Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 19. November 2019 Stellungnahme des Bundesrates vom 20. Mai 2020

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 19. November 20191 betreffend Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung nehmen wir nach Artikel 158 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Mai 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im Januar 2018 beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation der Administrativund Disziplinaruntersuchungen. Die PVK sollte dabei sowohl die rechtlichen Vorgaben zu Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung prüfen als auch Anordnung, Durchführung und Abschluss solcher Untersuchungen in der Praxis untersuchen. Im Rahmen der Evaluation gab die PVK ihrerseits ein Rechtsgutachten in Auftrag.

Der von der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) am 19. November 2019 verabschiedete Bericht stützt sich auf die Erkenntnisse der PVK, die diese in ihrem Bericht vom 17. Juni 2019 zusammengefasst hat. Weiter behandelt der Bericht der GPK-N auch die Stellungnahme des Bundesrates vom 28. September 20182 zum Bericht der GPK vom 26. Juni 2018 über die Hochseeschifffahrts-Bürgschaften. Die GPK-N entschied, ihren Bericht zusammen mit der Evaluation der PVK zu veröffentlichen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat vom Bericht der GPK-N vom 19. November 2019 Kenntnis genommen. Mit Befriedigung hat er die positiven Ergebnisse der Evaluation der Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen durch die PVK aufgenommen. Zu den Feststellungen und Empfehlungen äussert sich der Bundesrat wie folgt: Empfehlung 1:

Überprüfung der Zweckmässigkeit der unterschiedlichen Verfahrensarten und deren rechtlichen Grundlagen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die heute bestehenden Verfahrensarten ­ d.h. die Administrativ-, die Disziplinar- und die formlose Untersuchung noch zeitgemäss sind. Sie bittet den Bundesrat insbesondere darum,

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bei jedem einzelnen der drei Verfahren zu prüfen, ob auf dieses verzichtet werden könnte oder ob es anders bzw. genauer geregelt werden müsste;

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zu prüfen, ob die Administrativuntersuchung und die Disziplinaruntersuchung in einem formellen Instrument zusammengeführt werden könnten und dabei soweit möglich auch entsprechende Erfahrungen aus den Kantonen einbeziehen;

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abzuklären, wo die Grenze zwischen den formellen Verfahren und der formlosen Untersuchung zu ziehen ist;

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zu prüfen, ob für die Externalisierung solcher Untersuchungen eine formellgesetzliche Grundlage geschaffen werden sollte.

Einleitende Bemerkungen zur Administrativuntersuchung, zur Disziplinaruntersuchung und zum formlosen Verfahren Als formelle Instrumente der Dienstaufsicht stehen in der Bundesverwaltung die Administrativ- und die Disziplinaruntersuchung zur Verfügung.

Die Administrativuntersuchung dient der gründlichen Aufklärung von verwaltungsinternen Fehlleistungen administrativer oder persönlicher Art. Sie ist ein Instrument der Dienstaufsicht der Regierung, um Fehlentwicklungen ­ wie Missständen in der Projektplanung oder in der Auftragsvergabe, Amtsmissbrauch, Begünstigungen oder Korruptionsmachenschaften ­ zu begegnen. Das nach Artikel 27d der Regierungsund Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 19983 (RVOV) mit der Administrativuntersuchung beauftragte Untersuchungsorgan liefert der anordnenden Stelle einen Bericht ab, in dem es den Ablauf sowie die Ergebnisse der Untersuchung darstellt und Vorschläge für das weitere Vorgehen präsentiert (Art. 27j RVOV). Die Administrativuntersuchung richtet sich nicht gegen bestimmte Personen, sondern dient der Klärung, ob ein Sachverhalt vorliegt, der im öffentlichen Interesse ein Einschreiten von Amtes wegen erfordert (Art. 27a RVOV). Sie wird durch die Departementsvorsteherinnen und -vorsteher sowie die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler in den ihnen unterstehenden Verwaltungseinheiten angeordnet. Diese können die Zuständigkeit an die ihnen unterstellten Verwaltungseinheiten delegieren. Ist von einer Administrativuntersuchung mehr als ein Departement, einschliesslich der Bundeskanzlei (BK), betroffen, so ordnet der Bundesrat die Untersuchung an (Art. 27c RVOV).

Mit einer Disziplinaruntersuchung wird abgeklärt, ob eine Person ihre arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt hat und ob gegen diese Person Disziplinarmassnahmen getroffen werden sollten (Art. 25 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 20004, BPG; Art. 98 und 99 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 20015, BPV). Der Arbeitgeber ist für die Eröffnung der Disziplinaruntersuchung zuständig. Er bezeichnet die Person, die mit der Untersuchung beauftragt wird. Das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 19686 (VwVG) ist auf das erstinstanzliche Disziplinarverfahren anwendbar (Art. 98 Abs. 2 BPV). Die Disziplinarmassnahmen sind in Artikel 99 Absätze 2 und 3 BPV geregelt (Verwarnung, Änderung
des Aufgabenkreises, vorübergehende Lohnkürzung, Busse, Änderung der Arbeitszeit oder des Arbeitsortes). Als Disziplinarmassnahmen können sie nur nach der Durchführung einer Disziplinaruntersuchung ausgesprochen werden (Art. 99 Abs. 1 BPV).

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SR 172.010.1 SR 172.220.1 SR 172.220.111.13 SR 172.021

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Im Bericht der GPK-N wird das sogenannte formlose Verfahren als dritte Verfahrensart dargestellt. Dazu ist festzuhalten, dass das formlose Verfahren kein eigentliches Verwaltungsverfahren im Sinne des VwVG ist. Vielmehr handelt es sich dabei um Abklärungen im Rahmen der Dienstaufsicht gestützt auf die Artikel 24 ff.

RVOV durch die vorgesetzte Behörde über die unterstellte Verwaltungseinheit, die gegebenenfalls in eine Administrativ- oder in eine Disziplinaruntersuchung münden können. Dies ist aber nicht zwingend der Fall. Möglich ist auch, dass aufgrund der formlosen Untersuchung in der Verwaltung Massnahmen ergriffen werden: Besteht beispielsweise Grund zur Annahme, dass ein Mitarbeiter seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt (z. B. die Arbeitszeit nicht ordnungsgemäss erfasst), kann der Vorgesetzte entsprechende Abklärungen treffen (etwa gestützt auf das Zeiterfassungssystem). Erhärtet sich aufgrund dieser Abklärungen der Verdacht und liegt ein schwerwiegender Fall vor, so kann z. B. der Abschluss einer Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen oder gar eine Kündigung in Aussicht genommen werden, wobei natürlich die entsprechenden Vorgaben des VwVG einzuhalten sind. Die formelle Eröffnung einer Disziplinaruntersuchung ist nicht erforderlich.

Wie jedes Verwaltungshandeln untersteht auch die formlose Untersuchung den rechtsstaatlichen Grundsätzen (vgl. Art. 5 BV). Im Übrigen zeichnet sich die formlose Untersuchung eben gerade dadurch aus, dass sie formlos und somit nicht durch besondere verfahrensrechtliche Bestimmungen normiert ist. Aus der Sicht des Bundesrates stellt sich bei der formlosen Untersuchung auch die Frage des Verzichts nicht. Würde man die formlose Untersuchung abschaffen, so könnten Abklärungen im Rahmen der Aufsichtstätigkeit der vorgesetzten Stellen über die unterstellten Einheiten nur noch im Rahmen von formellen Verfahren erfolgen, was die Aufsicht erheblich erschweren würde und nicht praktikabel wäre. Im Übrigen ist die formlose Untersuchung dem Hierarchieprinzip inhärent.

Prüfung einer Anpassung der der Untersuchungsinstrumente sowie des Verzichts auf eines oder beide Instrumente Im Rahmen einer Umfrage der BK wurden die Kantone gefragt, ob sie bei der Dienstaufsicht über die Instrumente der Administrativuntersuchung und der
Disziplinaruntersuchung verfügen. Die Rückmeldungen ergaben ein uneinheitliches Bild: In einigen Kantonen bestehen die gleichen Instrumente wie auf Bundesebene (BE, SZ, GL, SO, BS, BL, SH, TI, SG, AG), wobei die Disziplinaruntersuchung in BE, GL, BL und SG nur bei Angestellten im Sonderstatusverhältnis bzw. bei auf Amtsdauer gewählten Angestellten zum Zug kommt. In vielen Kantonen gibt es nur noch Administrativuntersuchungen (ZH, BE, LU, ZG, AI, AR, VD, VS, GE, JU). Ein Kanton hat die beiden Verfahren zusammengelegt (NW). In einem Kanton gibt es weder die Administrativ- noch die Disziplinaruntersuchung (NE).

Auf Bundesebene hat sich die Regelung für Administrativuntersuchungen in den Artikeln 27a ff. RVOV gemäss Änderung vom 10. Dezember 20047 nach Ansicht des Bundesrates bewährt. Im Unterschied zu vielen Kantonen, in denen keine oder nur rudimentäre Bestimmungen zu den Administrativuntersuchungen bestehen, 7

AS 2004 5251

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regeln die heutigen rechtlichen Vorgaben auf Bundesebene die wichtigsten Eckpunkte des Verfahrens. Auch bei einer detaillierteren Regelung auf Gesetzes- oder Verordnungsebene können in Einzelfällen Probleme nie gänzlich ausgeschlossen werden. Durch korrekte Auslegung der bestehenden Bestimmungen lassen sich solche Fälle am effizientesten lösen (vgl. auch Ergänzung des Bundesrates vom 29. Mai 20198 zu seiner Stellungnahme vom 28. Sept. 2018 zum Bericht der GPK vom 26. Juni 2018 betr. Hochseeschifffahrts-Bürgschaften). Im Weiteren gelten auch für Administrativuntersuchungen die rechtsstaatlichen Grundsätze. Im Bericht der GPK-N wurden denn auch keine gravierenden Probleme festgestellt, die eine grundlegende Anpassung der bestehenden Rechtsgrundlagen nötig erscheinen lassen.

Dasselbe lässt sich auch für die Disziplinaruntersuchungen festhalten. Zwar gibt es gemäss Bericht der PVK mehr Disziplinar- als Administrativuntersuchungen. Indessen bleibt die Anzahl der Untersuchungen in den Jahren 2003­2017 mit 187 Fällen überschaubar. Zudem ist auf Disziplinaruntersuchungen, die sich gegen Personen richten, das VwVG anwendbar, womit der Rechtsschutz im Allgemeinen gewährleistet ist, wie dies auch im Bericht der PVK anerkannt wird.9 Für die Zusammenlegung der Administrativ- und der Disziplinaruntersuchung respektive die Abschaffung der Disziplinaruntersuchung spricht, dass die beiden Instrumente der Dienstaufsicht aus der Zeit stammen, in der das Personal des Bundes vorwiegend im Beamtenstatus beschäftigt wurde. Unter dem damaligen Recht wurden Abklärungen, bei denen schuldhaftes Verhalten vermutet wurde, als Disziplinaruntersuchungen durchgeführt. Die übrigen Abklärungen allgemeiner und insbesondere organisatorischer Art erfolgten im Rahmen von Administrativuntersuchungen. Heute stellt das BPG hinreichend Instrumente zur Verfügung, um auf Pflichtverletzungen der Angestellten zu reagieren. In der Fachliteratur wird seit Längerem die Ansicht vertreten, Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen liessen sich kaum voneinander abgrenzen. Denn auch bei einer reinen Abklärung von Sachverhalten gehe es immer auch um die Frage, wer für Missstände und Fehlverhalten verantwortlich sei.10 Aus Sicht des Bundesrates besteht kein zwingender Grund, eines der beiden Instrumente der Dienstaufsicht abzuschaffen. Anlässlich
der Abschaffung des Beamtenstatus durch das Inkrafttreten des BPG wurde der Verzicht auf die Disziplinaruntersuchung bereits einmal geprüft und schliesslich verworfen. Die Praxis der Jahre 2003­ 2017 zeigt, dass ein Bedarf am Instrument der Disziplinaruntersuchung besteht. Da das VwVG auf die Disziplinaruntersuchung anwendbar ist, ist der Rechtschutz besser ausgebaut als bei der Administrativuntersuchung, deren Regelung nur punktuell auf das VwVG verweist und auf die im Übrigen lediglich die grundlegenden 8 9 10

BBl 2019 4355 Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der GPK-N, S. 26.

Bernhard Rüdy, in: Schweizerische Vereinigung für Verwaltungsorganisationsrecht, «Verwaltungsorganisationsrecht ­ Staatshaftungsrecht ­ öffentliches Dienstrecht / Jahrbuch 2012», Bern 2013, S. 120 f.; Karl Spühler, in: Ehrenzeller/Schweizer, Administrativuntersuchung in der öffentlichen Verwaltung und in privaten Grossunternehmen, St. Gallen 2004, S. 39/40; Andreas Jost, in: Ehrenzeller/Schweizer, Administrativuntersuchung in der öffentlichen Verwaltung und in privaten Grossunternehmen, St. Gallen 2004, S. 83.

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rechtsstaatlichen Grundsätze aus der Bundesverfassung anwendbar sind. Indessen wäre es prüfenswert, die beiden Verfahren zusammenzulegen. Dabei könnten die von der GPK festgestellten Abgrenzungsschwierigkeiten eliminiert werden, und gleichzeitig liesse sich der Schutz der Betroffenen bei der bisherigen Administrativuntersuchung verbessern. Es ist dem Bundesrat ein Anliegen, dass die Betroffenen nicht schlechter gestellt werden als nach bisherigem Recht. Wie unter dem geltenden Recht sollten zudem vorab Sachverhaltsabklärungen vorgenommen werden können. Der Bundesrat hat die zuständigen Stellen beauftragt, vertiefte rechtliche Abklärungen im Hinblick auf eine Zusammenlegung an die Hand zu nehmen.

Prüfung der Notwendigkeit einer formell-gesetzlichen Grundlagen für die Übertragung von Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung Die Übertragung der Durchführung von Administrativuntersuchungen an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung ist zwar in keinem Gesetz vorgesehen. Allerdings richtet sich die Administrativuntersuchung nicht gegen bestimmte Personen (Art. 27a Abs. 2 RVOV), und die Übertragung einer Verfügungskompetenz ist ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 27d Abs. 3 RVOV). Dem Untersuchungsorgan wird kein Ermessensspielraum für die Festlegung von Rechten und Pflichten übertragen. Die Administrativuntersuchung greift somit grundsätzlich nicht in die rechtliche Stellung der von der Untersuchung betroffenen Personen ein.11 Bei Administrativuntersuchungen bleibt die Übertragung der Durchführung gemäss Artikel 27d Absatz 2 RVOV an natürliche oder juristische Personen ausserhalb der Bundesverwaltung damit im Bereich der Beratung nach Artikel 57 Absatz 1 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199712 (RVOG) und der administrativen Hilfstätigkeit. Die Schaffung einer formell-gesetzlichen Grundlage ist daher für die in Artikel 27d Absatz 2 RVOV vorgesehene Übertragung von Administrativuntersuchungen an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung nicht erforderlich.

Hinsichtlich der Übertragung von Disziplinaruntersuchungen an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung hält das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil von 29. Juli 201913 fest, dass im BPG eine formell-gesetzliche Grundlage für die Übertragung einer Verfügungskompetenz an
Personen ausserhalb der Bundesverwaltung fehlt. Nach Ansicht des Bundesrates kann die auftraggebende Behörde gestützt auf Artikel 98 Absatz 1 BPV die Durchführung von Disziplinaruntersuchungen zwar an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung übertragen. Verfügungen können jedoch nicht von den beauftragten Personen erlassen werden, sondern müssen durch die auftraggebende Behörde erfolgen. Dies gilt auch für Verfügungen über Realakte nach Artikel 25a VwVG.14

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Vgl. Daniel Kettiger, «Unzulässige Leitung von Disziplinarverfahren durch externe Dritte», in: Jusletter 9. Sept. 2019, Rz. 25.

SR 172.010 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3612/2019 vom 29. Juli 2019 in Sachen Lauber/Erni/Caputo gegen AB-BA, E. 4.2.7.2 Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6211/2017 vom 14. Mai 2018 in Sachen A. gegen EFK, E. 3.

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Es fragt sich aber, ob die Übertragung von Disziplinaruntersuchungen an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung sinnvoll ist, wenn die beauftragte Person nicht befugt ist, verfahrensleitende Verfügungen zu erlassen. Das führt dazu, dass die übertragende Behörde deswegen die Verfahrensführung eng begleiten muss. Diese Frage ist im Einzelfall zu prüfen. Angesichts der geringen Bedeutung der Disziplinaruntersuchungen in der Praxis und der noch selteneren Übertragung von Untersuchungen an Personen ausserhalb der Bundesverwaltung erachtet der Bundesrat die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Übertragung der Verfügungskompetenz nicht als nötig.

Motion:

Anlaufstelle(n) in Sachen Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, eine oder mehrere Stellen zu bezeichnen, welche über die erforderlichen Verfahrenskenntnisse bezüglich Administrativund Disziplinaruntersuchungen verfügen, sich über den aktuellen Wissensstand und die Rechtsprechung in diesem Bereich auf dem Laufenden halten und dadurch bei Bedarf anderen Einheiten des Bundes Rechtsauskünfte erteilen und diese beraten können. Er soll überdies dafür sorgen, dass sich die durchführenden Stellen bei formellen und rechtlichen Fragen systematischer an diese Beratungsstelle(n) wenden.

Im Bericht vom 26. Juni 201815 über die Hochseeschifffahrts-Bürgschaften ersuchten die GPK mit der Empfehlung 6 den Bundesrat zu prüfen, ob auf Stufe Bund ein Kompetenzzentrum für Administrativuntersuchungen geschaffen werden sollte, das Auftraggeber und -nehmer einer Administrativuntersuchung insbesondere hinsichtlich rechtlicher Fragen beraten könnte.

In seiner Stellungnahme vom 28. September 201816 zum diesem Bericht führte der Bundesrat aus, dass der Mehrwert eines zentralen Kompetenzzentrums für Administrativuntersuchungen nicht ersichtlich sei und überdies administrativ und finanziell einen Aufwand generieren würde, der sich für die wenigen Fälle nicht rechtfertigen liesse.

Die GPK-N hält indessen daran fest, dass in der Bundesverwaltung Handlungsbedarf besteht und die Empfehlung 6 im Bericht zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften umgesetzt werden sollte. Sie wandelte die Empfehlung deshalb in eine Motion um und passte die Forderung an den Bundesrat leicht an. Anstelle der Schaffung eines Kompetenzzentrums verlangt sie nun, dass der Bundesrat eine oder mehrere Stellen bezeichnet, die anderen Einheiten der Bundesverwaltung in Sachen Administrativund Disziplinaruntersuchungen Rechtsauskünfte erteilen und diese beraten können.

Der Bundesrat hat am 12. Februar 2020 beschlossen, Annahme der Motion zu beantragen.

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BBl 2018 6205, 6269 f.

BBl 2018 6277, 6282 f.

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Bereits heute können sich die Auftraggeber an die fachlich zuständigen Stellen wenden, das heisst insbesondere an das Bundesamt für Justiz (BJ) und die BK bei Administrativuntersuchungen und an das Eidgenössische Personalamt (EPA) bei Disziplinaruntersuchungen. Diese Anlaufstellen haben beratende und koordinierende Funktionen. Der Bundesrat wird in einer Weisung zu den Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen die erwähnten Verwaltungsstellen als Anlaufstellen bezeichnen.

Empfehlung 2:

Verbesserung der Wissensgrundlagen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, mit geeigneten Massnahmen dafür zu sorgen, dass bei Untersuchungen jeweils die angemessene Verfahrensart gewählt und das Verfahren korrekt durchgeführt wird.

Dazu soll der Bundesrat insbesondere folgende Massnahmen / Elemente prüfen: ­

Hilfsmittel: Erarbeitung von praxisbezogenen Hilfsmitteln für die anordnenden und durchführenden Stellen, wie beispielsweise Richtlinien und Erläuterungen oder Checklisten mit Fragen, die bei Wahl der Verfahrensart und während dem Verfahren zu prüfen sind;

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Mitteilungspflicht: Einführung der Pflicht, dass die anordnende Stelle das Departement bzw. dessen Generalsekretariat oder Rechtsdienst über alle von ihr eingeleiteten Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen informieren muss;

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Ausbildung: Sensibilisierung der Führungspersonen bezüglich Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen, indem die Vorgaben und wesentlichen Fragen dazu in der Aus- und Weiterbildung für Führungspersonen systematischer und gründlicher behandelt wird.

Der Bundesrat ist bereit, die Erarbeitung von Hilfsmitteln zu prüfen. In der juristischen Fachliteratur gibt es bereits Checklisten zu Administrativuntersuchungen.17 Der Bundesrat beabsichtigt, in Anlehnung an diese Checklisten ein bundesverwaltungsinternes Instrument für Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen entwickeln zu lassen.

Was die Beratung und die Information über eingeleitete Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen angeht, so möchte der Bundesrat in einer kurzen Weisung die auftraggebenden Verwaltungseinheiten im Falle von Verfahren von grosser Tragweite verpflichten, bei Administrativuntersuchungen das BJ und die BK und bei Disziplinaruntersuchungen das EPA zu konsultieren. Im Weiteren wurden die Departemente und die BK beauftragt, dafür zu sorgen, dass innerhalb jedes Departements und der BK eine Übersicht über die laufenden Administrativuntersuchungen sowie die Disziplinaruntersuchungen, die sich gegen Angehörige des Kaders richten, besteht.

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Ehrenzeller / Schweizer, Administrativuntersuchung in der öffentlichen Verwaltung und in privaten Grossunternehmen, Referate der Tagung vom 19. Juni 2003 in Olten, St.Gallen 2004, Anhänge 1­4 (S. 143 ff.).

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Hinsichtlich der Ausbildung wird zu prüfen sein, wie die Thematisierung der Administrativ- und der Disziplinaruntersuchungen optimiert werden kann, insbesondere mit Blick auf die in Aussicht genommene Zusammenlegung der Verfahren. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass das Thema nur für eine verhältnismässig kleine Zahl von Führungspersonen relevant ist. Es wird auch zu prüfen sein, ob für Kurse ausschliesslich zu diesem Thema genügend Nachfrage bestehen würde. Mit den eingangs erwähnten Massnahmen wird indessen hinreichend dafür gesorgt, dass Führungskräfte, die Administrativ- oder Disziplinaruntersuchungen durchführen lassen, sich jeweils im konkreten Fall über das korrekte Vorgehen informieren können. Aus all diesen Gründen wird zurzeit darauf verzichtet, die Aus- und Weiterbildung im Bereich der Administrativ- und der Disziplinaruntersuchung weiter auszubauen.

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