Entwicklung befindenden Technologie den Schweizer Rechtsrahmen grundlegend anzupassen oder ein umfassendes, spezifisches Gesetz einzuführen. Ein solcher Ansatz könnte zudem Risiken beinhalten, etwa bezüglich unklarer Nebenwirkungen oder eines im Vergleich zur Entwicklung der Technologie langsameren Schweizer Gesetzgebungsprozesses. Vor allem aber bietet der Schweizer Rechtsrahmen heute schon viel Flexibilität und zahlreiche Möglichkeiten.

Gleichwohl gibt es einzelne Rechtsgebiete, in denen sich gezielte Anpassungen aufdrängen zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit, zur Beseitigung von Hürden für Anwendungen, die auf DLT oder Blockchain basieren, sowie zur Begrenzung neuer Risiken.

Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Vorlage als Mantelerlass ausgestaltet, mit dem gezielte Anpassungen in bestehenden Bundesgesetzen umgesetzt werden sollen. Die Vorlage verfolgt das Ziel: ­

im Zivilrecht die Rechtssicherheit bei der Übertragung von Rechten mittels manipulationsresistenter elektronischer Register zu erhöhen und die Schnittstellen zum Bucheffektenrecht zu klären,

­

im Insolvenzrecht die Aussonderung im Konkurs von kryptobasierten Vermögenswerten weiter zu klären sowie den Zugang zu nicht vermögenswerten Daten zu ermöglichen,

­

im Finanzmarktrecht ein neues und flexibles Bewilligungsgefäss für blockchainbasierte Finanzmarktinfrastrukturen bereitzustellen, und

­

im Bankenrecht die bankinsolvenzrechtlichen Bestimmungen mit den Anpassungen im allgemeinen Insolvenzrecht abzustimmen.

Diese Vorlage behandelt nicht die Schaffung von digitalem Zentralbankgeld bzw.

eines E-Frankens für das Publikum. Unabhängig davon steht es der Schweizerischen Nationalbank aber frei, Forderungen, die künftig als «Registerwertrecht» im Sinne des Entwurfs abbildbar sind, ebenfalls als solche abzubilden. Die Thematik digitales Zentralbankgeld ­ inkl. die Darstellung eines allfälligen Handlungsbedarfs in diesem 4

240

SR 957.1

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Bereich ­ werden separat im Bericht des Bundesrats in Beantwortung des Postulats Wermuth (18.3159) behandelt.5 Ebenfalls nicht Teil der Vorlage sind steuerrechtliche Aspekte.6

1.1.5

Ausarbeitung des Vorentwurfs

Die Verwaltung hat bei der Ausarbeitung des Vorentwurfs zur Anpassung des Bundesrechts die folgenden anerkannten Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis konsultiert und im Rahmen von je zwei Gesprächsrunden angehört.

Zur Änderung des Wertpapierrechts (in alphabetischer Reihenfolge): ­

Mirjam Eggen, Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria an der Universität Bern

­

Martin Hess, Dr. iur., Rechtsanwalt, Partner bei Wenger & Vieli AG

­

Stefan Kramer, Dr. iur, LL.M., Rechtsanwalt, Partner bei Homburger AG

­

Hans Kuhn, Dr. iur, LL.M., Rechtsanwalt in Zürich und Lehrbeauftragter an der Universität Luzern

­

Cornelia Stengel, Dr. iur., Rechtsanwältin, Partnerin bei Kellerhals Carrard

­

Hans Caspar von der Crone, Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwalt, Ordinarius an der Universität Zürich und Partner bei von der Crone Rechtsanwälte AG

­

Rolf H. Weber, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Emeritus an der Universität Zürich und Konsulent bei Bratschi AG

­

Corinne Zellweger-Gutknecht, Prof. Dr. iur., Rechtsanwältin, Professorin an der FH Kalaidos Law School und Privatdozentin an der Universität Zürich

­

Dieter Zobl, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Notar, Emeritus an der Universität Zürich und Konsulent bei Homburger AG

Als technischer Experte wurde Christan Decker, Dr. sc. ETH Zürich, Forscher bei Blockstream beigezogen.

Zur Änderung des Finanzmarktinfrastrukturrechts (in alphabetischer Reihenfolge):

5 6

­

Mirjam Eggen, Prof. Dr. iur., LL.M., Rechtsanwältin, Ordinaria an der Universität Bern

­

Martin Hess, Dr. iur., Rechtsanwalt, Partner bei Wenger & Vieli AG

­

Stefan Kramer, Dr. iur, LL.M., Rechtsanwalt, Partner bei Homburger AG

Der Bericht in Erfüllung des Postulats Wermuth (18.3159) wird nach Verabschiedung dieser Botschaft publiziert.

Vgl. hierzu die Publikationen der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV), namentlich das Arbeitspapier vom 27. August 2019 zu Kryptowährungen und Initial Coin/Token Offerings (ICOs/ITOs), abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Dir. Bundessteuer, Quellensteuer, Wehrpflichtersatrz, Direkte Bundessteuer, Fachinformationen > Kryptowährungen (Stand: 18.10.2019).

241

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­

Reto Künzi, Rechtsanwalt, Leiter Legal Securities & Exchanges bei SIX Group

­

Luzius Meisser, Informatiker/Ökonom, Meisser Economics AG

1.1.6

Ausarbeitung des Entwurfs

Nach Ausarbeitung des Vorentwurfs hat die Verwaltung erneut drei Gesprächsrunden mit Expertinnen und Experten durchgeführt, um den zentralen Aspekt der Mindestanforderungen an ein Wertrechteregister zu vertiefen. Folgende Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis wurden dabei angehört (in alphabetischer Reihenfolge): ­

Volkmar Beck, Dipl. Inf., Head Technologie Banking bei Swisscom

­

Christian Cachin; Prof. Dr., Leiter der Forschungsgruppe für Kryptografie und Datensicherheit an der Universität Bern

­

Christan Decker, Dr. sc. ETH, Forscher bei Blockstream

­

Martin Hess, Dr. iur., Rechtsanwalt, Partner bei Wenger & Vieli AG

­

Hans Kuhn, Dr. iur, LL.M., Rechtsanwalt in Zürich und Lehrbeauftragter an der Universität Luzern

­

Luzius Meisser, Informatiker/Ökonom, Meisser Economics AG

­

Sven Roth, B.A. HSG, Chief Digital Officer bei SIX Digital Exchange

­

Cornelia Stengel, Dr. iur., Rechtsanwältin, Partnerin bei Kellerhals Carrard

Zum Insolvenzrecht wurde Corinne Zellweger-Gutknecht, Prof. Dr. iur., Rechtsanwältin, Professorin an der FH Kalaidos Law School und Privatdozentin an der Universität Zürich beigezogen.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1

Wertpapierrecht

1.2.1.1

Zivilrechtliches Grundkonzept

In einem auf der DLT basierenden Register abgelegte Informationseinheiten werden in der Praxis als Token bezeichnet.7 Aus zivilrechtlicher Sicht können zwei Arten von Token unterschieden werden: Zunächst gibt es Token, die in erster Linie einen Wert innerhalb des Blockchain-Kontexts darstellen, z.B. Kryptowährungen wie Bitcoin. Diese sogenannten Zahlungs-Token8 stellen nach der wohl herrschenden Ansicht rein faktische, immaterielle Vermögenswerte dar. Das Zivilrecht stellt für ihre Übertragung keine Anforderungen ­ und entsprechend keine Hindernisse ­ auf.

In Bezug auf die Übertragung von Kryptowährungen besteht deshalb kein Anpas7 8

242

DLT-Bericht: 20.

DLT-Bericht: 49.

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sungsbedarf im Zivilrecht. Die zweite Kategorie von Token sind Token, die eine Rechtsposition (Forderung, Mitgliedschaft) abbilden und repräsentieren sollen.

Diese Token sollen nach dem Willen der Benutzerinnen und Benutzer eine ähnliche Funktion erfüllen, wie dies heute und traditionellerweise die Wertpapiere tun. Da ein Eintrag in einem den interessierten Kreisen zugänglichen Register ähnlich wie der Besitz eines Wertpapiers Publizität zu schaffen vermag, scheint es gerechtfertigt, diesem Eintrag ähnliche Rechtswirkungen zuzuerkennen. Der Bundesrat schlägt zur Erhöhung der Rechtssicherheit eine Anpassung des Wertpapierrechts vor. Dabei sollen die bewährten Grundsätze des Wertpapierrechts so weit wie möglich beibehalten werden. Eine digitale Abbildung und Übertragung kommt somit nur für diejenigen Rechte in Frage, welche auch in einem Wertpapier verbrieft werden könnten und einer freien Übertragbarkeit zugänglich sind. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung soll den Übergang von Rechten durch Buchungen in manipulationsresistenten elektronischen Registern rechtssicher ermöglichen.

Der Bundesrat schlägt dabei eine genuin zivilrechtliche Lösung vor, die den Parteien ein Instrumentarium in die Hand gibt, um ihre Rechte abzubilden und zu übertragen, die technischen Einzelheiten aber der vertraglichen Vereinbarung der Parteien (und damit der Privatautonomie) überlässt. Dieses zivilrechtliche Grundkonzept wird von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt. Es soll verhindert werden, dass die technologische Entwicklung in eine bestimmte, staatlich vorgegebene Richtung gesteuert wird und mögliche künftige Innovationen behindert werden. Im Obligationenrecht sollen deshalb lediglich die Ziele definiert werden, welche ein Register erreichen muss, um eine traditionelle Urkunde als wertpapierrechtlichen Informationsträger zu ersetzen. Die technische Umsetzung dieser Vorgaben wird dagegen der Praxis überlassen.

Dieses Vorgehen steht im Einklang mit der Grundkonzeption des Wertpapierrechts, das heute ebenfalls keine speziellen Anforderungen an die Ausgestaltung von Urkunden kennt. Auch gibt es heute keine Instanz, welche die eigentliche Verbriefung von Rechten überwacht; reglementiert ist erst der Handel mit zum massenweisen Handel geeigneten Papieren.9 Getreu dem gewählten zivilrechtlichen
Lösungsansatz wird deshalb keine staatliche Zertifizierungs- oder Aufsichtsstelle vorgesehen, welche vorgängig prüft, ob die im Obligationenrecht definierten Mindestvorgaben an ein Wertrechteregister eingehalten werden. Vielmehr soll auch diese Aufgabe primär von den Parteien übernommen oder mittels Vereinbarung an Dritte übertragen werden.

Das Zivilrecht hat sowohl eine ermöglichende als auch eine ausgleichende Funktion.

Die Parteien sollen ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem sie ihre Rechtsbeziehungen nach ihren Wünschen regeln können; sie sollen dafür aber auch bewusst die in ihrem Einflussbereich bestehenden Risiken tragen. Der Bundesrat geht davon aus, dass sich eine (von den Parteien veranlasste) vorgängige Überprüfung von Wertrechteregistern (oder einzelnen Registerwertrechten) durch eine unabhängige Stelle ­ ein sog. Token Audit ­ als Standard durchsetzen wird, um den Parteien zu erlauben, ihre Risiken zu verwalten. Wenn eine grosse Zahl von

9

Vgl. DLT-Bericht: 98 ff.

243

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Anlegerinnen und Anlegern betroffen sind, greifen zusätzlich die Schutzmechanismen des Finanzmarktrechts.

1.2.1.2

Keine umfassende Anpassung des Bucheffektengesetzes

Der Bundesrat gibt dieser zivilrechtlichen Lösung den Vorzug gegenüber einer ­ im Vernehmlassungsverfahren teilweise verlangten ­ umfassenden Anpassung des Bucheffektengesetzes (BEG). Das BEG ist von seiner Konzeption her auf beaufsichtigte und vertrauenswürdige Finanzintermediäre als zentrale Akteure zugeschnitten.

Es regelt die Verbuchung von Rechten durch eine abschliessende Liste von Verwahrungsstellen und fokussiert sich auf die Beziehung zwischen diesen Verwahrungsstellen und den Anlegerinnen und Anlegern. Die Beziehung zwischen den Emittenten und den Anlegerinnen und Anlegern, welche im Kern der Verbriefung von Rechten steht, bleibt durch das BEG dagegen unberührt (Art. 13 Abs. 1 BEG). Die DLT zeichnet sich nun aber gerade dadurch aus, dass oftmals keine vertrauenswürdige zentrale Instanz vorhanden ist, die Buchungen vornimmt. Die Register erlauben einerseits durch technische Verfahren eine manipulationsresistente Abbildung von Rechten (Integrität), und andererseits erlauben sie es den Parteien auch, über ihre Rechtspositionen direkt und ohne Zwischenschaltung einer vertrauenswürdigen zentralen Instanz zu verfügen. Ein gesetzgeberischer Ansatz, der an die beaufsichtigten Verwahrungsstellen des BEG anknüpft, wäre auch deshalb unangemessen, da die Anwendungsmöglichkeiten der DLT über den Finanzmarktbereich hinausgehen und beispielsweise auch Ticketing-Systeme, Parkplatzvermietungen oder die Verwaltung von Lizenzen umfassen. Der Bundesrat hält deshalb die Einordnung von Registereinträgen bzw. Token als wertpapierähnliche Instrumente und die entsprechende Anpassung des Obligationenrechts für die passendste Lösung und wird darin auch von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt. Gemäss einem im Vernehmlassungsverfahren vielfach geäusserten Wunsch wird jedoch die Schnittstelle zwischen der neuen Wertpapierkategorie und dem BEG im Entwurf ausdrücklich geregelt, was zu punktuellen Anpassungen des BEG führt.

1.2.1.3

Laufende Überprüfung der Formerfordernisse bei der Übertragung von Rechten

Die vorliegende Gesetzesrevision erfolgt vor dem Hintergrund der Entwicklungen der DLT, welche besondere Eigenheiten aufweist. Durch eine gemeinsame (dezentrale) Datenverwaltung durch zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird eine transparente und die Datenintegrität sicherstellende Abbildung von Rechten und Transaktionen ermöglicht.10 Die Distributed Ledger-Technologie scheint damit den Grundsätzen des Wertpapierrechts besonders zugänglich; gleichzeitig ist in diesem Bereich auch ein hoher Bedarf an Rechtssicherheit vorhanden.11 Es ist dem Bundes10 11

244

DLT-Bericht: 18 ff.

DLT-Bericht: 67 f.

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rat deshalb ein Anliegen, für diese Anwendungen rasch eine passende gesetzliche Lösung einzuführen. Dem Grundsatz der Technologieneutralität wird dabei so weit wie möglich nachgelebt, indem im Gesetzesentwurf nicht die Technologie an und für sich, sondern deren Eigenheiten, welche eine wertpapierrechtliche Behandlung rechtfertigen, aufgenommen werden. Es ist jedoch vorstellbar, dass in Zukunft eine Abbildung und Übertragung von Rechten auch mit gänzlich anderen Lösungen ­ beispielsweise unabhängig von einem Register ­ wünschenswert scheint. Eine allfällige Ratifikation der sogenannten Rotterdam-Regeln,12 welche von der Schweiz unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert wurden,13 würde zudem zu einer über DLT-Register hinausgehende Digitalisierung von Warenpapieren führen. Die Einführung von digitalen Wertpapieren allgemein und die Abschaffung des Schriftformerfordernisses bei der Übertragung von Wertrechten waren denn auch zwei im Vernehmlassungsverfahren häufig genannte Anliegen. Diese Lösungen hätten jedoch eine grosse, über heute bekannte Anwendungen weit hinausgehende Tragweite und bedürfen vertiefter Abklärungen. Der Bundesrat ist gewillt, diese Abklärungen vorzunehmen. Er wird deshalb eine Modernisierung des Wertpapierrechts im Hinblick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung in einem breiteren Kontext prüfen und bei allfälligem Handlungsbedarf zu einem späteren Zeitpunkt weitere Gesetzesänderungen vorschlagen. Diese Überprüfung wird auch das Schriftformerfordernis bei der Abtretung von Rechten (Zession; Art. 165 Abs. 1 OR) und damit Formerfordernisse bei der Übertragung von Rechten allgemein umfassen.

1.2.2

Insolvenzrecht

Der Bundesrat hat im DLT-Bericht weiter festgestellt, dass nicht abschliessend geklärt ist, ob nach geltendem Recht eine Aussonderung von kryptobasierten Vermögenswerten in einem Konkurs möglich ist. Gleichzeitig hat er festgehalten, dass ein grosses praktisches Bedürfnis nach einer Aussonderung besteht und dass es sachlich gerechtfertigt erscheint, einen Aussonderungsanspruch für kryptobasierte Vermögenswerte gesetzlich zu regeln. Dazu soll eine neue Bestimmung ins SchKG eingeführt werden, die unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte schafft. In der Vernehmlassung wurde fast einstimmig verlangt, dass die Aussonderungsmöglichkeit für «kryptobasierte Vermögenswerte» allgemein vorgesehen werden solle, um mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Token-Kategorien zu vermeiden. Auch wurde fast ausnahmslos kritisiert, dass im Vorentwurf die jederzeitige individuelle Zuordenbarkeit im Register als Voraussetzung für die Aussonderung vorgesehen war. Dieses Kriterium würde sinnvolle und sichere Verwahrungslösungen auf Sammelkonten verhindern; es wurde oft als möglicher Standortnachteil genannt. Aufgrund der kritischen und inhaltlich überzeugenden Rückmeldungen in der Vernehm-

12 13

Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. Dezember 2008 über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf See.

Vgl. dazu Anfrage de Courten 14.1004 vom 17. März 2014 (Ratifizierung der Rotterdam Rules) und zum Status: www.uncitral.org > Texts and Status > International Transport of Goods.

245

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lassung wird nun davon abgesehen, für die Herausgabe der Vermögenswerte die jederzeitige individuelle Zuordnung im Register zu verlangen.

Anlässlich der Ausarbeitung der Vorlage äusserte die FINMA Bedenken gegen die nun vorgeschlagene Regelung. Gemäss der FINMA stelle die Entgegennahme von Publikumseinlagen, die anschliessende Verwahrung der Spargelder sowie die damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr nicht nur Grundpfeiler der Finanzierung von schweizerischen Banken dar, sondern seien fundamentale Bestandteile des gesamten schweizerischen Finanzsystems. Heute würden diese Geschäftsfelder hauptsächlich durch Banken und basierend auf staatlichen Währungen abgedeckt. Es sei jedoch wahrscheinlich, dass inskünftig ökonomisch und funktional gleichwertige Dienstleistungen auch mittels Kryptowährungen angeboten würden. Technologiespezifische Ungleichbehandlungen in der übergeordneten Regulierung seien vor diesem Hintergrund besonders kritisch zu hinterfragen. Die vorliegend vorgeschlagene rechtliche Ungleichbehandlung zwischen staatlichen Währungen und Kryptowährungen könne unerwünschte und bedeutende Auswirkungen auf das Finanz- und damit das Wirtschaftssystem zeitigen. Es sei zentral, dass das im Finanzmarktrecht generell geltende und unbestrittene Prinzip der Technologieneutralität eingehalten würde. Die FINMA lehne die vorgeschlagene Stossrichtung deshalb dezidiert ab. Dies aus folgenden Gründen: ­

246

Die Diskussion rund um die konkursrechtliche Aus- und die bankenrechtliche Absonderbarkeit von Kryptowährungen bewege sich an der Schnittstelle von konkursrechtlichen Ansprüchen (verankert im SchKG), der prudenziellen (Nicht-)Unterstellung von Tätigkeiten unter das BankG und Auswirkungen auf bereits beaufsichtigte Unternehmen (allen voran in Form von Eigenmittelanforderungen für Banken). Die Frage der Aussonderbar-keit von Vermögenswerten im Konkurs bestimme dabei massgeblich, wer finanzmarktrechtlich von der FINMA zu bewilligen und zu beaufsichtigen sei und welche prudenziellen Anforderungen an einen Bewilligungsträger zu stellen seien: Wo ein Vermögenswert aus der Konkursmasse ausgesondert werden könne, liege keine Publikumseinlage und damit keine Bewilligungspflicht nach dem Bankengesetz und keine Beaufsichtigung durch die FINMA vor.

Die Aussonderbarkeit von Kryptowährungen im Konkurs habe damit eine starke sachlogische Wechselwirkung mit der bankenrechtlichen Bewilligungspflicht. Im Gegensatz zu Buchgeld könnten Kryptowährungen neu unter signifikant erleichterten Bedingungen entgegengenommen werden.

Bestehende und neue Risiken für Kundinnen und Kunden und das Finanzsystem als Ganzes könnten nach Ansicht der FINMA somit nicht mehr ohne Weiteres adressiert werden. Die Ungleichbehandlung von Kryptowährungen und staatlichen Währungen verkenne das Potential, dass kryptobasierte Vermögenswerte künftig womöglich kein Nischen-Phänomen darstellen und diese möglicherweise eine grössere volkswirtschaftliche Bedeutung erlangen würden als heute. Vor dem Hintergrund der Ziele der Finanzmarktregulierung, d.h. des System- und Kundenschutzes, rechtfertige es sich deshalb nach Ansicht der FINMA nicht, Kryptowährungen gegenüber staatlichen Währungen fundamental besserzustellen und damit einhergehende Risiken für das Finanzsystem und die Kunden einzugehen.

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­

Die FINMA würde sich stattdessen für eine Beibehaltung des ursprünglichen, ausgewogenen Vorschlages der Vernehmlassungsvorlage aussprechen: So sollen ausschliesslich Kryptowährungen, die dem Kunden individuell auf der Blockchain zugeordnet werden können, nach künftigem Recht im Konkurs aussonderbar sein. Dies sei gerechtfertigt aufgrund der mit der speziell durch die Blockchain-Technologie geschaffenen, eindeutigen Zuordenbarkeit und Unveränderbarkeit solcher Buchungen. Würden Kryptowährungen hingegen auf Wallets der Finanzdienstleister gesammelt und vermischt und anschliessend lediglich durch die institutsinterne Buchhaltung und damit ausserhalb einer Blockchain zugeordnet (wie dies heute für Buchgeld bei Banken immer der Fall ist), entfalle dieser technologische Vorteil. Konsequenterweise müssten Kryptowährungen in solchen Fällen rechtlich gleich erfasst werden wie staatliche Währungen. Abgesehen vom Grundsatzthema der Gleichbehandlung mit staatlichen Währungen werde hier auf die im Entwurf vorgesehene problematische Regelung hingewiesen, dass die FINMA im Einzelfall einen Höchstbetrag für kryptobasierte Vermögenswerte festlegen solle, die ein Institut entgegennehmen darf. Ein solcher Höchstbetrag würde die Wirtschaftsfreiheit des Instituts erheblich beschränken und müsse daher aus rechtsstaatlicher Sicht und aus Gründen der Rechtssicherheit in einem Erlass auf gesetzlicher Stufe und nicht durch Behördenentscheid im Einzelfall festgelegt werden.

Diese Argumentation vermag nach Ansicht des Bundesrates jedoch nicht zu überzeugen. Generell dient eine klare Aussonderung von kryptobasierten Vermögenswerten in einer Insolvenz des Verwahrers dem Schutz der Kunden, insbesondere in Kombination mit der Sicherstellung einer finanzmarktrechtlichen Aufsicht des Verwahrers durch die FINMA. Aus der Sicht des Kundenschutzes spielt es letztlich keine Rolle, ob die Vermögenswerte auf einem individuellen oder auf einem Sammelkonto aufbewahrt werden. Entscheidend ist vielmehr die für alle Aufbewahrungsformen geltende Pflicht, die geschuldete Anzahl Einheiten des Vermögenswerts für die Kundin oder den Kunden ständig verfügbar zu halten. Mit einer Aufbewahrung der Token auf einer Sammeladresse kann die Sicherheit für die Kundinnen und Kunden unter Umständen sogar erhöht werden, weil dann nicht sämtliche Token aller Kundinnen und Kunden einem ständigen Zugriff unterliegen müssen, sondern ein Teil der Token, auf die nicht oder nur selten zugegriffen werden muss, unter qualifizierten Zugriffsberechtigungen und damit sicherer aufbewahrt werden können. Unter dem Aspekt der technischen Sicherheit sollte diese Form der Aufbewahrung damit zugelassen werden. Sodann ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Frage der finanzmarktrechtlichen Unterstellungspflicht grundsätzlich im Finanzmarktrecht und nicht im Zivilrecht zu lösen ist. Dementsprechend sieht der Vorschlag vor, dass die Entgegennahme von bestimmten kryptobasierten Vermögenswerten künftig einer Bewilligungspflicht nach Bankengesetz unterstellt wird und zudem die FINMA die von einer Bank oder einer Person nach Artikel 1b BankG gehaltenen kryptobasierten Vermögenswerte ­ zur Begrenzung von Risiken ­ in der Höhe beschränken kann (s. hierzu Ziff. 4.1.5 und Ziff. 5.5).

Der Bundesrat hat in seinem Bericht ausserdem in Aussicht gestellt, eine rechtliche Grundlage zu schaffen, die es ermöglicht, einen Zugang zu Daten zu schaffen, über welche die Konkursmasse die Herrschaft hat und zu denen eine Person eine beson247

BBl 2020

dere persönliche Berechtigung nachweisen kann. Auch diesem Anliegen soll mit dem vorliegenden Entwurf Rechnung getragen werden.

1.2.3

Finanzmarktrecht

DLT-basierte Anwendungen können zahlreiche Berührungspunkte zum Finanzmarktrecht aufweisen, konkret zum Bankenrecht, Finanzmarktinfrastrukturrecht, Kollektivanlagenrecht, Versicherungsrecht sowie zum künftigen Finanzdienstleistungsgesetz14 und Finanzinstitutsgesetz15. Die Zielsetzungen des Finanzmarktrechts ­ wie der Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte und der Schutz der Kundinnen und Kunden ­ sind für Aktivitäten von DLT-Unternehmen im Finanzsektor gleichermassen relevant wie für alle andern Finanzakteurinnen und -akteure.

Der Bundesrat sieht derzeit keine grundsätzlichen Probleme im Finanzmarktrecht, die DLT-basierte Anwendungen spezifisch betreffen und grundlegende Anpassungen erforderlich machen würden. Das Finanzmarktrecht ist in der Schweiz grundsätzlich technologieneutral und damit in der Lage, mit neuen Technologien umzugehen.

In einzelnen Bereichen erscheinen jedoch gezielte Anpassungen sinnvoll. Insbesondere wird mit dieser Gesetzesvorlage im Finanzmarktinfrastrukturrecht eine neue Bewilligungskategorie für Infrastrukturanbieter im DLT-Bereich vorgeschlagen mit dem Ziel, mehr Flexibilität zu schaffen, um den Anforderungen von DLTAnwendungen besser gerecht zu werden. Ergänzend soll über eine Anpassung des künftigen Finanzinstitutsgesetzes eine komplementäre Flexibilisierung für Wertpapierhäuser (heute: Effektenhändler) erreicht werden. Zudem wird ­ im Lichte der oben erwähnten vorgeschlagenen Anpassung im Bundesgesetz vom 11. April 1889 16 über Schuldbetreibung und Konkurs ­ eine entsprechende Anpassung bankinsolvenzrechtlicher Bestimmungen (namentlich im Bereich der Absonderung von Depotwerten) unterbreitet und in diesem Zusammenhang der Anwendungsbereich der Bestimmungen nach Artikel 1b BankG angepasst.

Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung wurden die Einführung eines regulierungsfreien Bereichs im Finanzmarktinfrastrukturrecht und eine weitergehende Flexibilisierung der Anforderungen an das vorgeschlagene DLT-Handelssystem erneut geprüft.

Die Einführung eines regulierungsfreien Bereichs im Finanzmarktinfrastrukturrecht wurde bereits im DLT-Bericht geprüft und verworfen.17 Der Bundesrat betonte im DLT-Bericht, dass die Attraktivität der Schweiz für Blockchain- bzw. DLT-Projekte davon abhänge, dass solchen Projekten zielgerichtete und angemessene finanzmarktregulatorische
Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt würden. Entsprechend sei es zweckmässiger, die für Blockchain-/DLT-Anwendungen spezifischen Herausforderungen im Finanzmarktinfrastrukturrecht zielgerichtet durch spezifische Anpassungen (anstelle eines regulierungsfreien Bereichs) zu adressieren. An dieser 14 15 16 17

248

BBl 2018 3615 AS 2018 5247 SR 281.1 Vgl. DLT-Bericht: 113 f.

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Auffassung wird mit Blick auf das Finanzmarktinfrastrukturrecht festgehalten. Die Schweiz soll sich nach Ansicht des Bundesrates mittels Rechtssicherheit, effizienter Regulierung und guter Reputation als attraktiver Standort positionieren. Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sind nicht mit einem regelfreien Umfeld zu verwechseln. Vielmehr geht gerade auch die Rechtssicherheit einher mit der konsequenten Anwendung einschlägiger Regeln. Will sich eine Technologie im Markt nachhaltig und erfolgreich durchsetzen, muss sie längerfristig unter vergleichbaren Regeln und im Wettbewerb mit existierenden Lösungsansätzen einen Mehrwert schaffen. Um dem in der Vernehmlassung geäusserten Anliegen gleichwohl noch etwas weiter entgegen zu kommen, wurde im Entwurf klargestellt, dass ausschliesslich der gewerbsmässige Betrieb eines DLT-Handelssystems eine Bewilligung erfordert (weiterführend, vgl. Ziff. 4.1.10 unten).

Im Nachgang zur Vernehmlassung wurde auch eine weitergehende Flexibilisierung der regulatorischen Anforderungen an DLT-Handelssysteme geprüft. Der Entwurf sieht ­ wie bereits der Vorentwurf ­ regulatorische Erleichterungen vor. Darüber hinausgehende Erleichterungen würden das Innovationspotenzial zwar grundsätzlich fördern. Gleichzeitig würden dadurch aber auch die finanzmarktrechtlichen Schutzziele gefährdet, ungleiche Wettbewerbsbedingungen mit bisherigen Marktakteurinnen und -akteuren geschaffen, Regulierungsarbitrage gefördert und potenziell die Reputation des Finanzplatzes Schweiz beeinträchtigt. Umgekehrt würde eine Erhöhung der regulatorischen Anforderungen für DLT-Handelssysteme ­ die in der Vernehmlassung vereinzelt gefordert wurde ­ den Zweck der beabsichtigten Regulierung aushöhlen. Der Bundesrat erachtet die vorgeschlagene Regelung als zweckmässigen Kompromiss, der sowohl den finanzmarktrechtlichen Schutzzielen als auch der Möglichkeit, innovative Geschäftsmodelle umzusetzen, angemessen Rechnung trägt.

Weitere allfällige Anpassungen des Finanzmarktrechts sollen zu einem späteren Zeitpunkt geprüft werden:

18 19 20

­

So befindet sich die Nutzung von DLT im Bereich des Kollektivanlagenrechts noch in einem frühen Stadium, weshalb sich der Handlungsbedarf noch nicht abschliessend beurteilen lässt. Spezifische Anliegen aus dem DLT-Bereich könnten gegebenenfalls in die Teilrevision des Kollektivanlagengesetzes (KAG18) einfliessen, zu der der Bundesrat im Juni 2019 eine Vernehmlassung eröffnet hat.19

­

Auch im Versicherungsbereich sind viele DLT-Projekte noch in einem frühen Stadium. Bislang zeichnet sich kein finanzmarktrechtlicher Handlungsbedarf ab. Eine abschliessende Beurteilung ist noch nicht möglich. Der Bundesrat wird diese Entwicklungen weiter aufmerksam verfolgen.

­

Im Finanzmarktinfrastrukturrecht fokussieren die unterbreiteten Änderungen auf den dringlichsten Handlungsbedarf (s. Ziff. 4.1.10 unten). Die vom Bundesrat angekündigte Überprüfung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes 20 (FinfraG) bietet Gelegenheit zur Analyse weiterer Anliegen, die nicht in die SR 951.31 Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 26. Juni 2019.

SR 958.1

249

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Vorlage eingeflossen sind. Dies betrifft etwa Anliegen aus der Vernehmlassung von grösserer Tragweite, die sich auf das ganze Finanzmarktinfrastrukturrecht auswirken (z. B. regulatorische Erleichterungen für alle Finanzmarktinfrastrukturen) oder umfassende Bereiche betreffen (z. B. neuartige Opt-in-Möglichkeiten bei der Offenlegung von Beteiligungen und bei öffentlichen Übernahmen). Das FinfraG soll in den nächsten Jahren überprüft werden. Dies u. a., weil sich internationale (z. B. in der EU) und technologische Entwicklungen (z. B. im Bereich Fintech) abzeichnen, die Anlass zu einer Revision des FinfraG geben könnten. Diese Arbeiten zur Überprüfung des FinfraG hat das EFD 2019 in die Wege geleitet.21 ­

1.3

Im künftigen Finanzdienstleistungsgesetz sieht der Bundesrat derzeit keinen Änderungsbedarf aufgrund von DLT mit Ausnahme einer technischen Anpassung der Legaldefinition der Effekte aus Konsistenzgründen; s. Ziff. 4.1.6. Die vorgesehenen Anforderungen etwa zur Information der Kundinnen und Kunden sind bei auf DLT-basierenden Finanzinstrumenten besonders relevant, da solche Finanzinstrumente neuartig und teilweise schwierig zu bewerten sind und sich durch besonders hohe Wertschwankungen auszeichnen können.

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201622 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201623 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

Der Aktionsplan «Digitale Schweiz» enthält die Umsetzungsmassnahmen der Bundesverwaltung zur Erreichung der Ziele der Strategie «Digitale Schweiz». Eine im Aktionsplan erwähnte Massnahme ist die Evaluierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für finanzsektorspezifische Anwendungen der Blockchain-Technologie durch die Arbeitsgruppe Blockchain/ICO.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Die Vorlage wurde in der Vernehmlassung insgesamt positiv aufgenommen. Namentlich wurde begrüsst, dass der Schweizer Rechtsrahmen punktuell an die Entwicklungen im Zusammenhang mit verteilten elektronischen Registern angepasst und auf ein technologiespezifisches Sondergesetz verzichtet werden sollen. In der 21

22 23

250

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrats vom 14. September 2018, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat verlängert Übergangsfrist für Meldung von Derivatetransaktionen durch kleine nicht-finanzielle Gegenparteien (Stand: 26.08.2019).

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

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Vernehmlassung kommentiert wurden vornehmlich die Bestimmungen im Wertpapierrecht, im Insolvenzrecht und im Finanzmarktinfrastrukturrecht (vgl. hierzu auch den Ergebnisbericht zur Vernehmlassung).

Im Wertpapierrecht wurde die Einführung eines wertpapierähnlichen Instruments, welches die Übertragung von Rechten in manipulationsresistenten elektronischen Registern ermöglichen soll, fast ausnahmslos begrüsst. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden empfand den Vorentwurf ­ und dabei namentlich die dort verwendeten Begriffe der verteilten elektronischen Register und des DLT-Wertrechts ­ jedoch als zu wenig technologieneutral. Auch wurde die im Vorentwurf vorgesehene Möglichkeit, technische Mindestanforderungen an die Register in einer Verordnung vorzusehen, für den zivilrechtlichen Bereich überwiegend abgelehnt.

Zwar wurde im Grundsatz mehrheitlich befürwortet, dass die Register gewissen Mindestvorgaben genügen müssen. Diese Vorgaben seien jedoch im Gesetz selbst vorzusehen und auf ein Minimum zu beschränken. Es sei an der Praxis, die technische Umsetzung dieser möglichst prinzipienbasierten Gesetzgebung vorzunehmen.

Nur ganz vereinzelt wurde verlangt, dass eine staatliche Behörde die entsprechenden Register vorgängig abnehmen und zertifizieren solle. Die im Vorentwurf vorgeschlagenen Wirkungen der Registrierung von Rechten wurden ebenfalls fast einhellig befürwortet. Auch sprach sich die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden dafür aus, eine Haftung für den Schuldner vorzusehen, falls Gläubiger zu Schaden kommen. Vielfach wurde jedoch verlangt, dass die Haftung der Prospektpflicht des Finanzdienstleistungsgesetzes angeglichen werde und nur für diejenigen Fälle greifen solle, in denen der Schuldner die Gläubiger pflichtwidrig unvollständig oder falsch informiert hat. Schliesslich wurde in zahlreichen Stellungnahmen verlangt, dass die Schnittstelle zum BEG geregelt werden müsse, damit auf der Basis der neuen registrierten Rechte auch Bucheffekten geschaffen werden können.

Die vorgeschlagenen Änderungen im Konkursrecht wurden in der Vernehmlassung im Grundsatz fast einhellig begrüsst. Sowohl die Aussonderungsmöglichkeit für Kryptowährungen und die neue Wertpapierkategorie als auch das Zugangsrecht zu Daten allgemein wurden als notwendige und sinnvolle Ergänzungen des schweizerischen
Rechtsrahmens begrüsst. Es wurde jedoch fast einstimmig verlangt, dass die Aussonderungsmöglichkeit für «kryptobasierte Vermögenswerte» allgemein vorgesehen werden solle, um mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Token-Kategorien zu vermeiden. Auch wurde fast ausnahmslos kritisiert, dass im Vorentwurf die jederzeitige individuelle Zuordenbarkeit im Register als Voraussetzung für die Aussonderung vorgesehen war. Dieses Kriterium würde sinnvolle und sichere Verwahrungslösungen auf Sammelkonten verhindern; es wurde oft als möglicher Standortnachteil genannt. Vielfach wurde vorgebracht, dass es genügen müsse, wenn die für Kundinnen und Kunden verwahrten Vermögenswerte von eigenen Mitteln getrennt seien und den Kundinnen und Kunden auf andere Weise zugeordnet werden können. Die vorgeschlagene Regel, wonach die Kosten für die Aussonderung von den Antragsstellern zu tragen seien, wurde schliesslich von der grossen Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst.

Die im FinfraG vorgeschlagene neue Bewilligungskategorie (DLT-Handelssystem) wurde grossmehrheitlich unterstützt, vereinzelt aber auch kritisiert. Die Schaffung zusätzlicher Flexibilität wurde im Grundsatz gutgeheissen, insbesondere die Mög251

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lichkeit, Finanzmarktinfrastrukturdienstleistungen auch direkt gegenüber Privatkundinnen und ­kunden zu erbringen, sowie die Anerkennung der durch die DLT getriebenen Konvergenz von Handels- und Nachhandelsdienstleistungen. Die für DLTHandelssysteme vorgeschlagenen, modular ausgestalteten regulatorischen Anforderungen wurden mehrheitlich als zu schwerfällig und die Erleichterungen als zu wenig weitgehend betrachtet. Demgegenüber kritisierten einzelne Stellungnahmen die Möglichkeit von regulatorischen Erleichterungen grundsätzlich. Mehrere Stellungnahmen forderten sodann die Schaffung eines bewilligungsfreien Raums (Sandbox) für DLT-Handelssysteme sowie die Einschränkung der Bewilligungspflicht auf gewerbsmässig betriebene DLT-Handelssysteme. Sodann wurde vorgeschlagen, die Wirksamkeit der neuen Regulierung im Finanzmarktinfrastrukturrecht einer Überprüfung nach Inkrafttreten zu unterziehen.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1

Vorbemerkungen

Weltweit fällt die Gesetzgebung zu DLT-Anwendungen sowie deren Handhabung durch die zuständigen Behörden unterschiedlich aus. Eine rechtsvergleichende Betrachtung von Einzelfragen ist sehr schwierig. Einerseits befinden sich eine Reihe von ausländischen Rechtsordnungen in einem dynamischen Prozess der Anpassung und Weiterentwicklung im Zusammenhang mit DLT-Anwendungen. Andererseits können einzelne Rechtsfragen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern sind als Gesamtsystem zu verstehen. So hängt beispielsweise die insolvenzrechtliche Behandlung kryptobasierter Vermögenswerte regelmässig auch davon ab, wie solche Vermögenswerte im jeweiligen ausländischen Sachenrecht eingeordnet werden. Sodann kann sich die sachen- und insolvenzrechtliche Behandlung in einzelnen Jurisdiktionen auf die finanzmarktrechtliche Behandlung kryptobasierter Vermögenswerte auswirken; zwingend ist dieser Zusammenhang jedoch nicht. Diese rechtsbereichsübergreifenden Zusammenhänge erschweren eine fokussierte Rechtsvergleichung. Die nachfolgende Übersicht liefert deshalb nur einzelne punktuelle Beispiele und kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.24 Sie soll aber eine Übersicht darüber bieten, welche Lösungen namentlich in unseren Nachbarländern gewählt werden und helfen, den Entwurf international einzuordnen.

3.2

Zivil- und finanzmarktrechtliche Einordnung von Token

Ausländische Ansätze lassen sich einerseits danach unterscheiden, ob DLT-Anwendungen in einen bestehenden Rechtsrahmen eingeordnet und anhand bestehender Rechtskonzepte erfasst oder ob Bestimmungen spezifisch für DLT-Anwendungen geschaffen werden. Andererseits unterscheiden sich die Ansätze auch mit Blick auf 24

252

Zu den internationalen Entwicklungen in der Crypto-Asset Regulierung, siehe weitergehend u.a. Weber/Baisch (2019).

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den gewählten Fokus (z. B. ob der Fokus stärker auf das Zivilrecht oder auf das Finanzmarktrecht gelegt wird):

3.2.1

Keine spezifische Regelung, aber Beobachtung durch Finanzmarktaufsichtsbehörden

Viele Jurisdiktionen kennen derzeit keine spezifische Regulierung für DLT-Anwendungen. Das ist beispielsweise der Fall auf EU-Ebene, wo die finanzmarktrechtliche Handhabung von Token und Tätigkeiten der Token-Ökonomie derzeit primär den EU-Mitgliedstaaten und ihren Behörden obliegt. DLT-Anwendungen werden von der EU-Finanzmarktregulierung erfasst, soweit es sich bei den jeweiligen Token um ein Finanzinstrument oder um E-Geld im Sinne der heutigen EU-Finanzmarktregularien handelt. Da die Definitionen von «Finanzinstrument» und «E-Geld» jedoch nicht in allen EU-Mitgliedstaaten deckungsgleich umgesetzt wurden, führt dies derzeit zu einer Fragmentierung regulatorischer Anforderungen für DLT-Anwendungen in der EU.25 Vor diesem Hintergrund forderte etwa die ESMA u. a.

gesetzgeberische Klärungen auf EU-Ebene.26 Sodann laufen in der EU weiterhin auch Grundlagenarbeiten zu kryptobasierten Vermögenswerten. U. a. werden die ESMA und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) weitere Erhebungen über die rechtliche Behandlung von kryptobasierten Vermögenswerten (inkl. stablecoins) in den EU-Mitgliedstaaten durchführen.27 Die EU-Kommission ihrerseits untersucht die Frage, ob für derzeit in der EU regulatorisch nicht erfasste kryptobasierte Vermögenswerte eine neue Regulierung geschaffen werden soll.28 In den USA besteht auf Bundesebene auch keine spezifische, auf DLT-bezogene Gesetzgebung, hingegen haben einzelne Gliedstaaten (z. B. New York) Regeln über DLT-Anwendungen bzw. Teilaspekte davon verabschiedet. Die USA kennen auf Bundesebene aber einen relativ weiten Effektenbegriff. Die Securities and Exchange Commission (SEC) hat daher, mit den entsprechenden rechtlichen und aufsichtsrechtlichen Folgen, eine Vielzahl von Token als Effekten behandelt und diese Haltung aktiv kommuniziert. Die U.S. Commodity Futures Trading Commission (CFTC) betrachtet bestimmte Token demgegenüber als Rohstoffe (commodities) und bringt entsprechende, bestehende Regularien auf solche Token zur Anwendung. Mit Blick auf DLT-Anwendungen ist die Einordnung von Token als Effekte (security) oder Rohstoff (commodity) teilweise unklar. Ferner überlagern sich auch in den USA (ähnlich wie in der EU) die regulatorischen Anforderungen für DLT-Anwendungen auf Bundes- und Gliedstaatenebene.

25

26 27

28

Vgl. ESMA, Advice on Initial Coin Offerings and Crypto Assets, Bericht vom 9. Januar 2019, abrufbar unter: www.esma.europa.eu > Press & News > ESMA News > CryptoAssets need common EU-wide approach to ensure investor protection (Medienmitteilung vom 09.01.2019 (Stand: 23.08.2019).

Vgl. Nachweis in Fn. 25.

ESMA / EBA, Joint EBA ESMA response to the letter of 19 July 2019 on crypto-assets, Schreiben vom 20. August 2019, abrufbar unter www.esma.europa.eu > Press & News (Stand: 26.08.2019).

Vgl. www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2019-002268-ASW_EN.pdf (Stand: 30.08.2019).

253

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Ein weiterer bedeutender Finanzplatz, das Vereinigte Königreich, kennt auch keine spezifische DLT-Regulierung. Die finanzmarktrechtliche Handhabung wird durch die Aufsichtsbehörden einzelfallweise geprüft.

3.2.2

Spezifische Regelung

Eine wachsende Gruppe von Jurisdiktionen erarbeitet Instrumente, um die Entwicklungen im Bereich der kryptobasierten Vermögenswerte aktiv zu fördern und gleichzeitig Risiken zu begrenzen. Manche Jurisdiktionen setzen dabei primär auf das Finanzmarktrecht.

­

In Japan sind virtuelle Währungstauschplattformen seit 2017 dem Zahlungsdienstleistungsgesetz unterstellt. Neben einer Bewilligungspflicht gelten Anforderungen unter anderem in Bezug auf die Sicherheit.

­

Frankreich hat in einer Verordnung vom Dezember 2017 Grundlagen für die Verwendung von Blockchain-Systemen im Bereich der Finanzdienstleistungen geschaffen.29 Ein Erlass vom Dezember 2018 lässt das Führen von Effektenkonten mittels Blockchain-Technologie zu und erlaubt auch die Übertragung gewisser Wertpapiere. Das PACTE-Gesetz vom April 2019 schafft für die ICOs und die Anbieter von kryptobasierten Vermögenswerten einen rechtlichen Rahmen. Das Gesetz sieht insbesondere für gewisse ICOs eine optionale Zulassung vor.

­

Auch Luxemburg erlaubt Finanzintermediären mit dem Gesetz über den Umlauf von Wertpapieren30 (Art. 18bis, eingeführt mit Gesetzesänderung vom 1. März 201931) das Führen von Effektenkonten auf gesicherten elektronischen Registern einschliesslich verteilter elektronischer Register.

­

Die Regierung Liechtensteins hat im Mai 2019 den Bericht und Antrag zur Schaffung eines Gesetzes über Token und VT32-Dienstleister (TVTG)33 verabschiedet und an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein übermittelt.

Der liechtensteinische Landtag hat dieses am 3. Oktober 2019 einstimmig verabschiedet; das Inkrafttreten ist für den 1. Januar 2020 vorgesehen. 34 Das Fürstentum Liechtenstein beabsichtigt mit diesem Gesetz, einen spezifischen Rechtsrahmen für auf Blockchain- und ähnlichen Technologien beruhende

29

30

31

32 33

34

254

Ordonnance no 2017-1674 du 8 décembre 2017 relative à l'utilisation d'un dispositif d'enregistrement électronique partagé pour la représentation et la transmission de titres financiers.

Loi du 1er août 2001 concernant la circulation de titres et d'autres instruments fongibles, abrufbar unter: http://legilux.public.lu/eli/etat/leg/loi/2001/08/01/n9/jo (Stand: 18.10.2019).

Loi du 1er mars 2019 portant modification de la loi modifiée du 1 er août 2001 concernant la circulation de titres, abrufbar unter: http://legilux.public.lu/eli/etat/leg/loi/2019/03/01/a111/jo (Stand: 18.10.2019).

Mit «VT» werden vertrauenswürdige Technologien bezeichnet.

Regierung, Bericht und Antrag an den Landtag betreffend die Schaffung eines Gesetzes über Token und VT-Dienstleister (Token- und VT-Dienstleister-Gesetz; TVTG) und die Abänderung weiterer Gesetze, 7. Mai 2019, BuA 054/2019, LNR 2019-510.

www.regierung.li/de/mitteilungen/222957/?typ=news

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Transaktionssysteme und Tätigkeiten auf solchen Systemen zu schaffen, der u. a. die Rechtsansprüche an darüber übertragenen Wertrechten klären soll.

­

In Deutschland hat das Bundeskabinett am 18. September 2019 eine Blockchain-Strategie verabschiedet.35 Diese sieht unter anderem die Einführung von elektronischen Wertpapieren via Blockchain vor, wie es das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz schon in einem Eckpunktepapier für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token vom 7. März 2019 in Aussicht gestellt haben.36 Dieser Schritt soll jedoch vorläufig auf Schuldverschreibungen ­ Wertpapiere wie Obligationen und Anleihen, welche verzinsliche Forderungen verkörpern ­ beschränkt bleiben, während die Einführung der elektronischen Aktie vorerst vertagt werden soll. Die Bundesregierung hat zudem einen Gesetzentwurf zur Regulierung des öffentlichen Angebotes bestimmter Krypto-Token angekündigt.

Neben gesetzgeberischen Aktivitäten haben auch im Ausland eine Reihe von Finanzmarktaufsichtsbehörden verschiedene Anwendungsfragen im Zusammenhang mit DLT-Anwendungen (namentlich den sog. Initial Coin Offerings oder ICO) beantwortet.37

3.2.3

Verbot von spezifischen Dienstleistungen

Eine kleinere Anzahl von Jurisdiktionen verbietet gewisse DLT-basierte Dienstleistungen. China hat beispielsweise Massnahmen unternommen, um die Verbreitung von Token einzuschränken. Seit Ende 2017 wurden ICO behördlich untersagt und zahlreiche Tauschbörsen geschlossen.

3.3

Insolvenzrechtliche Behandlung von Token

Zur Aussonderung von Kryptowerten in der Insolvenz wurde ein rechtsvergleichendes Gutachten zu ausgewählten Rechtsordnungen von Corinne Zellweger Gutknecht, Prof. Dr. iur., Rechtsanwältin, Professorin Fachhochschule Kalaidos, Law School und Privatdozentin Universität Zürich und Jeremy Bacharach, Rechtsanwalt,

35

36

37

Vgl. die Mitteilung des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.09.2019, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/ Digitalisierung/2019-09-18-Blockchain.html (Stand: 18.10.2019).

Vgl. Eckpunktepapier vom 7.3.2019, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/ Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2019-03-07-Eckpunktepapier-Wertpapiere-KryptoToken/2019-03-07-Eckpunktepapier-regulatorische-Behandlung-elektronischeWertpapiere-Krypto-Token.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (Stand: 18.10.2019).

Eine Übersicht über von ausgewählten Finanzmarktaufsichtsbehörden publizierte Informationen findet sich im Konsultationsbericht der IOSCO, Risks and Regulatory Considerations Relating to Crypto-Asset Trading Platforms, vom 28. Mai 2019, abrufbar unter: www.iosco.orgwww.iosco.org > Publications > Public Reports (Stand: 28.08.2019).

255

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wissenschaftlicher Assistent und Doktorand am Centre de droit bancaire et financier de l'Université de Genève, erstellt. Dieses gelangte zu folgenden Ergebnissen :

3.3.1

Liechtenstein

In Liechtenstein bestehen Sonderregeln zur Aussonderung namentlich bei Treuhandverhältnissen gemäss Artikel 897 ff. Personen- und Gesellschaftsrecht vom 20. Januar 192638 (PGR) sowie im Konkurs von Banken, Wertpapierfirmen und weiteren Instituten im Sinne von Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Oktober 1992 39 über die Banken und Wertpapierfirmen (BankG). Das vom liechtensteinischen Landtag am 3. Oktober 2019 verabschiedete TVTG 40. soll künftig die TokenÖkonomie umfassend regeln.

Der Umgang mit Kryptowerten und Private Keys in der Insolvenz von VT-Dienstleistern ist in Artikel 25 TVTG geregelt: Berechtigte können sie aussondern lassen, soweit sie vom Betriebsvermögen des VT-Dienstleisters getrennt aufbewahrt wurden. Eine rein buchhalterische Trennung soll nicht ausreichen. Eine individuelle Trennung pro Kunde und Kundin wird vom Gesetz nicht verlangt. Eine Regelung für den Fall eines Unterbestandes (etwa analog Art. 915 PGR für die Treuhand bzw.

Art. 56c BankG) fehlt. Entsprechend bleibt unklar, ob und, falls ja, wie ein privilegierter Rückgriff auf die Eigenbestände des Verwahrers gewährt werden könnte.

3.3.2

Luxemburg

In Luxemburg regelt Artikel 567 des Code de Commerce (CC) die Aussonderung im Konkurs (revendication).41 Im Zuge einer Reform von 2013 wurde namentlich Absatz 2 neu gefasst. Seither können ausdrücklich auch unvertretbare immaterielle Vermögenswerte vom «Eigentümer» sowie vom Treugeber ­ auf deren Kosten ­ ausgesondert werden. Vorausgesetzt wird, dass die Werte bei Verfahrenseröffnung separiert werden können. Wurde ein Wert vom Schuldner weiterveräussert, kann der in seinem Vermögen noch vorhandene Gegenwert herausverlangt werden (Abs. 3).

Die Reform wollte namentlich dem Cloud Computing Rechnung tragen. Nicht im Fokus standen hingegen offenbar die damals noch kaum verbreiteten Kryptowerte.

Es ist daher unklar, ob gewisse Kryptowerte allenfalls als vertretbar qualifiziert werden und damit aus dem Anwendungsbereich von Artikel 567 Absatz 2 CC herausfallen könnten.

Gesichert ist eine Aussonderung bislang nur dort, wo dematerialisierte Wert«papiere» durch eine regulierte Verwahrungsstelle auf einer DLT gebucht werden: In diesem Fall greift das Gesetz über den Umlauf von Wertpapieren 42 (vgl.

38 39 40 41 42

256

SR 216.0, LGBl-Nr. 1926.004.

SR 952.0, LGBl-Nr. 1992.108.

Vgl. oben Fn. 33.

Loi du 15 septembre 1807 relative au Code de commerce, Bulletin des lois no 164, loi no 2804.

Vgl. oben Fn. 30.

BBl 2020

insb. Art. 18bis), das eine eigene Aussonderungsregelung und Vorschriften für den Fall eines Unterbestandes enthält (Art. 7).

3.3.3

England und Wales

Für England und Wales fehlen bislang einschlägige Vorschriften. In der Rechtsprechung zeichnet sich aber eine Tendenz ab, Kryptowerte als personal property eigener Art zu behandeln. So erging im August 2019 ein Entscheid des High Court of Justice über vorsorgliche Massnahmen, in welchem (vorläufig) die «dinglichen» Ansprüche eines Klägers, dem Bitcoins entwendet worden waren, geschützt wurden.43 Bereits zuvor waren in den ebenfalls zum Common Law zählenden Jurisdiktionen Kanadas und Singapurs ähnliche Entscheide ergangen.44 Namentlich hat der Singapore International Commercial Court entschieden, dass Kryptowerte Gegenstand von Eigentum (property) in treuhänderischer Verwahrung sein können.45 Diese Tendenz deckt sich mit einem Teil der Lehre 46 und ist auch in Reden des Präsidenten des High Courts erkennbar.47 Sie dürfte sich künftig wohl verfestigen ­ jedenfalls sofern der erwartete Anhörungsbericht der UK Jurisdiction Taskforce des LawTech Delivery Panel48 nicht eine überraschend konservative Haltung einnehmen wird.

3.3.4

USA

Das US Recht kennt kein eigentliches Aussonderungsrecht. In der Insolvenz eines Verwahrers entscheidet sich der Anspruch auf Herausgabe daher aufgrund der Rechtsnatur des fraglichen Vermögenswertes einerseits und der Rechtsbeziehung zwischen Verwahrer und Gläubiger andererseits. Die Lehre sowie der (vorläufige)

43

44 45 46 47

48

Der Entscheid selbst wurde nicht veröffentlicht. Vgl. Brick Court Chambers, High Court grants asset preservation order over Bitcoin taken via spear-phishing attack, 8. August 2019, Stewarts, A Bitcoin first? Stewarts obtains asset preservation order over cryptocurrency, 20. August 2019; eingehend Sousou 2019.

Shair.Com Global Digital Services Ltd. v Arnold, 2018 BCSC 1512 (BCSC) sowie Copytrack Pte Ltd v Wall, 2018 BCSC 1709.

B2C2 Ltd v Quoine Pte Ltd [2019] SGHC(I) 03, N 142.

Sarra/Gullifer 2019: 233, 242; Fox 2019: N 6.01, 6.28 ff.; a.M. hingegen letztlich Gleeson 2018: N 9.04 ff. und unentschieden Chesley/Fernando 2019: 20 ff.

Vos Geoffrey Charles, Chancellor of the High Court, Lecture, Cryptoassets as property: how can English law boost the confidence of would-be parties to smart legal contracts?

Lecture to the Joint Northern Chancery Bar Association and University of Liverpool, 2. Mai 2019; Vos Geoffrey Charles, Chancellor of the High Court, Judicial diversity and LawTech: Do we need to change the way we litigate Business and Property Disputes?

Speech to Chancery Bar Association Annual Conference, 18. Januar 2019.

Abrufbar unter: www.lawsociety.org.uk/news/stories/cryptoassets-dlt-and-smartcontracts-ukjt-consultation/ (Stand: 18.10.2019).

257

BBl 2020

Entscheid eines Bezirksgerichts sprechen sich dafür aus, dass Kryptowerte prinzipiell Gegenstand von property bilden können.49 Allerdings ist eine Herausgabe verwehrt, wenn ein sog. general deposit vorliegt, der Verwahrer mithin Vollrecht an einem Kryptowert erlangt. Damit der Gläubiger das Vollrecht nicht verliert bzw. ein specific deposit bejaht werden kann, muss der Verwahrer die Kryptowerte seiner Gläubiger getrennt von seinem eigenen Vermögen verwahren. Eine individuelle Trennung je Gläubiger ist hingegen nicht erforderlich.50 Besondere Ansprüche auf Herausgabe bestehen schliesslich, wenn ein Trust, oder ein bailment oder eine Verwahrung nach Artikel 8 UCC vorliegt (broker-dealer oder financial asset oder Rechtswahl). Resultiert in diesen Fällen am Ende ein Unterbestand, so tragen die Gläubiger den Verlust anteilig zu ihren Ansprüchen auf die Kryptowerte einer Gattung.51

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

4.1.1

Änderungen des Obligationenrechts52

4.1.1.1

Vorgeschlagene Änderung des allgemeinen Wertpapierrechts

Es ist naheliegend, einen Distributed Ledger als dezentrales Register, welches nach dem Willen vieler Benutzerinnen und Benutzer Rechte abbilden und handelbar machen können soll, beim Wertpapierrecht einzuordnen.53 Bei der Verbriefung von Rechten in Wertpapieren werden Werte (Rechte) mit Papieren verbunden.54 Die Rechte werden in eine spezielle Form gekleidet und somit besonderen Regeln unterworfen, was sich namentlich auf die Modalitäten ihrer Übertragung auswirkt. Die Verknüpfung von Recht und Sache machte die Rechte traditionellerweise umlaufund kapitalmarktfähig.55 Die Regeln zur Verbriefung von Rechten in Urkunden durch Private ­ welche sich über einen langen Zeitraum entwickelt und in der Praxis bewährt haben ­ können herangezogen werden, um Regeln über die elektronische Registrierung von Rechten durch Private zu entwickeln. Dieser Ansatz ist im Vernehmlassungsverfahren auf grosse Zustimmung gestossen. Von der vorgeschlagenen Regelung werden alle sog. Token erfasst, die eine Rechtsposition (Forderung, Mitgliedschaft) abbilden und repräsentieren sollen (vgl. Ziff. 1.2.1 oben). Nicht erfasst von der wertpapierrechtlichen Änderung sind dagegen die sog. Zahlungs-Token oder 49

50 51 52 53 54 55

258

Chu 2018: 2323, 2344 f.; Deppert 2015: 123, 130.; Hansen/Boehm 2017: 7 ff. m.w.H.; Kasolas v. Lowe (In re Hashfast Technologies LLC), No. 14-30725DM, 19. Februar 2016 und 17. Juni 2016.

Krimminger/Lloyd/Rocks 2019: 121, 123.

Krimminger/Lloyd/Rocks 2019: 125.

SR 220 DLT-Bericht: 56 ff.

Vgl. Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 1 ff.; Botschaft BEG, 9321.

Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 1315.

BBl 2020

Kryptowährungen. In Bezug auf die Übertragung solcher Token sieht der Bundesrat keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.56 In den Artikeln 973d ff. E-OR soll die Möglichkeit einer elektronischen Registrierung von Rechten geschaffen werden, welche die Funktionen von Wertpapieren gewährleisten kann. Die so geschaffenen wertpapierähnlichen Rechte werden als Registerwertrechte bezeichnet, das zugrundeliegende Register als Wertrechteregister. Falls das Register den in Artikel 973d Absatz 2 E-OR festgelegten Anforderungen genügt und die Parteien der Registrierung zugestimmt haben, übernimmt das Register die folgenden Funktionen, welche traditionellerweise von Wertpapieren erfüllt wurden: Transportfunktion: Die Gesetzesrevision soll in erster Linie gewährleisten, dass Rechte in manipulationsresistenten elektronischen Registern mit Rechtswirkungen abgebildet und übertragen werden können. Ein Registerwertrecht kann von seinen Gläubigern beherrscht und über das Register rechtsgültig übertragen werden. Das Register übernimmt damit eine Transportfunktion.

Legitimationsfunktion: Die Parteien sollen vereinbaren können, dass Rechte nur über das Register geltend gemacht und übertragen werden können. Wer durch das Register als berechtigt ausgewiesen wird, hat grundsätzlich auch als berechtigt zu gelten.

Die Parteien dürfen sich darauf verlassen und sind nicht dazu verpflichtet, weitere Nachforschungen anzustellen. Dies bedingt, dass die Register so ausgestaltet sind, dass sie die Rechtslage richtig abbilden können.

Verkehrsschutzfunktion: Die Parteien sollen sich auf die im Register abgebildeten Berechtigungen verlassen dürfen. Wer gutgläubig ein Registerwertrecht erwirbt, soll in diesem Erwerb geschützt werden, auch wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die veräussernde Partei gar nicht über das Registerwertrecht verfügen durfte.

Auch sollen allfällige Einreden, die dem Recht entgegenstehen, nur beschränkt zum Tragen kommen können. Das Register übernimmt somit die Verkehrsschutzfunktion eines Wertpapiers öffentlichen Glaubens.

Im Sinne der angestrebten Technologieneutralität werden jedoch die Begriffe DLT und verteiltes elektronisches Register nicht als Definitionsmerkmale in das Obligationenrecht aufgenommen. Vielmehr werden die zentralen Eigenschaften der DLT beschrieben, welche es nach Ansicht des
Bundesrates rechtfertigen, ihr die gleichen Wirkungen wie einem Wertpapier öffentlichen Glaubens zuzuerkennen. Damit kommt der Bundesrat einem im Vernehmlassungsverfahren vielfach geäusserten Wunsch nach. Mehr noch als im Vorentwurf sollen im Obligationenrecht deshalb die Ziele definiert werden, welche ein Register erreichen muss, um eine traditionelle Urkunde als Informationsträger zu ersetzen. Der Weg dorthin sollte von der Praxis entwickelt werden können (vgl. zum gewählten Lösungsansatz auch Ziff. 1.2.1 oben). Verlangt wird, (1) dass das gewählte Register die Integrität der darin enthaltenen Daten gewährleisten kann, (2) dass es den Gläubigern erlauben muss, über ihre Rechte zu verfügen, und (3) dass es Publizität über die Zuteilung der Rechte schafft. Die in Artikel 973d Absatz 2 E-OR festgehaltenen Anforderungen an Wertrechteregister wurden mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis 56

DLT-Bericht: 66.

259

BBl 2020

entwickelt und geben ein Grundgerüst, welches die wertpapierrechtlich entscheidenden Punkte festhält. Die technischen Einzelheiten sollen der vertraglichen Vereinbarung der Parteien (und damit der Privatautonomie) überlassen werden. Dies bedeutet auch, dass der Bundesrat ­ anders als im Vorentwurf vorgeschlagen ­ für das Obligationenrecht darauf verzichtet, sich vorzubehalten, die technischen Anforderungen an diese Register in einer Verordnung näher zu spezifizieren. Solche technischen Anforderungen müssten zwangsläufig einen hohen Detaillierungsgrad aufweisen und würden dem Bestreben nach einer möglichst technologieneutralen, prinzipienbasierten Regelung im Obligationenrecht zuwiderlaufen. Aus zivilrechtlicher Sicht ist es auch konsequenter, die Verantwortung für die technische Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ganz bei den Parteien, welche ihre Rechte in elektronischen Wertrechteregistern abbilden möchten, zu belassen. Es ist zu erwarten, dass sich hier Branchenstandards entwickeln werden und die Parteien sich durch vorgängige unabhängige Überprüfungen von Wertrechteregistern absichern werden (s. auch oben Ziff. 1.2.1). Detaillierte technische Vorgaben in einer Verordnung würden den Staat zum Träger eines Teils dieser Aufgaben machen und wären im vertraglich geprägten Wertpapierrecht ein Fremdkörper.

Dreh- und Angelpunkt der Schaffung von Registerwertrechten ist die vertragliche Vereinbarung. Da eine elektronische Registrierung durch die technische Komplexität und die Vielzahl von Beteiligten jedoch neue Risiken birgt, wird die Verantwortung für die korrekte Information über die Funktionsweise und die Integrität des Registers mit einer Haftungsnorm dem Schuldner zugewiesen (vgl. Art. 973i E-OR).

Der Schuldner wird verpflichtet, sämtliche Erwerberinnen und Erwerber eines (allenfalls auch nur vermeintlichen) Registerwertrechts über die Funktionsweise des Registers sowie die Massnahmen zum Schutz des Funktionierens und der Integrität des Registers zu informieren und dabei selbstredend auch über mit der Registrierung verbundene technische Risiken aufzuklären. Namentlich soll auch der Fall aufgefangen werden, in welchem sich die Integrität des Registers im Nachhinein als von Anfang an nicht vorhanden erweist und die Wertpapierwirkungen deshalb gar nie eintreten konnten. Die Übertragung der Rechte
könnte sich in einem solchen Fall rückwirkend als unwirksam herausstellen, wenn der Übergang des Rechts zivilrechtlich nicht auf anderem Weg zustande gekommen ist, etwa durch (grundsätzlich formlos mögliche) Vertragsübertragung.57 Die Erwerberinnen und Erwerber von (vermeintlichen) Registerwertrechten müssen deshalb in ihrem Vertrauen auf die Informationen des Schuldners geschützt werden.

Soweit die Registerwertrechte als Effekten qualifizieren, sind zudem die finanzmarktrechtlichen Regeln zu beachten.58 Die Ziele des Anlegerschutzes und der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes erfordern dort ein hohes Schutzniveau, da von Mängeln in der Registrierung unter Umständen grosse Volumen oder ganze Anlageklassen betroffen sein könnten. Der Bundesrat behält sich deshalb weiterhin vor, die Anforderungen an ein Register für an einem DLT-Handelssystem zugelassene DLTEffekten in einer Verordnung näher zu spezifizieren.59 Register, welche dieses finanzmarktrechtlich erhöhte Schutzniveau erfüllen, würden dabei auf jeden Fall 57 58 59

260

Vgl. DLT-Bericht: 63 f.

Vgl. DLT-Bericht: 98 ff.

Vgl. Art. 73a Abs. 3 E-FinfraG.

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auch den Anforderungen an ein Wertrechteregister nach Artikel 973d Absatz 2 OR genügen, weil auch im Finanzmarkrecht die Integrität und Publizität von Registern für DLT-Effekten zentral sind. Allfällige Anforderungen im Finanzmarkrecht könnten sich zudem auch auf das Zivilrecht auswirken, indem sie die Entwicklung von praxisnahen Lösungen mitbeeinflussen.

Neben dem allgemeinen Wertpapierrecht sind punktuelle Anpassungen bei zwei speziell geregelten Kategorien von Wertpapieren erforderlich: den Aktien und den Warenpapieren. Auch diese Wertpapierkategorien sollen künftig in manipulationsresistenten elektronischen Registern abgebildet werden können, jedoch unter Beibehaltung der für diese Wertpapierkategorien geltenden Spezialbestimmungen.

Mit der Änderung im Wertpapierrecht wird nur die rechtsgeschäftliche Übertragung von Registerwertrechten geregelt. Die Modalitäten eines Rechtserwerbs aus anderem Rechtsgrund (z. B. durch Universalsukzession in einem Erbgang) bleiben davon unberührt. So treten die Rechtsnachfolger eines Erblassers ohne Weiteres in dessen Rechte und Pflichten ein und übernehmen auch die Gläubigerstellung bei dessen Registerwertrechten. Fehlt den Rechtsnachfolgern faktisch die Möglichkeit, über die Registerwertrechte zu verfügen ­ beispielsweise weil der Zugangsschlüssel für sie unauffindbar ist ­, so müssen sie den Weg der Kraftloserklärung beschreiten, um die Verbindung zwischen Recht und Registereintrag aufzulösen (s. unten Ziff. 5.1.2, Erläuterungen zu Art. 973h E-OR).

4.1.1.2

Vorgeschlagene Änderung des Aktienrechts

Unter dem Begriff «Aktie» versteht man nicht nur die Mitgliedschaft, also der Inbegriff der Rechte und Pflichten einer Aktionärin oder eines Aktionärs, sondern auch die Urkunde, in der deren oder dessen Rechte verbrieft sind. Bekanntlich braucht eine Verurkundung nicht in einem Wertpapier zu erfolgen, sondern es genügt die Ausgabe einer gewöhnlichen Beweisurkunde. Oft werden Aktien aber ­ und davon geht der Gesetzgeber bislang aus ­ in die Form eines Wertpapiers gekleidet, ohne dass es hierfür einer statutarischen Grundlage bedarf. Der Tendenz zur papierlosen Gesellschaft ist der Gesetzgeber gefolgt und hat per 1. Januar 2010 zusammen mit dem BEG60 die Bestimmungen der Artikel 973a­973c OR geschaffen, welche die Sammelverwahrung von Wertpapieren, Globalurkunden (Zertifikate über eine Vielzahl von Einzeltiteln) und Wertrechten vorsehen. Die Tendenz zur Entmaterialisierung hat sich mit dem Aufkommen der DLT noch verstärkt. Diese neue Technologie erlaubt es insbesondere, Transaktionen von Token, d. h. den künftigen Registerwertrechten gemäss Artikel 973d E-OR, zu dokumentieren. Dementsprechend soll es einer Aktiengesellschaft möglich sein, Aktien auch als Registerwertrechte nach Artikel 973d E-OR auszugeben, wie es dies bei der Ausgabe eines Wertpapiers der Fall ist.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Aktiengesellschaften, welche Aktien als Registerwertrechte gemäss Artikel 973d E-OR mittels der DLT ausgeben wollen, sämtliche gesellschaftsrechtlichen Vorschriften und Vorgaben 60

SR 957.1

261

BBl 2020

einhalten müssen. Hierbei ist insbesondere den Gesetzesänderungen aufgrund der Empfehlungen des Globalen Forums sowie der FATF/GAFI 61 und ähnlichen künftigen rechtlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

4.1.1.3

Vorgeschlagene Änderung der Vorschriften über Warenpapiere

Nach verbreiteter Definition handelt es sich bei einem Warenpapier um eine «wertpapiermässige Empfangsbestätigung für erhaltene, fremde Sachen, mit Verpflichtung, die Sache nur dem legitimierten Papierinhaber wieder herauszugeben.»62 Dennoch kann mit Übergabe der Warenpapiere das Eigentum an der Ware übergehen, da mit der Übertragung des Warenpapiers auch der mittelbare Besitz an der Ware übertragen wird.63 Die Warenpapiere bieten ein mögliches Anwendungsfeld für DLT-Lösungen in der Zukunft und sollten von der neuen Regelung mitumfasst werden.

4.1.1.4

Keine Auswirkungen auf finanzmarktrechtliche Qualifikation

Vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertrechte gelten finanzmarktrechtlich als Effekten. Sowohl das FinfraG64 als auch das neue Finanzdienstleistungsgesetz vom 15. Juni 201865 (FIDLEG) definieren Effekten als vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, Wertrechte, Derivate und Bucheffekten und knüpfen an diese Definition diverse Rechtsfolgen an.66 Unter Wertrechten sind dabei nicht zwingend Wertrechte im Sinne von Artikel 973c OR zu verstehen. Schon vor Inkrafttreten von Artikel 973c OR führte das Börsengesetz vom 24. März 199567 (BEHG) den Begriff des Wertrechts bei der Definition des Effektenbegriffs ein.68 Weiter gibt es gemäss der Lehre auch nach Inkrafttreten von Artikel 973c OR noch Wertrechte, welche nicht unter diese Bestimmung fallen, so zum Beispiel Mitgliedschaftsrechte an Aktiengesellschaften, welche nicht verbrieft wurden.69 Die finanzmarktrechtlichen Bestimmungen sind weit genug gefasst, um auch diese weiteren Arten von Wertrechten zu erfassen.

Auch die neue Kategorie der Registerwertrechte lässt sich unter diese Bestimmun61 62 63 64 65 66 67 68

69

262

Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke, BBl 2019 4489.

Oftinger/Bär 1981: Art. 902 N 4; weiter Christen/Hauck 2012: Art. 1153­1155 OR N 1; Ernst 2016: Art. 925 ZGB N 2.

Vgl. Ernst 2016: Art. 925 ZGB N 3; DLT-Bericht: 58.

Art. 2 Bst. b FinfraG (SR 958.1) Art. 3 Bst. b FIDLEG (BBl 2018 3615); SR 950.1 Vgl. DLT-Bericht: 99 ff.

SR 954.1 Art. 2 Abs. 1 Bst. a BEHG (SR 954.1), aufgehoben durch Anhang Ziff. 11 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 2015, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5339; BBl 2014 7483).

Pöschel/Maizar 2012: Art. 973c OR N 41 m.w.N.

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gen subsumieren. Dies entspricht auch der bisherigen Praxis der FINMA zur finanzmarkrechtlichen Beurteilung von sog. Token.70 Im Sinne einer Klarstellung soll jedoch die Legaldefinition der Effekte entsprechend angepasst werden (vgl.

Ziff. 4.1.10).

Registerwertrechte, welche vereinheitlicht und massenweise ausgegeben werden, gelten finanzmarktrechtlich als Effekten. Für solche DLT-basierten Effekten gelten die Bestimmungen des Finanzmarktrechts, die am Effektenbegriff anknüpfen; zudem enthält der Entwurf spezifische Regeln.71

4.1.2

Änderungen des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs72

4.1.2.1

Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte

Allgemeines Kryptobasierte Vermögenswerte werden in der Praxis häufig nicht durch die wirtschaftlich berechtigte Person, sondern durch einen Dritten verwahrt (z. B. einen sogenannten Wallet Provider als Verwahrungsstelle). Der Grund dafür liegt einerseits darin, dass dadurch für die wirtschaftlich berechtigte Person gewisse Vorteile im Hinblick auf die Funktionalität entstehen, d. h. dass so Zugriff auf Funktionen erlangt wird, die ohne die Verwahrungsstelle als Intermediär unter Umständen nicht oder nicht so einfach zugänglich wären. Dies, weil der Verwahrer in der Regel gewisse Transaktionen unmittelbarer und einfacher ausführen kann, beispielsweise die Konversion einer Kryptowährung in eine andere. Auch die Verwaltung der verschiedenen Zugangsschlüssel wird der wirtschaftlich berechtigten Person abgenommen: Erforderlich ist nur noch der Zugang zu ihrem Konto; den Zugang zu den einzelnen Token übernimmt die Verwahrungsstelle. Vor allem aber verspricht die Verwahrung durch einen professionellen Dritten regelmässig eine höhere Sicherheit als die Selbstverwaltung, namentlich einen besseren Schutz vor Hackerangriffen.

Kommt es zum Konkurs eines Wallet Providers, stellt sich die Frage, ob die so verwahrten kryptobasierten Vermögenswerte in die Konkursmasse fallen und ob diese ausgesondert, d.h. an die wirtschaftlich berechtigte Person (statt an die Konkursgläubiger) übertragen werden können. Da das geltende Recht keine besonderen Bestimmungen über die Behandlung von kryptobasierten Vermögenswerte im Konkurs kennt, kommen die allgemeinen Bestimmungen des SchKG sowie allenfalls die finanzmarktrechtlichen Sonderbestimmungen zur Anwendung.

Die Zugehörigkeit zur Konkursmasse Ob ein Vermögenswert zur Konkursmasse gehört oder nicht, bestimmt sich in einem ersten Schritt danach, wer Gewahrsam über die Sache hat (Art. 242 SchKG).73 Das SchKG geht für bewegliche Sachen davon aus, dass dann, wenn sich diese im Besitz 70 71 72 73

Vgl. FINMA 2018a.

Vgl. Ziff. 4.1.10.

SR 281.1 Zum Ganzen auch Enz 2019: Rz. 497 ff.

263

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des Schuldners befinden, eine Vermutung besteht, dass dieser daran auch wirtschaftlich berechtigt ist. Wer ein besseres Recht (insbesondere sein Eigentum) daran geltend macht, muss dies im Aussonderungsverfahren nach Artikel 242 Absatz 1 und 2 SchKG belegen. Befindet sich die Sache dagegen nicht im Besitz des Konkursiten, so muss die Konkursmasse, wenn sie die Sache im Konkurs verwerten will, diese zuerst gestützt auf Artikel 242 Absatz 3 SchKG zur Masse ziehen (sog. Admassierung).

Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Aussonderung nur erforderlich, wenn die Konkursmasse Gewahrsam über die Vermögenswerte hat.74 Das Bundesgericht stellt dabei auf die «ausschliessliche tatsächliche Verfügungsgewalt» ab.75 In diesem Sinne sieht bereits das Gesetz in Artikel 242 Absatz 3 SchKG für den Fall des Mitgewahrsams ausdrücklich vor, dass der betroffene Vermögensgegenstand nicht in die Masse fällt. Fehlt es an dieser ausschliesslichen tatsächlichen Verfügungsgewalt, besteht deshalb kein Gewahrsam der Konkursmasse, und die umstrittene Sache muss ­ sofern sie verwertet werden soll ­ im Rahmen der Admassierungsklage zur Masse gezogen werden.

Das bundesgerichtliche Kriterium der ausschliesslichen tatsächlichen Verfügungsgewalt lässt sich auch für die Entscheidung der Frage heranziehen, ob ein bestimmter kryptobasierter Vermögenswert zur Masse zu zählen ist oder nicht, da die tatsächliche Verfügungsgewalt nicht an die Körperlichkeit des betroffenen Vermögenswerts anknüpft. Abhängig von der Ausgestaltung des konkreten Verwahrungstatbestandes lassen sich damit folgende Differenzierungen vornehmen: ­

Eine erste Unterscheidung findet danach statt, ob die Kundin oder der Kunde den unmittelbaren Zugriff auf ihre oder seine kryptobasierten Vermögenswerte behält oder nicht. Ist der Zugangsschlüssel ausschliesslich dem Kunden bekannt, kann nur dieser selbst unmittelbar darüber verfügen und auf der Blockchain eine entsprechende Transaktion veranlassen, nicht aber der Wallet Provider. Es liegt somit keine Fremdverwahrung vor. Und auch dann, wenn sowohl der Kunde als auch der Verwahrer über den identischen Zugangsschlüssel verfügen und sie damit beide unmittelbar Transaktionen auf der Blockchain auslösen können, ist davon auszugehen, dass die wirtschaftlich berechtigte Person ihre tatsächliche Verfügungsmacht behält und somit auch hier kein Fall einer Fremdverwahrung vorliegt.

­

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Zugriff auf die kryptobasierten Vermögenswerte nicht durch einen, sondern erst durch mehrere Schlüssel möglich ist, was in der Praxis oftmals vorgesehen wird. Eine solche Multi-Signature-Adresse kann dabei alle (beispielsweise eine «2 out of 2 multi-signature») oder nur einen Teil der Schlüssel (beispielsweise eine «2 out of 3 multi-signature») erforderlich machen. Ist der Konkursit im Besitz eines Schlüssels, der Teil einer Multi-Signature-Adresse bildet, muss ­ entsprechend den vorangegangenen Ausführungen ­ richtigerweise auch hier das Kriterium der ausschliesslichen tatsächlichen Verfügungsgewalt mass-

74 75

264

BGE 110 III 87, 90 BGE 110 III 87, 90 m.w.H.

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gebend sein mit der Folge, dass bei geteilter Verfügungsmacht die kryptobasierten Vermögenswerte nicht in die Masse fallen.76 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass kryptobasierte Vermögenswerte, auf die die Kundin oder der Kunde unmittelbar zugreifen kann, nicht Teil der Konkursmasse bilden. Das Gleiche gilt, wenn mehr als ein Schlüssel zur Verfügung über den Vermögenswert erforderlich ist und die Konkursmasse nicht über eine ausreichende Zahl von Schlüsseln verfügt, um ohne Mitwirkung weiterer berechtigter Personen über den kryptobasierten Vermögenswert zu verfügen. In diesen Fällen muss die Konkursverwaltung tätig werden, wenn sie den Vermögenswert im Rahmen des Konkurses verwerten will. Nur dann, wenn die Kundin oder der Kunde keinen eigenen Zugriff hat und der Konkursit gleichzeitig über sämtliche Schlüssel verfügt, um selber unmittelbar auf den Vermögenswert zuzugreifen, fällt der Wert in die Konkursmasse und muss allenfalls von der besser berechtigten Kundin oder vom besser berechtigten Kunden im Rahmen einer Aussonderungsklage herausverlangt werden. Diese Regeln sind im Übrigen auch massgebend für die Verteilung der Prozessrollen in einem Widerspruchsverfahren gemäss den Artikeln 106­109 SchKG.

Die Aussonderung kryptobasierter Vermögenswerte Hat der Konkursit die ausschliessliche tatsächliche Verfügungsgewalt über die Vermögenswerte, so besteht die gesetzliche Vermutung, dass er daran auch wirtschaftlich berechtigt ist. Die Vermögenswerte fallen damit grundsätzlich in die Konkursmasse, und es stellt sich als nächstes die Frage nach deren Aussonderbarkeit.

Ob die betreffenden Werte bereits mit Hilfe des geltenden Artikels 242 SchKG ausgesondert werden können, ist in der Literatur umstritten.77 Dem Bundesrat sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gerichtsurteile bekannt, die sich zur Frage der Aussonderbarkeit kryptobasierter Vermögenswerte geäussert haben. Es besteht damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit in diesem Punkt, die mit der vorliegenden Revision behoben werden soll. Dazu soll eine neue Bestimmung ins SchKG eingeführt werden, die unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte schafft. Die Einführung einer klaren Bestimmung, welche eine Aussonderung ermöglicht, ist unbestritten; auch der Bundesrat hat eine solche Norm in Aussicht
gestellt.78 Aufgrund der kritischen und inhaltlich überzeugenden Rückmeldungen in der Vernehmlassung wird dabei davon abgesehen, für die Herausgabe der Vermögenswerte die jederzeitige individuelle Zuordnung im Register zu verlangen. Vielmehr können die Ziele der Revision auch erreicht werden, wenn diese Zuordnung ausserhalb des eigentlichen Registers stattfindet. Dass eine solche Zuordnung aber notwendig ist, ergibt sich daraus, dass der Konkursit die notwendige Verfügungsmacht über die Vermögenswerte dauerhaft und ununterbro76 77

78

Hauser-Spühler/Meisser 2018: 11; Maurenbrecher/Meier 2017: Rz. 26.

Vgl. zu dieser Frage Schönknecht 2016: 309; Eckert 2016: 248 f.; Piller 2017: 1437; Graham-Siegenthaler/Furrer 2017: Rz. 78 ff.; Maurenbrecher/Meier 2017: Rz. 25 f.; Meisser/Meisser/Kogens 2018: Rz. 45; Hauser-Spühler/Meisser 2018: 9 ff.; Reiser 2018: 815 ff.; Seiler/Seiler 2018: Rz. 31; Enz 2019, Rz. 579 ff.

DLT-Bericht: 72 f.

265

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chen innehalten muss; geschieht dies nicht, beispielsweise, weil er mit den Vermögenswerten ein Eigengeschäft betreibt, so kommt die neue Bestimmung nicht zur Anwendung und eine Aussonderung gestützt auf das SchKG ist nicht möglich. In einem solchen Fall gelten allenfalls die finanzmarktrechtlichen Sonderbestimmungen über die Absonderung, soweit die betreffenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Analog zur Regelung im SchKG wird auch die bankengesetzliche Regelung zur Absonderung kryptobasierter Vermögenswerte ausgestaltet (vgl. hinten zu Art. 16 des Bankengesetzes vom 8. November 193479; BankG). Da sich die Neuregelung der Aus- bzw. Absonderung kryptobasierter Vermögenswerte auch auf die Bewilligungspflicht im Bankenrecht auswirkt, ist vorgesehen, den Unterstellungstatbestand der Bewilligungspflicht nach Artikel 1b BankG anzupassen (s. Ziff. 4.1.5 unten).

4.1.2.2

Zugang zu Daten

Gleichzeitig mit der Einführung eines gesetzlichen Aussonderungsrechts für kryptobasierte Vermögenswerte soll auch ein gesetzlicher Anspruch auf einen Zugang zu Daten geschaffen werden, die sich in Gewahrsam der Konkursmasse befinden.

Damit wird einerseits ein weiteres, in der Praxis und der Politik weitgehend unbestrittenes Anliegen aufgenommen.80 Anlass für die Ergänzung ist der Umstand, dass das geltende SchKG ein Aussonderungsrecht lediglich für «Sachen» vorsieht (Art. 242 Abs. 1 SchKG), dagegen nicht für Daten, obwohl diese für die Berechtigten unter Umständen gleich wichtig oder sogar noch wichtiger sein können als körperliche Gegenstände. Hinzu kommt, dass die Daten in vielen Fällen keinen objektiven Vermögenswert haben und deshalb nicht pfändbar im Sinne des SchKG sind. Eine Herausgabe solcher Daten ist dann im SchKG gar nicht geregelt, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt. Verweigert die Konkursverwaltung die Herausgabe der Daten, besteht kein gesetzlicher Anspruch, um deren Herausgabe durchzusetzen.

Als Beispiele werden in diesem Zusammenhang Daten eines Unternehmens genannt, die bei einem Cloud-Provider abgelegt sind und auf die im Falle eines Konkurses des Providers nicht mehr zugegriffen werden kann, beispielsweise eine Kundendatei oder eine Buchhaltung. Aber auch im privaten Bereich kann sich ein entsprechendes Bedürfnis ergeben, beispielsweise wenn jemand seine privaten Fotos bei einem Dienstleister abgelegt hat, der in Konkurs fällt. In all diesen Fällen kann der Zugang zu den Daten durch die Konkurseröffnung verschlossen sein, namentlich weil die Konkursverwaltung die Server aus Kostengründen abgestellt hat.

Der Bundesrat erachtet es unter diesen Umständen als angebracht, eine rechtliche Grundlage zu schaffen, mit der die berechtigte Person einen Zugang zu ihren Daten erlangen kann. Um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden, sollte sich dieser Anspruch 79 80

266

SR 952.0 Vgl. nur die Parlamentarische Initiative 17.410 Dobler («Daten sind das höchste Gut privater Unternehmen. Datenherausgabe beim Konkurs von Providern regeln»), der die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates am 3. Mai 2018 einstimmig Folge gegeben hat und mit der eine Anpassung von Artikel 242 SchKG verlangt wird.

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nicht auf pfändbare Vermögenswerte beschränken, sondern auf sämtliche Daten erstreckt werden. Auf diese Weise werden auch Daten erfasst, die nicht verwertbar sind, weil sie keinen objektiven Vermögenswert aufweisen, beispielsweise Zugangsdaten (Passwörter) oder die Buchhaltung eines Unternehmens.

Andererseits ermöglicht ein derartiger Anspruch auf einen Datenzugang wie festgehalten auch eine Herausgabe von Zugangsdaten und Passwörtern. Gerade in den Fällen, in denen die Konkursmasse keinen Gewahrsam über die kryptobasierten Vermögenswerte innehat, ihre Mitwirkung aber für eine Verfügung über die Vermögenswerte notwendig ist, weil sie bestimmte Passwörter in ihrem Gewahrsam hat, kann die Herausgabe der Token unter Umständen nicht über den Anspruch auf Herausgabe der Vermögenswerte nach Artikel 242a E-SchKG, sondern ausschliesslich auf diesem Weg abgewickelt werden.

4.1.2.3

Anpassung der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter

Für die Umsetzung der neuen Bestimmungen im SchKG werden in einem nächsten Schritt auch die relevanten Bestimmungen der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter81 (Art. 45 ff.) nachzuführen sein. Die entsprechenden Vorarbeiten sind bereits im Gang.

4.1.3

Änderungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198782 über das Internationale Privatrecht

Der Bundesrat hat in seinem DLT-Bericht Handlungsbedarf bei der Frage des auf die Übertragung tokenisierter Forderungen anwendbaren Rechts verortet.83 Gleichzeitig wird eine Regelungslücke in Bezug auf in einem herkömmlichen Wertpapier verkörperte Forderungen festgestellt. Der vorgeschlagene neue Artikel 145a IPRG soll nun beide Fragen regeln.

Parallel dazu soll in den Artikeln 105, 106 und 108a IPRG klar festgehalten werden, dass die dort vorgesehenen Bestimmungen über Wertpapiere auch für virtuelle Wertpapiere gelten.

81 82 83

Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter vom 13. Juli 1911 (KOV), SR 281.32.

SR 291 DLT-Bericht: 82 f.

267

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4.1.4

Änderungen des Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 200384

Im Finanzmarktinfrastrukturrecht (s. Ziff. 4.1.10 unten) schlägt der Bundesrat die Schaffung einer Bewilligungskategorie für einen neuen Finanzmarktinfrastrukturtypus vor, das DLT-Handelssystem. Aufgrund der Aufnahme der DLT-Handelssysteme in den Katalog der Finanzmarktinfrastrukturen (vgl. Art. 2 Bst. a E-FinfraG) und den damit zusammenhängenden Anpassungen im FinfraG (vgl.

Art. 22 und 25 E-FinfraG) sind die DLT-Handelssysteme auch im Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 2003 (NBG) einzuführen. Die in der Vernehmlassung erwähnte Tatsache, dass heute noch nicht absehbar ist, ob DLT-Handelssysteme systemrelevant werden, ändert nach Ansicht des Bundesrates nichts daran, dass man diese Möglichkeit bereits heute im NBG berücksichtigen kann und soll.

4.1.5

Änderungen des Bankengesetzes vom 8. November 193485

Die bankinsolvenzrechtliche Behandlung von Token und vergleichbaren Vermögenswerten kann nicht losgelöst von der insolvenzrechtlichen Behandlung solcher Vermögenswerte im SchKG betrachtet werden. Die bankenrechtlichen Bestimmungen sind letztlich als Spezialnormen zum SchKG zu verstehen. Die vorgeschlagenen Anpassungen im BankG sind mit den Anpassungen im SchKG abgestimmt, insbesondere ist das Kriterium der individuellen Zuordnung von unkörperlichen Vermögenswerten im BankG gleich zu handhaben wie im SchKG.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass auch sammelverwahrte kryptobasierte Vermögenswerte aussonderbar bzw. absonderbar sind, sofern ersichtlich ist, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen der Depotkundin oder dem Depotkunden zusteht (zum Begriff der kryptobasierten Vermögenswerte siehe die Erläuterungen zu Art. 242a E-SchKG). Da absonderbare Vermögenswerte nicht als Publikumseinlagen gelten, würde dies im Ergebnis bedeuten, dass Personen solche Vermögenswerte in unbeschränktem Umfang zur Verwahrung entgegennehmen könnten, ohne dass sie dafür über eine Bankbewilligung ­ oder eine andere einschlägige finanzmarktrechtliche Bewilligung ­ verfügen und keine aus einer solchen Bewilligung fliessenden Pflichten einhalten müssten.

Ein solcher bewilligungsfreier Raum würde erhebliche Risiken bergen. Dies zum einen deshalb, weil die Absonderbarkeit den Anlegerinnen und Anlegern nicht weiterhilft, wenn beispielsweise bei betrügerischem Verhalten des Verwahrers gar keine Vermögenswerte mehr greifbar sind. Zum anderen erscheint es auch aus Gründen der Integrität und Reputation des Schweizer Finanzplatzes und der Verhältnismässigkeit nicht sachgerecht oder wünschenswert, wenn beispielsweise Kryptowährungen in Milliardenhöhe für zahlreiche Anlegerinnen und Anleger ohne jegliche finanzmarktrechtliche Aufsicht verwahrt werden können, während die Entgegennahme klassischer Publikumseinlagen von mehr als 20 Personen ab dem 84 85

268

SR 951.11 SR 952.0

BBl 2020

Wert von 1 Million Franken eine bankenrechtliche Bewilligung verlangen. Aus diesen Gründen werden vorliegend die Bewilligungspflicht nach Artikel 1b BankG auf Tatbestände ausgeweitet, bei denen bestimmte kryptobasierte Vermögenswerte (in der Form von Depotwerten) entgegengenommen werden sowie in Artikel 4sexies E-BankG der FINMA die Kompetenz eingeräumt, die von einer Bank oder einer Person nach Artikel 1b BankG als Depotwerte gehaltenen kryptobasierten Vermögenswert aus Risikoerwägungen in der Höhe zu begrenzen.

4.1.6

Änderungen des Finanzdienstleistungsgesetzes vom 15. Juni 201886

Aufgrund der Anpassungen im Wertpapierrecht (s. Ziff. 4.1.1 oben) ist die Legaldefinition der «Effekte» im FIDLEG anzupassen. Die Anpassung in Artikel 3 Buchstabe b E-FIDLEG dient dabei der Klarstellung, dass Effekten auch auf Grundlage von Registerwertrechten (Art. 973d E-OR) entstehen können. Die Anpassung der Legaldefinition erfolgt spiegelbildlich zur Anpassung derselben Legaldefinition im FinfraG (vgl. Art. 2 Bst. b E-FinfraG und die Ausführungen in Ziff. 4.1.10 unten).

4.1.7

Änderungen des Finanzinstitutsgesetzes vom 15. Juni 201887

Der diskretionäre multilaterale und der bilaterale Handel von Token mit Effektenqualität bedürfen keiner eigenständigen FinfraG-Bewilligung. Der Betrieb eines organisierten Handelssystems (OHS) für einen solchen Handel ist aber Banken, Wertpapierhäusern (alt: «Effektenhändler»), Handelsplätzen sowie von der FINMA konsolidiert beaufsichtigten Finanzgruppen vorbehalten. Es können heute z. B.

Schwierigkeiten entstehen, falls ein Bewilligungsträger ein OHS (z. B. für als Effekten qualifizierende Token) betreiben will und nur zu diesem Zweck die FINMA um eine Bewilligung (z. B. als Wertpapierhaus) ersucht. Der Betreiber wäre diesfalls nach heutiger Praxis nicht bewilligungsfähig.

Vor diesem Hintergrund soll der Unterstellungstatbestand des Wertpapierhauses ergänzt werden. Es soll ermöglicht werden, dass Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer künftig eine Bewilligung auch ausschliesslich zum Zweck des Betriebs eines OHS beantragen können sollen.

86 87

BBl 2018 3615 AS 2018 5247

269

BBl 2020

4.1.8

Änderungen des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 199788

4.1.8.1

Änderungen auf Gesetzesstufe

Im FinfraG soll mit dieser Gesetzesvorlage eine Bewilligungskategorie für DLTHandelssysteme geschaffen werden, die Tätigkeiten wahrnehmen können, die als Finanzintermediation gelten und somit unter das Geldwäschereigesetz (GwG) fallen.

Deshalb sind die neu im FinfraG vorgeschlagenen DLT-Handelssysteme als spezialgesetzlich regulierte Finanzintermediäre im Geldwäschereigesetz aufzunehmen.

In der Vernehmlassung wurden sodann einzelne Anliegen aufgebracht (namentlich elektronische Identifikation), die auf Verordnungsstufe umgesetzt werden können (vgl. Ergebnisbericht zur Vernehmlassung). Der Bundesrat beabsichtigt deshalb, die geäusserten Anliegen im Rahmen der bereits vorgesehenen Verordnungsanpassungen in Bezug auf Zahlungs-Token und dezentrale Handelsplattformen vertieft zu prüfen.

4.1.8.2

Vorgesehene Änderungen auf Verordnungsstufe

Zahlungs-Token und dezentrale Handelsplattformen Der Bundesrat beabsichtigt, die Geldwäschereiverordnung (GwV) im Rahmen der nächsten Revision89 dahingehend anzupassen, dass auch Zahlungs-Token und dezentrale Handelsplattformen in der Geldwäschereiverordnung ausdrücklich erfasst werden. Dabei wird die geltende Praxis explizit verankert und noch mehr Klarheit für den Markt geschaffen.

­

Die berufsmässige Ausgabe eines Zahlungsmittels ist gemäss Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b GwG i. V. m. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b GwV eine finanzintermediäre Tätigkeit. Eine abschliessende Liste von Zahlungsmitteln existiert im Schweizer Recht nicht. Der Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b GwG erwähnt beispielhaft nur Kreditkarten und Reisechecks und der Artikel 4 Buchstabe b GwV spricht generell von Zahlungsmitteln, mit welchen Zahlungen an Dritte geleistet werden können, ohne beispielhafte namentliche Nennung. Deshalb soll der Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b GwV so ergänzt werden, dass auch Zahlungs-Token im Rahmen eines ICOs explizit unter den Artikel fallen, vorbehältlich allfälliger Ausnahmen.

­

Die berufsmässige Erbringung von Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr ist gemäss Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe b GwG in Verbindung mit Artikel 4 GwV eine Tätigkeit, die in den Bereich der Finanzintermediation gehört und dadurch in den Anwendungsbereich des GwG fällt. Wenn beispielsweise eine Handelsplattform den Transfer von Vermögenswerten über

88 89

270

SR 955.0 Verordnungsanpassungen basierend auf der Änderung des Geldwäschereigesetzes, vgl. Botschaft vom 26. Juni 2019, abrufbar unter: www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-75603.html (Stand. 18.10.2019).

BBl 2020

einen von der Handelsplattform betriebenen Smart Contract ermöglicht, kann dies als Hilfe zur Übertragung von Vermögenswerten und insbesondere als Dienstleistung für den Zahlungsverkehr angesehen werden. Um dem Umstand, dass auch dezentrale Handelsplattformen grundsätzlich dem GwG unterstellt sind, noch klarer Rechnung zu tragen, soll der Artikel 4 GwV entsprechend angepasst werden.90 Der Bundesrat beabsichtigt des Weiteren im Rahmen der oben genannten Verordnungsanpassungen vertieft zu prüfen, inwieweit es aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten der Übertragung von Vermögenswerten und der sich daraus ergebenden Risiken notwendig ist, den Geltungsbereich von Artikel 4 GwV zu präzisieren. Dies insbesondere im Hinblick auf weitere Tätigkeiten, bei denen die Vermögensübertragung ermöglicht wird, namentlich auch von Anbietern von wallets.

4.1.9

Änderungen des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 200891

Das BEG ist am 1. Januar 2010 in Kraft getreten und regelt die zentrale Verwahrung sowie die Übertragung von Wertpapieren und Wertrechten durch Verwahrungsstellen (s. auch Ziff. 1.2.1.1 oben).92 Als Verwahrungsstellen kommen gemäss abschliessender gesetzlicher Aufzählung Banken, Wertpapierhäuser (vormals Effektenhändler), Fondsleitungen, Zentralverwahrer, die SNB, die schweizerische Post sowie ausländische Finanzintermediäre, welche im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Effektenkonten führen, in Frage.93 Bucheffekten entstehen mit der Hinterlegung von Wertpapieren zur Sammelverwahrung bei einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten94, mit der Hinterlegung von Globalurkunden bei einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten 95 oder aber mit der Eintragung von einfachen Wertrechten gemäss Artikel 973c OR im Hauptregister einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten.96 Die neue Kategorie von Registerwertrechten wird künftig neben den traditionellen Wertpapieren sowie den einfachen Wertrechten bestehen. Auf die Sammelverwahrung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre sowie die Registrierung von Wertrechten nach Artikel 973c OR im Hauptregister einer Verwahrungsstelle hat die geplante Gesetzesänderung keine Auswirkungen. Es soll jedoch künftig auch möglich sein, Registerwertrechte bei einer Verwahrungsstelle einzuliefern und damit zu Bucheffekten zu machen. Vorausgesetzt ist, dass die Registerwertrechte im Wertrechteregister, dem sie entspringen, stillgelegt werden. Wenn Registerwertrechte wie Wertpapiere bei einer Verwahrungsstelle immobilisiert werden, ist 90 91 92 93 94 95 96

DLT-Bericht: 146­147.

SR 957.1 Art. 1 Abs. 1 BEG Art. 4 BEG Art. 6 Abs. 1 Bst. a BEG Art. 6 Abs. 1 Bst. b BEG Art. 6 Abs. 1 Bst. c BEG

271

BBl 2020

es nach Ansicht des Bundesrates sinnvoll, die etablierten Regeln des Bucheffektengesetzes zur Anwendung zu bringen. Der Bundesrat schlägt deshalb entsprechende Änderungen im Bucheffektengesetz vor und entspricht damit einem in der Vernehmlassung vielfach geäusserten Wunsch.

4.1.10

Änderungen des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes vom 19. Juni 201597

Mit der Schaffung einer neuen Bewilligungskategorie für einen Finanzmarktinfrastrukturtypus für kryptobasierte Vermögenswerte soll ein angemessener und flexibler Rechtsrahmen für die aufgrund der technologischen Entwicklungen neu möglichen Formen von Finanzmarktinfrastrukturen geschaffen werden. Ein zeitgemässer und flexibler Rechtsrahmen ist ein zentrales Element bestmöglicher Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Blockchain und DLT im Finanzsektor. Gleichzeitig kann ein solcher Rechtsrahmen sicherstellen, dass dem Gesetzeszweck des FinfraG auch in der DLT-Welt umfassend Nachachtung verschaffen wird.

Die heutige Regulierung von Finanzmarktinfrastrukturen hat sich grundsätzlich bewährt. Der Bundesrat sieht derzeit keinen Bedarf, diese ­ auch international abgestimmten ­ Regulierungen für Handelsplätze und Nachhandelsinfrastrukturen aufgrund von Blockchain und DLT grundlegend anzupassen. Es zeigt sich aber auch, dass mit DLT neue Möglichkeiten mit Innovationspotenzial geschaffen werden, die vom heutigen Finanzmarktinfrastrukturrecht teilweise beschränkt oder unzureichend erfasst werden. Zu diesen Möglichkeiten zählen namentlich die Erbringung von Finanzmarktinfrastrukturdienstleistungen direkt gegenüber Privatkundinnen und -kunden (und nicht ausschliesslich über finanzmarktrechtlich regulierte Intermediäre) und die durch DLT technologisch getriebene Konvergenz von Handels- und Nachhandelsdienstleistungen. Die beantragte Neuregelung anerkennt diese Anliegen und schafft zu diesem Zweck eine neue Bewilligungskategorie für DLTHandelssysteme. Die Neuregelung orientiert sich an den mit DLT ermöglichten Finanzmarktinfrastrukturdienstleistungen und stellt in diesem Sinne eine angemessene Ausnahme vom Grundsatz der Technologieneutralität dar. Ein solcher technologiespezifischer Ansatz erlaubt zudem, die heute bewährten und international abgestimmten Regulierungen für die derzeit existierenden Finanzmarktinfrastrukturen unangetastet zu belassen.

Der Vorschlag orientiert sich an bewährten Konzepten des FinfraG und verweist ­ soweit sinnvoll ­ auf bestehende Anforderungen. Die Neuregelung umfasst insbesondere auch den im DLT-Bereich zentralen Schutz der Kundinnen und Kunden.

Hierzu soll sich die Neuregelung auf in der kommenden Finanzdienstleistungsverordnung (FIDLEV) angelegten Anforderungen, und damit
auf den Konzepten des FIDLEG, abstützen.

Aufgrund der hohen Entwicklungsdynamik ist es unumgänglich, die Regelung spezifischer Fragen an den Verordnungsgeber und gegebenenfalls an die FINMA zu delegieren. Wie sich das Potenzial von DLT im Finanzsektor in den nächsten Jahren 97

272

SR 958.1

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entfalten wird und welche Geschäftsmodelle sich hieraus entwickeln werden, kann heute nicht vorhergesehen werden. Auch auf internationaler Ebene laufen zudem Arbeiten, die zu gegebener Zeit auf Gesetzes- und Verordnungsstufe unter Umständen zu berücksichtigen sein werden. Darunter fallen beispielsweise die Arbeiten der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) im Bereich der Regulierung von sog. Handelsplattformen für kryptobasierte Vermögenswerte und damit auch von DLT-Handelssystemen. Vor diesem Hintergrund bilden die Delegationsnormen die Grundlage für die in diesem Bereich unabdingbare regulatorische Flexibilität und die Basis für eine modular ausgestaltete Regulierung von DLT-Handelssystemen.

Die vorgeschlagenen Anpassungen des FinfraG fokussieren auf den vom Bundesrat identifizierten dringlichsten Handlungsbedarf im Finanzmarktinfrastrukturrecht, namentlich auf zentral und zum Teil dezentral erbrachte Finanzmarktinfrastrukturdienstleistungen mit DLT-basierten Effekten. Diese Arbeiten sind unabhängig von der vom Bundesrat bereits angekündigten mittelfristigen generellen Überprüfung des FinfraG, die Gelegenheit für eine umfassende Evaluation98 bietet, auch etwa hinsichtlich der Anwendung der FinfraG-Marktverhaltensregeln auf DLT-basierte Vermögenswerte. Ferner werden im vorliegenden Vorschlag die vollständig dezentralen «Finanzmarktinfrastrukturen», d. h. Finanzmarktinfrastrukturen ohne unmittelbaren und klar identifizierbaren Betreiber, ausgeklammert. Der Bundesrat wird die technologischen und internationalen regulatorischen Entwicklungen in diesem Bereich weiterhin genau beobachten und gegebenenfalls dazu eine separate rechtliche Regelung vorschlagen.

4.2

Umsetzungsfragen und Übergangsrecht

Die Einführung der neuen Wertpapierkategorie im Obligationenrecht führt weder zu spezifischen Umsetzungsfragen noch bedarf diese einer Übergangsregelung.

Für die neuen Bestimmungen im SchKG (Art. 242a und 242b E-SchKG) gilt der allgemeine Grundsatz, wonach neue Verfahrensvorschriften mit dem Inkrafttreten der Revision auf neu eingeleitete Verfahren sowie auch auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängigen Verfahren zur Anwendung kommen, soweit das mit ihnen vereinbar ist (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen zur Änderung des SchKG vom 16. Dezember 1994).

Im Finanzmarktrecht soll mit dem DLT-Handelssystem eine neue Finanzmarktinfrastrukturkategorie eingeführt werden (s. Ziff. 4.1.10 oben). Wie bei den heutigen Finanzmarktinfrastrukturen (z. B. beim multilateralen Handelssystem oder beim Zentralverwahrer) sind auch für das DLT-Handelssystem präzisierende Bestimmungen auf Verordnungsstufe erforderlich (s. Ziff. 7.4 unten).

98

Vgl. Medienmitteilung, abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat verlängert Übergangsfrist für Meldung von Derivatetransaktionen durch kleine nicht-finanzielle Gegenparteien (Medienmitteilung vom 14.09.2018 (Stand: 18.10.2019).

273

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Für den Vollzug des Finanzmarktrechts ist die FINMA zuständig (Art. 1 und 3 FINMAG), namentlich für die Bewilligung und die prudenzielle Aufsicht über DLTHandelssysteme.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Obligationenrecht99

5.1.1

Aktienrecht

Art. 622 Abs. 1 Mit den Namen- und Inhaberaktien gibt es zwei Aktienarten, welche in drei Formen ausgegeben werden können: Als Wertpapier, als Wertrecht (dabei handelt es sich entweder um einfache Wertrechte gemäss Art. 973c E-OR oder um Registerwertrechte nach Art. 973d E-OR) oder als Bucheffekten.

Da die Ausgabe von Bucheffekten gemäss dem geltenden Artikel 973c Absatz 1 OR unter bestimmten Voraussetzungen einer statutarischen Grundlage bedarf, um die nötige Transparenz zu schaffen und um sicherzustellen, dass die neu geschaffenen Registerwertrechte nicht gegen den Willen der Aktionärinnen und Aktionäre durch den Verwaltungsrat eingeführt werden, wird in Artikel 622 Absatz 1 E-OR festgehalten, dass Wertrechte und Bucheffekten nur ausgegeben werden dürfen, sofern dies die Statuten vorsehen. Mit Blick auf das Recht der Aktionärinnen und Aktionäre auf Verbriefung ihrer Aktien in ein Wertpapier sollte die Möglichkeit der Ausgestaltung von Aktien in der Form von Wertrechten in den Statuten vorgesehen werden. Hierbei können die Statuten entweder eine direkte Verknüpfung der Aktionärsstellung mit einem Token vorsehen oder den Verwaltungsrat zur Tokenisierung der Aktien ermächtigen.100 Die Gesellschaft ist verantwortlich für die Wahl der Registertechnologie, mit der die Registerwertrechte geschaffen werden, sowie für die Qualität, die Sicherheit und die Einhaltung weiterer Bedingungen in einem allfälligen Smart Contract, der die Eigenschaften des Wertrechts definiert.101 So obliegt es beispielsweise der Gesellschaft, die zu verwendende Registertechnologie dergestalt einzusetzen, dass beim Vorliegen statutarischer Beschränkungen für die Übertragung der Namenaktien, welche als Registerwertrechte ausgegeben werden (vgl. Art. 685a ff. OR), keine Übertragung einer solchen Namenaktie stattfinden kann, ohne dass die Gesellschaft vorgängig zugestimmt hat.

Sofern das Wertrechteregister nach Artikel 973d E-OR die gesetzlichen Anforderungen gemäss Artikel 686 OR erfüllt, kann dieses gleichzeitig als elektronisch geführtes Aktienbuch oder Verzeichnis über die Inhaberaktionärinnen und -aktionäre sowie über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Perso99 100 101

274

SR 220 Vgl. Art. 717 Abs. 1 und Art. 754 OR; von der Crone/Monsch/Meisser 2019: 8 f. m.w.H..

Iffland/Läser 2018: 420 sowie von der Crone/Monsch/Meisser 2019: 8 f.

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nen (vgl. Art. 697l OR) gelten; die Führung separater Register ist in diesem Fall nicht notwendig.

Abs. 1bis In Absatz 1bis, welcher am 1. November 2019102 in Kraft getreten ist, wird nur eine gesetzestechnische Änderung vorgenommen: Da das Bucheffektengesetz in Absatz 1 bereits erwähnt wird, kann hier die volle Bezeichnung des Gesetzes durch dessen Abkürzung ersetzt werden.

Inhaltlich kann die Bestimmung unverändert übernommen werden. Gemäss Absatz 1bis sind Inhaberaktien nur noch zulässig, wenn die Gesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des BEG ausgestaltet und bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind. Als Registerwertrechte ausgegebene Aktien müssen diesen Vorgaben ohne Weiteres ebenfalls genügen. Sie müssen deshalb entweder aktienrechtlich als Namenaktien oder als Inhaberaktien von Gesellschaften, welche an einer Börse kotiert sind, oder aber als Bucheffekten ausgestaltet werden.

5.1.2

Allgemeines Wertpapierrecht

Art. 973c Randtitel und Abs. 1 Anstelle von Rechten «mit gleicher Funktion» wie Wertpapiere werden Wertrechte gemäss Artikel 973c OR neu als «einfache Wertrechte» bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine rein redaktionelle Klarstellung, welche die Abgrenzung zu den neu geschaffenen Artikeln 973d ff. OR erleichtern soll.

Ein Wertrecht nach Artikel 973c OR entsteht mit Eintrag in ein Wertrechtebuch des Schuldners.103 Dabei handelt es sich um ein rein privates Instrument. Forderungen und andere Rechte werden durch die Ausgestaltung als Wertrechte zwar gewissermassen in eine wertpapierrechtliche Form gekleidet.104 Sie behalten jedoch ihre obligatorische Natur bei.105 Das Kriterium der «gleichen Funktion wie Wertpapiere» kann von diesen Wertrechten nicht erfüllt werden, hängen die Funktionen von Wertpapieren (Legitimations-, Transport-, Verkehrsschutzfunktion) bisher doch ganz wesentlich von der Verbriefung, der physischen Verkörperung eines Rechts in einer Urkunde, ab.106 Der geltende Artikel 973c Absatz 1 OR enthält somit eine Fehlbezeichnung, die berichtigt werden soll. Diese Klarstellung ist wichtig, da in den Artikeln 973d ff. E-OR die Möglichkeit geschaffen wird, Wertrechte so auszu102 103 104 105 106

Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke vom 21. Juni 2019, BBl 2019 4489.

Art. 973c Abs. 3 OR Pöschel/Maizar 2012: Art. 973c OR N 42.

Pöschel/Maizar 2012: Art. 973c OR N 43; Bohnet/Hänni 2017: Art. 973c OR N 4; Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 1326.

Vgl. Pöschel/Maizar 2012: Art. 973c OR N 29 ff.; Kuhn 2016: OR 973c N 1b.

275

BBl 2020

gestalten, dass die Funktionen von Wertpapieren (Legitimation, Transport, Verkehrsschutz) tatsächlich gewährleistet werden können. Diese Unterscheidung zwischen einfachen Wertrechten ohne Wertpapiercharakter und Registerwertrechten soll zudem durch eine Anpassung der Marginalie verdeutlicht werden.

Dabei soll es weiterhin möglich sein, rein obligatorisch wirkende Wertrechte zu schaffen. Artikel 973c OR bleibt deshalb inhaltlich unverändert. Einfache Wertrechte nach Artikel 973c OR können damit insbesondere auch in Zukunft als Grundlage für die Schaffung von Bucheffekten nach dem Bucheffektengesetz dienen.

Art. 973d

Errichtung von Registerwertrechten

Registrierungsvereinbarung (Abs. 1) Mit Artikel 973d E-OR wird neu die elektronische Registrierung von Rechten mit Wertpapierwirkungen ermöglicht. Die so geschaffenen Rechte werden als Registerwertrechte bezeichnet. Voraussetzung ist, dass die Rechte in einem elektronischen Register, welches bestimmten Anforderungen genügt, abgebildet werden und die Parteien, welche durch das Recht berechtigt und verpflichtet werden, dieser Registrierung zugestimmt haben. Es braucht damit eine Art wertpapierrechtlichen Begebungsvertrag:107 Ein Erklärungsträger wird durch Vereinbarung einer sogenannten Urkundenklausel zum (klassischen) Wertpapier, der Vereinbarung nämlich, dass die geschuldete Leistung nur gegen Vorlage des Papiers gültig erbracht werden darf oder muss (doppelseitige Präsentationsklausel bzw. einfache Wertpapierklausel).

Dem ist die Vereinbarung, ein Recht nur über ein manipulationsresistentes elektronisches Wertrechteregister geltend zu machen oder zu übertragen, gleichzustellen. Ein Recht wird durch diese Vereinbarung zum Registerwertrecht, wobei das zugrunde liegende Recht entweder bereits bestehen oder mit der Registrierung neu geschaffen werden kann. Die Vereinbarung zur elektronischen Registrierung kann auch über Ausgabebedingungen, Anleihebedingungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) erfolgen, welche spätestens beim Erwerb des Registerwertrechts akzeptiert werden. Die Registrierungsvereinbarung sollte idealerweise auch Konstellationen regeln, in denen der Wechsel von einem Wertrechteregister in ein anderes Wertrechteregister wünschbar wird. Dies könnte der Fall sein, wenn bezüglich der Integrität des ersten Registers Zweifel entstehen oder wenn neue technische Möglichkeiten eingeführt und genutzt werden sollen. Für einen Wechsel in der Verbriefungsart eines Rechtes braucht es grundsätzlich ebenfalls die Zustimmung aller Beteiligten, das heisst zumindest des Schuldners und aller aktuellen Gläubiger. Eine vorgängige vertragliche Regelung könnte es dem Schuldner wesentlich vereinfachen, einen wünschbaren Registerwechsel zu bewirken, wenn die Vereinbarung genügend bestimmt ausgestaltet ist.

Alle Rechte, die bis anhin in Wertpapieren verbrieft werden können, können als Registerwertrechte ausgestaltet werden. Der Verbriefung in Wertpapieren sind grundsätzlich alle obligatorischen Ansprüche
zugänglich. Davon erfasst sind namentlich Forderungen. Die Bestimmung soll dabei genügend flexibel sein, um auch die Abbildung von nicht massenweise ausgegebenen Forderungen (z. B. in Zusam107

276

Vgl. Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 261 ff.

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menhang mit Stromhandel oder Lizenzen) zu erlauben. Aus diesem Grund ist auch die Vertretbarkeit des abgebildeten Rechts keine Voraussetzung für dessen Ausgestaltung als Registerwertrecht. Es können so nicht nur die sogenannten AnlageToken als Registerwertrechte ausgestaltet werden, sondern auch Nutzungs-Token, welche zivilrechtlich häufig ebenfalls eine Forderung darstellen.108 Schliesslich werden von der neuen Regelung auch Token abgedeckt, welche von einem Emittenten als Zahlungsmittel ausgegeben werden (z. B. sog. stablecoins). Auch in diesen Fällen stellt der Token in der Regel nämlich eine Forderung gegenüber dem Emittenten dar und kann deshalb verbrieft und auch als Registerwertrecht ausgestaltet werden. Reine Kryptowährungen bzw. kryptobasierte Zahlungsmittel, welche von keinem Emittenten herausgegeben und von der herrschenden Lehre als rein immaterielle Vermögenswerte qualifiziert werden (z. B. der Bitcoin), werden dagegen nicht erfasst.109 Bei gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaften ist eine Verbriefung nur dort möglich, wo das Gesetz dies erlaubt, was aktuell nur bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditaktiengesellschaft der Fall ist.110 Ein entsprechender Numerus clausus gilt auch im Sachenrecht, eine Verbriefung dinglicher Rechte ist nur beim Schuldbrief111 und dem Anleihenstitel mit Grundpfandrecht112 möglich.113 Bei Warenpapieren wird nicht das dingliche Recht an der Ware selbst, sondern der obligatorische Herausgabeanspruch auf die Ware verbrieft.114 Dingliche Rechte wie das Eigentum an Fahrnis können damit auch weiterhin weder durch einen Titel abgebildet noch über diesen Titel gehandelt werden. Die digitale Abbildung und Übertragung von Eigentum an real und parallel existierenden Sachen würde eine Vielzahl schwieriger Rechtsfragen aufwerfen. Ausgeklammert werden Konstellationen mit gestuftem Besitz, bei denen eine Übertragung von Eigentum durch Rechtsgeschäft bereits nach geltendem Recht möglich ist.115 Es erscheint denkbar, dass diese rechtsgeschäftliche Übertragung ­ ebenfalls bereits nach geltendem Recht ­ durch eine Registertransaktion erfolgen kann. Der Bundesrat hat für diese Konstellationen den zivilrechtlichen Handlungsbedarf deshalb verneint.116 Für Warenpapiere, die die Verbriefung und Übertragung von mittelbarem Besitz und damit dem Eigentum an Waren erlauben,
wird eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, welche die Ausgabe als Registerwertrecht ermöglicht.117 Die in Artikel 973d E-OR genannten Anforderungen sind Voraussetzungen dafür, dass das Recht im qualifizierten Kleid des Registerwertrechts übertragen werden kann und die Wirkungen von Artikel 973e ff. E-OR eintreten. Aufgrund der kritischen Rückmeldungen im Vernehmlassungsverfahren wurden diese Anforderungen im Entwurf auf ein Minimum beschränkt, so dass nur die für die Charakterisierung als wertpapierähnliches Instrument notwendigen Elemente zwingend erfüllt sein müssen, damit ein Recht als Registerwertrecht gilt und als solches übertragen wer108 109 110 111 112 113 114 115 116 117

DLT-Bericht: 67.

Vgl. Ziff. 1.2.1 oben.

Furter 2012: Vor Art. 965­1155 OR N 10.

Art. 842 ff. ZGB Art. 875 ZGB Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 11 ff.; Furter 2012: Vor Art. 965­1155 OR N 8.

Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 1512; s. zu den Warenpapieren unten Ziff. 5.1.3.

DLT-Bericht: 64 ff.

DLT-Bericht: 67 f.

Vgl. oben Ziff. 4.1.1.3 und unten Ziff. 5.1.3.

277

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den kann. Weitere wünschbare Anforderungen an das Register werden demgegenüber als Pflicht des Schuldners statuiert, so dass deren Verletzung zwar eine Haftung hervorruft, jedoch nicht zur nachträglichen Ungültigkeit der vorangegangenen Transaktionen führen kann. Auch wenn ein Register die zwingenden Anforderungen an ein Wertrechteregister gemäss Artikel 973d Absatz 2 E-OR nicht erfüllt, können die darin abgebildeten Rechte allenfalls dennoch rechtsgültig übertragen werden. Im DLT-Bericht hat der Bundesrat eine Auslegeordnung vorgenommen und festgestellt, dass es bereits nach geltendem Recht Fälle gibt, in denen ein Recht durch eine Willensäusserung übertragen werden kann, welche auch durch Übertragung eines Token zum Ausdruck gebracht werden könnte.118 Nebst den bereits erwähnten Konstellationen mit gestuftem Besitz ist ­ je nach der Ausgestaltung im Einzelfall ­ auch denkbar, dass auf diese Weise ganze Vertragsverhältnisse übertragen werden können.119 Möglich ist dies immer dort, wo das Gesetz keine zwingenden Formvorschriften enthält und den rechtsgeschäftlichen Anforderungen (in der Regel Zustimmung aller Beteiligten) Genüge getan wird. An diesen Konstellationen will die vorgeschlagene Änderung im Wertpapierrecht nichts ändern. Was im Rahmen der Parteiautonomie frei vereinbart werden kann, soll auch weiterhin zulässig bleiben.

Damit sollte insbesondere der Abwicklung von sog. Smart Contracts mittels der DLT nichts entgegenstehen. Der Bundesrat hat in seinem DLT-Bericht denn auch keinen dringenden Regelungsbedarf in Bezug auf Smart Contracts erkannt.120 Voraussetzungen (Abs. 2) Damit ein Recht in die qualifizierte Form eines Registerwertrechts gekleidet werden kann, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Verfügungsmacht (Abs. 2 Ziff. 1) Das Merkmal der Verfügungsmacht mittels technischer Verfahren war im Vorentwurf noch nicht explizit aufgeführt, dessen Einführung wurde aber im Vernehmlassungsverfahren von verschiedenen Stellungnahmen verlangt. In der Lehre wird die exklusive Beherrschbarkeit von Token bzw. die Möglichkeit der Gläubiger, über die Token ähnlich wie über eine Sache zu verfügen, als zentrales Merkmal von DLTSystemen hervorgehoben.121 Tatsächlich handelt es sich dabei um ein charakteristisches Merkmal dieser Register bzw. ihrer Einträge, welche die Angleichung an ein
traditionelles Wertpapier besonders nahelegt. Dadurch, dass Token mittels eines Passwortes oder Schlüssels faktisch beherrscht und aufgrund der von den Systemen verwendeten Konsensmechanismen nur einmal übertragen werden können, verhalten sie sich ähnlich wie Sachen. Die Regeln zu den Wertpapieren, welche Sachen sind, die Rechte verkörpern, halten deshalb passende Lösungen bereit, welche einfach übernommen werden können und dadurch ein hohes Mass an Rechtssicherheit garantieren.122 Zugleich ermöglicht das Merkmal der Verfügungsmacht der Gläubiger die Abgrenzung von rein zentral geführten Registern, welche heute bereits vom 118 119 120 121

DLT-Bericht: 62 ff.

DLT-Bericht: 63 f.

DLT-Bericht: 85 f.

Graham-Siegenthaler/Furrer 2014: Rz 58 ff.; Maurenbrecher/Meier 2017: Rz. 26; HauserSpühler/Meisser 2018: 9 ff.; Seiler/Seiler 2018: Rz. 28 f.; Meisser/Meisser/Kogens 2018: Rz. 45; Kogens/Luchsinger/Gähwiler 2019: Rz. 1 ff.; vgl. auch DLT-Bericht: 48.

122 Vgl. Ziff. 4.1.1.1 oben.

278

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Bucheffektengesetz erfasst werden (vgl. Ziff. 1.2.1 oben). Die Übertragung von Registerwertrechten muss durch den einzelnen Gläubiger grundsätzlich ohne Zutun einer vertrauenswürdigen zentralen Instanz, welche das Register alleine verwaltet, ausgelöst und nach den Regeln des Wertrechteregisters durchgeführt werden können. Entscheidend ist hier vor allem, dass der Schuldner keine Verfügungsmacht über die Rechte hat. Dies entspricht der Situation bei einem Wertpapier, welches der Schuldner ausgestellt und dem Gläubiger übergeben hat.123 Das Wertrechteregister erlaubt den Gläubigern somit auch den Nachweis ihrer Rechtsposition und die Verfügung über dieselbe. Die Einführung dieser Elemente wurde im Vernehmlassungsverfahren ebenfalls häufig gefordert. Dies alles ist durch das Merkmal der Verfügungsmacht durch technische Verfahren abgedeckt.

Die heute bekannten DLT-Systeme erlauben den Gläubigern die Verfügung über ihre Rechte mit kryptografischen Verfahren.124 Im Sinne der im Vernehmlassungsverfahren einhellig geforderten Technologieneutralität soll jedoch im Obligationenrecht darauf verzichtet werden, eine spezifische technische Methode vorzuschreiben, mit der die Beherrschbarkeit erreicht werden kann. Die Anwendung der wertpapierrechtlichen Grundsätze wird durch die Verfügungsmacht der Gläubiger an und für sich gerechtfertigt. Die technische Umsetzung dieser Vorgabe soll dagegen der Praxis überlassen und auch für zukünftige Lösungen offenbleiben. Verlangt wird deshalb die Verschaffung der Verfügungsmacht über die Rechte mittels technischer Verfahren. Schliesslich muss das Wertrechteregister den Gläubigern die Verfügungsmacht über ihre Rechte nur im Grundsatz ermöglichen. Als Qualifikationsmerkmal des Wertrechteregisters nicht verlangt wird jedoch, dass den Gläubigern die Verfügung über ihre Registerwertrechte jederzeit möglich ist. Die jederzeitige Verfügbarkeit aller Funktionalitäten des Wertrechteregisters soll nicht vorausgesetzt sein, um die Wertpapierwirkungen von Artikel 973e ff. E-OR auszulösen. Die Funktionssicherheit des Registers ist im Zuge der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung vielmehr als Pflicht des Schuldners ausgestaltet worden und kann zu seiner Haftung führen (vgl. Art. 973d Abs. 3 E-OR).

Integrität (Abs. 2 Ziff. 2) Das Register muss in der Lage sein, die Rechtslage korrekt
abzubilden. Verlangt wird deshalb, dass die Integrität der im Register enthaltenen Daten sichergestellt ist, das heisst, dass die Daten und Operationen Bestand haben müssen und nicht einseitig unbefugt veränderbar sein dürfen. Es soll einer Partei dabei namentlich nicht möglich sein, unilateral unbefugte Veränderungen in der Transaktionshistorie herbeizuführen oder eine vom Funktionsbeschrieb nicht vorgesehene Umverteilung der Registerwertrechte zu bewirken.

Wiederum wird im Sinne der angestrebten Technologieneutralität in erster Linie das Ziel vorgegeben: Das Register ist durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugte Veränderungen zu schützen. Dabei ist für jedes Register einzeln zu definieren bzw. vertraglich zu vereinbaren, welche Operationen als befugt gelten. Wichtig ist, dass der Systembeschrieb des Registers über dieses

123 124

Vgl. Kuhn/Stengel/Meisser/Weber 2019: Rz. 15 ff.

DLT-Bericht: 18 ff.

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zentrale Element korrekt, vollständig und seinerseits nicht manipulierbar Auskunft gibt (vgl. dazu Art. 973d Abs. 2 Ziff. 3 E-OR).

Welche Massnahmen einen angemessenen Schutz vor unbefugten Änderungen bieten, kann gesetzlich nicht abschliessend definiert werden und wird sich auch in der Praxis ständig weiterentwickeln. Auf eine technische Definition bis in alle Einzelheiten wird im Zivilrecht (auch im Sinne der angestrebten Technologieneutralität) deshalb verzichtet (vgl. zum gewählten Lösungsansatz Ziff. 1.2.1 oben). Die gemeinsame Datenverwaltung durch mehrere voneinander unabhängige Beteiligte wird jedoch bereits im Gesetz als Beispiel erwähnt, wie die Integrität des Wertrechteregisters geschützt werden kann. Allfällige andere Lösungen müssten mindestens diesen Sicherheitsstandard erfüllen können, um den gesetzlichen Anforderungen an ein Wertrechteregister zu entsprechen.

Nachfolgend soll der Begriff der Integrität noch näher erläutert werden, um ihn für die Praxis greifbarer zu machen. Auch können einige Beispiele von bestehenden DLT-Systemen angeführt werden, welche nach Ansicht des Bundesrates zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft durch den Bundesrat geeignet sind, diese zentrale Anforderung zu erfüllen. Die beispielhafte Aufzählung ist jedoch keinesfalls als abschliessend zu verstehen und soll lediglich eine grobe Übersicht über den aktuellen Stand zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft bieten. Viele weitere Protokolle, welche in der Botschaft nicht erwähnt werden, werden die angestrebte Integrität gewährleisten können. Alle gemachten Aussagen beziehen sich zudem nur auf die jeweiligen Protokolle und nicht deren allfällige Implementierungen in Einzelfällen.

Die vorliegende Gesetzesrevision erfolgt vor dem Hintergrund der Entwicklung der DLT und ist durch diese inspiriert. Die grundlegende Funktionalität eines DLTSystems besteht darin, eine Datenmenge, den sogenannten Ledger, zu führen, sodass sich alle beteiligten Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber einig sind, was der aktuelle Zustand dieser Daten ist.125 Die Sicherstellung der Integrität der durch das System verwalteten Daten ist deshalb ihr wesentliches Charakterisierungsmerkmal.

In den Bereichen der Informationssicherheit, Kryptografie und des verteilten Rechnens wird die Integrität von Daten als «Korrektheit
(Unversehrtheit)» definiert: «Wenn der Begriff Integrität auf Daten angewendet wird, drückt er aus, dass die Daten vollständig und unverändert sind. [...] Der Verlust der Integrität von Informationen kann bedeuten, dass diese unerlaubt verändert, Angaben zum Autor verfälscht oder Zeitangaben zur Erstellung manipuliert wurden.»126 Diese Definition stimmt mit den Definitionen des National Institute of Standards and Technology der USA überein 127 und deckt sich auch mit Artikel 6 des Entwurfs zu einem Bundesgesetz über die Informationssicherheit.128

125 126 127

DLT-Bericht: 18 ff.

Deutsches Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, www.bsi.bund.de CNSSI 4009-2015 (44 U.S.C., Sec. 3542) und FIPS 200 under INTEGRITY (44 U.S.C., Sec. 3542).

128 BBl 2017 3097

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In DLT-Systemen wird die Integrität der Daten sichergestellt durch kryptografische Signaturen, die den Autor einer Veränderung authentifizieren und die Veränderung dadurch autorisieren. Veränderungen der in einem DLT-System verwalteten Daten können somit von den Parteien selbstständig bewirkt und unabhängig verifiziert werden. Dies ist im Kontrast zu klassischen zentral geführten Transaktionsregistern, wo die Authentifizierung durch eine zentrale, vertrauenswürdige Instanz vorgenommen wird. Die Zugriffsrechte, die bestimmen, welcher Teilnehmer auf welche Daten Zugriff hat und welche Daten er verändern kann, sind systemabhängig. Diese Informationen sind (als Beschreibung der Funktionsweise des Registers) Teil der Vereinbarung zur Registrierung des Rechts und müssen nach dem Entwurf des Bundesrates im Register festgehalten oder technisch mit diesem verknüpft sein (vgl.

Art. 973d Abs. 2 Ziff. 3 E-OR). Bei den meisten Systemen wird ein Datensatz einer einzelnen Teilnehmerin oder einer Gruppe zugeschrieben, die dann als einzige die Daten verändern können, es ist aber auch möglich, einigen Teilnehmenden Sonderrechte einzuräumen.

Die derzeit bekanntesten DLT-Systeme, die Bitcoin-Blockchain und Ethereum, garantieren die Integrität der darin enthaltenen Daten mittels dezentraler Datenverwaltung und einem Konsensmechanismus, der auf Proof-of-Work-Prinzipien basiert.129 Im Bitcoin-Protokoll und darauf basierenden Lösungen wird jeder Datensatz einem oder mehreren Teilnehmenden durch die Verwendung kryptografischer Signaturen zugeschrieben. Um Token von einem Teilnehmenden zu einem anderen zu transferieren, muss der sendende Teilnehmende die Transaktion signieren, wodurch er sich authentifiziert und die Transaktion autorisiert. Eine durch den Absender oder die Absenderin signierte Transaktion ist gültig, wenn die Signatur der oder dem Teilnehmenden entspricht, der oder dem die entsprechenden Datensätze zugeschrieben wurden. Da mehrere, widersprüchliche Transaktionen gleichzeitig im Netz kursieren können, braucht es zusätzlich zur beschriebenen Gültigkeit der Transaktion einen Konsensmechanismus, um Konflikte zwischen sich widersprechenden Transaktionen aufzulösen. Dazu werden Transaktionen bestätigt, indem sie in die Blockchain eingefügt werden, in der nur nicht-widersprüchliche Transaktionen erscheinen
dürfen. Für die Integrität ist somit notwendig, dass die Transaktionen als einzelne gültig sind und darüber hinaus nur eine Transaktion von potenziell mehreren sich widersprechenden bestätigt wird. Obwohl der Bitcoin als reine Kryptowährung von der vorliegenden Änderung des Wertpapierrechts nicht erfasst ist (vgl. Ziff. 1.2.1 oben) wird das zugrunde liegende Protokoll zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft durch den Bundesrat allgemein als Beispiel einer die Integritätserfordernisse erfüllende Blockchain anerkannt. Auch Ethereum basiert im Kern auf dem Protokoll der Bitcoin-Blockchain und gilt zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft durch den Bundesrat ebenfalls als eine die Integritätserfordernisse erfüllende Blockchain. Wenn die Parteien die Registrierung ihres Rechts mittels einer solchen bekannten dezentralen Lösung vereinbaren, wird jedoch als Mindestanforderung zu verlangen sein, dass diese zu jedem Zeitpunkt tatsächlich ein Mindestmass an Dezentralisierung und damit Resilienz bereitstellt. Dafür muss das System über mehrere Teilnehmende verfügen, die ihrerseits am verwendeten Konsensmechanismus tatsächlich teilnehmen und voneinander unabhängig sind. Auch 129

DLT-Bericht: 25 f.

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müssen die Sicherheit des Datenaustausches im Netzwerk und die Authentifizierung und Autorisierung der Parteien durch angemessene kryptografische Methoden sichergestellt sein. Die beschriebenen dezentralen Blockchains können die gesetzlichen Anforderungen an ein Wertrechteregister grundsätzlich nur so lange erfüllen, wie diese Voraussetzungen erfüllt sind, es sei denn, Abweichungen davon werden vertraglich vereinbart und gehen im Einzelfall dennoch nicht zulasten der Integrität der im System enthaltenen Daten.

Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Botschaft sind weitere Protokolle zur «Konsensfindung» und Konfliktresolution bekannt, welche nach aktuellem Stand ebenfalls die angestrebte Integrität bieten könnten. Namentlich seien hier Protokolle basierend auf Proof-of-Stake erwähnt, wo der Einfluss der Teilnehmer in dezentralen Abstimmungen anhand ihrer Anteile an den Token des darunterliegenden DLTSystems gewichtet wird. Vielversprechende Beispiele dafür sind die CardanoBlockchain130 oder Algorand.131 Von der vorliegenden Gesetzesrevision sollen auch DLT-Systeme mit einem beschränkten Kreis von Teilnehmerinnen und Teilnehmern und bekannten Teilnehmenden, sogenannte Permissioned DLT-Systeme,132 erfasst werden. Zwei Beispiele für solche Systeme, Corda und Hyperledger Fabric, ersetzen die blockchain-basierte Konfliktresolution durch spezielle Teilnehmende, die dafür sorgen, dass aus der Menge sich widersprechender Transaktionen lediglich eine als verbindlich gilt. Die speziellen Teilnehmenden sorgen dafür, dass eine eindeutige Reihenfolge erstellt wird und nur die erste Transaktion akzeptiert wird.133 Die Teilnehmenden, welche die Konfliktresolution betreiben, werden oft «Notare» genannt. Notare verwenden untereinander klassische Konsens-Algorithmen aus dem Bereich des verteilten Rechnens.134 Diese Algorithmen basieren auf einer Abstimmung der Teilnehmenden und können angewendet werden, da es sich um einen beschränkten Kreis von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit bekannten Teilnehmenden handelt (es ist also möglich, die Stimmen zuzuordnen und zu zählen).

Bei allen Systemen ist entscheidend, dass sie gemäss dem Systembeschrieb funktionieren und nur die dort spezifizierten Operationen zulassen. Auch müssen Wertrechteregister, die einzelnen Teilnehmenden Sonderrechte einräumen, auch organisatorisch
sicherstellen, dass diese Teilnehmenden Gewähr für die korrekte Abbildung der Rechtsverhältnisse bieten, namentlich indem sie von den beteiligten Parteien unabhängig sind. Solange dies der Fall ist, können auch solche Systeme die Integrität der darin enthaltenen Daten in einem ausreichenden Ausmass garantieren.

Publizität (Abs. 2 Ziff. 3 und 4) Das Register muss wie ein Wertpapier Auskunft über das verbriefte Recht geben können. Der genaue Inhalt des verbrieften Rechts (Höhe der Beteiligung, Höhe der der Forderung, Fälligkeitszeitpunkt usw.) muss daraus ersichtlich sein, damit dieses 130 131 132 133

www.cardano.org/ www.algorand.com DLT-Bericht: 23 ff.

Vgl. zu Corda: https://docs.corda.net/key-concepts-consensus.html; zu Hyperledger Fabric.: https://hyperledger-fabric.readthedocs.io/en/release-1.4/orderer/ordering_service.html (Stand 30.08.2019).

134 Vgl. DLT-Bericht: 25 f.

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ohne Hindernisse gehandelt werden kann. Auch muss die Registrierungsvereinbarung ­ d.h. die der Wertpapierklausel nachgebildete Vereinbarung, das Recht nur über das Register geltend zu machen und zu übertragen ­ für die Parteien klar und transparent sein. Dasselbe gilt für die Funktionsweise des Registers, d.h. die Art, wie Buchungen ausgeführt und validiert werden. Nur wenn diese Angaben den Gläubigern permanent und vor einseitigen Änderungen geschützt zugänglich sind, verfügen diese über die notwendigen Informationen, die sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte benötigen und welche die Qualifikation als Wertrechteregister rechtfertigen. Aufgrund der technischen Ausgestaltung der meisten Register wird jedoch nicht verlangt, dass diese Einzelheiten zwingend im Register selbst abgebildet sein müssen.

Denkbar ist auch, dass der Inhalt der Rechte in lesbaren Begleitdaten, welche mit dem Register ausreichend verknüpft werden, dargestellt wird. Solche Begleitdaten können Ausgabebedingungen, Gesellschaftsstatuten, Anlageprospekte, ein White Paper oder ähnliches sein.

Verlangt wird dagegen, dass diese Informationen mit dem Register zumindest technisch verknüpft werden, z.B. durch Hinterlegung eines Hash-Wertes. Der Grund hierfür liegt darin, dass auch diese Basisinformationen zum Inhalt der Rechte durch die Integrität des Wertrechteregisters geschützt und entsprechend manipulationsresistent sein sollen. Nur auf diese Weise können die Gläubiger ihre Rechtsposition jederzeit überprüfen und nachweisen.

In Ziffer 4 wird verlangt, dass die Parteien die sie betreffenden Registereinträge und Informationen gemäss Ziffer 3 auch tatsächlich einsehen können. Nur auf diese Art kann das Register die gewünschte Publizität bewirken. Die Parteien müssen jedenfalls die sie betreffenden Informationen, nicht jedoch zwingend das gesamte Register, einsehen können. Auch müssen sie die Integrität der sie betreffenden Einträge ohne Zutun Dritter, das heisst für die Gläubiger namentlich auch ohne Mitwirkung des Schuldners, überprüfen und auf diese Weise die Korrektheit der Abbildung ihrer Rechte kontrollieren können. Im Gegensatz zum Vorentwurf wird jedoch nicht mehr verlangt, dass diese Einsichtsmöglichkeit jederzeit bestehen muss, da eine kurzfristige Nichtverfügbarkeit des Wertrechteregisters die Wertpapierwirkungen der registrierten
Rechte nicht in Frage stellen soll. Um die erforderliche Publizität herzustellen, wird aber doch verlangt werden müssen, dass die Einsichtsmöglichkeit in der Regel vorhanden ist.

Pflichten des Schuldners (Abs. 3) Das Wertrechteregister sollte nicht nur vor unbefugten Änderungen geschützt sein, sondern auch sonst so funktionieren, wie die Parteien es vereinbart haben. Abweichend vom Vorentwurf wird die Funktionssicherheit jedoch nicht als Qualifikationsmerkmal eines Wertrechteregisters und damit als zwingende Anforderung gemäss Artikel 973d Absatz 2 vorgesehen. Wenn das Register vorübergehend nicht richtig funktioniert ­ z. B. weil es kurzfristig nicht verfügbar ist ­ bleibt der Wertpapiercharakter der darin registrierten Rechte erhalten, da ansonsten zahlreiche Transaktionen rückwirkend ungültig werden könnten.

Gemäss Artikel 973d Absatz 3 hat der Schuldner aber sicherzustellen, dass das Wertrechteregister seinem Zweck entsprechend organisiert ist und namentlich die Funktionssicherheit gemäss Registrierungsvereinbarung jederzeit gewährleistet 283

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bleibt. Das Register muss die vorgesehene Funktionsweise zuverlässig einhalten.

Der Schuldner wird hierfür in die Pflicht genommen, da er in der Regel sowohl den Impuls geben wird, das Recht in einem Wertrechteregister abzubilden, als auch die Wahl des Registers selbst massgeblich in der Hand hat. Der Schuldner ist deshalb am besten geeignet, sich um die Funktionssicherheit und Integrität zu bemühen und sich dafür eventuell gegenüber einem allfälligen Registerbetreiber vertraglich abzusichern, sodass er eine allfällige Haftung überwälzen kann.

Falls aus dem Nichtfunktionieren des Registers ein Schaden entsteht, haftet der Schuldner nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragshaftung (Art. 97 ff. OR).

Denkbar ist auch eine vorvertragliche Haftung des Schuldners aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (Culpa in Contrahendo). Der Schuldner muss von Gesetzes wegen jeder Person, die ein (vermeintliches) Registerwertrecht erwirbt, nebst dem Inhalt des Wertrechts und der Funktionsweise des Registers auch Angaben zu den Massnahmen zum Schutz des Funktionierens und der Integrität des Registers machen (Art. 973i E-OR). Diese Angaben werden damit in der Regel ebenfalls zum Bestandteil des Vertrags zwischen dem Schuldner und den Erwerberinnen und Erwerbern. Ausserdem ist für Fälle, in denen der Schuldner bei der Information der Gläubigerinnen und Gläubiger die erforderliche Sorgfalt vermissen liess, eine gesetzliche Haftung vorgesehen (Art. 973i Abs. 2 E-OR).

Art. 973e

Wirkungen

Die Wirkungen von Registerwertrechten werden denjenigen eines Wertpapiers öffentlichen Glaubens nachgebildet. Diese Wirkungen entsprachen ursprünglich Grundbedürfnissen des Handels: Wer ein Wertpapier von einem Unbekannten erworben hat, wollte auf die Verfügungsmacht des Veräusserers und auf das verbriefte Recht vertrauen können.135 Grundlage dieses Vertrauens war ­ entsprechend den dinglichen Rechten ­ die Publizität.136 Die Rechtszuständigkeit sowie der Inhalt des verbrieften Rechts waren von aussen erkennbar, weshalb man sich im Handel darauf verlassen konnte. Durch den zunehmenden Einsatz von Verwahrungsstellen haben diese Wirkungen in jüngerer Zeit an Bedeutung verloren und wurden durch das Vertrauen in die Verwahrungsstellen und die von ihnen vorgenommenen Buchungen ersetzt. Vor diesem Hintergrund ist das Bucheffektengesetz entstanden. 137 Bei der Tokenisierung von Rechten geht es nun jedoch wiederum darum, dass einzelne Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer Rechte direkt abbilden und ohne Zwischenschaltung eines vertrauenswürdigen Intermediäres auch direkt mit ihnen handeln. Es rechtfertigt sich deshalb nach Ansicht des Bundesrates, die ursprünglichen Wirkungen von Wertpapieren bei der Abbildung von Rechten in manipulationsresistenten elektronischen Registern wieder aufleben zu lassen; sie entsprechen auch in diesem neuen Kontext einem praktischen Bedürfnis. Registerwertrechten kommt deshalb eine Präsentationswirkung (Art. 973e Abs. 1 E-OR), eine Legitimationswirkung (Art. 973e Abs. 2 E-OR) sowie der Verkehrsschutz eines Wertpapiers öffentlichen Glaubens zu (Art. 973e Abs. 3 und 4 E-OR).

135 136 137

284

Vgl. Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 326 ff.

Vgl. DLT-Bericht: 52.

Vgl. Ziff. 4.1.1.2 oben.

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Präsentationswirkung (Abs. 1) Mit einer doppelseitigen Präsentationsklausel wird vereinbart, dass der Schuldner nur gegen Vorlage der Urkunde leisten darf und muss: Das Recht soll ohne die Urkunde nicht geltend gemacht werden (Art. 965 OR), und der Schuldner ist nur gegen Aushändigung der Urkunde zu leisten verpflichtet (Art. 966 Abs. 1 OR).

Leistet der Schuldner ohne Vorlage der Urkunde, so hat er sich nicht gültig befreit, wenn die Leistung nicht an die wirklich berechtigte Person erfolgte.138 Durch die Formulierung in Absatz 1 ­ welche Elemente von beiden Bestimmungen aufnimmt (Art. 965 und 966 Abs. 1 OR) ­ wird die Doppelseitigkeit der Präsentationswirkung unterstrichen. Bei Registerwertrechten wird entsprechend verlangt, dass die Leistung nur an den vom Register ausgewiesenen Gläubiger erfolgen darf und muss. Auch soll die Erfüllung im Register reflektiert werden, damit dieses die Rechtslage korrekt wiedergibt. Der Schuldner kann sich dabei das Registerwertrecht übertragen lassen, was dem Aushändigen des Wertpapiers entsprechen würde. Denkbar ist aber auch, dass die Leistung ­ oder Teilleistung ­ auf andere Weise im Register abgebildet wird.

Legitimationswirkung (Abs. 2) Derjenige, dem ein Registerwertrecht durch das Register zugewiesen ist ­ der durch das Register bezeichnete Gläubiger ­ gilt als rechtszuständig. Wie bei einem Wertpapier (Art. 966 Abs. 2 OR) kann der Schuldner bei Fälligkeit an den durch das Register bezeichneten Gläubiger leisten und wird dadurch von seiner Schuld befreit, wenn ihm nicht Arglist oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Ist in Wahrheit ein anderer Gläubiger der wahre Berechtigte, kann er die Leistung nicht ein zweites Mal vom Schuldner verlangen, sondern muss sich an den vom Wertrechteregister bezeichneten Gläubiger halten, der die Leistung zu Unrecht erhalten hat.

Verkehrsschutz: Gutglaubensschutz (Abs. 3) Bei Registerwertrechten soll ein Gutglaubensschutz greifen, welcher demjenigen eines Ordrepapiers nachgebildet ist.139 Bei Ordrepapieren (z. B. Namenaktien) gilt die Person, die das Papier besitzt und die zudem im Papier als berechtigte Person oder deren Rechtsnachfolgerin genannt wird, als rechtszuständig. Die Rechtsnachfolge wird durch die sogenannte Indossamentenkette auf der Rückseite der Urkunde ausgewiesen. Dies kann auch in einem manipulationsresistenten
elektronischen Register, welches die Transaktionen grundsätzlich lückenlos aufführt, erreicht werden.

Anders als bei einer gewöhnlichen Forderung besteht bei einem Registerwertrecht die reale Gefahr des Abhandenkommens (z.B. durch Verlust des Passwortes oder durch Hacking). Wenn nun ein Dritter ein Registerwertrecht von einer unberechtigten Person erwirbt, bleibt er im Erwerb dieses Rechts geschützt und kann es behalten, wenn ihm beim Erwerb kein böser Glaube oder eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fiel (vgl. Art. 1006 Abs. 2 OR). Es obliegt der ursprünglich berechtigten Person, gegen die unberechtigte Person vorzugehen sowie das Registerwertrecht rechtzeitig kraftlos erklären zu lassen (Art. 973h E-OR).

138 139

Meier-Hayoz/von der Crone 2018: Rz. 26.

Vgl. Art. 1006 Abs. 2 OR.

285

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Verkehrsschutz: Einredebeschränkung (Abs. 4) Sowohl beim Inhaber- als auch beim Ordrepapier greift eine Einredebeschränkung, welche das Vertrauen der Erwerberin oder des Erwerbers eines Wertpapiers in den Inhalt des verbrieften Rechts schützt (Art. 979 bzw. 1007 OR). Auch diese Wirkung wird hier nachgebildet.

Art. 973f

Übertragung

Registrierungsvereinbarung (Abs. 1) In Artikel 973d Absatz 1 Ziffer 2 E-OR wird festgehalten, dass ein Recht unter anderem dann zu einem Registerwertrecht wird, wenn die Parteien vereinbart haben, dass es nur über das Wertrechteregister geltend gemacht und übertragen werden kann. Entsprechend einem vielfach geäusserten Wunsch aus dem Vernehmlassungsverfahren soll mit Artikel 973f Absatz 1 E-OR ausdrücklich festgehalten werden, dass das Registerwertrecht auch tatsächlich über das Register und nach den in der Registrierungsvereinbarung festgelegten Regeln übertragen werden kann. Für die Übertragung des Registerwertrechts ist damit namentlich keine schriftliche Abtretungserklärung ­ welche bei einfachen Wertrechten ohne Wertpapierwirkungen nach wie vor vorgesehen ist (Art. 973c Abs. 4 OR) ­ erforderlich. Wie die Übertragung genau stattfindet, unterscheidet sich je nach Register und hängt namentlich vom gewählten Konsensmechanismus ab. Entscheidend ist, dass in der Registrierungsvereinbarung zu diesem Punkt Transparenz geschaffen wird (Art. 973d Abs. 2 Ziff. 3 E-OR).

Der Bundesrat geht davon aus, dass die Übertragung des Registerwertrechts sich ­ analog zur Übertragung eines Wertpapiers, dem sie nachgebildet ist ­ grundsätzlich kausal zu ihrem Grundgeschäft verhält.140 Auch viele ­ wenn auch nicht alle ­ Vernehmlassungsteilnehmende sprachen sich für diese Auffassung aus. Für die gültige Übertragung braucht es somit eine gültige vertragliche Vereinbarung (z.B.

ein Kaufgeschäft) sowie die eigentliche Übertragung im Register als Verfügungsgeschäft. Zu beachten sind die Gutglaubenswirkungen gemäss Artikel 973e Absatz 3 und 4 E-OR, welche sich namentlich bei Fehlern im Grundgeschäft auswirken.

Finalität bei Konkurs, Pfändung und Nachlassstundung (Abs. 2) Die Frage der Finalität ­ wann eine Verfügung über ein Registerwertrecht wirksam wird ­ wird im Allgemeinen offengelassen und ist den Regeln des Wertrechteregisters oder eines anderen benutzten Handelssystems bzw. der Vereinbarung der Parteien überlassen. Für den Fall, dass über den Gläubiger eines Registerwertrechts jedoch der Konkurs eröffnet, die Pfändung vollzogen oder die Nachlassstundung bewilligt wird, entscheidet der Zeitpunkt der Verfügung über ein Registerwertrecht darüber, ob das Recht seinem Vermögen noch zugeordnet werden kann und hat damit
auch Auswirkungen auf Dritte. Dieser Fall bedarf deshalb einer gesetzlichen Regelung.

Die in Absatz 2 vorgesehene Regel sieht vor, dass eine Verfügung über ein Registerwertrecht Dritten gegenüber dann wirksam wird, wenn sie für die oder den Verfügenden unwiderruflich geworden ist, bevor der Konkurs eröffnet, die Pfändung 140

286

Vgl. Kramer/Oser/Meier 2019: Rz. 28.

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vollzogen oder die Nachlassstundung bewilligt wurden. Die Unwiderruflichkeit kann sich aus den Regeln des verwendeten Wertrechteregisters selber ergeben, kann aber auch aus der Verwendung eines anderen, übergeordneten Handels- oder Abwicklungssystems herrühren. Weiter wird vorausgesetzt, dass die Verfügung anschliessend tatsächlich ausgeführt worden ist; dies ist bei einer DLT bzw. Blockchain typischerweise dann der Fall, wenn die Transaktion nach den Regeln des Registers validiert wurde, wobei dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Damit Transaktionen sich jedoch nicht für unbestimmte Zeit in der Schwebe befinden ­ was namentlich auch Manipulationsmöglichkeiten eröffnen würde ­, wird vorgesehen, dass sie innerhalb von 24 Stunden nach Eingabe ausgeführt worden sein müssen. Geschieht dies nicht, kann die Transaktion Dritten nicht entgegengehalten werden, womit der entsprechende Vermögenswert ­ oder allenfalls eine Ersatzforderung ­ in die Konkursmasse fällt.

Prioritätenregelung (Abs. 3) Absatz 3 regelt den Konflikt, der entstehen kann, wenn ein Recht in zwei qualifizierten Kleidern ­ sowohl als Wertpapier als auch als Registerwertrecht ­ verkörpert ist.

Die Vereinbarung nach Artikel 973d Absatz 1 E-OR sieht zwar vor, dass ein als Registerwertrecht ausgestaltetes Recht nur noch über das Register geltend gemacht und übertragen werden darf. Im Normalfall ist davon auszugehen, dass immer dann, wenn ein Recht vorgängig in einer Urkunde verbrieft wurde, diese Urkunde vor der elektronischen Registrierung des Rechts vernichtet oder zumindest immobilisiert worden ist. Für den Fall, dass für ein Recht gleichzeitig eine Urkunde und eine elektronische Registrierung bestehen, wird dem gutgläubigen Empfänger eines Wertpapiers Priorität gegenüber dem gutgläubigen Empfänger des Registerwertrechts eingeräumt. Das Papier ­ die Sache ­ hat Vorrang gegenüber dem rein elektronisch vorhandenen Registerwertrecht. Eine ähnliche Regelung besteht für Warenpapiere in Artikel 925 Absatz 2 ZGB.

Art. 973g

Sicherheiten

Artikel 973g E-OR regelt die Erstellung von Sicherheiten wie etwa eines Pfandrechts oder einer Nutzniessung ­ also von Rechten mit absoluter Wirkung141 ­ an einem Registerwertrecht. Dafür sollen weitgehend die für Wertpapiere geltenden Regeln übernommen werden. Das Pfandrecht an Registerwertrechten richtet sich deshalb nach den für Wertpapiere geltenden Bestimmungen über das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten (Art. 899­906 ZGB). Von diesem Verweis nicht umfasst ist namentlich Artikel 900 Absatz 1 ZGB, der nur für nicht verurkundete Forderungen gilt. Für den Pfandvertrag ist somit nicht die Schriftform vorgesehen.

Bei der Verpfändung wird ein Recht grundsätzlich auf die Pfandnehmerin oder den Pfandnehmer übertragen. Damit wird das Pfandrecht einerseits Dritten gegenüber sichtbar (Publizität), andererseits wird auch sichergestellt, dass die Pfandnehmerin oder der Pfandnehmer das Pfand ohne weitere Mitwirkung des Pfandgebers verwerten kann, falls er aus der gesicherten Forderung nicht befriedigt wird. Falls diese beiden Voraussetzungen durch technische Vorkehrungen auch auf einem anderen Weg als durch Übertragung des Registerwertrechts erreicht werden können, soll dies 141

Vgl. Rey 2007: Rn. 95 ff.

287

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auch ermöglicht werden. Absatz 1 enthält deshalb einen entsprechenden Vorbehalt für alle Sicherheiten.

In Bezug auf die Nutzniessung an Forderungen und anderen Rechten (Art. 745 ff.

ZGB) ist keine weitere Gesetzesanpassung nötig. Artikel 745 Absatz 1 ZGB lässt bereits nach geltendem Recht die Bestellung einer Nutzniessung unter anderem an «Rechten oder an einem Vermögen» zu und ist damit offen genug, um die Bestellung einer Nutzniessung an Registerwertrechten ohne Weiteres zu ermöglichen.

Für das Retentionsrecht wird auf Artikel 895 ff. ZGB verwiesen, welche sinngemäss anwendbar sind.

Art. 973h

Kraftloserklärung

Da der Zugriff auf ein Registerwertrecht ebenso wie ein physisches Wertpapier abhandenkommen kann, muss es möglich sein, die Verknüpfung des Rechts mit dem Register aufzulösen, sodass das Recht wieder unabhängig vom Register geltend gemacht werden kann. Dabei stehen Fälle im Vordergrund, bei denen eine berechtigte Person die Möglichkeit, auf ihr Recht zuzugreifen ­ etwa durch Verlust des Private Keys ­, verloren hat. Auch sind Fälle denkbar, in denen ihr die Zugriffsmöglichkeit ­ und damit das Registerwertrecht ­ entwendet wurde. Es wird deshalb ein Verfahren vorgesehen, mit dem wie bei einem abhandengekommenen Papier ein Registereintrag gerichtlich kraftlos erklärt werden kann. Für das Verfahren wird sinngemäss auf die Artikel 981 ff. OR verwiesen. Gefordert wird, dass die berechtigte Person die ursprüngliche Verfügungsmacht (was dem Besitz eines Wertpapiers entspricht) sowie ihren Verlust glaubhaft macht. Nach der Kraftloserklärung kann die berechtigte Person ihr Recht auch ausserhalb des Registers geltend machen und beispielsweise fällige Leistungen direkt vom Schuldner einfordern oder ihre Aktionärsstellung gegenüber der Gesellschaft geltend machen. Die Verbindung zwischen Recht und Registereintrag wurde gerichtlich aufgelöst und das Recht besteht als formloses Wertrecht fort. Der Gläubiger kann vom Schuldner auch die Zuteilung eines neuen Registerwertrechts verlangen, muss dafür jedoch die Kosten tragen (vgl.

auch Art. 986 Abs. 3 OR).

Das Verfahren ist auch anwendbar, wenn Rechtsnachfolgern wie Erbinnen und Erben nach erfolgter Universalsukzession die faktische Verfügungsmöglichkeit über das Registerwertrecht fehlt (z. B. weil der Zugangsschlüssel für sie unauffindbar ist).

In solchen Fällen müssen die Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger selbstredend ­ wie heute schon bei Wertpapieren ­ nicht ihre eigene ursprüngliche Verfügungsmacht glaubhaft machen, sondern diejenige ihres Rechtsvorgängers, in dessen Rechte und Pflichten sie vollumfänglich eingetreten sind.

Je nach technischer Ausgestaltung des Registers wird mit den kraftlos erklärten Wertrechten auf unterschiedliche Weise verfahren: Die kraftlos erklärten Registerwertrechte können unter Umständen durch einen allfälligen Registerbetreiber oder durch anderweitige technische Lösungen gelöscht oder zumindest immobilisiert oder
gekennzeichnet werden. Dies wäre wünschenswert. Denkbar ist aber auch, dass diese ­ ebenso wie kraftlos erklärte Wertpapiere, deren Verbleib ungewiss ist ­ unbefugten Parteien zugeordnet bleiben oder als wirkungslose Einträge weiterbestehen.

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In Absatz 2 wird es den Parteien freigestellt, eine vereinfachte Kraftloserklärung durch Herabsetzung der Zahl der öffentlichen Aufforderungen oder durch Verkürzung der Fristen vorzusehen. Neben der öffentlichen Bekanntmachung kann vertraglich auch eine Mitteilung des Schuldners über das System vorgesehen werden. Die Möglichkeit für das Gericht, die Veröffentlichung neben dem Aufruf im Schweizerischen Handelsamtsblatt auch in anderer Weise vorzunehmen, ergibt sich im Übrigen bereits aus Artikel 984 Absatz 2 OR.

Art. 973i

Information und Haftung

In der Regel wird der Schuldner (die Aktiengesellschaft bei der Ausgabe von Aktien; die Gesellschaft, welche zur Finanzierung Darlehen aufnimmt) sowohl den Impuls geben, das Wertrecht in ein Wertrechteregister zu buchen, als auch die Wahl des Registers selbst massgeblich in der Hand haben. Der Schuldner ist deshalb am besten geeignet, sich um die Integrität und Funktionssicherheit des Registers zu bemühen und sich dafür gegenüber dem allfälligen Registerbetreiber vertraglich abzusichern. In Artikel 973i E-OR wird verlangt, dass der Schuldner jeder Erwerberin und jedem Erwerber eines Registerwertrechts die Angaben zum Inhalt des Wertrechts, zur Funktionsweise des Registers sowie zu den Massnahmen zum Schutz des Funktionierens und der Integrität des Registers (Art. 973d Abs. 2 und 3 E-OR) offenlegt. Damit wird sichergestellt, dass alle Erwerberinnen und Erwerber eines Registerwertrechts über alle wesentlichen Informationen verfügen. Diese Informationen werden in der Regel zum Bestandteil der Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem ersten Gläubiger (ersten Nehmer) eines Registerwertrechts und werden von diesem auch auf seine nachfolgenden Gläubiger übertragen.

Absatz 2 sieht eine Haftung des Schuldners vor, falls den Erwerberinnen und Erwerbern eines (vermeintlichen) Registerwertrechts ein Schaden durch unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben des Schuldners entsteht. Diese Voraussetzungen orientieren sich an Artikel 69 Absatz 1 FIDLEG. Der Schuldner kann sich von der Haftung befreien, wenn er nachweist, dass er die erforderliche Sorgfalt bei der Information angewendet hat. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Verschuldenshaftung und stimmt mit dem vertraglichen Haftungsmassstab (Art. 97 Abs. 1 OR) überein. Es ist zu erwarten, dass sich hier in absehbarer Zeit Branchenstandards entwickeln bzw. durchsetzen werden. Für Hilfspersonen hat der Schuldner nach den üblichen Grundsätzen einzustehen (Art. 55 bzw. 101 OR).

Die Haftung soll insbesondere auch dann greifen, wenn der Schuldner ein Register wählt, das den Anforderungen nach Artikel 973d Absatz 2 E-OR nicht genügt und die Erwerberinnen und Erwerber des (vermeintlichen) Registerwertrechts hierüber falsch informiert werden. Die Übertragung der Rechte könnte sich in einem solchen Fall
rückwirkend als unwirksam herausstellen, da die Wertpapierwirkungen nicht eintreten konnten. Die Erwerberinnen und Erwerber von (vermeintlichen) Registerwertrechten sind deshalb in ihrem Vertrauen auf die Informationen des Schuldners zu schützen.142 Sie könnten gestützt auf seine Versprechungen etwas erworben haben, was sich im Nachhinein als völlig wertlos herausstellt. In solchen Fällen wird 142

Vgl. hierzu die Erläuterungen zu Art. 973d Abs. 2 Ziff. 2 E-OR.

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der Schuldner den Erwerberinnen und Erwerbern regemässig aus Culpa in Contrahendo haften. Im Übrigen kommen dort, wo ein Vertragsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Erwerber eines Registerwertrechts tatsächlich entsteht, auch die allgemeinen Grundsätze der Vertragshaftung zum Tragen (Art. 97 ff. OR). Die vorgeschlagene gesetzliche Informationshaftung ohne Freizeichnungsmöglichkeiten stellt eine Ergänzung dazu da, welche in jedem Fall eine ausreichende Dokumentation sowie eine möglichst bewusste und angemessene Risikoverteilung gewährleisten soll.

Von der Haftung nach Artikel 973i Absatz 2 E-OR soll sich der Schuldner nicht freizeichnen können (Art. 973i Abs. 3 E-OR). Dies gilt auch für die Hilfspersonenhaftung. Es obliegt gemäss den allgemeinen wertpapierrechtlichen Grundsätzen den Parteien, die Integrität und sichere Funktionsweise des Registers sicherzustellen, wobei der Schuldner am besten dazu geeignet ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Er hat seine potenziellen Vertragspartner deshalb vollständig darüber aufzuklären, wie das Register funktioniert und gesichert ist und soll für die Korrektheit dieser Informationen einstehen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Freizeichnungsmöglichkeit den Schuldner von dieser Verantwortung ungebührlich entlasten würde.

Selbstverständlich bleibt es dem Schuldner aber unbenommen, sich bei dem Betreiber eines Registers oder sonstigen beigezogenen Dritten schadlos zu halten und die Haftung allenfalls vertraglich auf diese zu überwälzen. Im Rahmen der Privatautonomie können vielfältige Abreden getroffen werden, um eine angemessene Risikoverteilung zu bewirken. Der Schuldner, welcher in der Regel den Impuls für die Registrierung eines Rechts in einem verteilten elektronischen Register geben wird und davon auch massgeblich profitiert, wird jedoch von Gesetzes wegen als Ausgangspunkt bestimmt.

Koordination mit der Revision des Finanzhaushaltgesetzes Mit der Botschaft vom November 2019 betreffend eine Revision des Finanzhaushaltgesetzes (FHG) soll die Eidgenössische Finanzverwaltung ermächtigt werden, Bundesanleihen in der Form von Wertrechten auszugeben (Art. 60 Abs. 3 E-FHG).

Diese Bestimmung soll auch nach dem Inkrafttreten der DLT-Vorlage nur die Wertrechte im Sinn des geltenden Artikel 973c OR erfassen, d. h. künftig die einfachen Wertrechte. Die
Zirkulationsfähigkeit der Registerwertrechte ist für die Bundesanleihen nicht erforderlich, da diese stets als Bucheffekten ausgegeben werden sollen.

Je nach dem weiteren Verlauf der beiden Gesetzgebungsvorhaben wird daher eine Koordinationsbestimmung notwendig sein, um sicherzustellen, dass im Wortlaut von Artikel 60 Absatz 3 FHG ab dem Inkrafttreten des zweiten Gesetzes oder bei gleichzeitigem Inkrafttreten beider Vorlagen die Rede von einfachen Wertrechten nach Artikel 973c OR ist.

290

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5.1.3

Warenpapiere

Art. 1153 Randtitel Die Einführung einer neuen Bestimmung für Warenpapiere (Art. 1153a E-OR) macht eine Änderung der Marginalie von Artikel 1153 OR nötig.

Art. 1153a

Gleichwertige Titel in Wertrechteregistern

Die vorgeschlagene Bestimmung erlaubt die Ausgabe von Warenpapieren in der Form von Registerwertrechten gemäss Artikel 973d E-OR. Die übrigen auf Warenpapiere anwendbaren Regeln bleiben bestehen.

Diese Lösung steht im Einklang mit Artikel 8 der sogenannten Rotterdam-Regeln, welche von der Schweiz unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert wurden.143 Diese sehen die Möglichkeit elektronischer Warenpapiere vor und stellen für deren Zulässigkeit ebenfalls auf den Parteiwillen und die Erfüllung der Funktionen eines Wertpapiers ab.

5.2

Bundesgesetz vom 11. April 1889144 über Schuldbetreibung und Konkurs

Art. 242a

Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte

Die neue Bestimmung soll einen gesetzlichen Anspruch auf Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte gewähren. Dies gilt unabhängig davon, ob der Token von der Kundin oder vom Kunden ursprünglich an den Konkursiten übertragen worden ist oder ob der Konkursit diesen erst nachträglich für die Kundin oder den Kunden erworben oder diesem zugeordnet hat: Der Anspruch erfolgt entweder aus dem Gedanken der sachenrechtlichen (Art. 641 Abs. 2 ZGB) oder aber der auftragsrechtlichen (Art. 401 Abs. 3 OR) Aussonderung. Der Anspruch richtet sich gegen die Konkursmasse und muss von der Konkursverwaltung im Rahmen der Abwicklung des Konkurses auf entsprechendes Gesuch hin geprüft werden. Aufgrund der inhaltlichen Nähe zum bestehenden konkursrechtlichen Aussonderungsanspruch für bewegliche Sachen erscheint es naheliegend, die neue Bestimmung direkt im Anschluss an Artikel 242 SchKG einzuordnen. Die neue Bestimmung lehnt sich zudem auch inhaltlich und strukturell stark diese Bestimmung an.

Hinzuweisen ist schliesslich darauf, dass die vorliegende Regelung nur zur Anwendung kommt, wenn keine andere Regelung vorgeht. Namentlich dann, wenn die Vermögenswerte der Kundin oder dem Kunden im Rahmen der Bestimmungen über die Absonderung von Depotwerten gemäss BankG ausgehändigt werden können, braucht es keine Aussonderung nach SchKG.

Absatz 1 regelt die Frage, welche Vermögenswerte überhaupt dem Aussonderungsverfahren unterliegen. Die Formulierung ist dem bestehenden Artikel 242 Absatz 1 143 144

Vgl. dazu Ziff. 1.2.1 oben.

SR 281.1

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SchKG nachgebildet. Dabei wird entsprechend der Marginalie klargestellt, um welchen Gegenstand es in der Bestimmung geht. Mit dem Begriff «kryptobasierte Vermögenswerte» sind alle Vermögenswerte gemeint, bei denen die Verfügungsmacht ausschliesslich über ein kryptobasiertes Zugangsverfahren vermittelt wird.

Erfasst werden so unter anderem die sogenannten Zahlungs-Token sowie die neu geschaffenen Registerwertrechte. Nicht Gegenstand der neuen Regelung sind dagegen andere unkörperliche oder digitale Vermögenswerte, etwa (rein obligatorische) Forderungsansprüche oder geldwerte Datensammlungen und Informationen.

Der Konkursit muss ­ wie unter Ziffer 4.1.2.1 ausgeführt ­ zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung die tatsächliche Verfügungsmacht über den Vermögenswert innehaben, damit der Vermögenswert überhaupt in die Konkursmasse fällt. Wie dargelegt fallen ausschliesslich diejenigen Vermögenswerte in die Konkursmasse, auf die die oder der Berechtigte keinen eigenen Zugriff hat und bei denen der Gemeinschuldner über sämtliche notwendigen Schlüssel verfügt, um selber unmittelbar darüber verfügen zu können: Kann der Dritte selber über den Vermögenswert verfügen, so ist eine Herausgabe nicht erforderlich, kann die Konkursverwaltung nicht eigenständig darüber verfügen, so ist eine Herausgabe nicht möglich. In letzterem Fall ist bei gegebenen Voraussetzungen dagegen zu prüfen, ob der Schlüssel gestützt auf Artikel 242b E-SchKG (Zugang zu Daten) herausverlangt werden kann.

Absatz 2: Anders als bei Artikel 242 SchKG, der keinerlei Hinweise zur Frage enthält, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Aussonderung begründet ist und der damit lediglich implizit auf das materielle Recht verweist, erfordert die Regelung der in Artikel 242a E-SchKG aufgeworfenen Fragen eine Klärung der Anspruchsberechtigung, da sich deren Beantwortung nicht ohne Weiteres aus der übrigen Rechtsordnung ableiten lässt.

Mit der neuen Bestimmung wird explizit die Möglichkeit der Herausgabe kryptobasierter Vermögenswerte vorgesehen. Damit werden die Unsicherheiten des geltenden Rechts in Bezug auf die Aussonderung gestützt auf Artikel 242 SchKG beseitigt. Die Aussonderung ist allerdings an zwei weitere Voraussetzungen geknüpft: ­

292

Erstens muss sich der Gemeinschuldner gegenüber dem Dritten verpflichtet haben, die kryptobasierten Vermögenswerte jederzeit für den Dritten bereitzuhalten. Konkret bedeutet das, dass der Gemeinschuldner verpflichtet ist, ab dem Zeitpunkt der Übertragung der Verfügungsmacht über die Vermögenswerte durch den Dritten auf ihn oder ab dem Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht über die Vermögenswerte für den Dritten ununterbrochen die Verfügungsmacht (im Sinne von Abs. 1) über die Vermögenswerte zu haben, wobei es allerdings ausreicht, wenn sich die entsprechende Pflicht darauf beschränkt, die jeweils für Dritte gehaltene Anzahl Einheiten ununterbrochen in seinem Gewahrsam zu halten. Es darf mit anderen Worten erlaubt sein, einzelne Token zu ersetzen, solange die erforderliche Gesamtzahl der Token nicht unterschritten wird, sodass eine Rückleistung an die berechtigte Person jederzeit gewährleistet ist. Mit dieser Voraussetzung wird insbesondere verlangt, dass Eigengeschäfte des Konkursiten mit den hinterlegten Vermögenswerten unzulässig sein müssen. Ist im Vertrag vorgesehen, dass die Hinterlegungsstelle solche Aktivgeschäfte betreiben darf, so hat dies zur Folge, dass keine Hinterlegung vorliegt, eine Aussonderung nach SchKG

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nicht möglich ist und die Vermögenswerte als Einlage im Sinne des Bankengesetzes (mit entsprechenden Folgen) anzusehen sind.

­

145

Die zweite Voraussetzung kann auf zwei unterschiedliche Arten erfüllt werden: ­ Entweder müssen die Vermögenswerte dem Dritten individuell zugeordnet werden können (Bst. a).145 Mit diesem Erfordernis wird eine Analogie zum sachenrechtlichen Eigentum hergestellt, wie dies allgemein verlangt worden ist. In Abweichung vom Vorentwurf wird dagegen nicht mehr vorausgesetzt, dass die individuelle Berechtigung jeweils unmittelbar auf dem Distributed Ledger nachvollzogen werden kann. Erforderlich ist gemäss dieser Variante nur noch, dass jeder Token für den Zeitpunkt der Konkurseröffnung individuell einer oder einem einzelnen Berechtigten zugeordnet werden kann. In der Regel wird diese individualisierte Zuordnung erreicht, indem die Token auf einem speziellen Konto gehalten werden, das der oder dem betroffenen Berechtigten zugeordnet ist. Dabei reicht es aus, wenn sich diese Zuordnung aus einem internen Register des Gemeinschuldners ergibt. Soweit es technisch vorgesehen ist, dass die Token individualisiert werden können, indem beispielsweise jeder Token eine eigene Seriennummer hat, müssen sie nicht auf einem Konto platziert werden, das jeweils der oder dem einzelnen Berechtigten zugeordnet ist. In diesem Fall wäre die Voraussetzung der individualisierten Zuordnung auch erfüllt, wenn der einzelne, durch die Nummer spezifizierte Token mittels einer beim Gemeinschuldner verfügbaren Zuordnungstabelle den einzelnen Kundinnen und Kunden zugeordnet werden kann. Analog der geltenden Regelung für bewegliche Sachen steht damit im Konkurs fest, ob die Vermögenswerte der oder des Berechtigten noch vorhanden sind und deshalb eine Aussonderung überhaupt möglich ist.

­ Alternativ und in Ergänzung zur Regelung des Vorentwurfs erlaubt der vorliegende Entwurf überdies auch dann eine Aussonderung, wenn die Vermögenswerte der oder dem Berechtigten nicht individuell zugeordnet werden können, sie aber einer Gemeinschaft gehören (Bst. b). Dabei muss allerdings ersichtlich sein, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen jeder und jedem Berechtigten zusteht. Aussonderbar ist in diesem Fall der dem Dritten zustehende Anteil der noch vorhandenen Vermögenswerte. Auf diese Weise wird es möglich, die Token mehrerer Kundinnen und Kunden auf einem Sammelkonto (oder auf mehreren Sammelkonti) aufzubewahren.

Mit dieser Regelung wird die
Analogie zur sachenrechtlichen Hinterlegung fortgeführt: Wie bei beweglichen Sachen ist es auch bei kryptobasierten Vermögenswerten zulässig, die Vermögenswerte mehrerer Berechtigter gemeinsam aufzubewahren. Während diese bei beweglichen Sachen ein Miteigentum erlangen, ergibt sich bei nicht körperlichen Vermögenswerten ein gemeinschaftlicher Anspruch auf Herausgabe In diesem Sinne auch Eckert 2016: 266; Schönknecht 2016: 309; Hauser-Spühler/Meisser 2016: 11; Maurenbrecher/Meier 2017: Rz. 26; Graham-Siegenthaler/Furrer 2017: Rz. 78.

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gemäss Artikel 242a Absatz 2 Buchstabe a E-SchKG, soweit die Vermögenswerte der Gemeinschaft zugeordnet werden können. Eine Aussonderung wäre damit auch gestützt auf Buchstabe a möglich, allerdings nur auf Gesuch der Gemeinschaft hin und nur in Bezug auf die Gesamtheit der Vermögenswerte. Während ausserhalb eines Konkursverfahrens auf dem Weg einer vertraglichen Regelung die Herausgabe der einer oder einem einzelnen Berechtigten zustehenden Anzahl von Vermögenseinheiten ohne Weiteres zulässig ist, bedarf es für den Fall des Konkurses einer gesetzlichen Grundlage, welche die Konkursverwaltung ermächtigt, die Vermögenswerte an die einzelnen Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller zu übertragen. Genau dies soll mit Artikel 242a Absatz 2 Buchstabe b E-SchKG erreicht werden. Dies führt im Ergebnis zur gleichen Lösung, wie sie das geltende Recht für die Hinterlegung beweglicher Sachen in Artikel 484 OR vorsieht.

Sofern die betreffenden Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ein Anspruch gegenüber der Konkursmasse auf Übertragung der betroffenen Vermögenswerte. Die Bedenken, die in der Vernehmlassung teilweise vorgebracht wurden, dass sich der betreffende Anspruch in der Praxis oftmals nicht oder nur schwierig durchsetzen lasse, sind zwar nachvollziehbar; es handelt sich aber um ein allgemeines Problem des Konkursrechts, dem bereits das geltende Recht Rechnung trägt. Artikel 242a E-SchKG begründet lediglich einen Anspruch gegen die Konkursmasse für den Fall, dass die betreffenden Vermögenswerte tatsächlich vorhanden sind und darüber verfügt werden kann.

Absatz 3: Hier wird das Verfahren und die Verwirkung des Anspruchs geregelt. Der Absatz entspricht dem geltenden Artikel 242 Absatz 2 SchKG.

Absatz 4: Die Herausgabe der genannten Vermögenswerte kann im Einzelfall mit erheblichen Kosten verbunden sein, da mit der Konkurseröffnung häufig die Systeme heruntergefahren werden und auch die für die betreffenden Arbeiten erforderlichen Personen nicht mehr zur Verfügung stehen.146 Dabei wäre es nicht sachgerecht, die entstehenden Kosten von der Konkursmasse tragen zu lassen. Vielmehr erscheint es richtig, dass die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller den anfallenden Aufwand zu übernehmen hat. Zwar kann dies im Einzelfall bedeuten, dass hohe und unter Umständen sogar prohibitiv hohe Kosten entstehen. Eine solche
Kostenregelung erscheint allerdings sachgerecht: Wer sich einen Vertragspartner auswählt, der später in Konkurs fällt, hat auch die entsprechenden Folgen zu verantworten.147 Die neue Bestimmung verzichtet bewusst auf eine Regelung zur Admassierung, wie sie Artikel 242 Absatz 3 SchKG enthält. Eine solche Bestimmung ist nicht erforderlich, da sich ein entsprechendes Klagerecht bereits aus den allgemeinen Regeln ergibt.

146 147

294

Dazu Maurenbrecher/Meier 2017: Rz. 37.

In diesem Sinn auch Meisser/Meisser/Kogens 2018: Rz. 54.

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Art. 242b

Zugang zu Daten

Absatz 1 schafft einen Anspruch auf Zugang zu Daten, über welche die Konkursmasse die Verfügungsmacht hat. Der Anspruch soll dabei körperliche und unkörperliche (digitale) Daten erfassen, ohne ein Eigentum an Daten zu begründen. Auch Passwörter, die auf einem Zettel festgehalten sind, sollen darunterfallen. Der wirtschaftliche Wert der Daten spielt keine Rolle. Artikel 197 Absatz 1 SchKG geht zwar davon aus, dass zur Konkursmasse nur das «pfändbare Vermögen» gehört. Das SchKG enthält bislang lediglich eine Aufzählung, welche Gegenstände trotz ihres Vermögenswertes nicht gepfändet werden können (Art. 92 SchKG), dagegen keine Bestimmungen zu den nicht vermögenswerten Gegenständen. Dennoch erscheint es sachgerecht, der Konkursverwaltung auch diesbezüglich eine klare Vorgabe zu machen, vor allem, weil ein Zugang zu Daten ­ anders als eine Herausgabe körperlicher Objekte, die einfach zur Verfügung gestellt werden können ­ häufig einen erheblichen administrativen und auch finanziellen Aufwand verursacht und die Konkursverwaltung diesen Zugang deshalb nicht einfach so gewähren kann. Die vorgeschlagene Kostenregelung gemäss Artikel 242b Absatz 3 E-SchKG ermöglicht es, bei der grundsätzlichen Gewährung des Datenzugangs grosszügiger zu sein und diesen auch dann zu gewähren, wenn er mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, etwa, weil die Daten vorgängig noch aufbereitet oder konvertiert werden müssen.

Selbstverständlich können mit der neuen Bestimmung nicht sämtliche Daten, über die die Konkursmasse die Herrschaft hat, einfach an Dritte herausgegeben werden, und zwar auch dann nicht, wenn der entsprechende Aufwand gemäss Absatz 4 von der Gesuchstellerin oder vom Gesuchsteller ersetzt wird: Die Daten sind einerseits immer dort an die Gesuchstellerin oder den Gesuchsteller herauszugeben, wo ein gesetzlicher Anspruch besteht. Dieser Verweis entspricht im Ergebnis dem bestehenden Artikel 242 SchKG, der jedenfalls implizit auch auf die gesetzlichen Aussonderungsgründe verweist, insbesondere auf das sachenrechtliche Eigentum (Art. 641 Abs. 2 ZGB), welches den Hauptanwendungsfall bildet. Zusätzlich kennt das Gesetz in Artikel 401 OR ein auftragsrechtliches Aussonderungsrecht im Konkurs des Beauftragten, wobei der Anspruch auf bewegliche Sachen beschränkt ist. Auch das SchKG selbst begründet in den Artikeln
201­203 konkursrechtliche Aussonderungsansprüche für bestimmte Vertragskonstellationen.

Schliesslich wurde auch mit dem Übereinkommen vom 1. Juli 1985148 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung in Artikel 284b SchKG eine Aussonderung des Trustvermögens aus der Konkursmasse des Trustees vorgesehen.

Von grösserer Bedeutung für den vorliegenden Kontext ist dagegen der Anspruch auf Zugang zu den Daten für den Fall, dass ein entsprechender vertraglicher Anspruch besteht. Dieser muss vor der Konkurseröffnung begründet worden sein, wobei es nicht erforderlich ist, dass er explizit über die Konkurseröffnung hinaus erstreckt worden ist. Erfasst werden damit grundsätzlich alle Fälle, in denen die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller bereits vor der Konkurseröffnung einen Anspruch auf Zugang zu den Daten hatte, etwa wenn eine Unternehmensbuchhaltung auf einem Server des Konkursiten abgelegt und von der Gesuchstellerin oder 148

SR 0.221.371

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vom Gesuchsteller abgerufen werden konnte. Denkbar ist es im Übrigen auch, dass ein derartiger vertraglicher Anspruch erst mit der Konkurseröffnung entsteht. So kann etwa vereinbart werden, dass der Quellcode einer lizenzierten Software vor dem Konkurs für den Lizenznehmer nicht zugänglich ist und dieser den entsprechenden Zugang erst mit der Konkurseröffnung erhält, damit er die Software auch in Zukunft benutzen und weiterentwickeln kann. Auf diese Weise könnten die heute vorgesehenen Escrow-Vereinbarungen für derartige Fälle ersetzt werden.

Selbstverständlich ist in derartigen Fällen immer darauf zu achten, dass keine Benachteiligung der übrigen Konkursgläubiger stattfindet. Der Datenzugang darf mit anderen Worten nicht zu einer ungerechtfertigten Entwertung der Konkursmasse führen. Vertraglich vorgesehene Gegenleistungen sind deshalb zu erbringen, damit der Zugang zu den Daten gewährt werden kann. Beanspruchen mehrere Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller den Datenzugang, so ist zu prüfen, ob dieser allen zu gewähren ist. Der Anspruch muss ausserdem auch fällig sein; schliesslich ist die Konkursmasse berechtigt, sich bei gegebenen Voraussetzungen auf Artikel 82 OR zu berufen und die Leistung vorläufig zu verweigern.

Festzuhalten ist ausserdem, dass durch den Anspruch auf Datenherausgabe keine neue Pflicht der Konkursverwaltung geschaffen werden soll, Daten im Konkurs aufzubewahren. Für die Aufbewahrungspflicht kann vielmehr auf das geltende Recht verwiesen werden. Besteht danach keine Aufbewahrungspflicht, so dürfen die Daten nach wie vor vernichtet werden, womit auch der Anspruch auf Datenzugang untergeht.

Nicht im SchKG zu regeln ist ein allfälliger Anspruch auf Löschung der Daten, sei dies im Rahmen einer Gewährung des Zugangs nach Artikel 242b Absatz 1 ESchKG, sei dies unabhängig davon. Die Konkursverwaltung hat die entsprechenden Persönlichkeits- und Geheimhaltungsinteressen gestützt auf die allgemeinen Regeln (Art. 28 ZGB, Datenschutzgesetze) zu wahren.

Absatz 2: Das Verfahren zur Gewährung des Datenzugangs wird durch Gesuch eines Dritten an die Konkursverwaltung eröffnet. Die Konkursverwaltung prüft die Voraussetzungen gemäss Absatz 1 und entscheidet in der Folge darüber, ob dem Gesuch stattgegeben wird. Im Falle einer Abweisung muss die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller ihren
oder seinen Anspruch beim Gericht geltend machen, wobei die Konkursverwaltung die Pflicht trifft, die Daten bis zum Abschluss des Verfahrens verfügbar zu halten.

Absatz 3: Wie bei Artikel 242a Absatz 4 E-SchKG hat auch hier die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller sämtliche Kosten, die mit einer Verschaffung des Datenzugangs verbunden sind, zu übernehmen.

Absatz 4: Der neue Anspruch auf Datenzugang soll allfällige, bereits nach geltendem Recht bestehenden Ansprüche nicht einschränken oder aufheben. Namentlich die in den verschiedenen Datenschutzgesetzen festgehaltene Pflicht zur kostenlosen Auskunftserteilung soll durch den neuen Anspruch nicht modifiziert werden.

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5.3

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987149 über das Internationale Privatrecht

Art. 105 Abs. 2 Eines der Hauptziele der Änderungen im IPRG ist die Klarstellung, dass die bestehenden Regeln des schweizerischen internationalen Privatrechts, die Wertpapiere betreffen, grundsätzlich auch für Wertpapier-Äquivalente150 gelten. Die vorgeschlagenen Änderungen in Artikel 105 Absatz 2 IPRG sind vor diesem Hintergrund zu sehen.

Dingliche Rechte an Grundstücken und beweglichen Sachen unterstehen nach den Artikeln 99­104 IPRG dem Recht am Lageort der jeweiligen Sache. Das gilt auch für Pfandrechte. Ausgenommen ist jedoch die Verpfändung von Wertpapieren, die zusammen mit der Verpfändung von Forderungen und anderen Rechten separat geregelt ist. Der betreffende Artikel 105 IPRG sieht in Absatz 1 die Möglichkeit einer Rechtswahl vor. Fehlt eine solche, gelten gemäss Absatz 2 unterschiedliche Regime für Forderungen und Wertpapiere auf der einen Seite und «andere Rechte» wie Gesellschaftsanteile und Immaterialgüterrechte auf der anderen Seite. Sind solche «anderen Rechte» in einem Wertpapier verkörpert (wie beispielsweise Aktien), unterstehen sie der für Wertpapiere vorgesehenen Regelung.

Die vorgeschlagene Neufassung von Absatz 2 ersetzt nun im Ergebnis «Forderungen und Wertpapiere» durch «Forderungen und andere Rechte, die durch ein Wertrecht151, ein Wertpapier oder einen gleichwertigen Titel vertreten werden», um die angestrebte Gleichstellung von Wertpapieren und Wertpapier-Äquivalenten zu bewerkstelligen. Forderungen, die durch ein Wertpapier oder einen gleichwertigen Titel vertreten werden, sind bereits durch den Begriff «Forderungen» abgedeckt. Die im Passus mitgenannten Wertrechte werden im geltenden Artikel 105 bereits vom Wertpapierbegriff erfasst.152 Im vorliegenden Entwurf bedarf es nun aber einer ausdrücklichen Erwähnung, da «Wertpapier» fortan als Sonderform eines Titels verwendet wird und damit zu eng ist.

Für die Zwecke dieser Bestimmung umfasst die Verpfändung eines durch ein Wertpapier vertretenen Rechts auch das Papier selbst, da das Papier und das darin verkörperte Recht eine Einheit bilden und die Pfändung des Papiers stets auf die Pfändung des Rechts abzielt. Ein nicht-körperlicher Titel kann für sich allein gar nicht erst Gegenstand eines Pfandrechts sein.153 Art. 106

Warenpapiere und gleichwertige Titel

Die Gleichstellung von Wertpapieren und ihren Äquivalenten soll auch in Artikel 106 IPRG, der Warenpapiere zum Gegenstand hat, vollzogen werden.

149 150 151 152 153

SR 291 Dazu unten, zu Art. 145a E-IPRG.

Siehe zu diesen oben Ziff. 4.1.2, zu 973c E-OR.

Müller-Chen 2018: Art. 105 N 18.

Vgl. DLT-Bericht: 81.

297

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Warenpapiere werden im Warenhandel verwendet. Sie verkörpern die Forderung auf Herausgabe der Ware. Die von Artikel 106 Absatz 1 und 3 IPRG bezeichneten Rechtsordnungen bestimmen, ob ein Papier dieser Art vorliegt und inwieweit es neben dem besagten Herausgabeanspruch auch das Eigentum an der Ware verkörpert.154 Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll nun klargestellt werden, dass die betreffenden Regeln auch für Warenpapier-Äquivalente gelten. Gleichzeitig wird für die Ermittlung des anwendbaren Rechts neu auf Artikel 145a E-IPRG verwiesen, da es sich auch beim Anspruch auf Herausgabe der Ware um eine Forderung im Sinne dieser (neu vorgesehenen) Bestimmung handelt.

Artikel 106 Absatz 2 IPRG soll grundsätzlich unverändert bleiben, da diese Bestimmung nur auf Warenpapiere im herkömmlichen Sinn passt. An nicht-körperlichen Dokumenten sind nach Auffassung des Bundesrats keine dinglichen Rechte möglich.155 Die Bestimmung soll jedoch an die geänderte Terminologie in den revidierten IPRG-Bestimmungen angepasst werden. In diesem Sinne wird vorgeschlagen, «Papier» durch «physischer Titel» zu ersetzen.

Art. 108a

Begriff

Die Artikel 108a ff. IPRG enthalten besondere Vorschriften für Wertpapiere, die bei einem Intermediär im Sinne des Haager Wertpapierübereinkommens156 verwahrt werden. Mit den Änderungen in Artikel 108a IPRG soll nun klargestellt werden, dass «Wertpapiere» wie nach bisherigem Verständnis im weiten Sinne des erwähnten Übereinkommens und nicht im engen Sinne der Artikel 105, 106 und 145a E-IPRG auszulegen ist. Der im Übereinkommen verwendete Begriff erfasst auch Äquivalente von herkömmlichen Wertpapieren.157 In seiner aktuellen Fassung verweist Artikel 108a IPRG nur für den Begriff des Intermediärs auf das Übereinkommen, nicht hingegen für den Begriff des Wertpapiers.

Die neue Fassung von Artikel 108a E-IPRG beschränkt sich auf die Feststellung, dass der im 7a. Kapitel des IPRG verwendete Begriff «intermediärverwahrte Wertpapiere» im Sinne des Haager Übereinkommens zu verstehen ist. Damit ist alles Nötige gesagt. Auf den im Schrifttum als irreführend kritisierten158 Bezug auf die Verwahrung durch einen Intermediär kann nun verzichtet werden.

Art. 145a

Übertragung mittels eines Titels

Der bestehende Artikel 145 IPRG bestimmt das auf die Abtretung von Forderungen anwendbare Recht. Von ihm nicht erfasst wird die Übertragung von in einem Wertpapier verkörperten Forderungen, welche durch Übertragung des Papiers erfolgt.

Dieser Bereich soll nun in einem neuen Artikel 145a IPRG geregelt werden. Von dieser Regelung erfasst werden sollen nicht nur Wertpapiere im herkömmlichen Sinn, sondern auch nicht auf Papier basierende Äquivalente, insbesondere auch wertpapierähnliche Token als Teils eines Blockchain-Systems. Die neue Bestim154 155 156 157 158

298

Vgl. Müller-Chen 2018: Art. 106 N 2.

DLT-Bericht: 80.

SR 0.221.556.1 Vgl. zum Ganzen Kuhn 2018: Art. 108a N 2 und 5 ff. m. Hinw.

Vgl. Kuhn 2018: Art. 108a N 2.

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mung soll nur für die Übertragung von Forderungen gelten. In Bezug auf Gesellschaftsanteile und dingliche Rechte wurde im DLT-Bericht des Bundesrats kein Handlungsbedarf festgestellt. Das für Rechte dieser Art bestehende Regime ­ das nach Auffassung des Berichts sowohl für Wertpapiere als auch für Äquivalente gilt ­ wurde als hinreichend klar bewertet.159 Das in Artikel 145a E-IPRG bezeichnete Recht befindet darüber, ob eine Forderung durch einen Titel in Papier- oder gleichwertiger Form vertreten wird, ob m.a.W. ein Wertpapier160 oder ein Wertpapier-Äquivalent vorliegt. Wird dies bejaht, ergibt sich daraus, dass die Forderung mittels des betreffenden Titels übertragen wird. Das bezeichnete Recht bestimmt das dafür erforderliche Prozedere.

Gleichwertig ist jede Form, die es zulässt, den Titel wie ein Wertpapier zu verwenden. Der die Forderung verkörpernde Titel muss in irgendeiner Form mit einem Text verbunden sein, aus dem die betroffene Forderung hervorgeht, und er muss einem Inhaber zugerechnet werden können, der ihn einer anderen Person weitergeben können muss. Es soll hier eine möglichst technologieneutrale Regelung getroffen werden, die neben Token (inkl. «Registerwertrechte» im Sinne von Art. 973d E-OR) auch andere virtuelle Schriftstücke erfasst, ob elektronische (wie E-Mails oder Anhänge von E-Mails) oder solche in anderer Form.

Mit Übertragung «mittels dieses Titels» ist in erster Linie die Übertragung der Forderung durch Übertragung des Titels gemeint. Miterfasst werden sollen jedoch auch Vorgänge, bei denen keine Übertragung des Titels im engeren Sinn stattfindet, der Forderungsübergang sich jedoch trotzdem über einen Titel vollzieht. So wird etwa ein Token in etlichen Fällen nicht direkt weitergegeben, sondern durch Begründung eines neuen beim Empfänger ersetzt.

Inhaltlich und textlich orientiert sich die Bestimmung am bestehenden Artikel 106 IPRG betreffend Warenpapiere, der bislang einzigen Bestimmung im IPRG zur Frage der Übertragung verbriefter Rechte ausserhalb des Bereichs der intermediärverwahrten Wertpapiere161. Auch im Fall des Warenpapiers handelt es sich beim verbrieften Recht um eine Forderung.162 Der Bundesrat tendiert wie im DLT-Bericht von 2018163 dargelegt zur Annahme, dass für die Frage der Verbriefung einer Forderung und die Frage der Übertragung einer verbrieften
Forderung das Recht massgebend ist, dem der die Forderung begründende Vertrag untersteht. Somit würde primär das von den Vertragsparteien gewählte und subsidiär das mit dem Vertrag am engsten zusammenhängende Recht gelten, wobei Letzteres vermutungsweise das Recht am Sitz der Niederlassung des Erbringers der vertragscharakteristischen Leistung ist (Art. 116 f. IPRG). Die im DLT-Bericht als Alternative zur Diskussion gestellte sinngemässe Anwendung von Artikel 106 IPRG führt zu einem ähnlichen Ansatz. Nur muss die Rechtwahl im Papier aufgeführt sein, und subsidiär wird fix an die Niederlassung des Ausstellers angeknüpft. Beides erscheint bei verbrieften Forderungen sinnvoll, besonders, wenn 159 160 161 162 163

Vgl. zum Ganzen DLT-Bericht: 78­83.

Vgl. dazu DLT-Bericht: 57.

Vgl. unten, letzter Absatz.

Vgl. Ziff. 4.1.1.2 oben und zu Art. 106 IPRG sowie DLT-Bericht: 58.

DLT-Bericht: 79.

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sie zirkulationsfähig sein sollen. Das Verkehrsschutzinteresse gebietet, dass Drittpersonen das anwendbare Recht leicht eruieren können. Artikel 145a E-IPRG folgt daher dem Ansatz des geltenden Artikel 106 Absatz 1 IPRG.

Bei der subsidiären Anknüpfung weicht die Bestimmung etwas vom aktuellen Artikel 106 Absatz 1 IPRG ab. Angeknüpft wird an den Sitz des Ausstellers statt an seine Niederlassung. Die Verweisung auf das Recht am Ort der «Niederlassung» in Artikel 106 Absatz 1 IPRG hat sich als zu unklar erwiesen. Zudem ist bei Gesellschaften (in aller Regel wird es sich beim Aussteller um eine solche handeln) der Gesellschaftssitz der für Dritte am einfachsten erkennbare Ortsbezug. Auch bei Einzelunternehmen scheint es unter diesem Aspekt sinnvoll, an den (Geschäfts-)Sitz anzuknüpfen. Die Anknüpfung an den «Sitz» ist kein Novum im IPRG. Sie wurde bereits in Artikel 126 Absatz 3 IPRG gewählt. Für den wohl seltenen Fall, dass es sich beim Aussteller um eine blosse Privatperson handelt, ist eine subsidiäre Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt vorgesehen. Der geltende Artikel 106 IPRG regelt diesen Fall nicht, wohl, weil er bei Warenpapieren kaum je vorkommen dürfte. Hingegen sieht Artikel 117 Absatz 2 IPRG eine entsprechende Anknüpfung vor.

Verknüpft die von Artikel 145a Absatz 1 E-IPRG bezeichnete Rechtsordnung die Übertragung der Forderung mit der sachenrechtlichen Übertragung des Titels, so sind für Letztere gemäss Absatz 2 die Bestimmungen des 7. Kapitels des IPRG («Sachenrecht») massgebend. Ob das Eigentum am Titel übergegangen ist, beurteilt sich demnach nach dem Recht des Orts, an dem er sich befindet (Lex Chartae sitae).

Eine entsprechende Regelung gilt nach herrschender Auffassung bereits für die Übertragung von Wertpapieren unter dem bestehenden Recht. Artikel 106 Absatz 2 IPRG ist Ausdruck davon. Die Verweisung auf die Lex Chartae sitae für die Übertragung von Wertpapieren gerät zwar zunehmend unter Kritik. Sie entspricht aber noch immer dem internationalen Standard, so dass von ihr höchstens im Rahmen eines multilateralen Staatsvertrags abgewichen werden sollte.

Artikel 145a Absatz 2 E-IPRG soll nur für «physische Titel» gelten. An nichtkörperlichen Titeln sind nach der im DLT-Bericht des Bundesrates164 vertretenen Auffassung keine dinglichen Rechte möglich. Für die darin verbrieften
Forderungen beurteilen sich sämtliche Aspekte der Übertragung nach Absatz 1 von Artikel 145a E-IPRG.

Wie schon Artikel 145 IPRG, bezieht sich Artikel 145a E-IPRG nicht auf die Verpfändung einer Forderung. Für diesen Bereich ist Artikel 105 IPRG massgebend.165 Ist eine von Artikel 145a E-IPRG erfasste Forderung einem Depotkonto im Sinne des Haager Wertpapierübereinkommens166 gutgeschrieben worden, beurteilt sich ihre Übertragung oder Belastung nach dem vom Übereinkommen bezeichneten Recht (Art. 108c IPRG).

164 165 166

300

Vgl. DLT-Bericht: 81.

Siehe die Erläuterungen zu diesem Artikel oben.

SR 0.221.556.1

BBl 2020

5.4

Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 2003167

Art. 19 und 20 Abs. 1 Aufgrund der Aufnahme der DLT-Handelssysteme in den Katalog der Finanzmarktinfrastrukturen (vgl. Art. 2 Bst. a E-FinfraG) und der entsprechenden Anpassungen in den Artikeln 22 und 25 E-FinfraG sind die DLT-Handelssysteme auch in Artikel 19 NBG aufzunehmen, sofern sie Dienstleistungen im Bereich der zentralen Verwahrung, der Abrechnung oder der Abwicklung erbringen. Ebenso sind DLTHandelssysteme in Artikel 20 NBG einzuführen.

5.5

Bankengesetz vom 8. November 1934168

Art. 1b In Absatz 1 Buchstabe a wird neu statuiert, dass auch derjenige über eine Bewilligung nach Artikel 1b BankG verfügen muss, der bestimmte kryptobasierte Vermögenswerte entgegennimmt. Mit dieser Anpassung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nach dieser Vorlage neu auch sammelverwahrte kryptobasierte Vermögenswerte aussonderbar bzw. absonderbar sind, sofern ersichtlich ist, welcher Anteil am Gemeinschaftsvermögen dem Depotkunden zusteht (zur Begründung der Aussonderbarkeit von sammelverwahrten kryptobasierten Vermögenswerten siehe die Erläuterungen zu Art. 242a SchKG. Diese Bestimmung wird in Art. 16 BankG gespiegelt). Da absonderbare Vermögenswerte keine Verbindlichkeiten nach Artikel 6 Absatz 1 BankV darstellen und damit nicht als Publikumseinlagen gelten, bedarf ihre Verwahrung auch keiner Bankbewilligung (Art. 1a Bst. a und b BankG).

Entsprechend gilt die in Artikel 1b BankG enthaltene Begrenzung für Publikumseinlagen von 100 Millionen Franken nicht für solche, ausserhalb der Bilanz gehaltenen, absonderbaren kryptobasierten Vermögenswerte Wie bereits unter Ziffer 4.1.5 vorne dargestellt, ist es nun weder sachgerecht noch wünschbar, dass Personen ohne Aufsicht Vermögenswerte von zahlreichen Anlegerinnen und Anlegern in unbeschränkter Höhe zur Verwahrung entgegennehmen können, auch wenn es sich dabei um kryptobasierte Vermögenswerte handelt. Dies gilt insbesondere für Zahlungs-Token, die von ihrer Funktion her mit Fiat-Geld vergleichbar sein können und bei denen eine aufsichtsrechtliche Ungleichbehandlung bei der Verwahrung nicht gerechtfertigt erscheint. Da die hier zur Diskussion stehenden Token absonderbar sind, rechtfertigt es sich auf der anderen Seite auch nicht, einzig für deren Entgegennahme eine volle Bankbewilligung nach Artikel 1a BankG zu verlangen, die mit ihren Anforderungen an die Eigenmittel von einer Vermischung der Publikumseinlagen mit Geld der Bank und von einem Aktivgeschäft ausgeht. Sofern bei der Verwahrung von kryptobasierten Vermögenswerten weder eine Vermischung von Vermögenswerten der Anlegerinnen sowie Anleger und der Bank erfolgt noch ein Aktivgeschäft be167 168

SR 951.11 SR 952.0

301

BBl 2020

trieben wird, erscheint es folgerichtig, die Entgegennahme von solchen sammelverwahrten kryptobasierten Vermögenswerten unter die vor Kurzem zur Innovationsförderung neu geschaffene Bewilligung nach Artikel 1b BankG zu stellen.

Der Bundesrat wird sodann in der BankV die konkreten Anforderungen formulieren, die an die Verwahrung von sammelverwahrten kryptobasierten Vermögenswerte gestellt werden, und er wird insbesondere auch definieren, die Entgegennahme welcher kryptobasierten Vermögenswerte einer Bewilligung nach Artikel 1b BankG bedarf. Wegen ihrer Vergleichbarkeit mit Fiat-Geld wird es sich hier insbesondere um Zahlungs-Token handeln, die sammelverwahrt werden. E contrario wird damit auf Stufe Verordnung dann auch geregelt sein, welche kryptobasierten Vermögenswerte (wie bis anhin) ohne Bewilligung entgegengenommen werden können. Die in der BankV festgelegten Mindestkapitalanforderungen für Personen nach Artikel 1b BankG orientieren sich an den entgegengenommenen Publikumseinlagen (vgl.

Art. 17a BankV). Die künftige Entgegennahme von kryptobasierten Vermögenswerten ohne Einlagencharakter würde sich damit nicht direkt auf die Mindestkapitalanforderung auswirken. Die FINMA kann jedoch ­ bereits heute ­ im Einzelfall höhere Anforderungen an das Mindestkapital stellen, wenn dies aufgrund der mit dem Geschäft verbundenen Risiken (z. B. operationelle Risiken, die gerade bei DLTAnwendungen aus der Perspektive des Schutzes von Anlegerinnen und Anleger von Bedeutung sind) als geboten erscheint (vgl. Art. 17a Abs. 2 BankV).

In Absatz 4 Buchstabe d wird zur Klarheit festgehalten, dass die vom Bundesrat bestimmten kryptobasierten Vermögenswerte, analog zu den unter der Bewilligung von Artikel 1b BankG gehaltenen Publikumseinlagen, nicht von der Einlagensicherung erfasst werden. Dies ist schon deshalb sachgerecht, weil die besagten kryptobasierten Vermögenswerte nach Artikel 16 BankG grundsätzlich absonderbar sind und damit keine Einlagen darstellen.

Art. 4sexies Das Entgegennehmen und Verwahren kryptobasierter Vermögenswerte kann zu spezifischen Risiken führen, etwa operationeller Art im Bereich der für die Verwahrung eingesetzten IT-Infrastruktur (Cybersicherheit). Dies gilt gleichermassen, unabhängig davon, ob solche Vermögenswerte von Banken (Art. 1a BankG) oder von Personen nach Artikel 1b BankG
entgegengenommen und verwahrt werden.

Risiken dieser Art zeigen sich auch dann, wenn diese kryptobasierten Vermögenswerte ausserhalb der Bilanz als Depotwerte für die Kundin oder den Kunden gehalten werden. Entsprechend wird der FINMA die Kompetenz eingeräumt, für kryptobasierte Vermögenswerte, die die Bank ausserhalb der Bilanz für ihre Kundinnen und Kunden hält, einen Höchstbetrag festzulegen, wenn dies aufgrund der mit dem Geschäft verbundenen Risiken als geboten erscheint. Die FINMA berücksichtigt dabei insbesondere die Funktion der kryptobasierten Vermögenswerte (z. B. ob diese regulatorisch als Zahlungs-Token zu erfassen sind), die ihnen zugrunde liegende Technologien (z. B. inwiefern die zugrunde liegende DLT-Technologie risikoerhöhende Faktoren aufweist) als auch risikomindernde Faktoren (z. B. technische Massnahmen oder bestehende regulatorische Anforderungen). Die Möglichkeit, einen Höchstbetrag festzulegen, ergänzt dabei das Instrumentarium der FINMA zur Begrenzung von Risiken. Sie kann z. B. von Banken zusätzliche Eigenmittel auf302

BBl 2020

grund von Geschäftsaktivitäten und eingegangen Risiken verlangen (Art. 45 der Eigenmittelverordnung169) oder höhere Anforderungen an das Mindestkapital bei Personen nach Art. 1b BankG stellen (Art. 17a Abs. 2 BankV). Die FINMA kann diesen Höchstbetrag sodann nach der Art der kryptobasierten Vermögenswerte (z. B.

Art des Token) oder nach den von der Bank betriebenen risikomindernden Massnahmen im Sinne der Verhältnismässigkeit differenzieren. Einer Bank steht es sodann auch frei, den Höchstbetrag übersteigende kryptobasierte Vermögenswerte entgegenzunehmen, soweit die Bank diese auf ihrer Bilanz hält und die damit verbundenen Vorschriften (z.B. Eigenmittelanforderungen) einhält. Die zugunsten der Bankkundin bzw. des Bankkunden geltende Aus- bzw. Absonderbarkeit der verwahrten kryptobasierten Vermögenswerte (vgl. Art. 242a E-SchKG, Art. 16 und 37d E-BankG) greift gleichwohl und unabhängig von der Art der Bilanzierung und dient so dem Schutz der Bankkundin bzw. des Bankkunden.

Dem Sinn und Zweck des Einleitungssatzes in Artikel 1b Absatz 1 BankG entsprechend, findet diese Bestimmung auch auf Personen nach Artikel 1b BankG Anwendung.

Art. 16 Artikel 16 BankG umschreibt die sogenannten Depotwerte, die gemäss Artikel 37d BankG im Konkurs einer Bank zugunsten der Depotkundinnen und -kunden aus der Konkursmasse abgesondert werden. Die Absonderung bezweckt eine Vorzugsbehandlung von dinglichen und gewissen obligatorischen Rechten, die im Depotauszug der Depotkundin oder des Depotkunden erscheinen und nicht in den Büchern der Bank. Analog zu diesem für die Qualifikation der Depotwerte entscheidenden Kriterium der individuellen Zuordnung ­ und abgestimmt auf die in Artikel 242a E-SchKG in dieser Vorlage neu aufgenommenen kryptobasierten Vermögenswerte ­ erfasst die neue Ziffer 1bis alle Arten von Token, die jederzeit individuell einer Kundin oder einem Kunden zugeordnet werden können. Dabei können bestimmte Token allenfalls Effekten sein (beispielsweise die DLT-Effekten nach Artikel 2 Buchstabe bbis E-FinfraG). In diesem Fall gelten diese als Depotwerte nach Ziffer 1.

Token, die nicht individuell zugeordnet werden können, fallen in die Konkursmasse.

Ob ein Token individuell zugeordnet werden kann, wird im Konkurs im Einzelfall zu entscheiden sein.

Anders als noch in der Vernehmlassungsvorlage sind auch
sammelverwahrte kryptobasierte Vermögenswerte absonderbar, wenn sie auf geeignete Weise jederzeit individuell zugeordnet sind (vgl. dazu vorne die Bemerkungen zu Art. 242a E-SchKG). Es ist also nicht Voraussetzung für die Absonderung, dass die Token auf der Blockchain individuell zugeordnet sind. Dies entspricht der heutigen Rechtslage bei Effekten und ergibt sich daraus, dass der Bank zur Verwahrung übergebene kryptobasierte Vermögenswerte nichts anderes als Depotwerte sind. Eine Absonderung als Depotwert setzt dabei voraus, dass sich die Bank verpflichtet hat die kryptobasierten Vermögenswerte für den Depotkunden jederzeit bereitzuhalten, was insbesondere bedeutet, dass sie mit diesen Werten kein Aktivgeschäft betreibt. Die Entgegennahme bzw. Verwahrung bestimmter kryptobasierter Vermögenswerte, 169

SR 952.03

303

BBl 2020

insbesondere von Zahlungs-Token, löst ­ in Abhängigkeit der im Einzelfall vorgesehenen Verwahrungsform ­ die Bewilligungspflicht nach Artikel 1b BankG aus; die Absonderbarkeit dieser Werte ändert hieran nichts (vgl. oben zu Art. 1b BankG).

Im Übrigen untersteht der Verwahrer auf jeden Fall dem GwG (Art. 2 Abs. 3 GwG).

Art. 37d Artikel 37d BankG wurde mit dem BEG angepasst im Bewusstsein, dass nicht alle Depotwerte nach BankG Bucheffekten sind. Das Verfahren nach BEG passt gemäss Botschaft aber auch auf Nichtbucheffekten, weshalb die Verweisung in Artikel 37d BankG auf das Absonderungsverfahren nach den Artikeln 17 und 18 BEG grundsätzlich auch für rechtlich an einen Token gebundene Effekten (so z. B. als Effekten ausgestaltete Wertrechte nach Art. 973d E-OR) gelten kann.

Was die bankengesetzliche Verweisung auf Artikel 19 BEG (Unterbestand) betrifft, so ist festzustellen, dass sie schon heute nur sachgerecht ist, soweit es sich um sammelverwahrte Effekten handelt, da naturgemäss nur bei diesen denkbar ist, dass die Depotkundinnen und -kunden einen Unterbestand anteilsmässig tragen. In diesem Sinne erscheint es richtig, dies mit der vorliegenden Revision klarzustellen, umso mehr, als zusätzliche Rechtsunsicherheiten infolge der in Artikel 16 BankG neu aufgenommenen, individuell zuordenbaren unkörperlichen Vermögenswerte zu vermeiden sind.

Was die heute auf Gesuch eines Dritten mögliche Absonderung von Vermögenswerten betrifft (vgl. Art. 34 Absatz 2 BankG i.V.m. Artikel 242 SchKG), so wird dieses Instrument kraft Artikel 34 Absatz 2 BankG ohne Weiteres auch im Bankenkonkurs mit den nach Artikel 242a und 242b E-SchKG neu eingeführten Aussonderungsmöglichkeiten für kryptobasierte Vermögenswerte und Daten erweitert. Die FINMA wird zu gegebener Zeit prüfen, ob hier eine entsprechende Anpassung auf Stufe der Bankeninsolvenzverordnung-FINMA nötig ist.170

5.6

Finanzdienstleistungsgesetz vom 15. Juni 2018171

Art. 3 Bst. b Die Anpassung der Legaldefinition der «Effekte» in Artikel 3 Buchstabe b EFIDLEG erfolgt spiegelbildlich zur Anpassung derselben Legaldefinition in Artikel 2 Buchstabe b E-FinfraG (vgl. die Erläuterungen zu Artikel 2 Buchstabe b EFinfraG; Ziff. 5.9 unten).

170 171

304

SR 952.05 BBl 2018 3615

BBl 2020

5.7

Finanzinstitutsgesetz vom 15. Juni 2018172

Art. 6 Abs. 2 Die in Artikel 6 Absatz 2 FINIG vorgesehene Bewilligungskaskade ist auf Institute zugeschnitten, welche fremde Vermögenswerte verwalten. Im Zug der vorliegenden Arbeiten am FINIG ist klar geworden, dass dies richtigerweise von den in Artikel 41 FINIG erwähnten Wertpapierhäusern nur für den unter Buchstabe a erfassten Kundenhändler gelten kann, nicht jedoch für die in den Buchstaben b und c erfassten Eigenhändler und Market Maker. Folglich soll bei dieser Gelegenheit hier klargestellt werden, dass nur die Bewilligung als Kundenhändler dazu ermächtigt, als Verwalter von Kollektivvermögen, als Vermögensverwalter und als Trustee tätig zu sein.

Art. 16

Ombudsstelle

Eine Ombudsstelle führt Vermittlungsverfahren über Streitigkeiten zwischen einem Finanzdienstleister und einer Kundin oder einem Kunden (vgl. Art. 74 FIDLEG).

Eine Anschlusspflicht macht daher auch nur für Finanzinstitute Sinn, welche überhaupt über Kundinnen und Kunden verfügen, also Finanzdienstleistungen erbringen.

Dies wird mit vorliegender Präzisierung klargestellt. Keiner Anschlusspflicht unterstehen folglich insbesondere Trustees, Eigenhändler und Market Maker, also auch nicht der neu als Wertpapierhaus bewilligungspflichtige Eigenhändler, der ein organisiertes Handelssystem betreibt. Da Absatz 2 dieser Bestimmung in Absatz 1 aufgeht, wird er aufgehoben.

Art. 41 Bst. b Eine Einrichtung zum diskretionären multilateralen Handel oder zum bilateralen Handel von DLT-Effekten ist ein organisiertes Handelssystem (OHS) im Sinne von Artikel 42 FinfraG und kein DLT-Handelssystem. Wer eine solche Einrichtung betreibt, bedarf folglich nach geltendem Recht einer Bewilligung als Bank, Wertpapierhaus oder Handelsplatz oder einer Anerkennung als Handelsplatz (vgl. Art. 43 Abs. 1 FinfraG). Dies ist nach Ansicht des Bundesrates insofern problematisch, als Unternehmen keine dieser Bewilligungen erhalten können, falls sie nicht tatsächlich auch die Tätigkeiten einer Bank, eines Wertpapierhauses oder eines Handelsplatzes wahrnehmen (sie sind nach der Praxis der FINMA diesfalls nicht bewilligungsfähig).173 Um diese Problematik abzuschwächen, soll neu auch als Wertpapierhaus gelten, wer den Eigenhandel betreibt und ein organisiertes Handelssystem nach Artikel 42 FinfraG betreibt. Dies würde für bestimmte Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen und diesen erlauben, ihr Geschäftsmodell im Rahmen einer regulierten und beaufsichtigten Tätigkeit auszuüben. Nicht als Wertpapierhaus gelten kann hingegen ­ obschon dies in der Vernehmlassung vereinzelt gefordert wurde ­ eine Einrichtung zum diskretionären multilateralen Handel oder 172 173

AS 2018 5247 Vgl. DLT-Bericht: 107.

305

BBl 2020

zum bilateralen Handel von (DLT-)Effekten, die weder für eigene noch für Rechnung von Kundinnen oder Kunden handelt. Damit würde der mit dem FINIG erst kürzlich definierte Begriff des Wertpapierhauses überstrapaziert. Den erwähnten Eingaben wird jedoch so weit wie möglich dadurch Rechnung getragen, dass neu auch DLT-Handelssysteme ein OHS betreiben dürfen (vgl. Art. 43 Abs. 1 E-FinfraG).

Art. 67 Abs. 2 Im Sinne einer Präzisierung des Gesetzes wird vorliegend klargestellt, dass die Bestimmungen des BankG über die Einlagensicherung und die nachrichtenlosen Vermögenswerte nur für den Kundenhändler gelten. Beim Eigenhändler und beim Market Maker machen die Bestimmungen keinen Sinn, da sie über keine Kundinnen und Kunden verfügen.

5.8

Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997174

Art. 2 Abs. 2 Bst. dbis­dquater In den Buchstaben dbis und dter werden materiell keine Änderungen vorgenommen.

Es wird lediglich die Abkürzung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes in d bis eingeführt und daraufhin in den Buchstaben dter und dquater verwendet.

Da im FinfraG ein neues Bewilligungskleid für DLT-Handelssysteme geschaffen wird, ist es erforderlich, diese Bewilligungskategorie als neue Kategorie von Finanzintermediären in Artikel 2 Absatz 2 GwG in einem neuen Buchstaben dquater separat aufzuführen. DLT-Handelssysteme können Funktionen wahrnehmen, die bis anhin von anderen unter das Geldwäschereigesetz fallenden Kategorien von Finanzintermediären wahrgenommen wurden, wie die Abrechnung und Abwicklung von Effekten oder die zentrale Verwahrung. Ausserdem können auch Retail-Kunden und institutionelle Kunden direkt Zugang zum Handel haben. Da Akteurinnen und Akteure am DLT-Handelssystem teilnehmen können, die nicht dem GwG unterstehen, sollen diese Handelssysteme dem Geldwäschereigesetz generell unterstellt werden, um die GwG Unterstellung in jedem Fall sicherzustellen.

Art. 3 Abs. 5 Der vorliegende Entwurf stellt auf den Wortlaut ab, welcher der Bundesrat mit der Botschaft zur Änderung vom 26. Juni 2019175 des Geldwäschereigesetzes verabschiedet hat. Artikel 3 Absatz 5 sowie Artikel 41 Absatz 2 GwG sind infolge des Inkrafttretens des Geldspielgesetzes176 anzupassen. Dieses sieht vor, dass die Veranstalterinnen von Grossspielen neu als Finanzintermediäre gelten und somit dem Geldwäschereigesetz unterstehen. Seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 2019 hat sich gezeigt, dass punktuell noch Änderungsbedarf im Geldwäschereigesetz besteht. Es 174 175 176

306

SR 955.0 BBl 2019, 5555, 5556 ff.

BGS, SR 955.01

BBl 2020

handelt sich durchwegs um formelle Anpassungen. Mit der erwähnten Botschaft wurde bereits die interkantonale Aufsichts- und Vollzugsbehörde (Comlot; interkantonale Behörde) an den fehlenden Stellen aufgenommen. Noch nicht vollständig nachgeführt wurde der Umfang der Kompetenzen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) die Ausführungsbestimmungen zu erlassen. 177 Die Umsetzung erfolgte bisher versehentlich nur in Artikel 17 GwG und soll nun auch in den Artikeln 3 Absatz 5 und 41 Absatz 2 zum Ausdruck gebracht werden. Die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK), welche in Bezug auf den Erlass der Ausführungsbestimmungen dieselbe Rolle im Spielbankenbereich erfüllt, ist denn auch bereits in beiden Bestimmungen aufgeführt. Entsprechend dienen diese Änderungen lediglich der Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

Art. 12 Bst. a Die in Artikel 12 Buchstabe a E-GwG vorgesehene Anpassung vollzieht die Ergänzung von Artikel 2 Absatz 2.

Art. 17 Abs. 1 Bst. a und c Die in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a E-GwG vorgesehene Anpassung vollzieht die Ergänzung von Artikel 2 Absatz 2.

Absatz 1 Buchstabe c wird materiell nicht geändert. Infolge der Anpassung von Artikel 3 Absatz 5 soll neu nur noch die Kurzbezeichnung EJPD in dieser Bestimmung verwendet werden.

Der Wortlaut von Artikel 17 E-GwG ist derjenige, welcher der Bundesrat im Rahmen der Botschaft vom 26. Juni 2019 verabschiedet hat. Diese sieht ebenfalls eine Änderung von Artikel 17 GwG vor (Aufnahme der Eidgenössischen Zollverwaltung als weitere Behörde).178 Art. 22a Abs. 2 Bst. a Die in Artikel 22a Absatz 2 Buchstabe a E-GwG vorgesehene Anpassung vollzieht die Ergänzung von Artikel 2 Absatz 2.

Art. 26a Abs. 1 Die in Artikel 26a Absatz 1 GwG vorgesehene Anpassung vollzieht die Ergänzung von Artikel 2 Absatz 2.

Art. 41 Abs. 2 Siehe die Erläuterungen zu Artikel 3 Absatz 5 E-GwG.

177

Vgl. dazu auch Art. 67 Abs. 4 und Art. 68 Abs. 4 BGS; Verordnung des EJPD über die Sorgfaltspflichten der Veranstalterinnen von Grossspielen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (GwV-EJPD, SR 955.022).

178 www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/57535.pdf

307

BBl 2020

5.9

Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008179

Art. 4 Abs. 2 Bst. g Das Geschäftsmodell von DLT-Handelssystemen gemäss Artikel 73a ff. E-FinfraG, welche Registerwertrechte immobilisieren und zentral verwahren, unterscheidet sich nicht wesentlich von demjenigen anderer Verwahrungsstellen nach Artikel 4 BEG.

Es ist nach Ansicht des Bundesrates deshalb sinnvoll, für die Beziehung der Anlegerinnen und Anleger zu den Verwahrungsstellen die etablierten Regeln des Bucheffektengesetzes zur Anwendung zu bringen. DLT-Handelssysteme, welche immobilisierte Registerwertrechte zentral verwahren, werden deshalb in die Liste der Verwahrungsstellen von Artikel 4 BEG aufgenommen.

Art. 5 Bst. g und h Die Einführung der Kategorie der Registerwertrechte in das Bucheffektengesetz bedingt einige redaktionelle Klarstellungen in Bezug auf die bestehende Kategorie der einfachen Wertrechte nach Artikel 973c OR.

Art. 6 Abs. 1 Bst. d sowie Abs. 3 Es soll künftig möglich sein, Registerwertrechte bei einer Verwahrungsstelle einzuliefern und damit zu Bucheffekten zu machen. Vorausgesetzt ist, dass die Registerwertrechte im Wertrechteregister, dem sie entspringen, stillgelegt werden. Ist dies der Fall, so verhalten sich die Registerwertrechte wie zentral verwahrte physische Wertpapiere und können nach den für sie geltenden Regeln behandelt werden.

Art. 7 Abs. 1 und 2 Artikel 7 BEG ist auf bei Einführung des Bucheffektengesetzes bereits bestehende Rechtsverhältnisse zugeschnitten und muss deshalb nur redaktionell angepasst werden. In Bezug auf die neue Kategorie der Registerwertrechte hat die Bestimmung keine Relevanz.

Art. 9 Abs. 1 Die Bestimmung wurde um die neue Kategorie der Registerwertrechte ergänzt.

Art. 11 Abs. 3 Bst. b Die Bestimmung wurde um die neue Kategorie der Registerwertrechte ergänzt.

Art. 17 Abs. 1 Bst. b sowie Abs. 4 Bst. b und c Die Bestimmung wurde um die neue Kategorie der Registerwertrechte ergänzt.

179

308

SR 957.1

BBl 2020

5.10

Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 2015180

Art. 2 Bst. a Ziff. 5a, Bst. b, bbis und j Die Aufzählung der Finanzmarktinfrastrukturen in Buchstabe a wird durch die neue Bewilligungskategorie des «DLT-Handelssystems» ergänzt. Für die Definition wird ­ wie bei den anderen Finanzmarktinfrastrukturen auch ­ auf die besonderen Bestimmungen verwiesen. Die Eingliederung des DLT-Handelssystems in die Legaldefinition der «Finanzmarktinfrastruktur» bewirkt, dass die allgemeinen Bewilligungsvoraussetzungen und Pflichten nach Artikel 4 ff. FinfraG auch für DLT-Handelssysteme gelten und ein Gleichlauf der Anforderungen sichergestellt ist. Ebenso finden damit weitere Bestimmungen des FinfraG auf DLT-Handelssysteme gleichermassen Anwendung wie auf andere Finanzmarktinfrastrukturen, beispielsweise die Modalitäten der Aufsicht und Überwachung (Art. 83 ff. FinfraG) und die insolvenzrechtlichen Bestimmungen (Art. 88 ff. FinfraG).

In Buchstabe b wird die Legaldefinition der Effekte ergänzt und klargestellt, dass Effekten auch auf der Grundlage der neuen Registerwertrechte (Art. 973d E-OR) geschaffen werden können. Die in der Vernehmlassung teilweise auch vorgeschlagene grundsätzliche Anpassung des Effektenbegriffs ginge dagegen über den Kern dieser Vorlage hinaus und soll deshalb im Rahmen der anstehenden Evaluation des FinfraG vertieft geprüft werden (s. Ziff. 4.1.10).

Die «DLT-Effekten» sind ­ aufgrund mehrerer Stellungnahmen in der Vernehmlassung ­ neu in Buchstabe bbis definiert (vormals Art. 73a Abs. 2 VE-FinfraG). DLTEffekten sind immer Effekten (Art. 2 Bst. b FinfraG) und gelten damit auch als Finanzinstrumente im Sinne des FIDLEG (Art. 3 Bst b FIDLEG). Als DLT-Effekten gelten dabei diejenigen Effekten, die ausgestaltet sind in der Form von Registerwertrechten (Art. 973d E-OR) oder von anderen in verteilten elektronischen Registern gehaltenen Wertrechten, die mittels technischer Verfahren Verfügungsmacht vermitteln DLT-Effekten können damit sowohl auf der Grundlage der neuen Registerwertrechte (Art. 973d E-OR) geschaffen werden als auch auf der Grundlage von anderen Wertrechten (z. B. nach ausländischem Recht), wenn letztere Wertrechte in verteilten elektronischen Registern gehalten und mittels technischen Verfahren der jeweiligen Gläubigerin oder dem jeweiligen Gläubiger die Verfügungsmacht über das entsprechende Wertrecht vermitteln.

Von der
Legaldefinition der DLT-Effekten nicht erfasst werden sog. ZahlungsToken und Nutzungs-Token. Obschon Nutzungs-Token auch in der Form von Wertrechten sowie den neuen Registerwertrechten ausgegeben werden können, gelten Nutzungs-Token nicht als Effekten, wenn der Nutzungs-Token ausschliesslich Anspruch auf Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermittelt und im Zeitpunkt der Ausgabe in diesem Sinne einsetzbar ist. Solange ein solcher Nutzungs-Token nicht als Effekte gilt, ist auch die Qualifikation als DLT-Effekte ausgeschlossen. Dies entspricht im Übrigen auch der geltenden Praxis der FINMA. Dementsprechend bewirkt beispielsweise der Handel mit Nutzungs-Token keine 180

SR 958.1

309

BBl 2020

Bewilligungspflicht als DLT-Handelssystem. Gleichzeitig ist nicht ausgeschlossen, dass an einem DLT-Handelssystem nebst DLT-Effekten auch andere Vermögenswerte gehandelt werden, die nicht als Effekten gelten (z. B. Nutzungs-Token, Zahlungs-Token).

Ebenfalls erfasst die neue Legaldefinition keine «klassischen» Effekten, die sich ihrerseits auf einen DLT-basierten Vermögenswert beziehen (z. B. ein klassisches Derivat mit einer Kryptowährung als Basiswert oder ein Exchange Traded Product mit kryptobasierten Vermögenswerten als Basiswerten).

Die Legaldefinition der Insiderinformationen (Bst. j) berücksichtigt die Schaffung des DLT-Handelssystems und steht im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Anpassungen in Artikel 142 f. und Artikel 154 f. E-FinfraG (vgl. die Erläuterungen unten).

Art. 16 Abs. 2 Der Schutz vor Verwechslung und Täuschung ist aufgrund der Ergänzung in Artikel 2 Buchstabe a FinfraG auch auf DLT-Handelssysteme auszudehnen.

Art. 22 und 25 DLT-Handelssysteme können auch Dienstleistungen im Nachhandelsbereich erbringen (vgl. Art. 73a E-FinfraG). Es ist heute nicht absehbar, ob DLT-Handelssysteme künftig systemisch bedeutsam werden. Für einzelne DLT-Handelssysteme erscheint dies zumindest nicht ausgeschlossen. Aufgrund funktionaler Vergleichbarkeit zwischen den in Artikel 22 und 25 erwähnten Finanzmarktinfrastrukturen und den DLTHandelssystemen mit Nachhandelsdienstleistungen sind solche DLT-Handelssysteme in Artikel 22 FinfraG und Artikel 25 FinfraG gleich zu behandeln wie Zentralverwahrer und Zahlungssysteme. In der Folge sind diese DLT-Handelssysteme auch in die Artikel 19 und 20 NBG aufzunehmen (vgl. Ziff. 5.4 oben).

Damit wird die SNB auch künftig ausschliesslich für die Überwachung von systemisch bedeutsamen DLT-Handelssystemen, die im Bereich des Nachhandels tätig sind, zuständig sein.

Art. 43 Abs. 1 Gleich wie ein Handelsplatz (Börse oder multilaterales Handelssystem) darf auch das neu geschaffene DLT-Handelssystem ein organisiertes Handelssystem betreiben.

Dies ist gerechtfertigt, da ein DLT-Handelssystem grundsätzlich gleichermassen reguliert wird wie ein multilaterales Handelssystem. Für weitergehende Ausführungen vgl. die Erläuterungen zu Artikel 41 Buchstabe b FINIG.

Art. 73a

Begriffe

Allgemeines Das DLT-Handelssystem ist als Finanzmarktinfrastruktur konzipiert, die Handelsdienstleistungen für DLT-Effekten anbietet. Als einheitliche Finanzmarktinfrastruktur kann sie auch Nachhandelsdienstleistungen anbieten. Entsprechend wird mit der 310

BBl 2020

Legaldefinition «DLT-Handelssystem» der Handel in den Vordergrund gestellt und gleichzeitig am Handelsobjekt angeknüpft, den sog. DLT-Effekten.

Abs. 1 Das DLT-Handelssystem wird in Anlehnung an das multilaterale Handelssystem (Art. 26 FinfraG) umschrieben als Einrichtung zum multilateralen Handel von DLTEffekten, die den gleichzeitigen Austausch von Angeboten unter mehreren Teilnehmenden sowie den Vertragsabschluss nach nichtdiskretionären Regeln bezweckt.

Das DLT-Handelssystem ist als einheitliche Finanzmarkinfrastruktur ausgestaltet, das neben Handels- auch Nachhandelsdienstleistungen mit DLT-Effekten anbieten kann, ohne dass dafür eine zusätzliche Finanzmarktinfrastrukturbewilligung der FINMA notwendig wäre. Die zulässigen Nachhandelsdienstleistungen umfassen die zentrale Verwahrung sowie die Abwicklung und Abrechnung von DLT-Effekten und damit Dienstleistungen, die heute von Zentralverwahrern (Art. 61 ff. FinfraG) und Zahlungssystemen (Art. 81 f. FinfraG) wahrgenommen werden. Demgegenüber sollen DLT-Handelssysteme nicht Risiken konzentrieren und entsprechend nicht als zentrale Gegenparteien für DLT-Effekten agieren.

Das DLT-Handelssystem kann zudem natürliche Personen als Teilnehmende am System zulassen, im Gegensatz zu multilateralen Handelssystemen. Die Notwendigkeit, dass ein DLT-Handelssystem mindestens eine der Anforderungen nach Artikel 73a Absatz 1 Buchstaben a­c erfüllen muss, stellt sicher, dass ein Geschäftsmodell ausschliesslich entweder in die Kategorie «multilaterales Handelssystem» oder in die neue Kategorie «DLT-Handelssystem» fällt, aber nicht beide Kategorien gleichzeitig erfüllen kann. Diese Umschreibung des DLT-Handelssystems stiess in der Vernehmlassung teilweise auf Kritik. Der Bundesrat hält jedoch an einer klaren Abgrenzung zwischen dem multilateralen Handelssystem und dem DLT-Handelssystem fest, sodass die heute etablierte und international abgestimmte Regulierung von Handelsplätzen (d.h. Börsen und multilateralen Handelssystemen) im FinfraG unverändert bleiben kann.

Das Bewilligungskleid des DLT-Handelssystems steht nicht offen für Handelssysteme, an denen keine DLT-Effekten gehandelt werden. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass an DLT-Handelssystemen im Sinne von Nebendienstleistungen zusätzlich zu DLT-Effekten auch Nichteffekten gehandelt werden könnten
(z. B. sog. Zahlungs-Token, wie Bitcoin, oder Nutzungs-Token).

Im Gegensatz zum Vorentwurf wird nun ausdrücklich festgehalten, dass ausschliesslich das gewerbsmässig betriebene DLT-Handelssystem als solches gilt und damit einer Bewilligungspflicht als Finanzmarktinfrastruktur (Art. 4 FinfraG) unterliegt.

Die Einschränkung der bewilligungspflichtigen Tätigkeit auf gewerbsmässige Angebote wurde in der Vernehmlassung mehrfach aufgebracht. Die Anknüpfung regulatorischer Erfordernisse an eine gewerbsmässige Tätigkeit ist im Finanzmarktrecht üblich.181 Mit dieser Änderung wird zudem auch der in der Vernehmlassung geäusserten Kritik, die vorgeschlagene Regulierung des DLT-Handelssystems sei schwerfällig, teilweise Rechnung getragen.

181

Siehe bspw. Art. 12, 17, 24, 41, 44, 52, 58 FINIG; Art. 3 Bst. d FIDLEG; Art. 1 Abs. 2, Art. 1a, Art. 1b Abs. 1 und Abs. 5 BankG.

311

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Sodann kann ein DLT-Handelssystem abhängig von der im Einzelfall erbrachten Tätigkeit als Finanzdienstleister im Sinne des FIDLEG gelten.

Abs. 2 Die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit entspricht Artikel 3 FINIG. Der Bundesrat beabsichtigt, den in Absatz 2 umschriebenen Begriff der Gewerbsmässigkeit analog zum FINIG auf Verordnungsstufe technisch weiter auszuführen.

Art. 73b

Geltung bestimmter für Handelsplätze aufgestellter Anforderungen

DLT-Handelssysteme sind als Handelssysteme für DLT-Effekten und damit für eine spezifische Art von Effekten konzipiert. Entsprechend wird auf die besonderen Anforderungen für Handelsplätze verwiesen. Vom Verweis nicht erfasst sind die Bestimmungen in den Artikeln 34, 35 und 36 FinfraG, für die eine spezifische Regelung vorgeschlagen wird (vgl. Art. 73c, 73d, 73e E-FinfraG). Für DLT-Handelssysteme gelten damit grundsätzlich die gleichen gesetzlichen Anforderungen wie für Handelsplätze. Im Rahmen der Anpassung der Finanzmarktinfrastrukturverordnung (FinfraV) sind die Ausführungsbestimmungen zu den Bestimmungen über Handelsplätze für DLT-Handelssysteme soweit erforderlich zu ergänzen bzw. aufgrund technologischer Eigenheiten anzupassen.

Art. 73c

Zulassung von Teilnehmern und deren Pflichten

Abs. 1 Die Bestimmung folgt im Wesentlichen den Anforderungen in Artikel 34 Absatz 2 FinfraG. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass DLT-Handelssysteme auch Privatkundinnen und -kunden offenstehen (Bst. e). Namentlich mit Blick auf die Bekämpfung von Risiken im Bereich der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung ist dieser Zugang für Privatkundinnen und -kunden davon abhängig, dass diese ausschliesslich in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an DLT-Handelssystemen handeln und ihrerseits keine Intermediärfunktion wahrnehmen. Buchstabe e erlaubt auch dem Bund, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) und dem Ausgleichsfonds AHV/IV/EO (Compenswiss) an einem DLT-Handelssystem teilzunehmen. Die Regelung entspricht damit materiell der dem Parlament bereits früher vorgeschlagenen Anpassung von Artikel 34 FinfraG.182 Ferner enthält die Regelung aufgrund der Vernehmlassung eine Präzisierung in Buchstabe b, wonach nach ausländischem Recht beaufsichtigte Teilnehmer nach Buchstabe b (und nicht ausschliesslich nach Bst. e) an einem DLT-Handelssystem ­ und damit auch für Rechnung Dritter ­ teilnehmen können.

Nicht zulässig ist, dass ein DLT-Handelssystem bei auf seinen Einrichtungen getätigten Geschäften mit DLT-Effekten oder anderen Vermögenswerten selbst als Gegenpartei auftritt bzw. eintritt. Der bilaterale Handel ist dem organisierten Handelssystem (OHS) vorbehalten, wobei ein DLT-Handelssystem ein OHS betreiben kann (vgl. die Erläuterungen zu Art. 43 Abs. 1 E-FinfraG).

182

312

Vgl. Vernehmlassung vom 8. März 2019 zur Änderung des Bankengesetzes (Einlegerschutz, Insolvenz).

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Abs. 2 In Absatz 2 wird die Auskunftspflicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an DLT-Handelssystemen gesetzlich festgehalten. Die Bestimmung lehnt sich an Artikel 29 FINMAG an. Da das DLT-Handelssystem jedoch auch nicht Beaufsichtigten (vgl. insbesondere Art. 73c Abs. 1 Bst. e E-FinfraG) offensteht, greift der Anwendungsbereich von Artikel 29 FINMAG zu kurz. Entsprechend ist eine Regelung für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem DLT-Handelssystem vorzusehen.

Die Auskunftspflicht für ausländische Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgt durch Vermittlung des entsprechenden DLT-Handelssystems.

Abs. 3 Teilnehmer an einem Handelsplatz haben heute eine Aufzeichnungs- und eine Meldepflicht (vgl. Art. 38­39 FinfraG). Diese Aufzeichnungs- und Meldepflichten sind grundsätzlich auch für den Handel an DLT-Handelssystemen von Belang.

Anders als bei den traditionellen Handelsplätzen (Börsen und multilateralen Handelssystemen) können am DLT-Handelssystem auch nicht Beaufsichtigte teilnehmen (vgl. etwa Art. 73c Abs. 1 Bst. e E-FinfraG). Um dieser Tatsache gerecht zu werden und um die nötige Flexibilität bei der Ausgestaltung von Aufzeichnungs- und Meldepflichten für nicht beaufsichtigte, natürliche und juristische, Personen zu haben, kann der Bundesrat Ausnahmen vorsehen.

Abs. 4 Dem Bundesrat wird die Kompetenz übertragen, die Einzelheiten über die Zulassung, die Pflichten und den Ausschluss von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an DLT-Handelssystemen zu regeln. Diese Delegation ist mit Blick auf die hohe Entwicklungsdynamik im DLT-Bereich erforderlich. Ebenfalls auf Verordnungsstufe näher zu regeln sind Fragen der zulässigen Abgrenzungen beim Zugang zu DLTHandelssystemen.

Abs. 5 Die Bestimmung ist Artikel 34 FinfraG nachgebildet. DLT-Handelssysteme haben ein Reglement zu erlassen über die Zulassung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, deren Pflichten und Ausschluss. Das Reglement unterliegt aufgrund des Verweises in Artikel 73b Buchstabe a E-FinfraG der Genehmigung durch die FINMA (vgl. Art. 27 Abs. 4 FinfraG).

Abs. 6 DLT-Handelssysteme haben die Einhaltung des Reglements zu überwachen und nötigenfalls vertragliche Sanktionen vorzusehen. Diese Bestimmung hat heute keine Entsprechung in Artikel 34 FinfraG, ist jedoch den Anforderungen in Artikel 36 Absatz 2 FinfraG nachgebildet und erscheint aufgrund der Öffnung des DLT-Handelssystems für Privatkundinnen und -kunden angezeigt.

313

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Art. 73d

Zulassung von DLT-Effekten und weiteren Vermögenswerten

Abs. 1 DLT-Handelssysteme haben ein Reglement über die Zulassung von DLT-Effekten zu erlassen, sowohl für die Zulassung zum Handel als auch zu allfälligen weiteren Nachhandelsdienstleistungen. Im Reglement ist insbesondere festzulegen, welches die Anforderungen an die DLT-Effekten und die Emittenten oder Dritte im Zusammenhang mit der Zulassung zum Handel sind (z. B., ob eine durch unabhängige Dritte durchzuführende technische Überprüfung der DLT-Effekten (Token-Audit) und des zugrunde liegenden Wertrechteregisters für die Zulassung zum DLT-Handelssystem erforderlich sind). Ferner wird klargestellt, dass sich die Prospektpflicht ausschliesslich nach den Artikeln 35­57 FIDLEG richtet. Materiell entspricht die Regelung damit Artikel 36 Absätze 1 und 3 FinfraG (in der vom Parlament mit dem FIDLEG verabschiedeten Fassung). Das Reglement und dessen Änderungen unterliegen der Genehmigung durch die FINMA (Art. 27 Abs. 4 FinfraG).

Abs. 2 Damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch die Eigenschaften weiterer Vermögenswerte, die zum Handel oder zu den Nachhandelsdienstleistungen eines DLTHandelssystems zugelassen sind, beurteilen können, hat das DLT-Handelssystem auch die Zulassung solcher Vermögenswerte in einem Reglement zu regeln. Das Reglement und dessen Änderungen unterliegen der Genehmigung durch die FINMA (Art. 27 Abs. 4 FinfraG).

Abs. 3 Aufgrund der hohen Entwicklungsdynamik ist im Bereich der Zulassung von DLTEffekten und weiteren Vermögenswerten eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat erforderlich. Namentlich soll der Bundesrat Mindestanforderungen an das Register erlassen können, in das die am DLT-Handelssystem zugelassenen DLT-Effekten eingetragen sind (Bst. a). Im Vordergrund stehen die auch dem Artikel 973d E-OR zugrunde liegenden Kernelemente der Integrität und Publizität. Sodann soll der Bundesrat DLT-Effekten und weitere Vermögenswerte bezeichnen können, die an DLT-Handelssystemen nicht zugelassen werden dürfen, etwa aus Gründen der Stabilität oder Integrität des Finanzsystems oder zum Schutz der Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer (Bst. b). Diese Bestimmung bildet die notwendige rechtliche Grundlage um beispielsweise als DLT-Effekten ausgestaltete Derivate vom Handel an DLT-Handelssystemen auszuschliessen. Diese Möglichkeit muss mit Blick auf die Sicherstellung der Marktintegrität
oder mit Blick auf die Bekämpfung von Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsrisiken zudem auch für andere Vermögenswerte bestehen, für die ein DLT-Handelssystem Dienstleistungen anbietet (z. B. für als Zahlungs-Token ausgestaltete Privacy Coins). Aus heutiger Sicht beabsichtigt der Bundesrat, solche DLT-basierten Derivate und Privacy Coins auf Verordnungsstufe von der Zulassung zu DLT-Handelssystemen auszuschliessen.

Gleichzeitig anerkennt der Bundesrat aber auch die Notwendigkeit, solche Regelungen flexibel auszugestalten, um technologischen Entwicklungen rasch Rechnung tragen zu können.

314

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Abs. 4 DLT-Handelssysteme haben die Einhaltung der Reglemente zu überwachen und bei Verstössen allfällige vertragliche Sanktionen zu ergreifen. Dies entspricht heute den Anforderungen in Artikel 36 Absatz 2 FinfraG.

Art. 73e

Weitere Anforderungen

Abs. 1 Der Bundesrat kann für DLT-Handelssysteme, die Privatkundinnen und -kunden als Teilnehmerinnen und Teilnehmer zulassen, zusätzliche Anforderungen auf Verordnungsstufe zum Schutz dieser Teilnehmenden vorsehen. Als Kompromiss aufgrund diverser Stellungnahmen aus der Vernehmlassung soll der Bundesrat dazu nicht mehr verpflichtet werden, sondern von dieser Kompetenz Gebrauch machen, falls sich dies als notwendig erweisen sollte. Entsprechende Anforderungen umfassen namentlich für Privatkundinnen und -kunden geeignete Informationen über DLTEffekten. Der Bundesrat beabsichtigt, sich hierbei eng an den in der FIDLEV angelegten Anforderungen und damit an den Konzepten des FIDLEG zu orientieren.

Auch bildet Absatz 1 die Grundlage, bestimmte Handelsmodalitäten von DLTHandelssystemen im Verhältnis zu Privatkundinnen und -kunden einzuschränken (z. B. den Handel unter Inkaufnahme von Nachschusspflichten, margin trading).

Abs. 2 Der Bundesrat hat für DLT-Handelssysteme, die auch Dienstleistungen im Nachhandel erbringen, zusätzliche Anforderungen vorzusehen, die kumulativ zu den Anforderungen gemäss Artikel 73a­73d E-FinfraG gelten. Im Zentrum stehen Anforderungen an die zentrale Verwahrung, die Abrechnung und Abwicklung von DLT-Effekten. Mit Blick auf den Schutz der Kundinnen und Kunden sind beispielsweise die Bestimmungen über die Segregierung bedeutsam, die jedoch gleichzeitig auch stark von den anhaltenden technologischen Entwicklungen abhängig sind. Aufgrund der Ausgestaltung als einheitliche Finanzmarktinfrastruktur, die sowohl Handel als auch Nachhandel umfasst, müssen diese Anforderungen flexibel und modular ­ d.h. in Abhängigkeit der konkret vom DLT-Handelssystem angebotenen Dienstleistungen ­ festgelegt werden können. Entsprechend sind diese Anforderungen auf Verordnungsstufe festzuhalten. Die vom Bundesrat festzulegenden Anforderungen müssen sich an den heute bestehenden rechtlichen Anforderungen (Art. 61 ff. FinfraG und Art. 52 ff. FinfraV) orientieren (vgl. Abs. 3).

Abs. 3 Die von einem DLT-Handelssystem angebotenen Nachhandelsdienstleistungen fokussieren sich auf die Verwahrung, Abrechnung und Abwicklung von DLT-Effekten (vgl. Art. 73a Abs. 1 E-FinfraG). Entsprechend hat sich der Bundesrat bei der Festlegung der Anforderungen nach Absatz 2 an den Anforderungen für Zentralverwahrer zu orientieren.

315

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Abs. 4 Der Bundesrat kann die FINMA zur Festlegung der Anforderungen nach Absatz 2 ermächtigen, soweit dies erforderlich ist, um technologiespezifischen Risiken Rechnung zu tragen. Dies ermöglicht eine praxisnahe Ausgestaltung der Pflichten.

Abs. 5 Im Zusammenhang mit den Bestimmungen in Artikel 22 ff. FinfraG bleibt die Zuständigkeit der SNB vorbehalten. Absatz 3 orientiert sich inhaltlich an Artikel 82 zweiter Satz FinfraG.

Art. 73f

Erleichterungen für kleine DLT-Handelssysteme

Abs. 1 Finanzmarktinfrastrukturen benötigen eine Bewilligung der FINMA (Art. 4 FinfraG). Dies gilt auch für DLT-Handelssysteme. Hinsichtlich der dem FinfraG zugrunde liegenden Zielsetzung (vgl. Art. 1 Abs. 2 FinfraG) ist eine grundsätzliche Gleichbehandlung von DLT-Handelssystemen mit den weiteren Finanzmarktinfrastrukturen anzustreben. Entsprechend gelten die mit der Bewilligung und prudenziellen Aufsicht einhergehenden Anforderungen gleichermassen auch für DLTHandelssysteme. Im Unterschied zu den heute in der Schweiz etablierten Finanzmarktinfrastrukturen dürfte die neue Bewilligungskategorie des DLT-Handelssystems allerdings auch für kleinere Marktakteure in Frage kommen und diesen sowie etablierten Anbietern neue Geschäftsmodelle eröffnen. Mit Blick auf innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und die anhaltend hohe Entwicklungsdynamik im DLT-Bereich erscheint es zweckmässig, das neue Bewilligungskleid mit ausreichender Flexibilität auszugestalten, aber gleichzeitig auch sicherzustellen, dass dem Schutzzweck des FinfraG (vgl. Art. 2 Abs. 2 FinfraG) auch im DLT-Kontext Nachachtung verschafft wird.

Zur Schaffung solcher Flexibilität ­ und anstelle umfassender Ausnahmen ­ soll dem Bundesrat die Möglichkeit eröffnet werden, für kleine DLT-Handelssysteme gezielte Erleichterungen von Anforderungen vorzusehen, namentlich mit Blick auf die organisatorische Unabhängigkeit einer Finanzmarktinfrastruktur (Art. 8 FinfraG), die Ausübung von Nebendienstleistungen, die nach den Finanzmarktgesetzen keiner Bewilligung oder Genehmigung erfordern (Art. 10 FinfraG), wie z. B. die Zulassung zum Handel von Zahlungs-Token oder die Unabhängigkeitsanforderungen an die Selbstregulierungsorganisation (Art. 27 FinfraG) und die Beschwerdeinstanz (Art. 37 FinfraG). Zusätzlich kann der Bundesrat für kleine DLTHandelssysteme differenzierte Anforderungen an das Mindestkapital gestützt auf Artikel 12 Absatz 2 FinfraG vorsehen.

Abs. 2 Absatz 2 legt den Anwendungsbereich der in Absatz 1 dargestellten Erleichterungen fest und definiert zu diesem Zweck, welche DLT-Handelssysteme als klein gelten.

In der Vernehmlassung wurden die regulatorischen Anforderungen an DLTHandelssysteme von Einzelnen als zu schwerfällig und die Erleichterungen als zu wenig weit gehend betrachtet. Andere äusserten Bedenken gegen alle Arten und 316

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Formen von Erleichterungen. Die vorgeschlagene Regelung entspricht einer Kompromissposition und wurde nach der Vernehmlassung nur geringfügig ergänzt. Als «klein» gelten DLT-Handelssysteme, die mit Blick auf den Schutz der Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer, die Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzsystems geringe Risiken aufweisen. Diese Beurteilung erfolgt dabei mit Blick auf die beschränkte Anzahl Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines DLT-Handelssystems, dessen beschränkten Handelsvolumens, beschränkten Verwahrvolumens oder beschränkten Abrechnungs- und Abwicklungsvolumens, wobei die konkreten Schwellenwerte vom Bundesrat auf Verordnungsstufe festzulegen sind.

Art. 89 Abs. 1 und Abs. 2 Einleitungssatz DLT-Handelssysteme können auch Dienstleistungen im Nachhandel erbringen. Sie sind damit funktional vergleichbar mit Zentralverwahrern und Zahlungssystemen.

Die Bestimmungen in Artikel 89 FinfraG über den Systemschutz sind deshalb auf diejenigen DLT-Handelssysteme zu erweitern, die auch solche Nachhandelsdienstleistungen anbieten. Ungeachtet des offenen Kreises von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an DLT-Handelssystemen bleibt die Insolvenzzuständigkeit der FINMA hiervon unberührt.

Art. 142, 143, 154 und 155 Die Regelungen zu Insiderhandel und Marktmanipulation knüpfen an der Zulassung von Effekten an einem Handelsplatz mit Sitz in der Schweiz an. DLT-Handelssysteme lassen DLT-Effekten zum Handel zu, sind jedoch keine Handelsplätze im Sinne des FinfraG. Da DLT-Effekten jedoch auch Effekten sind (vgl. Art. 2 Bst. bbis E-FinfraG), ist es angezeigt, die Regeln über Insiderhandel und Marktmanipulation auf an DLT-Handelssystemen gehandelte DLT-Effekten auszuweiten.

6

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

6.1

Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz

Die Schweiz hat als Reaktion auf die voranschreitenden technologischen Entwicklungen namentlich im Finanzbereich bereits mehrere Massnahmen getroffen, um Markteintrittshürden zu senken, Rechtssicherheit zu erhöhen, neuartige Geschäftsmodelle zu ermöglichen und die Rahmenbedingungen für die Akteure attraktiver auszugestalten. Die vorliegende Vorlage reiht sich ein in diese Massnahmen zur Stärkung der Rahmenbedingungen für den Wirtschafts- und Finanzstandort Schweiz.

Sie führt zu einer Stärkung des Kapitalmarkts und erhöht die Finanzierungsmöglichkeiten und -quellen von Schweizer Unternehmen aus allen Sektoren der Wirtschaft, insbesondere KMU.

Mit der vorgeschlagenen Revision des OR und des SchKG werden die vom Bundesrat im Jahr 2018 identifizierten dringlichsten rechtlichen Hindernisse für Anwendungen der Distributed-Ledger-Technologie und Blockchain aus dem Weg geräumt.

Die vorgeschlagenen Änderungen im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht bewirken insbesondere, dass Ansprüche auf Daten auch im Falle eines Konkurses ­ etwa 317

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eines Anbieters von Speicherplatz ­ gewahrt werden können. Zudem wird Rechtssicherheit in Bezug auf das Schicksal von kryptobasierten Vermögenswerten im Konkursfall erhöht und die in der Vernehmlassung breit geforderte Sammelverwahrung kryptobasierter Vermögenswerte ermöglicht. Diese Massnahmen stärken insgesamt die Verlässlichkeit von Angeboten, sowohl im DLT-Bereich als auch generell im Zusammenhang mit Internet-Dienstleistungen. Dies erhöht das Vertrauen und stärkt dadurch die Akzeptanz und Verbreitung der neuen Technologien und kann auf dem Markt zu neuartigen Angeboten von Finanzdienstleistungen führen.

Davon profitieren sowohl die nach aktuellen Schätzungen 200­300183 bestehenden als auch allfällige neue Fintech-Unternehmen in der Schweiz sowie Anlegerinnen und Anleger, unabhängig von deren geografischer Herkunft.

Die vorgeschlagenen Massnahmen im Bereich der Anbieter von Finanzmarktinfrastrukturen beschränken sich auf die Anbieter, deren Geschäftsmodell auf die Distributed-Ledger-Technologie ausgerichtet ist, und ist deshalb nicht strikt technologieneutral. Dies lässt sich damit erklären, dass die bestehende Regulierung aus Sicht der heutigen technologischen Möglichkeiten ebenfalls nicht technologieneutral ist, da sie auf zentrale Börsenplätze sowie multilaterale Handelssysteme beschränkt ist, die zudem keinen direkten Zugang von Retail-Kundinnen und -Kunden vorsehen.

6.2

Auswirkungen auf die betroffenen Gruppen

6.2.1

Anbieter von Finanzmarktinfrastrukturen

Zu den Finanzmarktakteuren, die von den Anpassungen im Finanzmarktinfrastrukturrecht potenziell betroffen sind bzw. von neuen Möglichkeiten profitieren können, gehören primär die heutigen und neuen Anbieter von Finanzmarktinfrastrukturen, die in der Schweiz ein Handelssystem für Token mit Effektencharakter betreiben wollen. Da die gegenwärtige Regulierung die Entstehung derartiger Märkte in der Schweiz einschränkt oder nicht zulässt, führt die Vorlage zu einem Abbau regulatorischer Hürden. Ein Kernpunkt ist die Schaffung eines neuen Bewilligungsregimes für von der FINMA beaufsichtigte DLT-Handelssysteme. Insgesamt wird die neue Regulierung Marktteilnehmenden neue Geschäftsmöglichkeiten im DLT-Bereich eröffnen und diesen Marktteilnehmenden erlauben, ihre Geschäftstätigkeit in einem klaren regulatorischen Rahmen und unter prudenzieller Aufsicht der FINMA auszuüben.

Der Bundesrat kann unter Wahrung des Schutzzwecks des FinfraG kleine DLTbasierte Handelssysteme von regulatorischen Belastungen erleichtern. Beispielsweise sollen die Organe zur Geschäftsführung bzw. zur Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle organisatorisch nicht in jedem Fall voneinander getrennt sein müssen.

Dies reduziert die regulatorischen Hürden für allfällige neue Interessenten. Ferner wurde im Gegensatz zum Vorentwurf präzisiert, dass nur der gewerbsmässige Be183

318

Vgl. IFZ Fintech Study 2018, abrufbar unter: https://blog.hslu.ch/retailbanking/files/2018/06/IFZ-FinTech-Study-2018.pdf (Stand: 30.01.2019), und Swisscom Fintech Start-up Monitor Januar 2019, abrufbar unter: www.swisscom.ch/en/business/enterprise/downloads/banking/monthly-fintech-startupmarket-map.html (Stand: 30.01.2019).

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trieb eines DLT-Handelssystems einer Bewilligungspflicht nach FinfraG unterliegt (vgl. Ziff. 4.1.10 oben).

Für die bewilligungspflichtigen Finanzmarktinfrastrukturen fallen jedoch auch Kosten an. Neben einmaligen Kosten zur Erlangung der Bewilligung sind dies auch wiederkehrende Kosten, z. B. im Compliance-Bereich. Zu den wiederkehrenden Kosten gehören einerseits die jährlichen Aufsichtsabgaben zur Finanzierung der Tätigkeiten der FINMA gemäss der FINMA-Gebührenverordnung184 und andererseits die beim DLT-Handelssystem selber anfallenden Kosten. Die jährliche Aufsichtsabgabe besteht grundsätzlich aus einer Grundabgabe und einer umsatzabhängigen Zusatzabgabe. Die Höhe dieser Abgaben ist jedoch für DLT-Handelssysteme noch nicht bestimmt. Zum Vergleich können die Abgaben für traditionelle Börsen und multilaterale Handelssysteme beigezogen werden: Die Grundabgabe variiert für diese je nach Grösse des Anbieters zwischen 15 000 Franken (Bilanzsumme < CHF 25 Mio.), 100 000 Franken (Bilanzsumme CHF 25­50 Mio.) und 300 000 Franken pro Jahr (Bilanzsumme > CHF 50 Mio.). Hinzu kommen separate Gebühren für zentrale Gegenparteien, Zentralverwahrer und Transaktionsregister. Sofern bei DLTHandelssystemen diese Funktionen entfallen, würden auch keine diesbezüglichen Gebühren anfallen. Bei den DLT-Handelssystemen selber fallen laufende Kosten insbesondere zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Geldwäschereibekämpfung an. Dies beinhaltet unter anderem erstens eine Identifikation ihrer Kundinnen und Kunden und der wirtschaftlich Berechtigten. Zweitens müssen bei Geschäftsbeziehungen mit erhöhtem Risiko (etwa von Kundinnen und Kunden von einem risikoreichen Land) zusätzliche Abklärungen getätigt werden. Drittens bestehen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten, und viertens müssen angemessene organisatorische Massnahmen (etwa zur Ausbildung und Kontrolle) getroffen werden, um die Geldwäschereirisiken zu minimieren. Weiss der Finanzintermediär oder hat er den begründeten Verdacht, dass die in die Geschäftsbeziehung involvierten Vermögenswerte z. B. im Zusammenhang mit Geldwäscherei stehen, muss eine Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei erfolgen.

Die FINMA wird die notwendigen Vorbereitungsmassnahmen ergreifen, um möglichst kurze Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren zu ermöglichen. Weiter
könnten beispielsweise von der FINMA anerkannte Musterreglemente, an die sich die Gesuchsteller halten können, den Bewilligungsprozess kurzhalten. Lange Bewilligungs- und Genehmigungsprozesse sind für die betroffenen Finanzmarktinfrastrukturanbieter mit hohen Opportunitätskosten verbunden und sollten deshalb vermieden werden.

6.2.2

Anlegerinnen und Anleger

Die im Wertpapier- und im Konkursrecht vorgeschlagenen Änderungen dienen der weiteren Erhöhung der Rechtssicherheit bei DLT-Anwendungen und so auch dem Schutz der Anlegerinnen und Anleger. Gerade die klare Regelung der Übertragbar-

184

SR 956.122

319

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keit von Registerwertrechten sowie der Aus- und Absonderbarkeit kryptobasierter Vermögenswerte sind für Anlegerinnen und Anleger von grosser Bedeutung.

Anlegerinnen und Anleger, die an einem DLT-Handelssystem in der Schweiz DLTEffekten erwerben oder veräussern, werden mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf gegenüber dem Status quo besser vor marktmissbräuchlichen Tätigkeiten geschützt.

Insbesondere sind die bewilligten DLT-Handelssysteme dazu verpflichtet, Massnahmen zur Verhinderung von Insiderhandel und unzulässiger Marktmanipulationen zu treffen. Dies stärkt das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der DLT-Handelssysteme und trägt bei zu einer stärkeren Akzeptanz und Verbreitung der neuen Technologie. Im Gegensatz zum traditionellen Börsenhandel, bei dem Anlegerinnen und Anleger gezwungen sind, über einen Intermediär wie eine Bank oder Effektenhändler an der Börse teilzunehmen, können sie bei DLT-Handelssystemen direkt teilnehmen und in Eigenverantwortung Handel mit DLT-Effekten betreiben. Die Anlegerinnen und Anleger müssen sich dabei stärker auf ihr eigenes Wissen und ihre Erfahrungen stützen. Es fallen dafür keine Kommissionen an die Intermediäre an.

Der Bundesrat beabsichtigt, auf Verordnungsstufe Kundenschutzbestimmungen zu erlassen, die sich an den jeweiligen Bestimmungen in der Finanzdienstleistungsverordnung (FIDLEV) orientieren. Die Bestimmungen zum Kundenschutz im FIDLEG sind jedoch nicht direkt auf die DLT-Handelssysteme übertragbar, soweit sich diese Bestimmungen an Intermediäre wie Vermögensverwalter und nicht an Anbieter von Finanzmarktinfrastrukturen richten. So können Retailanlegerinnen und -anleger, die ausschliesslich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auf einem DLTHandelssystem Handel mit DLT-Effekten betreiben, per Definition keine Verhaltensweisen wie Front-Running oder ähnliche betreiben, da diese selber keine Drittkunden haben, die allenfalls geschädigt werden könnten.

6.3

Auswirkungen auf den Bund, Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Auf Bund, Kantone und Gemeinden sind kurzfristig kaum Auswirkungen zu erwarten. Einerseits können die verbesserten Rahmenbedingungen für DLT-Unternehmen und DLT-Anwendungen längerfristig zu höheren Steuererträgen führen. Dies könnte insbesondere für die Kantone mit einem hohen Anteil innovativer Anbieter eintreffen. Andererseits führt die Digitalisierung gewisser Dienstleistungen möglicherweise zu einer Minderung der Erträge im Finanzsektor. Der heutige Kenntnisstand lässt keine Schätzung der Auswirkungen der Vorlage auf die Steuereinnahmen von Bund und Kantonen zu.

Der Aufwand der FINMA zur Bearbeitung von Bewilligungsgesuchen (namentlich Bewilligungen nach Art. 1b BankG und für das neue DLT-Handelssystem) nimmt zu. Eine quantitative Abschätzung ist gegenwärtig nicht möglich. Es kann dazu auf keine Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.

320

BBl 2020

6.4

Zweckmässigkeit im Vollzug

Die Zweckmässigkeit im Vollzug wird durch mehrere Massnahmen gewährleistet: Die Markteintrittshürden für DLT-Handelssysteme werden tief gehalten, ohne jedoch Abstriche beim Schutzzweck des Finanzmarktinfrastrukturrechts in Kauf zu nehmen. Vor diesem Hintergrund soll dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt werden, regulatorische Erleichterungen für kleine DLT-Handelssysteme zu erlassen.

Für die Umsetzung der neuen Bestimmungen im SchKG werden in einem nächsten Schritt auch die relevanten Bestimmungen der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter185 (Art. 45 ff.) nachzuführen sein. Die entsprechenden Vorarbeiten sind bereits im Gang.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf: ­

OR, SchKG: Artikel 122 BV

­

IPRG: Artikel 54 und 122 BV

­

BankG, FinfraG, GwG, FINIG: Artikel 95 und 98 BV

­

NBG: Artikel 99, 100 und 123 BV

­

FIDLEG: Artikel 95, 97, 98 und 122 Absatz 1 BV

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

7.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die vorgeschlagenen Revisionen erfolgen demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

185

Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter vom 13. Juli 1911 (KOV), SR 281.32.

321

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7.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die vorgeschlagenen Delegationen betreffen insbesondere das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (vgl. Art. 73c Abs. 3 E-FinfraG betreffend die Aufzeichnungs- und Meldepflichten; Art. 73c Abs. 4 E-FinfraG zur Regelung der technischen Einzelheiten über die Zulassung, die Pflichten und den Ausschluss von Teilnehmern eines DLT-Handelssystems; Art. 73d Abs. 3 E-FinfraG über die Regelung der Zulassung von DLT-Effekten und weiteren Vermögenswerten durch DLT-Handelssysteme; Art. 73e Abs. 1 E-FinfraG über die Festlegung weiterer Pflichten für DLT-Handelssysteme zum Schutz der Privatkundinnen und -kunden; Art. 73e Abs. 2 E-FinfraG über die Pflichten für DLT-Handelssysteme, die Nachhandelsdienstleistungen anbieten; Art. 73f E-FinfraG über die Gewährung von Erleichterungen für kleine DLTHandelssysteme und der Kompetenz des Bundesrats, entsprechende Schwellenwerte festzulegen) sowie das Bankenrecht (vgl. Artikel 1b E-BankG über die Entgegennahme kryptobasierter Vermögenswerte).

Mit den Delegationen soll der Gesetzestext von Bestimmungen mit hohem technischen Konkretisierungsgrad entlastet werden. Zudem handelt es sich vielfach um Inhalte, bei denen rasche Anpassungen nötig sind, um den sich ändernden Verhältnissen und insbesondere schnell fortschreitenden technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. In zwei Fällen ist vorgesehen, dass der Bundesrat die an ihn delegierten Kompetenzen an die FINMA weiterdelegieren kann, namentlich im Artikel 73e Absatz 4 E-FinfraG. Sodann enthält Artikel 4sexies E-BankG eine Delegationsnorm an die FINMA, die ihr erlaubt, spezifischen Risiken bei der Verwahrung kryptobasierter Vermögenswerte Rechnung zu tragen (s. hierzu vorne Ziff. 5.5).

Delegationsnormen enthalten sodann die Artikel 3 Absatz 5, 17 Absatz 1 und 41 Abs. 2 E-GwG.

322

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Abkürzungsverzeichnis a.a.O.

Abs.

AGB AHV Art.

AS BankG BankV BEG BEHG BGE Bst.

BV DLT DUFI E EBA EFD EO ESMA EU FATF/GAFI FIDLEG FIDLEV FinfraG FinfraV FINIG FINMA FINMAG GwG GwV i.V.m.

ICO IFZ

am angegebenen Ort Absatz Allgemeine Geschäftsbedingungen Alters- und Hinterlassenenversicherung Artikel Amtliche Sammlung des Bundesrechts Bankengesetz vom 8. November 1934 (SR 952.0) Bankenverordnung vom 30. April 2014 (SR 952.02) Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 2008 (SR 957.1) Börsengesetz vom 24. März 1995 (SR 954.1) Bundesgerichtsentscheid Buchstabe Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101) Distributed Ledger Technology direkt unterstellter Finanzintermediär Entwurf Europäische Bankenaufsichtsbehörde (www.eba.europa.eu) Eidgenössisches Finanzdepartement Erwerbsersatzordnung Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (www.esma.europa.eu) Europäische Union Financial Action Task Force (www.fatf-gafi.org) Finanzdienstleistungsgesetz vom 15. Juni 2018 (SR 950.1) Verordnung über die Finanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungsverordnung, noch nicht verabschiedet) Finanzmarktinfrastrukturgesetz vom 19. Juni 2015 (SR 958.1) Finanzmarktinfrastrukturverordnung vom 25. November 2015 (SR 958.11) Finanzinstitutsgesetz vom 15. Juni 2018 (SR 954.07) Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (www.finma.ch) Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007 (SR 956.1) Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997 (SR 955.0) Geldwäschereiverordnung vom 11. November 2015 (SR 955.01) in Verbindung mit Initial Coin Offering Institut für Finanzdienstleistungen, Hochschule Luzern 323

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IOSCO IPRG IV KAG KGGT KMU KOV m.w.H.

m.w.N MROS N NBG OHS OR Rn.

Rz.

s.

SchKG SEC SNB SR Suva USA VE ZGB Ziff.

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International Organization of Securities Commissions (www.iosco.org) Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291) Invalidenversicherung Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 2006 (SR 951.31) Interdepartementale Koordinationsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung kleine und mittlere Unternehmen Verordnung vom 13. Juli 1911 über die Geschäftsführung der Konkursämter (SR 281.32) mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen Meldestelle für Geldwäscherei Note(n) Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 2003 (SR 951.11) Organisiertes Handelssystem Obligationenrecht (SR 220) Randnote(n) Randziffer(n) siehe Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1) Securities and Exchange Commission (www.sec.gov) Schweizerische Nationalbank (www.snb.ch) Systematische Sammlung des Bundesrechts Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Vereinigte Staaten von Amerika Vorentwurf Schweizerisches Zivilgesetzbuch (SR 210) Ziffer

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Materialienverzeichnis Blockchain Taskforce 2018b Botschaft BEG Botschaft zur Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums DLT-Bericht

EFD Erläuterungen GwG 2018

FINMA 2018a

KGGT 2018a

Rotterdam-Regeln

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Blockchain Taskforce, Positionspapier zur rechtlichen Einordnung von ICOs, April 2018. Kann abgerufen werden unter www.blockchaintaskforce.ch (Stand: 18.10.2018).

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Botschaft vom 21. November 2018 zur Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke im Bericht zur Phase 2 der Länderüberprüfung der Schweiz, BBl 2019 279 ff.

Bericht des Bundesrates vom 14. Dezember 2018 über Rechtliche Grundlagen für Distributed-LedgerTechnologie und Blockchain in der Schweiz. Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen (Medienmitteilung vom 14. Dezember 2018) (Stand: 28.01.2019).

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