17.009 Aussenpolitischer Bericht 2016 vom 11. Januar 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Aussenpolitischen Bericht 2016 und ersuchen Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. Januar 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Der Aussenpolitische Bericht 2016 gibt einen Gesamtüberblick über die Schweizer Aussenpolitik im Berichtsjahr. Er richtet sich in seiner Form und Ausgestaltung nach dem Beschluss des Bundesrates von 2011, der das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) beauftragt, dem Bundesrat in einem Bericht die aussenpolitischen Aktivitäten der Schweiz im jeweiligen Kalenderjahr darzulegen. Entsprechend dem Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (06.3417), das eine Zusammenfassung aller periodisch erscheinenden Berichte zur Aussenpolitik fordert, umfasst dieser Bericht einen Anhang zu den Aktivitäten der Schweiz im Europarat.

In Erfüllung der Motion 10.3212 («Klare strategische Ausrichtung der Aussenpolitik») verabschiedete der Bundesrat im Februar 2016 den zweiten Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur (Aussenpolitische Strategie 2016­ 2019). Dieser Bericht legt die folgenden strategischen Schwerpunkte fest: Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten, Beziehungen zu globalen Partnern, Frieden und Sicherheit sowie nachhaltige Entwicklung und Wohlstand. Der Aussenpolitische Bericht 2016 orientiert sich in seiner Struktur wesentlich an diesen strategischen Stossrichtungen und zeigt auf, in welcher Weise sie im Berichtsjahr umgesetzt worden sind. Er enthält zudem ein einleitendes Kapitel, das die Aussenpolitik der Schweiz im Berichtsjahr zusammenfassend würdigt, sowie als diesjähriges Schwerpunktthema ein Kapitel zum Engagement der Schweiz für Frieden und Entwicklung in den Krisenregionen von Syrien bis zum Sahel. Die Abschnitte «Schutz der Rechte von ethnischen, religiösen, sprachlichen und anderen Minderheiten» (Ziff. 3.3.4, Friedensförderung) sowie «Humanitäre Hilfe im Kontext von Minderheitenfragen» (Ziff. 3.4.2, Humanitäre Hilfe) erfüllen das Postulat 14.3823 von Siebenthal («Bericht über die Situation religiöser Minderheiten und mögliche Massnahmen der Schweiz»).

Schweizer Aussenpolitik 2016: Würdigung und Ausblick Die Einleitung in den vorliegenden Bericht gibt einen Überblick über die wichtigsten aktuellen weltpolitischen Entwicklungslinien. Das Jahr 2016 war geprägt durch die zunehmende Infragestellung der liberalen internationalen Ordnung. Die Unsicherheiten über die Entwicklungen des europäischen und
globalen Umfelds der Schweiz sind grösser geworden. Der beschleunigte Wandel der Welt hält an, steht aber verstärkt im Zeichen von weltpolitischen Spannungen und abnehmender Bereitschaft zur Kooperation. Die Erarbeitung tragfähiger politischer Lösungen für die vielen Krisen und Konflikte hat sich im Berichtsjahr als ausgesprochen schwierig erwiesen. 2016 war kein gutes Jahr für den Frieden, die Freiheit und die auf das Recht gestützte Weltordnung, wobei sich daraus noch kein langfristiger Negativtrend ableiten lässt. Das Kapitel nimmt vor diesem Hintergrund eine politische Standortbestimmung der Schweizer Aussenpolitik vor und legt den Stand der Umsetzung der Aussenpolitischen Strategie 2016­19 dar. Neben den Bemühungen für ein geregeltes und positives Verhältnis zur EU, hat sich die Schweiz deshalb auch im

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Berichtsjahr für Frieden und Sicherheit sowie die Stärkung multilateraler Initiativen und globaler Regeln eingesetzt.

Schwerpunkt: Engagement der Schweiz für Frieden und Entwicklung in den Krisenregionen von Syrien bis Sahel Die Rückwirkungen auf die Schweiz aus der Anhäufung von Krisen und Konflikten im erweiterten regionalen Umfeld Europas sind direkter und stärker spürbar geworden, als das bisher der Fall war. Entsprechend gehört die Förderung von Frieden und Entwicklung in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, Nordafrikas, des Horns von Afrika sowie im Sahel und um den Tschadsee zu den aussenpolitischen Prioritäten der Schweiz. Das Schwerpunktkapitel thematisiert spezifische Charakteristika dieser Regionen, deren Auswirkungen auf die Schweiz, die Grundzüge des Schweizer Engagements sowie die konkreten Umsetzungen vor Ort.

Die Herausforderungen gestalten sich jeweils unterschiedlich, und es ist zu betonen, dass keineswegs alle der insgesamt 34 Staaten in diesen Regionen über einen Leisten geschlagen werden können. Dennoch ist das südliche Umfeld Europas zunehmend durch eine Kumulation von Krisencharakteristika gekennzeichnet. Dazu zählen die Vielzahl von Krisen und Konflikten, die hohe Konzentration fragiler Staaten, die vielfach beobachtbare Fragmentierung sowie die gegenläufige Tendenz einer übergrossen Konzentration von Macht. Auch die demografische Entwicklung, ein oftmals tiefes Entwicklungsniveau und zunehmende klimatische Veränderungen stellen grosse Herausforderungen dar, und die damit verbundene vielfach katastrophale humanitäre Lage bildet einen Nährboden für gewalttätigen Extremismus und führt zu starken Flucht- und Migrationsbewegungen. Dies manifestiert sich in Europa nicht zuletzt in einer hohen Zahl von Asylanträgen. Die zunehmenden dschihadistischen Terroranschläge in Europa stehen ebenfalls in Zusammenhang mit dem Krieg und der Gewalt vor allem in Syrien und im Irak. Das Engagement der Schweiz im südlichen Krisenbogen entspricht daher nicht nur dem Verfassungsauftrag der Förderung von Frieden und Entwicklung, sondern auch ihrem genuinen Interesse an einem stabilen und sicheren Umfeld.

Das Schweizer Engagement wird von einer starken Präsenz vor Ort mit insgesamt 19 Botschaften und sieben Kooperationsbüros getragen. Ein wichtiger Grundsatz der Aktivitäten betrifft die
koordinierte Verwendung der Instrumente und deren Ausrichtung auf gemeinsame strategische Ziele. Neben der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) zählen die Politische Direktion des EDA, das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) sowie das Staatsekretariat für Migration (SEM) zu den wichtigsten schweizerischen Akteuren in diesen Regionen. Zu den zentralen Instrumenten zählen die zivile Friedensförderung, das Engagement für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Demokratie, die Förderung der Menschenrechte, die Entwicklungszusammenarbeit sowie die humanitäre Hilfe. Des Weiteren haben in den letzten Jahren auch die Querschnittthemen Flucht und Migration, Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE) sowie die Prävention und Lösung von Wasserkonflikten an Bedeutung gewonnen.

Das konkrete Engagement vor Ort ist so vielfältig wie die jeweiligen Kontexte und erstreckt sich von der Suche nach politischen Lösungen des Syrienkonflikts über die

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Kooperation im Bereich von PVE mit Tunesien, die Förderung guter Regierungsführung in Mali bis hin zu Projekten zum Schutz von Flüchtlingen im Horn von Afrika.

Vor dem Hintergrund zahlreicher eritreischer Flüchtlinge wird zudem ein zunächst beschränktes Engagement in Eritrea aufgenommen. Neben der bilateralen Zusammenarbeit verstärkt die Schweiz ausserdem im Einklang mit der Aussenpolitischen Strategie kontinuierlich die Beziehungen mit den regionalen Organisationen in den genannten Regionen.

Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU standen auch 2016 im Zeichen des Ziels des Bundesrates, die Zuwanderung in die Schweiz besser zu steuern und gleichzeitig den bilateralen Weg zu sichern und weiterzuentwickeln. Die Arbeiten konzentrierten sich massgeblich auf eine einvernehmliche Lösung bei der Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung (BV) sowie auf die Klärung der zukünftigen Rahmenbedingungen des Verhältnisses Schweiz­EU. Im Dezember beschloss das Parlament eine mit dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU kompatible Umsetzungsgesetzgebung für Art. 121a BV. Dies erlaubte dem Bundesrat die Ratifikation des Protokolls zur Ausdehnung des FZA auf Kroatien und sicherte die Vollassoziierung der Schweiz an «Horizon 2020» ab Anfangs 2017. Der Umgang mit der Migration aus der südlichen Nachbarschaft bestimmte im Berichtsjahr die Beziehungen mit der EU ebenfalls. Die Schweiz machte sich dabei für gesamteuropäische und solidarische Lösungen und die Anpassung bestehender Regeln, etwa im Rahmen des Dublin-Systems, stark.

Bei der Suche nach einer einvernehmlichen Lösung mit der EU für das FZA wurden auch die bestehenden Kontakte zu den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten systematisch genutzt. Mit den diesjährigen EU-Ratspräsidentschaften, den Niederlanden und der Slowakei, fanden mehrere Treffen statt. Im Zuge des Brexit-Votums der britischen Bevölkerung und den damit verbundenen Herausforderungen für das zukünftige Verhältnis zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich wurden die bereits engen Kontakte zu London weiter intensiviert.

Über europapolitische Fragen hinaus sind die Nachbarstaaten von besonderer Bedeutung für die Schweiz, wobei unter anderem die häufigen bilateralen Treffen des Bundespräsidenten mit seinen
Amtskolleginnen und -kollegen von der Wichtigkeit dieser Beziehungen zeugen. Auf der bilateralen Ebene konnten verschiedene Dossiers zu Steuerfragen mit Italien und Frankreich vorangetrieben werden. So trat etwa das Zusatzprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Italien in Kraft und konnte das Steuerregime am Flughafen Basel-Mülhausen mit Frankreich ausgehandelt und paraphiert werden. Das Abkommen über die Grenzgängerbesteuerung mit Italien konnte hingegen noch nicht unterzeichnet werden. Die bilateralen Beziehungen zu Österreich waren im Berichtsjahr massgeblich durch Fragen der Europa- und Migrationspolitik geprägt. Österreich ist ausserdem als Vorsitzland der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Jahr 2017 ein wichtiger Partner der Schweiz in Sicherheitsfragen. In Vaduz ernannte die Schweiz 2016 einen Honorargeneralkonsul, womit ein

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Zeichen der Wertschätzung für die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen mit Liechtenstein gesetzt wurde.

Beziehung zu globalen Partnern Die Intensivierung und Diversifizierung der Zusammenarbeit mit den Schwerpunktländern Brasilien, USA, Südafrika, Türkei, Russland, Indien, China und Japan bleibt ein Ziel der aktuellen Legislaturperiode. Entsprechend konnten auch im Berichtsjahr verschiedene Absichtserklärungen und Abkommen unterzeichnet werden, beispielsweise mit Indien zur Visabefreiung für Diplomatinnen und Diplomaten. Zur Stärkung der Beziehungen trugen auch die vielfältigen bilateralen Konsultationen bei. Mit China führt die Schweiz gut zwanzig sektorielle Dialoge, wozu auch heikle Themen wie die Menschenrechte zählen. Auch mit Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika fanden im Berichtsjahr mehrere Treffen auf verschiedenen Stufen und zu einem breiten Kreis von Themen statt.

Entsprechend der Aussenpolitischen Strategie 2016­2019 vertiefte die Schweiz im Berichtsjahr das Beziehungsnetz mit weiteren G20-Staaten; beispielsweise konnten die Beziehungen mit Kanada und Argentinien dynamisiert werden. Der Besuch des Bundespräsidenten in Südkorea ermöglichte die Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Bildung sowie die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Zusammenarbeit bei den Informationstechnologien. Die Schweiz will ihr globales Beziehungsnetzt auch über die G20 hinaus stärken. Zahlreiche Kontakte auf allen Ebenen fanden im Berichtsjahr mit dem Iran statt, wobei eine «Roadmap» über die Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit vereinbart wurde. Die Länder des westlichen Balkans bleiben eine wichtige Region für die Schweiz, wobei das Engagement zugunsten von Frieden, Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität im Vordergrund steht.

Neben der Pflege der bilateralen Beziehungen konnte auch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Regionalorganisationen ausgebaut werden. Gemeinsame Absichtserklärungen oder erfolgreiche Akkreditierungen von Schweizer Botschaftern dienten der verstärkten Institutionalisierung der Beziehungen zu mehreren regionalen Organisationen Afrikas. Im Berichtsjahr nahm der Bundespräsident ausserdem an den Gipfeln der «Asia-Europe Meeting» (ASEM) und der Frankophonie teil. Letzteres konnte nicht nur für mehrere bilaterale
Treffen mit anderen Staatsoberhäuptern, sondern auch für die Lancierung von Initiativen in den Bereichen Prävention von gewalttätigem Extremismus sowie Wasser als Friedens- und Sicherheitsfaktor genutzt werden.

Frieden und Sicherheit Entsprechend der Zielsetzung in der Aussenpolitischen Strategie 2016­2019 engagierte sich die Schweiz auch im Berichtsjahr für Frieden und Sicherheit in Europa und der Welt. Auf der regionalen Ebene kommt der OSZE eine zentrale Rolle zu, wobei sich die Schweiz für eine Stärkung der kooperativen Sicherheit und die Förderung des Dialogs in Europa einsetzt. Im Rahmen der internationalen Sicherheit und des Umgangs mit transnationalen Bedrohungen kommt neben der Terrorbekämpfung dem Cyber-Raum wachsende Bedeutung zu. Die Schweiz fokussierte dabei

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2016 unter anderem auf die Entwicklung und Stärkung des normativen Rahmens basierend auf dem Völkerrecht. Weiterhin prioritär war daneben auch das Engagement auf multilateraler Ebene in den Bereichen Rüstungskontrolle, Abrüstung und Verhinderung der Proliferation.

Auf globaler Ebene setzt sich die Schweiz vor allem innerhalb der UNO für Frieden und Sicherheit ein. Auch 2016 trat sie als Gastgeberin von Friedensprozessen, etwa zu Syrien, auf. Seit Jahresbeginn 2016 nimmt die Schweiz wieder als Mitglied des Menschenrechtsrates Einsitz in das wichtigste UNO-Organ im Bereich der Menschenrechte. Des Weiteren unterstützte sie verschiedene Reformbemühungen der UNO, wobei sie einen Fokus auf das Management der Organisation richtete, beispielsweise auf den Bereich des Personalwesens. Ausserdem setzte sich die Schweiz für ein klarer strukturiertes und transparenteres Nominierungsverfahren bei der Wahl des UNO-Generalsekretärs ein. Die Umsetzung der 2014 vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zu den Massnahmen zur Stärkung der Rolle der Schweiz als Gaststaat begann im Januar.

Die friedenspolitischen Instrumente der Schweiz waren angesichts zahlreicher, anhaltender Konflikte und humanitärer Katastrophen auch 2016 stark gefordert und wurden in unterschiedlichen Kontexten unter oft schwierigen Bedingungen eingesetzt. Trotz Rückschlägen gab es im vergangenen Jahr auch positive Entwicklungen für die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, beispielsweise in Myanmar und Kolumbien, zu denen die Schweiz im Berichtsjahr ihren Beitrag leisten konnte. Wichtig war ausserdem das Engagement der Schweiz für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte sowie zugunsten religiöser und anderer Minderheiten. Die Thematik wurde sowohl in bilateralen Konsultationen diskutiert als auch im Rahmen multilateraler Gremien vorangetrieben. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Menschenrechtsrates lancierte die Schweiz den von siebzig Staaten unterstützten «Appell vom 13. Juni», der die Mitgliedstaaten dazu aufruft, sich für eine bessere Berücksichtigung der Menschenrechte in der Konfliktprävention zu engagieren.

Das humanitäre Völkerrecht wurde im Berichtsjahr von staatlichen und nichtstaatlichen Konfliktparteien häufig verletzt. In Reaktion darauf rief die Schweiz auch 2016 mit Nachdruck zur Einhaltung der
Genfer Konventionen auf. Das Engagement zugunsten des humanitären Völkerrechts setzte die Schweiz zudem im Rahmen ihres gemeinsamen Vorsitzes ­ mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ­ des Montreux-Dokument-Forums fort. Besondere Bedeutung misst die Schweiz angesichts schwerster Völkerrechtsverletzungen dem Internationalen Strafgerichtshof zu, weshalb sie sich 2016 erneut für dessen Einschaltung namentlich für Syrien aussprach. Im Bereich der Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte unterzeichneten der Bundesrat und die Regierung Nigerias im März eine Absichtserklärung betreffend die Rückgabe von rund 320 Millionen US-Dollar.

Entsprechend der in der Aussenpolitischen Strategie 2016­2019 festgehaltenen Wechselwirkung zwischen Frieden und Entwicklung engagierte sich die Schweiz im Berichtsjahr unter Verwendung verschiedener Instrumente für Themen an der Schnittstelle von Friedenspolitik, Menschenrechte, nachhaltiger Entwicklung und humanitärer Hilfe. Dazu zählen die Prävention von gewalttätigem Extremismus, die

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Vermeidung von Wasserkonflikten durch Förderung kooperativer Lösungen sowie die aussenpolitischen Beiträge zur Bewältigung der erhöhten Flucht- und Migrationsbewegungen. Die Umsetzung dieser aussenpolitischen Prioritäten der Schweiz erfordert ein enges Zusammenspiel von Diplomatie, Friedensförderung und Entwicklung über bürokratische Trennlinien hinweg.

Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand Die Schweiz setzt sich für eine Welt ohne Armut und für nachhaltige Entwicklung ein. Über die Aussenpolitik, darunter die internationale Zusammenarbeit und die sektoriellen Aussenpolitiken engagiert sich die Schweiz nachdrücklich für die nachhaltige Entwicklung. Die Agenda 2030 und die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 (IZA) bilden dabei den Handlungsrahmen. Im Sommer präsentierte die Schweiz der UNO als eines der ersten Länder ihre ersten Umsetzungsschritte der Agenda 2030. Das Berichtsjahr markierte das letzte Umsetzungsjahr der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016. Die im Jahr 2016 verabschiedete neue IZA-Botschaft fokussiert unter anderem auf eine verstärkte Verknüpfung der Instrumente und widerspiegelt damit die Erfahrung, dass der kombinierte Einsatz Letzterer zu den besten Resultaten führt. Ein weiteres Augenmerk der neuen Botschaft liegt auf der Wirksamkeitsmessung und transparenten Berichterstattung. Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit wurde im Berichtsjahr bereits mit Bezug auf die zukünftige IZA-Botschaft ausgerichtet. Die Aktivitäten in den sieben Regionalprogrammen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sowie den fünfzehn Länderprogrammen fokussierten auf die nachhaltige weltweite Entwicklung, die Armutsreduktion, die Bekämpfung von Konflikten und Krisen, die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und die Wahrung der Menschenrechte.

Auch das Engagement im Bildungssektor, etwa durch die Finanzierung von berufsbildenden Lehrgängen für Jugendliche in einem Flüchtlingslager in Kenia, und die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor wurden 2016 weiter ausgebaut. Mit den fünf thematischen Globalprogrammen Ernährungssicherheit, Klimawandel, Wasser, Gesundheit sowie Migration und Entwicklung geht die DEZA ausserdem Herausforderungen an, welche die Entwicklungsperspektiven armer Länder zunehmend beeinflussen. Im Berichtsjahr hat die Schweiz zudem ihre
enge Kooperation mit prioritären Partnerorganisationen im multilateralen Bereich fortgeführt und gezielt ausgebaut. Im Rahmen der Ostzusammenarbeit unterstützte die Schweiz weiterhin die Länder im Westbalkan und in acht Ländern der ehemaligen Sowjetunion bei der Transition zu demokratischen und marktwirtschaftlichen Systemen. Angesichts unzähliger Krisen, Konflikte und Katastrophen war die Humanitäre Hilfe auch im 2016 stark gefordert. Die Schweiz leistete bi- und multilateral sowie in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen Unterstützung in vielfältigen Kontexten, etwa der Syrienkrise, der Ukraine, den Krisenherden Subsahara-Afrikas oder nach dem Wirbelsturm «Matthew» in Haiti, wo sie für 100 000 Menschen Nothilfe leistete.

Ausserdem engagierte sich die Schweiz in multilateralen Gremien für Lösungen der dringlichsten Probleme und für die Verringerung des Katastrophenrisikos.

Bei der Umsetzung der Agenda 2030 achtet die Schweiz darauf, Widersprüche zwischen verschiedenen Sektoral- und Querschnittpolitiken möglichst zu vermeiden.

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Beispiele hierfür sind etwa die Förderung von mehr Transparenz im Rohstoffgeschäft oder die Politik zur Verminderung unrechtmässiger und unlauterer Finanzflüsse aus Entwicklungsländern. Damit vertieft der Bundesrat sein bisheriges Engagement für mehr Politikkohärenz für Entwicklung und leistet einen wichtigen Beitrag zu einer breiter verstandenen Kohärenz für nachhaltige Entwicklung.

Sektorielle Aussenpolitiken Eine nachhaltige Bewahrung des Wohlstands fusst unter anderem auf einer regelbasierten Zusammenarbeit auf globaler Ebene in verschiedenen Bereichen. Mit ihrem Engagement in sektorbezogenen internationalen Prozessen, unter anderem multilateralen Übereinkommen, bilateralen Verträgen, regionalen und globalen (UNO)Programmen, trägt die Schweiz zur Förderung der drei Zieldimensionen Soziales, Wirtschaft sowie Umwelt der nachhaltigen Entwicklung bei. Aufgrund der zentralen Bedeutung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle und des Marktzugangs für den exportorientierten Schweizer Finanzplatz wurden auch im Berichtsjahr Finanz- und Regulierungsdialoge mit G20-Ländern und anderen wichtigen Partnerstaaten geführt. So kann die Schweiz Positionen in relevanten internationalen Organisationen abstimmen und bilaterale Themen ansprechen. Auf der multilateralen Ebene wirkte die Schweiz auf Einladung der chinesischen G20-Präsidentschaft im G20Finanzsegment sowie in der Arbeitsgruppe zu Korruptionsbekämpfung mit. Ausserdem nahm die Schweiz am «London Anti-Corruption Summit» teil. Auch in der Wissenschafts- und Umweltpolitik sowie im Gesundheitsbereich setzte sich die Schweiz für multilaterale Ansätze ein. Im Berichtsjahr konnte beispielsweise die von der Schweiz angeregte Batumi-Initiative zur grünen Wirtschaft anlässlich der achten Ministerkonferenz «Umwelt für Europa» verabschiedet werden. Des Weiteren wurde die Kampagne zur Erlangung des Beobachterstatus im Arktischen Rat fortgeführt.

Die Pflege bi- und multilateraler Kontakte konnte 2016 auch in den Bereichen Energie, Kultur, wissenschaftliche Zusammenarbeit, Internet-Gouvernanz, Verkehr und Umwelt fortgesetzt werden. So trafen sich beispielsweise im Rahmen des «Zürich-Prozesses» und aus Anlass der Gottharderöffnung die Verkehrsministerinnen und -minister von Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Liechtenstein, Slowenien und der Schweiz im Mai
in Lugano zu Gesprächen zur Verkehrssicherheit und Mobilität im Alpenraum. Mit der Organisation der Ministerratskonferenz der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in Luzern hat die Schweiz zudem ihre Co-Präsidentschaft der Weltraumorganisation mit Luxemburg erfolgreich beendet.

Bürgernahe Dienstleistungen Für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland stellt das Vertretungsnetz gemeinsam mit der Konsularischen Direktion des EDA ein umfassendes Dienstleistungsangebot im Sinne eines «Guichet unique» zur Verfügung. Eine wichtige Rolle kommt sodann der Bearbeitung von Visagesuchen ausländischer Gäste zu, damit ein einfacher Zugang zur Schweiz als Wirtschafts- und Tourismusstandort sowie zum internationalen Genf sichergestellt werden kann. Auslandschweizerinnen und -schweizer sowie Schweizer Touristinnen und Touristen können sich 365 Tage im Jahr an die zentrale Anlaufstelle «Helpline EDA» wenden. Geraten sie in eine Notlage, bietet das EDA ausserdem im Rahmen des konsularischen Schutzes Hilfeleistung. Auf-

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grund der volatilen Entwicklung der Sicherheitslage in verschiedenen Weltregionen kommt der Krisenprävention und -vorsorge sowie dem Krisenmanagement zugunsten der Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Ausland eine wichtige Rolle zu. Das Krisenmanagement-Zentrum (KMZ) des EDA informiert eine breite Öffentlichkeit in seinen Reisehinweisen über Sicherheitsrisiken im Ausland, verfolgt laufend die globale Lageentwicklung und koordiniert in Krisenlagen in seinem Aufgabenbereich die vom Bund eingesetzten Mittel zum Schutz von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern im Ausland. So stellte das KMZ im Jahr 2016 bei einer Vielzahl von Ereignissen das Krisenmanagement sicher, unter anderem beim Erdbeben in Ecuador, der Evakuation der Schweizer Vertretung im Südsudan und einer Vielzahl von Terroranschlägen unter anderem in Belgien, Frankreich, Deutschland, Burkina Faso, in der Türkei und in Indonesien.

Kommunikation Die Aufbereitung von Informationen über die Aussenpolitische Strategie 2016­2019 und die Botschaft über die Internationale Zusammenarbeit 2017­2020 sowie die Politik der Schweiz gegenüber der EU prägten die Kommunikationsaktivitäten von «Information EDA». Bei der Landeskommunikation wurden auch im Berichtsjahr die Stärken der Schweiz in den Vordergrund gestellt. 2016 stand im Zeichen der Auftritte an der Fussballeuropameisterschaft in Frankreich und den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Im Rahmen dieser Anlässe wurde jeweils ein «House of Switzerland» eröffnet, das als Netzwerk- und Marketingplattform für die Schweiz diente. Die Kampagne im Rahmen der Weltumrundung des Schweizer Solarflugzeugs «Solar Impulse» und vor allem die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels boten eine ausgezeichnete Gelegenheit, um Stärken und Kompetenzen der Schweiz in den Vordergrund zu rücken. Über siebzig Anlässe in rund vierzig Vertretungen weltweit wurden in diesem Rahmen durchgeführt. Der Historische Dienst des EDA beschäftige sich 2016 unter anderem mit einer quellennahen Prüfung der These eines «geheimen Abkommens» zwischen der Schweiz und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) im Jahr 1970.

Ressourcen, Aussennetz und Personal Das Schweizer Aussennetz mit seinen derzeit 170 Berufsvertretungen und 200 Honorarvertretungen im Ausland wird regelmässig an die Bedürfnisse der Schweiz und an die internationale
Lage angepasst. Neben neuen Technologien, wie der mobilen Biometrie, wird dabei auch auf innovative Ansätze wie «Colocation» mit Partnerländern gesetzt. So ist beispielsweise das 2016 eröffnete Generalkonsulat in Lagos (Nigeria) in den Räumlichkeiten der dänischen Vertretung untergebracht. Weit vorangeschritten ist die Schaffung integrierter Botschaften, welche dem kohärenten Auftritt der Schweiz sowie der Nutzung von Synergien zuträglich sind. Die Sparmassnahmen im Personalaufwand, die im Rahmen des Stabilisierungsprogramms 2017­ 2019 für das EDA vorgesehen sind, wurden im Verlauf des Berichtsjahrs in Angriff genommen. Sie werden, was das Aussennetz anbelangt, so weit wie möglich durch Reorganisationen, Nutzung von Synergien sowie Anpassungen in den Leistungskatalogen der Vertretungen umgesetzt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Schweizer Aussenpolitik 2016: Würdigung und Ausblick 1.1 Weltpolitische Entwicklungslinien 1.1.1 Die liberale internationale Ordnung unter Druck 1.1.2 Europäisches und globales Umfeld mit vielen Fragezeichen 1.1.3 Wenig Fortschritt in der Lösung von Konflikten 1.2 Standortbestimmung: Schweizer Aussenpolitik in einer Zeit der Krisen 1.2.1 Aussenpolitische Strategie 2016­19 als Kompass 1.2.2 Neuer Handlungsrahmen für Entwicklung und Frieden 1.2.3 Breites Aussennetz als bewährte Basis 1.3 Stand der Umsetzung der aussenpolitischen Prioritäten 1.3.1 Schrittweise Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs 1.3.2 Intensivierung und Diversifizierung globaler Partnerschaften 1.3.3 Gute Dienste und Gestaltung der Globalisierung nach Schweizer Werten 1.3.4 Umfassendes Engagement für nachhaltige Entwicklung und Wohlstand Schwerpunkt: Engagement der Schweiz für Frieden und Entwicklung in den Krisenregionen von Syrien bis Sahel 2.1 Einleitung 2.2 Regionale Charakteristika und Bedeutung für die Schweiz 2.3 Grundzüge des Schweizer Engagements 2.4 Schwerpunkte der Schweiz in den verschiedenen Regionen 2.4.1 Naher und Mittlerer Osten 2.4.2 Nordafrika 2.4.3 Sahel und Tschadsee 2.4.4 Horn von Afrika Aussenpolitische Aktivitäten der Schweiz im Berichtsjahr 3.1 Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten 3.1.1 Europäische Union 3.1.2 Beziehungen zu den Nachbarstaaten 3.1.3 Beziehungen zu anderen EU-/EFTA-Staaten 3.2 Beziehung zu globalen Partnern 3.2.1 Schwerpunktländer 3.2.2 Westlicher Balkan 3.2.3 Osteuropa und Zentralasien

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3.2.4 Amerikanischer Kontinent 3.2.5 Subsahara-Afrika 3.2.6 Naher und Mittlerer Osten und Nordafrika 3.2.7 Asien und Pazifik Frieden und Sicherheit 3.3.1 Europäische Sicherheit: OSZE, Partnerschaft für den Frieden, Europarat 3.3.2 Internationale Sicherheit und transnationale Bedrohungen 3.3.3 UNO und internationales Genf 3.3.4 Friedensförderung 3.3.5 Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit 3.3.6 Völkerrecht, humanitäres Recht und internationale Strafgerichtsbarkeit 3.3.7 Querschnittthemen: Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE), Wasserdiplomatie, Flucht und Migration Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand 3.4.1 Handlungsrahmen für die internationale Zusammenarbeit: Agenda 2030 und IZA-Botschaft 2017­2020 3.4.2 Humanitäre Hilfe 3.4.3 Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit 3.4.4 Globalprogramme und Forschung 3.4.5 Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit 3.4.6 Ostzusammenarbeit 3.4.7 Institutionelle Partnerschaften 3.4.8 Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung 3.4.9 Monitoring und Lernfähigkeit Sektorielle Aussenpolitiken 3.5.1 Internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik 3.5.2 Umwelt 3.5.3 Gesundheit, Verkehr und Energie 3.5.4 Bildung, Forschung und Innovation (BFI) 3.5.5 Kultur 3.5.6 Informationsgesellschaft und Internet-Gouvernanz Bürgernahe Dienstleistungen Kommunikation Ressourcen, Aussennetz und Personal

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Abkürzungsverzeichnis

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Länderindex

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Anhang: Ergänzende Angaben zum Europarat

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Bericht 1

Schweizer Aussenpolitik 2016: Würdigung und Ausblick

1.1

Weltpolitische Entwicklungslinien

Das Jahr 2016 war geprägt durch die zunehmende Infragestellung der liberalen internationalen Ordnung. Die Unsicherheiten über die Entwicklungen des europäischen und globalen Umfelds der Schweiz sind grösser geworden. Der beschleunigte Wandel der Welt hält an, steht aber verstärkt im Zeichen von weltpolitischen Spannungen und abnehmender Bereitschaft zur Kooperation. Die Erarbeitung tragfähiger politischer Lösungen für die vielen Krisen und Konflikte hat sich im Berichtsjahr als ausgesprochen schwierig erwiesen. 2016 war kein gutes Jahr für den Frieden, die Freiheit und die auf das Recht gestützte Weltordnung, wobei sich daraus noch kein langfristiger Negativtrend ableiten lässt.

1.1.1

Die liberale internationale Ordnung unter Druck

Die moderne internationale Ordnung wurde nach 1945 unter amerikanischer Führung geschaffen. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurde sie zur vorherrschenden globalen Norm. Sie beruht auf Demokratie, Marktwirtschaft sowie auf Werten wie der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit. Ebenso basiert diese Ordnung auf dem Willen der Staaten, im multilateralen Rahmen gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen. Ein wichtiger Bestandteil ist ausserdem die Förderung des freien Verkehrs etwa von Waren, Kapital und Informationen. Die liberale Weltordnung und die Globalisierung sind eng miteinander verknüpft.

Diese Ordnung wurde nie von allen Ländern in gleichem Masse respektiert. Autoritäre Staaten haben einseitig, und teilweise nur begrenzt, die wirtschaftliche Dimension mitgetragen. Verschiedene nichtstaatliche Gewaltakteure wie dschihadistische Terrorgruppierungen lehnen solche Ordnungsvorstellungen ganz ab. Die Kritik am Status quo hat sich in Zusammenhang mit dem ansteigenden politischen und wirtschaftlichen Gewicht mancher Entwicklungs- und Schwellenländer bereits in den vergangenen Jahren verstärkt. Eine wichtige Rolle spielte Russland, das sich verstärkt vom Westen abgrenzt, mit der Krim-Annexion Grundprinzipien des internationalen Rechts und der gemeinsam entwickelten europäischen Sicherheitsordnung verletzt hat und vielfach alternative Ordnungsvorstellungen vertritt. Russland wirft dem Westen seinerseits vor, Grundprinzipien der internationalen Ordnung unterminiert zu haben, unter anderem mit den Interventionen im Kosovo, im Irak und in Libyen.

Die bereits früher feststellbare Infragestellung der internationalen Ordnung ist im Berichtsjahr jedoch virulenter geworden. Hierzu hat das Zusammenspiel von drei Faktoren beigetragen. Erstens hat Russland seinen Anspruch als eigenständige Ordnungsmacht über die regionale Ebene hinaus auch global verstärkt geltend 1244

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gemacht. Moskaus Kriegseintritt in Syrien hat die dortige Ausgangslage fundamental verändert und die militärischen und politischen Gewichte zugunsten des syrischen Präsidenten Asad verschoben. Mit dem Ausbau des russischen Einflusses in Nahost ging eine nochmalige Einschränkung amerikanischer Handlungsoptionen im Syrienkrieg einher. Nach den gescheiterten Bemühungen um ein kooperatives amerikanisch-russisches Krisenmanagement in Syrien kam es im UNO-Sicherheitsrat zu Spannungen zwischen Washington und Moskau, wie man sie seit dem Irakkrieg 2003 nicht mehr gesehen hat. Russland vertritt dabei multipolare statt multilateralkooperative Ordnungsvorstellungen.

Zweitens sind verschiedene Staaten in ihrer inneren Verfasstheit illiberaler geworden. Das hat Rückwirkungen auf die internationale Ordnung. Denn wenn Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, individuelle Freiheitsrechte und Toleranz innenpolitisch unter Druck geraten, spiegelt sich das in den internationalen Beziehungen. Im Berichtsjahr fanden die Entwicklungen in der Türkei international besondere Aufmerksamkeit. Im Nachgang zum gescheiterten Putsch wurden über 100 000 Staatsangestellte entlassen, Zehntausende Menschen verhaftet und 200 Medienunternehmen geschlossen. Der Druck auf Justiz, Presse und die Opposition hat merklich zu-, die individuelle Freiheit abgenommen. Eine Konzentration von Macht und abnehmende Freiheit lassen sich ausserdem auch in verschiedenen arabischen und zentralasiatischen Staaten beobachten. Häufig manifestieren sich diese inneren Entwicklungen in einem verstärkten Nationalismus, der weltweit zunimmt.

Drittens sind es innenpolitische Entwicklungen in westlichen Staaten, welche die Beständigkeit der in den vergangenen Jahrzehnten entwickelten internationalen Ordnung in Frage stellen. Politische Bewegungen, die sich gegen offene Grenzen und Gesellschaften wenden und weitgehenden politischen Wandel einfordern, haben in vielen Staaten Europas und in den USA markant an Bedeutung gewonnen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, haben aber häufig mit dauerhaft schwachem Wirtschaftswachstum seit der Finanz- und Schuldenkrise, mit wachsenden Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaft und mit Identitätsfragen sowie Verlustängsten in einer globalisierten Welt zu tun. Der Erfolg solcher Bewegungen widerspiegelt unter anderem die
Verunsicherung vieler Menschen sowie eine wachsende Skepsis gegenüber traditionellen Eliten und der Politik. Multilaterale Regelsysteme, insbesondere im Bereich der Wirtschaft, werden dabei vielfach als Problem identifiziert. Entsprechend stehen häufig eine Abkehr von der Globalisierung und das Versprechen einer verstärkt national geprägten Ausrichtung der Politik im Vordergrund dieser gesellschaftlichen Strömungen.

Es sind zwei Volksentscheide im Vereinigten Königreich und den USA ­ zweier Stützpfeiler der liberalen Ordnung ­, die 2016 von besonderer weltpolitischer Relevanz waren. Der Brexit sowie die US-Präsidentenwahl werden Rückwirkungen auf die europäischen sowie die globalen Entwicklungen haben, die allerdings noch kaum präzise zu erfassen sind. Das Votum zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) vom 23. Juni 2016 bedeutet einen Rückschlag für den europäischen Einigungsprozess. Zwar bleibt das künftige Verhältnis zwischen den EU-27 und dem Vereinigten Königreich vorerst unklar und will London erst 2017 die Austrittsklausel aus dem Vertrag über die EU anrufen. Es ist aber zu erwarten, dass der Brexit-Entscheid beide Seiten nachhaltig verändern wird. Ohne das Verei1245

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nigte Königreich werden das BIP der 27 EU-Staaten nach aktuellen Zahlen um fünfzehn Prozent, die Bevölkerung um fast neun Prozent, die Exporte in Nicht-EULänder um fast dreizehn Prozent und die Verteidigungsausgaben um über 22 Prozent abnehmen. Ohne EU-Mitgliedschaft wiederum steht das Vereinigte Königreich vor der Frage, wie es seine wirtschaftlichen Beziehungen neu ordnen und seinen politischen Mitgestaltungsanspruch künftig geltend machen will und kann.

Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA stellt potenziell ebenfalls eine Zäsur dar. Bisher waren die Vereinigten Staaten der zentrale Träger der liberalen internationalen Ordnung. Ihr Wille und ihre Fähigkeit, sich als Ordnungsmacht global für Freiheit und Stabilität zu engagieren, haben zwar bereits unter Präsident Obama abgenommen. Dessen Aussenpolitik blieb jedoch einer liberalen Weltordnung verpflichtet und reflektierte damit einen aussenpolitischen Grundkonsens, der die USA seit dem Zweiten Weltkrieg prägt. Als Präsidentschaftskandidat stellte Donald Trump vieles davon in Frage. Entscheidend wird allerdings sein, welche Politik er als Präsident verfolgen wird. Die konkreten Folgen für die internationale Ordnung werden dabei nur schrittweise zu identifizieren sein. Dementsprechend ist von einer Zeit erhöhter Unberechenbarkeit auszugehen. Bei einem weitgehenden Rückzug der USA als Führungsmacht könnte die Weltpolitik noch volatiler und instabiler werden als in den vergangenen Jahren.

1.1.2

Europäisches und globales Umfeld mit vielen Fragezeichen

Die Unsicherheiten über die weiteren Entwicklungen im europäischen und globalen Umfeld der Schweiz haben zugenommen. Diese strategische Unsicherheit stellt für Politik und Diplomatie eine Herausforderung dar. Im europäischen Umfeld stellt sich zunächst die Frage nach dem weiteren Verlauf der europäischen Einigung. Die EU ist mit einer Reihe sich überlagernder Krisen befasst, zu der unter anderem die weiter schwelende Euro- und Schuldenkrise, die Flüchtlingskrise und der Brexit zu zählen sind. Die Euroskepsis hat in den letzten Jahren in vielen Mitgliedstaaten zugenommen. Inwieweit und in welchen Themen mit «mehr» oder «weniger» Europa zu rechnen ist, wird auch vom Ausgang von Wahlen abhängen, die 2017 in mehreren wichtigen Mitgliedstaaten stattfinden. Ähnlich wie in den USA ist auch in vielen EU-Ländern ein vormals solider aussenpolitischer Grundkonsens erodiert ­ in diesem Fall vor allem in Bezug auf die Europafrage. Festzuhalten bleibt, dass eine stabile und handlungsfähige EU weiterhin im Interesse der Schweiz ist, sowohl mit Blick auf ihren Wohlstand als auch ihre Freiheit und Sicherheit.

Ungewiss ist auch die Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung. Im Berichtsjahr hat sich die Sicherheitslage im OSZE-Raum verschlechtert. In der Ukrainekrise sind die Konfliktparteien weit von einer politischen Lösung entfernt. Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen bleiben hoch. Russlands nukleare Drohungen, militärische Provokationen und gegenseitige Abschreckungsmassnahmen haben die Vertrauenskrise verschärft. Komplementäre Vorstellungen über die Ordnung in der Zone zwischen der EU und Russland gibt es weiterhin genauso wenig wie einen Dialog zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Schlecht steht es 1246

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zudem um die menschliche Dimension der OSZE, einem Kernelement der europäischen Sicherheitsordnung. Der Wille zur Umsetzung bestehender Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte und zur Schaffung neuer Normen hat bei einer wachsenden Zahl von OSZE-Teilnehmerstaaten im post-sowjetischen Raum abgenommen. Das gemeinsame Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit, das in den 1990er-Jahren zu einer wichtigen Basis kooperativer Sicherheit in Europa wurde, ist seither erodiert. Ausdruck hiervon ist die Tatsache, dass es im zweiten Jahr in Folge nicht gelang, eine OSZE-Ministerratserklärung in der menschlichen Dimension zu verabschieden.

Es gibt allerdings auch Anzeichen für positive Entwicklungen. Während Vorschläge für einen inklusiven Sicherheitsdialog in der OSZE, an denen die Schweiz massgeblich beteiligt war, in den letzten Jahren auf eher geringe Resonanz stiessen, hat sich diesbezüglich in jüngster Zeit einiges bewegt. So lud der deutsche Vorsitz am 1. September zu einem informellen OSZE-Ministertreffen nach Potsdam ein, um den politischen Dialog über die aktuellen Herausforderungen zu fördern. Am regulären OSZE-Ministerrat vom Dezember in Hamburg konnten sich die Teilnehmerstaaten entgegen den Erwartungen darauf einigen, einen «strukturierten Dialog» über Herausforderungen und Risiken für die Sicherheit im OSZE-Raum zu lancieren. Sie taten dies auch im Kontext der im zweiten Halbjahr 2016 von Deutschland lancierten Initiative zur Neulancierung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa, die in Hamburg viel Zuspruch erhielt. Obwohl das Klima angespannt war, fiel die Bilanz des Ministerratstreffens mit der Verabschiedung von insgesamt zehn Ministerratstexten insgesamt positiv aus. Mit der «Hamburger Erklärung» legte die OSZETroika 2017 (Deutschland, Österreich, Italien) zudem eine substanzielle Zukunftsagenda vor, die von Gestaltungswillen zeugt.

Die Bereitschaft zum Dialog über kooperative Sicherheit dürfte einerseits aufgrund der Sorge über die Stabilität in Europa zugenommen haben, andererseits auch angesichts wachsender politischer Ungewissheiten, insbesondere hinsichtlich der künftigen Rolle der USA in der europäischen Sicherheitsordnung. Welche Dynamiken sich vor diesem Hintergrund in der OSZE, dem Nordatlantischen Bündnis (NATO) und der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik ergeben,
wird sich weisen müssen. Ein wichtiger Faktor ist das künftige Verhältnis zwischen den USA und Russland. Eine Rückkehr zu mehr Zusammenarbeit würde Chancen zu einer Stärkung der europäischen Sicherheit bieten, sofern dies auf der Basis der gemeinsam vereinbarten Prinzipien von Helsinki und Paris sowie der Respektierung der Sicherheitsbedürfnisse und der Souveränität aller OSZE-Teilnahmestaaten geschieht.

Auch auf globaler Ebene kommt den künftigen Beziehungen der USA mit Russland, aber auch mit China, dem Iran und anderen Staaten, erhebliche Bedeutung zu. Inwieweit ein Wettstreit zwischen eng definierten nationalen Interessen zunimmt und multipolare Konkurrenz die multilaterale Zusammenarbeit weiter beeinträchtigt, bleibt abzuwarten. Der Nahe und Mittlere Osten sowie das Südchinesische Meer werden auf absehbare Zeit Brennpunkte geopolitischer Spannungen bleiben. Die Kluft zwischen globalem Regelungsbedarf und kooperativer Handlungsfähigkeit dürfte eher zu- als abnehmen. Die UNO leistet zwar viel für Frieden und Sicherheit und hat weltweit in sechzehn Friedenssicherungseinsätzen insgesamt über 100 000 Soldaten, Polizisten und Militärbeobachter sowie mehr als 18 000 weitere Zivilper1247

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sonen im Einsatz. Der UNO-Sicherheitsrat als zentrales Organ für Frieden und Sicherheit war 2016 aber in einigen weltpolitischen Brennpunkten wie Syrien und der Ukraine nicht oder nur begrenzt handlungsunfähig. Die wachsende Polarisierung in der Staatengemeinschaft manifestierte sich unter anderem darin, dass die UNOGeneralversammlung mit Russland erstmals einer UNO-Vetomacht die Wiederwahl in den Menschenrechtsrat verwehrte. In New York und am europäischen UNOHauptsitz in Genf lässt sich beobachten, wie immer mehr Staaten ihre nationalen Interessen wieder stärker geltend machen und auf einer Politik der Nichteinmischung bestehen und dabei freiwillig eingegangene internationale Verpflichtungen, namentlich im Menschenrechtsbereich, relativieren.

Auch das Völkerrecht gerät in der zunehmend machtpolitisch geprägten Welt unter Druck. Die Angriffe gegen medizinische Einrichtungen und humanitäre Helfer sowie die Belagerung und Bombardierung von Dörfern und Stadtteilen im Namen der Terrorismusbekämpfung in Konflikten wie in Syrien und im Jemen widerspiegeln die Abnahme des Respekts für das humanitäre Völkerrecht. Einen Schlag gegen die regelbasierte internationale Ordnung und die Verantwortlichkeit stellt auch der angekündigte Austritt mehrerer afrikanischer Staaten (Südafrika, Burundi und Gambia) aus dem Internationalen Strafgerichtshof dar. Positiv zu vermerken ist hingegen der Ratifizierungsstand des globalen Klimaschutzabkommens. Bis Ende 2016 haben mehr als 120 Staaten das Abkommen ratifiziert, darunter China und die USA. Das Abkommen trat am 11. November 2016 in Kraft, nur elf Monate nach seiner Verabschiedung in Paris. Es kann zu einem wichtigen Zeugnis multilateraler Gestaltungsfähigkeit werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle Schlüsselstaaten tatsächlich am Abkommen festhalten.

Fragezeichen bestehen schliesslich bezüglich der Zukunft des Freihandels. Globalisierungsängste und der wachsende Nationalismus drücken sich vermehrt in Forderungen nach wirtschaftlichem Protektionismus aus. Unmittelbar nach seiner Wahl zum US-Präsidenten kündigte Donald Trump die Nichtratifizierung des transpazifischen Handelsabkommens TPP an, das zwölf Pazifikanrainerstaaten, nicht aber China, umfassen sollte. Damit werden die Spielregeln des wirtschaftlichen Austauschs in dieser aufstrebenden Region neu
festzulegen sein, wobei der amerikanische Ausstieg aus dem TPP auch eine Schwächung der amerikanischen Ordnungsmacht im Pazifik mit sich bringen könnte. Die Verhandlungen über einen ähnlichen plurilateralen Handelsvertrag zwischen den USA und der EU dürften sich zumindest verlangsamen. Ob das Ziel transatlantischen Freihandels auf der Agenda bleibt, ist allerdings auch von europäischer Seite her ungewiss. Die Kritik an diesem Vorhaben hat auch in Europa zugenommen. Ein Vorbote für zu erwartende Kontroversen waren im Berichtsjahr die Schwierigkeiten der EU, das Freihandelsabkommen mit Kanada zu unterzeichnen. Falls sich der Trend einer Abkehr vom liberalen Welthandel verstetigen sollte und namentlich die USA als wichtigster Fürsprecher einer liberalen Welthandelsordnung vermehrt auf Abschottung setzen, wird dies weitreichende und weltweite Folgen haben.

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1.1.3

Wenig Fortschritt in der Lösung von Konflikten

Eine Konstante bleibt die Vielzahl von Krisen und Konflikten. Dass mit 65 Millionen heute mehr Menschen auf der Flucht sind als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg, widerspiegelt die hohe Zahl an ungelösten Konflikten. Die Bewältigung dieser Situationen stellt eine grosse Herausforderung für die internationale Diplomatie dar.

Im Berichtsjahr zeigte sich, wie schwierig der Weg zu einer politischen Lösung für die heutigen komplexen und oftmals transnationalen oder inneren Konflikte ist.

Durch internationale Vermittlungsbemühungen konnte in verschiedenen Fällen eine Deeskalation von Konflikten erreicht werden, nicht aber dauerhafter Frieden. Eine Ausnahme in der insgesamt mageren Bilanz ist der Friedensprozess zwischen der Regierung und den Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) in Kolumbien.

Dieser verlief zwar ebenfalls nicht gradlinig, führte aber nach der Billigung eines revidierten Friedensabkommens durch das Parlament zu einem offiziellen Ende des jahrzehntealten Konflikts. Es wird nun darum gehen, diesen Friedensprozess zu verstetigen und die Aussöhnung voranzutreiben.

Schwerpunkt der internationalen Krisendiplomatie war der Krieg in Syrien. Während Ende 2015 mit der Resolution 2254 des Sicherheitsrats die Weichen für die Erarbeitung einer politischen Lösung gestellt wurden, dominierte im zweiten Halbjahr 2016 wieder über weite Strecken die militärische Logik. Das Scheitern der politischen Bemühungen zur Beendigung der Gewalt bis kurz vor dem Ende des Berichtsjahrs wurde zum grossen moralischen Versagen der Weltpolitik. Dabei waren es nicht nur die USA und Russland, sondern auch die Regionalmächte, welche sich lange nicht auf Kompromiss einigen konnten, wie ein Waffenstillstand umgesetzt und die seit Ende April unterbrochenen Friedensgespräche in Genf fortgesetzt werden könnten. Divergierende geopolitische Interessen und der fehlende Wille zur Machtteilung standen einem tragfähigen politischen Prozess im Weg. Die militärische Niederlage der Oppositionellen in Aleppo markiert eine neue Phase im Krieg. Der Weg zu einem nachhaltigen Frieden wird allerdings nur über Dialog und den Willen zu Kompromissen möglich sein. Zum Ende des Berichtsjahrs einigte sich der Sicherheitsrat auf eine Resolution zur Lage in Aleppo. Zudem vermochten Russland und die Türkei eine Waffenruhe auszuhandeln,
die von der syrischen Regierung und wichtigen Oppositionsgruppen akzeptiert und vom Sicherheitsrat unterstützt wurde. Sollte die Waffenruhe halten, sind Friedensgespräche in Astana angekündigt, wobei sich mit Russland, der Türkei und dem Iran drei nicht-arabische Staaten als Garantiemächte für ein Friedensabkommen anboten. Die UNO ihrerseits kündigte die Wiederaufnahme der intra-syrischen Gespräche in Genf an. Ob 2017 ein tragfähiger politischer Prozess zustande kommt, muss sich weisen. Angesichts der durch den Krieg bedingten politisch, konfessionell und ethnisch tiefen Spaltung der syrischen Gesellschaft wird es generell immer schwieriger, die Konturen einer politischen Lösung vorzuzeichnen.

Die humanitären Folgen des anhaltenden Krieges für die Menschen in Syrien sind katastrophal. Gemäss dem UNO-Büro für die Koordination der humanitären Hilfe (OCHA) fielen dem Krieg bisher mehr als eine Viertelmillion Menschen zum Opfer.

Fast fünf Millionen sind geflohen, weitere sechseinhalb Millionen wurden intern vertrieben. Mehr als dreizehn Millionen Syrer sind von humanitärer Hilfe abhängig, darunter sechs Millionen Kinder. 600 000 Menschen leben in belagerten Gebieten, 1249

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die für die humanitäre Hilfe kaum zugänglich sind. Die verheerende Gewalt in Städten wie Aleppo ohne Rücksicht auf zivile Opfer und Praktiken, wie das Unterbrechen von Wasser- und Nahrungsversorgung als Kriegswaffe, zeugen von der ungeheuren Grausamkeit des syrischen Krieges.

Syrien ist nur einer von zahlreichen Konflikten in den Regionen südlich von Europa.

Die grossen Herausforderungen in diesen Regionen werden im anschliessenden Schwerpunktkapitel dieses Berichts vertieft erläutert. Hier sei darauf hingewiesen, dass sich die Lage in zwei weiteren Konflikten, die in Zusammenhang mit den arabischen Revolten und Revolutionen von 2011 stehen, im Berichtsjahr verschlechterte. Im Jemen hat sich der Krieg nach der Sistierung der Friedensgespräche im August verschärft. Die Risiken einer weiteren Eskalation sind beträchtlich und könnten auch zu einer Gefahr für die internationale Schifffahrt werden. In Libyen bleibt die politische Blockade manifest und hat die Gewalt zwischen rivalisierenden Milizen wieder zugenommen. Auch im Nahostkonflikt zeichnet sich keine politische Lösung ab. Zwar gab es 2016 verschiedene Initiativen von Frankreich, Ägypten und Russland zur Neulancierung von Gesprächen zwischen den Konfliktparteien sowie zur Stärkung der Perspektive einer Zweistaatenlösung. Zudem verabschiedete der Sicherheitsrat im Dezember die Resolution S/RES/2334, die die israelischen Siedlungen im besetzten palästinensischen Gebiet als illegal und als grosses Hindernis für die Umsetzung einer Zweistaatenlösung bezeichnet und Israel zu einem sofortigen und umfassenden Siedlungsstop auffordert. Angesichts des grossen Misstrauens zwischen den Konfliktparteien, der fortschreitenden Siedlungstätigkeit Israels und der anhaltenden internen Spaltung der Palästinenser bleiben die Voraussetzungen für einen auf dem Verhandlungsweg erzielten, gerechten und dauerhaften Frieden aber schwierig.

Fortschritte waren im militärischen Kampf gegen dschihadistische Gruppierungen zu verzeichnen. Das von der Organisation «Islamischer Staat» (IS) kontrollierte Territorium in Syrien und im Irak hat sich markant verkleinert. Der parastaatliche Charakter des IS macht ihn verwundbar. Auch in Libyen ist der IS in der Defensive, ebenso wie Boko Haram in Nigeria. Unklar bleibt, was nach einer allfälligen Zerschlagung des Kalifats in Syrien
und im Irak kommen wird. Die Gefahr von Racheakten und Säuberungen ist hoch, auch aufgrund der erhöhten Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten in der Region.

Der Konflikt in der Ukraine hat seit 2014 über 10 000 Opfer gefordert. Die Lage an der Kontaktlinie bleibt volatil. Zweifel am Willen der Konfliktparteien, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen, haben zugenommen. In Kiew wurden wichtige Reformen an die Hand genommen, doch bleibt die Korruption eine grosse Herausforderung. In Bewegung gekommen ist die Lage im Konflikt um Nagorno-Karabach. Im Nachgang zur militärischen Konfrontation vom April haben sich die politischen Bemühungen um eine Konfliktlösung intensiviert. Sollten die laufenden Gespräche nicht den erhofften politischen Fortschritt bringen, bleibt das Risiko einer neuerlichen militärischen Eskalation allerdings beträchtlich. Auch zahlreiche weitere Konfliktherde, denen 2016 vergleichsweise wenig öffentliche Aufmerksamkeit zukam, werden weiterhin zu verfolgen sein. Dazu zählen die Entwicklungen in Burundi sowie die wiederkehrende Gewalt in Myanmar, insbesondere im Teilstaat Rakhine.

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Die anhaltenden Instabilitäten, vorab in den Krisenregionen von Nahost bis zum Sahel, haben wie schon 2015 auch im Berichtsjahr manifeste Auswirkungen auf Europa und damit die Schweiz gezeitigt. Die Fluchtbewegungen nach Europa haben zwar insgesamt abgenommen, was vor allem auf die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei und die Schliessung der Balkanroute zurückzuführen ist. Eine nachhaltige Lösung der Flüchtlingskrise zeichnet sich aber nicht ab, zumal die langfristige Tragfähigkeit des Abkommens zwischen Brüssel und Ankara ungewiss ist und sich Europa nach wie vor schwer tut, gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen von Flucht und Migration zu entwickeln. Zudem bleibt der Migrationsdruck trotz der teilweise blockierten Transitrouten hoch. Dies zeigt sich allein schon darin, dass 2016 die Anzahl Flüchtlinge und Migranten, die über die zentrale Mittelmeerroute nach Italien gelangten, mit über 180 000 einen neuen Höchststand erreichte.

Eine zweite Rückwirkung der Instabilitäten in den Regionen südlich und östlich des Mittelmeers bleibt die Bedrohung durch den dschihadistischen Terrorismus in Europa. Trotz insgesamt weniger Opfern hat die Anzahl von Anschlägen in Europa im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Auch für die Schweiz bleibt die Terrorbedrohung gemäss Einschätzung des Nachrichtendiensts des Bundes erhöht. Aufgrund der Gebietsverluste des IS im Nahen und Mittleren Osten könnte die dschihadistische Bedrohung in Europa sogar noch einmal zunehmen, sei es, weil die Gruppierung ihre Taktik ändert oder weil mehr Kämpfer aus den Kriegsgebieten nach Europa zurückkehren. Die Migrationsbewegungen und die Terrorgefahr haben auch das innenpolitische Klima in vielen europäischen Staaten nachhaltig beeinflusst. Der oben beschriebene wachsende Widerstand gegen die liberale Ordnung lässt sich unter anderem auch auf diese Entwicklungen zurückführen.

1.2

Standortbestimmung: Schweizer Aussenpolitik in einer Zeit der Krisen

1.2.1

Aussenpolitische Strategie 2016­19 als Kompass

Die hohe Dynamik des globalen Wandels erfordert Flexibilität in der Aussenpolitik.

Die Positionierung der Schweiz in einer Welt, die einerseits globalisiert ist und sich andererseits zunehmend politisch fragmentiert und durch zahlreiche Krisen charakterisiert wird, ist anspruchsvoll. Die Schweizer Aussenpolitik kann in diesem Kontext von ihrer hohen Kontinuität und Berechenbarkeit profitieren. Gemäss Bundesverfassung wahrt der Bund die Unabhängigkeit und Sicherheit der Schweiz und setzt sich für ihre Wohlfahrt ein. Ausserdem setzt er sich für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung ein. Der Bund trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Ein traditionelles Charakteristikum der Schweizer Aussenpolitik ist ihre Bürgernähe.

Diese ist Ausdruck der politischen Kultur der Schweiz. Innen- und Aussenpolitik sind in der Schweiz enger aufeinander bezogen als in vielen anderen Ländern. Im aktuellen Kontext ist diese Bürgernähe mehr denn je eine Stärke der Schweiz. Ihre Aussenpolitik richtet sich am Wohle der Menschen in der Schweiz aus und wird 1251

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durch diese stärker mitgeprägt als in anderen Ländern. Auch der Austausch und die Zusammenarbeit des Bundesrats mit dem Parlament und den Kantonen in aussenpolitischen Fragen sind intensiv und haben sich in den letzten Jahren weiter verstärkt.

Die Werte und inneren Stärken der Schweiz sind denn auch Kernthemen ihrer Aussenpolitik. Konkret heisst das: Als Land sprachlicher, kultureller und religiöser Vielfalt setzt sich unser Land ein für Dialog und inklusive Lösungen, für Einbindung und Machtteilung, für Rechtsstaatlichkeit und humanitäre Grundsätze, für eine freie und starke Zivilgesellschaft sowie für die Zähmung der Macht durch das Recht. Eine Konstante ist zudem, dass die Schweiz durch ihre hohe politische Stabilität, ihre wettbewerbsfähige Wirtschaft, ihre geringe Arbeitslosigkeit und ihre Innovationskraft im internationalen Vergleich nach wie vor gut dasteht. Die Schweiz ist auf Platz 17 der grössten Volkswirtschaften der Welt. Sie ist kein Kleinstaat, sondern ein mittelgrosser Staat, der für die Förderung seiner Interessen und Werte über wirksame Instrumente verfügt und dessen Stimme international gehört wird.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat im Februar eine neue Aussenpolitische Strategie verabschiedet, die auf Kontinuität setzt, aber gleichzeitig einige Akzentverschiebungen vornimmt. Die Aussenpolitische Strategie ist der zentrale Kompass der Schweizer Aussenpolitik. Der Bundesrat setzt weiterhin auf eine Aussenpolitik, die eigenständig und mitgestaltend ist. In der zunehmend multipolaren Welt gehört die Schweiz zu keinem der Machtzentren. Sie ist ein europäisches Land, das europäische Werte vertritt, führt aber eine eigenständige Aussenpolitik. Dies ist zwar anspruchsvoll, birgt für unser Land aber grosse Chancen. Die Schweiz kann glaubwürdig Brücken bauen, wo andere blockiert sind, mit vielfältigen Partnern zusammenarbeiten und eigene Initiativen entwickeln. Sie engagiert sich stark für die Freiheit, das Recht und die Zivilgesellschaft, tut dies aber sachlich, diskret, ohne Drohungen und zielorientiert. Als stark globalisiertes Land mit einer exportorientierten Wirtschaft ist die Schweiz für ihre Sicherheit und ihren Wohlstand auf ein stabiles Umfeld und eine tragfähige sowie gerechte internationale Ordnung angewiesen.

Gerade in Zeiten der Unsicherheit und Krisen ist es deshalb
wichtig und im Sinne der Interessen und Werte der Schweiz, dass sie mit einem umfassenden und kreativen Engagement ihr Umfeld mitgestaltet.

In seiner neuen Strategie betont der Bundesrat die Notwendigkeit, die Globalisierung zu gestalten. Letztere bietet unserem Land und der Welt nach wie vor grosse Chancen, und die Schweiz hat stark von ihr profitiert. Dank der Globalisierung hat sich insbesondere auch die weltweite Armut markant verringert. Doch die Globalisierung hat ihre Schattenseiten, die sich in den letzten Jahren verstärkt gezeigt haben. Obwohl sich der Wohlstand insgesamt verbreitert hat, schafft sie auch neue Ungleichheiten, vor allem innerhalb von Staaten. Deshalb will die Schweiz dazu beitragen, die Globalisierung auf der Basis ihrer Werte zusammen mit anderen Staaten so zu gestalten, dass deren Nutzen möglichst vielen Menschen zugutekommt und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen gewährleistet ist. Der Bundesrat wird sich dabei weiterhin für eine internationale Ordnung einsetzen, in der Demokratie, Freiheit, Multilateralismus und Freihandel wichtige Pfeiler darstellen.

Abschottung und mehr Protektionismus sind nicht im Interesse der Schweiz und würden sich negativ auf ihren Wohlstand auswirken.

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Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Veränderungen und Unwägbarkeiten im Umfeld der Schweiz hat der Bundesrat in der Aussenpolitischen Strategie vier Schwerpunkte für die laufende Legislatur definiert: Erstens will der Bundesrat auf der Basis einer Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs ein geregeltes, partnerschaftliches und ausbaufähiges Verhältnis zur EU sicherstellen und enge Beziehungen zu den EU-/EFTA-Staaten fördern. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind weiterhin die wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Partner unseres Landes. Zweitens soll die Schweiz die Beziehungen zu globalen Partnern vertiefen. Der Bundesrat trägt mit diesem Schwerpunkt den anhaltenden globalen Machtverschiebungen Rechnung. Drittens soll als Reaktion auf die wachsende Krisenhaftigkeit des Umfelds das Engagement der Schweiz für Frieden und Sicherheit ausgebaut werden. Die Bedeutung ihrer Guten Dienste dürfte in einer polarisierten und fragmentierten Welt weiter zunehmen. Als Brückenbauerin kann die Schweiz dank ihrer eigenständigen Aussenpolitik sowohl in den Bemühungen um eine friedliche Lösung von Konflikten als auch in der Suche nach gemeinsamen Antworten auf globale Herausforderungen nützliche Beiträge leisten. Als vierten Schwerpunkt setzt sich die Schweiz schliesslich für eine Welt ohne Armut und für nachhaltige Entwicklung ein und trägt zu wohlstandsfördernden internationalen Rahmenbedingungen bei. Dabei soll sie auch den stärker zutage tretenden Wechselwirkungen zwischen nachhaltiger Entwicklung und Frieden Rechnung tragen. Diese Wechselwirkungen widerspiegeln sich auch in der Agenda 2030, deren Nachhaltigkeitsziele für die Schweiz ein wichtiger Referenzpunkt sind.

1.2.2

Neuer Handlungsrahmen für Entwicklung und Frieden

Für die Umsetzung eines wichtigen Teilbereichs der Aussenpolitik hat der Bundesrat 2016 einen neuen Handlungsrahmen vorgelegt. Die Botschaft vom 17. Februar 2016 über die internationale Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz 2017­201 umfasst fünf Instrumente: Die humanitäre Hilfe, die technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe, wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen, die Transitionszusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas sowie Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit. Alle diese Instrumente haben ihre eigene Rolle, doch sollen sie mehr noch als bisher auf gemeinsame strategische Ziele hin eingesetzt werden. Das schafft Synergien und erhöht die Wirkung des schweizerischen Engagements.

Neu ist die Integration der zivilen Förderung des Friedens und der Menschenrechte in die IZA-Botschaft. Mit dieser Massnahme trägt der Bundesrat den erwähnten verstärkten Wechselwirkungen zwischen nachhaltiger Entwicklung und Frieden Rechnung. Ohne nachhaltige Entwicklung kein Frieden und ohne Frieden keine nachhaltige Entwicklung, und ohne die Respektierung der Menschenrechte kann keines dieser Ziele erreicht werden. Die vielschichtigen Gründe von Konflikten, Fragilität und mangelnder Entwicklung machen es erforderlich, die Instrumente der internationalen Zusammenarbeit noch verschränkter als bisher zu verwenden. Ein 1

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Schwerpunkt liegt dabei auf der Messbarkeit der Wirkung des Schweizer Engagements.

Die Schweiz ist in der Umsetzung dieser Erkenntnis, die auch der Agenda 2030 zugrunde liegt, im internationalen Vergleich weit fortgeschritten. Neben der IZABotschaft 2017­20 manifestiert sich das auch darin, dass auf operationeller Ebene bereits etwa die Hälfte der derzeit 44 Kooperationsstrategien sämtliche IZA-Akteure einbeziehen. Der «Whole-of-Government»-Ansatz, demzufolge alle in einem Land oder einer Region tätigen Ämter gemeinsame Strategien erarbeiten und umsetzen, ist anspruchsvoll. Die Bündelung der Instrumente erfordert Koordination und den Abbau verwaltungsinterner Barrieren. Dieser Ansatz erweist sich aber als zielführend und angesichts der Komplexität der Herausforderungen in vielen ­ vor allem fragilen und von Konflikten betroffenen ­ Kontexten zunehmend unabdingbar.

Der neue IZA-Handlungsrahmen ermöglicht es der Schweiz, sich wirksam und nachhaltig für mehr Frieden, weniger Armut und mehr Perspektiven für die Menschen vor Ort einzusetzen. Aufgrund der aktuellen Herausforderungen sieht die Botschaft unter anderem einen Ausbau der Mediationskapazitäten, eine moderate Erhöhung der humanitären Hilfe und ein verstärktes Engagement in fragilen Kontexten vor. Ebenfalls erhöht werden die Mittel für Grundschul- und Berufsbildung.

Stark gewichtet wird auch die Bearbeitung globaler Herausforderungen in den Bereichen Wasser, Klimawandel, Ernährungssicherheit und Migration, wobei auch hier die Ursachen und die Menschen und weniger die Symptome im Vordergrund stehen. Zudem betont die Botschaft die zentrale Bedeutung des Privatsektors für nachhaltige Entwicklung.

Zu den Themen, die an der Schnittstelle von Frieden und Entwicklung an Bedeutung gewonnen haben, zählen die Prävention von gewalttätigem Extremismus, die Förderung von Wasserdiplomatie und die Herausforderungen in Zusammenhang mit Flucht und Migration. Die Schweiz engagiert sich in diesen Themen stark und umfassend. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Migration, dem der Bundesrat im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit einen hohen Stellenwert beimisst. Etwa zwanzig Prozent der IZA-Ausgaben sind migrationsrelevant. In den für die Schweiz migrationspolitisch besonders wichtigen Ländern und Regionen engagiert sie sich auch im Rahmen ihres
IZA-Engagements vor Ort. Dazu zählen Syrien und der Irak, Nordafrika, das Horn von Afrika, die Region der Grossen Seen, Afghanistan sowie der Westbalkan. Ebenfalls prüft der Bundesrat eine Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Eritrea, trotz aller Schwierigkeiten. In einer ersten Phase hat die Schweiz ein Pilotprojekt im Bereich Jobs und Berufsbildung für Jugendliche lanciert und plant dieses Engagement auf weitere Projekte auszubauen. Dabei soll sich zeigen, ob Eritrea zu einer Zusammenarbeit bereit ist.

Der Bundesrat strebt schrittweise den Aufbau einer Partnerschaft an, in der beide Seiten konkrete Massnahmen unternehmen: die Schweiz durch Entwicklungsbeiträge, Eritrea durch eine Verbesserung der Menschenrechtslage, einschliesslich der Möglichkeit von Gefängnisbesuchen von Akteuren wie dem IKRK, und durch Bemühungen im Migrations- und Wirtschaftsbereich.

Das Parlament bewilligte im September die fünf Rahmenkredite für die IZA-Instrumente in einer Gesamthöhe von 11,1 Milliarden Franken für die Jahre 2017­20.

Das entspricht etwas weniger als einem Franken pro Einwohner und Tag für diese 1254

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Periode. Damit entsprechen die Ausgaben für die öffentliche Entwicklungshilfe, inklusive die anrechenbaren Asylkosten, schätzungsweise 0,48 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Gleichzeitig gab das Parlament dem Bundesrat den Auftrag, die internationale Zusammenarbeit und die Migrationspolitik wo sinnvoll strategisch miteinander zu verknüpfen, indem Konflikt- und Migrationsursachen bearbeitet und der Abschluss von Abkommen sowie Partnerschaften im Migrationsbereich vorangetrieben werden. Mit seiner in den letzten Jahren aufgebauten interdepartementalen Struktur zur internationalen Migrationszusammenarbeit verfügt der Bundesrat über eine geeignete Grundlage, um eine kohärente Migrationsaussenpolitik zu führen und den Ansatz der strategischen Konditionalität wirksam umzusetzen.

1.2.3

Breites Aussennetz als bewährte Basis

Für die Umsetzung der Aussenpolitik kommt dem Aussennetz grosse Bedeutung zu.

Das Aussennetz der Schweiz beruht auf den Prinzipien der Universalität, Kohärenz und Wirksamkeit. Unsere Präsenz mit rund 170 Berufsvertretungen und 200 Honorarvertretungen ist ein Charakteristikum und eine Stärke der Schweiz. Das Aussennetz ist die Voraussetzung dafür, dass unser Land eine eigenständige und mitgestaltende Aussenpolitik führen und seine wirtschaftlichen sowie politischen Interessen wahren kann. Im aktuellen Umfeld ist dieses Aussennetz besonders wichtig, damit sich die Schweiz sowohl europäisch als auch global bestmöglich positionieren kann und ihr Engagement für mehr Frieden, Sicherheit, nachhaltige Entwicklung und Wohlstand vor Ort wirksam umzusetzen vermag.

Dabei ist auch das Aussennetz immer wieder den sich wandelnden Begebenheiten anzupassen. Die Schweiz muss auf internationale Veränderungen reagieren und zum Beispiel politischen Machtverlagerungen und Krisenlagen Rechnung tragen. Sie berücksichtigt zudem die sich wandelnden Bedürfnisse der Auslandschweizerinnen und -schweizer, das Reiseverhalten ihrer Bevölkerung sowie die sich ändernde Bedeutung von Wirtschaftsmärkten. So wurden 2016 in den Wirtschaftsmetropolen Lagos (Nigeria) und Chengdu (China) zwei neue Generalkonsulate eröffnet. Zur Optimierung von Kohärenz, Wirksamkeit und Effizienz führt das EDA in Ländern, in denen die Schweiz bisher sowohl eine Botschaft als auch ein DEZA-Büro hatte, diese zu integrierten Vertretungen zusammen. Insgesamt werden vierzig Vertretungen integriert, in 35 Fällen läuft der entsprechende Prozess oder ist er bereits abgeschlossen. Eine unabhängige Peer Review hat ergeben, dass die ersten Erfahrungen mit integrierten Vertretungen positiv sind. Die im Überführungsprozess noch bestehenden Herausforderungen sind im EDA erkannt und werden angegangen.

Dort, wo es zweckmässig und machbar ist, sollen die Vertretungen des EDA und andere Vertretungen des Bundes unter einem Dach zusammengefasst werden. Zu erwähnen ist diesbezüglich die organisatorische und administrative Integration der 21 «Swiss Business Hubs» in das Aussennetz. Ebenfalls wurden an ausgewählten Standorten die Aussenstellen von Schweiz Tourismus in die Vertretungen integriert.

Ausserdem werden auch mit Partnerländern innovative Lösungen verfolgt. Im Vordergrund steht die gemeinsame Unterbringung diplomatischer oder konsularischer Vertretungen im selben Gebäude. Solche «Colocation»-Verträge hat die 1255

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Schweiz bereits mit den Niederlanden (für die Vertretungen in Oman und Angola ­ geplant ist auch eine Colocation in Norwegen) und Dänemark (für Nigeria) umgesetzt. Weitere Projekte mit Deutschland, Österreich und Norwegen befinden sich in Umsetzung.

Die Sparvorgaben für das EDA wirken sich auch auf das Aussennetz aus: Per Ende 2015 wurde die Botschaft in Paraguay geschlossen. Weitere Sparvorgaben wurden so weit wie möglich durch Reorganisationen, wie das Zusammenführen von Konsularabteilungen in regionale Konsularzentren, Nutzung von Synergien sowie Anpassungen in den Leistungskatalogen der Vertretungen, umgesetzt. Das Synergiepotential im Rahmen des bestehenden Aussennetzes ist mit diesen Massnahmen weitgehend ausgeschöpft. Zusätzliche Sparvorgaben könnten zu einer Reduktion des Aussennetzes und von dessen Dienstleistungen führen.

1.3

Stand der Umsetzung der aussenpolitischen Prioritäten

Mit den aussenpolitischen Berichten legt der Bundesrat jährlich eine Zwischenbilanz der Umsetzung seiner Aussenpolitischen Strategie vor. Im ersten Jahr der neuen Aussenpolitischen Strategie 2016­19 konnten wichtige Schritte hin zu einer Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs gemacht werden. Die Beziehungen zu wichtigen globalen Partnern konnten ausgebaut werden. Grundlagen für ein verstärktes Engagement im Bereich Frieden und Sicherheit wurden gelegt und die Guten Dienste der Schweiz rege in Anspruch genommen, auch wenn die internationalen Friedensbemühungen im Berichtsjahr insgesamt wenig positive Resultate brachten. Die Arbeit für den Frieden ist mehr denn je ein Marathon, kein Sprint. In Angriff genommen wurde auch die Umsetzung der Agenda 2030. In einem für die Gestaltung der Globalisierung wichtigen Bereich, nämlich der Migration, wurde der Schweiz eine wichtige Rolle in der Ausarbeitung eines diesbezüglichen globalen Rahmenwerks in der UNO zugetragen.

Die Anzahl der offiziellen bilateralen Kontakte von Bundesräten, dem Bundeskanzler und den Staatssekretären hat 2016 weiter zugenommen. Dies entspricht dem Willen des Bundesrats, die Schweiz international bestmöglich zu positionieren, ihre Interessen und Werte zu fördern und die bestehenden Herausforderungen anzugehen. Gut die Hälfte dieser Kontakte betraf die europäischen Staaten und davon wiederum etwa die Hälfte die Nachbarstaaten der Schweiz. Aber auch mit nichteuropäischen Staaten gab es 2016 viele offizielle Treffen, wobei hierbei Asien die Region mit den meisten Kontakten darstellte. Diese Balance zwischen europäischen und globalen Kontakten entspricht der Aussenpolitischen Strategie.

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1.3.1

Schrittweise Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs

Geregelte, partnerschaftliche und ausbaufähige Beziehungen zur EU sind eine aussenpolitische Priorität der Schweiz. Stabilität und Rechtssicherheit in den Beziehungen mit der EU sind für den Wohlstand der Schweiz von hoher Bedeutung. Es geht um den Zugang zu den wichtigsten Absatzmärkten der Schweiz, um das Investitionsklima und um den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie Know-how. Pro Werktag erreicht der Handel zwischen unserem Land und der EU fast eine Milliarde Franken.

Es geht aber auch um die Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU als einer zentralen Trägerin der liberalen internationalen Ordnung. Die EU und ihre Mitgliedstaaten spielen eine wichtige Rolle in der Förderung von Frieden und Sicherheit sowie der Gestaltung der Globalisierung.

In den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU bedeutet der Anspruch einer bürgernahen Aussenpolitik für den Bundesrat, den bilateralen Weg mit der EU zu konsolidieren und weiterzuentwickeln. Der bilaterale Weg hat sich bewährt und ist die einzige mehrheitsfähige europapolitische Option in der Schweiz. Der Souverän hat sich in den letzten fünfzehn Jahren in sieben Volksabstimmungen für diesen Weg ausgesprochen. Gleichzeitig will der Bundesrat im Sinne des neuen Verfassungsartikels 121a die Migration aus den EU-Staaten besser steuern.

Im Berichtsjahr stand die Umsetzung dieser Verfassungsbestimmung im Zentrum der Schweizer Europapolitik. Der Bundesrat hat sich dabei intensiv um eine einvernehmliche Lösung mit der EU bemüht, die im Einklang mit den bilateralen Abkommen steht und eine stabile Grundlage für die Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs schafft. Um die in der Bundesverfassung vorgegebene Frist für die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung von drei Jahren einhalten zu können, hat er im März im Rahmen der Gesetzesvorlage aber auch eine alternative, unilaterale Lösung vorgelegt. Diese wäre allerdings mit dem Abkommen über die Personenfreizügigkeit nicht vereinbar und würde eine Zeit erhöhter europapolitischer Unsicherheit mit sich bringen.

Nachdem die EU nicht auf den Wunsch der Schweiz nach einer verhandelten Anpassung des Abkommen vom 21. Juni 1999 über die Freizügigkeit (FZA) 2 eingetreten war, drehten sich die Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung um die Frage der Auslegungsmodalitäten zu Artikel 14 Absatz 2 dieses
Abkommens. Dabei ging es vor allem um die möglichen Kriterien, welche es erlauben würden, Massnahmen im Fall schwerwiegender wirtschaftlicher oder sozialer Schwierigkeiten zu ergreifen. Während die entsprechenden Gespräche mit der EU 2015 gut vorangekommen waren, blieben sie im ersten Halbjahr 2016 unterbrochen, da Brüssel zunächst die Brexit-Abstimmung abwarten wollte. Nach jener Abstimmung konnten die Gespräche zwar wieder aufgenommen werden. Sie waren jedoch stark vom Brexit-Entscheid geprägt, der sich in einer härteren Haltung der EU-Kommission gegenüber den Schweizer Vorschlägen manifestierte. Trotz mehrerer Treffen des Bundespräsidenten mit Kommissionspräsident Juncker, zahlreicher Kontakte mit der EU-Ratspräsidentschaft und einer anhaltend intensiven Begleitdiplomatie gegenüber 2

SR 0.142.112.681

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den EU-Mitgliedstaaten führten die Gespräche mit der EU in der vorgegeben Frist zu keiner einvernehmlichen Lösung.

Vor diesem Hintergrund verabschiedeten die eidgenössischen Räte am 16. Dezember ein Ausführungsgesetz zu Artikel 121a BV. Bei einer über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosigkeit in bestimmten Berufsgruppen, Tätigkeitsbereichen und Wirtschaftsregionen sind zeitlich befristete Massnahmen zur Förderung der Personen zu ergreifen, die bei den Arbeitsvermittlungen als stellensuchend registriert sind.

Aus Sicht des Bundesrats ist dieses Ausführungsgesetz mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar. Das Parlament hat damit eine Umsetzungsvariante gewählt, die ein klares Bekenntnis zum bilateralen Weg darstellt. Der Schweiz und der EU bietet sich die Chance, auf dieser Basis ihre Beziehungen zu normalisieren und den bilateralen Weg zu stärken. Der Bundesrat erwartet, dass die EU Hand bietet zu einer solchen Normalisierung. Die Schweiz ist der drittwichtigste Handelspartner der EU und derzeit mehr noch als sonst ein Anker der Stabilität in einem krisengeplagten Europa. Von politisch stabilen und wirtschaftlich dynamischen Beziehungen profitieren beide Seiten.

Der Bundesrat entschied nach dem Parlamentsentscheid, das Protokoll zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien zu ratifizieren. Dies ermöglicht ab Januar 2017 erstmals seit Beginn der achten Programmgeneration eine Teilnahme als vollassoziiertes Mitglied am EU-Forschungsprogramm «Horizon 2020», was im Interesse der Schweiz und der EU ist. Im Kontext der weiteren Entwicklung der Gesamtbeziehungen Schweiz­EU wird der Bundesrat zudem 2017 über eine mögliche Erneuerung des Beitrags zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU entscheiden.

Um den bilateralen Weg zukunftsfähig zu machen, müssen aber nach einer Normalisierung der Beziehungen auch eine Reihe von institutionellen Fragen im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU geregelt werden. Dabei geht es erstens um die Modalitäten in der Übernahme der Weiterentwicklung von EU-Recht, das Marktzutrittsabkommen mit der Schweiz betrifft, zweitens um die Auslegung dieser Marktzutrittsabkommen, drittens um die Aufsicht über deren Einhaltung und viertens um die Regelung von Streitigkeiten zwischen den Parteien. Der Bundesrat ist bereit,
die laufenden Verhandlungen hierzu auf der Basis des verabschiedeten Mandats zu Ende zu führen. Weitere Fortschritte sind möglich, sofern die EU ihre Haltung in einigen Fragen noch modifiziert. Ein Abkommen zu den institutionellen Fragen wird es erlauben, die bestehenden Marktzutrittsabkommen à jour zu halten und bei Bedarf zusätzliche Abkommen mit der EU zu schliessen. Damit garantiert der bilaterale Weg langfristige Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, was für die Schweizer Wirtschaft von zentraler Bedeutung ist.

Der Bundesrat wird zudem die Diskussionen rund um den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU weiterhin aufmerksam verfolgen. Das bilaterale Verhältnis zu London beruht massgeblich auf den bilateralen Verträgen der Schweiz mit der EU. Ziel des Bundesrates ist das Inkrafttreten eines Nachfolgeregimes zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich zum Zeitpunkt des EU-Austritts, um ein juristisches Vakuum zu vermeiden und Rechtssicherheit zu garantieren sowie die bilateralen Beziehungen weiterentwickeln zu können. Im Berichtsjahr wurden verwaltungsintern weitreichende Vorbereitungsarbeiten hierfür gemacht, auf der Basis 1258

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der vom Bundesrat im Oktober beschlossenen Strategie und dem entsprechenden Mandat, die Kontakte mit London weiterzuführen und allfällige Verhandlungsmandate vorzubereiten.

Die künftige Weiterentwicklung der EU und die Neugestaltung der Beziehungen zwischen London und Brüssel sind derzeit noch kaum vorhersehbar. Beide Faktoren können potenziell weitreichende Rückwirkungen auf die Schweizer Europapolitik haben. Der Bundesrat wird weiterhin entschlossen und lösungsorientiert an der Konsolidierung und der Weiterentwicklung des bilateralen Wegs arbeiten. Er wird dabei aber stets den Wandel der europapolitischen Rahmenbedingungen im Blick behalten und hierfür 2017 eine europapolitische Standortbestimmung vorlegen.

Sowohl in europapolitischen als auch anderen Fragen wird der Bundesrat dabei auch weiterhin besonders eng mit den Nachbarstaaten der Schweiz zusammenarbeiten.

Wirtschaftlich und durch menschliche Bande ist die Schweiz mit ihren Nachbarn weit enger verbunden als mit anderen Staaten. Das manifestiert sich unter anderem darin, dass ein Viertel aller Grenzgänger europaweit in der Schweiz arbeitet. Die Schweiz teilt mit ihren Nachbarn aber nicht nur ein starkes Interesse an stabilen Beziehungen unseres Landes mit der EU, sondern kooperiert mit diesen auch eng in anderen aussenpolitischen Bereichen. Ein Beispiel ist die gute Zusammenarbeit zu OSZE-Themen mit den drei OSZE-Vorsitzstaaten Deutschland (2016), Österreich (2017) und Italien (2018) sowie mit Liechtenstein.

Ein Symbol, sowohl für die engen Beziehungen der Schweiz mit ihren Nachbarstaaten als auch für den Beitrag unseres Landes an das Zusammenwachsen Europas, war die Teilnahme von Präsident Hollande, Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Renzi, Bundeskanzler Kern und Regierungschef Hasler an der Feier zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Juni. Sie wurden vom Bundesrat in corpore empfangen. Generell war das Berichtsjahr geprägt von intensiven Kontakten zu den Nachbarn. Dabei gab es auch Fortschritte in der Lösung bilateraler Probleme. So konnte zum Beispiel am 2. November ein Abkommen zwischen Frankreich und der Schweiz für das Steuerregime am Flughafen Basel-Mülhausen paraphiert werden.

Der Abschluss dieses Abkommens soll eine dauerhafte rechtliche Regelung im Steuerbereich ermöglichen und die Weiterentwicklung und Attraktivität
des binationalen Flughafens gewährleisten. Sobald sich die EU für die Genehmigung einer Ausnahme im Bereich der Mehrwertsteuer im Schweizer Sektor des Flughafens entschieden hat, können die für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens geltenden nationalen Verfahren eingeleitet werden. Dadurch wird die heutige Praxis bestätigt, die die Anwendung der Schweizer Mehrwertsteuer im Schweizer Sektor vorsieht. In der Schweiz wird das Abkommen dem Parlament unterbreitet.

Auch konnten die bilateralen Beziehungen themenspezifisch vertieft werden. Ein Beispiel hierfür ist der Vertrag über die Polizei- und Zollzusammenarbeit mit Italien, der 2016 in Kraft trat.

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1.3.2

Intensivierung und Diversifizierung globaler Partnerschaften

Der in der Aussenpolitischen Strategie festgelegte Ausbau der Beziehungen zu globalen Partnern findet auf drei Ebenen statt. Erstens definierte der Bundesrat 2005 eine Reihe von Schwerpunktländern (USA, Japan, Türkei sowie die BRICSStaaten), mit denen die Schweiz aufgrund ihrer besonderen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung strategische Partnerschaften anstrebt. Diesbezüglich entwickelten sich im Berichtsjahr die Beziehungen mit China besonders dynamisch.

Wichtig, aber herausfordernd war der kontinuierliche Dialog mit der Türkei. Zweitens hat die Schweiz in den letzten Jahren enge Beziehungen zu einer ganzen Reihe weiterer G20-Staaten aufgebaut. Diese Bemühungen wurden 2016 fortgeführt, wobei insbesondere mit Kanada und Argentinien wichtige Fortschritte in der Qualität der Beziehungen erzielt werden konnten. Drittens strebt die Schweiz vertiefte Beziehungen zu aussereuropäischen Regionalorganisationen an. In diesem Bereich wurden 2016 wichtige Schritte unternommen. In der Summe konnten die globalen Partnerschaften im Berichtsjahr damit diversifiziert und teilweise intensiviert werden.

Hinsichtlich der Beziehungen mit den 2005 festgelegten Schwerpunktländern entfaltete 2016 die Partnerschaft mit China am meisten Dynamik. Anlässlich eines Besuchs des Bundespräsidenten in Peking und Shanghai im Frühjahr wurde der Ausbau der Beziehungen zu einer «innovativen strategischen Partnerschaft» beschlossen. Unter der Leitung des EDA-Vorstehers fanden im Januar und Dezember zwei politische Dialoge statt. Dank der Einladung des chinesischen G20Vorsitzes nahm die Schweiz auch an beiden Treffen der G20-Finanzminister teil.

Anfang 2017 wird der chinesische Präsident Xi Jinping der Schweiz einen Staatsbesuch abstatten.

Dynamisch entwickelten sich die Beziehungen zu Indien, dessen Premierminister vom Schweizer Bundespräsidenten zu einem offiziellen Gespräch in Genf empfangen wurde. Das Verhältnis hat weiteres Ausbaupotenzial. Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und Indien nach zweieinhalbjähriger Pause wieder aufgenommen werden konnten. Im üblichen Rahmen gestalteten sich die Beziehungen mit Brasilien, Südafrika und Japan. Mit Russland wurden in den letzten zehn Jahren enge und vielfältige Beziehungen aufgebaut. Auch nach dem Ausbruch der
Ukrainekrise hat die Schweiz den Dialog aufrechterhalten, wobei dieser heute stark auf Krisendiplomatie und Themen der Friedensförderung ausgerichtet ist. Im Berichtsjahr standen ein Besuch des EDA-Vorstehers in Moskau und politischen Konsultationen auf Stufe Staatssekretär im Vordergrund.

Im Verhältnis zu den USA wiederum bleiben die Guten Dienste der Schweiz ein wichtiger Faktor. Auf der Grundlage der besonderen Beziehungen, die das Schutzmachtmandat für die USA in Iran mit beiden Ländern mit sich bringt, fazilitierte die Schweiz vertrauliche Verhandlungen, die im Januar in der gegenseitigen Freilassung von insgesamt elf Personen resultierten. Die Kontakte mit Washington blieben im Berichtsjahr eng. Nach den Präsidentschaftswahlen rückte die Kontaktaufnahme mit der neuen Administration von Donald Trump in den Vordergrund. Der Bundesrat 1260

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möchte die enge Zusammenarbeit mit den USA weiterführen. Die Schweiz und die USA sind wichtige Handels- und Investitionspartner, und Schweizer Firmen bieten in den USA etwa eine halbe Million Arbeitsplätze an. Viel Kooperationspotenzial besteht unter anderem im Bereich Bildung und Innovation. Der Bundesrat wird sich dabei auch künftig für Schweizer Anliegen wie einen liberalen Welthandel, Völkerrecht und eine multilateral abgestützte und regelbasierte Weltordnung sowie das Engagement gegen den Klimawandel einsetzen. Zudem steht die Schweiz weiterhin bereit für Gute Dienste und als diskreter Gaststaat von Verhandlungen.

Die Beziehungen zur Türkei waren von den dortigen innenpolitischen Entwicklungen gekennzeichnet. Gerade aufgrund dieser Entwicklungen setzte der Bundesrat aber auf einen offenen, direkten und kritisch-konstruktiven Dialog mit der türkischen Regierung. Auf Stufe Aussenminister kam es über das ganze Jahr hinweg zu zahlreichen formellen und informellen Treffen. Der Bundesrat hatte dabei den Putschversuch verurteilt. Er anerkennt auch das Recht der Türkei, sich gegen Umsturzversuche und terroristische Angriffe zu verteidigen. Er ist aber besorgt über das Ausmass der Verhaftungen und Entlassungen und unterstreicht, dass die Verhängung des Ausnahmezustands die Türkei nicht von internationalen Verpflichtungen im Menschenrechtsbereich entbindet. Die Schweiz rief die Türkei wiederholt dazu auf, sowohl die Grundfreiheiten als auch die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismässigkeit zu respektieren und ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten. Zusätzlich zum bilateralen Dialog hat die Schweiz dies auch in multilateralen Foren dargelegt, konkret in der OSZE, im Europarat und in der UNO. In Anbetracht der anhaltenden Spannungen und der Verschlechterung der Situation im Südosten der Türkei hat die Schweiz zudem mehrmals ihre Bereitschaft geäussert, einen aktiven Beitrag zur Annäherung der Parteien zu leisten, falls sie darum ersucht wird. In den bilateralen Beziehungen gab es Fortschritte in den Verhandlungen für ein Rückübernahmeabkommen, die Ende Jahr abgeschlossen werden konnten. Im Hinblick auf die Unterzeichnung muss das Abkommen noch vom Bundesrat genehmigt werden.

Was die weiteren G20-Staaten betrifft, konnten die Beziehungen mit Kanada dynamisiert werden. Hierzu trugen
die Besuche des EDA-Vorstehers und der UVEKVorsteherin in Ottawa sowie ein weitere Treffen der Aussenminister in New York und Hamburg bei. Von neuem Schwung geprägt sind auch die Beziehungen mit Argentinien, das 2018 den G20-Vorsitz innehaben wird. Besuche des Bundespräsidenten in Südkorea und Mexiko, der UVEK-Vorsteherin in Indonesien und des EDA-Vorstehers in Saudi-Arabien verliehen den jeweiligen Beziehungen ebenfalls Impulse, wobei beim Treffen in Riad die Guten Dienste der Schweiz im Zentrum standen. Auch mit Staaten, die nicht zu den G20 gehören, hat sich die Schweiz um intensivierte Beziehungen bemüht, so etwa im Rahmen eines Staatsbesuchs des Bundespräsidenten in Singapur und eines Besuchs des EDA-Vorstehers in Nigeria.

Zahlreiche Kontakte auf allen Ebenen fanden im Berichtsjahr mit dem Iran statt, wobei im Rahmen des offiziellen Besuchs des Bundespräsidenten in Teheran eine «Roadmap» über die Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit vereinbart wurde.

Fortschritte gab es schliesslich auch in der Umsetzung des Ziels, die Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen zu verstärken. So erhielt die Schweiz im Juli den 1261

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Status einer sektoriellen Dialogpartnerin der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN). Damit kann sie künftig an hochrangigen Treffen der ASEAN teilnehmen und die Zusammenarbeit mit der ASEAN in verschiedenen Sektoren von gemeinsamem Interesse wie Wirtschaftsbeziehungen, Entwicklungszusammenarbeit oder Minderung von Katastrophenrisiken vertiefen. Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) ihrerseits hat dem Gesuch der Schweiz zugestimmt, einen Botschafter als Beobachter bei dieser Organisation zu akkreditieren. Betreffend Arabische Liga sind die Vorbereitungen für die Akkreditierung eines Botschafters und die Unterzeichnung einer Zusammenarbeitserklärung weit fortgeschritten. Erfreulich ist zudem, dass sich in Afrika im Berichtsjahr nicht nur die Anzahl ministerieller Kontakte erhöhte, sondern auch die Zusammenarbeit im regionalen Rahmen intensivierte. So einigten sich die Schweiz und die Afrikanische Union auf eine Absichtserklärung zur verstärkten Zusammenarbeit im Friedensbereich. Auch wurde erstmals ein Schweizer Botschafter bei der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) akkreditiert.

Die seit 2014 formalisierte Zusammenarbeit mit der «Intergovernmental Authority on Development» (IGAD) verläuft weiterhin zufriedenstellend.

1.3.3

Gute Dienste und Gestaltung der Globalisierung nach Schweizer Werten

Im Zentrum des schweizerischen Engagements für Frieden und Sicherheit stand 2016 die Syrienkrise. Die diesbezüglichen Aktivitäten der Schweiz werden im Schwerpunktkapitel dieses Berichts detailliert erläutert. An dieser Stelle sei summarisch festgehalten, dass sich die Schweiz erstens stark für eine politische Lösung einsetzte. Hierbei unterstützte sie nicht nur die Friedensbemühungen des UNOSondergesandten de Mistura in Genf, sondern förderte auch eine Reihe weiterer teilweise informeller Dialoginitiativen. Zudem fanden im Rahmen der internationalen Krisendiplomatie verschiedene Treffen und Verhandlungen zu Syrien in der Schweiz statt. Zweitens setzte sich die Schweiz gegen die Straflosigkeit und für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein. Drittens leistete sie humanitäre Hilfe und förderte die Resilienz der notleidenden Bevölkerung.

Vor dem Hintergrund der unsicheren Perspektiven für eine politische Lösung wird 2017 das Engagement der Schweiz zugunsten der Menschen vor Ort besonders wichtig sein. Seit dem Beginn des Konflikts 2011 hat sich die Schweiz mit über 250 Millionen Franken in der humanitären Hilfe und der Verbesserung der Lebensumstände für die notleidende Bevölkerung engagiert. Für 2017 sind weitere 66 Millionen Franken für die humanitäre Hilfe und das Engagement zur Stärkung der Resilienz der betroffenen Menschen eingestellt. Die Unterstützung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und bei der Verbesserung des Flüchtlingsschutzes wird in Jordanien, im Libanon und in der Türkei verstärkt. Zudem beabsichtigt das EDA 2017 ein humanitäres Büro in Damaskus zu eröffnen. Damit kann die Schweiz auch vor Ort dazu beitragen, dass ihre Hilfe bestmöglich eingesetzt wird. Gleichzeitig will die Schweiz mit diesem Büro als glaubwürdige Akteurin humanitäre Organisationen in ihrer Arbeit unterstützen und sich in die Bemühungen um Zugang zu möglichst vielen Hilfsbedürftigen einbringen. Der Bundesrat will aber nicht nur das Engagement der Schweiz für mehr Perspektiven der Menschen vor Ort verstärken.

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Am 9. Dezember entschied er, dass die Schweiz 2017/18 weitere 2000 besonders verletzliche Menschen aufnimmt, die vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) bereits als Flüchtlinge anerkannt sind.

Über Syrien hinaus war die Schweiz im Berichtsjahr in die Bearbeitung zahlreicher Konflikte involviert. Sie unterstützte weiterhin die Friedensbemühungen der UNO im Jemen und in Libyen. Ebenfalls engagiert sie sich umfassend im Rahmen der Friedensbemühungen der OSZE. Betreffend Ukrainekonflikt stellt sie im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe den Koordinator der Arbeitsgruppe Humanitäres.

Ebenfalls stellt sie den stellvertretenden Leiter und ein Dutzend Monitore der OSZEBeobachtermission in der Ukraine (SMM) sowie den Leiter der OSZE-Grenzbeobachtermission. Ergänzend zu ihrem umfassenden OSZE-Engagement beteiligt sich die Schweiz in der Ukraine an der Beratermission der EU zur Reform des zivilen Sicherheitssektors, unterstützt Aktivitäten des Europarats und der UNO und stellt dem neuen ukrainischen Ministerium für die temporär besetzten Gebiete und die intern Vertriebenen Expertise zur Verfügung. Auch in den Konflikten im Südkaukasus engagiert sich die Schweiz. So wird sie auch 2017 den SüdkaukasusSonderbeauftragten des OSZE-Vorsitzes stellen.

Die Nachfrage nach Guten Diensten der Schweiz bleibt hoch. Im Berichtsjahr war sie in etwa zwanzig mediationsrelevante Prozesse involviert. Mit ihrer Erfahrung und Glaubwürdigkeit in der Begleitung von Verhandlungen und ihrer Expertise in Fragen wie der Machtteilung kann sie im aktuellen Umfeld besonders wichtige Beiträge leisten. Deshalb baut die Schweiz ihre Mediationskapazitäten weiter aus. In Zusammenarbeit mit dem EDA bereitet die ETH Zürich einen internationalen Lehrgang (Master of Advanced Studies) im Bereich Friedens- und Konfliktmediation vor. Dieser Lehrgang soll der Schweiz, Partnerstaaten und internationalen Organisationen ermöglichen, den Pool von Diplomaten und Experten mit dem nötigen Rüstzeug für die heutigen komplexen Friedensprozesse zu vergrössern. Er wird die Schweiz noch verstärkt als globales Zentrum für Mediation positionieren.

Mediationsunterstützung leistete die Schweiz 2016 nicht nur in Syrien und der Ukraine, sondern beispielsweise auch in Kolumbien, wo sie unter anderem Expertise für die Ausarbeitung des endgültigen
Waffenstillstandsabkommens einbrachte und die Teilnahme zivilgesellschaftlicher Akteure am Friedensprozess förderte. In Myanmar unterstützt sie weiterhin die Parteien im Hinblick auf ihre Verhandlungen.

Dialogprozesse unterstützt sie auch im Kosovo sowie im Rahmen ihres Engagements für eine innerpalästinensische Versöhnung. Nicht zuletzt mit Blick auf ihre besondere Rolle in diesem Versöhnungsprozess beteiligte sich die Schweiz zudem an der Initiative Frankreichs zur Neulancierung von Verhandlungen über eine Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt. Ebenfalls eine Form der Dialogförderung und des Brückenbauens stellt die Tätigkeit als Schutzmacht dar, wie sie die Schweiz seit 1980 für die USA im Iran und seit 2008 zwischen Georgien und Russland betreibt.

Die Vertretung diplomatischer und konsularischer Interessen im Falle eines Abbruchs diplomatischer Beziehungen war historisch eine Spezialität der Schweiz und könnte in einer multipolaren Welt wieder an Bedeutung gewinnen. Im Februar 2016 stimmten Iran und Saudi-Arabien im Prinzip zu, dass die Schweiz ihre jeweiligen Interessen vertritt. Einen Konsens über die Modalitäten dieser Schutzmachtmandate konnten Teheran und Riad allerdings noch nicht erzielen.

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Zu den Guten Diensten gehört auch die Rolle der Schweiz als Gaststaat. Als Ort von Friedensgesprächen wird sie dank ihrer diskreten und professionellen Unterstützung geschätzt. Neben den Syriengesprächen in Genf und Lausanne fanden 2016 auf dem Mont-Pèlerin im Kanton Waadt die Zypernverhandlungen statt. Diese sollen Anfang 2017 in Genf nach Möglichkeit zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.

Allgemein setzte sich der Bundesrat auch im Berichtsjahr für die Stärkung der Rolle der Schweiz als Gaststaat ein. Der Förderung des internationalen Genfs als globales Gouvernanzzentrum misst er grosse Bedeutung bei. Auch hier legt die Schweiz ein besonderes Augenmerk auf eine stärkere Koordination der verschiedenen Akteure und Instrumente. Das internationale Genf soll führend sein in der Bereitstellung von Orten für den Gedankenaustausch und die Stärkung von Synergien. Hierfür wurden 2016 Plattformen in den Bereichen Humanitäres und Abrüstung eingerichtet. Die bereits früher etablierten Plattformen in den Bereichen Friedenskonsolidierung, Kampf gegen das organisierte Verbrechen, Internet, globale Gesundheit und Umwelt konnten ihre Arbeit erweitern. Fortschritte gab es bei den Bemühungen, dass möglichst alle UNO-Mitgliedstaaten mit einer ständigen Mission in Genf vertreten sind.

Neu verfügt Guyana über eine Mission in Genf; Antigua und Barbuda, Gambia, Papua-Neuguinea, St. Kitts und Nevis, St. Vincent und die Grenadinen, São Tomé und Príncipe, Tonga und Vanuatu bekundeten ihren Willen, eine solche zu eröffnen.

2016 schloss der Bundesrat zudem ein Sitzabkommen mit dem in Genf angesiedelten Sekretariat des Vertrags über den Waffenhandel ab.

Über die Guten Dienste hinaus war die Schweiz 2016 sehr aktiv im Bereich der zivilen Friedensförderung. Exemplarisch erwähnt seien hier ihr Engagement in der Vergangenheitsarbeit, etwa in den Philippinen, und ihre Unterstützung für Verfassungsprozesse wie in Sri Lanka. Ein weiteres Beispiel ist das Engagement zum Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten. Die Schweiz setzt sich hierfür in multilateralen Foren wie der UNO-Generalversammlung und dem Menschenrechtsrat ein. Sie engagiert sich auch bilateral um Rassismus und Xenophobie entgegenzuwirken und fordert den Schutz der Grundrechte von besonders verletzlichen Minderheiten ein. 2016 hat sie beispielsweise
diesbezügliche Projekte in Syrien und Irak unterstützt. Zudem hat sie zusammen mit Norwegen ein internationales Seminar initiiert, um Ansätze und Initiativen zum Schutz religiöser Minderheiten zu diskutieren. Auch im Rahmen ihrer humanitären Hilfe trägt sie zum Schutz verfolgter religiöser und ethnischer Minderheiten bei. Zudem nutzt sie die bilateralen politischen Konsultationen sowie die Menschenrechtsdialoge, um Minderheitenrechte und AntiDiskriminierung zu thematisieren.

Die Förderung der Menschenrechte ist eine Priorität der schweizerischen Aussenpolitik. Im Zentrum steht dabei die Umsetzung der Menschenrechtsstrategie des EDA für die laufende Legislatur. Diese sieht drei Schwerpunkte vor: die Förderung der Universalität, Interdependenz und Unteilbarkeit der Menschenrechte, die Sicherstellung der Kohärenz des internationalen Bezugsrahmens und die Stärkung der Menschenrechtsmechanismen sowie die bessere Einbindung der massgeblichen Akteure.

Als Zeichen gegen die sich in vielen Staaten verschlechternde Menschenrechtslage engagiert sich die Schweiz unter anderem für eine bessere Finanzierung der Menschenrechtstätigkeit der UNO. Für den Menschenrechtspfeiler der UNO werden derzeit nur 3,5 Prozent des ordentlichen UNO-Budgets verwendet. 2016 hat die Schweiz dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR) einen 1264

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freiwilligen Beitrag von fünf Millionen Franken überwiesen. Sie beteiligt sich insbesondere an der Finanzierung des Menschenrechtsmonitorings in Syrien, der Ukraine und im Jemen. Zudem finanzierte sie die Präsenz des UNHCHR im Besetzten Palästinensischen Gebiet und in Honduras. Die Schweiz unterstützt mit ihrem politischen und finanziellen Beitrag zur Umsetzung der «Human Rights up Front Initiative» zudem die Integration der Menschenrechte in der Gesamt-UNO. Weiter verstärkt hat sie ihr Engagement zu Abschaffung der Todesstrafe. Zudem verabschiedete der Bundesrat einen nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.

In den Partnerländern der internationalen Zusammenarbeit unterstützt die Schweiz Regierungsstellen mit Zuständigkeitsbereich Menschenrechte, nationale Menschenrechtsinstitutionen (Afghanistan, Nepal, Pakistan, Bangladesch, besetztes palästinensisches Gebiet, Bolivien) wie auch eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen. Durch ihr starkes Engagement im Bereich der Justizsektorreform, etwa in Bosnien, Tadschikistan oder Bolivien, fördert sie die Einhaltung menschenrechtlicher Standards und einen verbesserten Zugang zur Justiz für die Bevölkerung, insbesondere seitens diskriminierter Gruppen. Die Rechte von Frauen und Mädchen hat die Schweiz durch bilaterale Programme der internationalen Zusammenarbeit zur Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, beispielsweise in Bolivien und der Mongolei, durch die Sicherstellung einer erhöhten Mitsprache zivilgesellschaftlicher Organisationen im UNO-Ausschuss gegen Frauendiskriminierung, sowie durch Beiträge an UNO Women und den UNO-Bevölkerungsfonds gestärkt. Neben der Konfliktbearbeitung und der Förderung der Menschenrechte steht die Erarbeitung von gemeinsamen Antworten auf die globalen Herausforderungen im Fokus des schweizerischen Engagements für Frieden und Sicherheit. Auf der Basis ihrer Werte setzt sie sich für einen funktionierenden Multilateralismus zur Gestaltung der Globalisierung ein. Auch hier kommt ihre Rolle als Brückenbauerin zum Tragen. Ein zentrales Anliegen in diesem Bereich sind eine regelbasierte internationale Ordnung und handlungsfähige internationale Organisationen.

Auf der regionalen Ebene setzt sich die Schweiz insbesondere für eine Stärkung der OSZE ein. Sie
plädiert seit ihrem Vorsitzjahr 2014 für einen inklusiven Dialog über Kernfragen der europäischen Sicherheit und begrüsst die Schritte, die am Ministerrat in Hamburg in diese Richtung gemacht wurden. Die Schweiz strebt eine verstärkte Zusammenarbeit in allen drei Dimensionen der OSZE an. Sie unterstützt die Bemühungen zur Neulancierung von Gesprächen über die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa und zur Modernisierung des Wiener Dokuments über vertrauensund sicherheitsbildende Massnahmen. Als neutraler Staat will sie weiterhin aktiv dazu beitragen, die Gräben zwischen den teilweise weit auseinanderliegenden Positionen in der Rüstungskontrolle zu verringern. Ebenso setzt sie sich für vertrauensbildende Massnahmen im wirtschaftlichen Bereich und eine zentrale Rolle der OSZE in der Förderung von wirtschaftlicher Konnektivität im OSZE-Raum ein. Ein weiterer Schwerpunkt ist die bessere Einhaltung der Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in Fragen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Zudem hat sie sich in der OSZE für einen umfassenden Ansatz im Bereich der Migration eingesetzt.

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Auf der globalen Ebene steht die Stärkung der UNO im Vordergrund. Die Schweiz setzt sich seit Jahren für Reformen der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats ein und koordiniert die Gruppe «Accountability, Coherence, Transparency», der 25 Mitglieder angehören. In diesem Rahmen konnte die Schweiz dazu beitragen, dass die Nominierung des neuen UNO-Generalsekretärs 2016 in einem klarer strukturierten und transparenteren Verfahren erfolgte. Nach seiner Wahl zum UNO-Generalsekretär erklärte Antonio Guterres die stärkere Gewichtung der Prävention in der UNO zu einer seiner Prioritäten. Dies entspricht einem Kernanliegen der Schweizer UNO-Politik. Im Juni lancierte die Schweiz mit dem «Appell vom 13. Juni» einen internationalen Aufruf zur Stärkung der Konfliktprävention. Konkret sollen die Bedeutung der Menschenrechte für die Konfliktprävention stärker berücksichtigt und die Zusammenarbeit zwischen dem Menschenrechtsrat in Genf und dem Sicherheitsrat in New York gestärkt werden. Siebzig Staaten unterstützen das Anliegen, das 2017 weiter operationalisiert werden soll. Einen Beitrag an eine gesteigerte Handlungsfähigkeit leistet die Schweiz auch, indem sie die Reformbemühungen hin zu einer effizienteren Verwaltung der UNO unterstützt. Im Berichtsjahr wurde zudem die Kandidatur der Schweiz als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats für die Periode 2023/24 vorangetrieben. Die Schweiz kann und soll einen Beitrag an die Erarbeitung tragfähiger Lösungen im Sicherheitsrat leisten.

In der Gestaltung der Globalisierung im Sicherheitsbereich kommt dem weltweiten Engagement gegen den Terrorismus grosse Bedeutung zu. Die Schweiz legt auch hier einen Fokus auf Prävention und die Einhaltung des Völkerrechts. Zudem befasst sie sich mit der spezifischen Situation von Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen des «Global Counterterrorism Forum» (GCTF) lancierte sie eine Initiative zum Jugendstrafrecht. Diese mündete im September in die Verabschiedung des «Neuchâtel Memorandum on Good Practices for Juvenile Justice in a Counterterrorism Context». Ebenfalls im GCTF wurden im Herbst 2016 die Arbeiten an einer schweizerisch-britischen Initiative aufgenommen. Diese hat zum Ziel, bei der Entfernung illegaler Inhalte vom Internet und bei der strategischen Kommunikation gegen Gewaltextremismus nationale «Best Practices» zu sammeln
und diese als Empfehlungen am Ministertreffen des GCTF im September 2017 zu verabschieden.

Eine weitere wichtige Thematik betrifft das Engagement für einen offenen, freien und sicheren Cyber-Raum, dessen Nutzung auf klaren Regeln basiert. Auch hier setzt sich die Schweiz unter anderem im UNO-Rahmen für globale staatliche Verhaltensnormen und die Anwendbarkeit des geltenden Völkerrechts ein. Zudem beteiligt sich die Schweiz am OSZE-Prozess für vertrauensbildende Massnahmen im Cyberbereich. Schwierig ist die Ausgangslage derzeit in Fragen der globalen Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Waffen. Die Schweiz wird sich an den 2017 beginnenden Verhandlungen über ein Nuklearwaffenverbot mit dem Ziel beteiligen, Brücken zu bauen und eine weitere Polarisierung der Staatengemeinschaft in dieser Frage zu vermeiden. Um positive Wirkung für die nukleare Abrüstung zu erzielen, ist eine möglichst breite Unterstützung eines allfälligen Nuklearwaffenverbots unabdingbar. Zudem wird die Schweiz im Juni 2017 den Vorsitz der 48 Staaten umfassenden Exportkontrollgruppe der Nuklearlieferländer (NSG) übernehmen. Hier geht es vor allem darum, eine konsensfähige Antwort auf die Frage zu entwickeln, wie mit den Mitgliedschaftsgesuchen von Ländern umzu-

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gehen ist, die nicht Mitglied des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen sind.

Das Schweizer Engagement für das Völkerrecht ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Eine Priorität stellt für die Schweiz die bessere Einhaltung des humanitären Völkerrechts dar. In diesem Zusammenhang setzten die Schweiz und das IKRK im Auftrag der 32. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes ihre Bemühungen fort, einen Konsens zur Errichtung eines Staatenforums für die Genfer Konventionen zu erwirken. Dabei konnten die Modalitäten für die Weiterführung der Verhandlungen über die Funktionen und Eigenschaften eines Staatenforums konkretisiert und die Etappen bis zur 33. Internationalen Konferenz im Jahr 2019 skizziert werden. Ebenfalls führte die Schweiz ihr entschiedenes Handeln betreffend der Rückgabe unrechtmässig erworbener Vermögenswerte von politisch exponierten Personen weiter. Sie hat in den letzten 25 Jahren sogenannte Potentatengelder in der Höhe von rund zwei Milliarden Franken an die Herkunftsländer restituiert und nimmt mit ihrer proaktiven Politik in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein. Im Berichtsjahr trat das Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG)3 in Kraft. Zudem unterzeichneten der Bundesrat und die Regierung der Bundesrepublik Nigeria eine Absichtserklärung über die Rückgabe von 321 Millionen US-Dollar. Generell engagiert sich die Schweiz im bilateralen und multilateral Rahmen stark in der Korruptionsbekämpfung, das zu einem zunehmend wichtigen Thema der Aussenpolitik wird. Unter anderem beteiligte sich die Schweiz an der G20-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung und nahm der EDA-Departementsvorsteher am Antikorruptionsgipfel in London teil.

1.3.4

Umfassendes Engagement für nachhaltige Entwicklung und Wohlstand

Für die nachhaltige Entwicklung liegt mit der Agenda 2030 ein globales Rahmenwerk vor, das von allen Staaten mitgetragen wird. Diese Agenda hat den Anspruch «niemanden zurückzulassen» und zeigt mit ihren 17 universell gültigen Zielen Antworten auf globale Herausforderungen auf. Für die Gestaltung der Globalisierung ist sie wegweisend. 2016 war das erste Umsetzungsjahr der Agenda 2030. Die Schweiz hat sich verpflichtet, mit nationalen und internationalen Anstrengungen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beizutragen und präsentierte im Sommer in der UNO als eine der ersten Staaten ihre Umsetzungsstrategie. Parallel dazu nahm der Bundesrat die Umsetzung der bereits dargelegten Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­20 an die Hand.

Bei der Umsetzung der Agenda 2030 achtet die Schweiz darauf, Widersprüche zwischen verschiedenen Sektoral- und Querschnittpolitiken möglichst zu vermeiden, in der Innenpolitik ebenso wie bei Massnahmen der Aussenpolitik. Beispiele hierfür sind etwa die Förderung von mehr Transparenz im Rohstoffgeschäft oder die bereits erwähnte Politik zur Verminderung unrechtmässiger und unlauterer Finanzflüsse aus 3

SR 196.1

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Entwicklungsländern. Damit vertieft der Bundesrat sein bisheriges Engagement für mehr Politikkohärenz für Entwicklung und leistet einen wichtigen Beitrag zu einer breit verstandenen Kohärenz für Nachhaltige Entwicklung. Die 2016 in der IZA erzielten Resultate werden dazu beitragen, dass die Schweiz 2018 auf der Basis ausgewählter Indikatoren konkret Rechenschaft zur Erreichung der Ziele der Nachhaltigen Entwicklung ablegen kann. Mit ihrem Engagement in sektorbezogenen internationalen Prozessen, unter anderem multilateralen Übereinkommen, bilateralen Verträgen, regionalen und globalen (UNO-)Programmen, trägt die Schweiz zur Förderung der drei Zieldimensionen Soziales, Wirtschaft sowie Umwelt der nachhaltigen Entwicklung bei.

Auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit setzt sich die Schweiz konsequent für die Förderung der Menschenrechte und für demokratische Reformen ein.

In Armenien hat sie den Gemeindefusionsprozess unterstützt und mehrere zehntausend Bürgerinnen und Bürger profitieren seit diesem Jahr von guten öffentlichen Dienstleistungen. In der Mongolei hat die Regierung mit Schweizer Unterstützung die Dezentralisierung vorangetrieben, und ein Gesetzesentwurf über direktdemokratische Rechte erarbeitet. Im Niger hat sich die Schweiz für faire und gewaltfreie Wahlen sowie eine ausgewogene Medienberichterstattung engagiert und damit zu gewaltfreiem politischen Dialog beigetragen. Im politisch sich öffnenden Tunesien trug die Schweiz zu fairen und transparenten Wahlen und der Reform des Justizsektors bei. In Nicaragua und Honduras, wo die Repression zunimmt und Gewalt sich ausbreitet, hat die Schweiz ihr Engagement für die Zivilgesellschaft, den Zugang zu Information und den Schutz der Menschenrechte bekräftigt.

Im Bildungsbereich hat die Schweiz 2016 ihr Engagement weiter ausgebaut. In der Bildungszusammenarbeit war sie in über 25 Entwicklungs- und Transitionsländer tätig. Mit der Lancierung des Geberkomitees für duale Berufsbildung wurde ein Meilenstein in der Zusammenarbeit mit anderen Gebern mit dualer Berufsbildungstradition gelegt. Dank der Reform der öffentlichen Arbeitsvermittlungsstellen in Bosnien und Herzegowina konnte 2016 die Vermittlungsquote für Arbeitslose von 15 Prozent auf 40 Prozent erhöht werden, 35 Berufsbildungsschulen haben ein am dualen Berufsbildung orientiertes
Modell eingeführt und über 3900 junge Menschen eine Anstellung gefunden. Auch in fragilen Kontexten wurde die Bildungszusammenarbeit ausgebaut und in einem Flüchtlingslager in Kenia berufsbildende Lehrgänge für Jugendliche finanziert.

Die Schweiz hat ihr Fachwissen auch 2016 für die Bewältigung der globalen Herausforderungen eingesetzt: An der 22. Konferenz der Vertragsstaaten des UNORahmenübereinkommens über Klimaveränderungen im September in Marokko trug die Schweiz zur erfolgreichen Mobilisierung der Zivilgesellschaft und der Jugend für die Klimaziele bei. An der 28. Vertragsparteienkonferenz des Montrealer Protokolls hat sich die Schweiz erfolgreich für eine Aufnahme von Substanzen mit hohem Treibhauspotential in das Protokoll eingesetzt, ein weiterer wichtiger Schritt für die Umsetzung des Klimaziels von Paris. Von der Schweiz aktiv gefördert konnten 2016 die BRICS-Länder zur finanziellen Unterstützung innovativer Finanzierungs- und Koordinierungsmodelle für Forschung und Entwicklung von medizinischen Produkten, die vor allem in Entwicklungsländern auftreten, gewonnen werden. Zudem hat die Schweiz Partnerschaften im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit ver1268

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tieft und ihre Verantwortung als politische Initiatorin und als Katalysator für Finanzierungsquellen wahrgenommen. Ein Projekt mit Nestlé und dem vietnamesischen Landwirtschaftsministerium reduzierte den Wasser-Fussabdruck der dortigen Kaffeeproduktion. Auch hat sich die Schweiz als Mitglied des Verwaltungsrates im Internationalen Agrarforschungskonsortiums 2016 stark für die Entwicklung neuer, klimaresistenter Kulturpflanzensorten eingesetzt.

Das Engagement der Schweiz in Kernthemen an der immer wichtigeren Schnittstelle von Entwicklung und Frieden wird in Ziffer 3.3.7. detailliert erläutert. In Bezug auf die Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE), die der Bundesrat als eine aussenpolitische Priorität im Bereich der Terrorbekämpfung identifiziert hat, stand 2016 die Umsetzung des im April veröffentlichten aussenpolitischen Aktionsplans des EDA zu diesem Thema im Zentrum. Die Schweiz will Staaten und betroffene Gemeinschaften darin unterstützen, das gesellschaftliche Umfeld so zu gestalten, dass sich Menschen nicht zu extremistischer Gewalt hinreissen lassen. Durch Ansetzen an dessen unmittelbaren und strukturellen Ursachen soll dem gewalttätigen Extremismus der Nährboden entzogen werden. Dies erfordert ein langfristiges Engagement in Konflikt-, Transitions- und fragilen Kontexten. Den Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit und der menschlichen Sicherheit kommt hierbei grosse Bedeutung zu. Der Aktionsplan setzt einen Schwerpunkt auf der Arbeit mit Frauen und Jugendlichen als Akteuren positiven Wandels. Die Schweiz engagiert sich einerseits mit eigenen Projekten für die Prävention von gewalttätigem Extremismus. Beispielsweise wurden bei einem Besuch des EDA-Vorstehers in Tunesien die Möglichkeiten für gemeinsame Aktivitäten in diesem Bereich konkretisiert. Die Schweiz unterstützt bereits ein Projekt in einem marginalisierten Vorort von Tunis mit dem Ziel, die soziale und politische Integration Jugendlicher durch ihre Teilnahme an der lokalen Regierungsführung zu erhöhen. Andererseits engagiert sie sich auch multilateral und mit Partnerorganisationen. Zusammen mit der UNO führte die Schweiz im April eine hochrangige Konferenz durch, um den PVE-Aktionsplan des UNO-Generalsekretärs und den internationalen Austausch zur Thematik zu fördern.

Zudem unterstützt sie den in Genf ansässigen
«Global Community Engagement and Resilience Fund», der in verschiedenen Staaten Projekte zur Prävention von gewalttätigem Extremismus lanciert hat.

In Bezug auf ein zweites Querschnittsthema, nämlich Wasser und Sicherheit, hat die Schweiz in den letzten Jahren mehrere regionale und globale Initiativen in der Wasserdiplomatie (Blue Peace) lanciert. Im Berichtsjahr standen dabei die Arbeiten des Ende 2015 in Genf lancierten globalen Panels für Wasser und Frieden im Zentrum. Dieses mit unabhängigen Persönlichkeiten aus fünfzehn Staaten zusammengesetzte Panel wird 2017 Empfehlungen unterbreiten für die Stärkung der globalen Struktur für die Prävention und Beilegung wasserbezogener Konflikte. Es wird auch Wege aufzeigen, wie Wasser statt einer Konfliktursache ein Treiber zwischenstaatlicher Kooperation und des Friedens sein kann. Die Schweiz setzt sich auch dafür ein, dass diese Thematik stärker in der UNO verankert wird. Auf Initiative der Aussenminister Senegals, Costa Ricas, Sloweniens und der Schweiz organisierte sie am Rande der 71. UNO-Generalversammlung einen hochrangigen Anlass hierzu. Zudem unterstützte sie die Bemühungen, das Thema «Wasser, Frieden und Sicherheit» auf die Agenda des Sicherheitsrats zu setzen. Am Frankophoniegipfel in Madagaskar brachte sie diesen Fragenkomplex ebenfalls ein.

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Die Schweiz engagiert sich im Rahmen ihrer Aussenpolitik auch weiterhin stark im dritten Querschnittsthema Flucht und Migration. Vor Ort fokussiert sie dabei auf drei Aktionsbereiche: erstens den Schutz der Zwangsvertriebenen, zweitens die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Eigenständigkeit etwa durch Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten zur Verbesserung mittel- und längerfristiger Perspektiven sowie drittens die Prävention, das heisst die Bearbeitung der Fluchtursachen. In all diesen Aktionsbereichen setzt sie ihre verschiedenen Instrumente koordiniert und zielgerichtet ein, im Sinne der interdepartementalen Migrationsaussenpolitik. Das diesbezügliche Engagement wird im Schwerpunktkapitel unter Ziffer 3 ausführlich dargelegt. Ein wichtiges Instrument der Migrationsaussenpolitik sind die bilateralen Migrationspartnerschaften mit Serbien, dem Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Nigeria und Tunesien. So unterstützte die Schweiz beispielsweise 2016 Tunesien in der Ausarbeitung eines Asylgesetzes. Der Aufbau weiterer solcher Migrationspartnerschaften, die auf einem umfassenden und kooperativen Ansatz mit Entwicklungsund Migrationsmassnahmen beruhen, wird derzeit geprüft.

Auch beim Thema Flucht und Migration handelt es sich zudem um eine globale Herausforderung, für die globale Antworten zu entwickeln sind. Die Schweiz beteiligte sich denn auch stark an den Arbeiten des ersten UNO-Gipfels für Fluchtlinge und Migration, der im September stattfand. Im Rahmen des Gipfeltreffens wurde beschlossen, dass bis 2018 zwei globale Rahmenwerke (Global Compact) zur Situation von Flüchtlingen respektive zur Migration erarbeitet werden sollen. Zusammen mit Mexiko wurde die Schweiz vom Präsidenten der 71. UNO-Generalversammlung beauftragt, die Gespräche über die Modalitäten des Verhandlungsprozesses des Rahmenwerks zur Migration zu co-fazilitieren. Auch bei diesem Rahmenwerk wird es darum gehen, Brücken zu bauen. Zum Beispiel soll anerkannt werden, dass auch Personen in vulnerable Situationen gelangen können, die nicht von der Genfer Flüchtlingskonvention geschützt werden, sei es aufgrund von Naturkatastrophen oder den Folgen des Klimawandels. Mit der Nansen Initiative hat die Schweiz dazu beigetragen, für diese Menschen eine internationale Schutzagenda zu entwickeln.

Ebenfalls an der Schnittstelle von Frieden und
nachhaltiger Entwicklung wirkt schliesslich die humanitäre Hilfe. Da die Krisen immer komplexer werden und länger dauern, wird auch das Leisten von humanitärer Hilfe anspruchsvoller.

Gleichzeitig gewinnt die humanitäre Hilfe weiter an Bedeutung. Es geht dabei nicht nur um Nothilfe, sondern auch um Hoffnung für die betroffenen Menschen ­ um ein Signal, dass ihr Schicksal der Welt nicht gleichgültig ist. Mit ihrer humanitären Tradition und Glaubwürdigkeit kommt der Schweiz in diesem Bereich eine besondere Rolle zu. In der Ukraine ist die Schweiz nach wie vor der einzige Staat, der humanitäre Transporte organisiert, welche die Kontaktlinie überqueren. Im Berichtsjahr konnten mittels zweier Bahntransporte Gebiete beidseits der Kontaktlinie mit Materialien zur Trinkwasseraufbereitung und mit medizinischen Gütern versorgt. In Syrien übergab die Schweiz im Juli dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond (SARC) zwölf neue Ambulanzfahrzeuge, die dringend benötigt wurden. Diese Ambulanzen kamen auch im Rahmen der Evakuation der Zivilbevölkerung aus Aleppo Mitte Dezember zum Einsatz. Auch in Haiti leistete die Schweiz nach einem Wirbelsturm im Oktober Nothilfe. Diese kam über 100 000 Personen zugute. Die Schweiz wird ihre humanitäre Hilfe weiter verstärken, wobei die Syrienkrise auch 2017 eine Priorität darstellen wird. Sie wird sich weiterhin für besseren humanitären 1270

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Zugang und die Einhaltung der humanitären Prinzipien einsetzen, im Feld aber auch auf multilateraler Ebene, wie sie das etwa am Humanitären Weltgipfel in Istanbul tat.

Zum Schwerpunkt «Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand» zählt der Bundesrat in seiner Aussenpolitischen Strategie auch das Engagement für wohlstandsfördernde internationale Rahmenbedingungen. Der Wohlstand der Schweiz ist unabdingbar mit den Entwicklungen in Europa und den wichtigen Wirtschafts- und Finanzzentren weltweit verknüpft. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die liberale internationale Ordnung ist das Engagement der Schweiz zur Gestaltung der Globalisierung im Wirtschaftsbereich, zur Förderung der Teilnahme aller Länder am internationalen Handel und zur Befähigung von Entwicklungsländern, vermehrt eigene Steuerressourcen zu mobilisieren, von besonderer Bedeutung.

Unter chinesischem Vorsitz ist die Schweiz wie schon 2013 unter russischem Vorsitz zur Teilnahme am G20-Finanzsegment und der G20-Anti-Korruptionsarbeitsgruppe eingeladen worden. In diesem Rahmen hat sich die Schweiz aktiv für eine stabile Weltwirtschaft und für strukturelle Massnahmen zur Wachstumsförderung eingebracht sowie Reformvorschläge für das internationale Finanzsystem gemacht.

Dabei geht es auch darum, den globalen Ungleichgewichten entgegenzuwirken. Auf Einladung Deutschlands wird die Schweiz auch 2017 an den Arbeiten im Finanzbereich und insbesondere an den Treffen der Finanzminister sowie Notenbankgouverneure und an den Treffen der Anti-Korruptionsarbeitsgruppe der G20 teilnehmen können.

Bei der Umsetzung globaler Standards in internationalen Finanz- und Steuerfragen wurden wichtige Fortschritte erzielt. Die Bemühungen der Schweiz für einen steuerlich konformen und stabilen, wettbewerbsfähigen und integren Finanzplatz wurden international anerkannt, namentlich durch gute Resultate bei den Länderprüfungen des «Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch zu Steuerzwecken» und der «Groupe d'action financière» (GAFI). Erstere beurteilte die Zusammenarbeit mit dem Ausland im Bereich der steuerlichen Amtshilfe, Letztere die Qualität des schweizerischen Dispositivs zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung. Die positiven Bewertungen sind für die internationale Akzeptanz des Finanzplatzes im heutigen Umfeld zentral.
Schliesslich setzte sich die Schweiz auch für eine Stärkung ihres Netzwerks an bilateralen Freihandelsabkommen ein. Im April wurde ein Freihandelsabkommen mit den Philippinen unterzeichnet. Im Rahmen der EFTA laufen Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Indien, Indonesien, Vietnam, Malaysia, Mexiko, Chile und Ecuador. Die Sondierungsgespräche mit den MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay konnten abgeschlossen werden, was den Weg für eine baldige Verhandlungsaufnahme ebnet. Eng verfolgen wird der Bundesrat den weiteren Verlauf der Diskussionen über die Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft und die Transpazifische Partnerschaft. Er wird sich auch künftig für eine offene Schweizer Volkswirtschaft und einen freien und fairen Welthandel einsetzen.

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Schwerpunkt: Engagement der Schweiz für Frieden und Entwicklung in den Krisenregionen von Syrien bis Sahel

2.1

Einleitung

Das erweiterte regionale Umfeld der Schweiz und Europas war in den letzten Jahren von einer Anhäufung von Krisen und Konflikten gekennzeichnet. Im Osten hat die Ukrainekrise die bereits seit Jahren schwelende Krise der europäischen Friedensordnung verstärkt. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sowie die ungelösten Konflikte in der gemeinsamen Nachbarschaft von Russland und der EU sind wieder stärker in den Fokus der europäischen Sicherheitsagenda gerückt. Die Regionen südlich von Europa sind seit Langem durch Krisen und Instabilität gekennzeichnet. Diese Herausforderungen haben sich in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich akzentuiert. Zudem sind die Rückwirkungen auf Europa und damit auch auf die Schweiz direkter und stärker spürbar geworden, als das bisher der Fall war. Sowohl die Überwindung der Krise der europäischen Sicherheit als auch die Förderung von Frieden und nachhaltiger Entwicklung in den Regionen südlich des Mittelmeers gehören zu den aussenpolitischen Prioritäten der Schweiz.

In diesem Schwerpunktkapitel werden die Herausforderungen im südlichen Krisenbogen um Europa thematisiert und das Schweizer Engagement zur Bewältigung dieser Herausforderungen dargelegt. Das Kapitel erläutert Entwicklungen und Massnahmen der Schweiz in einem immensen Gebiet, das sich über mehrere Regionen vom Nahen und Mittleren Osten4 über Nordafrika5 bis zum Horn von Afrika6 sowie den Ländern im Sahel und um den Tschadsee7 erstreckt. Es ist zu unterstreichen, dass keineswegs alle der insgesamt 34 Staaten in diesen Regionen von Krisen erfasst sind. Die Herausforderungen gestalten sich zudem je nach Region und auch innerhalb der Regionen immer wieder unterschiedlich. Und doch ist das südliche Umfeld Europas heute zunehmend durch eine Kumulation von Krisencharakteristika gekennzeichnet. Insbesondere der Nahe und Mittlere Osten steht heute im Brennpunkt der Weltpolitik, und dies entgegen der noch vor wenigen Jahren vielfach geäusserten Erwartung, wonach Entwicklungen und Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum die internationale sicherheitspolitische Agenda bald dominieren dürften. Das Kapitel hat nicht den Anspruch, die vielfältigen und durchaus auch positiven Dynamiken in Europas südlicher Nachbarschaft umfassend darzustellen. Ebenso wenig können die Beziehungen der Schweiz zu diesen Regionen und Ländern umfassend erläutert werden. Vielmehr liegt der Fokus auf der Instabilität und ihren Ursachen sowie dem diesbezüglichen schweizerischen Engagement.

4 5 6 7

Bahrain, besetzte palästinensische Gebiete (b.p.G.), Iran, Irak, Israel, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Saudi-Arabien, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan und Südsudan Burkina Faso, Kamerun, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal und Tschad

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2.2

Regionale Charakteristika und Bedeutung für die Schweiz

Das wohl auffälligste Charakteristikum der Regionen im südlichen Umfeld Europas ist die Vielzahl von Krisen und Konflikten. So führt der «Global Peace Index 2016» sieben der hier thematisierten Staaten auf den letzten zehn Plätzen 8. Bei vielen Auseinandersetzungen in der südlichen Nachbarschaft Europas handelt es sich um innere Konflikte, wobei diese vielfach auch grenzüberschreitend sind und bisweilen regionale Dimensionen angenommen haben. Insbesondere der Syrienkrieg, aber auch der Konflikt im Jemen werden von Interessen regionaler und globaler Akteure mitbestimmt. Solche Gewaltkonflikte haben zudem auch Auswirkungen auf das regionale Umfeld, etwa in der Form von teilweise massiven Flüchtlingsströmen.

Drei der aktuellen Konflikte sind auf die 2011 einsetzenden arabischen Revolten und Revolutionen, den sogenannten Arabischen Frühling, zurückzuführen. Dem Syrienkrieg sind verschiedenen Schätzungen zufolge bereits über 400 000 Menschen zum Opfer gefallen. Auch 2016 gelang es nicht, eine politische Lösung zu finden. Im Jemen sind seit 2015 mehr als 10 000 Tote zu verzeichnen, und Friedensverhandlungen brachten hier ebenso wenig den erhofften Durchbruch. In Libyen wiederum herrscht auch nach dem Friedensabkommen ein Klima von Chaos und Gewalt. Der Weg zu einem wieder funktionierenden Staat mit einer allseits akzeptierten Einheitsregierung ist noch weit.

Der Israel-Palästina-Konflikt ist nach über sechzig Jahren so wenig gelöst wie die Kurdenfrage, die im Kontext des Syrienkriegs an Brisanz gewonnen hat. Der erst seit 2011 unabhängige Staat Südsudan ist durch einen Bürgerkrieg geprägt, der darauf zurückzuführen ist, dass sich die Anführer der zwei grossen ethnischen Gruppierungen nicht auf eine Machtteilung einigen können. Im Sudan schwelt der Darfur-Konflikt weiter. Mali wiederum ringt auch nach dem Friedensabkommen von 2015 um seine innere Stabilität. Gewaltkonflikte sind schliesslich auch mit dschihadistischen Terrorgruppierungen verbunden, wie zum Beispiel mit Boko Haram in der Tschadseeregion, der al-Shabaab-Miliz in Somalia, der al-Qaïda auf der arabischen Halbinsel im Jemen und der Organisation «Islamischer Staat» (IS) in Syrien, dem Irak und Libyen. Mit terroristischen Anschlägen sehen sich aber auch zahlreiche andere Staaten der Region konfrontiert, die nicht direkt in Gewaltkonflikte
involviert sind, so etwa Burkina Faso oder Ägypten.

Dieser letzte Punkt weist auf ein zweites regionales Charakteristikum hin: Die in vielen Kontexten beobachtbare Fragmentierung von Macht und die damit verbundene Zunahme nichtstaatlicher Gruppierungen und Gewaltakteure. Damit gehen eine Erosion von Nationalstaaten und eine vermehrte Infragestellung etablierter Grenzen, Ordnungen und auch Identitäten einher. Nicht unter staatlicher Kontrolle stehende Grenzräume und Regionen sind teilweise zu Brutstätten von Gewalt und nichtstaatlich geprägten Ordnungen geworden. Als gegenläufige Tendenz zur Fragmentierung lässt sich aber auch eine übergrosse Konzentration von Macht erkennen.

Autoritäre Herrschaft als Regierungsform bleibt im südlichen Umfeld Europas weit

8

Syrien, Südsudan, Irak, Somalia, Jemen, Sudan, Libyen

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verbreitet9 und hat sich in mehreren Staaten in jüngster Zeit wieder verstärkt. Der Wunsch der Menschen nach grösserer sozialer, politischer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit und Partizipation hat sich fünf Jahre nach dem «Arabischen Frühling» in den betroffenen Ländern noch kaum erfüllt. Eine Ausnahme ist Tunesien, das sich in einem vielversprechenden Transitionsprozess befindet. In den Ländern im Horn von Afrika vereinen einzelne Parteien weiterhin praktisch die gesamte wirtschaftliche und politische Macht auf sich. In den Sahelstaaten sind bei Wahlen Einschüchterungen sowie Inhaftierungen von Oppositionellen vielfach beobachtete Praxis.

Gleichzeitig können in den meisten hier diskutierten Staaten auch die Medien keine korrektive Funktion ausüben ­ der diesjährige Index von «Reporter ohne Grenzen» beurteilt die Pressefreiheit in 27 der 34 Länder als schlecht oder sehr schlecht.

Viele Staaten im südlichen Umfeld sind fragil. Der «Fragile States Index» der USbasierten NGO «Fund for Peace», der Staaten auf ihr Risiko von Staatszerfall hin untersucht, klassierte 2016 die Hälfte der hier behandelten Länder in der höchsten Kategorie. Insgesamt sechs dieser Staaten10 befinden sich in der acht Länder umfassenden Unterkategorie «Sehr hohe Warnung» und gelten als äusserst fragil. Neben weit verbreiteter schlechter Regierungsführung und mangelnder Inklusivität stellt auch Korruption eine grosse Herausforderung dar. Der aktuelle Korruptionswahrnehmungsindex von «Transparency International» führt neun Länder11 aus den thematisierten Regionen auf den letzten zwanzig Plätzen und insgesamt 22 der 34 Staaten in der zweiten Hälfte des Ranking auf. Dabei bestehen aber massive regionale Unterschiede. Während sich ein Grossteil der Staaten im Horn von Afrika im letzten Drittel der Rangliste befindet, schneiden die Golfstaaten ­ vor allem Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate ­ gut ab.

Ein Charakteristikum, das dagegen vor allem für den Nahen und Mittleren Osten gilt, betrifft die regionale Polarisierung. Geopolitische, religiöse und ethnische Bruchlinien haben sich in den letzten Jahren akzentuiert und sind teilweise bewusst geschürt worden. Das Fehlen regionaler Ordnungsstrukturen und inklusiver Foren für Dialog und Zusammenarbeit stellt auch für die Lösung der Konflikte in dieser Region ein Hindernis dar.
Die demografische Entwicklung ist für viele Länder in diesem Raum eine grosse Herausforderung. Sahelstaaten wie Mali, Tschad oder Niger verzeichnen ein jährliches Bevölkerungswachstum von über drei Prozent. Über die Hälfte der Bevölkerung in diesen Staaten ist unter fünfzehn Jahre alt. Die gleichzeitig noch immer tiefe Schulbesuchsquote führt dazu, dass in diesen Ländern jährlich geschätzte 300 000­ 400 000 junge Menschen ohne Ausbildung auf den Arbeitsmarkt drängen. Auch in der arabischen Welt wächst die Anzahl junger Menschen, die auf den Arbeitsmarkt kommen, wesentlich schneller als die Zahl neu geschaffener Stellen. Selbst gut ausgebildete Jugendliche finden häufig keine Anstellung. So waren 2014 zum Beispiel 34 Prozent aller Universitätsabgänger in Ägypten arbeitslos. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit in allen arabischen Staaten zusammen liegt bei 30 Prozent und ist damit mehr als doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt.

9 10 11

So kategorisierte beispielsweise der Demokratieindex der «Economist Intelligence Unit» im Jahr 2015 21 von 34 der hier besprochenen Staaten als autoritär.

Somalia, Südsudan, Sudan, Jemen, Syrien, Tschad Somalia, Sudan, Südsudan, Libyen, Irak, Eritrea, Jemen, Syrien, Tschad

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Viele Länder weisen nach wie vor tiefe Entwicklungsniveaus auf, wobei die diesbezüglichen regionalen Disparitäten gross sind. Der «Human Development Index 2015» der UNO klassiert 15 der 34 besprochenen Staaten in der Kategorie «geringe menschliche Entwicklung». Diese liegen, abgesehen vom Jemen, allesamt in der Sahelzone und im Horn von Afrika. Umgekehrt werden Israel und die Golfstaaten allesamt zur Gruppe der Länder mit einer «sehr hohen menschlichen Entwicklung» gezählt, welcher unter anderem auch die Schweiz angehört. Dieselbe Beobachtung gilt auch für den «Multidimensional Poverty Index» des UNDP, der Armut anhand mehrerer Kategorien in insgesamt 102 Entwicklungsländern misst. Gemäss den aktuellsten Zahlen belegen Staaten aus der hier besprochenen Region die letzten fünf Plätze.12 Demnach sind insbesondere im Niger über sechzig Prozent der Bevölkerung von schwerster Armut betroffen. Alle Staaten aus dem Sahel und dem Horn von Afrika sind in der zweiten Hälfte des Ranking klassiert, was von den hier besprochenen Ländern sonst nur noch für den Jemen gilt.

Die Staaten im südlichen Umfeld Europas leiden zudem insgesamt überdurchschnittlich stark unter den Folgen klimatischer Veränderungen, deren Auswirkungen auch sicherheitspolitische Folgen haben. Einer der schlimmsten El Niños seit 1997/98 führte 2016 zu einer massiven Dürre im Horn von Afrika, wobei laut dem UNOKoordinationsbüro für humanitäre Hilfe (OCHA) gegen 24 Millionen Menschen von drastischer Nahrungsmittelunsicherheit betroffen waren. Auch die Sahelzone wird immer wieder von verheerenden Dürreperioden und damit einhergehenden Hungersnöten heimgesucht. In mehreren Staaten im Sahel sowie im Horn von Afrika stehen pro Person und Jahr weniger als tausend Kubikmeter Wasser zur Verfügung, was der Definition von Wassermangel entspricht. Diese Negativwerte werden von Nordafrika und den Staaten auf der Arabischen Halbinsel gar noch übertroffen.

Aufgrund der fortschreitenden Erwärmung der Erdoberfläche dürften sich Probleme im Zusammenhang mit Wasserknappheit weiter akzentuieren. Ein aktueller Bericht der Weltbank zeigt zudem auf, dass steigender Wassermangel besonders gravierende ökonomische Konsequenzen für Staaten nach sich zieht, in denen bereits massive Engpässe bezüglich der Wasserversorgung herrschen. Aufgrund von Wasserknappheit könnte
das BIP der Staaten in den hier thematisierten Regionen bis 2050 um bis zu sechs Prozent sinken.

Ein weiteres Merkmal ist die katastrophale humanitäre Lage in vielen Gebieten zwischen Sahel und Syrien. Der weitaus grösste Teil der rund 125 Millionen Menschen, die weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, lebt in diesen Gebieten.

Die humanitäre Not ist dabei hauptsächlich, aber nicht nur, auf Konflikte zurückzuführen. Die Konfliktsituation in und um Syrien verursachte die grösste humanitäre Katastrophe unserer Epoche. Über 13,5 Millionen Menschen alleine in Syrien sind von internationaler Hilfe abhängig. Neben Syrien zählt die UNO die Situationen im Irak und im Jemen zu den drei aktuellen humanitären Katastrophen höchsten Ausmasses. Weitere humanitäre Krisen gibt es aber auch im Horn von Afrika, im Südsudan oder rund um den Tschadsee. Die Gemengelage der verschiedenen hier dargelegten Herausforderungen stellt einen besorgniserregenden Nährboden für gewalttätigen Extremismus respektive für die Anwerbung junger Menschen durch terroristische Gruppierungen dar. Viele der betroffenen Regierungen reagieren auf 12

Niger, Äthiopien, Südsudan, Tschad, Burkina Faso

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diese Bedrohung mit massiven Sicherheitsmassnahmen, während das Bewusstsein für die tieferliegenden Ursachen häufig noch wenig entwickelt ist.

Die Kombination von Gewaltkonflikten und fehlenden wirtschaftlichen Perspektiven hat auch zur Folge, dass der südliche Krisenbogen um Europa durch starke Fluchtund Migrationsbewegungen gekennzeichnet ist. Alleine in Syrien sind über sechs Millionen Menschen intern Vertriebene. Beinahe fünf Millionen Menschen sind in die Nachbarländer geflohen. Im Libanon besteht heute ein Fünftel der Bevölkerung aus Flüchtlingen. Die Türkei ihrerseits beherbergt mehr als 3 Millionen Flüchtlinge.

Viele Menschen fliehen auch aus Eritrea und den Sahelstaaten. Inzwischen befinden sich insgesamt 1,8 Millionen Flüchtlinge sowie 6,7 Millionen intern Vertriebene alleine im Horn von Afrika. Der Konflikt mit Boko Haram in der Tschadsee-Region hat zu 2,6 Millionen nigerianischen Binnenflüchtlingen geführt. 155 000 Menschen sind in die Nachbarländer geflohen, hauptsächlich nach Niger und Tschad.

Dass sich diese Negativentwicklungen auch auf Europa und die Schweiz auswirken, hat sich in der Flüchtlings- und Migrationskrise manifestiert. Die Zahl der Asylanträge in Europa lag zwar 2016 unter dem sehr hohen Vorjahreswert von beinahe 1,4 Millionen, was unter anderem auf die Schliessung der Balkanroute und die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei zurückzuführen ist. Mit rund 1,3 Millionen Anträgen in Europa, davon mehr als 25 000 in der Schweiz, blieb sie aber hoch. Als Ursprungs- oder Transitländer spielen Staaten aus dem südlichen Umfeld Europas eine zentrale Rolle. Im Falle der Schweiz stammen mit Eritrea, Syrien, Somalia, Irak, Nigeria und Äthiopien sechs der zehn wichtigsten Herkunftsstaaten von Asylsuchenden 2016 aus den in diesem Kapitel thematisierten Regionen. Mit Gambia kommt ein weiterer Staat hinzu, dessen Asylsuchende grossmehrheitlich via Sahelroute über das Mittelmeer in die Schweiz gelangen. Der Fokus der Flüchtlings- und Migrationskrise verlagerte sich dabei 2016 zurück auf die zentrale Mittelmeerroute nach Italien. Die Ankunft von mehr als 180 000 Flüchtlingen und Migranten in Italien im Jahr 2016 stellt einen neuen Höchstwert dar. Mit über 4400 erreichte auch die Anzahl von Menschen, die auf der Überfahrt ertranken, einen traurigen Höchststand. Im Umgang mit der
Flüchtlings- und Migrationskrise tun sich die europäischen Staaten unvermindert schwer. Ein Ende der Krise zeichnet sich auch deshalb nicht ab, weil der Migrationsdruck aus dem südlichen Krisenbogen in den kommenden Jahren unvermindert anhalten dürfte.

Auch zwischen den dschihadistischen Terroranschlägen in Europa, die in den letzten zwei Jahren zugenommen haben, und den Entwicklungen im südlichen Umfeld Europas gibt es starke Bezüge. Einerseits haben Attentate wie im November 2015 in Paris und im März 2016 in Brüssel gezeigt, dass der IS willens und in der Lage ist, Anschläge in Europa zu planen sowie Täter und Mittelsmänner nach Europa einzuschleusen und zu steuern. Andererseits sind eine Reihe von Terrorakten wie in Nizza, Würzburg, Ansbach, Rouen, Charleroi und Berlin von in Europa wohnhaften und radikalisierten Tätern verübt worden, die sich auf den IS bezogen und dessen Aufruf zu Anschlägen auf westliche Ziele gefolgt sind. Durch den gestiegenen Druck im Kampf gegen den IS nimmt die Zahl derjenigen «Foreign Terrorist Fighter» zu, die nach Europa zurückkehren. Auch deshalb bleibt die Terrorgefahr in der Schweiz erhöht. Generell gewinnt die bereits in der Helsinki-Schlussakte von 1975

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verankerte Feststellung, wonach europäische Sicherheit und die Sicherheit des Mittelmeerraums gegenseitig verschränkt sind, an Relevanz.

Das Engagement der Schweiz im südlichen Umfeld Europas zielt unter anderem darauf ab, die Ursachen von irregulärer Migration und Terrorismus vor Ort anzugehen. Die Förderung von Frieden und Entwicklung ist ein Verfassungsauftrag, entspricht dem Interesse der Schweiz an einem stabilen und sicheren Umfeld und ist gleichzeitig Ausdruck ihrer Werte und ihrer verantwortungsbewussten Aussenpolitik. Zu beachten ist auch die nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung des südlichen Umfelds Europas. So beeinflussen zum Beispiel Staaten des Mittleren Ostens und Nordafrikas aufgrund grosser Erdölvorkommen das globale Wirtschaftswachstum deutlich.

Das bilaterale Handelsvolumen zwischen der Schweiz und den in diesem Kapitel thematisierten Staaten ist je nach Region und Land unterschiedlich hoch. Hervorzuheben sind unter anderem die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi Arabien, die zu den zwanzig wichtigsten Handelspartnern der Schweiz gehören. Verschiedene Staaten haben aber ein grosses ökonomisches Entwicklungspotenzial. So weist beispielsweise Äthiopien seit einigen Jahren ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum von bis zu zehn Prozent aus. Auch wenn dieses weiterhin nur einen kleinen Teil der Bevölkerung erreicht, bildet sich dennoch in vielen Staaten der Region eine immer grösser werdende Mittelklasse heraus. Gerade die bevölkerungsreichen Länder im Sahel und im Horn von Afrika zählen entsprechend zu den Absatzmärkten mit grossem Potenzial für die Zukunft. Die zunehmende Diversifizierung der eigenen Wirtschaft, wie sie beispielsweise Kenia und Äthiopien immer mehr gelingt, zeigt ausserdem, dass sich auch Staaten im Sahel, der Tschadseeregion und im Horn von Afrika unter bestimmten Voraussetzungen vermehrt von ihrer Rohstoffabhängigkeit lösen könnten.

2.3

Grundzüge des Schweizer Engagements

Eine wichtige Voraussetzung für ein wirksames Engagement der Schweiz für Frieden und nachhaltige Entwicklung ist die Präsenz vor Ort. Das breite und global ausgerichtete Aussennetz der Schweiz ist auch in diesem Fall eine Stärke unseres Landes. Die Schweiz ist derzeit in 25 der 34 Staaten im südlichen Umfeld Europas mit Botschaften oder Kooperations- respektive Programmbüros der DEZA präsent.

In zwei weiteren Staaten, Syrien und Libyen, wurde die Botschaft vorübergehend geschlossen. Bei 8 der aktuell 19 Botschaften handelt es sich um integrierte Botschaften, in denen gemäss dem Grundsatz «Eine Schweiz ­ eine Aussenpolitik ­ eine Vertretung» die diversen aussenpolitischen Handlungsfelder, wie Interessenvertretung, internationale Zusammenarbeit, konsularische Aufgaben und Businesshub unter einem Dach vereint sind. Die Schweiz engagiert sich stark im politischen Dialog mit den Partnerländern vor Ort sowie mit anderen Staaten, die in der Region eine bedeutende Rolle spielen. Dies wird durch regelmässige politische Konsultationen zwischen den Hauptstädten sowie thematische Partnerschaften ergänzt. Der Vorgabe der Aussenpolitischen Strategie des Bundesrats entsprechend bemüht sich die Schweiz aber auch, ihre Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen zu intensi1277

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vieren, so unter anderem mit der Arabischen Liga, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, der Ostafrikanischen Gemeinschaft, der Afrikanischen Union sowie der «Intergovernmental Authority on Development» im Horn von Afrika.

Eine weitere Eigenschaft ist die Glaubwürdigkeit, welche die Schweiz als Förderin von Frieden und nachhaltiger Entwicklung bei vielen Partnern im südlichen Umfeld Europas geniesst. Diese Glaubwürdigkeit hängt mit der langfristig ausgerichteten und breiten Präsenz vor Ort zusammen, die es ermöglicht, lokale und regionale Netzwerke und Vertrauen aufzubauen. Aber auch weitere Faktoren spielen eine wichtige Rolle, wie die Neutralität der Schweiz, ihre nichtkoloniale Vergangenheit und ihre über Jahrzehnte erarbeitete Sachkompetenz in der Friedensförderung und der Entwicklungszusammenarbeit. Die Schweiz wird als eine Akteurin ohne versteckte Agenda wahrgenommen.

Ein wichtiger Grundsatz des Schweizer Engagements betrifft die koordinierte Verwendung der Instrumente und deren Ausrichtung auf gemeinsame strategische Ziele.

Dieser Kernvorgabe der Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 kommt im südlichen Krisenbogen angesichts der Komplexität und Multidimensionalität der dortigen Herausforderungen entscheidende Bedeutung zu. Die Umsetzung dieser Kernvorgabe erfolgt in auf einzelne Länder oder Regionen ausgerichteten Kooperationsstrategien. Diese Strategien beziehen soweit möglich und zweckmässig alle in einem konkreten Kontext engagierten Akteure der Schweizer Aussenpolitik ein. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis der Herausforderungen zu entwickeln und gemeinsam Felder zu identifizieren, in denen die Schweiz einen Mehrwert erbringen kann. Kooperationsstrategien legen für alle involvierten Akteure gemeinsame strategische Prioritäten fest und tragen dazu bei, dass die jeweiligen Aktivitäten koordiniert implementiert werden. In Bezug auf die hier besprochene Region wird der «Whole of Government»-Ansatz (WoGA) in elf geografisch definierten Kooperationsstrategien13 angestrebt und zum Teil auch schon umgesetzt. So arbeiten im Horn von Afrika DEZA, die Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS), das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und SEM im Rahmen einer gemeinsamen Strategie zusammen.

Zu den hauptsächlichen
Akteuren in der südlichen Nachbarschaft Europas zählen die DEZA (Humanitäre Hilfe, bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, Globalprogramme), die Politische Direktion im EDA (Abteilung Menschliche Sicherheit, geografische Abteilungen), das Staatssekretariat für Wirtschaft (Wirtschaftshilfe) und das Staatssekretariat für Migration (Internationale Migrationszusammenarbeit).

Im Sinne des WoGA beteiligen sich auch andere relevante Verwaltungsstellen an Kooperationsstrategien, beispielsweise das VBS. Die enge Zusammenarbeit innerhalb des EDA und zwischen den Departementen soll zu einer kohärenten Politik beitragen. Sie ermöglicht die Bündelung von Ressourcen und erhöht die Effizienz und Wirksamkeit des Engagements. Sie soll auch helfen, Zielkonflikte in der schweizerischen Politik zu lösen. So muss beispielsweise die Praxis der Kriegsmate13

Nordafrika (Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien); Mittlerer Osten (Irak, Jordanien, Libanon, Syrien, Türkei); Horn von Afrika (Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia); Burkina Faso;Mali; besetztes Palästinensisches Gebiet; Jemen; Niger; Sudan; Südsudan; Tschad.

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rialexporte konsequent im Einklang mit dem humanitären sowie friedens- und menschenrechtspolitischen Engagement der Schweiz stehen. Zudem setzt sich die Schweiz für die Vermeidung des Abflusses illegaler Gelder auf den Schweizer Finanzplatz beziehungsweise für deren Rückgabe ein.

Hinsichtlich der Palette von Instrumenten und Themen spielt die zivile Friedensförderung im Engagement der Schweiz im Krisenbogen eine wichtige Rolle. Im Fokus stehen dabei verschiedene Formen der Guten Dienste der Schweiz. Im Mediationsbereich unterstützt sie etwa die Friedensbemühungen der UNO in Syrien und in Libyen. In beiden Konfliktkontexten führt oder unterstützt sie auch ergänzende, teilweise informelle nationale und lokale Dialoginitiativen. Engagiert ist die Schweiz aber auch vielerorts mit weiterführenden Massnahmen der Konflikttransformation. So unterstützt sie zum Beispiel Versöhnungsprozesse in Mali, im Südsudan und zwischen palästinensischen Gruppierungen. Zudem engagiert sie sich in den hier behandelten und weiteren Regionen für den Schutz religiöser sowie anderer Minderheiten (vergleiche dazu Ziff. 3.3.4, Thematische Schwerpunkte; und 3.4.2, Humanitäre Hilfe). Zu den Guten Diensten gehört auch die Rolle der Schweiz als fazilitierende Gastgeberin von Friedensgesprächen und anderen Verhandlungsprozessen, sei es im internationalen Genf oder an alternativen Standorten wie Lausanne, Montreux oder Magglingen. Konferenzen in der Schweiz zu Krisen im südlichen Umfeld Europas betrafen in den letzten Jahren unter anderem Syrien, Jemen und das iranische Nuklearprogramm. Auch als Schutzmacht leistet die Schweiz Gute Dienste. So vertritt sie seit 1979 die Interessen des Iran in Ägypten und seit 1980 die Interessen der USA im Iran. Im Februar 2016 stimmten der Iran und Saudi Arabien im Prinzip der gegenseitigen Interessenvertretung durch die Schweiz zu, konnten aber bisher noch keinen Konsens über die Modalitäten dieses Schutzmachtmandates erzielen. Im Übrigen will die Schweiz insbesondere im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika zu mehr kooperativer Sicherheit und regionaler Zusammenarbeit beitragen. Dabei geht es darum, geeignete thematische Einstiegspunkte und Formate zu identifizieren, respektive konkrete Initiativen von betroffenen Staaten zu unterstützen. Neben ihrer verstärkten Zusammenarbeit mit
Regionalorganisationen ist die Schweiz deshalb bestrebt, bilaterale Kontakte in der Region vermehrt auch auf Akteure der Sicherheitspolitik auszuweiten.

Von besonderer Bedeutung für die Region ist das Engagement für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Demokratie. In diesem Bereich und in Fragen wie inklusiver lokaler Gouvernanz verfügt die Schweiz über viel Erfahrung. Sie setzt sich für die Transformation fragiler Staaten in resiliente Staaten ein, stärkt staatliche Strukturen und fördert verantwortungsvolle Regierungsführung. Ihre Programme dienen der Stärkung lokaler Strukturen und deren besserer Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Bevölkerung. Diese erhält dadurch besseren Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und effektiveren Schutz vor Menschenrechtsverletzungen. Die Unterstützung bei der Ausgestaltung föderalistischer Strukturen, beispielsweise in Somalia, kann vielen Staaten in der Region Perspektiven eröffnen, um trotz ethnisch, religiös oder regional fragmentierter Gesellschaften eine Grundlage für eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Ebenfalls bringt die Schweiz ihre Expertise zu Machtteilung ein, so beispielsweise in Mali und Burkina Faso, wo sie die jeweiligen Regierungen bei der geplanten Dezentralisierung unterstützt.

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Die Förderung der Menschenrechte ist ein weiterer wichtiger Bereich des Engagements der Schweiz im südlichen Umfeld Europas. Auf der Basis der Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­2019 setzt die Schweiz auf bi- und multilaterale Instrumente, politische Konsultationen, Initiativen mit relevanten Akteuren in der Region sowie Entwicklungsprogramme zur Förderung der Menschenrechte auf lokaler und nationaler Ebene. Sie macht im Menschenrechtsrat öffentlich auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam ­ ungefähr vierzig Prozent der von der Schweiz 2016 erwähnten Staaten stammen aus dem thematisierten südlichen Umfeld Europas. Gleichzeitig setzt sie sich für die Etablierung internationaler Mechanismen zur unabhängigen Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und der Bekämpfung von Straflosigkeit ein, etwa die Untersuchungskommission für Syrien. Das politische Engagement wird durch Programme gestärkt, welche die Menschen dazu befähigen, ihre Rechte wahrzunehmen und einzufordern, die Zivilgesellschaft im Einsatz für Menschenrechte stärken und staatliche sowie nicht-staatliche Institutionen bei der Achtung, dem Schutz und der Gewährleistung von Menschenrechten helfen. So unterstützt die Schweiz zum Beispiel ein regionales Projekt der NGO «Association pour la prévention de la torture» in Nordafrika, das insbesondere Marokko und Tunesien dabei helfen soll, die kürzlich eingegangenen internationalen Verpflichtungen in Bezug auf die Verhütung von Folter nach der Unterzeichnung des Fakultativprotokolls zur UNO-Anti-Folterkonvention umzusetzen.

Menschenrechtsfragen werden zudem in allen bilateralen Dialogen mit den in diesem Kapitel besprochenen Ländern diskutiert. Die Schweiz führt ausserdem mit vier dieser Staaten (Senegal, Nigeria, Iran und Bahrain) regelmässig spezifische Dialoge oder Konsultationen zu den Menschenrechten, so auch im Berichtsjahr. Die Schweizer Initiative zur Stärkung der Konfliktprävention durch einen systematischeren Einbezug der Menschenrechtsthematik und durch eine stärkere Zusammenarbeit des UNO-Sicherheitsrats in New York mit dem Menschenrechtsrat in Genf (Apell vom 13. Juni) wurde bis Ende 2016 von insgesamt siebzig Staaten unterstützt. Mit Nigeria gehört nur ein einziges der hier behandelten 34 Länder dazu.

Im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit engagiert sich die Schweiz im
südlichen Umfeld Europas umfassend, wobei die Prioritäten je nach Region und Land variieren (vgl. Ziff. 2.4). Der Anteil der Ausgaben der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit für Afrika und den Nahen Osten soll in den kommenden vier Jahren von 50 Prozent auf 55 Prozent erhöht werden. Zu den geografischen Prioritäten in der thematisierten Region zählen dabei Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad sowie die Regionen «Horn von Afrika» und «Nordafrika und Naher Osten». Ein wichtiger thematischer Fokus ist die Schaffung sozio-ökonomischer Perspektiven.

Die Reduktion von Armut und die Verbesserung von Lebensbedingungen sind Voraussetzungen für langfristige Sicherheit und Stabilität. Im Vordergrund stehen Massnahmen im Bereich des (dualen) Bildungssystems und die Förderung eines Wirtschaftswachstums, das allen zugutekommt ­ insbesondere durch mehr und qualitativ bessere Arbeitsplätze sowie günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

Weitere wichtige Themen sind zum Beispiel die Verbesserung der Trinkwasserversorgung in Westafrika und Nordafrika (Tunesien) sowie die Stärkung der Resilienz gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, wobei diesbezüglich ­ wie auch in den Bereichen Ernährungssicherheit und Migration ­ die DEZA-Globalprogramme ebenfalls wichtige Beiträge leisten.

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Für die Humanitäre Hilfe der Schweiz stellt der Krisenbogen zwischen Syrien und Sahel eine Schwerpunkregion dar. Insgesamt flossen 2016 rund zwei Drittel der kontextspezifischen Gelder in diese Gebiete. Im Fokus standen dabei Syrien und seine Nachbarstaaten. Mit über 250 Millionen Franken seit 2011 handelt es sich hierbei um die umfangreichste humanitäre Hilfsaktion der Schweiz Hilfe leistet die Schweiz aber auch im Horn von Afrika, im benachbarten Jemen und in der Region um den Tschadsee. Der Fokus liegt dabei auf einer Stärkung der Kapazitäten der wichtigsten humanitären Organisationen, wie dem IKRK, dem Welternährungsprogramm (WFP) und dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Wo es die Sicherheitslage zulässt, führt die Schweiz auch Direktaktionen durch (vgl. Ziff.

2.4). Angesichts der grossen humanitären Bedürfnisse und des zunehmend schwierigen Umfelds konzentrierte sich die Hilfe 2016 noch stärker auf die Nothilfe, das heisst auf den Schutz und die Versorgung der am meisten betroffenen Bevölkerung mit dem Nötigsten. Gerade in länger dauernden bewaffneten Konflikten ist es aber entscheidend, gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der Menschen zu fördern und mittelfristige Perspektiven zu entwickeln. Im Horn von Afrika, in der Sahelregion und zunehmend auch im Syrienkontext setzt die Schweiz die Instrumente der Humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit gleichzeitig und komplementär ein. Grosse Bedeutung misst die Schweiz auch der humanitären Politik bei. Der Schutz der Zivilbevölkerung und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sind Kernanliegen der Schweizer Aussenpolitik. Als Reaktion auf die Häufung von Angriffen auf Spitäler und Schulen, etwa in Syrien und im Jemen, hat das EDA in Erinnerung gerufen, dass es sich dabei um schwerwiegende Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht handelt und dass die Konfliktparteien verpflichtet sind, Massnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen. Die Schweiz setzt sich zudem für humanitären Zugang und den Schutz humanitärer Helfer ein, wobei auch hier die Herausforderungen im Syrienkrieg besonders gross sind.

Auch bei drei Querschnittsthemen, die in den letzten Jahren im Rahmen der Schweizer Aussenpolitik an Bedeutung gewonnen haben und in diesem Bericht unter Ziffer 3.3.7 vertieft werden, spielt die Region südlich von
Europa eine massgebliche Rolle.

Das betrifft erstens den Bereich Flucht und Migration. Einerseits setzt sich die Schweiz im Rahmen ihrer Migrationsaussenpolitik und im engen Zusammenspiel aller Instrumente dafür ein, dass Antworten auf Zwangsvertreibung vor Ort gefunden werden. Dazu gehört neben dem Schutz und der Unterstützung der Vertriebenen auch die Schaffung längerfristiger Perspektiven für diese Menschen, etwa durch Berufsbildung wie in Kenia oder die Renovation von Schulen in Jordanien und im Libanon. Ebenfalls zu diesen Massnahmen vor Ort gehören die Unterstützung der lokalen Bevölkerung und die Bekämpfung der Fluchtursachen. Geografisch liegt der Schwerpunkt dieses Engagements in Nahost und Nordafrika sowie im Horn von Afrika. Andererseits verknüpft die Schweiz im Sinne des Bundesbeschlusses vom 26. September 2016 über die Weiterführung der Finanzierung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit in den Jahren 2017­202014 ­ wo sinnvoll ­ die internationale Zusammenarbeit und die Migrationspolitik strategisch und treibt den Abschluss von Abkommen und Partnerschaften im Migrationsbereich voran. Mit 62 Rückübernahmeabkommen gehört die Schweiz zu den Län14

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dern, die weltweit am meisten solcher Verträge geschlossen haben, und sie will dieses Spektrum künftig noch erweitern. 2016 schloss die Schweiz ein Rückübernahmeabkommen mit Kuwait ab und finalisierte am 13. Dezember 2016 die Verhandlungen mit der Türkei hinsichtlich eines solchen Abkommens. Nach der Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens mit der Türkei wird diese das Inkrafttreten allerdings von der Visaliberalisierung durch die EU zugunsten türkischer Bürger und Bürgerinnen abhängig machen. Im Berichtsjahr wurden ausserdem erste Sondierungsgespräche für ein Migrationsabkommen mit Mali aufgenommen.

Das zweite Querschnittsthema betrifft das Engagement der Schweiz für die Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE). Der Bundesrat erachtet PVE als einen zentralen Bestandteil des Engagements gegen den Terrorismus, wobei geografisch der südliche Krisenbogen aufgrund der aktuellen Lage im Fokus steht. PVE umfasst Aspekte wie Friedenspolitik, Entwicklung, Menschenrechte, gute Regierungsführung und einen funktionierenden Rechtsstaat. Der im April 2016 verabschiedete aussenpolitische Aktionsplan der Schweiz zu PVE berücksichtigt Schlüsselelemente wie Differenzen auf lokaler Ebene, fehlende politische Teilnahme, sozioökonomische Herausforderungen und die besondere Bedeutung von Jugendlichen und Frauen im PVE-Engagement. Die Umsetzung dieses Aktionsplans im südlichen Umfeld Europas ist im Gang. Beispielsweise unterstützt die Schweiz in Tunesien, Libyen, Niger, Nigeria und im Libanon entsprechende Initiativen der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig versucht sie, über die Förderung von Dialogforen dem gewalttätigen Extremismus den Boden zu entziehen. PVE hat sich auch als fester Bestandteil der Gesprächsagenda in den bilateralen Konsultationen mit Staaten aus den entsprechenden Regionen etabliert.

Ein zentrales Anwendungsgebiet ist der südliche Krisenbogen schliesslich auch im dritten prioritären Thema an der Schnittstelle von Frieden und Entwicklung, nämlich in der Prävention und Lösung von Wasserkonflikten. Auf der Basis der EDAAktionslinien zu Wasser und Sicherheit engagieren sich die DEZA und die AMS insbesondere im Nahen Osten im Rahmen der «Blue Peace Middle East Initiative».

Frieden und eine nachhaltige und kooperative Bewirtschaftung der Wasserreserven sind eng miteinander verbunden. Die Schweiz
setzt sich dafür ein, dass Wasser statt einer Konfliktursache ein Treiber von Kooperation und Frieden ist. Sie fördert im Nahen Osten einen diesbezüglichen Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Wassersektor und trägt mit technischer Unterstützung zur Entwicklung neuer Methoden und Regeln bei, die einvernehmliche Lösungen im Zusammenhang mit Wasser begünstigen. Zudem tauscht sich die Schweiz auf globaler Ebene regelmässig mit Ländern des südlichen Umfelds Europas, insbesondere Senegal und Jordanien, aus, um die komplexen Wasserkreisläufe in der Region besser zu verstehen und zur Prävention potenzieller Konflikte beitragen zu können.

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2.4

Schwerpunkte der Schweiz in den verschiedenen Regionen

2.4.1

Naher und Mittlerer Osten

Im Zentrum der Schweizer Bemühungen im Nahen und Mittleren Osten stand in den letzten Jahren die Syrienkrise, wobei das Engagement auf drei Pfeilern basiert: Unterstützung der Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts, Einsatz für den Kampf gegen die Straflosigkeit sowie die Förderung und Einhaltung des humanitären Völkerrechts, und schliesslich die Erbringung von humanitärer Hilfe und Förderung der Resilienz für die notleidende Bevölkerung. Ein Schwerpunkt auf der Suche nach einer politischen Lösung in Syrien bildet die Förderung von Dialog ­ zwischen Konfliktparteien, der Zivilgesellschaft und humanitären Akteuren. Die Schweiz unterstützt den offiziellen Dialogprozess der UNO unter Leitung des Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, indem sie seinem Büro Expertinnen und Experten sowie Beraterinnen und Berater zur Verfügung stellt und ihre Dienstleistungen als Gaststaat anbietet. Gesprächsrunden der «Intra-Syrian Talks» in Genf fanden 2016 vom 29. Januar bis 3. Februar, vom 14. bis 24. März und vom 13. April an für zwei Wochen statt. Seither sind die formellen intra-syrischen Gespräche unterbrochen, internationale Gespräche finden aber weiterhin statt. Die USA und Russland trafen sich regelmässig in der Schweiz, um über den Syrienkonflikt zu beraten. An der Syrienkonferenz in Lausanne im Oktober nahmen auch zahlreiche Regionalmächte teil. In einem Brief an den UNO-Generalsekretär hat der EDADepartementsvorsteher Ende Jahr die Bereitschaft der Schweiz bekräftigt, für die UNO-Friedensbemühungen weiterhin Mediationsunterstützung zur Verfügung zu stellen. Dies steht auch im Zusammenhang mit der am 19. Dezember verabschiedeten Resolution 2328 des UN-Sicherheitsrats zur Situation in Aleppo und der Einrichtung eines Beobachtungsmechanismus. Inwieweit dieser Konsensentscheid, die einige Tage später von Russland und der Türkei vermittelte Waffenruhe sowie die Unterstützung dieser Waffenruhe durch den Sicherheitsrat einen Wendepunkt hin zu einem tragfähigen politischen Prozess darstellen, bleibt abzuwarten. Die Schweiz wird sich weiterhin für einen politischen Friedensprozess unter Einbezug der UNO einsetzen.

Sehr stark engagiert sich die Schweiz im Bereich der inoffiziellen Dialogförderung, die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilbevölkerung, religiöse Würdenträger oder Wissenschaftler
mit Verbindungen zu den unterschiedlichen Konfliktparteien zusammenbringt. Die Schweiz unterstützt und organisiert zahlreiche Konferenzen, Workshops und Treffen in der Schweiz wie auch im Ausland. Häufig werden im Rahmen solcher inoffizieller Plattformen Ideen entwickelt und getestet, die anschliessend in den offiziellen Gesprächen aufgenommen werden. Ein Beispiel einer solchen Initiative, die vom EDA massgeblich vorangetrieben wurde, ist die Schaffung eines «Civil Society Support Room», der eine Vielzahl von syrischen Organisationen der Zivilgesellschaft zusammenbringt und in Kontakt mit dem UNOSondergesandten setzt. Die Schweiz engagiert sich auch im Bereich des humanitären Dialogs. Als Resultat der trilateralen humanitären Gespräche zwischen der Schweiz, dem Iran und Syrien, die 2013 begannen, schufen die Schweiz und Syrien eine bilaterale technische Arbeitsgruppe. Regelmässig treffen sich Delegationen dieser Länder, um Themen wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von humanitären 1283

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Akteuren in Syrien oder die Akkreditierung von internationalen NGO zu diskutieren.

Die Konditionen für internationales humanitäres Personal in Syrien haben sich unter anderem dank diesem Dialog verbessert. Dieser technische humanitäre Kommunikationskanal stellt einen Mehrwert dar, der von der humanitären Gemeinschaft geschätzt wird.

Die Schweiz setzt sich in einem zweiten Schwerpunkt für die Förderung und Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein. Sie steht über ihre Partner wie beispielsweise «Geneva Call» im Dialog mit bewaffneten Gruppen, damit diese das humanitäre Völkerrecht kennen und in ihren Verhaltenskodex aufnehmen. Zudem unterstützt sie lokale Initiativen, die Verletzungen des humanitären Völkerrechtes dokumentieren, um sicherzustellen, dass die Verbrechen längerfristig nicht ungeahndet bleiben. Um die Arbeit dieser lokalen Organisationen weiter zu unterstützten, fördert die Schweiz deren Vernetzung im Rahmen der «Transitional Justice Coordination Group». Die Schweiz engagiert sich auch im multilateralen Rahmen für die Einhaltung des internationalen Völkerrechts und den Kampf gegen die Straflosigkeit mit Mittleren Osten. So hat sie zum Beispiel Ende Dezember eine Resolution in der UNOGeneralversammlung unterstützt, die einen unabhängigen Untersuchungsmechanismus für Völkerrechtsvergehen in Syrien schafft.

Der dritte Schwerpunkt ist die humanitäre Hilfe und die Förderung der Resilienz.

Die Schweiz hat seit Ausbruch der Krise Anfang 2011 über 250 Millionen Franken für die Opfer der Syrienkrise bereitgestellt. Mit den Mitteln soll insbesondere die Versorgung von betroffenen Menschen in Syrien und von Flüchtlingen in den Erstaufnahmestaaten in der Region verbessert werden. Die Schweiz leistet Beiträge an humanitäre Partnerorganisationen, entsendet Fachkräfte des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) und führt Direktaktionen durch. Beispielsweise hat die Schweiz dem Syrischen Roten Halbmond Ambulanzen zur Verfügung gestellt, damit ein professioneller Rettungsdienst aufrechterhalten werden kann. Einige dieser Fahrzeuge kamen Ende Jahr auch in der Evakuierung der Menschen aus Aleppo zum Einsatz.

Zur Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit unterstützt die Schweiz beispielsweise ein Projekt von UNDP, das Menschen in Syrien dabei hilft, neue Einkommensquellen zu
erschliessen. Es sieht finanzielle Unterstützung für Mikrounternehmen und Bauern sowie Ausbildungen für Handwerker vor. Im November reisten zwei SKH-Experten nach Nordirak, um für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) zwei Einheiten zur Verteilung von Trinkwasser für insgesamt etwa 150 000 Vertriebene infolge des Angriffs auf die Stadt Mosul in Empfang zu nehmen und an den lokalen Partner zu übergeben. In Gebieten, in denen es die Sicherheit zulässt, kann die Schweiz auch hier mit direkten Aktionen ­ ausgeführt durch Fachleute des SKH ­ tätig sein. Von der Sanierung von Schulen in Jordanien und im Nordlibanon konnten bis anhin insgesamt mehr als 87 000 lokale Kinder aus Jordanien oder Libanon sowie Flüchtlingskinder aus Syrien in 138 Schulen profitieren. Auch hat die Schweiz die Wasserversorgung in Gebieten verbessert, die besonders viele Flüchtlinge beherbergen. In einem neuen Start-up- und Ausbildungsprogramm der DEZA im Wassersektor werden in Jordanien und im Libanon Arbeitsplätze für syrische Flüchtlinge geschaffen, Fachkräfte ausgebildet und unternehmerische Lösungen für die Wasserproblematik gefördert.

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Die Schweiz erhöht ihr Engagement für die humanitäre Hilfe und ihr Engagement zur Stärkung der Resilienz im Syrienkontext für 2017 auf 66 Millionen Franken.

Dabei will sie mehr Nothilfe für die Menschen in allen Landesteilen Syriens leisten.

In Jordanien und im Libanon wird die Humanitäre Hilfe zudem neben der Nothilfe noch mehr tun, um die Lebensperspektiven von Flüchtlingen zu verbessern. In beiden Ländern wird die Schweiz ihre Entwicklungszusammenarbeit ausbauen ­ mit den Schwerpunkten bessere nationale Ausbildungssysteme, bessere Wasserversorgung und mehr Arbeitsplätze, für Flüchtlinge wie Einheimische. Zudem beabsichtigt das EDA 2017 in Damaskus ein humanitäres Büro zu eröffnen. Damit kann die Schweiz auch vor Ort dazu beitragen, dass ihre Hilfe bestmöglich eingesetzt wird.

Gleichzeitig will die Schweiz mit diesem Büro als glaubwürdige Akteurin humanitäre Organisationen in ihrer Arbeit unterstützen und sich in die Bemühungen um Zugang zu möglichst vielen Hilfsbedürftigen einbringen.

Die Kooperationsstrategie Mittlerer Osten (Syrien, Libanon, Irak und Jordanien) 2015­2018 setzt die Schwerpunkte Grundbedürfnisse und Grundversorgung, Schutz der Zivilbevölkerung und Wasser. Sie wird getragen und umgesetzt von der DEZA, AMS und dem SEM. Sie ist die Grundlage für das Schweizer Engagement in der Syrienkrise.

Die Bewältigung der Flüchtlingssituation und die Ermöglichung eines Verbleibs von Flüchtlingen in den Gaststaaten in der Nähe ihrer Herkunftsorte gehört zu den Schwerpunkten des Schweizer Engagements im Nahen und Mittleren Osten. Neben der humanitären Hilfe und der Förderung der Resilienz unterstützt die Schweiz über Projekte des UNHCR und von NGO Aufnahmeländer bei der Registration und Dokumentation der Flüchtlinge, die ein Einfordern der Rechte erst ermöglicht.

Gleichzeitig unterstützt sie beispielsweise im Libanon ein Projekt, das Ausbildungsmassnahmen zugunsten der Grenzschutzbehörden im korrekten Umgang mit Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen vorsieht, oder sie finanziert beim Büro des UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR) im Libanon eine Stelle mit dem Ziel, zur besseren Einhaltung der Menschenrechte von syrischen Flüchtlingen beizutragen. Zudem unterstützt sie die türkischen Behörden bei der Erarbeitung einer nationalen Integrationspolitik für Flüchtlinge. Der
Bundesrat will aber nicht nur das Engagement der Schweiz vor Ort verstärken. So hat sich die Schweiz bereit erklärt, ihr Resettlementprogramm auf Flüchtlinge aus der Krisenregion auszurichten und Familienangehörigen von in der Schweiz lebenden syrischen Staatsangehörigen humanitäre Visa zu erteilen. Seit Ausbruch der Syrienkrise wurden rund 1500 Personen über dieses Programm aufgenommen und rund 5000 humanitäre Visa erteilt. Der Bundesrat entschied ausserdem am 9. Dezember, dass die Schweiz 2017/18 weitere 2000 besonders verletzliche Menschen aufnimmt, die vom UNHCR bereits als Flüchtlinge anerkannt sind. Hinzu kommt die Situation der Palästina-Flüchtlinge, die sich unter anderem infolge des Syrienkonfliktes merklich verschlechtert hat. Die Schweiz unterstützt das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) mit jährlich rund zwanzig Millionen Franken. Mit Pierre Krähenbühl agiert ein Schweizer als Generalkommissar der UNRWA. Zudem präsidiert die Schweiz seit diesem Sommer die beratende Kommission der UNRWA. Sie kann dadurch die Förderung von notwendigen strukturellen Reformen in diesem Hilfswerk direkt mitgestalten und gleichzeitig einen Beitrag

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leisten, um Lösungen für die massive Unterfinanzierung der Organisation zu identifizieren.

Im PVE-Bereich setzt sich die Schweiz im Libanon dafür ein, dass sich die Antwort auf das Phänomen des gewalttätigen Extremismus nicht auf repressive und reaktive Massnahmen beschränkt, sondern dass auch die zugrundeliegenden Ursachen angegangen werden. Aufgrund der Schweizer Expertise und ihres bisherigen Engagements zu PVE hat die UNO-Sonderbeauftragte für Libanon, Sigrid Kaag, die Schweiz angefragt, bei der Entwicklung eines «All-of-UN-Approach to PVE» im Libanon beratend mitzuwirken. Ziel ist es, den PVE-Aktionsplan des UNO-Generalsekretärs länderspezifisch umzusetzen. Daneben setzt die Schweiz in der gesamten Region eine Vielzahl von Projekten im Bereich der Dialogförderung, der Menschenrechte und der Stärkung des Rechtsstaats um. So unterstützt sie etwa den Dialog zwischen alteingesessenen und zugewanderten syrischen Gemeinschaften, um das Ausbrechen von offenen Konflikten zu vermeiden.

Der Konflikt in Israel und das besetzte palästinensische Gebiet (b.p.G.) ist bei Weitem der am längsten währende Konflikt in dieser Region. So wird die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete 2017 ihren fünfzigsten Jahrestag erreichen.

Klar ist, dass eine nachhaltige Lösung der Krise einen positiven Einfluss auf andere Konflikte in der Region hätte. Die Schweiz leistet einerseits einen Beitrag zur Friedensförderung zwischen Israel und dem b.p.G. So hat sie beispielsweise die französische Friedensinitiative unterstützt und sich an den entsprechenden Arbeiten beteiligt. Andererseits engagiert sie sich auch im innerpalästinensischen Konflikt für die Überwindung der Spaltung zwischen den palästinensischen Fraktionen, ohne die eine tragfähige Zweistaatenlösung nicht realisierbar ist.

Eine aussichtsreiche Wiederaufnahme des blockierten Nahostfriedensprozesses bedingt zwingend eine verbesserte Beachtung des Völkerrechts durch alle Konfliktparteien. Die Kooperationsstrategie für das b.p.G. konzentriert sich auf die Förderung des Völkerrechts, der Menschenrechte und des Schutzes der Zivilbevölkerung sowie auf verbesserte Dienstleistungen durch Stärkung lokaler Strukturen und auf die agro-wirtschaftliche Entwicklung. Getragen und umgesetzt wird diese Strategie von der DEZA und der Politischen Direktion des EDA,
namentlich der AMS sowie der zuständigen Regionalkoordination.

Die Schweiz engagiert sich zum Beispiel für die Stärkung der «Palestinian Independent Commission for Human Rights» (ICHR). Diese unabhängige Menschenrechtskommission setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte durch die Autonomiebehörde ein und besucht unter anderem palästinensische Gefängnisse. In diesem Zusammenhang hat die Schweiz auch die Gründung des «Press House» in Gaza ermöglicht, das sich inzwischen als Ausbildungs- und Arbeitszentrum für unabhängige Journalistinnen und Journalisten sowie als unabhängiger Wächter der Pressefreiheit in Gaza etabliert hat. Weiter fördert die Schweiz den Schutz von Menschenrechtsverteidigern und ihren Angehörigen. Sie setzt unter anderem ein Projekt um, das in Israel wie auch im b.p.G. Menschenrechtsverteidigern Rechtsschutz in Arrestund Haftsituationen gewährt. Solche Aktivitäten vor Ort sind gepaart mit einer konsequenten Demarchenpolitik bei Völkerrechtsverletzungen, wie auch mit Stellungnahmen in multilateralen Gremien, etwa dem UNO-Menschenrechtsrat. So

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kritisiert die offizielle Schweiz regelmässig Verstösse gegen das Völkerrecht, etwa im Zusammenhang mit dem israelischen Siedlungsbau im Westjordanland.

Im Bereich Schutz der Zivilbevölkerung leistet die Schweiz humanitäre Hilfe für die vulnerable Bevölkerung in Gaza und der Westbank. Sie fokussiert dabei im Besonderen auf die zwei Millionen Palästinaflüchtlinge, die nach wie vor im b.p.G. leben, vierzig Prozent davon in Flüchtlingslagern. Zur Stärkung der Lokalbehörden unterstützt die Schweiz Dorfgemeinschaften, die sich für Transparenz einsetzen. Dorfgemeinschaften werden auch bei der Konstruktion von Infrastruktur, beispielsweise Kindergärten, Schulen oder Strassen, involviert. Im Bereich der agro-wirtschaftlichen Entwicklung leistet die Schweiz einen Beitrag, um den Marktzugang für Bauern zu stärken. Sie arbeitet dafür mit Landwirtschaftsbetrieben und dem Privatsektor sowie dem Landwirtschaftsministerium zusammen. So hat die Schweiz beispielsweise gemeinsam mit der Regierung und den Produzenten an der nationalen Strategie für die Olivenproduktion gearbeitet.

Die Kooperationsstrategie Jemen konzentriert sich auf die beiden Schwerpunkte Schutz der Zivilbevölkerung und Wasser. Die Lage für die Menschen im Jemen hat sich dramatisch verschärft, mittlerweile sind 21,2 Millionen Menschen und damit achtzig Prozent der Bevölkerung von humanitärer Hilfe abhängig. Die Schweiz erbringt humanitäre Hilfe und setzt sich für die Förderung und Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein. Insgesamt hat die Schweiz in den vergangenen fünf Jahren über 39 Millionen Franken für den Jemen bereitgestellt. Sie unterstützt zudem die Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts und hat dem Büro des UNO-Sondergesandten für Jemen, Ismail Ould Cheikh Ahmed, einen Berater zur Verfügung gestellt. Während die Schweiz 2015 im Rahmen der Friedensgespräche in Magglingen Gaststaat war, hat sie bei der Vorbereitung der Fortsetzung dieser Gespräche in Kuwait Fazilitationsunterstützung geleistet.

Die Golfregion wird gemeinhin nicht zum südlichen Krisenbogen gezählt. Die Golfmonarchien sind durch relative innere Stabilität und hohen Wohlstand gekennzeichnet. Aufgrund der jahrzehntealten regionalen Spannungen, der wachsenden Polarisierung insbesondere zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sowie der in einigen Ländern unbefriedigenden
Menschenrechtssituation ist aber auch die Golfregion mit grossen Herausforderungen im Bereich von Frieden und Sicherheit konfrontiert. Diese strahlen teilweise über die Region hinaus und erschweren auch die Konfliktlösung in Syrien und im Jemen. Mit ihren Guten Diensten versucht die Schweiz, auch in diesem Kontext Brücken zu bauen. Das Schutzmachtmandat für die USA im Iran ist das umfassendste aller aktuellen Schweizer Mandate im Bereich der Interessenvertretung. Auf der Basis der damit verbundenen besonderen Beziehungen zu den USA und zum Iran, hat die Schweiz etwa die vertraulichen Gespräche in unserem Land fazilitiert, die im Januar in der Freilassung von insgesamt elf iranischen und amerikanischen Personen resultierten. Verhandlungen über die Modalitäten der Schweizer Schutzmachtmandate nach dem Abbruch der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran sind im Gang. Zudem wurden auch entsprechende Abklärungen zwischen Iran und Bahrain durchgeführt. Daneben baut die Schweiz auch ihre Beziehungen zur Arabischen Liga (AL) aus ­ die Akkreditierung des Schweizer Botschafters in Kairo bei der AL muss formell noch vom Ministerrat bestätigt werden. Eine Absichtserklärung (MoU) für die Intensivierung der Zusam1287

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menarbeit mit der AL wurde verhandelt und wird in absehbarer Zeit unterzeichnet.

Weiter ist der Schweizer Botschafter in Saudi-Arabien zusätzlich als Sondergesandter der Schweiz bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) in Djeddah akkreditiert.

Der Nahe und Mittlere Osten ist eine der weltweit am stärksten aufgerüsteten Region und eine Drehscheibe des internationalen Waffenhandels. Insbesondere Massenvernichtungswaffen, ob nuklear, chemisch oder biologisch, geben Anlass zur Sorge.

Der wiederholte Einsatz von Chemiewaffen in Syrien ist in dieser Hinsicht eine besonders beunruhigende Entwicklung und eine Herausforderung für die internationale Sicherheit. Die Schweiz unterstützt deswegen seit Herbst 2011 internationale Bemühungen zur Schaffung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten und beherbergte verschiedene Konsultationstreffen. Ziel ist die Stärkung der Nonproliferationsarchitektur im Allgemeinen und der regionalen Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten im Speziellen. Eine geplante Konferenz mit den wichtigsten Akteuren fand wegen unüberbrückbarer Differenzen zwischen der Arabischen Liga (AL) und Israel nicht statt, was im Mai 2015 zum Scheitern der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags führte. Der Prozess um die Zone ist seither am toten Punkt, die Schweiz wird die Akteure der Region aber weiterhin unterstützen, falls sie sich zu erneuten Gesprächen bereit zeigen sollten.

2.4.2

Nordafrika

Der Bundesrat hatte rasch auf die politischen Ereignisse in Nordafrika reagiert und am 11. März 2011 entschieden, den Transitionsprozess zur Demokratie zu unterstützen. Im Nordafrika-Programm 2011­2016 wurde dieser Entscheid konkretisiert. Die Entwicklung seit den arabischen Revolten und Revolutionen verlief auch in Nordafrika anders als gemeinhin erwartet. Der Transitionsprozess gestaltet sich vielfach schleppend und hat nach wie vor einen ungewissen Ausgang. Teilweise wurde ihm mit restaurativen Gegenmassnahmen begegnet. Im Falle Libyens ist er mit Krieg und Staatszerfall verbunden. Auf Reformkurs, wenn auch mit Schwierigkeiten, befindet sich bisher einzig Tunesien. Aufgrund der langfristig ausgerichteten Zusammenarbeit haben die drei Bereiche des Schweizer Engagements in der Region jedoch nichts an Relevanz eingebüsst, insbesondere in Tunesien und Ägypten, zwei Schwerpunktländern unserer Zusammenarbeit im Rahmen der Nordafrika-Strategie 2017­2020: 1. Unterstützung für die demokratischen Prozesse und Menschenrechte; 2. Inklusive und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung sowie Schaffung von Arbeitsplätzen; 3. Migration und Schutz, namentlich von verwundbaren Personen.

Die künftige Arbeit in der Region wird auf den Ergebnissen und Erfahrungen der vergangenen vier Jahre aufbauen. Eine wichtige Transitionsetappe wurde in Tunesien mit der Durchführung freier und transparenter Parlaments- und Präsidentschaftswahlen Ende 2014 abgeschlossen. Die Schweiz war bei diesem Wahlprozess der wichtigste bilaterale Partner und unterstützte die Ehrencharta der politischen Parteien, die zu einem friedlichen Verlauf der Wahlen beitrug. Sie schulte ausserdem 200 Kandidatinnen und stellte 30 000 Wahlurnen zur Verfügung. Die Schweiz trägt zur demokratischen Transition bei, indem sie die gesetzgeberische und verfassungs1288

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rechtliche Arbeit des Parlaments seit der Verabschiedung einer neuen Verfassung 2014 unterstützt. Ein wichtiges Engagement der Schweiz in Tunesien betrifft weiterhin die Menschenrechte und insbesondere die Bekämpfung von Folter.

Ebenfalls zur Transition beigetragen hat die Schweiz, indem sie den Sender «Radio Tunisienne» unterstützte und damit gewährleistete, dass auch die marginalisierte Bevölkerung unabhängige und verlässliche Informationen erhält. Der Sender deckt das gesamte Staatsgebiet Tunesiens ab und erreicht eine Million neue Hörerinnen und Hörer, namentlich Frauen und Jugendliche. Zu den wichtigsten Ergebnissen im wirtschaftlichen Bereich gehört die Schaffung von über 13 500 Stellen und die Berufsausbildung für 550 Personen, von denen 85 Prozent direkt nach ihrem Abschluss eine Stelle fanden. Das Parlament hat das Konzept des «Fonds Suisse» als Modell zur Förderung des Unternehmergeistes übernommen und beschlossen, dass sich die Regierung mit dreissig Millionen Franken an den Darlehen für Jungunternehmen in den Regionen beteiligt. Mehrere Tausend Haushalte in der am stärksten benachteiligten Region des Landes, dem Gouvernement Kasserine, erhielten erstmals einen Trinkwasseranschluss. Im Februar haben die Schweiz und Tunesien eine Absichtserklärung zur Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE) unterzeichnet. Die Umsetzung dieser Absichtserklärung erfolgt im Rahmen eines politischen und technischen Dialogs mit den tunesischen Behörden sowie durch praktische Zusammenarbeitsprojekte, die das Engagement der Schweiz im Bereich der Bekämpfung der Ursachen des gewalttätigen Extremismus ergänzen und weiterführen.

Im Rahmen der Reformen wurden über 300 langwierige Verfahren in sieben Ministerien vereinfacht oder abgeschafft. Schliesslich wurde die Zusammenarbeit im Migrationsbereich im Rahmen der 2012 unterzeichneten Migrationspartnerschaft beträchtlich intensiviert. 1521 tunesische Staatsangehörige, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehrten, erhielten eine Rückkehrhilfe, mit der 547 Kleinstunternehmen gegründet und 941 Stellen geschaffen wurden. Mehrere Tausend Jugendliche wurden für die Risiken der irregulären Migration sensibilisiert. Mit der Unterstützung der Schweiz konnte der Tunesische Rote Halbmond über 1000 Flüchtlingen, die auf der Überfahrt zwischen Libyen und Italien gerettet
wurden, humanitäre Hilfe leisten. Als sich der libysche Bürgerkrieg 2014 intensivierte, unterstützte die Schweiz die tunesische Regierung bei der Vorbereitung eines Dispositivs, das im Fall einer Massenflucht aus Libyen in Kraft treten sollte.

Bei mehreren hochrangigen Treffen mit Tunesien, unter anderem beim Staatsbesuch und beim offiziellen Arbeitsbesuch des EDA-Vorstehers in Tunis, konnten 2016 Fortschritte in verschiedenen Dossiers erzielt werden. Die Schweiz begrüsste die Absicht Tunesiens, die Demokratisierung und die Reformen voranzutreiben. Gleichzeitig verlangte und erhielt sie die Zusicherung, dass das Land die Verfahren zur Identifikation zurückkehrender tunesischer Staatsangehöriger, die sich illegal im Ausland aufgehalten hatten, verbessern werde und dass die tunesischen Behörden ihre Aktionen und Reformen unter Achtung der Menschenrechte und unter Berücksichtigung des präventiven Aspekts der Terrorismusbekämpfung durchführen würden. Umgesetzt wird dies namentlich mit dem Dialog Schweiz­Tunesien zur PVE, der die Ursachen der Radikalisierung angeht. Priorität im neuen Zusammenarbeitsprogramm hat somit die Schaffung von Perspektiven für Jugendliche. Im Gegenzug 1289

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verpflichten sich die tunesischen Behörden, in ihren Programmen und Tätigkeiten auch diesen präventiven Aspekt zu berücksichtigen. Die Schaffung von Perspektiven wird sich im Übrigen auch vorteilhaft auf die Migration auswirken, da entsprechend weniger arbeitslose Jugendliche auswandern.

In Ägypten hat die Schweiz trotz eines immer schwierigeren Kontexts an ihrer Transformationsagenda festgehalten, wobei sie sich darauf konzentriert, die Schlüsselelemente des Wandels voranzutreiben. Zum Beispiel hat die Schweiz fünfzehn Organisationen unterstützt, welche die Menschenrechte verteidigen. Tausend Gefangene und Folteropfer konnten rechtliche und medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen. Es wurde eine parteiübergreifende Plattform geschaffen und damit beauftragt, den Parlamentsbetrieb zu regeln, ebenso eine Organisation, die in den Universitäten des Landes eine neue Generation von Mediatorinnen und Mediatoren ausbildet. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung konzentriert die Schweiz ihre Aktivitäten auf die Sanierung der Basisinfrastruktur in Städten und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Unterstützung kleiner und mittelgrosser Unternehmen. Im Gouvernement Assuan, einer besonders benachteiligten Region, saniert die Schweiz unter Einbezug der Bevölkerung zwanzig Bewässerungskanäle, die es Tausenden von Landwirten ermöglichen werden, ihre Produktion massiv zu steigern.

Die Schweiz hat drei Mikrofinanzinstitutionen mit insgesamt 435 000 Kundinnen und Kunden und einem ausserordentlichen Portfolio von rund 110 Millionen Franken unterstützt. Schliesslich hat die Schweiz dafür gesorgt, dass 14 400 Migrantinnen und Migranten in Haftzentren Zugang zu medizinischer Grundversorgung erhalten und sich in die einheimische Bevölkerung integrieren können. Die Schweiz hat die Verbesserung der Existenzgrundlage von 40 000 Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten sowie die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für über 5000 Migrantinnen und Migranten unterstützt.

Auch nach der Schliessung der Botschaft in Libyen 2014 bleibt die Schweiz, soweit dies möglich ist, vor Ort präsent, wo sie sich für einen inklusiven, dauerhaften Frieden einsetzt. Die Schweiz unterstützt den UNO-Prozess. In diesem Rahmen fanden mehrere Treffen in Genf statt, die dazu beitrugen, Kontakte zu Akteuren des Konflikts herzustellen,
die am Verhandlungstisch gefehlt hatten, und auf ihre Beteiligung hinzuwirken. Die Schweiz unterstützt auch Projekte für halbformelle und informelle Friedensdialoge. Sie fördert insbesondere lokale Mechanismen zur Konfliktbewältigung und Plattformen für einen Dialog zwischen den Schlüsselakteuren des Konflikts. Die bis im Frühsommer 2014 erfolgreich durchgeführten Aktionen zur humanitären Minenräumung und Sanierung der Konfliktzonen bis Sommer 2014 wurden vorübergehend eingestellt, die Sensibilisierung für die damit zusammenhängenden Risiken wird jedoch fortgesetzt. Einen weiteren Fokus des Schweizer Engagements bildeten die humanitäre Hilfe und der Schutz von Flüchtlingen, Migranten und intern Vertriebenen. Zum Beispiel finanzierte die Schweiz ein Projekt der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mit Rückkehrhilfe für rund 440 inhaftierte Migrantinnen und Migranten, die in ihr Herkunftsland zurückkehren wollten.

Marokko gehört zu den am stärksten von der Klimaänderung betroffenen Ländern, was die Naturrisiken verschärft, denen dieses Land bereits ausgesetzt ist. Angesichts dieser Feststellung hat die Schweiz in den vergangenen zehn Jahren ergänzende 1290

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Projekte zur Risikobewältigung unterstützt, welche Vorbeugung, Vorsorge und Bewältigung verbinden. Zum Beispiel erhielt 2014 ein marokkanisches Rettungsteam nach mehrjähriger Unterstützung durch die Schweiz die Konformitätszertifizierung nach UNO-Standards, was in Afrika eine Premiere war. Diese lange Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Marokko hat dazu beigetragen, dass das Land den strategischen und rechtlichen Rahmen in diesem Bereich schrittweise angepasst hat. Marokko verabschiedete eine integrierte nationale Strategie zur Risikobewältigung, ein wegweisendes Modell für die Region, das die Schweiz fachlich begleitet.

Die Schweiz engagierte sich in Marokko ausserdem bei der Vorbereitung und Umsetzung der COP22, wobei sie einen Fokus auf die Jugend und auf afrikanische Innovationen zur Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels legte. Marokko ist ein Transit- und Immigrationsland für Flüchtlinge und Migranten aus SubsaharaAfrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Die Schweiz hat die marokkanische Regierung bei der Erarbeitung einer Zuwanderungsstrategie unterstützt, die auf den Menschenrechten und dem Asylrecht basiert, und sie ist der wichtigste Geber für den Schutz von Migrantinnen und Migranten, indem sie Hilfe für rund vierzig Prozent der Bedürftigsten erbringt.

In Algerien unterstützt die Schweiz das Welternährungsprogramm (WFP) mit zwei Millionen Franken jährlich zur Unterstützung der Sahraoui-Flüchtlinge in Tindouf.

Ausserdem finanzierte sie ein Projekt der IOM, das es rund 1800 Männern und Frauen aus dem Niger ermöglichte, freiwillig in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

In der Region Zinder (Niger) wurden 120 Gemeinschaftsprojekte durchgeführt, die Einkommen für Rückkehrer und ihre Gemeinschaften schaffen.

Abgesehen von individuellen Besonderheiten sind die Länder Nordafrikas nach wie vor alle mit ähnlichen Herausforderungen und Ursachen der Fragilität konfrontiert.

Eine wichtige Rolle spielen die stagnierende Wirtschaft mit hoher Arbeitslosigkeit insbesondere bei den jungen Erwachsenen, die enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb der einzelnen Länder, grosse Defizite in der Berufs- und Hochschulbildung, das Bevölkerungswachstum und der dadurch steigende Druck auf die Ressourcen oder die Anfälligkeit gegenüber Klimaänderungen.

Vor diesem
Hintergrund beabsichtigt die Schweiz, in den kommenden vier Jahren verstärkt auch einen regionalen Ansatz anzuwenden. Im Zentrum steht dabei die Terrorismusbekämpfung durch PVE, eine umfassendere Zusammenarbeit im Migrationsbereich, die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Region, unter anderem in den Bereichen Wirtschaft und Kultur, sowie die Stärkung der Zivilgesellschaft. Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Förderung der beruflichen und gesellschaftlichen Perspektiven für Jugendliche. Dabei wird auch die neue Strategie 2017­20 departementsübergreifend umgesetzt von der DEZA, der Politischen Direktion des EDA, dem SECO und dem SEM, wobei die migrationsrelevanten Aktivitäten, wo angebracht, mit den Zielen der Schweizerischen Migrationsaussenpolitik koordiniert werden.

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2.4.3

Sahel und Tschadsee

Der Sahel und die Länder um den Tschadsee nehmen in der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz traditionell einen bedeutenden Platz ein. So beläuft sich das jährliche Engagement in Burkina Faso, Mali, Niger und dem Tschad auf über 100 Millionen Franken. Die Schweiz setzt in der Region zudem auf ein kohärentes Zusammenspiel von Entwicklungszusammenarbeit, Friedensförderung und humanitärer Hilfe. Durch die erhöhte Koordination ihrer aussenpolitischen Instrumente werden die unterliegenden Ursachen der Krisen und der Fragilität angegangen und der engen Verflechtung unterschiedlicher Herausforderungen Rechnung getragen.

Das Engagement der Schweiz im Sahel wird ausserdem durch gemeinsame strategische Achsen und einen Koordinationsmechanismus strukturiert, welcher den Austausch zwischen EDA, dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und VBS fördert. Die langjährige Präsenz und dieser integrative Ansatz haben der Schweiz zu einer vertieften Kenntnis des Kontextes und seiner Akteure verholfen.

Die Schweiz wird in der Region als glaubwürdige und respektierte Partnerin wahrgenommen, deren Stimme Gehör findet.

Die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz setzt in Burkina Faso, Mali, Niger und dem Tschad auf strukturelle Reformen, die eine nachhaltige Wirkung auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Länder haben sollen. Die Dezentralisierung, die gute Regierungsführung, die Bildung sowie die Schaffung von guten Voraussetzungen für die Beschäftigung und die Einkommensgenerierung sind dabei zentrale Themen, welche sich im gesamten Engagement der Schweiz in der Region wiederfinden. In Mali betrachtet die Schweiz die gute Regierungsführung etwa als Mittel, um die politische Inklusivität zu erhöhen. Ferner wird dort durch Bildung die Schaffung einer integrativen Gesellschaft begünstigt, die sich den Verlockungen extremistischer Gewalt entziehen kann und einen Beitrag zur Prävention leistet.

Entsprechend unterstützt die Schweiz finanziell 120 Bildungszentren in den vom Konflikt betroffenen Gegenden, die als Teil der Gesamterneuerung des malischen Schulsystems zu betrachten sind. Die Unterstützung der Schafaufzucht in den kargen Gebieten des Landes fördert hingegen eine der wenigen Einkommensquellen für die junge Bevölkerung. Sie trägt auch zur Sicherung dieser weitläufigen
wüstenartigen Landstriche bei, indem sie der ländlichen Bevölkerung eine Möglichkeit bietet, auf ihrem traditionellen Territorium ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Schliesslich unterstützt die Schweiz in Mopti und Timbuktu offizielle Vertreter, die Zivilgesellschaft und traditionelle Autoritäten bei der Verbesserung des Zugangs zur Grundversorgung, welcher der regionalen Entwicklung und der sozialen Kohäsion dienlich ist.

Bildung ist auch in Burkina Faso, Niger und dem Tschad ein wichtiges Element des Schweizer Engagements. In Burkina Faso konnten in den letzten vier Jahren dank Schweizer Unterstützung 2 760 000 Kinder, davon 48 Prozent Mädchen, eingeschult werden oder weiter zur Schule gehen. Das Schweizer Engagement wirkt sich direkt auf die Grundbildung von 31 000 Kindern aus, die Schulmaterial, eine Mensa, ausgebildete Lehrkräfte und besser ausgestattete Schulzimmer erhalten haben. Der EDA-Departementsvorsteher besuchte im März eine dieser Schulen im Rahmen seines Besuches in Burkina Faso. Im Niger konnten fast 20 000 Lehrpersonen und Schulrektoren, davon 30 Prozent Frauen, ihre praktischen Berufskenntnisse verbes1292

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sern. Ausserdem wurden 200 Gemeinschaftszentren mit alternativen Bildungsangeboten geschaffen, die 12 000 Lernende ausbilden. Im Tschad wiederum hat die DEZA 500 Schulen und 200 Alphabetisierungszentren unterstützt. Das ermöglichte den Schulbesuch von 70 000 Kindern (43 % Mädchen) und die Alphabetisierung von 11 000 Erwachsenen (75 % Frauen).

Auch Wasser ist ein wichtiges Thema im Engagement der DEZA in Westafrika ­ 2015 erhielten dort dank den Aktivitäten der Schweiz rund 130 000 Personen Zugang zu Trinkwasser. In gewissen Regionen, namentlich in Burkina Faso, gingen die durch verschmutztes Wasser verursachten Krankheiten um achtzig Prozent zurück.

Im Tschad konnten mehr als 2000 Haushalte in vier Regionen mit rund zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ihr Einkommen während der Trockenzeit steigern, nachdem die Bewässerungsmethoden deutlich verbessert wurden.

Die Friedensförderung der Schweiz verfolgt im Sahel und den Ländern um den Tschadsee Aktivitäten, die sich komplementär zu denjenigen der Entwicklungszusammenarbeit verhalten. In Niger zielt die Unterstützung eines Dialogprozesses an der Grenze zu Libyen etwa darauf ab, den Zusammenhalt zwischen verschiedenen nigrischen Gesellschaften zu stärken, die Ausdehnung des libyschen Konflikts auf Niger zu verhindern und einen Beitrag zur Beilegung der Kampfhandlungen in Südlibyen zu leisten. Ausserdem begleitet die Schweiz in der gesamten Region die Herausbildung einer Kultur, die den Austausch und die Debatte fördert und so den intra-islamischen Zusammenhalt sowie die Akzeptanz zwischen sozialen und religiösen Gruppierungen festigt. Diese Aktivitäten erlauben es beispielsweise in Nigeria eine vertiefte Analyse der Akteure und der Dynamiken des Konflikts mit Boko Haram durchzuführen und dadurch die Bedürfnisse der Jugendlichen in den Regionen, in welchen Boko Haram aktiv ist, besser zu verstehen. Diese sind oft empfänglich für die Verheissungen extremistischer Gruppierungen, so dass nachvollziehbare Gegendarstellungen entwickelt werden müssen, um die Jugendlichen vor den Gefahren der Instrumentalisierung zu schützen. Im Hinblick auf die Prävention zukünftiger Konflikte stellt die Schweiz schliesslich ihre Erfahrung in der Vergangenheitsbewältigung nationalen und regionalen Institutionen zur Verfügung. Die Begleitung der malischen Kommission
für Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung und die Entsendung eines Experten zu den Ausserordentlichen Afrikanischen Kammern, dem Sondergericht, das über den früheren tschadischen Diktator Hissène Habré urteilte, sind hierfür nur einige Beispiele. Ein Sonderbeauftragter der Schweiz für den Sahel soll die Rolle der Schweiz in der Region erhöhen und ihre Rolle in der Friedensförderung stärken.

Während die Entwicklungszusammenarbeit und die Friedensförderung den Weg aus der Krise und der Fragilität weisen, widmet sich die Humanitäre Hilfe denjenigen Teilen der Bevölkerung, die im Moment am verletzlichsten sind. Der Schutz der Zivilbevölkerung, die Minderung der Leiden und die Ernährungssicherheit stehen dabei an erster Stelle. Alleine in Mali und den Nachbarländern unterstützt die Schweizer Humanitäre Hilfe 130 000 intern Vertriebene, Flüchtlinge, Gastgemeinschaften und Rückkehrer. Sie leistet indes nicht nur Nothilfe, sondern begleitet die Regierung auch bei der Ausarbeitung eines nationalen Massnahmenpakets für die Gewährleistung der Ernährungssicherheit. Ebenso finanziert die Schweiz die Aktivitäten der multilateralen Partner in der Region, die oft als erste humanitäre Akteure 1293

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vor Ort sind. In der Region um den Tschadsee erhalten mehr als 450 000 Personen Zugang zu Projekten, die durch die Schweiz mitfinanziert werden. Die wichtigsten Partner sind dabei das IKRK, das UNHCR und das WFP. Ein wichtiges Augenmerk gilt darüber hinaus dem humanitären Zugang. Durch ihre Finanzierung des humanitären Flugdienstes der UNO (UNHAS) stellt die Schweiz sicher, dass auch in den entlegensten Regionen des Nigers, Tschads und Nigerias, wo der Bedarf häufig am höchsten ist, Nothilfe geleistet werden kann.

Da wichtige Migrationsrouten durch den Sahel führen ­ besonders betroffen sind Niger und Mali ­, engagiert sich die Schweiz nicht nur für die humanitären Aspekte dieser Problematik. Um das Leid der Migrantinnen und Migranten auf ihrem beschwerlichen Weg zu lindern, die Gaststaaten und -gemeinden zu entlasten und gleichzeitig die tieferliegenden Gründe für Migration zu bekämpfen, beteiligt sich die Schweiz einerseits am sogenannten «EU Emergency Trust Fund for Africa», der anlässlich des Migrationsgipfels in Valetta im November 2015 lanciert wurde, und engagiert sich andererseits auch direkt in den betroffenen Ländern. So unterstützt die Schweiz gemeinsam mit der IOM im Niger ein Reintegrationsprogramm für Rückkehrer und Rückkehrerinnen aus Algerien und fördert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Libyen und dem Niger. Mit Mali wurde im Oktober die Aufnahme von Verhandlungen über ein Migrationsabkommen vereinbart. Der EDAVorsteher erklärte bei einem Treffen mit dem malischen Aussenminister in Bern die Bereitschaft der Schweiz, ihr Engagement für den Frieden und die Armutsbekämpfung in Mali fortzuführen. Er betonte gleichzeitig die Bedeutung einer Koordination der entwicklungs- und migrationspolitischen Interessen und kam mit seinem Amtskollegen überein, eine Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen auf der Basis einer partnerschaftlichen Gesamtschau anzustreben.

Eine schon seit fünf Jahren bestehende Migrationspartnerschaft mit Nigeria, einem der wichtigsten Herkunftsländer von Migranten in der Schweiz, erlaubt es, eine ganze Reihe von Herausforderungen mit diesem Land gemeinsam anzugehen. Der Vorsteher des EDA konnte sich bei seinem Besuch in Nigeria im März von der guten Zusammenarbeit in diesem Bereich überzeugen, welche Berufsbildung, Austausch- und Weiterbildungsprogramme
und Rückkehrhilfe bis hin zu einem in Nigeria produzierten Fernsehfilm über die Risiken und Herausforderungen illegaler Migration beinhaltet.

Zudem strebt die Schweiz auch in dieser Region an, ihre Zusammenarbeit mit Regionalorganisationen zu intensivieren. Im Falle der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), einer der wichtigsten Regionalorganisationen in Afrika, geschieht dies komplementär zu den Bereichen des Engagements der Schweiz in den Mitgliedstaaten der ECOWAS. Schwerpunkte sind etwa Frieden und Sicherheit, Migration oder Ernährungssicherheit. So unterstützt die Schweiz personell und finanziell unter anderem die «Ecole de maintien de la paix» in Mali sowie das «Kofi Annan International Peacekeeping and Training Center» in Ghana, fördert die Zusammenarbeit der ECOWAS-Staaten im Bereich Migration und Personenfreizügigkeit und engagiert sich für eine gemeinsame Landwirtschaftspolitik im ECOWASRaum, welche die Modernisierung der landwirtschaftlichen Familienbetriebe zum Ziel hat. Im September hat die Schweiz der ECOWAS ausserdem einen «Letter of

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Intent» unterbreitet, um die bestehende Zusammenarbeit zu formalisieren und den Austausch zu pflegen.

2.4.4

Horn von Afrika

Im Horn von Afrika befinden sich mehrere Länder, die als fragil gelten. Die Ursachen für ihre Fragilität sind vielfältig. Nach der zumeist überhasteten Entkolonialisierung kamen oftmals ungenügend ausgebildete Personen, ehemalige Rebellenführer und Befreiungskämpfer oder korrupte Eliten an die Macht. Resultate dieser misslungenen Transition von den ehemaligen Kolonialmächten hin zu den nachfolgenden Regierungen waren schlechte Regierungsführung, erfolglose wirtschaftliche Entwicklungskonzepte, mangelnde Wohlfahrt und wenig Rechtssicherheit. Entwicklung und Fortschritt gab es in nur wenigen Ländern. Die Region ist deshalb von grossen Widersprüchen geprägt. Einerseits ist das Horn von Afrika von zahlreichen Herausforderungen, Krisen und Problemen geplagt und weist die auf dem Kontinent grösste Zahl an Flüchtlingen und intern Vertriebenen sowie die weltweit höchste Mütter- und Kindersterblichkeit auf. Andererseits hat sich zum Beispiel in Kenia eine Mittelklasse herausgebildet, welche zunehmend Missstände anprangert und auf faire Repräsentation und Partizipation pocht.

In diesem komplexen Kontext agiert die Schweiz auf der Grundlage ihres von der Verfassung vorgegebenen Auftrags in koordinierter Art und Weise und unter dem Einbezug sämtlicher verfügbarer Instrumente: politisch, humanitär und entwicklungsorientiert. Durch einen verbesserten Schutz der Menschenrechte, durch den Schutz der Zivilbevölkerung, durch die Vermittlung von Knowhow sowie technischer und finanzieller Unterstützung leistet die Schweiz einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort. Die Schweiz trägt durch ihr Engagement zu Frieden und Sicherheit, der Achtung der Menschenrechte sowie dem Schaffen von Zukunftsperspektiven zur Stabilisierung der Region bei.

Viele der Herausforderungen wie die regelmässigen Naturkatastrophen, Konflikte sowie daraus resultierende Bevölkerungsbewegungen sind nicht auf einzelne Staaten begrenzt, sondern regionaler Natur. Mit der departementsübergreifenden regionalen Kooperationsstrategie für das Horn von Afrika trägt die Schweiz diesem Umstand Rechnung. Sie unterstützt die Staaten auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene in den Bereichen Ernährungssicherheit, Gesundheit, Migration und gute Regierungsführung mit dem Ziel einer dauerhaften Stärkung der lokalen Strukturen und
Resilienzmechanismen. Somit leistet die Schweiz ihren Beitrag zur Rettung von Menschenleben, der Reduktion von Armut sowie zur Förderung von Frieden, Stabilität und Sicherheit in der Region. Dieses Engagement koordiniert sie auch mit jenem in den umliegenden Ländern wie dem Sudan und dem Südsudan. Mit Äthiopien wurden im September 2016 die zweiten bilateralen politischen Konsultationen auf Stufe Staatssekretär geführt. Dabei wurde unter anderem eine verbesserte Kooperation im Migrationsbereich angeregt sowie vor dem Hintergrund der angespannten Lage in Äthiopien eine vertiefte Zusammenarbeit im Rahmen des UNO-Menschenrechtsrats diskutiert.

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In Somalia unterstützte die Schweiz den Aufbau eines föderalen Gouvernanzsystems. Somalia hat seit dem Jahr 2012 nach über zwanzig Jahren wieder eine international anerkannte Regierung und verfügt über eine provisorische föderale Verfassung. Im Sudan fokussiert das primäre Engagement der Schweiz darauf, Leben zu retten und Leiden der Menschen zu lindern, die von bewaffneten Konflikten und Naturkatastrophen betroffen sind. Das schweizerische Engagement konzentriert sich dementsprechend in erster Linie auf die Bereiche Ernährungssicherheit, Basisdienstleistungen wie Wasser und Gesundheit sowie den Schutz der Zivilbevölkerung.

Auch im Fall des Sudan stützt sich die Schweiz auf eine integrierte Kooperationsstrategie, die hauptsächlich die Aktivitäten des EDA und des EJPD umfasst. Konkret unterstützt die Schweiz das WFP und andere UNO-Organisationen und NGO bei der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und allgemeiner Nothilfe, aber auch beim Wiederaufbau ihrer Existenzgrundlage. Darüber hinaus setzt sich die Schweiz insbesondere für den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen sowie medizinischer Versorgung der Vertriebenen ein. Ferner stellt die Schweiz auch Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) zur Verfügung. Seit 2012 unterstützt die Schweiz die Strategie von IOM und UNHCR im Kampf gegen den Menschenhandel und Menschenschmuggel.

Auf politischer Ebene wurden die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Sudan, einem Schlüsselland hinsichtlich der migrationsrelevanten Herausforderungen, intensiviert und bilaterale politische Konsultationen auf jährlicher Basis geplant.

Der Südsudan ist seit der Erlangung der Unabhängigkeit 2011 ein Schwerpunktland der schweizerischen humanitären Hilfe sowie des friedenspolitischen Engagements.

Die Kooperationsstrategie, an der neben verschiedenen Organisationseinheiten des EDA auch das VBS beteiligt ist, umfasst mehrere Instrumente der internationalen Zusammenarbeit, beispielsweise die Bereitstellung von Not- und Wiederaufbauhilfe, Entwicklungshilfe sowie Hilfe zur Konfliktbeilegung. Die schweizerischen Tätigkeiten fokussieren thematisch auf die Bereiche Nahrungs- und Existenzsicherung, den Schutz der Zivilbevölkerung sowie die Stärkung der menschlichen Sicherheit. Mit Unterstützung der
Schweiz konnte im Norden des Landes für mehr als 100 000 Personen der Zugang zu sauberem Trinkwasser verbessert werden, indem nicht funktionierende Wasserstellen und Pumpen repariert oder neue Brunnen gebohrt wurden. Aufgrund des anhaltenden Konflikts ist das IKRK, das im Südsudan zurzeit die grösste Operation in Afrika leitet, ein wichtiger Partner für die Versorgung der notleidenden Bevölkerung auf beiden Seiten des Konflikts.

Die Schweizer Migrationsaussenpolitik im Horn von Afrika wird gemäss dem «Whole of Government»-Ansatz gemeinsam von SEM, DEZA, der Abteilung Subsahara-Afrika und Frankophonie (ASAF) sowie AMS umgesetzt. Basierend auf der Kooperationsstrategie der Schweiz im Horn von Afrika werden im Bereich Migration momentan hauptsächlich Aktivitäten und Projekte im Rahmen von «Protection in the Region» (PiR) umgesetzt. PiR zielt darauf ab, nationale Behörden und zivilgesellschaftliche Akteure im Horn von Afrika beim Aufbau eines fairen und effizienten Asylverfahrens, der Verbesserung der Lebensbedingungen und der Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit sowie der Wahrung der Menschenrechte von Vertriebenen und schutzsuchenden Migrantinnen und Migranten zu 1296

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unterstützen. Dadurch sollen auch die Perspektiven von Flüchtenden verbessert werden. So soll das «Skills for Life for Refugees»-Projekt der Schweiz im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia durch die Vermittlung von technischem Knowhow und berufsrelevanten Fähigkeiten dazu beitragen, dass Binnenvertriebene nicht weiter migrieren. Das Projekt integriert gleichzeitig sowohl Vertriebene wie auch die Gastgemeinschaft, um Spannungen zwischen Ersteren und der lokalen Bevölkerung zu vermeiden. Parallel dazu unterstützt die Schweiz den regionalen Dialog zu Migration im Rahmen der «Intergovernmental Authority on Development» (IGAD).

Mittels der Nansen-Initiative sollen ausserdem die Schutzbedingungen bezüglich der grenzüberschreitenden Vertreibung aufgrund von Naturkatastrophen verbessert werden.

Nachdem die Schweiz vor zehn Jahren die internationale Zusammenarbeit mit Eritrea eingestellt hat, entschied der Bundesrat im November 2016, die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des DEZA-Engagements in diesem Land zu prüfen. In einer ersten Phase sollen mit einem begrenzten Budget von zwei Millionen Franken pro Jahr Pilotprojekte im Bereich Schaffung von Arbeitsplätzen und Berufsbildung lanciert werden, um die Zukunftsperspektiven der Jugendlichen im Land zu verbessern. Das gezielte und begrenzte Engagement der DEZA ist ein erster Schritt der Schweiz hin zum Aufbau einer ausgewogenen Partnerschaft, wie sie vom Bundesrat angestrebt wird. Ganz im Sinne der in der IZA-Botschaft 2017­2020 erwähnten Verknüpfung der Instrumente sollen beide Seiten Schritte unternehmen: die Schweiz durch Entwicklungsbeiträge, Eritrea durch eine Verbesserung der Menschenrechtslage und Bemühungen im Migrations- und Wirtschaftsbereich. Es wird sich zeigen, ob die eritreische Regierung bereit ist, mit der Schweiz eine auf Dialog beruhende Partnerschaft einzugehen, die auch zur Verbesserung der Menschenrechtslage im Land beitragen soll. Die Schweiz verfolgt die Lage in Eritrea laufend. Sie überprüft ihre Asyl- und Rückführungspraxis kontinuierlich und passt sie gegebenenfalls an.

Sie setzt sich auch dafür ein, dass die Menschenrechte durch die Instrumente des Menschenrechtsrats besser durchgesetzt werden. Sie prüft gegenwärtig ein entsprechendes Engagement mit der UNO vor Ort. Damit dieser Prozess möglichst erfolgsversprechend ist, muss die
internationale Zusammenarbeit im Land so weit wie möglich koordiniert werden. Aus diesem Grund hat der Bundesrat die nötigen Kontakte geknüpft, die ein koordiniertes Vorgehen mit den europäischen Ländern ermöglichen, welche die Vorstellungen der Schweiz teilen und gleiche Interessen verfolgen. Schon seit Ende 2015 finanziert das EJPD ein Berufsbildungsprojekt in Eritrea, und startete ein zweites Projekt in Zusammenarbeit mit einem Lehrerausbildungsinstitut im Dezember 2016. Dabei sollen die Studenten den Lehrerberuf selber wählen können und nicht im Rahmen des Nationaldienstes dazu gezwungen werden.

Die Schweiz verstärkt ausserdem kontinuierlich ihre Beziehungen mit der Afrikanischen Union (AU), deren Sitz sich in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba befindet. Sie ist bereits seit 2006 bei der AU als Beobachterin akkreditiert und finanziert seit 2012 diverse Projekte der Union, unter anderem bezüglich PVE, und unterstützt die Koordination der Zusammenarbeit zwischen AU und UNO. Im April haben die Schweiz und die AU einen «Letter of Intent» unterzeichnet, um die bilaterale Kooperation, insbesondere im Bereich von Frieden und Sicherheit, zu stärken.

Schlussendlich hat die Schweiz in den letzten Jahren auch ihre Zusammenarbeit mit den regionalen Organisationen im Horn von Afrika verstärkt. Die IGAD übernimmt 1297

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eine wichtige Rolle bezüglich Sicherheit, Stabilität und Entwicklung in der Region.

Die Schweiz verfügt mit der IGAD seit 2014 über ein MoU, das eine verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Föderalismus, Ernährungssicherheit, Migration, Frieden und Sicherheit sowie Wissenschaft beinhaltet. Darüber hinaus leistet die Schweiz auch einen Beitrag zur institutionellen Stärkung des IGAD-Sekretariats.

Diese Partnerschaft erlaubt es der Schweiz, mit der IGAD und deren Mitgliedstaaten im Horn von Afrika einen politischen Dialog zu führen und die Wirkung ihres Engagements in der Region zu vergrössern. Auch mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), der unter anderem Kenia und der Südsudan angehören, vertieft die Schweiz ihre Beziehungen fortlaufend, und sie ist seit 2015 als Beobachterin akkreditiert. Die Schweiz engagiert sich des Weiteren im Khartum Prozess seit dessen Lancierung im November 2014. Dieser soll den Dialog zwischen Herkunfts- und Transitstaaten im Horn von Afrika und in Ägypten sowie den europäischen Staaten verstärken. Ebenfalls werden über diesen Prozess die Projekte zur Umsetzung des Valletta-Aktionsplans im Horn von Afrika besprochen, die teils über den «EU Emergency Trust Fund for Africa» finanziert werden.

3

Aussenpolitische Aktivitäten der Schweiz im Berichtsjahr

3.1

Beziehungen zur Europäischen Union und zu den EU-/EFTA-Staaten

3.1.1

Europäische Union

Entwicklungen innerhalb der EU und Auswirkungen auf die Schweiz Kein Ereignis prägte die Europäische Union (EU) 2016 stärker als die Annahme des Referendums über den Austritt des Vereinigten Königreichs (Brexit). Die Austrittsbekundung der Bevölkerung eines der wirtschaftlich, politisch und militärisch bedeutsamsten Mitglieder liess kaum einen Arbeitsbereich der EU-Institutionen unberührt. Weiterhin auf der Tagesordnung blieben zudem Krisen, welche die EU bereits in den Vorjahren beschäftigten: der Umgang mit der Migrationslage, die Schuldenkrise und der Ukrainekonflikt. Die Sicherheitslage im unmittelbaren Umfeld der EU blieb auch mit Blick auf den Putschversuch in der Türkei und die anhaltenden Konflikte in Syrien und Libyen instabil (vgl. Ziff. 2.2). Zudem verschärften sich die Herausforderungen für die innere Sicherheit im Zuge mehrerer Terroranschläge auf europäischem Boden. In ihrer Summe bildeten diese Politikbereiche den Hintergrund für die Beziehungen Schweiz­EU.

Die Abstimmung über den Brexit prägte die europäische Debatte lange vor dem britischen Referendum vom 23. Juni 2016. Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU im Zuge britischer Referendumsforderungen mündeten im Februar in Zusicherungen der EU, die mit dem Votum der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der Union aber ihre Gültigkeit verloren. Die nach dem Referendum neu ins Amt getretene Premierministerin Theresa May versprach, den Brexit umzusetzen, und schloss Neuwahlen oder ein zweites Referendum aus. Im Oktober kündete sie an, die Austrittsklausel gemäss Artikel 50 des Vertrags über die 1298

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EU (EUV) spätestens Ende März 2017 anzurufen. Die EU erklärte von Beginn weg, dass sie bis zur formalen Anrufung der Austrittsklausel keine Verhandlungen führen werde. In den Verhandlungen selbst werde der Zugang zum Binnenmarkt nicht vom Grundsatz der Personenfreizügigkeit zu trennen sein. Die zweite Jahreshälfte war entsprechend von Spekulationen über das zukünftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU sowie von den internen Vorbereitungen beider Seiten auf Austrittsverhandlungen geprägt.

Das bilaterale Verhältnis der Schweiz zum Vereinigten Königreich beruht massgeblich auf den bilateralen Verträgen der Schweiz mit der EU. Der Bundesrat reagierte frühzeitig auf die zukünftigen Veränderungen. Die bereits im Sommer 2015 eingerichtete interdepartementale «Begleitgruppe EU­UK» wurde verstärkt. Im Oktober 2016 hat der Bundesrat seine strategischen Leitlinien betreffend die künftigen Beziehung zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich definiert und eine Steuerungsgruppe mit Vertretern des EDA, WBF, EFD und UVEK eingesetzt. Ziel des Bundesrates ist das Inkrafttreten eines Nachfolgeregimes zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich zum Zeitpunkt des EU-Austritts, um ein juristisches Vakuum zu vermeiden und Rechtssicherheit zu garantieren. Zudem bemühte sich die Schweiz frühzeitig um einen Meinungsaustausch mit dem Vereinigten Königreich hinsichtlich der zukünftigen gegenseitigen Beziehungen und dem jeweiligen Verhältnis zur EU.

Als Folge der mit dem Referendumsausgang einhergehenden Unsicherheiten wurden die kurz- und mittelfristigen Wachstumsprognosen der Eurozone nach unten korrigiert. Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone setzte sich 2016 dennoch fort, wenn auch mit verhaltenen Wachstumsraten. Die Konjunktur wurde unter anderem von der nach wie vor äusserst expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) getragen, was auch den Abwertungsdruck auf den Euro aufrechterhielt. Beim Ende Juli veröffentlichten Stresstest wurden die europäischen Grossbanken als weitgehend krisenfest eingestuft. Obwohl der Bankensektor heute widerstandsfähiger ist als noch vor einigen Jahren, besteht bei zahlreichen europäischen Banken weiterhin Bedarf für eine Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis und eine Bereinigung ihrer Bilanz. Bereits im Mai konnte in der Eurogruppe
zudem eine prinzipielle Einigung mit Griechenland über einen Plan für zukünftige Schuldenerleichterungen erzielt werden. Die zentralen Massnahmen ­ die Verlängerung von Laufzeiten sowie Aufschub und Reduktion der Zinszahlungen ­ sollen aber erst 2018 nach einem erfolgreichen Abschluss des dritten Hilfsprogramms der Euroländer quantifiziert und umgesetzt werden.

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) konnten nicht vor dem Ende der Amtszeit von US-Präsident Obama abgeschlossen werden. Das Vorhaben stiess in verschiedenen EU-Staaten zunehmend auch auf Kritik aus Regierungskreisen.

Zudem gewann mit Donald Trump in den USA ein Kandidat die Präsidentschaftswahlen, der dem Freihandel kritisch gegenübersteht. Ein erfolgreicher Abschluss des Abkommens hätte voraussichtlich Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Handlungsoptionen, wie etwa einen Beitritt zu TTIP oder ein Freihandelsabkommen mit den USA, wären auf Grundlage des Inhalts der TTIP zu prüfen. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic 1299

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and Trade Agreement, CETA) konnte aufgrund von Widerstand in den belgischen Regionen erst am 30. November 2016 unterzeichnet werden, nachdem den Bedenken ­ unter anderem der Region Walloniens ­ mit Zusatzerklärung und Garantien Rechnung getragen worden war. Damit das Abkommen ratifiziert werden kann, ist neben der Zustimmung von EU-Rat und -Parlament aber auch der Abschluss der nationalen Genehmigungsverfahren in sämtlichen Mitgliedstaaten notwendig. Das CETA ist das bisher bedeutendste Handelsabkommen, das die EU mit einem wichtigen Industriestaat ausserhalb Europas abgeschlossen hat. Dementsprechend könnte eine erfolgreiche Ratifikation des Abkommens eine positive Signalwirkung entfalten, beispielsweise für die Verhandlungen über TTIP.

Das Vorgehen gegen Steuervermeidung und Gewinnverlagerungen von Unternehmen blieb auch 2016 eine Priorität der EU. Im Juli wurde eine Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken verabschiedet, die mehrere Empfehlungen des OECD-Projekts «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) umsetzt und zum Teil über dessen Mindeststandards hinausgeht. Gemäss BEPS-Mindeststandard, der für das OECD-Mitglied Schweiz gilt, müssen multinationale Konzerne den Steuerbehörden auch Informationen über ihre Aktivitäten in anderen Ländern abliefern. Mit Blick auf verstärkte Transparenz wurde in der EU vorgeschlagen, dass die betroffenen Unternehmen diese Informationen neu ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich machen müssen. Diese Entwicklungen dürften sich auch auf Konzerne mit Hauptsitz in Drittstaaten wie der Schweiz und Aktivitäten in der EU auswirken.

Wie im Vorjahr stellte die ausserordentliche Migrationslage auch 2016 eine zentrale Herausforderung für die EU und ihre Mitgliedstaaten dar (vgl. Ziff. 2.2). Im Berichtsjahr wurden an den Schengen-Aussengrenzen über 490 000 irreguläre Grenzübertritte verzeichnet. Viele in Italien angelandete Flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten versuchten im Sommer die Schweiz zu durchqueren, ohne einen Asylantrag zu stellen. Diese Entwicklung war auch auf die konsequentere Registrierung von Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten in Italien sowie die speditive Behandlung von Dublin-Fällen in der Schweiz zurückzuführen. Die Schweiz begegnete dieser Herausforderung durch eine konsequente Anwendung der zur Verfügung stehenden
Rechtsinstrumente. In ihrer Bestrebung, gesamteuropäische Lösungen für diese Situation zu finden und überdurchschnittlich betroffene Staaten zu entlasten, präsentierte die EU-Kommission zwei umfassende Reformpakete für das «Gemeinsame Europäische Asylsystem». Das erste sieht unter anderem die Revision des Dublin-Systems bezüglich der Festlegung des für die Prüfung von Asylanträgen zuständigen Staates vor. Dieses soll um einen Korrekturmechanismus ergänzt werden, der in Ausnahmesituationen den Lastenausgleich zwischen den Dublin-Staaten gewährleistet. Zudem beabsichtigt die EU-Kommission die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) in eine EU-Asylagentur mit mehr Kompetenzen. Das zweite Reformpaket betrifft die Revision verschiedener EU-Richtlinien im Asylbereich, um möglichst einheitliche Verfahren und Bedingungen für die Aufnahme von Schutzsuchenden zu schaffen. Diese Richtlinien fallen jedoch nicht unter das Dubliner Assoziationsabkommen Schweiz­ EU. Weiterhin im Fokus stand auch die Umsetzung der 2015 beschlossenen Umverteilungs- und Neuansiedlungsprogramme der EU zur Umsiedlung von Schutzbedürftigen aus EU-Ländern und Drittstaaten mit hohen Gesuchszahlen. Bis zum 19. Dezember 2016 waren aus Italien und Griechenland insgesamt 9356 Asyl1300

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suchende in andere EU-Staaten umgesiedelt. Im Rahmen des Neuansiedlungsprogramms sowie des im Zuge der EU-Türkei-Erklärung beschlossenen 1:1-Mechanismus hatten EU-Staaten Stand 5. Dezember 2016 13887 Flüchtlinge aufgenommen. Die Schweiz beteiligte sich freiwillig an den Umverteilungs- und Neuansiedlungsprogrammen, nicht aber am 1:1-Mechanismus. Im Berichtszeitraum konnten Stand 20. Dezember insgesamt 368 Asylsuchende aus Italien und Griechenland übernommen sowie sämtliche 519 der im Rahmen des 2016 beschlossenen Neuansiedlungsprogramms zugesagten Flüchtlinge aus Libanon und Syrien aufgenommen werden.

Auch 2016 hat sich die Schweiz für gesamteuropäische Lösungen im Migrationsbereich und die Anpassung bestehender Regeln eingesetzt. So hat sie sich im Rahmen ihrer Dublin-Assoziierung für grundsätzliche Anpassungen des Dublin-Systems ausgesprochen, das angesichts der anhaltend hohen Migrationsbewegungen und der ungleichen Verteilung der Asylgesuche an Grenzen stösst. Zudem hat sie die von der EU-Kommission im Mai vorgelegte Revision der Dublin-Verordnung grundsätzlich begrüsst. Die Schweiz hat sich jedoch auch über die Teilnahme an Entwicklungen im Rahmen ihrer Schengen/Dublin-Assoziierung hinaus an weiteren Massnahmen der EU beteiligt. So trat im März die Vereinbarung über die Beteiligung der Schweiz am EASO in Kraft. Die Schweiz kann in diesem Rahmen mit Fachwissen, finanzieller Unterstützung und dem Entsenden von eigenem Personal direkt zur Umsetzung ihrer migrationspolitischen Ziele beitragen. Im August bestätigte der Bundesrat zudem die Beteiligung der Schweiz am EU-Nothilfe-Treuhandfonds zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration in Afrika (EUTF) mit einem Beitrag von 4,1 Millionen Euro.

Unter anderem aufgrund des hohen Migrationsdrucks auf der Balkanroute sahen sich Anfang 2016 verschiedene Staaten veranlasst, basierend auf dem Schengener Grenzkodex vorübergehend wieder Binnengrenzkontrollen durchzuführen. Am 12. Mai 2016 hat der Rat der EU diese Massnahmen bis zum 12. November und am 11. November um weitere drei Monate verlängert. Im Aussengrenzmanagement konnten die Verhandlungen zur 2015 vorgeschlagenen Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex finalisiert werden. Die Verordnung über diese neue Europäische Grenz- und Küstenwache, in der Frontex
aufgehen wird, stellt eine SchengenWeiterentwicklung dar. Bereits heute beteiligt sich die Schweiz an Missionen von Frontex. 2016 leisteten Schweizer Grenzwächter und die Kantonspolizei Zürich zusätzlich zum finanziellen Beitrag der Schweiz 1780 Einsatztage. Ausserhalb des Schengen-Rahmens führte die EU im Rahmen der Marineoperation «EUNAVFOR Med Sophia» Einsätze auf hoher See vor der libyschen Küste durch. Zusätzlich zum Ziel, das Geschäftsmodell der Schleuser und Menschenhändler im südlichen zentralen Mittelmeer zu zerschlagen, wurde das Mandat im Sommer auf die Schulung der libyschen Küstenwache und Marine sowie den Beitrag zur Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen erweitert. Diese Massnahmen wurden vor dem Hintergrund ergriffen, dass trotz ähnlicher Migrationsvolumen über die MittelmeerRoute die Zahl der Todesfälle im Vergleich zu früheren Jahren deutlich zugenommen hatte. Die Schweiz engagierte sich zudem mit humanitärer Hilfe im europäischen Transitland Griechenland. So unterstützt ein Experte des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) das UNHCR, das sich vor Ort für den Schutz und

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die Unterstützung von Flüchtlingen einsetzt, während das SEM einen finanziellen Beitrag leistet.

Die Migrationssituation prägte massgeblich die Beziehungen der EU zur Türkei, die als Transitstaat zum zentralen Partner in der Lösungsfindung wurde. Entsprechend wurde am Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs vom 17./18. März 2016 eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, die eine intensivere Kooperation vorsieht.

Kernelemente dieser Erklärung sind die Rückkehr bzw. Rückführung aller irregulären Migrantinnen und Migranten, die von der Türkei aus auf den griechischen Inseln ankommen, sowie ein Mechanismus, der für jeden aus Griechenland in die Türkei rückgeführten Syrer die Aufnahme eines anderen Syrers in der EU vorsieht. Ebenso wurde vereinbart, den Fahrplan für die Visaliberalisierung für türkische Staatsangehörige zu beschleunigen und die Aufhebung der Visumpflicht unter der Bedingung in Aussicht gestellt, dass die Türkei sämtliche vereinbarte Kriterien erfüllt. Zudem wurde der Türkei Unterstützung in Höhe von zusätzlichen 3 Milliarden Euro bis Ende 2018 zugesagt und in Aussicht gestellt, ein neues Kapitel in den EUBeitrittsverhandlungen zu öffnen. Die vorgesehene Visaliberalisierung würde für die Schweiz als Schengen-Weiterentwicklung ebenfalls anwendbar sein. Sie beteiligt sich deshalb im Rahmen ihrer Mitspracherechte an den entsprechenden Diskussionen auf EU-Ebene. Die schwierigen Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei über einen allfälligen EU-Beitritt wurden ab Juli nach dem Putschversuch in der Türkei zusätzlich belastet.

Auch die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine wurden 2016 vor Herausforderungen gestellt. Das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine wird seit dem 1. Januar 2016 mitsamt seiner wirtschaftlichen Dimension vorläufig angewandt. Am 6. April 2016 lehnte die niederländische Stimmbevölkerung die Ratifizierung des Abkommens in einem konsultativen Referendum aber ab. In der Folge blieb die vollständige Umsetzung des Assoziierungsabkommens bis Ende 2016 aus. Am 15. Dezember beschloss der Rat der EU Präzisierungen zum Abkommen, die den niederländischen Bedenken Rechnung tragen und eine Ratifizierung im Jahr 2017 erlauben sollen. Bereits am 8. Dezember einigte sich die EU auf einen verschärften Aussetzungsmechanismus für bestehende Visaliberalisierungen
im Missbrauchsfall, was den Weg für die noch ausstehenden Beschlüsse zur Visaliberalisierung für die Ukraine und Georgien im kommenden Jahr ebnete.

Der Ukraine-Konflikt dominierte weiterhin die sicherheitspolitische Diskussion in der EU. Die verschiedenen Sanktionsmassnahmen gegen Russland wurden ins Jahr 2017 verlängert. Die EU beharrt dabei gegenüber Russland auf der Umsetzung der Minsker Vereinbarung vom Februar 2015. Der Bundesrat setzte Massnahmen zur Verhinderung der Umgehung der Sanktionen auf Schweizer Hoheitsgebiet fort, ohne sich den Sanktionen der EU angeschlossen zu haben. Die Sicherheitslage an Europas Peripherie sowie der beschlossene Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU prägten auch die im Juni durch die Hohe Vertreterin der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik vorgestellte Globale Strategie der EU. Darin wird die Perspektive der Gemeinsamen Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP/GSVP) der EU skizziert. Über den Ukraine-Konflikt hinaus betreffen verschiedene sicherheitspolitische Herausforderungen die jeweiligen Interessen der EU und der Schweiz in gleichem Masse. Auch 2016 arbeitete die Schweiz deshalb in ausgewählten Berei1302

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chen mit der EU zusammen. Mit der Entsendung von rund dreissig zivilen und militärischen Expertinnen und Experten in EU-Missionen leistete die Schweiz einen direkten Beitrag zur Friedensförderung in verschiedenen Konfliktgebieten. 2016 beteiligte sie sich neu mit zivilen Experten in den EU-Missionen in Mali und in der Ukraine.

Als Reaktion auf gleich mehrere terroristische Anschläge in Europa ergriff die EU im Berichtsjahr verschiedene Massnahmen. Im Fokus stand dabei das Phänomen der «ausländischen Kämpfer». Um die Kontrolle von europäischen Staatsbürgern an den Aussengrenzen zu verschärfen, wurde auf EU-Ebene eine Einigung über die Anpassung des Schengener Grenzkodex erzielt. Somit werden neu auch die Identitätsdokumente von freizügigkeitsberechtigten Personen bei der Ein- und Ausreise aus dem Schengen-Raum systematisch in den einschlägigen Datenbanken abgefragt werden müssen. Zudem wurde im Frühjahr die Richtlinie über den Austausch von Flugpassagierdaten (PNR) verabschiedet. Sie verpflichtet Fluggesellschaften, Passagierdaten zum Zweck der Verhinderung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten oder schwerer Kriminalität an die zuständigen Behörden zu übermitteln.

Da diese Richtlinie nicht Teil des Schengen-Besitzstandes ist, ist sie nicht auf die Schweiz anwendbar. Die Schweiz klärt zurzeit das Interesse an einer möglichen Teilnahme über ein separates Abkommen ab. Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für die bereits geplante Revision der EU-Waffenrichtlinie nach den Anschlägen nochmals verschärft. Ein wichtiges Ziel sollte dabei das Verbot, beziehungsweise strikterer Bestimmungen für den Erwerb und Besitz durch Privatpersonen der gefährlichsten Waffen darstellen. Der Schweiz ist es dank intensiven Bemühungen im Rahmen ihres Mitspracherechts gelungen, eine Ausnahmeregelung in die Richtlinie einzufügen, die weiterhin die Abgabe der Ordonnanzwaffe nach Beendigung der Dienstpflicht erlauben wird. Ende Dezember 2016 hiess der Rat der EU auf Botschafterstufe einen Kompromisstext gut. Die Richtlinie wird voraussichtlich im ersten Quartal 2017 verabschiedet werden.

Entwicklungen der Beziehungen Schweiz­EU Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU standen auch 2016 im Zeichen des Ziels des Bundesrates, die Zuwanderung in die Schweiz besser zu steuern und gleichzeitig den
bilateralen Weg zu sichern und weiterzuentwickeln. Die Arbeiten konzentrierten sich massgeblich auf eine einvernehmliche Lösung bei der Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung (BV)15 sowie die Klärung der zukünftigen Rahmenbedingungen des Verhältnisses Schweiz­EU. Sowohl vor als auch nach dem britischen Referendum war die EU darauf bedacht, dass eine allfällige Einigung mit der Schweiz im Bereich der Personenfreizügigkeit nicht als Präzedenzfall für ihr zukünftiges Verhältnis mit dem Vereinigten Königreich erscheinen könnte. Dies erschwerte die Suche nach einer einvernehmlichen Einigung zwischen der Schweiz und der EU.

Am 4. März 2016 verabschiedete der Bundesrat mehrere Gesetzesentwürfe für die Umsetzung der Verfassungsbestimmungen zur Zuwanderung. Dabei präsentierte er das Konzept einer einseitigen Schutzklausel für Zuwanderer aus dem EU/EFTA15

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Raum. Er folgte damit dem im Dezember 2015 gefällten Entschluss. Die einseitigen Massnahmen sollten eine Umsetzung von Artikel 121a BV ermöglichen, falls bis zur verfassungsrechtlichen Frist keine einvernehmliche Lösung mit der EU zur Personenfreizügigkeit gefunden werden sollte. Trotz mehrerer Treffen des Bundespräsidenten mit Kommissionspräsident Juncker, zahlreicher Kontakte mit der EURatspräsidentschaft und einer anhaltend intensiven Begleitdiplomatie gegenüber den EU-Mitgliedstaaten war dies nicht der Fall.

Vor diesem Hintergrund verabschiedete das Parlament am 16. Dezember 2016 ein Umsetzungsgesetz zum Verfassungsartikel 121a. Anstelle der Schutzklausel wurde ein Modell eingeführt, in dessen Zentrum eine Stellenmeldepflicht steht: bei einer über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosigkeit in bestimmten Berufsgruppen, Tätigkeitsbereichen und Wirtschaftsregionen sind zeitlich befristete Massnahmen zur Förderung der Personen zu ergreifen, die bei den Arbeitsvermittlungen als stellensuchend registriert sind. Nachdem das Parlament das Ausführungsgesetz zu Artikel 121a BV verabschiedet hat, ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass die Bedingung der eidgenössischen Räte zur Ratifizierung des Protokolls zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens (FZA) auf Kroatien erfüllt ist. Damit war auch die Voraussetzung für die umfassende Teilnahme der Schweiz am Europäischen Forschungsprogramm «Horizon 2020» ab 1. Januar 2017 erfüllt. Zur ebenfalls Artikel 121a BV betreffenden Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse» beschloss der Bundesrat am 26. Oktober, einen direkten Gegenvorschlag auszuarbeiten. Er informierte am 21. Dezember über dessen möglichen Inhalte und beauftragte das EJPD, für zwei Varianten eines direkten Gegenvorschlags eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Bis zum 27. April 2017 wird er dem Parlament eine entsprechende Botschaft vorlegen.

Für Staatsangehörige von Bulgarien und Rumänien gilt nach abgelaufener Übergangsfrist seit dem 1. Juni 2016 die volle Personenfreizügigkeit unter möglicher Anwendung der Ventilklausel bis 31. Mai 2019. In Erfüllung eines Auftrags des Parlaments bestärkte der Bundesrat gegenüber den Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates am 27. Juli schriftlich, dass das Schweizer Beitrittsgesuch von 1992 als zurückgezogen zu betrachten
sei. Am 30. September 2016 hat das Parlament die Erneuerung des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas genehmigt. Das erneuerte Gesetz beinhaltet sowohl die Grundlage für die laufende Transitionszusammenarbeit mit den osteuropäischen Staaten ausserhalb der EU als weiterhin auch die gesetzliche Grundlage für den Schweizer Erweiterungsbeitrag.

Für die Schweizer Wirtschaft ist Rechtssicherheit im Bereich des Marktzugangs essenziell. Dies bedingt eine Konsolidierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs. Das Ziel von transparenten und einheitlich anwendbaren Rahmenbedingungen im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU im Bereich des Marktzugangs wurde auch 2016 weiterverfolgt. Die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen wurden weitergeführt und haben Fortschritte gemacht. Zu den noch offenen Verhandlungspunkten gehören die Beilegung von Streitfällen und die Regelung der Konsequenzen für den Fall, dass Streitigkeiten über die Anwendung von Marktzugangsabkommen zukünftig nicht beigelegt werden könnten.

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Nebst den beiden europapolitischen Hauptdossiers wurden die Verhandlungen mit der EU insbesondere im Bereich der Polizeizusammenarbeit fortgeführt. So verabschiedete nach der Schweiz auch die Europäische Kommission ihre Verhandlungsmandate über die Teilnahme der Schweiz an der Prümer Zusammenarbeit über den automatischen Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Daten sowie über den Zugang der Schweizer Strafverfolgungsbehörden zur Datenbank der Europäischen Datenbank zur Speicherung von Fingerabdrücken (EURODAC). Die Verhandlungen zu Letzteren wurden im Herbst 2016 aufgenommen. Zudem konnten 2016 die Verhandlungen über die Zusatzvereinbarung zur Schweizer Beteiligung an der Agentur eu-LISA (Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) abgeschlossen werden, sodass die Schweiz nun die der Agentur zugrunde liegende Verordnung in voller Kenntnis des Sachverhalts formell übernehmen kann. Das Parlament hat die Übernahme der Verordnung in der Wintersession 2016 genehmigt. Mit dem Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Grenze (ISF-Grenze) schuf die EU für die Jahre 2014­2020 das Nachfolgeinstrument des Aussengrenzenfonds. Der Fonds trägt dazu bei, die Effizienz der Kontrollen und damit den Schutz der Schengen-Aussengrenzen zu verbessern. Die Verordnung stellt für die Schweiz eine Schengen-Weiterentwicklung dar. Die Verhandlungen über die für die Beteiligung der Schweiz am ISF nötige Zusatzvereinbarung konnten 2016 abgeschlossen werden. Damit konnte das Parlament die Übernahme der Verordnung zur Schaffung des Fonds in der Wintersession 2016 genehmigen. Im Bereich Lebensmittelsicherheit, in dem die EU und die Schweiz seit 2008 eine Erweiterung der Zusammenarbeit anstreben, wurden die seit 2015 auf technischer Ebene wieder aufgenommenen Verhandlungen weitergeführt.

Der Grossteil der übrigen Dossiers blieb jedoch bis Ende des Berichtsjahres blockiert (vgl. Ziff. 3.5.3, 3.5.4 und 3.5.5): Die EU war weiterhin nicht bereit, vor der Regelung der Personenfreizügigkeit und dem Abschluss eines institutionellen Abkommens neue Marktzugangsvereinbarungen mit der Schweiz einzugehen. So zum Beispiel das Stromabkommen, für welches die Verhandlungen weit fortgeschritten sind, seitens EU aber von einer Lösung der institutionellen Fragen abhängig
gemacht werden. Dies unterstrich erneut die Bedeutung der institutionellen Fragen für die zukünftige Ausrichtung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU.

Eine Einigung bei diesen Fragen wird unter anderem den Ausbau und die Sicherung des bestehenden Marktzugangs erlauben. Bis Ende 2016 verzögerte die EUKommission im Zusammenhang mit der lange ungeklärten Umsetzung von Artikel 121a BV und deren Konsequenzen für das FZA auch die Aktualisierung von bestehenden Marktzugangsabkommen, was das gute Funktionieren dieser Abkommen in Frage stellt, sowie eine Reihe technischer Kooperationen. Letztere betrafen unter anderem die grenzüberschreitende Katastrophenhilfe, die Zusammenarbeit in Bildung und Forschung, Verlinkung der Emissionshandelssysteme der Schweiz und der EU oder gemeinsame Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit. Der Bundesrat hat sein Missfallen über diese Haltung der EU klar gemacht und erwartet, dass sie 2017 zu einer Normalisierung Hand bietet.

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3.1.2

Beziehungen zu den Nachbarstaaten

Die Partnerschaften mit den Nachbarstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und Liechtenstein sind von besonderer Qualität und Bedeutung. Im Berichtsjahr konnten die Beziehungen mit ihnen weiter konsolidiert und punktuell ausgebaut werden. Die prioritäre Gewichtung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten folgt der Aussenpolitischen Strategie 2016­2019. So wurden insbesondere die Besuchsdiplomatie auf hohem Niveau weitergeführt und die Kontakte systematisch genutzt, um die EU-Nachbarstaaten in die Suche nach einer einvernehmlichen Lösung mit der EU für das FZA einzubeziehen. Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am 1. Juni 2016 war ein grosses verkehrshistorisches Ereignis, das die Gelegenheit bot, zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland einzuladen. Unter ihnen fanden sich die Staatsund Regierungschefs aller fünf Nachbarländer der Schweiz sowie zahlreiche europäische Verkehrsminister. Die hochrangigen Delegationen verliehen der Bedeutung der NEAT als europäischem Projekt und wichtiger Transitroute zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer besonderen Ausdruck. Mit der Eröffnung des GotthardBasistunnels gewinnen verkehrspolitische Themen im Verhältnis zu Deutschland und Italien zusätzlich an Wichtigkeit.

Die Qualität der Beziehungen zu Deutschland spiegelte sich auch 2016 in zahlreichen hochrangigen und durchwegs freundschaftlichen Treffen wider. So traf sich der Bundespräsident im Berichtsjahr viermal mit der deutschen Bundeskanzlerin, um sich über Themen von gemeinsamem Interesse auszutauschen. Die Personenfreizügigkeit und die Migrationslage in Europa und insbesondere in Deutschland waren bei offiziellen Gesprächen stets zentrale Themen. Die bilateralen Kontakte auf Stufe Aussenminister blieben intensiv, wobei neben der Europapolitik der OSZE-Vorsitz Deutschlands 2016 im Zentrum stand. Die im Bereich der Mediation begonnene Zusammenarbeit mit Deutschland konnte 2016 vertieft werden. Die Schweiz war im Berichtsjahr Gastland an der weltweit grössten Messe für Informationstechnik CeBIT in Hannover, und Bundespräsident Schneider-Ammann nahm an deren Eröffnung teil. Dieser Auftritt bot die Gelegenheit, die innovative Stärke und digitale Kompetenz der Schweiz einem internationalen Publikum zu präsentieren. Bei grenzüberschreitenden Fragen im Verkehrsbereich (insbesondere Luft- und Schienenverkehr),
aber auch bei der Personenfreizügigkeit sowie im Energie- und Gesundheitsbereich, kommt dem Bundesland Baden-Württemberg eine besondere Bedeutung zu. Dies zeigte sich auch darin, dass die erste Auslandreise des wiedergewählten Ministerpräsidenten dieses Bundeslandes in die Schweiz führte.

Wie zuvor war die bilaterale Zusammenarbeit mit Italien auch im Berichtsjahr von hoher Intensität. Nach dem deutschen Bundesaussenminister Steinmeier im Vorjahr, lud der EDA-Departementsvorsteher 2016 den italienischen Aussenminister Gentiloni an die Botschafterkonferenz in Genf ein. Dank den vielfältigen Kontakten konnten in verschiedenen Bereichen Fortschritte erzielt werden. So trat das Zusatzprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Italien 2016 in Kraft. Ausserdem wurde die Schweiz von zwei schwarzen Listen gestrichen.

Die Gespräche zu Fiskalfragen betreffend die italienische Exklave Campione d'Italia wurden auch im Berichtsjahr weitergeführt. Das Abkommen über die Grenzgängerbesteuerung konnte wegen der von Italien hergestellten Verbindung mit der Personenfreizügigkeit noch nicht unterschrieben werden. Der 2013 unterzeichnete 1306

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bilaterale Vertrag über die Polizei- und Zollzusammenarbeit, der durch drei Durchführungsprotokolle ergänzt wird, konnte 2016 hingegen ratifiziert werden und in Kraft treten. Dieses Abkommen schafft einen präziseren und gleichzeitig umfassenderen Rahmen für grenzüberschreitende Observationen und Strafverfolgungen und ermöglicht grenzüberschreitende Begleit- und Transitdienste sowie die Schaffung einer gemischten Patrouille. Bei sämtlichen offiziellen Treffen waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ein zentrales Gesprächsthema. Italien hat sich bei der EU wiederholt für konkrete Lösungen eingesetzt. Daneben wurden die Zusammenarbeit im Verkehrs- und Energiebereich sowie die anhaltend hohen Zahlen von Migrantinnen und Migranten thematisiert, die für unser südliches Nachbarland ein wichtiges innen- und europapolitisches Thema bleiben. Dabei ist die gute Zusammenarbeit mit Italien an unserer Südgrenze hervorzuheben. Infolge der Reorganisation der Provinzen in Italien wurde eine Änderung der Statuten der «Regio Insubrica» notwendig. In dieser arbeiten nunmehr die Regionen Lombardei und Piemont als Mitglieder auf italienischer Seite mit dem Kanton Tessin grenzüberschreitend zusammen. Bei den mit Norditalien diskutierten Themen konnte insbesondere auch in Umweltfragen der Dialog intensiviert werden.

Zahlreiche bilaterale Treffen und Gespräche mit Frankreich haben das Jahr 2016 massgeblich geprägt. Den Auftakt machte ein Treffen zwischen dem Bundespräsidenten und seinem französischen Amtskollegen im Januar 2016 in Colmar. Die bei dieser Gelegenheit verabschiedete gemeinsame Erklärung zum Flughafen BaselMülhausen (EAP) stellte eine wichtige Etappe im Dialog über das auf Unternehmen im Schweizer Zollsektor des Flughafens anwendbare Steuerrecht dar. Auf der Basis dieser politischen Erklärung konnte im Laufe des Berichtsjahrs ein Abkommen für das Steuerregime am Flughafen Basel-Mülhausen zwischen Frankreich und der Schweiz ausgehandelt und am 2. November paraphiert werden. Der Abschluss dieses Abkommens ermöglicht eine dauerhafte rechtliche Regelung im Steuerbereich und gewährleistet die Weiterentwicklung und Attraktivität des Flughafens sowie dessen Aktivitäten. Sobald sich die EU für die Genehmigung einer Ausnahme im Bereich der Mehrwertsteuer im Schweizer Sektor des Flughafens entschieden hat,
können die für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens geltenden nationalen Verfahren eingeleitet werden. Dadurch wird die heutige Praxis bestätigt, die die Anwendung der Schweizer Mehrwertsteuer im Schweizer Sektor vorsieht. In der Schweiz wird das Abkommen dem Parlament unterbreitet. Die Polizei- und Zollzusammenarbeit sowie Fragen zur Europapolitik ­ insbesondere die Notwendigkeit, eine Lösung für das bilaterale FZA zu finden ­ waren ebenfalls Gegenstand von Gesprächen zwischen den Vertretern beider Länder. Ausserdem führen Frankreich und die Schweiz ihre technischen Diskussionen über Fragen bezüglich des gegenseitigen Zugangs zum Finanzmarkt fort. Im Sport konnte die Schweiz anlässlich der Fussball-Europameisterschaft sowie der Tour de France, die im Sommer in der Schweiz gastierte, mit ihrem Nachbarn Frankreich Höhepunkte feiern. Ferner war 2016 das 500-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung des «Ewigen Friedens» (Abkommen von Freiburg vom 29. November 1516), das an die lange Freundschaft zwischen Frankreich und der Schweiz erinnern soll und in dessen Rahmen verschiedene Veranstaltungen in Freiburg und in Paris stattfanden. In den grenzüberschreitenden Beziehungen zu Frankreich konnten mehrere konkrete Fragen einer Lösung zugeführt werden. So wurden insbesondere im Bereich der Gesundheit und der 1307

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Sozialversicherungen Fortschritte erzielt, sodass das Gesundheitsrahmenabkommen nach langjährigen Verhandlungen am 27. September 2016 unterzeichnet werden konnte. Weiter wurden die im Vorjahr begonnenen Gespräche zur Wasserbewirtschaftung im Rhone-Becken weitergeführt. Ein aktuelles Diskussionsthema bleibt zudem der grenzüberschreitende Schienenverkehr. Auf regionaler Ebene wurde im Berichtsjahr in der Region Genf die Rolle der verschiedenen grenzüberschreitenden Gremien sowie ihr Verhältnis zueinander geklärt und im Jurabogen eine neue grenzüberschreitende Zusammenarbeitsstrategie erarbeitet.

Die erste Auslandreise des Bundespräsidenten Ende Januar ging traditionsgemäss nach Österreich, wo er seinen Amtskollegen Heinz Fischer und den Vizekanzler Reinhold Mitterlehner traf. Nach dem Wechsel an der Regierungsspitze in Österreich fanden auch Treffen mit dem neuen Bundeskanzler Christian Kern statt. Die von einer äusserst regen Besuchsdiplomatie geprägten bilateralen Beziehungen mit Wien wurden massgeblich durch Fragen der Europa- und Migrationspolitik geprägt.

Die Flüchtlingssituation in Europa und die damit verbundenen Herausforderungen für den Kontinent blieben beim Austausch mit den österreichischen Gesprächspartnern ein regelmässig wiederkehrendes Thema. Die Schweiz und Österreich pflegen auch einen intensiven Dialog hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit in den verschiedensten Bereichen, darunter Forschung, Berufsbildung, Kultur und konsularische Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürgern im Ausland. Im April 2016 trat ein im Dezember 2015 unterzeichnetes Konsularabkommen in Kraft, womit das Dienstleistungsangebot für die Bürgerinnen und Bürger der beiden Vertragsparteien erweitert werden soll. Vor allem sollen diese Dienstleistungen in einer grösseren Anzahl Länder zur Verfügung stehen. Österreich wird im Jahr 2017 den Vorsitz der OSZE übernehmen und ist ein wichtiger Partner der Schweiz in Sicherheitsfragen (vgl. Ziff. 3.3.1).

Die engen und vertrauensvollen Beziehungen mit Liechtenstein wurden auch im Berichtsjahr durch zahlreiche hochrangige Besuche und Treffen gepflegt, wobei wiederum alle Bundesratsmitglieder zum Teil mehrmals mit liechtensteinischen Regierungsmitgliedern zusammentrafen. Liechtenstein verlieh dabei insbesondere seinem grossen Interesse an einer Lösung zur Personenfreizügigkeit
Schweiz­EU sowie seinem Wunsch nach einer noch engeren Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen Ausdruck. Aufgrund des neuen Auslandschweizergesetzes vom 26.

September 2014 (ASG)16 müssen sich die in Liechtenstein lebenden Schweizer im Auslandschweizerregister eintragen. Weil Liechtenstein dem Konsularkreis Wien untersteht, beschloss die Schweiz, einen Honorargeneralkonsul in Vaduz zu ernennen, welcher seine Funktion im November aufnahm. Damit wurde auch ein Zeichen der Wertschätzung für die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen mit Liechtenstein gesetzt.

16

SR 195.1

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3.1.3

Beziehungen zu anderen EU-/EFTA-Staaten

Der Bundesrat hat mit den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zahlreiche Gespräche geführt, um gemeinsam mit der EU eine Lösung für eine bessere Steuerung der Zuwanderung zu finden. Dabei soll auch der bilaterale Weg gestärkt werden. Insbesondere mit der im Turnus wechselnden EU-Ratspräsidentschaft fanden mehrere Gespräche statt. So reiste der EDA-Vorsteher zu Beginn der niederländischen EURatspräsidentschaft im Januar 2016 nach Den Haag. Weiter kam er vor und während der slowakischen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2016 mehrmals mit dem slowakischen Aussenminister Lajcak zusammen. Der Bundespräsident reiste im Juni nach Bratislava und empfing vier Monate später den slowakischen Präsidenten Kiska in der Schweiz. Im Hinblick auf die EU-Ratspräsidentschaft Maltas im ersten Semester 2017 flogen der EDA-Vorsteher im März und der Bundespräsident im September nach Valletta. Dieser zweitägige Besuch war der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten in Valletta seit der Ausrufung der Republik Malta im Jahr 1964.

Die Mitglieder des Bundesrates nutzten multilaterale Treffen und Anlässe, um die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten für die Positionen der Schweiz gegenüber der EU zu sensibilisieren, so etwa das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, eine Konferenz zu Syrien in London, die Ministertreffen der OSZE in Potsdam und Hamburg, den humanitären Weltgipfel in Istanbul (WHS), das «Asia-Europe Meeting»(ASEM) in Ulan Bator oder auch die UNO-Generalversammlung in New York.

Ausserdem wurden im Oktober die Aussenminister Schwedens und Norwegens in Neuenburg empfangen, während im November der polnische Präsident Andrzej Duda in Bern zu Besuch war. Kontakte wurden vor allem auch mit den Ländern der Visegrad-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) gepflegt, die wichtige Wirtschaftspartner der Schweiz sind und innerhalb der europäischen Institutionen in Brüssel über beachtlichen Einfluss verfügen. Nebst den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ging es bei den verschiedenen Gesprächen mit den Partnerländern und Mitgliedstaaten der EU auch um die Zusammenarbeit im Migrations- und im Asylbereich im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Europa. Weitere wiederkehrende Themen waren die Bekämpfung des Terrorismus und die Prävention von gewalttätigem Extremismus nach den verschiedenen
Attentaten mit vielen Opfern in Belgien und Deutschland.

Auch mit dem Vereinigten Königreich stand die Schweiz sowohl auf Ministerebene wie auch in technischen Fragen vor und nach dem Brexit-Entscheid der Briten am 23. Juni 2016 in regelmässigem Kontakt. So traf sich der Vorsteher des EDA am Rande eines internationalen Gipfeltreffens zur Korruptionsbekämpfung im Mai in London mit dem britischen Aussenminister. Im September empfing der Bundespräsident den britischen Staatsminister für Handelspolitik in Bern. In Anbetracht der intensiven Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sowie der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Brexit wurde eine Intensivierung des Dialogs zwischen den beiden Ländern beschlossen.

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3.2

Beziehung zu globalen Partnern

3.2.1

Schwerpunktländer

2005 definierte der Bundesrat eine Reihe von Schwerpunktländern, mit denen die Schweiz den Aufbau strategischer Partnerschaften anstrebt. Die Intensivierung und Diversifizierung dieser Partnerschaften bleibt ein Ziel der aktuellen Legislaturperiode. Die Länder werden hier in geografischer Reihenfolge von West nach Ost dargestellt.

Brasilien Als siebtgrösste Volkswirtschaft der Welt, Südamerikas politisches Schwergewicht und wichtiger multilateraler Akteur ist das BRICS- und G20-Mitglied Brasilien international von Bedeutung. Dieser Wichtigkeit Rechnung tragend, pflegt die Schweiz mit Brasilien seit 2008 eine strategische Partnerschaft, in deren Rahmen ein politischer Dialog geführt sowie in Wirtschaft, Wissenschaft, in den Bereichen Steuern und Finanzen, Migration, Konsularisches und Justiz eng zusammengearbeitet wird. Brasilien bleibt der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Lateinamerika (14 % der Schweizer Importe und 33 % der Exporte im Jahr 2015). Die bilaterale Zusammenarbeit wurde in den letzten Jahren ausgebaut. Im Jahr 2016, einem wirtschaftlich aufgrund der Rezession sowie politisch in Anbetracht der Amtsenthebung von Präsidentin Rousseff turbulenten Jahr für Brasilien, standen folgende Bereiche im Vordergrund: Im Zusammenhang mit dem Petrobras-Korruptionsskandal kam der gut funktionierenden bilateralen Rechtshilfe grosse Bedeutung zu. In Sachen Finanzfragen konnten 2016 nach dem Abschluss eines Steuerinformationsabkommens (SIA) im Jahr zuvor Gespräche über ein Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen werden. Der Dialog zwischen der EFTA und dem südamerikanischen Handelsblock MERCOSUR, dem Brasilien angehört, über ein mögliches Freihandelsabkommen wurde abgeschlossen, wobei sich Brasilien unter anderem anlässlich von Arbeitstreffen des Bundespräsidenten in Brasilia im August neu klar als Befürworter einer Marktöffnung manifestiert hat. Eine im März anlässlich des jährlich stattfindenden politischen Dialogs unterzeichnete Absichtserklärung steckt den Rahmen für eine engere wissenschaftliche Zusammenarbeit im AmazonasRegenwald sowie für einen regelmässigen Austausch im Menschenrechtsbereich ab.

Dazu ist Brasilien ein prioritäres Partnerland der Schweiz im Bereich Forschung.

Seit 2014 besteht in São Paulo eine Swissnex-Filiale. Die Aktivitäten von Präsenz Schweiz, die seit der
Fussballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien zur Förderung der Kenntnisse über die Schweiz geführt wurden, erlebten an den Olympischen und Paralympischen Sommerspielen von Rio de Janeiro ihren Höhepunkt und Abschluss.

Die Schweiz war in Rio mit einem sehr gut besuchten «House of Switzerland» vertreten (vgl. Ziff. 3.7, Landeskommunikation).

Vereinigte Staaten von Amerika Als unumgängliche Grösse in der internationalen Politik und aufgrund ihrer entscheidenden Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft sind die Vereinigten Staaten ein wichtiger strategischer Partner. Sie sind der zweitwichtigste Exportmarkt für Schweizer Produkte (10,6 % der Exporte im Jahr 2015 mit einem Zuwachs von 35,7 % in den vergangenen fünf Jahren) und die wichtigste Destination für schwei1310

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zerische Direktinvestitionen im Ausland (18,1 %). Daher nimmt die Schweiz zusammen mit den anderen EFTA-Staaten an einem «Trade Policy Dialogue» teil, um die Entwicklungen in den laufenden Verhandlungen zur Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den USA und der EU verfolgen und ihre Interessen geltend machen zu können. Donald Trump äusserte sich zu dieser Partnerschaft eher zurückhaltend. 2016 fanden rund vierzig hochrangige Treffen, davon sechs auf Bundesratsstufe, statt, was von der Intensität und Bedeutung der bilateralen Beziehungen zeugt. Dank der von Vertrauen geprägten Beziehungen zwischen dem Vorsteher des EDA und dem US-Aussenminister konnte die Schweiz ihre Gaststaatpolitik weiterführen. John Kerry reiste fünfmal für Syrien-Gespräche in die Schweiz und nahm beim sechsten Besuch am WEF in Davos teil. Die Stärke der Partnerschaft zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten zeigte sich insbesondere beim Austausch von insgesamt elf Personen zwischen Washington und Teheran am 17. Januar 2016, der dank dem diskreten und effizienten Engagement des EDA möglich war. Die Schweiz positioniert sich bei Themen, wo sie trotz der Asymmetrie zwischen den beiden Ländern einen echten Mehrwert bieten kann, so zum Beispiel in Finanzfragen und humanitären Angelegenheiten, bei Friedens- und Mediationsfragen, bei der Prävention von gewalttätigem Extremismus sowie in den Bereichen Innovation, Energie und Umwelt. Damit schafft es die Rahmenbedingungen, um sich bei den für die Schweiz zentralen Themen als natürlicher Partner zu positionieren und so die Rolle unseres Landes zu stärken.

Im Berichtsjahr hat die US-Regierung zahlreiche Initiativen gestartet, die das aussenpolitische Vermächtnis von Präsident Obama stärken sollen ­ unter anderem die Reise des Präsidenten nach Kuba, der Flüchtlingsgipfel, der NATO-Gipfel und die Unterstützung der afghanischen Streitkräfte sowie der Kampf gegen gewalttätigen Extremismus. Die Schweiz hat die amerikanischen Vorschläge aufmerksam verfolgt und diejenigen unterstützt, die auch ihrer Politik entsprachen. Zu nennen wären etwa das Engagement für die humanitäre Minenräumung in Kolumbien oder die Unterstützung für den «Global Community Engagement and Resilience Fund» (GCERF).

Vor dem Hintergrund der in den USA stattfindenden Wahlen bemühte
sich die Schweizer Botschaft in Washington während des zweiten Halbjahres, die Beziehungen zu den Wahlkampfmitarbeitenden der beiden Parteien zu intensivieren, um so die Verbindungen zur künftigen Regierung zu stärken. Die Schweiz ist gewillt, eine enge und auf starken gemeinsamen Interessen beruhende Partnerschaft fortzusetzen.

Der Bundesrat wird sich dabei auch künftig für Schweizer Anliegen wie einen liberalen Welthandel, Völkerrecht und eine multilateral abgestützte und regelbasierte Weltordnung sowie das Engagement gegen den Klimawandel einsetzen.

Südafrika Südafrika ist der wichtigste politische und wirtschaftliche Partner der Schweiz auf dem afrikanischen Kontinent. Die diplomatische Tätigkeit des Landes ist auf regionaler Ebene nach wie vor von zentraler Bedeutung ­ insbesondere innerhalb der Afrikanischen Union (AU), der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und der Südafrikanischen Zollunion (SACU) ­, doch hat Südafrika auch international gesehen Gewicht. Es ist als einziges afrikanisches Land Mitglied der G20 und gehört seit 2011 zu den BRICS- und den G77-Staaten. Südafrika wird heute als Land der mittleren Einkommensgruppe betrachtet und verfügt über die am 1311

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stärksten entwickelte und diversifizierte Wirtschaft Afrikas. Getragen wird diese vor allem durch den Dienstleistungssektor, insbesondere Finanzdienstleistungen, sowie durch die Förderung reich vorhandener Rohstoffe. Auf bilateraler Ebene gibt es verschiedene und vielfältige Kooperationsbereiche. Wirtschaftlich betrachtet zeichnet Südafrika für einen Viertel des gesamten Handelsvolumens zwischen der Schweiz und Afrika verantwortlich und zählt mit einem jährlichen Unterstützungsbeitrag von rund 15 Millionen Franken im Rahmen der Länderstrategie 2013­2016 des Leistungsbereichs «Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung» des SECO zu den Schwerpunktländern. Die Staatssekretärin für Wirtschaft IneichenFleisch reiste im September in Begleitung einer Delegation aus der Privatwirtschaft zu einem offiziellen Besuch nach Südafrika. Im Rahmen des 2008 unterzeichneten Memorandum of Understanding (MoU) zur Stärkung der diplomatischen Zusammenarbeit fand im Oktober die siebte Runde der hochrangigen politischen Konsultationen statt. In diesem Zusammenhang empfing Staatssekretär Rossier den südafrikanischen Vizeminister für auswärtige Angelegenheiten in Bern. Die Gesprächsthemen betrafen unter anderem die internationale Politik, Menschenrechte, Finanzfragen, die wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie die Berufsbildung. Südafrika zählt seit 2010 zu den wichtigsten Partnerländern der Schweiz in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation. Dank der zahlreichen Projekte im Rahmen dieser Kooperation kam es in den vergangenen Jahren zu einer Verstärkung der gemeinsamen Anstrengungen, dies insbesondere durch das Entwicklungsprogramm «Science to Business» und die Schaffung bilateraler Forschungslehrstühle. Mit dem im Juni erfolgten Austausch zwischen dem SBFI und dem «Department of Higher Education and Training» zwecks Umsetzung konkreter Massnahmen in der Berufsbildung wurde die Zusammenarbeit in diesem Bereich 2016 weiter ausgebaut.

Türkei Die Türkei ist ein wichtiger Partner mit zahlreichen und vielfältigen Beziehungen zur Schweiz. Aufgrund der aktuellen Situation in der Türkei und der Rolle des Landes in der Region ist neben der bilateralen Zusammenarbeit auch die Kooperation im Bereich der Friedenspolitik, der humanitären Hilfe und des multilateralen Engagements von Interesse. Regelmässige
Kontakte auf hohem Niveau ermöglichten einen offenen und konstruktiven Dialog. Zur Unterstützung von syrischen, irakischen, afghanischen, iranischen und weiteren Flüchtlingen auf türkischem Territorium führte die Schweiz ihr Engagement für Projekte von lokalen sowie internationalen Partnerorganisation und den Aufbau der türkischen Migrationsbehörde auch 2016 weiter. Seit 2015 unterstützt die Schweiz türkische NGO, die in der Flüchtlingshilfe, inklusive im Südosten des Landes, tätig sind. Nebst Projektbeiträgen unterstützt sie diese NGO auch beratend beim Ausbau ihrer operationellen Kapazitäten. Das mit der Türkei ausgehandelte bilaterale Rückübernahmeabkommen muss noch unterzeichnet werden. Der Bundesrat hat den Putschversuch von Mitte Juli umgehend verurteilt und verfolgt die Entwicklungen vor Ort genau. Er stellt das Recht der Türkei nicht in Frage, sich gegen Umsturzversuche und terroristische Angriffe zu verteidigen. Über das Ausmass der Massnahmen und die Einschränkung der Menschenrechte nach dem Putschversuch drückte die Schweiz indes ihre Besorgnis aus. Sie rief die Türkei wiederholt dazu auf, sowohl die Grundfreiheiten als 1312

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auch die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit zu respektieren und ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten. Die Schweiz hat den türkischen Behörden sowohl auf bilateraler wie auch multilateraler Ebene (OSZE, Europarat, UNO) wiederholt diese Haltung dargelegt; so auch während des Treffens zwischen dem Vorsteher des EDA und dem türkischen Aussenminister Çavuolu, am 3. November in Bern. Angesichts der aktuellen Herausforderungen erachtet der Bundesrat einen offenen, direkten sowie kritisch-konstruktiven Dialog mit der türkischen Regierung als das zielführendste Mittel um sich für die Interessen und Werte der Schweiz einzusetzen, zu denen unter anderem die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gehören. Mit Blick auf die anhaltenden Spannungen und die Verschlechterung der Situation im Südosten der Türkei hat die Schweiz zudem mehrmals ihre Bereitschaft geäussert, einen aktiven Beitrag zur Annäherung der Parteien zu leisten, falls sie darum ersucht wird. Die türkische Regierung liess bisher jedoch verlauten, dass sie die Beilegung der Kurdenfrage ohne Fazilitation oder Mediation von aussen, sei es von der Schweiz oder von anderswo, lösen wolle (vgl. Ziff. 1.1.1 und 1.3.2).

Russland Russland ist und bleibt ein wesentlicher Akteur zur Gewährleistung von Stabilität und Wohlstand in Europa und ein wichtiger Partner für die Schweiz. Trotz des Rückgangs der hochrangigen Treffen seit Beginn des Ukrainekonflikts im Jahr 2014 hat die Schweiz 2016 ihre aktive Dialogpolitik gegenüber Russland weitergeführt.

Vor dem Hintergrund wachsender internationaler Spannungen lag eine der Prioritäten der Schweiz bei ihren Kontakten mit Russland in der Suche nach friedlichen Lösungen für die Konflikte in der Ostukraine und in Syrien. Die Schweiz bemühte sich, über ihre Tradition der Guten Dienste die Kontakte zwischen Russland und seinen Partnern zu fördern und den Dialog aufrechtzuerhalten. So unterstützt sie beispielsweise weiterhin die Organisation der «Internationalen Genfer Gespräche», an denen Russland, Georgien und die Vereinigten Staaten sowie auch die separatistischen Kräfte Abchasiens und Südossetiens teilnehmen. Im Rahmen ihres friedenspolitischen Engagements hat sich die Schweiz aktiv für die OSZE als Plattform für den Dialog über Sicherheit in Europa eingesetzt (vgl. Ziff. 3.3.1,
OSZE). Darüber hinaus hat sie ihr Mandat als Vertreterin russischer Interessen in Georgien und georgischer Interessen in Russland weiter wahrgenommen. Im Bemühen um eine Diversifizierung der Handelspartner der Schweiz stand auch die Förderung wirtschaftlicher Beziehungen weiter im Fokus. Diese verschiedenen Themen wurden anlässlich des Treffens zwischen Bundesrat Burkhalter und seinem russischen Amtskollegen Lawrow vom April 2016 in Moskau sowie während ihres Treffens am Rande der UNO-Generalversammlung in New York aktiv diskutiert. Nebst den regelmässigen politischen Konsultationen zwischen Staatssekretär Rossier und Vizeaussenminister Titow haben die Schweiz und Russland 2016 die im Jahr 2007 begonnenen und jährlich stattfindenden technischen und thematischen Konsultationen weitergeführt, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Sicherheitspolitik. Im Juni fand ausserdem der Finanzdialog auf Ministerebene in Moskau statt. Schliesslich führten die Schweiz und Russland ihre Zusammenarbeit in den Bereichen Jugendstrafrecht und Katastrophenhilfe fort.

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Indien Indiens relative Wichtigkeit nimmt stetig zu. Voraussichtlich wird der Subkontinent um 2025 das bevölkerungsreichste Land der Welt und aufgrund seines weiterhin starken Wachstums womöglich ab etwa 2030 eine der drei grössten Volkswirtschaften sein. Bereits heute ist Indien G20-Mitglied und die bevölkerungsreichste Demokratie. Indien war zudem stets ein führendes Mitglied der Bewegung der blockfreien Staaten und nimmt aktiv und selbstbewusst an verschiedensten multilateralen Verhandlungen teil. Wirtschaftlich ist Indien als IT- und Forschungsstandort gerade für multinationale Unternehmen sowie als Touristen-Herkunftsland von zunehmendem Interesse. Unter anderem auch aufgrund der Vertretung der Interessen Indiens in Pakistan ­ und der Interessen Pakistans in Indien ­ nach dem Unabhängigkeitskrieg zwischen Pakistan und Bangladesch 1971 pflegt die Schweiz gute Beziehungen zu Indien. Vor diesem Hintergrund werden die bilateralen Beziehungen mit Indien intensiviert und aufgewertet. Dies konnte 2016 insbesondere mit dem Treffen des indischen Premierministers Modi mit Bundespräsident Schneider-Ammann im Juni in Genf erreicht werden. Im Oktober wurde zudem während des Besuchs von Bundesrätin Sommaruga in Delhi ein Paket von drei Abkommen unterzeichnet: eine technische Vereinbarung über die Identifikation und Rückkehr, ein Begleitpersonenabkommen und ein Visabefreiungsabkommen für Diplomaten. Nach zweieinhalbjähriger Pause konnten auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (Abkommen über eine Handels- und Wirtschaftspartnerschaft) zwischen der EFTA und Indien mit der 14. Verhandlungsrunde im Oktober in Genf wieder aufgenommen werden.

Bemerkenswert ist die Vielzahl der thematischen Kontakte zwischen Indien und der Schweiz, welche ihren Ausdruck auch in formell etablierten thematischen Dialogen findet. Am Rande des «Zweiten Internationalen Berufsbildungskongress» in Winterthur im Juni 2016 schlossen der indische Berufsbildungsminister Rudy und Staatssekretär Dell'Ambrogio ein Memorandum of Understanding (MoU) über die Zusammenarbeit im Bereich der Berufsbildung ab. Die hierdurch neu geschaffene «Joint Working Group in Skill Development as well as Vocational Education and Training» soll Kooperationsmöglichkeiten unter Einbezug relevanter Partner und Akteure der Berufsbildung erörtern. Im Juli
fand in Delhi eine weitere Runde des Finanzdialogs statt und im November konnte eine gemeinsame Erklärung zur Einführung des automatischen Informationsaustauschs unterzeichnet werden. Auch die «Gemeinsame Wirtschaftskommission Schweiz­Indien» traf im Oktober in Bern wieder zusammen. Alle wichtigeren bilateralen Anliegen der Schweiz und Indiens werden zudem in den regelmässig stattfindenden politischen Konsultationen thematisiert. Diese fanden im März in Bern auf Stufe Staatssekretär statt.

China China ist seit 2010 der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien und volumenmässig der drittgrösste nach der EU und den USA. Weiter zeichnet sich die Chinapolitik der Schweiz durch die umfangreiche Themenpalette aus, welche die bilateralen Beziehungen prägt. Die beiden Länder führen gut zwanzig sektorielle Dialoge, über die konkrete Fortschritte bei zahlreichen Fragen erzielt werden können. Dazu gehören auch Themen wie Menschenrechte, Migrationsströme, Finanzbe1314

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ziehungen, Umwelt und Entwicklung, Sicherheit oder geistiges Eigentum. 2016 wurden neue thematische Dialoge lanciert ­ einer über Korruptionsprävention und ein anderer über die Koordination innerhalb der UNO. Die Intensität der bilateralen Beziehungen spiegelt sich im hohen Rhythmus der Besuche und Treffen auf höchster Ebene. Eine der Herausforderungen ist die Begleitung und Koordination der zahlreichen bilateralen Kontakte und Dialoge. Dazu wurde mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung im Jahr 2007 ein politischer Dialog institutionalisiert.

Dieser sieht jährliche Aussenministertreffen vor. China ist das einzige asiatische Land, mit dem die Schweiz einen jährlichen politischen Dialog auf Ministerebene führt.

Im Berichtsjahr waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und China vom Staatsbesuch des Bundespräsidenten in Peking und Shanghai im April geprägt.

Dabei verständigten sich die Präsidenten der beiden Länder auf einen neuen Rahmen für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen innerhalb einer «Innovativen Strategischen Partnerschaft». Letztere bestätigt und bekräftigt den Pioniercharakter der Schweizer Chinapolitik in sämtlichen Bereichen. Die Intensität und Vielfältigkeit der bilateralen Zusammenarbeit waren ausserdem Anlass für mehrere Reisen und Treffen auf höchster Ebene. Bundesrat Burkhalter und sein chinesischer Amtskollege trafen sich zweimal zu politischen Gesprächen, das erste Mal im Januar 2016 in Peking und das zweite Mal im Dezember 2016 in Neuenburg. Auf Einladung des chinesischen G20-Vorsitzes nahm Bundesrat Maurer in Begleitung des Präsidenten des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an den Treffen der G20-Finanzminister teil, davon je einmal in Shanghai und Chengdu sowie zweimal in Washington. Ferner lud China die Schweiz ein, zum ersten Mal an den Gesprächen der G20 zur Korruptionsbekämpfung teilzunehmen (vgl.

Ziff. 3.5.1). Im August traf Bundesrätin Leuthard den chinesischen Vizepräsidenten Li Yuanchao sowie weitere chinesische Amtskollegen aus den Bereichen Energie, Umwelt und Verkehr zu Gesprächen in Peking. Die bilateralen Treffen im Rahmen der thematischen und sektoriellen Dialoge verliefen planmässig. Eine Dialogrunde zu den Menschenrechten fand im Mai statt, die Sitzung des Gemischten Ausschusses des Freihandelsabkommens im September und der
Migrationsdialog im Oktober.

Der Dialog zur Korruptionsbekämpfung und zur Rückgabe unrechtmässig erworbener Vermögenswerte erfolgte im Dezember und jener zu multilateralen Fragen im Zusammenhang mit der UNO im Mai. Mit der Eröffnung von zwölf neuen Visaannahmestellen der Schweiz in China (vgl. Ziff. 3.6) konnten auf konsularischer Ebene bedeutende Fortschritte erzielt werden. Im Februar entschied der Bundesrat, in Chengdu ein neues Generalkonsulat zu eröffnen, das 2017 den Betrieb aufnimmt.

Japan Japan ist die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt, Mitglied der IndustrieländerGruppen G7 und G20 und für die Schweiz ein bedeutender Partner in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Schweiz unterhält mit Japan stabile und solide bilaterale Beziehungen mit klaren Rahmenbedingungen. Eine Ausnahme gibt es im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen. Aufgrund der in Japan immer noch angewandten Todesstrafe ist der Abschluss eines neuen bilateralen Abkommens hier nach wie vor blockiert. Auf multilateraler Ebene liegen die Positionen beider Länder sowohl innerhalb der UNO wie auch innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) 1315

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sehr nahe beieinander. Die Schweiz geniesst in Japan einen guten Ruf. Sie gilt als bevorzugtes Reiseziel und ist in verschiedenen Bereichen Vorbild. Die humanitäre Hilfe der Schweiz nach den Katastrophen von 2011 in Japan und die zahlreichen Aktivitäten im Rahmen des 150-Jahr-Jubiläums der offiziellen diplomatischen Beziehungen im Jahr 2014 haben diesen Ruf weiter gefestigt. Die wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind sehr eng. Japan ist der viertgrösste Exportmarkt der Schweiz in Asien. Die beiden Länder haben zahlreiche bilaterale Abkommen zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit abgeschlossen. Besonders erwähnenswert ist die 2009 erfolgte Unterzeichnung des Abkommens über Freihandel und wirtschaftliche Partnerschaft. Darüber hinaus führen die beiden Länder alle achtzehn Monate einen Finanzdialog. Im Januar unterzeichneten die Schweiz und Japan eine Vereinbarung zur raschen Einführung des automatischen Informationsaustauschs gemäss OECD-Standard.

Seit einigen Jahren gewinnt das Dossier zur bilateralen Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung an Bedeutung. Zudem ist Japan ein unverzichtbarer Partner in sämtlichen Bereichen der Sicherheit weltweit und insbesondere in Asien. Zwecks Gesamtregelung und Strukturierung der bilateralen Kontakte wurde 2010 mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung ein politischer Dialog eingerichtet. Dieser sieht regelmässige Treffen zwischen dem japanischen Vizeaussenminister und dem Staatssekretär des EDA vor. Der letzte politische Dialog fand im Dezember 2014 in Tokio statt. Der für April 2016 vorgesehene Besuch des japanischen Premierministers in der Schweiz musste infolge des verheerenden Erdbebens, von dem das Land heimgesucht wurde, verschoben werden. Anlässlich des Besuchs von Staatssekretärin Ineichen-Fleisch im Oktober konnte nach mehreren Jahren wieder eine Sitzung des Gemischten Ausschusses des Freihandelsabkommens und der wirtschaftlichen Partnerschaft stattfinden.

3.2.2

Westlicher Balkan

Die Länder des westlichen Balkans (Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Albanien) bleiben eine wichtige Region für die schweizerische Aussenpolitik. Aufgrund enger Bindungen ­ rund 400 000 aus dieser Region stammende Menschen leben in unserem Land ­ hat die Schweiz ein grosses Interesse an Frieden, Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität auf dem Balkan. Dementsprechend ist das schweizerische Engagement primär auf die Bereiche Transitionshilfe, menschliche Sicherheit, Friedenssicherung und Migration ausgerichtet. Dies in enger Koordination mit den örtlichen Behörden, anderen Geberländern und internationalen Organisationen wie der EU, der UNO sowie den internationalen Finanzinstitutionen. Im Bereich der Sozialversicherungen hat der Bundesrat am 16. November unter anderem ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Abkommen mit dem Kosovo erteilt.

Die Schweiz beteiligt sich im Kosovo durch die Entsendung von maximal 235 Armeeangehörigen (SWISSCOY) an den friedenserhaltenden Einsätzen der internationalen «Kosovo Force» (KFOR). Die Botschaft zur Verlängerung dieses Mandats über das Jahr 2017 hinaus wird in der Frühjahrs- oder Sommersession 2017 an das 1316

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Parlament überwiesen. Im Rahmen der Stabilisierungsmission der EUFOR ALTHEA blieben zwei schweizerische Beobachtungsteams mit maximal zwanzig Armeeangehörigen sowie bis zu sechs Kleinwaffen- und Munitionsexperten in Bosnien-Herzegowina stationiert. Mit diesen Missionen geht auch ein verstärktes Engagement bei der Transitionshilfe mit den Ländern des Westbalkans und im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kosovo einher. Diese Partnerschaften und die engen Beziehungen der Schweiz zur Region wurden infolge der Migrationskrise in Europa intensiviert. In diesem Zusammenhang gewährte unser Land den betroffenen Staaten rasche Unterstützung.

2016 wurden die politischen Kontakte mit diversen Ländern der Region konsolidiert und punktuell ausgebaut. So traf sich Bundesrätin Sommaruga im Februar mit ihrer mazedonischen Amtskollegin Jashari in Bern. Bundesrat Parmelin reiste im Mai in den Kosovo, wo er Premierminister Mustafa traf. Im Juni empfing Bundespräsident Schneider-Ammann den serbischen Premierminister Vucic in Bern und im November traf Bundesrat Burkhalter den kosovarischen Aussenminister Hoxhaj in Bern.

3.2.3

Osteuropa und Zentralasien

2016 konzentrierte die Schweiz ihre Politik im Südkaukasus weiterhin auf Friedensförderung und Entwicklungshilfe (vgl. Ziff. 3.3.4, Geografische Schwerpunkte, und Ziff. 3.4.6). Die Schweiz beteiligte sich im Oktober anlässlich der Parlamentswahlen in Georgien an den Wahlbeobachtungen der OSZE. Sie vertritt weiterhin die russischen Interessen in Georgien und die georgischen Interessen in Russland. Ferner hat sie ihre Anstrengungen zur effektiven Umsetzung des 2011 unterzeichneten russisch-georgischen Abkommens über die Zollverwaltung fortgesetzt. Höhepunkt der regelmässigen politischen Kontakte mit Georgien in diesem Jahr war der Besuch von Premierminister Kwirikaschwili beim Bundespräsidenten im Juni. Des Weiteren traf Bundesrat Burkhalter seinen georgischen Amtskollegen in Genf und in Potsdam.

Aserbaidschan ist nach wie vor der bedeutendste Wirtschaftspartner der Schweiz in der Region und auch ein wichtiges Mitglied der Stimmrechtsgruppe in den BrettonWoods-Institutionen. Sowohl zu Aserbaidschan wie auch zu Armenien pflegt die Schweiz auf verschiedenen Ebenen regelmässige politische Kontakte. 2016 wurden anlässlich der Treffen zwischen dem Vorsteher des EDA und seinen Amtskollegen Nalbandjan und Mammadyarov mit den beiden Ländern Abkommen zur erleichterten Ausstellung von Visa unterzeichnet. Zudem konnte mit Aserbaidschan ein Rückübernahmeabkommen unterschrieben werden. Mit Armenien ist ein solches bereits seit dem Jahr 2005 in Kraft. Auch nach der Unterzeichnung der Protokolle von Zürich im Jahr 2009 bleibt die Schweiz einer Annäherung zwischen den Ländern in der Region im Allgemeinen und zwischen der Türkei und Armenien im Besonderen verpflichtet.

Das Engagement der Schweiz in der Ukraine ist weiterhin vielseitig und intensiv.

Vereinfacht dargestellt konzentriert es sich auf zwei Schwerpunkte: Einerseits unterstützt die Schweiz den Reformprozess in der Ukraine, andererseits engagiert sie sich bilateral und im Rahmen multilateraler Gremien für eine Konfliktlösung in der Ostukraine. Die Reformbemühungen reihen sich in die langjährigen und langfristigen Projekte der DEZA und des SECO ein und sind in die Kooperationsstrategie 1317

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2015­2018 eingebettet. Konkret leistet die Schweiz Unterstützung in den Bereichen gute Regierungsführung, Gesundheit, nachhaltige Energiewirtschaft sowie finanzielle und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Weiter beteiligt sich die Schweiz an der international koordinierten Währungshilfe zugunsten der Ukraine. Der von der Schweiz bereitgestellte Kredit von bis zu 200 Millionen Dollar ist Bestandteil einer international breit abgestützten koordinierten Hilfsaktion der Staatengemeinschaft zur finanziellen Stabilisierung der Ukraine. Er ist an die Umsetzung des Programms des Internationalen Währungsfonds (IWF) gebunden und darf nicht zur Finanzierung des Militärbudgets verwendet werden.

Der zweite Schwerpunkt, also das friedenspolitische und humanitäre Engagement der Schweiz im Zusammenhang mit dem Konflikt im Donbass, wird unter Ziffer 3.3.4 aufgeführt. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die Schweiz neben ihrem Engagement im Rahmen der OSZE auch die Anstrengungen des Europarats unterstützt, eine regelmässige Berichterstattung über die Menschenrechtslage auf der Krim zu erreichen (vgl. Anhang Europarat). Zudem hat die Schweiz auch im Berichtsjahr als einziger staatlicher Akteur humanitäre Konvois über die Kontaktlinie in die Ostukraine durchgeführt und Gebiete beidseits der Kontaktlinie mit Chemikalien und Sand zur Trinkwasseraufbereitung sowie mit medizinischen Gütern versorgt. Ende Mai wurde zum ersten Mal seit Ausbruch des Konflikts ein Transport mit der Bahn organisiert. Ein zweiter Bahntransport konnte im September durchgeführt werden (vgl. Ziff. 3.4.2).

Als Höhepunkt der bilateralen Besuchsdiplomatie hat Bundespräsident SchneiderAmmann seinen ukrainischen Amtskollegen während des WEF im Januar getroffen.

Der Wille zu einer engeren Zusammenarbeit ist zudem durch die Verabschiedung eines MoU zur Zusammenarbeit der Aussenministerien bekräftigt worden. Dieses wurde im April von Staatssekretär Rossier und dem ukrainischen Vizeaussenminister Prystaiko am Rande der regelmässigen politischen Konsultationen unterzeichnet.

Die Schweiz führte ihre Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten im vergangenen Jahr fort. Pfeiler der schweizerischen Aussenpolitik in dieser Region blieben die Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten im Rahmen der Schweizer Stimmrechtsgruppen in den Bretton-Woods-Institutionen
und die Entwicklungszusammenarbeit, namentlich in den Bereichen Wasserversorgung, Gesundheit, Förderung der Privatwirtschaft sowie humanitäre Hilfe und Menschenrechte. Vertiefte Wirtschaftsbeziehungen unterhält die Schweiz in erster Linie mit Kasachstan, wo auch die Weltausstellung Expo 2017 stattfinden wird. Im Juli fand in Almaty auf Einladung Kasachstans eine von Bundesrat Maurer geleitete Tagung der schweizerischen Stimmrechtsgruppe in den Bretton-Woods-Institutionen statt, gefolgt von Arbeitsbesuchen des Vorstehers des Finanzdepartements in Turkmenistan und Aserbaidschan. Mit Turkmenistan schloss die Schweiz zudem anlässlich eines Treffens von Bundesrat Maurer mit dem turkmenischen Finanzminister Muhammetguly Muhammedov im November in Bern ein MoU für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Finanzministerien ab. Im Migrationsbereich schlossen Kirgisistan und die Schweiz im September ein Visaabkommen für Diplomaten ab. Politische und Menschenrechtskonsultationen wurden im Sommer mit Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan durchgeführt.

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3.2.4

Amerikanischer Kontinent 17

Entwicklungen in der Region In Lateinamerika war das Jahr 2016 durch die dynamischen regionalen Wirtschaftsverbände gekennzeichnet: Die Verhandlungen für das transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPP), das insbesondere Kanada, die Vereinigten Staaten, Mexiko, Peru und Chile umfasst, konnten im Februar erfolgreich abgeschlossen werden, wobei die Ratifizierung ungewiss bleibt; die Pazifik-Allianz (Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile) setzte mit dem im Mai in Kraft getretenen Protokoll zur Abschaffung der Zölle zwischen den Mitgliedstaaten für 92 Prozent der Handelswaren ihre wirtschaftliche Integration fort, und der MERCOSUR hat ­ unter dem Druck der neuen liberalen Regierungen in Argentinien und Brasilien ­ seine Anstrengungen im Hinblick auf Freihandelsabkommen mit der EU und der EFTA fortgesetzt. Allerdings ist der MERCOSUR von einer gewissen Trägheit befallen, und der Dialog zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere mit Venezuela, gestaltet sich schwierig.

Der Kontinent bleibt geprägt von zahlreichen lokalen Spannungen aufgrund von Gouvernanzproblemen und Phänomenen wie Korruption, Gewalt und Straflosigkeit.

Obwohl «Drogenboss» Joaquín «El Chapo» Guzmán gefasst wurde, geht der Drogenhandel in Mexiko ungehindert weiter, und auch in Ländern wie El Salvador, Honduras, Guatemala sowie Kolumbien, Venezuela und Brasilien gehen zahlreiche Tötungsdelikte auf das Konto von Drogenbanden. Die Wirtschaftskrise hat Venezuela, das fast ausschliesslich von Erdölexporten abhängig ist, an den Rand einer humanitären Katastrophe geführt. Es fehlt an lebensnotwendigen Gütern, und die politischen und sozialen Spannungen sowie die autoritären Tendenzen der Regierung von Präsident Maduro haben sich vor dem Hintergrund der Krise weiter verstärkt. In Nicaragua hat Präsident Ortega seine Frau als Vizepräsidentin für die Wahlen vom 6. November aufgebaut. Mit 71 Prozent der Stimmen wurde er für eine vierte Amtszeit von fünf Jahren wiedergewählt, wobei die politischen Akteure die Wahlbeteiligung kritisierten. Wegen angeblich irregulären Rahmenbedingungen, verlangt die Opposition eine Neuauflage der Wahl unter Beteiligung internationaler Beobachter. In Haiti wurden die erste Runde der Präsidentschaftswahlen und die Parlamentsnachwahlen aufgrund der Schäden, die der Wirbelsturm Matthew angerichtet hatte, auf den 20. November
2016 verschoben. Jovenel Moïse, der vom früheren Staatschef Michel Martelly ausgewählte Kandidat, holte den Sieg im ersten Wahlgang.

Die Konjunkturabkühlung und der Rückgang von Steuereinnahmen aufgrund des Zerfalls der Rohstoffpreise hat die Politik des staatlichen Interventionismus zur Umverteilung des Reichtums erschüttert. Während das vergangene Jahrzehnt durch eine wachsende Zahl von Subventionssystemen geprägt war, sind die Regierungen heute mit geringeren Ressourcen sowie einer Zivilgesellschaft konfrontiert, die Korruptionsskandale nicht mehr einfach hinnimmt. Diese Entwicklung bekamen vor allem die Linksregierungen zu spüren, die von ihren Wählern abgestraft wurden. So wurden liberalere Politiker gewählt, wie etwa Mauricio Macri in Argentinien im Dezember 2015. Hinzu kamen Ereignisse wie in Venezuela im Dezember 2015, wo 17

Die Beziehungen zu Brasilien und den USA werden unter Ziffer 3.2.1 behandelt.

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die Opposition die Parlamentswahlen für sich entschied, das Scheitern des von Präsident Evo Morales lancierten Referendums zur Änderung der bolivianischen Verfassung im Februar 2016 oder die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Roussef im Mai in Brasilien und ihre darauffolgende Absetzung im September. Mit der Wahl des liberalen Pedro Pablo Kuczynski im Juni in Peru scheint sich auf dem Subkontinent ein immer klarerer Trend hin zu Mitte-Rechts-Regierungen abzuzeichnen.

In Kolumbien führte der von Präsident Santos geleitete Friedensprozess im August zur Unterzeichnung eines globalen Friedensabkommens mit dem Ziel, den seit über einem halben Jahrhundert andauernden bewaffneten internen Konflikt offiziell zu beenden. Das Volk lehnte das Abkommen jedoch am 2. Oktober mit 50,2 Prozent ab. Die kolumbianische Regierung hat sofort Gespräche mit den Gegnern des Friedensabkommens sowie mit den FARC aufgenommen. Am 24. November wurde ein neuer Friedensvertrag unterzeichnet, den das kolumbianische Parlament am 30. November bestätigte. Das kolumbianische Verfassungsgericht kam in seinem Urteil vom 13. Dezember 2016 zum Schluss, dass das sogenannte «fast-track»Verfahren zur Verabschiedung von Umsetzungsgesetzen durch den Kongress auch ohne erneute Volksabstimmung grundsätzlich verfassungskonform sei. Die Modalitäten für die Verabschiedung der zur Umsetzung notwendigen Gesetzgebung wurden am 28. Dezember 2016 vom Parlament verabschiedet. Damit ist das innerstaatliche Genehmigungsverfahren für das Abkommen abgeschlossen.

Mit dem Sieg der Liberalen Partei in Kanada im Oktober 2015 und dem Antritt des neuen Premierministers Justin Trudeau bieten sich für die Schweiz zahlreiche Chancen innerhalb der neuen politischen Landschaft auf dem amerikanischen Kontinent.

So gibt es nun mehr «gleichgesinnte» Partner, die der Schweiz auf multilateraler Ebene näher stehen und die auch gegenüber dem wirtschaftlichen Austausch liberaler eingestellt sind.

Aktivitäten der Schweiz Dem Grundsatz der Universalität folgend und im Rahmen der Umsetzung konkreter Kooperationsinitiativen fanden politische Konsultationen mit Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Mexiko, Paraguay, Peru und Uruguay statt.

Bundespräsident Schneider-Ammann und Bundesrat Burkhalter gelang es bei ihren Reisen auf dem Kontinent, die
Schweiz zu profilieren und die bilateralen Beziehungen zu stärken. Im Juni reiste der Vorsteher des EDA nach Kanada, wo er Gespräche mit Aussenminister Dion und der Ministerin für Entwicklung und Frankophonie Bibeau führte. Bundesrätin Leuthard folgte ihm im Oktober und traf sich in Ottawa mit den kanadischen Amtskollegen zu Gesprächen über Energie- und Klimapolitik sowie über Verkehrsthemen. Die jeweiligen Diskussionen zeugten vom Willen beider Länder, ihren bilateralen Beziehungen neuen Schwung zu verleihen. In den Bereichen Frieden und Sicherheit, bei den Menschenrechten sowie auch in Konfliktregionen wird die Zusammenarbeit verstärkt. Ausserdem diskutierte Bundesrat Burkhalter mit seinem kanadischen Amtskollegen mehrfach den Schweizer Beitrag an eine Annäherung zwischen Kanada und dem Iran. Die Schweiz hat 2016 denn auch Gespräche zwischen den beiden Ländern fazilitiert, die unter anderem ­ mit

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Unterstützung Omans ­ zur Freilassung einer im Iran inhaftierten kanadischiranischen Professorin geführt haben.

Bundesrat Burkhalter unterzeichnete im Mai bei seinem Arbeitstreffen mit Argentiniens Aussenministerin Malcorra in Buenos Aires eine Erklärung über die Vertiefung der Kooperation. Zu den Kooperationsfeldern gehören die Menschenrechte, ein gemeinsames Forschungsprogramm sowie die Prüfung einer Zusammenarbeit im Rahmen der G20-Präsidentschaft Argentiniens 2018. Bundesrat Burkhalter traf auch Vizepräsidentin Michetti. Tags darauf besuchte Bundesrat Burkhalter seinen uruguayischen Amtskollegen Novoa in Montevideo. Dies war der erste Arbeitsbesuch eines Bundesrats in Uruguay. In Nueva Helvecia traf er mit Nachkommen von Schweizer Immigrantinnen und Immigranten zusammen.

Beim ersten Besuch eines amtierenden Bundespräsidenten in Kolumbien im August konnte die Unterstützung der Schweiz in der Post-Konflikt-Phase durch die Unterzeichnung einer Absichtserklärung bekräftigt werden. Diese bezieht sich insbesondere auf die Kooperation der Schweiz in den Bereichen humanitäre Hilfe, Friedensförderung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Des Weiteren wurden auch die Qualitäten von Schweizer Unternehmen sowie mögliche künftige Investitionen, unter anderem im Infrastrukturbereich, hervorgehoben. Ebenso wie das ursprüngliche sieht auch das revidierte Friedensabkommen zwischen kolumbianischen Regierung und den FARC vor, dass ein Original des Abkommens in der Schweiz aufbewahrt werden soll. Ebenso unverändert ist die Qualifikation des Abkommens durch die Parteien als Spezialabkommen gemäss dem gemeinsamen Artikel 3 Absatz 3 der Genfer Konventionen. Mit der Aufbewahrung des Abkommens übernimmt die Schweiz keine Garantie oder Kontrolle betreffend Umsetzung und Einhaltung des Abkommens. Auch beinhaltet die Hinterlegung in der Schweiz keine Bestätigung des rechtlichen Status oder Anwendbarkeit des Abkommens. Die Schweiz übernimmt lediglich die Aufgabe, das Original sorgfältig zu verwahren und den Vertragsparteien allenfalls Kopien des Vertrags auf deren Wunsch auszuhändigen. Es wird im Bundesarchiv wie andere Originalabkommen aufbewahrt. Die Schweiz hat das Abkommen zur Aufbewahrung nach dem Abschluss des innerstaatlichen Prozesses entgegen genommen.

Im November reiste der Bundespräsident auf Einladung von
Präsident Enrique Peña Nieto nach Mexiko. Diese Reise markierte den Abschluss des 70-Jahr-Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Mexiko und bot auch Gelegenheit, ein Luftverkehrsabkommen sowie Absichtserklärungen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern in den Bereichen Bildung, duale Ausbildung und Regulierung von therapeutischen Produkten zu unterzeichnen.

Beziehungen zu regionalen Organisationen Die Schweiz setzte sich, gestützt auf ihren Beobachterstatus innerhalb der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), weiter für das Interamerikanische Menschenrechtssystem ein. Neben ihren Beiträgen zur Arbeit des Sonderberichterstatters für Meinungsäusserungsfreiheit leistete sie politische Unterstützung für die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, als diese mit einer schweren finanziellen Krise konfrontiert war. Die Schweiz betonte auch, wie wichtig es sei, verstärkt auf das Thema «Wirtschaft und Menschenrechte» einzugehen und organisierte dazu in 1321

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Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten am 14. November ein Internationales Forum zu sportlichen Megaevents und Menschenrechten in Washington.

Das EDA bemühte sich, das im Oktober 2015 unter der peruanischen Präsidentschaft formulierte Angebot zur Mitwirkung der Schweiz, die über einen Beobachterstatus in der Pazifik-Allianz verfügt, in den Bereichen Innovation, Berufsbildung und Zollverwaltung zu konkretisieren. Zum zweiten Mal stellte das EDA der «Gruppe Technische Innovation» einen Experten für Innovationspolitik und Technologietransfer zur Seite und sandte im Oktober einen Schweizer Sachverständigen für duale Berufsbildung nach Chile. Die Schweiz unterstützte das Jugendtreffen der Pazifik-Allianz, das auf Anregung von Nestlé im Mai in Lima stattfand. Staatssekretär Dell'Ambrogio sprach als Hauptredner über die duale Berufsbildung. Am Gipfeltreffen vom Juni in Chile gaben Deutschland und die Schweiz bekannt, dass sie ihre Aktivitäten zur Unterstützung der dualen Berufsbildung künftig koordinieren wollen. Dieses Angebot wurde von der neuen chilenischen Präsidentschaft, die die Zusammenarbeit mit den heute 49 Beobachterstaaten besser strukturieren möchte, wohlwollend aufgenommen.

Das Generalsekretariat der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) hat das EDA im Juli informiert, dass die fünfzehn CARICOM-Mitgliedstaaten dem Gesuch der Schweiz, als Beobachterin einen Botschafter zu akkreditieren, zustimmen. Das Hauptziel dieser Akkreditierung ist es, CARICOM als eine Netzwerk- und Lobbying-Plattform, beispielsweise im Hinblick auf Schweizer Kandidaturen, zu nutzen.

Die Schweiz wird sich als Beobachterin bei CARICOM im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv einbringen. Dies gilt namentlich für den Klimawandel, die nachhaltige Entwicklung oder die Kleinwaffenthematik. Bei der Zusammenarbeit in diesen und anderen Bereichen geht es primär um punktuellen Austausch sowie Kooperation im multilateralen Rahmen.

3.2.5

Subsahara-Afrika18

Entwicklungen in der Region19 In rund zwanzig Ländern Subsahara-Afrikas fanden 2016 Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen statt. Die Qualität und demokratische Legitimität der Wahlprozesse waren unterschiedlich. In einigen Ländern fanden die Debatten rund um die Wahlen innerhalb eines klaren demokratischen Rahmens statt. Dazu gehörten insbesondere Sambia, Benin, Ghana und die Côte d'Ivoire. Die Zentralafrikanische Republik hat ihren schwierigen politischen Übergangsprozess nach den unumstrittenen und demokratischen Wahlen erfolgreich abgeschlossen. Hingegen dauert die Krise in Burundi an. Die sich anbahnenden Unruhen infolge des Wahlprozesses in der Demokratischen Republik Kongo drohen die Region der Grossen Seen zu destabilisieren. Der ordentliche Ablauf der Kommunalwahlen in Südafrika zeugt von der Vitalität der südafrikanischen Demokratie, und die Resultate deuten auf eine abneh18 19

Die Beziehungen zu Südafrika werden unter Ziffer 3.2.1 behandelt.

Die Situation im Sahel, der Tschadseeregion sowie dem Horn von Afrika wird auch unter Ziff. 2.2 behandelt.

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mende Popularität der Regierungspartei hin, die seit dem Ende des ApartheitsRegimes an der Macht ist.

Trotz der Abkühlung der Wirtschaftslage, unter anderem als Folge der tiefen Rohstoffpreise, bietet Subsahara-Afrika weiterhin ein hohes Wachstumspotential. Dies wird auch durch die demografische Entwicklung, die fortschreitende Urbanisierung sowie die beachtlichen, zum grösseren Teil internationalen Investitionen in Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel den «Grand Ethiopian Renaissance»-Staudamm am Nil unterstützt. Letzterer soll mit geschätzten 6000 Megawatt bald fast die doppelte Leistung aller Schweizer Kernkraftwerke liefern.

Der Klimawandel und seine Folgen, wie das Wetterphänomen El Niño, haben in mehreren Gebieten Subsahara-Afrikas ­ von Äthiopien bis Simbabwe ­ die schlimmste Dürre seit dreissig Jahren verursacht. Weil es schon 2015 nur wenig geregnet hatte, fiel 2016 in manchen Regionen fast die ganze Ernte aus. Der internationale humanitäre Einsatz zur Unterstützung der betroffenen Menschen war beachtlich; auch die Schweiz hat sich mit zusätzlichen Finanzmitteln daran beteiligt. Die humanitäre Krise in der Tschadsee-Region, die Radikalisierung eines Teils der jungen Bevölkerung im Sahel und in Nigeria, Gewaltkonflikte, Terrorismus und die erhöhte Mobilität der Bevölkerung sind nur einige der Herausforderungen, die sich in Subsahara-Afrika stellen. Die Sicherheitslage wird damit zunehmend unberechenbar, wovon die Anschläge in Somalia, Burkina Faso und der Côte d'Ivoire im Jahr 2016 zeugen, bei denen gezielt Ausländer ins Visier genommen wurden. In Zukunft muss dieser Verkettung von Herausforderungen vermehrt Rechnung getragen werden.

Aktivitäten der Schweiz20 Subsahara-Afrika wird in globalen Angelegenheiten eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Für die Schweiz, die in der Region mit fünfzehn Botschaften, zwei Generalkonsulaten und acht Kooperationsbüros präsent ist, ist eine Intensivierung der Beziehungen mit den Schwellenländern Afrikas sowohl auf bilateraler wie auch multilateraler Ebene angezeigt. Die Haltung Afrikas gegenüber der Schweiz ist wohlwollend; man interessiert sich für unsere Kompetenzen und unser Know-how, das wir über die Entwicklungszusammenarbeit und öffentlich-private Partnerschaften vermitteln können. 2016 konnte die Präsenz der afrikanischen Vertretungen noch
einmal erhöht werden. Malawi, Somalia, der Südsudan, Sambia, Äquatorialguinea und Mauritius nehmen neu das Angebot des EDA wahr, ihre Mission in Genf auch bilateral als Botschaft in Bern zu akkreditieren. Gambia sowie São Tomé und Príncipe bekundeten ihren Willen, erstmals eine Mission in Genf zu eröffnen.

Bundesrat Burkhalter hat im März eine Reise nach Nigeria unternommen, wo er in der Wirtschaftsmetropole Lagos ein Generalkonsulat eröffnete. Anlässlich des Besuchs wurden bilaterale Absichtserklärungen über die Rückführung von Potentatengeldern und über die Strukturierung der bereits bestehenden politischen und sektoriellen Dialoge unterzeichnet. Es folgte im Juli die Unterzeichnung einer weiteren Erklärung über die Rechtshilfe, welche die bilaterale Zusammenarbeit verein20

Die Schweizer Aktivitäten für Frieden, Sicherheit und Entwicklung in der Region werden im Schwerpunktkapitel unter Ziff. 2 vertieft behandelt.

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facht. Im Dezember fanden zudem politische Konsultationen im neuen Format statt, welches den politischen Austausch, den Menschenrechtsdialog und den Dialog im Rahmen der Migrationspartnerschaft zusammenlegt. Schon im August gab es ein Treffen zwischen Bundesrat Parmelin und dem nigerianischen Verteidigungsminister und im September konnten sich der nigerianische Präsident Buhari und Bundespräsident Schneider-Ammann am Rande der UNO-Generalversammlung in New York über die Rückführung von Potentatengeldern austauschen. Der humanitäre Einsatz zur Linderung der Krise um den Tschadsee, wo Millionen Menschen auf der Flucht sind, war ebenfalls ein Thema.

Als Resultat der im letzten Jahr abgeschlossenen Absichtserklärungen über politische Konsultationen mit Ghana und Angola fand eine erste Runde dieser Gespräche mit Ghana im März und mit Angola im September statt. Arbeitsbesuche in Kamerun und Togo boten Anlass, die bilateralen Kontakte zu pflegen und die politischen Beziehungen auszubauen. Um die Beziehungen mit den Sahel-Staaten über das Engagement der seit vielen Jahren präsenten DEZA hinaus zu stärken, besuchte Bundesrat Burkhalter im März Burkina Faso. Er sagte dort dem aus der Transitionsphase hervorgegangenen neuen Präsidenten seine Unterstützung zu und bezeugte die Solidarität der Schweiz mit einer immer mehr von terroristischen Anschlägen heimgesuchten Region. Die Beziehungen zu ähnlich gesinnten westlichen Staaten, welche in der Sahel-Zone aktiv sind, wurden durch eine Konferenz der Sonderbeauftragten und Experten des Sahels, die im Mai vom EDA in Bern organisiert wurde, intensiviert. Der Kontakt mit dem neuen EU-Sonderbeauftragten für den Sahel wurde darüber hinaus auch einzeln gepflegt.

Die Schweiz unterstützte mit ihrem Engagement Friedensprozesse in mehreren afrikanischen Ländern (vgl. Ziff. 3.3.4). Insbesondere im Südsudan, Burundi und Mali, aber auch in der Demokratischen Republik Kongo führte die Schweiz konzentrierte Aktionen im Rahmen ihrer Friedenspolitik, ihrer diplomatischen Bemühungen und ihrer Entwicklungszusammenarbeit durch. In diesem Zusammenhang traf Bundesrat Burkhalter im Oktober den malischen Aussenminister in Bern. Im Berichtsjahr wurden ausserdem erste Sondierungsgespräche für ein Migrationsabkommen mit Mali aufgenommen. In Burundi spielt die Schweiz dank ihres Vorsitzes
der «Peace Building Commission Burundi» in der UNO eine besondere Rolle und geniesst privilegierte Kontakte. Sie nutzte diese, um den Kommunikationskanal zwischen der burundischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sowie die Friedenspolitik sind zentrale Pfeiler der Schweizer Aussenpolitik in Subsahara Afrika. Für den Zeitraum 2017­2020 werden fünfzig Prozent der Mittel der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in dieser Region eingesetzt werden.

Äthiopien wird für die Schweiz wichtiger, sowohl politisch, migrationspolitisch und seit Neuerem auch wirtschaftlich und wissenschaftlich. Seit 2014 finden jährlich politische Konsultationen auf der Ebene Staatssekretär statt. Auch bei den zweiten Konsultationen vom September in Addis Abeba wurden verschiedene bedeutende Themen diskutiert: namentlich die Kooperation im Migrationsbereich, die Zusammenarbeit im Rahmen des UNO-Menschenrechtsrats sowie die humanitären Herausforderungen am Horn von Afrika, welche auch Auswirkungen auf die Schweiz haben. Darüber hinaus wurde auch dieses Mal die Menschenrechtslage ausführlich 1324

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besprochen, nachdem es in Äthiopien seit Ende 2015 wiederholt zu Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist. Ferner konnte zwischen den beiden Staaten ein Luftverkehrsabkommen unterzeichnet sowie die Verhandlungen für ein bilaterales Doppelbesteuerungsabkommen eröffnet werden.

Vor dem Hintergrund der zahlreichen eritreischen Flüchtlinge, engagierte sich die Schweiz im Jahr 2016 in vielfältiger Art und Weise in Bezug auf Eritrea. Neben der Teilnahme an den internationalen Prozessen zur Bewältigung der migrationsrelevanten Herausforderungen, führte das SEM Anfang Jahr eine «Fact Finding Mission» in Eritrea durch. Bundesrat Burkhalter traf im Februar seinen eritreischen Amtskollegen am Rande der Session des Menschenrechtsrates in Genf. Im April organisierten das EDA und das EJPD einen internationalen Expertenaustausch in Bern, an welchem Vertreter von Aussenministerien und Migrationsämtern aus neun europäischen Staaten teilnahmen. Im Mai nahm eine kleine schweizerische Delegation an der Feier zum 25-Jahr-Jubiläum der Unabhängigkeit Eritreas in Asmara teil. Dabei wurde der Dialog mit der eritreischen Regierung gesucht, um die Anliegen der Schweiz zu deponieren, die Beziehungen mit den UNO-Organisationen wurden gepflegt und einige Projekte in Gang gebracht. Im Juni wurde die UNO-Koordinatorin für Eritrea in Bern empfangen. Im September traf Bundesrätin Sommaruga den politischen Berater des eritreischen Präsidenten am Rande des Migrationsgipfels in New York. Bei verschiedenen Ad-hoc-Treffen wurde ausserdem mit einigen europäischen Ländern, welche ebenfalls von den eritreischen Migrationsströmen betroffen sind, etappenweise ein gemeinsames Vorgehen gesucht. Diese Bemühungen entsprechen verschiedenen parlamentarischen Bemühungen und speziell dem Postulat Pfister (15.3954). Letzteres verlangt, wie auch die Motion Tornare (16.3600), ein Engagement der Schweiz im Bereich Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und internationale Zusammenarbeit in Eritrea. Nachdem die Schweiz vor zehn Jahren die internationale Zusammenarbeit mit Eritrea eingestellt hat, entschied der Bundesrat ausserdem im November 2016, die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des DEZAEngagements in diesem Land zu prüfen.

Die Lage im Südsudan, wo seit Dezember 2013 erneut Bürgerkrieg herrscht, bleibt auch 2016 politisch verworren und
von Gewalt und humanitärer Not geprägt. Im Juli eskalierte die Gewalt selbst in der ansonsten relativ sicheren Hauptstadt Juba, so dass das gesamte schweizerische Personal aus dem Südsudan evakuiert werden mussten (vgl. Ziff. 3.6, Krisenprävention und Krisenmanagement). Zur Grundversorgung der Bevölkerung und Linderung der Nahrungsunsicherheit im Südsudan unterstützte die Humanitäre Hilfe der Schweiz den Fonds der UNO für den Südsudan sowie das Welternährungsprogramm (WFP). Ein Arbeitsbesuch im Sudan erlaubte eine Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen mit diesem für die Schweiz aus historischen Gründen sowie aufgrund seiner Rolle in der Region bezüglich der Migration wichtigen Landes, welches sich am föderalistischen Modell orientieren will. Bundesrätin Leuthard und der namibische Minister für öffentliche Unternehmen haben anlässlich von dessen Besuch in der Schweiz im Februar ein Luftverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und Namibia unterzeichnet. Im Berichtsjahr trafen sich ausserdem im Rahmen des Chemiewaffenübereinkommens technische Delegationen aus der Schweiz und Namibia in Bern und Windhoek. In Simbabwe wurde das für die regionale Zusammenarbeit zuständige Büro Anfang Jahr in die Schweizer Botschaft integriert und so die Präsenz der Schweiz in Harare 1325

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verstärkt. Im Mai boten Arbeitsbesuche in Simbabwe und Mosambik Gelegenheit, wertvolle Kontakte zu knüpfen und sektorielle, wirtschaftliche sowie friedenspolitische Beziehungen voranzubringen. Mit Tansania unterzeichnete die Schweiz im Oktober ein MoU über die gegenseitige Amtshilfe in Strafsachen, welches insbesondere zur Bekämpfung der Korruption beitragen soll.

Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen Im Sinne der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz und den aussenpolitischen Zielen des Bundesrates bleibt eine engere und institutionalisierte Kooperation mit der Afrikanischen Union (AU) und den Regionalorganisationen auch in SubsaharaAfrika ein wichtiges Ziel. Die AU spielt in Afrika und in der Welt eine zunehmend bedeutende Rolle. Dies zeigt sich in ihrer immer stärkeren Integration in der afrikanischen Architektur, die vor allem über ihren Rat für Frieden und Sicherheit erfolgt.

Mit der Einigung auf eine Absichtserklärung hat sich die Schweiz der AU 2016 angenähert. Diese Erklärung bezieht sich auf den Ausbau der Zusammenarbeit im Friedens- und Sicherheitsbereich auf dem afrikanischen Kontinent und hat zum Ziel, die afrikanische Friedensarchitektur der AU über die Finanzierung konkreter Projekte zu stärken. Die Schweiz schlug auch der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) eine Absichtserklärung vor. Dieser Text würde das bestehende Engagement der Schweiz sichtbarer machen und erlauben, auch politisch von der bestehenden Zusammenarbeit zu profitieren. Diese betrifft insbesondere die Bereiche Migration, Landwirtschaft, Ernährungssicherheit, regionale Integration und Sicherheit. 2016 wurde zum ersten Mal ein schweizerischer Botschafter für die Beziehungen der Schweiz mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) akkreditiert. Dadurch gelang es der Schweiz den von dieser Organisation geleiteten Mediationsprozess in Burundi zu begleiten und zu unterstützen. Der Steuerungsausschuss zwischen der Schweiz und der «Intergovernmental Authority on Development» (IGAD) tagte im Mai zum zweiten Mal in Dschibuti. Die Schweiz verfügt seit 2014 über ein MoU mit der IGAD, welches auf die Bereiche Frieden und Sicherheit, Migration, Dürre-Resilienz sowie Föderalismus fokussiert. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien verläuft zufriedenstellend.

Internationale Organisation der Frankophonie
(OIF) Das Jahr 2016 war geprägt von der Teilnahme von Bundespräsident SchneiderAmmann am 16. Frankophonie-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Madagaskar. Der Bundespräsident nutzte den Gipfel für diverse offizielle Treffen mit anderen Staatsoberhäuptern, unter anderem mit dem französischen Präsident Hollande und den Regierungschefs Senegals, Madagaskars, des Nigers sowie der Zentralafrikanischen Republik. Des Weiteren lancierte die Schweiz zwei Initiativen zu Schwerpunktthemen ihrer Aussenpolitik: Prävention von gewalttätigem Extremismus und Wasser als Friedens- und Sicherheitsfaktor. Diese Themen betreffen die Frankophonie direkt, insbesondere die stark unter der terroristischen Gewalt leidenden Sahelländer. Im Einklang mit den am Gipfel 2014 in Dakar eingebrachten Schweizer Vorschlägen und der damals von der OIF verabschiedeten Jugendstrategie finanzierte die Schweiz die Umsetzung eines «Modèle Jeune Francophone», das es jungen Menschen aus fünf Kontinenten ermöglichte, an den Debatten des Gipfels in Madagaskar teilzunehmen. Die Schweiz berät den Senegal, der die OIF bis Ende 1326

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dieses Jahres präsidierte, nach wie vor bei Fragen in Bezug auf sein Berufsbildungssystem. Innerhalb der OIF ist die Schweiz auf politischer und operationeller Ebene aktiv. Sie unterstützt die Missionen von alt Bundespräsident Pascal Couchepin, der als Sondergesandter der OIF für die Region der Grossen Seen tätig ist. Ferner gewährte sie der Zentralafrikanischen Republik, die nach erfolgreich durchgeführten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen unlängst wieder in die OIF integriert wurde, Unterstützung in den Bereichen Transitionsjustiz und Vergangenheitsarbeit.

Schliesslich nahm die Ende 2015 ins Leben gerufene Gruppe der französischsprachigen Botschafterinnen und Botschafter in Bern ihre Tätigkeit auf. Sie wird von den entsprechenden diplomatischen Vertretungen breit unterstützt. Die kulturelle und sprachliche Vielfalt war Thema der diesjährigen Debatten.

3.2.6

Naher und Mittlerer Osten und Nordafrika

Entwicklungen in der Region21 Auch fast sechs Jahre nach dem Beginn der Volksaufstände werden der Nahe Osten und Nordafrika von beispiellosen und sich stetig weiter verschärfenden politischen und sicherheitspolitischen Krisen erschüttert. Die zahlreichen diplomatischen Initiativen zur Entschärfung oder Lösung der Krisen haben mit Ausnahme des im Juli 2015 unterzeichneten Nuklearabkommens mit dem Iran bis heute nicht die erhoffte Wirkung gehabt. Die Konflikte in Syrien, im Jemen, im Irak und in Libyen stürzten die Region in eine dramatische politische und humanitäre Krise und liessen die zunehmenden Schwierigkeiten hinsichtlich der Verhandlungen zugunsten einer Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt in den Hintergrund treten. In diesem konfliktgeladenen Umfeld manifestieren sich verstärkt geopolitische Rivalitäten zwischen den grossen Ländern (Russland und Vereinigte Staaten) und den Regionalmächten (Türkei, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten und Israel) innerhalb der gesamten Region, aber insbesondere im Nahen und Mittleren Osten. Die Intervention Russlands in Syrien steht im Zusammenhang mit einer Gesamtpolitik zur Wiederherstellung seines Einflussbereichs und des globalen Gleichgewichts, insbesondere im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Während des Berichtsjahres hat Russland seine militärische Zusammenarbeit mit dem Iran verstärkt. Ferner hat sich die Türkei mit der russischen Regierung versöhnt und startete im August eine Militäroffensive im Norden Syriens, um die dschihadistischen Terrornetzwerke zu bekämpfen, aber auch um kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region zu unterbinden.

Der Iran ist seit der 2015 erfolgten Einigung mit den Grossmächten über das Nuklearprogramm mit der Reintegration des Landes in die internationale Gemeinschaft beschäftigt. Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sowie dessen arabisch-sunnitischen Verbündeten haben zugenommen. Im Januar 2016 kündigte der saudi-arabische Aussenminister den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Teheran an. Die Verbündeten der beiden Länder stehen sich unter anderem im Irak, in Syrien und im Jemen gegenüber. Die humanitäre und wirtschaftliche Lage in den 21

Die Situation im Nahen Osten und in Nordafrika wird auch unter Ziff. 2.2 behandelt.

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kriegsversehrten Ländern der Region verschlechtert sich zusehends. Die kurzfristigen Perspektiven bleiben aufgrund der anhaltenden Kämpfe in Ländern wie Syrien, Libyen, Jemen und Irak düster, und die Kämpfe wirken sich auf die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region negativ aus.

Aktivitäten der Schweiz22 Die Schweiz leistete im Berichtsjahr ein grosses Engagement in der gesamten Region. Dieses basiert auf drei grundsätzlichen Pfeilern: Die Schweiz unterstützt die Suche nach politischen Lösungen von Konflikten, setzt sich für die Förderung und Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein und erbringt humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung.

Die Schweiz pflegte den Dialog, der ein wichtiger Teil ihrer politischen Kultur ist, und stand auch 2016 häufig und regelmässig in Kontakt mit den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens. An Arbeitsbesuchen konnten zahlreiche politische Dialoge geführt werden. Der Staatssekretär des EDA reiste im April zu einem offiziellen Besuch in die Republik Irak, wo er Bagdad, Nadschaf und Erbil, die Hauptstadt der autonomen Region Kurdistan, besuchte. Es handelte sich um den ersten Besuch eines hochrangigen Vertreters der Schweiz im Irak seit über einem Jahrzehnt. Ziel der Reise war es vor allem, sich aus erster Hand über die Lage vor Ort zu informieren, humanitäre Hilfsprojekte der Schweiz zu besuchen und mögliche künftige Bereiche der Zusammenarbeit zu bestimmen.

Am 17. Januar wurde nach fünfzehn vertraulichen Gesprächsrunden in der Schweiz ein Abkommen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten abgeschlossen, das einen Austausch von insgesamt elf Personen zwischen den beiden Ländern ermöglichte. Das diskrete Engagement der Schweiz, ihre logistische Unterstützung und die Hilfe bei der Organisation der Gespräche trugen zur Umsetzung verschiedener Teile dieses Abkommens bei, insbesondere zur Freilassung und Rückführung der amerikanischen Staatsangehörigen, die im Iran gefangen gehalten wurden. Nachdem die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) im Januar grünes Licht gegeben hatte, wurde ein Grossteil der seit zehn Jahren bestehenden UNO-, EU- und USSanktionen gegenüber Iran aufgehoben. Daraufhin flog Bundespräsident SchneiderAmmann Ende Februar zu einem offiziellen Besuch nach Teheran. Er traf den obersten Revolutionsführer Ali Khamenei und
seinen iranischen Amtskollegen Rohani. Im Mittelpunkt der Gespräche standen insbesondere politische und wirtschaftliche Themen. Die beiden Präsidenten unterzeichneten eine Roadmap zur Intensivierung der bilateralen Beziehungen, die verschiedene thematische Dialogformate vorsieht. Daneben wurden beim Besuch sechs Kooperationsabkommen zwischen Universitäten und Forschungsinstitutionen neu unterzeichnet oder erneuert. Im Lichte der Umsetzung dieser Roadmap fanden im Frühling und Dezember bereits erste Runden des Finanz- sowie des Wirtschaftsdialogs statt, und im Juni weilte eine hochrangige iranische Delegation in der Schweiz, um Fragen der Politik, der Menschenrechte, der regionalen Sicherheit sowie rechtliche Aspekte zu diskutieren.

22

Die Schweizer Aktivitäten für Frieden, Sicherheit und Entwicklung in der Region werden im Schwerpunktkapitel unter Ziff. 2 vertieft behandelt.

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Im Februar reiste Bundesrat Burkhalter nach Riad. Dies war der erste Besuch eines EDA-Vorstehers in Saudi-Arabien in sechs Jahrzehnten bilateraler Beziehungen.

Burkhalter wurde von König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud empfangen und traf dann mit Aussenminister Adel bin Achmed al-Dschubeir zu Gesprächen zusammen.

Während dieser Treffen wurden der Stand der bilateralen Beziehungen sowie die Krisen in den Ländern der Region besprochen. Dabei wurden insbesondere die Spannungsherde in Syrien und Jemen sowie die diplomatische Krise mit dem Iran diskutiert. In diesem Zusammenhang erklärte sich die Schweiz auch bereit, die konsularischen Interessen von Riad im Iran und von Teheran in Saudi-Arabien zu vertreten. Zudem wurden auch entsprechende Abklärungen zwischen Iran und Bahrain durchgeführt. Im Mai empfing der Bundespräsident den König von Bahrain, Hamad Bin Isa Al Khalifa, in Bern. Dieses Treffen gab Gelegenheit zur Pflege der Beziehungen zwischen den beiden Ländern und zur Erörterung der Situation im Nahen Osten. Im Anschluss an die Gespräche wurde ein Doppelbesteuerungsabkommen paraphiert. Ausserdem wurden zwei Aide-Mémoires im Menschenrechtsbereich unterzeichnet, bei denen es um den Kampf gegen häusliche Gewalt und Folterprävention geht. Im August wurde im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Kuwait in Bern ein MoU im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit unterzeichnet. Zudem weilte Bundespräsident Schneider-Ammann Ende November auf Einladung des Emirs auf Staatsbesuch in Kuwait. Früher in diesem Jahr wurden anlässlich des Besuchs von Vize-Aussenminister Khaled Al Jarallah zwei Abkommen zu Migrationsfragen unterzeichnet ­ ein Abkommen über die Rückübernahme von Personen mit unrechtmässigem Aufenthalt und ein Abkommen über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht für Inhaberinnen und Inhaber eines Diplomaten-, Sonderoder Dienstpasses. Kuwait ist ein wichtiger entwicklungspolitischer Akteur, vor allem in Syrien, wo das Land zu den Hauptgebern im Bereich der humanitären Hilfe gehört. Die Schweiz dagegen verfügt über viel Know-how und Erfahrung darin, die Entwicklungszusammenarbeit kostengünstig und wirksam zu gestalten.

Im Mai reiste Bundesrat Burkhalter zu bilateralen Gesprächen mit dem libanesischen Aussenminister Gebran Bassil
nach Beirut. Hier standen Fragen der Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus, die Krise infolge der grossen Anzahl Flüchtlinge sowie die regelmässigen politischen Konsultationen im Mittelpunkt, die die Schweiz und der Libanon gestützt auf ein im April unterzeichnetes MoU führen.

Darüber hinaus besuchte Bundesrat Burkhalter Projekte der Schweiz und deren Partnerorganisationen, die sich für Zukunftsperspektiven der Menschen im Land einsetzen, zumal Flüchtlinge, insbesondere aus Syrien, heute rund einen Viertel der Bevölkerung des Libanon ausmachen.

Im Nahen Osten unterhält die Schweiz gute Beziehungen mit Israel und der Palästinensischen Behörde. Trotz der Blockade bei den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern setzte sie ihre Anstrengungen für den Frieden und eine Zweistaatenlösung fort (vgl. Ziff. 3.3.4, Geografische Schwerpunkte). Die Schweiz hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die israelische Siedlungspolitik im Besetzten Palästinensischen Gebiet gegen das humanitäre Völkerrecht verstösst und ein grosses Hindernis für den Frieden und die Umsetzung der Zweistaatenlösung darstellt.

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Im September führte der Staatssekretär des EDA politische Konsultationen mit Ägypten. Diskutiert wurden Themen wie internationale Zusammenarbeit, menschliche Sicherheit, Justizzusammenarbeit und Konsularfälle, die Schweizer Staatsangehörige betreffen. Die Konsultationen boten auch eine Plattform für einen hochrangigen politischen Dialog über Migration, Sicherheit und die Entwicklungen in der Region. Anlässlich des Staatsbesuchs des Präsidenten der tunesischen Republik, Béji Caïd Essebsi, im Februar wurden sechs Vereinbarungen und Protokolle unterzeichnet. Im Zentrum der Gespräche standen die demokratische Transition Tunesiens, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen, das schweizerische Kooperationsprogramm, der Migrationsdialog, die Sicherheitslage und die Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus sowie die Berufsbildung als Mittel gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Ferner wurde eine Freundschaftsgruppe Schweiz­Tunesien gegründet, die von alt Bundesrat Samuel Schmid präsidiert wird. Im November reiste Bundesrat Burkhalter zu einem offiziellen Besuch nach Tunesien. Dieser ermöglichte die Lancierung der ersten bilateralen politischen Konsultationen und des Dialogs über die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus.

3.2.7

Asien und Pazifik23

Entwicklungen in der Region In Asien haben sich 2016 die geopolitischen Machtverschiebungen akzentuiert.

China verfolgt mit Nachdruck den «Chinese Dream», seine Vision für die Wiedererrichtung seiner historischen Grösse. Innenpolitisch geht dies einher mit einer teilweise nationalistisch geprägten Rhetorik. Aussenpolitisch manifestiert sich diese Politik zum Beispiel mit der OBOR-Initiative (One Belt One Road), zu der auch die rekordschnell errichtete «Asian Infrastructure Investment Bank» (AIIB) gehört.

Durch das akzentuiertere internationale Auftreten Chinas erscheinen die Konturen zweier Pole in der Region immer klarer: jene Länder, welche sich in den Einflussbereich Chinas einfügen und jene, welche verstärkt Rückhalt bei den USA suchen. Die Philippinen, seit Langem ein enger Alliierter der USA, suchen unter der neuen Regierung von Präsident Duterte eine Annäherung an China. Einige Länder wie Indien, Vietnam oder Indonesien bemühen sich darum, ihre internationalen Beziehungen zu diversifizieren. Allmählich bringen die grossen und mittelgrossen Staaten Asiens ihre Stimmen zunehmend selbstbewusst in multilateralen Gremien ein.

Interessant ist auch, dass sich China etwa bezüglich dem Konflikt in Afghanistan um eine Mediationsrolle bemüht. Unter Präsident Obama versuchten die USA im Rahmen des «Re-balancing» China in die bestehende internationale Ordnung einzubinden und gleichzeitig seine Macht zu beschränken. Zu den Massnahmen gehörte der Ausbau der militärischen Präsenz, die Vertiefung bestehender und der Abschluss neuer strategischer Partnerschaften, die Förderung der wirtschaftlichen Integration durch das TPP, dessen Ratifizierung durch die neue US-Administration in Frage gestellt wird, sowie der Dialog mit China durch die 2009 lancierte StrategischWirtschaftliche Partnerschaft. Diese Strategie ist jedoch in der amerikanischen Innenpolitik umstritten, was ihre Wirkung beeinträchtigt.

23

Die Beziehungen zu China, Indien und Japan werden unter Ziff. 3.2.1 behandelt.

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Vor diesem Hintergrund nimmt das Thema Sicherheit an Bedeutung zu. Dies äussert sich unter anderem in den hohen Rüstungsausgaben, wobei Indien mittlerweile zum weltweit grössten Waffenimporteur geworden ist, oder in der angestrebten Abkehr vom Verfassungspazifismus in Japan. Zur Verschlechterung der Sicherheitslage tragen die ungelösten historischen Konflikte in der Region (Koreanische Halbinsel, Taiwan, Kaschmir) sowie die erhöhten Spannungen um Meeresgebiete in Ost- und Südostasien bei. In Bezug auf das Südchinesische Meer hat der Ständige Schiedshof in Den Haag im Juli im Fall «Philippinen vs. Volksrepublik China» geurteilt, dass die historisch begründeten Ansprüche Chinas nicht mit der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) vereinbar seien. China hat den Schiedsspruch nicht anerkannt und verfolgt weiterhin die Strategie, territoriale Streitigkeiten mit einzelnen Anspruchstellern bilateral zu verhandeln. Damit scheint China teilweise Erfolg zu haben. Die neue philippinische Regierung hat in bilaterale Verhandlungen eingewilligt und den Den Haager Schiedsspruch nicht als Druckmittel verwendet. Im Konfliktherd Afghanistan nimmt die Opferzahl wieder zu, während die Taliban die Sicherheitskräfte der Regierung weiterhin stark unter Druck setzen. Beunruhigend ist, dass die Organisation «Islamischer Staat» (IS) und andere islamistischextremistische Gruppierungen ihr Tätigkeitsfeld zunehmend auf muslimische Gegenden Süd- und Südostasiens auszuweiten versuchen. Darüber hinaus ist in vielen Staaten Asiens, teilweise mit expliziter Billigung einer Bevölkerungsmehrheit, die Tendenz zur verstärkten Gewichtung von Sicherheit und Ordnung zu beobachten.

Diese Entwicklung geht einher mit der Einschränkung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten, etwa durch verstärkte Kontrolle von NGO, Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit bis hin zur Einschränkung des Einflusses unabhängiger Gerichte.

Wirtschaftlich ist die Region noch immer von einer hohen Dynamik geprägt. Zwar hat die Zugkraft der chinesischen Wirtschaft weiter nachgelassen und auch der wirtschaftliche Einfluss Europas in der Region nimmt ab. Die Auswirkungen auf das Wachstum sind jedoch unterschiedlich. Manche Länder wie Vietnam können von den gestiegenen Lohnkosten in China profitieren und Industriesektoren anziehen.

Wo die
Wirtschaft schwächelt, wird versucht mit staatlichen Eingriffen das angestrebte Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, teilweise auch durch verstärkten Protektionismus. Die Unterschiede im Entwicklungsstadium der verschiedenen Länder der Region sind weiterhin gross. Die regionale wirtschaftliche Integration, wie etwa der «ASEAN Community» mit der «ASEAN Economic Community» (AEC) oder die «Regional Comprehensive Economic Partnership» (RCEP), hat vor diesem Hintergrund nur kleine Fortschritte gemacht.

Aktivitäten der Schweiz Im Juli hat Bundespräsident Schneider-Ammann Südkorea einen offiziellen Besuch abgestattet. Der Besuch ermöglichte die Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Bildung, einschliesslich Berufsbildung, sowie die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Zusammenarbeit bei den Informationstechnologien. Davor fand im April in Bern eine bilaterale politische Dialogrunde statt. Im Januar unterzeichneten die Schweiz und Südkorea eine Vereinbarung zur raschen Einführung des automatischen Informationsaustauschs gemäss OECDStandard. Bezüglich Nordkoreas war das Berichtsjahr geprägt von der Umsetzung 1331

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der neuen Sanktionen, die der UNO-Sicherheitsrat im März und November beschloss, nachdem die Regierung in Pjöngjang im Januar und September Atombombentests durchgeführt sowie eine ballistische Rakete getestet hatte. Im Juli reiste der Bundespräsident in die Mongolei, wo er an dem alle zwei Jahre durchgeführten Gipfeltreffen des «Asia-Europe Meeting» (ASEM) teilnahm. Dabei traf er den mongolischen Präsidenten, mit dem er bereits im Februar am Rande des WEF in Davos Gespräche geführt hatte. Auf Anfrage der Mongolei wurde der 2015 aufgenommene bilaterale Dialog über Fragen der Neutralität fortgesetzt. Im Oktober traf man sich in Ulan Bator zu einer bilateralen politischen Dialogrunde.

Angesichts der voranschreitenden Reform- und Versöhnungsbemühungen der im Januar 2015 neu gewählten Regierung Sri Lankas konnte die Umsetzung der im Dezember 2015 zwischen EDA, EJPD und WBF vereinbarten Sri Lanka-Strategie beginnen. Schwerpunkte sind die Unterstützung des Reform- und Versöhnungsprozesses sowie die Fortsetzung der 2015 eingeleiteten Dynamisierung der bilateralen Beziehungen, insbesondere durch politische Kontakte sowie Migrationszusammenarbeit. Im Januar traf Bundespräsident Schneider-Ammann den sri-lankischen Premierminister Wickremesinghe am Rande des WEF. Bundesrat Burkhalter empfing Aussenminister Samaraweera im März zu einem Arbeitstreffen in Bern. Zudem besuchte Bundesrätin Sommaruga Anfang Oktober Sri Lanka. Sie konnte sich im Norden der Insel einen Einblick ins Engagement der Schweiz und die Entwicklungen vor Ort verschaffen und in Colombo ein bilaterales Migrationsabkommen unterzeichnen.

In Bhutan hat die DEZA angesichts der erfolgreichen Entwicklung und Demokratisierung Bhutans ­ das Himalaya-Königreich ist vor kurzem zu einem «middleincome» Land aufgestiegen ­ per Ende 2016 ihr Engagement abgeschlossen. Um die guten Beziehungen mit Bhutan zu wahren und auf einer breiteren und höheren Ebene zu vertiefen, verfolgt das EDA eine Transformationsstrategie mit Bhutan als politischem Partner. Am Rande der UNO-Generalversammlung in New York traf Bundespräsident Schneider-Ammann im September die Premierministerin Bangladeschs Sheihk Hasina, während sich Bundesrat Burkhalter mit dem aussenpolitischen Berater von Pakistans Premierminister Sartaj Aziz austauschte. Im November fanden die politischen
Konsultationen mit Pakistan in Islamabad statt. Politische Konsultationen konnten ausserdem im Mai mit Nepal realisiert werden. Erstmals seit vielen Jahren konnten im Mai auch mit Afghanistan politische Konsultationen durchgeführt werden. Die Sicherheitsherausforderungen des Landes bleiben enorm.

Angesichts des grossen Drucks der Taliban und anderer extremistisch-islamistischer Organisationen wie derjenigen des IS wird eine Unterstützung Afghanistans durch die internationale Staatengemeinschaft noch auf Jahre hinaus notwendig sein. An der Afghanistan-Konferenz in Brüssel wurden denn auch neue Ziele 2017/18 des «Compacts» zwischen der internationalen Gebergemeinschaft und der afghanischen Regierung verabschiedet.

Auch in Südostasien verfolgt die Schweiz weiterhin die Strategie, die bilateralen Beziehungen mit den Staaten der Region zu intensivieren und die Zusammenarbeit zu vertiefen. Den Beziehungen mit Singapur hat im Berichtsjahr besonderes Augenmerk gegolten. Der Stadtstaat ist ein strategischer Knotenpunkt in der Region und sieht sich in vielen Bereichen wie Wirtschaft, Finanzmarkt oder Bildungspolitik 1332

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oft vor ähnliche Herausforderungen gestellt wie die Schweiz. Im Februar fanden in Umsetzung der gemeinsamen Erklärung für eine vertiefte Zusammenarbeit von 2014 aussenpolitische Konsultationen der Abteilungsleiter im Aussenministerium statt. Im Juli war Bundespräsident Schneider-Ammann zu einem Staatsbesuch eingeladen, in dessen Mittelpunkt die Förderung von Bildung und Innovation standen. Im Rahmen des alljährlichen Finanzdialogs in Bern konnten die Aufsichtsbehörden im September eine Kooperationsvereinbarung zur Förderung der Zusammenarbeit im Bereich «Fintech» unterzeichnen. Auch mit den Philippinen haben sich die Beziehungen dynamisch entwickelt. Auf die aussenpolitischen Konsultationen im März folgte Ende April die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen den Philippinen und der EFTA, welches innerhalb nur eines Jahres ausgehandelt worden war.

Nach den allgemeinen Wahlen im Mai und dem Amtsantritt der neuen Regierung im Juni bleibt abzusehen, wie sich diese Dynamik weiterentwickelt. Ebenso stattete Bundesrätin Leuthard im März Indonesien einen Arbeitsbesuch ab, mit dem Ziel, die Beziehungen mit dem G20-Mitglied und grössten Land Südostasiens in Sektoren wie Handel und Investitionen, Förderung einer sauberen Wirtschaft oder Berufsbildung zu vertiefen. Überdies konnten die seit zwei Jahren ruhenden Freihandelsverhandlungen im Rahmen der EFTA wieder aufgenommen werden.

Mit weiteren Ländern hat die Schweiz politische Konsultationen geführt. Mit Thailand wurden im Februar die innenpolitische Situation sowie der Stand der bilateralen Beziehungen diskutiert. Darüber hinaus traf Bundesrat Burkhalter seinen thailändischen Amtskollegen am Rande der 71. UNO Generalversammlung im September, um Themen von regionaler Bedeutung sowie die Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich konsularischer Schutz zu diskutieren. Die allgemeinen bilateralen Beziehungen, Handel und Investitionen standen im Mittelpunkt der Konsultationen mit Brunei im April sowie mit Vietnam im Juni, wo 2016 auch das 45-jährige Bestehen bilateraler Beziehungen gefeiert wurde. Bei den Gesprächen mit Kambodscha im Juli wurden die innenpolitische Situation und Entwicklungszusammenarbeit besprochen. Mit Myanmar, wo die Transition von einer autokratischen Militärherrschaft hin zu einer demokratischen Gesellschaft Fortschritte macht,
standen bei den politischen Konsultationen im November die Verstärkung der Handelsbeziehungen sowie das Schweizer Engagement im myanmarischen Friedens- und Transitionsprozess (vgl. Ziff. 3.3.4, Geografische Schwerpunkte; und 3.3.4, Thematische Schwerpunkte) auf der Agenda. Mit dem Aussenminister der Salomoninseln besprachen Schweizer Vertreter im Januar die Möglichkeiten zur Eröffnung einer permanenten Mission in Genf. Dasselbe Thema stand bei einem Treffen von Bundespräsident SchneiderAmmann mit dem Premierminister des Königreichs Tonga am Rande der 71. UNOGeneralversammlung im September im Fokus.

Beziehungen zu regionalen Organisationen Mit der Teilnahme am Shangri-La Dialog in Singapur, einer der wichtigsten Sicherheitskonferenzen der Region, konnte Bundesrat Parmelin Anfang Juni den Willen der Schweiz unterstreichen, sich am Dialog über Sicherheitsthemen in Asien konstruktiv zu beteiligen. Das ASEM bietet der Schweiz seit 2012 eine wichtige Plattform, um ihre Aussenpolitik in Asien zu vertreten. Die Teilnahme von Bundespräsident Schneider-Ammann am ASEM-Gipfel in der Mongolei im Juli stand indessen auch unter dem Zeichen der Beziehungen der Schweiz mit der EU. In einer Vielzahl 1333

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von bilateralen Treffen konnte der Bundespräsident die bilateralen Beziehungen mit europäischen Partnern pflegen und die Sicht der Schweiz zum Verhältnis mit der EU darlegen. An einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurde das weitere Vorgehen für Gespräche zwischen der Schweiz und der EU vereinbart. Das ASEM bot ebenfalls die Gelegenheit für Treffen mit Laos, der Mongolei, Russland und Vietnam.

Im Vollzug ihrer Strategie, die Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen zu verstärken, hat die Schweiz zudem am 24. Juli von der Vereinigung südostasiatischer Staaten (ASEAN) den Status als sektorielle Dialogpartnerin erhalten. Damit kann die Schweiz künftig an hochrangigen Treffen der ASEAN teilnehmen und die Zusammenarbeit mit der ASEAN in verschiedenen Sektoren von gemeinsamem Interesse wie Wirtschaftsbeziehungen, Entwicklungszusammenarbeit oder Minderung von Katastrophenrisiken vertiefen. An der ersten Tagung der «ASEAN-Swiss Joint Sectoral Cooperation Commission» (AS-JSCC) im November wurde ein gemeinsamer Aktionsplan für die kommenden vier Jahre diskutiert.

3.3

Frieden und Sicherheit

3.3.1

Europäische Sicherheit: OSZE, Partnerschaft für den Frieden, Europarat

Die Krise der europäischen Friedensordnung, die sich 2014 im Kontext des Ukrainekonflikts und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim stark akzentuierte, hält an. Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zur Lösung des Konflikts in der Ukraine verläuft schleppend, die intensiven Gespräche in Minsk sind fortgeführt worden. Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen verharren auf hohem Niveau und das gegenseitige Misstrauen bleibt bestehen. Nichtsdestotrotz gab es im Berichtsjahr auch positive Signale, so etwa die Wiederaufnahme eines Dialogs zwischen der NATO und Russland, ein informelles OSZE-Ministertreffen in Potsdam zur Diskussion einer gemeinsamen Agenda für die Zukunft, und erste Schritte zu einer möglichen Neulancierung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa.

Die Arbeit in den etablierten Formaten zur Lösungssuche für die Konflikte im Südkaukasus, also die internationalen Genfer Diskussionen zum Georgienkonflikt und die Gespräche in der Minsker Gruppe zu Nagorno-Karabach, wurden fortgesetzt.

Die Schweiz engagiert sich weiterhin für eine Stärkung der kooperativen Sicherheit und die Förderung des Dialogs in Europa. Sie tut dies auf bilateraler Ebene und auch in Sicherheitsforen wie der OSZE und der NATO-Partnerschaft für den Frieden, aber auch in anderen Organisationen wie dem Europarat, die den europäischen Werten verpflichtet sind.

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Obwohl die Schweiz nicht mehr Mitglied der OSZE-Vorsitztroika ist, betrachtet sie die OSZE weiterhin als eine prioritäre Organisation im Kontext der mannigfaltigen Herausforderungen in Europa. Die Schweiz unterstützte den deutschen Vorsitz 2016 der mit dem Ministerrat in Hamburg Anfang Dezember seinen Abschluss gefunden 1334

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hat. Zehn Ministerratstexte, unter anderem jene zu guter Regierungsführung und wirtschaftlicher Konnektivität, zu Migration, zur Rüstungskontrolle in Europa «von Lissabon 1996 zu Hamburg 2016» sowie zu Herausforderungen im Cyberbereich, wurden verabschiedet. Die Schweiz wird auch den österreichischen Vorsitz 2017 durch die Bereitstellung von Expertise und mittels einer engen Zusammenarbeit am OSZE-Sitz in Wien sowie zwischen den relevanten Stellen in den Aussen- und Verteidigungsministerien unterstützen.. Das Hauptquartier der OSZE in Wien soll ab 2017 mittelfristig auch mit der Entsendung von bis zu sechs Offizieren der Schweizer Armee unterstützt werden. Die im August 2015 unterzeichnete Erklärung im Rahmen des «DACHLI»-Formats (Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Schweiz) stellt für die Schweiz ein wichtiges Dokument für die verstärkte Zusammenarbeit in sicherheitspolitischen Fragen mit OSZE-Fokus dar. In der ministeriellen Erklärung werden vier Themen für eine enge Kooperation aufgeführt: Engagement in der Ukraine für eine friedliche Konfliktlösung, Stärkung der OSZE-Instrumente im Konfliktzyklus, Diskussion innerhalb der OSZE zur europäischen Sicherheit und Stärkung der Wirtschafts- und Umweltdimension ­ der «zweiten Dimension» ­ durch die Förderung von wirtschaftlicher Konnektivität. Was die Stärkung der OSZE-Instrumente im Konfliktzyklus betrifft, der die Frühwarnung, Konfliktprävention und -lösung, das Krisenmanagement und die Nachbereitung von Konflikten beinhaltet, engagiert sich die Schweiz insbesondere im Bereich der Mediation, die als Instrument für die Konfliktprävention und Konfliktlösung angesehen wird (vgl.

Ziff. 3.3.4, Thematische Schwerpunkte).

Der Minsker Friedensprozess der OSZE bleibt die wichtigste Plattform für eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ukraine. Die Situation im Konfliktgebiet blieb im Berichtsjahr angespannt, mit regelmässigen Verletzungen des Waffenstillstands. 2016 waren weiterhin Opfer zu beklagen, wenn auch auf tieferem Niveau als im Jahr zuvor. Die Schweiz unterstützte die Umsetzung der unter ihrem OSZEVorsitz 2014 ausgearbeiteten Minsker Vereinbarungen sowie die OSZE Sonderbeobachtungsmission in der Ukraine und die OSZE-Beobachtungsmission an der russisch-ukrainischen Grenze mit Experten und Expertise. Schweizer fungieren als Koordinator der
Arbeitsgruppe humanitäre Fragen der Trilateralen Kontaktgruppe, als Chef der Grenzbeobachtungsmission und als stellvertretender Chef der Beobachtermission. Auch stellte die Schweiz für letztgenannte Mission ein Dutzend Beobachter. Begleitend unterstützte die Schweiz Aktivitäten der UNO, des Europarats sowie einer ukrainischen Organisation zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine, inklusive auf der Krim. Die Schweiz unterstützt des Weiteren das neue ukrainische Ministerium für die temporär besetzten Gebiete und die intern Vertriebenen, welches sich für eine Wiederannäherung mit den nicht unter Kontrolle der Regierung stehenden Gebieten einsetzt. Zudem hat die Schweiz auch im Berichtsjahr als einziger staatlicher Akteur humanitäre Konvois in die Ostukraine durchgeführt und Gebiete beidseits der Kontaktlinie mit Chemikalien und Sand zur Trinkwasseraufbereitung sowie medizinischen Gütern versorgt. Ende Mai 2016 führte die DEZA zum ersten Mal seit Ausbruch des Konflikts einen Transport mit der Bahn durch (vgl. Ziff. 3.4.2). Ein zweiter Bahntransport konnte im September 2016 durchgeführt werden.

Im Südkaukasus unterstützte die Schweiz die Suche nach Lösungen für die Konflikte um die Regionen Südossetien und Abchasien sowie Nagorno-Karabach. Unter 1335

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anderem stellte die Schweiz den Südkaukasus-Sonderbeauftragten für den deutschen OSZE-Vorsitz. Die Schweiz setzte damit die gute Zusammenarbeit fort, die unter dem Schweizer Vorsitz 2014 begonnen hatte. Der Sonderbeauftragte war aktiv in die Lösungssuche und die Vermittlungsbemühungen um die Konflikte im GeorgienKontext (Abchasien und Südossetien) und Nagorno-Karabach involviert. Expertendialoge zur Konfliktbearbeitung und humanitäre Projekte für die direkt vom Konflikt betroffene Bevölkerung waren ebenfalls Teil des Schweizer Engagements. Die Eskalation um Nagorno-Karabach vom April konnte nach vier Tagen durch eine von Russland vermittelte Waffenruhe gebremst werden. Erneute grössere Ausbrüche von Gewalt konnten seither verhindert werden.

In Bezug auf die Stärkung der europäischen Sicherheit hat die Schweiz im Rahmen ihres OSZE-Vorsitzes 2014 das «Panel of Eminent Persons on European Security as a Common Project» geschaffen und dieses finanziell und personell unterstützt. Der Schlussbericht des Panels wurde am Rande des Belgrader Ministerratstreffens Ende 2015 vorgestellt und über das Jahr 2016 einer breiteren Öffentlichkeit in einer Reihe von OSZE-Staaten bekanntgemacht. Die Schweiz unterstützte hierzu mehrere Veranstaltungen des OSZE-Sekretariats und brachte die Schlussfolgerungen des Panels im Rahmen der OSZE aktiv ein. Weiter setzt sich die Schweiz dafür ein, dass der informelle Dialog über die europäische Sicherheit auf Ministerebene weitergeführt wird.

Seit der Zuspitzung der Flüchtlingssituation in Europa wurde der Migrationsthematik im Rahmen der OSZE vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Um einen Überblick über die bestehenden Aktivitäten zu gewinnen, sowie zur Formulierung praktischer Ansätze zur besseren Nutzung von komparativen Vorteilen der OSZE wurde eine informelle Arbeitsgruppe unter Schweizer Leitung einberufen. Die informelle Arbeitsgruppe präsentierte im Juli Empfehlungen hinsichtlich des Schutzes der Flüchtlinge und Migranten, deren Integration, Verbrechensbekämpfung, Grenzmanagement, sowie Solidarität und Partnerschaften. Durch das Engagement in der informellen Arbeitsgruppe konnte die Schweiz ihre Rolle als glaubwürdige Vermittlerin stärken und einem umfassenden Ansatz, der sowohl Chancen als auch Herausforderungen der Migration berücksichtigt, Gewicht verleihen.

In der
politisch-militärischen Dimension, der «ersten Dimension», setzt sich die Schweiz für die Modernisierung des Wiener Dokuments zu vertrauens- und sicherheitsbildenden Massnahmen ein. Sie stellt zu diesem Zweck auch weiterhin den Koordinator im Forum für Sicherheitskooperation. Die Schweiz unterstützt die vom deutschen Aussenminister Steinmeier im September 2016 lancierte Initiative für eine Deblockierung der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa. Im Bereich Cyber engagiert sich die Schweiz für die Umsetzung der verabschiedeten Massnahmen und für die Entwicklung neuer vertrauensbildenden Massnahmen (vgl. 3.3.2, Sicherheit im Cyber-Raum). In Bezug auf den Umgang mit Terrorismus setzt sich die Schweiz dafür ein, dass der Fokus der OSZE noch stärker auf Prävention und insbesondere die Jugend ausgerichtet wird.

In der «zweiten Dimension» hat die Schweiz in der Berichtsperiode vor allem das Thema der wirtschaftlichen Konnektivität vorangetrieben. Der Ukrainekonflikt hat den bestehenden Trend zu wirtschaftlicher Blockbildung im OSZE-Raum noch verstärkt. Dies läuft den Bemühungen um globale wirtschaftliche Konvergenz und 1336

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Harmonisierung zuwider. Die Schweiz möchte die OSZE daher befähigen, durch stärkere Kompetenzen im Wirtschaftsbereich einen Beitrag zur Eindämmung der Spannungen zu leisten. Sie kooperiert dabei eng mit Deutschland und Österreich, dem aktuellen, respektive zukünftigen Vorsitz. Zum Beispiel ist die Idee zur Schaffung eines OSZE-Kompetenzzentrums in der wirtschaftlichen Dimension weiterverfolgt worden. Seit dem zweiten Halbjahr 2016 wird versucht, die Thematik auch auf Ministerebene zu diskutieren; die Schweiz wird sich auch 2017 dafür einsetzen, diesen Ansatz im Rahmen der OSZE zu fördern.

In der menschlichen Dimension, der «dritten Dimension», ist die Schweiz in einem Kontext tätig, der von schwierigen Debatten und zunehmender Polarisierung der Standpunkte der teilnehmenden Staaten geprägt ist. Eine Rolle als Fazilitatorin spielte sie namentlich bei den, schliesslich gescheiterten, Verhandlungen über einen Ministerbeschluss zur Verhütung von Folter, der die Aktivitäten der OSZE in diesem prioritären Bereich der Schweizer Menschenrechtspolitik stärken sollte. Die Schweiz stellte dem OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte eine Schweizer Expertin für dieses Thema zur Verfügung und finanzierte deren Arbeit. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie auch der verstärkten Einbindung der Zivilgesellschaft, indem sie die NGO bei der Ausarbeitung einer Strategie zur Vernetzung der Zivilgesellschaft und zum Schutz von Menschenrechtsaktivistinnen und ­aktivisten im OSZE-Raum unterstützte. Des Weiteren nutzte die Schweiz regelmässig die Foren der OSZE, um ihrer Besorgnis über die Menschenrechtssituation in bestimmten OSZE-Teilnehmerstaaten Ausdruck zu geben.

Teilnahme der Schweiz an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) 2016 markierte die zwanzigjährige Teilnahme der Schweiz an der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Am 11. Dezember 1996 unterzeichnete Bundesrat Flavio Cotti das PfP-Rahmendokument. Auch wenn dieses Dokument aus einem anderen sicherheitspolitischen Kontext stammt, ist dessen Motivation 20 Jahre später aktueller denn je: «Diese Partnerschaft wird als Ausdruck gemeinsamer Überzeugung begründet, dass Stabilität und Sicherheit im euroatlantischen Gebiet nur durch Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln erreicht werden können.» Die Partnerschaft für den Frieden bleibt für die
Schweiz ein wesentliches Element ihres sicherheitspolitischen Engagements. Die NATO hat im Zuge der Ereignisse in der Ukraine die kollektive Verteidigung ihrer Mitglieder wieder in den Vordergrund gerückt. Diese haben am Gipfeltreffen in Warschau im Juli Massnahmen für die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit bekräftigt. Gleichzeitig sucht die NATO den Dialog mit Russland im Rahmen des NATO-Russland-Rates, insbesondere um ungewollte Zwischenfälle zu vermeiden. Sie fährt damit ihre klassische Doppelstrategie von Dialog und Verteidigungsbereitschaft. Mit Blick auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen im Süden Europas unterstützt die NATO Staaten in Nordafrika und dem Mittleren Osten in der Stärkung der eigenen Fähigkeiten.

Die NATO und ihre Partner haben weiterhin ein Interesse am Erhalt der militärischen Fähigkeiten und der Interoperabilität. Das gilt auch für die Schweiz. Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Armeen erhöht die Handlungsfreiheit der Schweiz und ermöglicht die Zusammenarbeit in der Friedensförderung. Der KFOREinsatz in Kosovo, das grösste Engagement der Schweizer Armee in der militäri1337

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schen Friedensförderung, findet in einer von der NATO geführten Operation statt. In der Zusammenarbeit mit der NATO wurde darum 2016 ein Schwerpunkt auf die Festigung der «Partnership Interoperability Initiative» gelegt. In diesem Zusammenhang nahm die Schweiz gemeinsam mit 25 anderen Partnerstaaten an einem Treffen der «Interoperability Platform» am NATO-Gipfel in Warschau teil. Die Schweiz ist weiter auch an der Aufrechterhaltung einer substanziellen Plattform für den politischen Dialog mit der NATO interessiert. Gemeinsam mit anderen Partnern verfolgte sie 2016 das Anliegen weiter, das Diskussionsformat in der Zusammensetzung NATO und westeuropäische Partner (Finnland, Irland, Österreich, Malta, Schweden, Schweiz) zu stärken.

Die Schweiz setzt sich für eine Kooperation mit der NATO auf der Basis gemeinsamer Werte ein. In diesem Sinn setzte sie 2016 ihr Engagement in Themen der menschlichen Sicherheit fort, insbesondere im Rahmen der UNO-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden, Sicherheit sowie Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten. Die NATO ist für die Implementierung solcher Themen insofern wichtig, als sie einen Multiplikatoren-Effekt in den Streitkräften von Alliierten und Partnern hat. Darüber hinaus setzt die NATO im militärischen Bereich oft den Standard. Die Schweiz führte schliesslich ihre Unterstützung in Bereichen weiter, in denen sie über besondere Kompetenzen verfügt, beispielsweise in der Sicherheitssektorreform, Munitionsvernichtung oder Überwachung. Im Gegenzug nutzte sie Angebote in der Ausbildung und Teilnahme an multilateralen Übungen der PfP.

Sie hat zudem mit der NATO einen Austausch im Bereich der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen, insbesondere in der Cyber-Sicherheit. Im abgelaufenen Jahr wurde ein Pilotprojekt zur Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für «Cyber Defence» in Tallinn gestartet.

Europarat Die Flüchtlingskrise, die Terrorismusbekämpfung, die Situation in der Türkei nach dem Putschversuch und die immer massivere Beeinträchtigung der Sicherheit von Journalisten sowie der Pressefreiheit in mehreren Mitgliedstaaten waren die Hauptthemen des Europarats im Berichtsjahr. Die innereuropäischen Zerwürfnisse namentlich im Hinblick auf den Umgang mit der Flüchtlingskrise und hinsichtlich der Herausforderungen, die sich seit der Annexion der
Krim durch Russland herauskristallisierten, haben die letztjährigen Aktivitäten des Europarats spürbar geprägt. Diese Zerwürfnisse machen die Risse im 1949 geschaffenen gemeinsamen europäischen Haus deutlich und zeigen, dass der Konsens über die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Werte und Prinzipien bröckelt. Die Versuche mancher Staaten, von den Verpflichtungen zur Einhaltung der Konvention Abstand zu nehmen, kommen zu den Problemen hinzu, die die Strassburger Institution lösen muss, wenn sie ihrer vorrangigen Rolle als Hüterin der Menschenrechte in Europa gerecht werden und ihre Glaubwürdigkeit bewahren will. In diesem Sinne unterstützt die Schweiz den Vorschlag, ein viertes Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zu organisieren, das das Fundament des Hauses verstärken soll.

Der Europarat stellt für die Schweiz ein äusserst wichtiges Diskussions- und Austauschforum dar, in dem sie den Ruf einer zuverlässigen, glaubwürdigen und effizienten Partnerin geniesst. Sie verdankt diesen Ruf insbesondere der konsensorien1338

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tierten Politik, die sie dort vertritt, sowie ihren engen Beziehungen zum Generalsekretär, zum Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, zum Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung und zu weiteren wichtigen Organen des Europarats. Die 126. Sitzung des Ministerkomitees fand im Mai in Sofia statt. An dieser Sitzung haben die Delegationen den dritten Bericht des Generalsekretärs über den «Stand der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit ­ ein Erfordernis für die Sicherheit Europas» eingehend kommentiert; der Generalsekretär bezeichnete den Bericht als Weckruf. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) setzte seine Reform erfolgreich fort. Infolgedessen sank die Anzahl der unerledigten Beschwerden auf weniger als 70 000 im Jahr 2016.

Der EGMR veröffentlichte zehn Entscheide über Beschwerden gegen die Schweiz, wobei in fünf Urteilen mindestens eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt wurde. Diese Urteile betrafen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, das Recht auf gerichtliche Haftprüfung innerhalb kurzer Frist sowie das Diskriminierungsverbot. Zu den wichtigsten Entscheiden gehörte die Sperrung der in der Schweiz vorhandenen Vermögenswerte von Khalaf M. Al-Dulimi und der Gesellschaft Montana Management Inc. gemäss Resolution 1483 (2003) des UNO-Sicherheitsrates betreffend die Sanktionen gegen das frühere irakische Regime. Mit ihrem Urteil vom 21. Juni 2016 bestätigte die Grosse Kammer den erstinstanzlichen Entscheid, demzufolge die Beschwerdeführer das Recht auf eine Prüfung der aufgrund der UNO-Sanktionen getroffenen Massnahmen durch die nationalen Gerichte hatten und die Schweiz somit das Recht auf Zugang zu einem Gericht in zivilrechtlichen Angelegenheiten verletzt habe. Dieses Urteil bestätigt den hohen Stellenwert, den der EGMR dem Recht auf Zugang zu einem Gericht in zivilrechtlichen Angelegenheiten beimisst. Es stellt die Anwendung von Sanktionen zwar nicht in Frage, verpflichtet jedoch die Mitgliedstaaten, künftig der Achtung der Rechte der von Sanktionen betroffenen Personen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Im Anhang zu diesem Bericht finden sich weitere Angaben zur Tätigkeit des Europarats im Zusammenhang mit der Schweiz während des Berichtsjahres.

3.3.2

Internationale Sicherheit und transnationale Bedrohungen

Die Bedeutung der Aussensicherheitspolitik hat in den letzten Jahren zugenommen.

Die Umwälzungen im Nahen Osten und in Nordafrika haben rund um Europa zu Krisen und grosser Instabilität geführt (vgl. Ziff. 2.2). Die Bedrohungen durch Terrorismus, die Weiterverbreitung von Waffen und die Sicherheitsrisiken des Cyber-Raums sind von zunehmender Bedeutung. Das strategische Umfeld der Schweiz ist geprägt von der aussergewöhnlich hohen Belastung Europas durch unterschiedliche Krisenlagen. Diese Krisen langfristiger Natur haben auch Auswirkungen auf unser Land. Die Schweiz kann in dieser Situation jedoch mit ihrer eigenständigen und mitgestaltenden Aussenpolitik nützliche Beiträge zur Stabilisierung und zur Förderung von Frieden und Sicherheit leisten. Zur Erarbeitung der notwendigen gemeinsamen Antworten auf globale Herausforderungen misst die Schweiz der Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen und der Kooperation mit 1339

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Partnerstaaten sowie der Zivilgesellschaft grosse Bedeutung bei. Kooperation und gemeinsame Lösungen sind dringend nötig und bei allem Trennenden ist gemeinsames und konstruktives Handeln in der internationalen Politik nach wie vor möglich.

Dies gilt insbesondere bei transnationalen Bedrohungen wie Terrorismus oder Angriffen im Cyber-Raum, wo sogar eine Intensivierung der Sicherheitskooperation zu beobachten ist.

Sicherheit im Cyber-Raum Die politische Bedeutung des Cyber-Raums hat in den letzten Jahren rapide zugenommen. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft stützen sich immer stärker auf Informations- und Kommunikationstechnologien und sind auf den Zugang zum Cyber-Raum angewiesen. Auf der einen Seite ermöglichen die neuen Technologien wirtschaftliches Wachstum und es erschliesst sich ein globales Kommunikationsnetz für Wirtschaft und Gesellschaft. Auf der anderen Seite wird der Cyber-Raum zunehmend für kriminelle Aktivitäten missbraucht und zum Operationsraum für nachrichtendienstliche, machtpolitische und militärische Zwecke. Die Sicherheit und Stabilität des Cyber-Raums ist für die Schweiz von strategischer Bedeutung. Sie ist stark von digitalen Infrastrukturen abhängig und ist weltweit digital vernetzt. Im Rahmen ihrer Aussenpolitik engagiert sich die Schweiz für einen offenen, freien und sicheren Cyber-Raum, dessen Nutzung auf klaren Regeln basiert. Dabei fokussiert sie sich auf die folgenden aussen- und sicherheitspolitischen Handlungsfelder: 1. Entwicklung und Stärkung des normativen Rahmens basierend auf dem Völkerrecht; 2. Vertrauensaufbau mittels transparenzbildender, kooperativer und stabilisierender Massnahmen; 3. Kapazitätsentwicklung; sowie 4. die Bekämpfung der CyberKriminalität.

Die Schweiz setzt sich für die Entwicklung und Stärkung des normativen Rahmens im Cyber-Raum ein. Sie vertritt dabei die Auffassung, dass das geltende Völkerrecht auch im Cyber-Raum Anwendung finden und darüber hinaus ein gemeinsames Verständnis zur Nutzung des Cyber-Raums entwickelt werden sollte. Schwerpunkt ihres Engagements war 2016 die Arbeit in der «UN Group of Governmental Experts on Developments in the Field of Information and Telecommunications in the Context of International Security» (UN GGE), die sich im Auftrag des UNOGeneralsekretärs unter anderem mit der Erarbeitung globaler Verhaltensnormen
für Staaten und der Anwendbarkeit des Völkerrechts im Cyber-Raum befasst. Die Schweiz wurde im Sommer 2016 erstmals für ein Jahr für die Teilnahme an der UN GGE nominiert, welche ihren Bericht auf die 72. Session der UNO-Generalversammlung abschliessen muss. Die schweizerischen Prioritäten sind die Konsolidierung und Konkretisierung der bereits erfolgten konzeptuellen Arbeiten der Gruppe sowie die Einbindung von nicht-UN GGE Mitgliedern und nichtstaatlichen Akteuren in den Prozess. Die Entwicklung und Stärkung des normativen Rahmens erfolgte auch in anderen multilateralen Foren und bilateralen Kontakten, etwa durch eine aktive Teilnahme an den Konsultationen zum «Tallinn Manual on the International Law Applicable to Cyber Warfare».

Zwischenstaatliche Vertrauensbildung und global mitgetragene Regeln sind unverzichtbare Grundsteine für eine effiziente internationale Zusammenarbeit zur Reduktion von Cyber-Risiken. Die Schweiz beteiligt sich aktiv am OSZE-Prozess für 1340

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vertrauensbildende Massnahmen, der zum Ziel hat, einen Beitrag zur Transparenz, Kooperation und Stabilität unter den Staaten zu leisten und das Konfliktrisiko zu reduzieren. In diesem Rahmen förderte die Schweiz die Umsetzung der bereits beschlossenen vertrauensbildenden Massnahmen. Parallel dazu unterstützte sie die Entwicklung weiterer Bestimmungen. Aufgrund der globalen Natur der CyberRisiken bemühte sich die Schweiz auch um die Universalisierung des OSZEProzesses ­ beispielsweise über eine engere Zusammenarbeit zwischen den regionalen Organisationen. Angesichts der Interdependenzen im Cyber-Raum unterstützte die Schweiz den Kapazitätsaufbau anderer Staaten sowie den Zugang nationaler Akteure zu bestehender Expertise im Ausland. Dieser Ansatz stärkt die internationale Zusammenarbeit und trägt zugleich zur Erhöhung der allgemeinen Sicherheit und Überwindung der digitalen Kluft bei. Im Rahmen der Förderung des Kapazitätsaufbaus lancierte die Schweiz verschiedene regionale Projekte, beispielsweise in Südosteuropa in Zusammenarbeit mit der Organisation «DiploFoundation». Als Gründungsmitglied des «Global Forum on Cyber Expertise» (GFCE) beteiligte sich die Schweiz an der Meridian-Initiative zum Austausch bewährter Praktiken und Verfahren im Bereich des Schutzes kritischer Informationsinfrastrukturen. Zur Weiterentwicklung der eigenen, nationalen Fähigkeiten stärkte die Schweiz zudem die Zusammenarbeit mit internationalen Forschungszentren, unter anderem mit dem «Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence» (CCDCoE) im estnischen Tallinn. Schliesslich engagierte sich die Schweiz im Bereich der Bekämpfung von Cyberkriminalität, indem sie sich für die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für eine effiziente internationale Zusammenarbeit einsetzte. Sie strebt darum insbesondere die Verbreitung und massvolle Weiterentwicklung des entsprechenden Europaratsübereinkommens24 an.

Terrorismusbekämpfung Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist in den letzten Jahren ein wichtiger Aspekt des Schweizer Engagements für Frieden und Sicherheit in der Welt geworden. Als Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen hat der Bundesrat im Herbst 2015 eine nationale Strategie zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet, die die aussen- und innenpolitischen Dimensionen verknüpft. Gemäss der Strategie setzt
sich die Schweiz in ihrer Aussenpolitik für die Bekämpfung des Terrorismus und dessen Ursachen ein. Grosse Priorität legt die Schweiz auch auf die Prävention von gewalttätigem Extremismus. Das diesbezügliche Engagement der Schweiz wird unter Ziffer 3.3.7 eingehend behandelt. Sie wahrt ihre Interessen auf internationaler Ebene und wird als verlässliche Partnerin wahrgenommen, die sich für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht einsetzt und die einen nachhaltigen sowie ursachenorientierten Ansatz bei der Problemlösung verfolgt. Die Aussenpolitik steht in Wechselwirkung mit den vier nationalen Handlungsfeldern: Prävention, Repression, Schutz, Krisenvorsorge.

Richtschnur des Schweizer Engagements ist die globale UNO-Strategie gegen den Terrorismus aus dem Jahr 2006, deren Umsetzung alle zwei Jahre überprüft wird, zuletzt im Juni. Dieses Jahr wurde ein spezielles Augenmerk auf Fragen der Prävention gelegt, was ein wichtiges Anliegen der Schweiz darstellt. Die Schweiz engagiert 24

Übereinkommen vom 23. Nov. 2001 über die Cyberkriminalität, SR 0.311.43

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sich nicht nur in der UNO, sondern auch in multilateralen Gremien wie dem «Global Counterterrorism Forum» (GCTF), dem Europarat, der OSZE und der «Groupe d'action financière» (GAFI) in der Entwicklung normativer und operationeller Massnahmen. Einer der thematischen Schwerpunkte ist die Situation von Kindern und Jugendlichen. So lancierte die Schweiz im Rahmen des GCTF eine Initiative zum Jugendstrafrecht, die im September zur Verabschiedung des «Neuchâtel Memorandum on Good Practices for Juvenile Justice in a Counterterrorism Context» führte.

Zentral für die Schweiz ist, dass Massnahmen der Terrorismusbekämpfung mit dem internationalen Recht kompatibel und rechtsstaatlich abgestützt sind. Zusammen mit einer Gruppe gleichgesinnter Staaten setzt sie sich seit mehreren Jahren dafür ein, dass im Rahmen der gezielten Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates gegen Al-Qaïda und die Organisation «»Islamischer Staat (IS) die Verfahrensrechte der von den Sanktionen betroffenen Personen und Organisationen besser eingehalten werden. Sie wirkt dahin, dass die institutionelle Stellung der Ombudsperson, an welche sich gelistete Personen für ein «De-listing» im Rahmen dieses Sanktionsregimes wenden können, eine effektive und unabhängige Ausführung des Mandats erlaubt. Diese Fragen sowie die Umsetzung der UNO-Sanktionen gegen Al-Qaïda und den IS in der Schweiz, namentlich im Finanz- und Kulturgütersektor, wurden auch anlässlich eines Besuches des «Analytical Support and Sanctions Monitoring Team concerning ISIL (Daesh), Al-Qaïda and the Taliban» des UNO-Sicherheitsrates besprochen.

Die Verwischung der Linien zwischen Terrorismus und Krieg Heute existieren neunzehn universelle Übereinkommen der UNO-Generalversammlung und zahlreiche Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates zu verschiedenen Erscheinungsformen des Terrorismus. Weiterhin gibt es aber auf der globalen Ebene keine Einigkeit und keine umfassende rechtliche Definition von Terrorismus. Da die Deutungshoheit bei den nationalen Regierungen liegt, hat Terrorismus entsprechend viele Gesichter. Angesichts der globalen Bedrohung richtet sich die internationale Aufmerksamkeit zurzeit zwangsläufig auf den sogenannten dschihadistisch motivierten ­ oder verbrämten ­ Terrorismus, der von Bewegungen wie Al-Qaïda und dem IS sowie mit diesen assoziierten Gruppierungen wie Boko
Haram in Nigeria und in der Region des Tschad-Sees oder Al-Shabaab im Horn von Afrika ausgeht.

Diese Form von Terrorismus und viele der damit verbundenen Phänomene sind nicht neu. Zugenommen hat das Ausmass der transnationalen Bedrohung, was mit dem Aufstieg des IS und der Ausrufung des Kalifats Mitte 2014 zusammenhängt.

Obschon die Gruppe dieses Jahr erhebliche Rückschläge in Syrien und im Irak erlitten hat, dürfen ihre Kapazitäten und die Bedrohung, welche für die internationale Sicherheit von ihr ausgeht, nicht unterschätzt werden.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat auch die Globalisierung des Terrorismus weiter zugenommen. Personen, Geld und Güter sind noch mobiler geworden und der virtuelle Raum hat sich rasant entwickelt. Der heutige Terrorismus ist in seinem Ausmass ohne Internet und billige Reisemöglichkeiten nicht denkbar. Gerade der IS weiss sich der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie zu bedienen. Die Globalisierung des Terrorismus ist auch daran abzulesen, dass der Nährboden nicht nur in unterentwickelten und von Konflikten 1342

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heimgesuchten Ländern vorhanden ist, sondern ebenso mitten in Europa. Von den über 30 000 ausländischen Kämpfern, die sich in Syrien und Irak dem IS und anderen terroristischen Gruppierungen angeschlossen haben, sollen über 5000 aus Europa stammen. Hunderte sind bereits zurückgekehrt, was die Gefahr von terroristischen Anschlägen, Propaganda, Rekrutierung, Finanzierung und Netzwerkbildung erhöht. Einige der Attentäter in Europa sind zudem nie in die Kriegsgebiete gereist, sondern haben sich hier radikalisiert.

Während der Terror auch in Europa Angst verbreitet, ist die Situation in den Kriegsgebieten in Syrien, Irak, im Jemen, Libyen, Somalia und im Nordosten Nigerias weit dramatischer. Alle Seiten, auch die Regierungen, begehen schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts mit unermesslichem Leid für die Zivilbevölkerung. Zudem ist der Trend, humanitäre Aktionen für politische oder militärische Zwecke zu instrumentalisieren oder sie aus ebensolchen Motiven zu behindern, besorgniserregend. Die Schweiz unterstützt in diesen Gebieten humanitäre Partnerorganisationen und setzt sich aktiv dafür ein, dass die humanitären Engagements in Gebieten, die unter der Kontrolle von terroristischen Organisationen stehen, möglich bleiben.

Schliesslich setzt sich die Schweiz dafür ein, dass es für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid keine Straflosigkeit gibt und die Verbrechen unabhängig von der Täterschaft geahndet werden.

Auch wenn die vom IS initiierten oder organisierten Anschläge bisher nicht auf die Schweiz oder ihre Interessen im Ausland zielten, so gehört unser Land dennoch zur westlichen Welt und bleibt deshalb ein potenzielles Ziel von dschihadistisch motivierten Terroranschlägen. Dementsprechend hat sich der Informationsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene markant erhöht. International und vor allem auch in Europa wurde daher die internationale und regionale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden (INTERPOL, EUROPOL, EUROJUST etc.) und der Nachrichtendienste ausgebaut. Für die Schweiz ist die enge Zusammenarbeit im Schengen-Raum zentral. Im September hat die Schweiz einen zusätzlichen Liaison Officer in die EUROPOL detachiert, um den Informationsaustausch bei der Terrorismusbekämpfung im europäischen Raum zu optimieren. Ein verstärkter Informationsaustausch
ist insbesondere bezüglich Personen wichtig, welche in ein Konfliktgebiet reisen, um sich einer terroristischen Organisation anzuschliessen und eines Tages in ihre Aufenthalts- oder Herkunftsländer zurückkehren. Der gezielte Schutz des Schengen-Innenraumes sowie der Schengen-Aussengrenze ist eines der erklärten Ziele der interdepartementalen Task-Force TETRA. Ein zentrales Anliegen der Schweiz ist es, den Export von Terrorismus aus der Schweiz in Konfliktregionen zu verhindern. Diesbezüglich strebt die Task-Force TETRA an, Reisen in solche Konfliktgebiete zu unterbinden und die Unterstützung von terroristischen Straftaten im Ausland, bei denen die Schweiz als Durchgangs-, Vorbereitungs- oder Logistikbasis dient, zu verhindern.

Innerhalb der UNO verabschiedete der Sicherheitsrat weitreichende verbindliche Bestimmungen straf- und sanktionsrechtlicher Natur (Sperrung von Geldern, Reiseverbot, Waffenembargo). Dabei geht es vor allem darum, diejenigen Versorgungslinien zu kappen, die für das Funktionieren von IS und Al-Qaïda wesentlich sind, namentlich ihre Finanzierungsquellen: unerlaubter Handel mit Öl, Zugang zum internationalen Finanzsystem, Entführungen gegen Lösegeld, illegaler Handel mit 1343

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Kulturgütern. Die UNESCO fördert insbesondere die Bekämpfung des Letzteren, und zwar auch im Interesse der Bewahrung des Kulturerbes, die im Hinblick auf die Prävention von gewalttätigem Terrorismus von entscheidender Bedeutung ist. Die Schweiz beteiligt sich auch aktiv an der Verhinderung von Terrorismusfinanzierung, im Rahmen der GAFI, dem führenden multilateralen Gremium zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Um die vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Finanzsanktionen noch schneller umsetzen zu können, hat der Bundesrat am 4. März dementsprechend die Verordnung zur automatischen Übernahme von Sanktionslisten des Sicherheitsrats25 verabschiedet.

Diese und weitere Entwicklungen haben bei den verschiedenen Organisationseinheiten des Bundes, die sich mit der Terrorbekämpfung befassen, zu einer ausgeprägten Zunahme der bestehenden Aufgaben und zu neuen Aufgaben geführt. Um dieser Situation Rechnung zu tragen, hat der Bundesrat am 18. Dezember 2015 beschlossen, für die Aufgabenbewältigung im Bereich der Terrorismusbekämpfung die Mittel für 86 zusätzliche Stellen zur Verfügung zu stellen, vorab beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB), beim Bundesamt für Polizei (fedpol) und dem Grenzwachkorps. Die drei neuen Stellen beim EDA wurden vorrangig für eine Stärkung der präventiven Aspekte der Terrorismusbekämpfung sowie des Krisenmanagements eingesetzt.

Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Waffen Das Engagement der Schweiz in den Bereichen Rüstungskontrolle, Abrüstung und der Verhinderung der Proliferation von konventionellen Waffen, Massenvernichtungswaffen und Trägermitteln ist eine in der Aussenpolitischen Strategie 2016­ 2019 definierte Priorität zur Stärkung der internationalen Sicherheit und ein Beitrag für eine tragfähige und gerechte internationale Ordnung. Die Entwicklung und Konsolidierung entsprechender Normen und multilateraler Vertragsregimes ist für die Schweiz von zentraler Bedeutung. Sie hat als neutraler Staat ein grosses Interesse daran, dass in den internationalen Beziehungen die Einhaltung des Völkerrechts über der politischen oder militärischen Macht steht, da dies für Berechenbarkeit und Stabilität sorgt. Obwohl bestehende rüstungskontroll- und abrüstungspolitische Normen und Institutionen durch neue Bedrohungen und Risiken herausgefordert
werden, konnten die multilateralen Verhandlungsforen im Berichtsjahr kaum mit signifikanten Fortschritten aufwarten.

Initiativen im Bereich der Massenvernichtungswaffen Im Bereich der nuklearen Abrüstung agierte die Schweiz erneut forenübergreifend und als konstruktive Kraft. Die Blockaden in den etablierten Prozessen konnten aber auch im Berichtsjahr nicht aufgebrochen werden. In einer von der 70. UNO-Generalversammlung (GV) eingesetzten Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung traten die Divergenzen klar zu Tage. An der 71. UNO-GV wurde ein Verhandlungsprozess für 2017 lanciert, wo unter Abkehr von der im Nuklearbereich sonst angewendeten Konsensregel erstmals per Mehrheitsentscheid mit den Stimmen von Nichtbesitzerstaaten und gegen den Willen der Kernwaffenstaaten und ihrer Allianzpartner ein Kernwaffenverbot verhandelt wird. In diesem Zusammenhang hat die Schweiz ihrer 25

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Grundhaltung entsprechend einen möglichen Mittelweg zwischen den zwei Lagern skizziert. Sie unterstrich, dass ein solcher Prozess effektiver und nützlicher wäre, wenn sich Nuklearwaffenbesitzer- und Schirmstaaten beteiligen würden. Da dieser Punkt keine Berücksichtigung fand, enthielt sich die Schweiz bei der Abstimmung.

An den Verhandlungen wird sie sich aktiv beteiligen und weiterhin versuchen, vermittelnd zu wirken sowie die Inklusivität zu fördern.

Parallel dazu setzte die Schweiz ihre Anstrengungen fort, die Abrüstung gemäss der Logik der praktischen Schritte des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Non-Proliferation Treaty, NPT) mit pragmatischen Massnahmen voranzubringen. So legte sie zusammen mit Partnerländern in der 71. UNO-GV erneut die Resolution zur operationellen Reduktion der Bereitschaft von Kernwaffen (Dealerting) vor. Es gelang, die Enthaltungen weiter zu minimieren. Die Schweiz verwies zudem mit Schweden in Arbeitspapieren und einem Side-Event auf die steigenden Risiken durch nukleare Marschflugkörper. Ausserdem arbeitete die Schweiz an der Entwicklung multilateraler Verifikationsansätze im Nuklearwaffenbereich (International Partnership for Nuclear Disarmament Verification, IPNDV) mit. Sie reichte diesbezüglich zusammen mit Norwegen und einer überregionalen Gruppe eine neue UNO-GV-Resolution zur Rolle der Verifikation in der nuklearen Abrüstung ein, welche mit grosser Mehrheit angenommen wurde.

Im Bereich der nuklearen Non-Proliferation haben der vierte und fünfte Atomwaffentest der Demokratischen Volksrepublik Korea neben weitgehender Verurteilung auch eine Verschärfung des UNO-Sanktionsregimes nach sich gezogen. Die Schweiz hat die Sanktionsverschärfung mitvollzogen, hält sich aber auch bereit, eine mögliche Wiederaufnahme des Dialogs zu unterstützen. Eine solche Unterstützung liess sie den Verhandlungen zwischen den E3/EU+3 und dem Iran zukommen, welche schliesslich 2015 zum Abkommen über das iranische Nuklearprogramm führten. Dieses Abkommen ist im Januar in Kraft getreten. Seine Umsetzung seitens Iran wird durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) überprüft. Die Schweiz, die bis 2017 im Gouverneursrat der Agentur Einsitz nimmt, verfolgt die entsprechende Berichterstattung eng und setzt sich im Rahmen der Exportkontrollregimes auch für eine
möglichst faire Handhabe bei der Sanktionsaufhebung ein. Sie hat sich zudem bereit erklärt, dem Iran bei der Verbesserung seiner nuklearen Sicherheitsstandards zu helfen.

In der Frage der Stärkung des Schutzes von nuklearen Einrichtungen und Material vor Terroristen hat sich die Schweiz anlässlich des «Nuclear Security Summit» (NSS) in Washington erneut für einen ganzheitlichen Sicherungsansatz ausgesprochen, der nicht nur die zivilen Quellen, sondern auch das bisher international vernachlässigte militärische Material berücksichtigt. Sie hat dieses Anliegen an der Generalkonferenz der IAEO und der Internationalen Konferenz für nukleare Sicherung im Dezember mit Nachdruck, aber nur beschränktem Erfolg eingebracht.

Die Exportkontrollgruppe der Nuklearlieferländer (NSG) beschäftigte sich in der Berichtsperiode intensiv mit den Mitgliedschaftsgesuchen Indiens und Pakistans.

Die NSG basiert darauf, dass alle Mitglieder auch NPT-Vertragsstaaten sind, was bei den vorerwähnten Kandidatenstaaten nicht der Fall ist. Aus Sicht der Schweiz sollte die NSG alle relevanten Lieferländer von Nukleargütern umfassen. Nur so können die Exportkontrollregeln in sinnvoller Weise international umgesetzt wer1345

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den. Indien hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Nuklearland entwickelt, weshalb sich die Schweiz für den Beitritt Indiens zur NSG einsetzt. In der Gruppe besteht noch kein Konsens über eine mögliche Teilnahme von Nicht-NPTStaaten. Die Schweiz engagiert sich deswegen aktiv für eine brückenbildende, konsensfähige Lösung über nicht-diskriminierende Kriterien für alle Anwärter, welche auch die Prinzipien der nuklearen Non-Proliferation und Abrüstung wahrt.

Im Juni 2017 wird die Plenarversammlung der NSG unter Schweizer Vorsitz in Bern stattfinden.

Anlässlich der achten Überprüfungskonferenz der Biologiewaffenkonvention (BWC) im November engagierte sich die Schweiz im Lichte zahlreicher Herausforderungen, wie des biotechnologischen Fortschritts oder der Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure, für eine Stärkung des Folgeprozesses im Rahmen der Konvention. Dabei gelang es nicht, die von der Schweiz seit der letzten Konferenz 2011 intensiv vorangetriebene Initiative zur Schaffung einer Arbeitsgruppe, die sich systematisch mit den Auswirkungen des biotechnologischen Fortschritts und dessen Folgen für die Konvention auseinandersetzt, zu realisieren. Obwohl diese Frage unter den Vertragsstaaten wenig kontrovers war und das Bedürfnis anerkannt wurde, fiel dieses an sich unbestrittene Anliegen der Uneinigkeit zwischen den Staatengruppen über die generelle Ausgestaltung des Folgeprozesses bis zur nächsten Überprüfungskonferenz zum Opfer. In dieser Frage konnte erst am letzten Tag der Konferenz der minimale Kompromiss erzielt werden, nur noch eine statt wie bisher zwei jährliche Plenarversammlungen abzuhalten sowie das Mandat des BWCSekretariats ohne Anpassungen zu verlängern. Darüber hinaus setzte die Schweiz ihr Engagement zugunsten des Mechanismus des UNO-Generalsekretärs zur Untersuchung vermuteter Biologie- und Chemiewaffeneinsätze fort, insbesondere mit der Weiterführung einer Workshopreihe des Labors Spiez, das sich im Geschäftsbereich des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS) befindet. Die Workshopreihe zielt darauf ab, dass die von den UNO-Staaten gemeldeten Laboratorien zur Untersuchung von vermuteten Biowaffeneinsätzen die geforderten Qualitätsansprüche erfüllen können.

Die Schweiz ist seit Mai für zwei Jahre im Exekutivrat der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW)
vertreten, welche den Vollzug der Chemiewaffenkonvention (CWC) überwacht. Im Mittelpunkt des Schweizer Engagements standen wiederum die Ereignisse im Kontext des Syrienkonflikts. Obwohl die deklarierten Chemiewaffenbestände des Landes eliminiert wurden, kam es im Berichtsjahr zu weiteren Einsätzen solcher Waffen, und damit zu einer Verletzung internationalen Rechts. Erstmals kamen die UNO und die OPCW im Rahmen einer vom Sicherheitsrat mandatierten Untersuchung zum Schluss, dass die syrischen Streitkräfte in drei von neun untersuchten Zwischenfällen Chlorgas und der IS in einem dieser Fälle Senfgas eingesetzt hatte. Die Schweiz unterstützte diese und weitere Ermittlungsmissionen der OPCW erneut sowohl finanziell wie auch mit Expertise und der Analyse von Proben durch das Labor Spiez. Die Schweiz setzte sich für die umfassende nationale Implementierung der CWC in allen Vertragsstaaten ein, auch um der Bedrohung durch nicht-staatliche Akteure besser begegnen zu können. Sie war diesbezüglich im Rahmen eines Kapazitätsaufbau-Programms mit Namibia aktiv engagiert. Darüber hinaus arbeitete die Schweiz erneut darauf hin, einen auf Transparenz abzielenden Diskussionsprozess im Rahmen der OPCW zur Problema1346

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tik der sogenannt handlungsunfähig machenden chemischen Substanzen anzustossen.

Initiativen und Massnahmen im Bereich konventioneller Waffen26 Im August 2016 fand in Genf die zweite Staatenkonferenz des Vertrags über den Waffenhandel (ATT) statt. Die weltweiten sicherheitspolitischen Entwicklungen bestätigten die Notwendigkeit universell geltender Standards für den internationalen Handel mit konventionellen Waffen. Nach der erfolgreichen ersten Phase der Etablierung des ATT, die vor allem administrativen Fragen gewidmet war, stehen nun inhaltliche Themen im Vordergrund. In diesem Sinne legte die Schweiz den Fokus ihres Engagements vermehrt darauf, zur effektiven und universellen Implementierung des Abkommens beizutragen. Sie hat dabei aktiv an der Schaffung einer entsprechenden Arbeitsgruppe mitgewirkt. Die Schweiz, die über das erforderliche Wissen und langjährige Erfahrung in den massgeblichen Bereichen verfügt, unterstützte andere Länder bei der Umsetzung ihrer Vertragsverpflichtungen, namentlich bei der Etablierung der notwendigen Kontrollaufgaben hinsichtlich des grenzüberschreitenden Transfers konventioneller Waffen. Bezüglich der Ansiedelung des ATT-Sekretariats in Genf würdigte die Vertragsstaatenkonferenz die Finalisierung der erforderlichen Modalitäten, unter anderem die am 13. Juni erfolgte Unterzeichnung des Sitz- sowie des Administrativabkommens mit der Schweiz (vgl. Ziff. 3.3.3, Internationales Genf).

Der Entscheid des Bundesrates vom April über die Ausfuhr von Kriegsmaterial in die Golfregion ist der erste dieser Grössenordnung und Tragweite seit dem Inkrafttreten des ATT. Vor dem Hintergrund des Jemenkonflikts beurteilte der Bundesrat dabei auf der Grundlage der Bestimmungen der Kriegsmaterialgesetzgebung und des ATT über fünfzig Gesuche von Schweizer Unternehmen für die Ausfuhr von Kriegsmaterial in die Region. Bei allen Gesuchen wog er, gestützt auf Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Kriegsmaterialverordnung vom 25. Februar 199827 («Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität») ab, ob eine Ablehnung im Einzelfall notwendig war oder eine Bewilligung erteilt werden konnte. Die Abschätzung eines Risikos für den Frieden, die internationale Sicherheit oder die regionale Stabilität hatte dabei insbesondere den konkreten Endverwender
sowie die Art des auszuführenden Kriegsmaterials zu berücksichtigen. Gleichzeitig war das Risiko der Verwendung des Materials zur Begehung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, gemäss Artikel 6 und 7 des ATT, abzuwägen. Das Exportverbot ist laut Artikel 6 Absatz 3 des ATT absolut, wenn zuverlässige Informationen vorliegen, wonach die in Frage stehenden Güter oder Waffen zur Begehung von Kriegsverbrechen benutzt werden.

Der Beschluss des Bundesrates basierte auf eben diesen Abwägungen. Angesichts der militärischen Interventionen im Jemen bewilligte der Bundesrat die Ausfuhr von Kriegsmaterial nur dann, wenn er keinen Grund zur Annahme sah, dass dieses aufgrund seiner Eignung sowie des Endempfängers in Jemen eingesetzt werden könnte.

26 27

Vgl. dazu auch Ziff. 3.3.4, Thematische Schwerpunkte.

SR 514.511

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An der fünften Überprüfungskonferenz der UNO-Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) lancierte die Schweiz mit Hilfe eines Arbeitspapiers eine Diskussion über die Notwendigkeit einer systematischeren Berücksichtigung der Auswirkungen neuer wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen (S&T) auf die CCW. Es gelang, diese Thematik für 2017 auf die Agenda zu setzen. Die Schweiz setzte sich zudem für die Schaffung einer Regierungsexpertengruppe (GGE) zu autonomen Waffensystemen (LAWS) für 2017 ein. Im Hinblick darauf reichte sie zusammen mit einer von ihr koordinierten, überregionalen Staatengruppe konkrete Vorschläge für den inhaltlichen Fokus der GGE LAWS ein. Sie stellte dabei die Anwendung und Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts und die korrespondierende rechtliche Verpflichtung, neue Waffen auf ihre Vereinbarkeit mit geltendem Völkerrecht zu prüfen sowie Fragen betreffend der Verantwortlichkeit in den Vordergrund. Die Schweiz und Neuseeland erreichten zudem, dass 2017 eine Diskussion zum Protokoll III der CCW über Brandwaffen abgehalten werden kann, anlässlich derer die Schweiz die Frage der Angemessenheit des Protokolls hinsichtlich des Schutzes von Zivilpersonen und Kombattanten thematisieren wird.

Das seit dem Ende des Kalten Krieges in Europa bestehende System der konventionellen Rüstungskontrolle und vertrauensbildenden Massnahmen beruht auf dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), dem Wiener Dokument über vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen sowie dem Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies). Die Schweiz ist nur am Regime des Wiener Dokuments vollberechtigt beteiligt. Sie stellt seit mehreren Jahren den Koordinator für die entsprechenden Verhandlungen im Rahmen der OSZE. Inhaltlich setzte sich die Schweiz für die Bewahrung und vollständige Umsetzung des bestehenden Acquis sowie für eine substantielle Modernisierung ein, um die vorhandenen Mechanismen zu stärken und das Dokument den militärisch-politischen Realitäten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Die notwendige Modernisierung dieser Instrumente, insbesondere des Wiener Dokuments und des KSE, ist bis anhin politisch blockiert. Die Schweiz bedauerte diese Entwicklung und unterstützte daher die von Deutschland angestossene Initiative,
den Dialog über die konventionelle Rüstungskontrolle neu zu lancieren (vgl. Ziff. 3.3.1, OSZE). Weiterhin engagierte sich die Schweiz auch in den Bereichen Kleinwaffen, leichte Waffen und Munition sowie bezüglich der beiden Verbotskonventionen zu Personenminen und Streumunition (vgl. Ziff. 3.3.4, Thematische Schwerpunkte).

Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen Das im September 2015 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 27. September 2013 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS)28 regelt die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen im Ausland. Es trägt dazu bei, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten, die Neutralität zu wahren, die aussenpolitischen Ziele der Schweiz zu verwirklichen und die Einhaltung des Völkerrechts zu garantieren. Es wurden zahlreiche bilaterale Gespräche mit betroffenen Unternehmen geführt, um über das Gesetz zu informieren und gleichzei28

SR 935.41

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tig die internen Prozesse und Instrumente zu optimieren. Daneben wurden Ausbildungsstandards in den Bereichen humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte für private Sicherheitsdienstleister entwickelt. Dienstleistungen wie Personenschutz oder Bewachung von Gütern und Liegenschaften in einem komplexen Umfeld stellten ungefähr einen Drittel der etwas mehr als dreihundert Tätigkeiten dar, die bis Ende 2016 gemeldet worden sind. Ein weiterer gewichtiger Teil der gemeldeten Dienstleistungen betrifft private nachrichtendienstliche Tätigkeiten sowie Tätigkeiten im Bereich der logistischen Unterstützung, der Beratung und der Ausbildung von Streit- und Sicherheitskräften. Für diese letzten Kategorien arbeitete das EDA eng mit dem SECO zusammen. Die zuständige Behörde im EDA hat bis Ende 2016 sechs Prüfverfahren gemäss Artikel 13 BPS eröffnet. In einem Fall wurde ein Verbot verfügt, in zwei Fällen wurden die Meldungen von der betroffenen Firma zurückgezogen und in zwei weiteren Fällen hat das EDA den Unternehmen mitgeteilt, dass die geplanten Dienstleistungen erbracht werden können. Ein letztes Prüfverfahren war zum Jahresende noch pendent. Auf internationaler Ebene setzte sich die Schweiz in verschiedensten Foren für eine verbesserte Regulierung und Aufsicht privater Sicherheitsdienstleister ein. Darüber hinaus wurden die Mindestanforderungen an vom Bund eingesetzte Sicherheitsdienstleister im Ausland erhöht, dies in der Absicht, weltweit die Qualitätsstandards von privaten Sicherheitsdienstleistungen zu verbessern.

3.3.3

UNO und internationales Genf

Die UNO ist das einzige Gremium, in dem zahlreiche weltweit relevante Fragen unter Teilnahme aller Länder und aller interessierten Akteure diskutiert werden können. Die UNO besitzt eine einmalige Universalität, was die behandelten Themen, die Mitgliedschaft und die internationale Ausstrahlung betrifft. Kein anderes Gremium verfügt über eine derartige Legitimität. Aus diesem Grund ist die UNO auch für die Schweiz ein zentrales Forum für die Vertretung ihrer aussenpolitischen Interessen. Die UNO bietet der Schweiz Gelegenheit, sich an der Ausarbeitung von Lösungen für globale Probleme zu beteiligen und Mitverantwortung für eine positive Entwicklung des Weltgeschehens zu übernehmen. Das langfristige Engagement der Schweiz in der UNO bis 2022 konzentriert sich auf zwei strategische Achsen: zum einen Frieden und internationale Sicherheit, zum anderen die Reform der UNO.

Seit ihrem Beitritt 2002 leistet die Schweiz einen konkreten Beitrag zur UNO in den Bereichen Verhütung und Beilegung von Konflikten, Förderung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und humanitäre Aktivitäten. Sie setzt sich zudem für die Aufwertung und Stärkung des internationalen Genf als globales Gouvernanzzentrum ein. Ein grosser Teil seines Immobilienparks wird in den nächsten Jahren mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Schweiz renoviert. Im vergangenen Jahr konzentrierte sich die Schweiz im Rahmen der UNO auf die folgenden Aktivitäten: Lancierung des Appells vom 13. Juni zur Stärkung der Konfliktprävention, Engagement für den ersten humanitären Weltgipfel in Istanbul (WHS) sowie die Genfer Konferenz zur Verhütung von gewalttätigem Extremismus.

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Engagement für Frieden und Sicherheit im Rahmen der UNO In Fortsetzung ihres Engagements der Vorjahre trat die Schweiz auch 2016 als Gastgeberin von Friedensprozessen auf. Unter der Leitung der UNO wurden in Genf insbesondere die Gespräche zu Syrien weitergeführt (vgl. Ziff. 3.3.4, Geografische Schwerpunkte) sowie die Gespräche zur Zypern-Frage auf dem Mont-Pèlerin im Kanton Waadt. Die Schweiz stellte in diesem Zusammenhang Expertinnen und Experten zur Verfügung und leistete organisatorische sowie logistische Hilfe.

Im Bereich Frieden und Sicherheit legte die Schweiz 2016 den Fokus bei der UNO auf die Förderung der Konfliktprävention. Dazu gehörte einerseits ein Engagement zur Stärkung der Strukturen und Instrumente, mit denen die UNO Konflikte präventiv bearbeitet. Damit die UNO in Krisensituationen koordiniert und thematisch breit angelegt agiert, förderte die Schweiz andererseits eine stärkere Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen den drei inhaltlichen Pfeilern der UNO. Die Schweiz positionierte sich in den verschiedenen UNO-Gremien systematisch in diesem Sinn.

Im Bereich der Prävention hat sich die Schweiz ebenfalls zur Prävention des gewalttätigen Extremismus engagiert (vgl. Ziff. 3.3.2, Terrorismusbekämpfung; und Ziff.

3.3.7, PVE). Auch die Finanzierung eines Mediationsexperten im Kabinett des UNO-Generaldirektors in Genf wurde weitergeführt, so dass die Kapazitäten der UNO Genf im Bereich Mediation und Konfliktprävention grundsätzlich gestärkt werden konnten. Die Schweiz will die präventiven Kapazitäten der UNO langfristig auch stärken, indem sie eine engere Zusammenarbeit der Akteure im Bereich Frieden und Sicherheit sowie im Menschenrechtsbereich fördert. Zum zehnjährigen Bestehen des Menschenrechtsrats im Juni 2016 lancierte die Schweiz deshalb eine Initiative, in der sie die UNO-Mitgliedsstaaten dazu aufrief, sich für eine bessere Berücksichtigung der Menschenrechte in der Konfliktprävention zu engagieren, namentlich durch einen engeren Austausch zwischen dem Menschenrechtsrat in Genf und dem Sicherheitsrat in New York (Appell vom 13. Juni 2016). Im Rahmen einer im September von der Schweiz organisierten hochrangigen Veranstaltung am Rand der Eröffnung der 71. UNO-Generalversammlung wurde das Thema zusätzlich vertieft.

Im Bereich der Friedenskonsolidierung engagierte sich
die Schweiz 2016 für das Konzept eines nachhaltigen Friedens, damit das UN-Peacebuilding nicht nur nach der Beendigung eines bewaffneten Konflikts, sondern auch im Sinne eines präventiven Ansatzes vor und während eines Konflikts wirksam werden kann. Sie engagierte sich dafür, dass Aspekte wie Prävention, Menschenrechte, Transitionsjustiz sowie die Rolle von Frauen in Konflikten in das Konzept des nachhaltigen Friedens einbezogen wurden. Im Mai trat die Schweiz der neu gegründeten «Group of Friends of Sustaining Peace» bei, um sich in diesem Rahmen für eine breite Anwendung des Konzepts des nachhaltigen Friedens in der UNO einzusetzen. Mit ihrem Vorsitz der «Peace Building Commission Burundi» der UNO-Kommission für Friedenskonsolidierung unterstützte sie die Aktivitäten der UNO in diesem Bereich ausserdem konkret, unter anderem indem sie den Kontakt mit allen Stakeholdern pflegte und einen regelmässigen Austausch sicherstellte. Im Rahmen des Vorsitzes arbeitete die Schweiz darauf hin, bezüglich Menschenrechtssituation, politischem Dialog und sozioökonomischer Entwicklung positive Impulse zu geben.

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Im Berichtsjahr hat die Schweiz zusammen mit INTERPOL und weiteren Partnerstaaten erfolgreich eine Resolution in die UNO-Generalversammlung eingebracht.

Die Resolution konnte ohne Gegenstimme verabschiedet werden und zielt auf die bessere Unterstützung der UNO im Bereich transnational organisierter Kriminalität mittels der Datenbanken von INTERPOL.

Sexuelle Ausbeutung und Missbrauch stellt weiterhin eine grosse Herausforderung für die UNO dar. Das Thema betrifft nicht nur die UNO-Friedensmissionen, die in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen sorgten, sondern das gesamte UNOSystem, beispielsweise zivile Operationen oder Programme und Fonds der UNO.

Die Schweiz unterstützt die Politik der Null-Toleranz des Generalsekretärs und setzt sich in verschiedenen UNO-Gremien für eine Stärkung und Umsetzung dieser Politik ein, namentlich auch in Bezug auf die erforderlichen Ressourcen. Im Rahmen der Sicherheitsratsresolution S/RES/2272 und mehreren Berichten des UNOGeneralsekretärs, unter anderem A/71/97, wurden verschiedene Empfehlungen hinsichtlich der Prävention und Sanktionierung solcher Fällen vorgeschlagen. Die Schweiz unterstützt diese Empfehlungen und verfolgt deren systemweite Implementierung aufmerksam. Zudem engagiert sich die Schweiz in der Frage der strafrechtlichen Rechenschaft von UNO-Personal, die unter anderem auch in diesen Fällen geregelt werden muss.

Menschenrechte und Menschenrechtsrat Seit Jahresbeginn 2016 und bis 2018 nimmt die Schweiz zum dritten Mal seit 2006 als Mitglied des Menschenrechtsrats Einsitz in das wichtigste UNO-Organ im Bereich der Menschenrechte. Der Rat feierte 2016 sein 10-jähriges Bestehen. Die Schweiz, die eine Schlüsselrolle bei dessen Schaffung gespielt hatte, nutzte die Gelegenheit, ihre Unterstützung zu bekräftigen und seine Erfolge sowie zukünftigen Möglichkeiten zu thematisieren. Trotz den Erfolgen des Menschenrechtsrates zeugen die Realitäten im Feld vom Ausmass der Herausforderungen. Menschenrechtsverletzungen sind nach wie vor weit verbreitet, insbesondere in fragilen Kontexten, gescheiterten Staaten oder autoritären Regimen. Auch die Universalität der Menschenrechte wird regelmässig in Frage gestellt. Die Schweiz ist deshalb davon überzeugt, dass es den Menschenrechtsrat mehr denn je braucht und er sich künftig noch stärker darauf konzentrieren
sollte, dass seine Beschlüsse und Empfehlungen in den einzelnen Ländern umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund setzte sie sich im Berichtsjahr etwa dafür ein, dass nichtstaatliche Akteure wie die Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft noch stärker eingebunden werden.

Die Schweiz zieht insgesamt eine positive Bilanz der Aktivitäten des Rats, seiner Dynamik und seiner Monitoringinstrumente. Während eine fortbestehende Polarisierung zu beobachten war und die Schweiz ihre Bemühungen oft darauf konzentrieren musste, den bisher erreichten internationalen Standard zu bewahren, so konnten aber auch substanzielle Fortschritte erzielt werden: In Zusammenarbeit mit anderen Ländern hat die Schweiz beispielsweise dem Rat mit Erfolg zum vierten Mal eine Resolution über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte bei friedlichen Demonstrationen vorgelegt. Der Rat nahm dadurch eine Zusammenstellung praktischer Empfehlungen, wie die Menschenrechte im Kontext friedlicher Proteste besser respektiert und geschützt werden können, zur Kenntnis. Auch konnte sie den thema1351

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tischen Schwerpunkt Transitionsjustiz im Menschenrechtsrat vorantreiben und insbesondere den präventiven Aspekt zur Verhinderung von Gräueltaten und anderen groben Verletzungen von Menschenrechten weiterentwickeln. Sie gehörte ausserdem zu den Initiatoren einer neuen Resolution über Menschenrechte und Umwelt, einer Resolution über Erziehung und Bildung zum Thema Menschenrechte sowie einer Resolution zum besseren Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten.

Des Weiteren war die Schweiz aktiv bei der Behandlung zahlreicher Ländersituationen, die eine besondere Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft erfordern. Sie setzte sich in diesem Rahmen insbesondere für eine Stärkung der Rechenschaftsablage und des Kampfes gegen die Straflosigkeit ein.

Stärkung der Handlungsfähigkeit der UNO Managementreform: Die Schweiz unterstützte die verschiedenen Reformbemühungen hin zu einer modernen und effizienten Verwaltung der UNO. Sie setzte sich dafür ein, dass die eingeleiteten Reformprojekte unter dem oder der zukünftigen Generalsekretärin weitergeführt werden. Einen besonderen Fokus richtete die Schweiz dabei auf das Personalwesen, die wichtigste Ressource der UNO und zudem von grosser Bedeutung für das internationale Genf. Sie unterstütze dabei Reformen im Bereich des Salär- und Zulagensystems und der internationalen Mobilität des Personals. In den Verhandlungen zum Vorschlag des Generalsekretärs für eine Reorganisation der Sekretariatsdienste engagierte sich die Schweiz insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Auswirkungen auf den Standort Genf. Sie brachte sich zudem aktiv in die Diskussionen um die Umsetzung des neuen integrierten Ressourcenplanungssystems (eine IT-Plattform namens «UMOJA») und der umfassenden Informatikstrategie ein. Darüber hinaus engagiert sich die Schweiz im Rahmen der alle vier Jahre stattfindenden Überprüfung des operativen Systems der UNO. Die Schweiz gehört punkto Pflichtbeiträge an den ordentlichen Haushalt (17. Rang) und die Friedenssicherung (14. Rang) zu den grössten Beitragszahlern und verfügt deshalb über eine wichtige Stimme in Reformfragen. Sie setzte sich bei allen budgetrelevanten Fragen für eine effiziente und umsichtige Nutzung der finanziellen Ressourcen ein.

ACT/Wahl GS: Im Rahmen der Reform der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats koordiniert die
Schweiz die Gruppe «Accountability, Coherence, Transparency» (ACT), der 25 Mitglieder angehören. Besonders aktiv war die Gruppe 2016 im Zusammenhang mit der Nominierung des nächsten UNO-Generalsekretärs. Sie hatte dem Sicherheitsrat Vorschläge für ein klarer strukturiertes und transparenteres Nominierungsverfahren unterbreitet. Mehrere ihrer Vorschläge wurden umgesetzt, und erstmals in der Geschichte der UNO wurden im Jahr 2016 Anhörungen der zwölf Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs durchgeführt. Zudem gab es eine Diskussion mit den Kandidatinnen und Kandidaten, welche von einem internationalen Sender übertragen wurde. Abschliessend nahm der Sicherheitsrat eine Resolution an, in der der Generalversammlung formell die Nominierung von Antonio Guterres empfohlen wurde. Die nächste Amtszeit dauert vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2021. Im Rahmen der ACT konnte die Schweiz dazu beitragen, dass das Nominierungsverfahren klarer strukturiert und transparenter geworden ist.

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Kandidaturen und Platzierung der Schweiz in internationalen Organisationen Die Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat im Zeitraum 2023­2024 gehörte auch 2016 zu den Prioritäten der Schweizer UNO-Politik. Die Schwerpunkte der Arbeit lagen auf Erfahrungsaustauschen mit ehemaligen sowie aktuellen Sicherheitsratsmitgliedern und Sicherheitsratskandidaten. Ausserdem wurden verwaltungsinterne Vorbereitungsarbeiten getätigt. Die Schweiz ist von 2016­2018 im Menschenrechtsrat sowie von 2015­2016 im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) vertreten. Im ECOSOC übernahm die Schweiz von Juni 2015 bis Juni 2016 die Vizepräsidentschaft und war in dieser Funktion mit der Leitung des Humanitären Segments betraut. Durch die erfolgreiche Wahl in die UNOStatistikkommission für die Periode 2017­2020, die UNO-Kommission für soziale Entwicklung für die Periode 2017­2021 und die UNO-Kommission für Wissenschaft und Technologie im Dienste der Entwicklung für die Periode 2017­2020 kann die Schweiz fachspezifische aussenpolitische Interessen in verschiedenen Gremien der UNO vertreten. Für die Periode 2017­2020 wird die Schweiz im Weltpostverein (UPU) im Rat für Postbetriebe sowie im Verwaltungsrat Einsitz nehmen. Im Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) hält die Schweiz von Sommer 2016 bis Sommer 2017 die Präsidentschaft der Beratenden Kommission inne. Dies ist nach der Ernennung des Schweizers Pierre Krähenbühl zum Generalkommissar der UNRWA im Jahr 2013 eine weitere Bestätigung für das Schweizer Engagement in dieser UNO-Organisation. Die Schweiz hält auch die Präsidentschaft der Beratenden Gruppe des «Central Emergency Response Fund» (CERF), der jährlich 500 Millionen Franken an humanitäre Organisationen der UNO verteilt. Schliesslich konnte die Schweiz im Rahmen der Nachwuchsförderung mehrere Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger auf Positionen innerhalb des UNO-Systems platzieren. Die Schweiz kandidierte ausserdem für die Ansiedlung des Sekretariats des «International Forum of Independent Audit Regulators» (IFIAR) in Basel. Während sich die IFIAR-Mitglieder für einen anderen Sekretariatssitz ausgesprochen hatten, wurde die Schweiz aufgrund ihrer Zweitplatzierung und ihres grossen Engagements im IFIAR für den Posten der Vize-Vorsitzenden für die
Mandatszeit 2017­2019 vorgeschlagen. Turnusgemäss übernimmt die Schweiz dann ab 2019 für zwei Jahre den IFIAR-Vorsitz.

Die quantitative und qualitative Platzierung von Schweizer Staatsangehörigen in internationalen Organisationen dient der Wahrung der Schweizer Interessen. Auch im Berichtszeitraum wurden Schweizerinnen und Schweizer dabei unterstützt, in wichtigen internationalen Organisationen Einsitz zu nehmen. Marcel Jullier wurde in den Beratenden Ausschuss für Verwaltungs- und Haushaltsfragen (ACABQ) für die Periode 2017­2019 gewählt. Der ACABQ überprüft zuhanden des 5. Ausschusses (Budget, Management) der UNO-Generalversammlung sämtliche Vorschläge des UNO-Generalsekretärs im Bereich der Finanzen, des Personalwesens und der Verwaltung der Organisation. Darunter fällt insbesondere das Budget des UNOSekretariats und dessen Entitäten, von denen viele ihren Sitz in Genf haben. Marcel Jullier ist der erste Schweizer, der Mitglied des ACABQ wird. Pascal Clivaz wurde als stellvertretender Generaldirektor des Weltpostvereins (UPU) für die Mandatszeit 2017­2020 wiedergewählt. Weiter waren auf Topkaderstufe nachfolgende Kandidaturen erfolgreich: Daniel Neuenschwander, seit 2009 Leiter der Abteilung Raumfahrt des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation wurde als Direk1353

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tor für Trägersysteme der Europäischen Weltraumagentur (ESA) gewählt. Er ist der erste schweizerische ESA-Programmdirektor seit der Gründung der Organisation 1975. Hans Dreyer, bisher Leiter des Fachbereichs Pflanzengesundheit und Sorten beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), wurde des Weiteren als Direktor für Pflanzenproduktion und Pflanzenschutz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gewählt. Die Schweiz war seit 2010 nicht mehr auf diesem Niveau in der FAO vertreten. Nils Melzer wurde vom Menschenrechtsrat zum UNO Sonderberichterstatter über Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe gewählt. Jean Ziegler wurde für die Periode 2016­2019 als unabhängiger Experte in den Beratenden Ausschuss des UNO-Menschenrechtsrates und Hans-Jörg Bannwart für die Periode 2017­2019 für eine zweite Mandatszeit in den Unterausschuss zur Verhütung von Folter (SPT) gewählt. Zudem leitet der Schweizer Jakob Kern das WFP Büro in Damaskus.

UNESCO29 Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) hat die Aufgabe, Frieden und nachhaltige Entwicklung durch Bildung, Wissenschaft und Kultur zu fördern. Sie beteiligt sich sowohl an der Entwicklung von Lösungen für eine Reihe akuter sicherheitspolitischer und humanitärer Fragen, als auch an den ersten Schritten zur Umsetzung und zum Monitoring der Agenda 2030. Als Depositar der wichtigsten globalen normativen Instrumente im Bereich Kultur setzt sich die UNESCO für die Einhaltung des Völkerrechts ein, mobilisiert Fachwissen und koordiniert Bemühungen, die Zerstörung von Kulturgütern und den illegalen Handel mit ihnen zu unterbinden. Die Schweiz verfolgt aktiv die derzeitigen Arbeiten in der UNESCO und den multilateralen Gremien: Der UNOSicherheitsrat beispielsweise verwies auf den engen Zusammenhang zwischen dem illegalen Handel mit Kulturgütern und der Finanzierung des Terrorismus. Eine vom EDA eingesetzte Koordinationsgruppe, in der Dienststellen aller Departemente des Bundes vertreten sind, soll den bei diesem Thema notwendigen ämterübergreifenden strategischen Ansatz sicherstellen. Die UNESCO setzt sich auch für die Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE) namentlich durch Bildung sowie für die Bekämpfung von Diskriminierung und Radikalisierung ein. Die
Anlässe der UNESCO werden in der Schweiz aufmerksam verfolgt und ihre Produkte werden genutzt. So wurden zum Beispiel das Lehrmaterial und die bildungspolitischen Leitlinien zur PVE verbreitet, und der ministerielle Aufruf zu inklusiver Bildung und gleichen Bildungschancen für alle Lernenden in einem diskriminierungs- und gewaltfreien Umfeld wurde unterstützt.

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals SDG) werden von der Organisation nunmehr als ihre wichtigste Arbeitsgrundlage betrachtet. Die UNESCO hat bereits begonnen, die Rolle zu spielen, die ihr von der Staatengemeinschaft zugedacht wurde: Sie ist für die weltweite Koordination der Umsetzung des Bildungsziels zuständig. Die Schweiz ist diesbezüglich eine engagierte Partnerin; sie beteiligt sich an der globalen Alphabetisierungsallianz und an der Plattform für Menschenrechtsbildung und -ausbildung, und sie unterstützt die Aus29

Auf das Engagement der Schweiz im Bereich Kultur innerhalb der UNESCO wird unter Ziff. 3.5.6 näher eingegangen.

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arbeitung des Weltbildungsberichts und die Fachinstitute der UNESCO, denn sie alle befassen sich auch mit Fragen der PVE und der Inklusion. Die Schweizerische UNESCO-Kommission setzt sich dafür ein, dass die Zielvorgaben des SDG4 auch in der Schweiz angestrebt werden, da die Agenda 2030 weltweite Geltung besitzt.

Das internationale Genf Das internationale Genf, operationelles Zentrum der Vereinten Nationen, bietet der Schweiz die Möglichkeit, auf internationaler Ebene mehr Einfluss zu gewinnen und ihre Positionen wirkungsvoller einzubringen. Zudem hat sie hier einfacheren Zugang zu globalen Institutionen und geniesst eine grosse Visibilität auf dem internationalen Parkett. Die einzigartige Konzentration verschiedener internationaler Akteure in Genf schafft für die internationale Gemeinschaft ein wichtiges Synergiepotenzial. So konnte sich Genf als eines der anerkannten Zentren der globalen Gouvernanz etablieren, in dem internationale Konferenzen und hochrangige Treffen durchgeführt werden. Dies zeigt zum Beispiel die Niederlassung des Sekretariats des Vertrags über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) im März 2016. In enger Zusammenarbeit mit der Leitung der Vertragsstaatenkonferenz erarbeitete die Schweiz Vorschläge für ein Sitzabkommen sowie für eine Verwaltungsvereinbarung. Die Vorschläge der Schweiz wurden im Rahmen einer ausserordentlichen Sitzung der Vertragsparteien verabschiedet, und die beiden Abkommen konnten im Juni unterzeichnet werden. Die Schweiz ermöglichte damit die rasche Arbeitsaufnahme des ATT-Sekretariats und leistete durch die Unterstützung des Sekretariats einen Beitrag zur Umsetzung des Abkommens (vgl. Ziff. 3.3.2, Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Waffen).

Die Umsetzung der Botschaft zu den Massnahmen zur Stärkung der Rolle der Schweiz als Gaststaat, die im November 2014 vom Bundesrat verabschiedet und im Juni 2015 vom Parlament behandelt worden war, begann im Januar 2016. Zugleich wurden zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Aus diesem Grund konnte die 2013 begonnene Umsetzung der Massnahmen beschleunigt werden. Schwerpunkte sind die Stärkung der Synergien und die Bereitstellung von Orten für den Gedankenaustausch, namentlich durch die Einrichtung von Plattformen, die die verschiedenen thematischen Bereiche abdecken und die
Anregungen seitens der Kompetenzzentren des internationalen Genf nutzen. So wurden 2016 Plattformen in den Bereichen Humanitäres, Wissenschaft und Abrüstung eingerichtet, während die bereits vorhandenen Plattformen in den Bereichen Friedenskonsolidierung, Internet und globale Gesundheit ihre Arbeit erweiterten. Mit Unterstützung der Schweiz wird das Genfer Büro der Vereinten Nationen über einen neuen Dienst verfügen, der die sektorübergreifende Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung fördert und auf diese Weise die Präsenz der verschiedenen Akteure in Genf nutzt.

Die UNO-Fachstelle UN Women verfügt ­ auch dank der Unterstützung durch die Schweiz ­ seit Oktober 2016 über ein neues Verbindungsbüro in Genf. Die Niederlassung dieser Fachstelle wird erheblich zu den Bemühungen der Schweiz beitragen, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Emanzipation der Frauen zu fördern. Diese Prioritäten sind ein strategisches Ziel der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz in den Jahren 2017­2020. Um die Kompetenzenvielfalt des internationalen Genf deutlich zu machen, sei zudem die Zusammenarbeit mit diversen schweizerischen und ausländischen Thinktanks erwähnt, namentlich die Organisati1355

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on einer Konferenz im April in Kooperation mit der Universität der Vereinten Nationen (UNU) sowie verschiedene Anlässe des «Think Tank Hub Geneva», unter anderem zur Migrationsthematik. Erfolgreich waren auch die Bestrebungen, dass möglichst alle UNO-Mitgliedstaaten mit einer ständigen Mission in Genf vertreten sind: Die Kooperative Republik Guyana eröffnete im Oktober eine Ständige Mission.

Die Schweiz will sicherstellen, dass die internationalen Organisationen in Genf über einen modernen und effizienten Immobilienpark verfügen, und unterstützt deshalb Bauvorhaben und die geplante Renovation von Sitzgebäuden mit kostengünstigen Darlehen. Am 17. März beschloss das Parlament die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 59.4 Millionen Franken für den Neubau des Sitzgebäudes der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften. Fünf weitere Anträge auf Unterstützung wurden von internationalen Organisationen eingereicht: Die UNO beantragte ein Darlehen in Höhe von 400 Millionen Franken für die Totalsanierung des Palais des Nations und die Errichtung eines neuen Gebäudes auf diesem Gelände. Gemäss Parlamentsbeschluss vom 29. September wird sich der Bund mit 292 Millionen Franken an dem Darlehen an die UNO beteiligen, die restlichen 108 Millionen werden von Stadt und Kanton Genf zur Verfügung gestellt. Ebenfalls am 29. September hat das Parlament ein Darlehen von 76,4 Millionen Franken an die Weltgesundheitsorganisation für die Errichtung eines neuen Gebäudes an ihrem Sitz sowie ein Darlehen von 70 Millionen Franken an die Internationale Arbeitsorganisation für die Renovation ihres Sitzgebäudes bewilligt. Ausserdem hat der Bundesrat dem Parlament mit der Botschaft vom 20. April ein Darlehen von 9,9 Millionen Franken zugunsten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz für die Renovation seines Sitzes beantragt. Das Parlament hat die entsprechende Botschaft im Dezember genehmigt. Im Juni entschied sich die Internationale Fernmeldeunion für den Abriss und Neubau ihres ältesten Sitzgebäudes und mithin für einen Verbleib in Genf. Die Organisation beantragte ein zinsloses Darlehen in Höhe von 150 Millionen Franken, einschliesslich zwölf Millionen zur Finanzierung der Vorstudien. Der Bundesrat genehmigte am 24. August das Darlehen für die Finanzierung der Vorarbeiten. Das Parlament bewilligte den entsprechenden Kredit im Dezember.

3.3.4

Friedensförderung

Angesichts zahlreicher, anhaltender bewaffneter Konflikte und humanitärer Katastrophen, zum Beispiel im Nahen und Mittleren Osten, der Ukraine und im Mittelmeer sowie der sich verschlechternden Menschenrechtslage in vielen Ländern war auch 2016 ein äusserst herausforderndes Jahr (vgl. Ziff. 2.2). Die friedenspolitischen Instrumente der Schweiz wurden entsprechend in sehr unterschiedlichen Kontexten unter oft schwierigen Bedingungen eingesetzt. Trotz Rückschlägen gab es im vergangenen Jahr aber auch positive Entwicklungen und Chancen für die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit, zum Beispiel in Myanmar und Kolumbien, zu denen die Schweiz ihren Beitrag leisten konnte.

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Geografische Schwerpunkte30 Westbalkan: Die Aussicht auf eine Integration in die EU stellt für die Länder des Westbalkans eine wichtige Triebkraft für wirtschaftliche, soziale und politische Reformen dar. Die politische Situation in der Region bleibt aber nach wie vor instabil und es bestehen Spannungen zwischen den Nachbarländern. Hinzu kommen historische Belastungen, wie zum Beispiel die Aufarbeitung der Vergangenheit oder das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo, die ein langjähriges Engagement der Schweiz verlangen. Im Berichtsjahr unterstützte die Schweiz einen hochrangigen Dialogprozess für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien sowie die Integration der Kosovoserben in die kosovarischen Institutionen. Im Juni fand in diesem Rahmen erstmals ein Austausch zwischen Vertretern der kosovoserbischen Zivilgesellschaft und Kosovos Premierminister sowie weiteren führenden Regierungsmitgliedern statt. Zur Lösung der politischen Krise in Kosovo lieferte die Schweiz Mediationsunterstützung an einen lokal geführten Mediationsprozess, der die vier wichtigsten kosovoalbanischen politischen Parteien im Land umfasst.

Zudem unterstützte die Schweiz die Vergangenheitsarbeit in der Region wie Kriegsverbrecherprozesse oder Exhumierungen von Massengräbern und entsandte Experten und Expertinnen an die EU-Mission EULEX, die UNDP sowie die OSZE in Kosovo und Serbien.

Nordafrika: In Libyen ist eine Eskalation bewaffneter Gewalt und in Ägypten ein Wiedererstarken autoritärer Tendenzen zu beobachten. In Tunesien gibt es Anzeichen für ein Gelingen der Transition, doch erfahrungsgemäss können gesellschaftliche Veränderungen Jahrzehnte in Anspruch nehmen. In diesem Kontext hat sich die Schweiz im Rahmen der interdepartementalen Kooperationsstrategie 2011­2016 für eine politische Öffnung, die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Achtung der Menschenwürde eingesetzt. Das friedenspolitische Engagement der Schweiz in Nordafrika wird unter Ziffer 2 vertieft behandelt.

Israel und besetztes palästinensisches Gebiete (b.p.G.): Eine politische Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist auch 2016 nicht näher gerückt. Die unverminderte israelische Siedlungsexpansion im b.p.G., einschliesslich von Ostjerusalem, hat die Möglichkeit einer Konfliktlösung auf der Grundlage der Zweistaatenlösung
weiter untergraben. Die fortbestehende politische Spaltung auf palästinensischer Seite war der Wiederaufnahme von aussichtsreichen Friedensverhandlungen ebenfalls nicht förderlich. Vor diesem Hintergrund setzte die Schweiz ihr friedenspolitisches Engagement in Israel und im b.p.G. fort. Im Übrigen unterstützte die Schweiz in Israel und im b.p.G. die Bemühungen lokaler Organisationen zugunsten einer Konfliktlösung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Entwicklung von neuen Lösungsansätzen sowie bei der Eindämmung von Hindernissen der Zweistaatenlösung, wie etwa des israelischen Siedlungsbaus im b.p.G. Das friedenspolitische Engagement der Schweiz in der Region wird unter Ziffer 2. vertieft behandelt.

Mittlerer Osten: Die Lage im Mittleren Osten bleibt geprägt vom anhaltenden Konflikt in Syrien und dessen Auswirkungen auf die Nachbarstaaten, sowie von der Krise in Irak und dem verstärkten Auftreten der Organisation «Islamischer Staat» 30

Das Engagement der Schweiz in der Ukraine und im Kaukasus wird unter Ziff. 3.3.1, OSZE behandelt.

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und anderer bewaffneter Gruppen. Trotz intensiven internationalen Bemühungen und vereinzelten Fortschritten konnte auch 2016 keine nachhaltige politische Lösung für die vorherrschenden Konflikte gefunden werden. Viele der internationalen Aktivitäten fanden in der Schweiz statt, was zur Konsolidierung der Rolle der Schweiz als internationaler Standort für Friedensgespräche beitrug. Zusammen mit nationalen und internationalen NGO leistete die Schweiz zudem einen Beitrag zur Konflikttransformation auf lokaler Ebene. Das friedenspolitische Engagement der Schweiz im Mittleren Osten wird unter Ziffer 2 vertieft behandelt.

Sahel: Die Lage im Sahel hat sich trotz der Stationierung von immer mehr nationalen und ausländischen Streitkräften nicht verbessert. In Mali und im Niger, im Norden Nigerias, im Tschad und im Süden Libyens kommt es immer wieder zu Gewaltakten, die die Arbeit der Schweiz erschweren, aber auch deutlich machen, dass sie dringend notwendig ist. Die Unterstützung für die zumeist von der Zivilgesellschaft getragenen Dialogforen in diesen Konfliktgebieten bedarf der Zustimmung der Regierungen. Aus diesem Grund wird ein kontinuierlicher Dialog mit ihnen geführt. Ein Sonderbeauftragter der Schweiz für den Sahel gewährleistet seit 2013 Kontakte auf hohem Niveau, welche diesen Dialog unterstützen. Da mehrere Konflikte grenzüberschreitend sind, bemüht sich die Schweiz, ihre Projekte regional auszurichten. Dieses regionale Engagement entspricht der «Strategischen Ausrichtung des Engagements der Schweiz im Sahel 2014-2018». Das friedenspolitische Engagement der Schweiz im Sahel wird unter Ziffer 2 vertieft behandelt.

Grosse Seen: In der Demokratischen Republik Kongo und in Burundi war das Jahr 2016 geprägt von Spannungen und Gewalt im Zusammenhang mit den Wahlen.

Angesichts dessen ermutigte die Schweiz zum politischen Dialog, indem sie Plattformen für den Austausch einrichtete, ihre Mediationsexpertise zur Verfügung stellte und Begegnungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft ermöglichte. Dieses Engagement wurde ergänzt durch einen Beitrag zum Schutz der Menschenrechte via Monitoring von Verstössen, Lehrgänge für Anwältinnen und Anwälte, Unterstützung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie den Beitrag zu
multilateralen Instrumenten wie dem UNO-Menschenrechtsrat. Die Schweiz hält den Vorsitz der Burundi-Konfiguration der UNO-Kommission für Friedenskonsolidierung.

Horn von Afrika: Die Region ist von vielfältigen Konflikten geprägt. In Somalia bedroht die islamistische Al-Shabaab-Miliz den fragilen Staatsbildungsprozess. Der ungelöste Grenzstreit zwischen Äthiopien und Eritrea führt immer wieder zu militärischen Konfrontationen. Im Südsudan droht erneut eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen lokalen Führungspersönlichkeiten. Die Schweiz unterstützte die Umsetzung des Friedensabkommens für den Südsudan vom August 2015. Sie förderte überdies den nationalen Versöhnungsprozess und unterstützte traditionelle Autoritätspersonen in ihrer Rolle bei der lokalen Selbstverwaltung. Aufgrund der Unruhen im Südsudan wurden die friedenspolitischen Aktivitäten der Schweiz im Juli und Augst vorübergehend suspendiert. Obwohl sie Anfang September wieder aufgenommen werden konnten, ist deren Umsetzung aufgrund der Fragilität des Kontextes eine grosse Herausforderung. Das friedenspolitische Engagement der Schweiz im Horn von Afrika wird unter Ziffer 2 vertieft behandelt.

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Simbabwe: Die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes hat sich 2016 weiter verschlechtert und zu erheblichen sozialen und politischen Spannungen geführt. Aus diesem Grund stellte die Schweiz technische und finanzielle Unterstützung für Gespräche bereit, die alle Seiten einbeziehen. In diesem Sinne wurde insbesondere ein Rahmen für den Meinungsaustausch geschaffen, der allen Beteiligten erlaubt, landesweit relevante und namentlich wirtschaftliche Fragen zu erörtern. Bekanntlich engagiert sich die Schweiz in Simbabwe seit 2014 für Konfliktprävention und Demokratisierung. Seit damals setzt sie sich für die Umsetzung der Verfassung insbesondere im Hinblick auf die Vergangenheitsarbeit ein, indem sie die Einsetzung einer nationalen Friedens- und Versöhnungskommission fördert.

Süd- und Südostasien: Nach dem Erdrutschsieg der Nationalen Liga für Demokratie der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi nahm die neue Regierung Myanmars im April ihre Arbeit auf. Sie versucht insbesondere, den Friedensprozess neu zu definieren und zu legitimieren, indem sie die Entscheidungs- und Verhandlungsgremien neu zusammensetzte und mit den Gruppen, die den nationalen Waffenstillstand noch nicht unterzeichnet haben, verhandelt. Mehrere Studienreisen in die Schweiz von Vertretern der Armee, bewaffneten Gruppen sowie von Frauen aus ethnischen Gruppen, Politik und der Zivilgesellschaft zum Thema Föderalismus dienten der Vorbereitung der politischen Verhandlungen zwischen der Regierung und den bewaffneten Gruppen. Ausserdem leistete die Schweiz diskrete Unterstützung zu Prozessvorbereitung und Verhandlungsstrategie. Im Teilstaat Rakhine, im Südwesten des Landes, wo sich im Berichtsjahr die ethnisch-religiösen Spannungen zwischen der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit und der muslimischen Minderheit verschärft haben, leistet die Schweiz humanitäre Hilfe und unterstützt den interkonfessionellen Dialog. In diesem Kontext beauftragte die Schweiz einen Experten, Lösungsoptionen für das Problem der intern Vertriebenen auszuarbeiten.

In Sri Lanka wurde das Parlament Anfang 2016 in eine verfassungsgebende Versammlung umgewandelt, um die Verfassung gemäss den Bedürfnissen der verschiedenen Volksgruppen abzuändern und für mehr Machtteilung zu sorgen. Die Schweiz stellte Expertise zur Verfügung und trug dazu bei, dass
die Erfahrungen und das Wissen der neun Provinzräte für den Dezentralisierungsprozess fruchtbar gemacht werden konnten.

Kolumbien31: Auf Anfrage des kolumbianischen Hochkommissars für Frieden leistete die Schweiz technische Unterstützung bei der Ausarbeitung eines bilateralen und endgültigen Waffenstillstandsabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillabewegung FARC. Mit dem Abkommen vom Juni wurde der Weg frei für den Abschluss eines Friedensvertrags, der den seit mehr als einem halben Jahrhundert andauernden Konflikt beenden kann. Die technische Unterstützung kam der Regierungsdelegation, insbesondere den Streitkräften, von 2012 bis 2016 zugute. Die Schweiz ermöglichte ausserdem die Teilnahme von sechs kolumbianischen Militärangehörigen an einem Lehrgang über die Einhaltung und Überwachung eines Waffenstillstands im Kompetenzzentrum Swissint. Parallel dazu unterstützte die Schweiz im Vorfeld einer allfälligen Umsetzung des Abkommens aktiv die Bemühungen, die Teilnahme und den Ausbau der Kapazitäten der Zivilgesell31

Für politische Entwicklungen in Kolumbien sowie die Rolle der Schweiz in Zusammenhang mit dem Friedensabkommen vgl. Ziff. 3.2.4.

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schaft. In diesem Kontext engagierte sie sich für den Aufbau eines Koordinierungsrahmens der Zivilgesellschaft mit dem Ziel, eine möglichst breite Teilnahme am Friedensprozess zu ermöglichen. Auch die kolumbianische Polizei profitierte von der spezifischen Unterstützung in diesem Bereich. Die Schweiz engagierte sich zudem stark für den Schutz der Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sowie der indigenen und der afrokolumbianischen Bevölkerung in der Pazifikregion.

Im Bereich der Wirtschaft und der Menschenrechte unterstützte die Schweiz, wie schon in den vergangenen Jahren, die Initiative verschiedener Akteure zur verstärkten Einhaltung des internationalen Völkerrechts und der Menschenrechte durch Privatunternehmen. Neben dem Einsatz für die Anwendung des Gesetzes für Opferhilfe und die Landrückgabe, trug die Schweiz zur Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte der Opfer des bewaffneten Konflikts bei und begleitete einen konstruktiven Dialog zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zum Thema Vergangenheitsarbeit. Auf Anfrage der Streitkräfte unterstützte die Schweiz zudem eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Armee und der zukünftigen Wahrheitskommission.

Thematische Schwerpunkte Mediation und Mediationsunterstützung: Das Schweizer Engagement konzentrierte sich insbesondere auf Myanmar, Syrien, Kolumbien und die Ukraine sowie weitere Konfliktsituationen in Afrika (Burundi), Asien (Philippinen) und Europa (Kosovo).

Die bewährte Zusammenarbeit mit schweizerischen und internationalen Partnern wurde fortgesetzt, beispielsweise mit der UNO, der OSZE, sowie dem «Mediation Support Project». Die Professionalisierung der Mediation wurde insbesondere durch den Ausbau des Angebots von Mediationskursen vorangetrieben. Die Schweiz ist in Zusammenarbeit mit der ETH daran, einen berufsbegleitenden «Master of Advanced Studies» in internationaler Konflikt- und Friedensmediation zu entwickeln. Dieser Lehrgang soll massgeblich dazu beitragen, dass künftig noch mehr qualifiziertes Personal für professionelle internationale Konflikt- und Friedensmediation zur Verfügung steht. Ausserdem führte sie gemeinsam mit Deutschland ein Mediationstraining für Diplomatinnen und Diplomaten durch. Der «Peace Mediation Course» konnte weitergeführt werden, zudem fand in Zusammenarbeit mit der UNO der «UN High
Level Mediation Kurs» erstmals in der Schweiz statt. Schliesslich lieferte die Schweiz wichtige Beiträge zur Ausgestaltung der multilateralen Mediationspolitik.

Förderung und Schutz der Demokratie, Wahlen und Gewaltenteilung: Mit ihren Beiträgen zur Prävention und Beilegung von Konflikten stellt die Schweiz auch weiterhin ihre Expertise und ihre Guten Dienste zur Verfügung, um Wahlverfahren und Verfassungsprozesse zu unterstützen. In Tunesien und Myanmar zum Beispiel gaben Schweizer Fachleute Akteuren aus Behörden, Politik und Zivilgesellschaft Impulse für Gespräche und Debatten über Reformen nach Jahrzehnten der Diktatur und insbesondere über Föderalismus und Dezentralisierung. In diesen Staaten sowie anderen Ländern wie etwa Simbabwe wurden die Kapazitäten der Gerichte für die Behandlung von Wahlbeschwerden und die Zusammenarbeit zwischen Wahlbehörden und Beobachtern auch deshalb unterstützt, um die mangelnde Glaubwürdigkeit der Wahlverfahren auszugleichen. In einer mit den Parlamentsdiensten unterzeichneten Absichtserklärung wurde ein ans tunesische Parlament adressiertes Gutachten vorgeschlagen, das der Einführung transparenter, partizipativer und effizienter 1360

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Verhandlungsverfahren förderlich ist. Dank ihrer Publikationen über demokratische Verfahren und dank der Weiterbildung von Mediatorinnen und Mediatoren sowie kantonalen und eidgenössischen Fachleuten baut die Schweiz in einem Bereich, in dem sie sehr gefragt ist, ihre Kapazitäten aus.

Bearbeitung von Konflikten mit religiöser Dimension: Dank ihrer Expertise im Bereich Religion und Mediation hat die Schweiz 2016 im Sahel mit verschiedenen islamischen Gelehrten zusammengearbeitet, die über Einfluss auf junge Zugehörige gewalttätiger Gruppen verfügen. Dabei wurden diesen Gruppen religiöse Argumente zur Einhaltung des Völkerrechts in bewaffneten Konflikten sowie gegen extremistische Gewalt vermittelt. Die Schweiz schuf zudem Raum für inklusiven Dialog zwischen religiösen und säkularen Schlüsselfiguren in Nordafrika und im Mittleren Osten, um gegenseitiger Marginalisierung und Stigmatisierung entgegenzuwirken.

So führte beispielsweise ein von der Schweiz in Marokko durchgeführter Mediationsprozess zur Stellung der Frauen zum Abbau von Vorurteilen zwischen den säkularen und religiösen Teilnehmenden.

Schutz der Rechte von ethnischen, religiösen, sprachlichen und anderen Minderheiten32: Der Schutz der Menschenrechte von Minderheiten ist im Völkerrecht verankert und wurde unter anderem in der Erklärung der Vereinten Nationen von 1992 über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören, bekräftigt. Die ethnische und die religiöse Vielfalt sind zwei wesentliche Elemente des Pluralismus, der in zeitgenössischen Gesellschaften gepflegt wird. Dennoch und nicht zuletzt angesichts politischer Entwicklungen in verschiedenen Regionen der Welt, insbesondere auch im Kontext von wachsendem gewalttägigem Extremismus sowie Instabilitäten aufgrund von Konflikten, befinden sich die Rechte der religiösen und anderen Minderheiten unter Druck. Die Aggressionen von Gruppierungen, wie der Organisation «Islamischer Staat» (IS) zielen gar explizit auf solche Gemeinschaften ab und münden zum Teil in schockierenden Ereignissen, etwa dem Massaker an den Jesiden im irakischen Sindschar 2014. Gerade auch christliche Minderheiten werden in gewissen Gebieten im Nahen Osten bedroht und müssen aus ihren Wohnorten fliehen. Die Einschränkung der Rechte der Minderheiten geht
aber zuweilen auch von staatlichen Akteuren aus und kann sich unter anderem in administrativen Hindernissen, beispielsweise bei der Eheschliessung, in der Arbeitswelt, in der Erziehung oder mit drakonischen Strafen beim Glaubenswechsel äussern. Es gilt auch festzuhalten, dass die Verletzung der Menschenrechte von Minderheiten oft in einem Kontext stattfinden, in dem es um die Menschenrechte ganz allgemein schlecht bestellt ist. Die Förderung der Religionsfreiheit ­ unabhängig vom jeweiligen Glaubensbekenntnis ­ sowie der Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten sind integraler Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik.

In gewissen Kontexten sind Minderheiten Teil von autoritären Regierungen, die über Mehrheiten herrschen, weshalb aus Perspektive der Schweiz das entscheidende Kriterium nicht die Zugehörigkeit zu einer Minderheit, sondern die Verletzlichkeit (Vulnerabilität) ist. Es gilt also vor allem die verletzlichsten Menschen zu schützen.

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Das Schweizer Engagement zugunsten religiöser und andere Minderheiten im Rahmen der humanitären Hilfe wird unter Ziffer 3.4.2 behandelt.

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Die Schweiz engagiert sich darum für den Schutz der Grundrechte der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen, unabhängig von religiösen, ethnischen, sexuellen oder anderer Kriterien. Im aktuellen globalen Kontext sind zahlreiche verschiedene Gruppierungen von Diskriminierung betroffen, beispielsweise die Jesiden, gewisse christliche Strömungen, die Baha'i oder die Rohingya. Die Schweiz engagiert sich zudem, um Rassismus und Xenophobie entgegenzuwirken, und fordert auch den Schutz der Grundrechte von besonders verletzlichen ethnischen Minderheiten ein.

Im syrischen Homs unterstützt die Schweiz beispielsweise die syrisch orthodoxe Kirche beim Aufbau eines Zentrums für die psychosoziale Unterstützung von intern vertriebenen, kriegstraumatisierten Kindern. Dieses steht Angehörigen aller Glaubensgemeinschaften, insbesondere den Christen, Sunniten und Alawiten, offen. Im Irak unterstützt die Schweiz ein Projekt der Organisationen «Cease Fire Center for Civilian Rights», «Minority Rights Group» und der jesidischen «Sinjar Foundation for Human Development», welche Organisationen der Zivilgesellschaft dabei unterstützt, die Rechte der verletzlichen Bevölkerungsgruppen, insbesondere intern Vertriebener, Angehöriger von Minderheiten und Frauen, zu verteidigen.

Die Schweiz nutzt die bilateralen politischen Konsultationen sowie die Menschenrechtsdialoge, um Minderheitenrechte und Anti-Diskriminierung zu thematisieren.

Zudem unterstützt sie auf multilateraler Ebene die massgebenden Resolutionen im UNO-Menschenrechtsrat und in der UNO-Generalversammlung sowie die Bemühungen des Europarates und der OSZE zu diesen Themen. So unterzeichnete die Schweiz 2016 erneut die UNO-Resolution über die Religions- und Glaubensfreiheit sowie jene über die Rechte von Personen ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten mit. Ausserdem verlas sie während des interaktiven Dialogs mit der UNO-Sonderberichterstatterin für Minderheitenrechte eine Erklärung zur im Bericht der Sonderberichterstatterin thematisierten Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit. Nachdem die Schweiz während ihrer OSZE-Präsidentschaft im November 2014 eine Konferenz über Anti-Semitismus in Berlin mitorganisiert hatte, förderte sie 2016 den Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmerstaaten weiter. Im Januar organisierte sie zusammen mit Norwegen
ein internationales Seminar, das dem Thema der ethnischen und religiösen Minderheiten gewidmet war. Das Ziel dieser Veranstaltung war, neue Ideen und Initiativen zum Schutz der Rechte von Minderheiten zu generieren. Schliesslich hat die Schweiz die Lancierung eines gemeinsamen Projekts vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), des Kantons und der Stadt Genf zum Thema Minderheitenrechte unterstützt, die anlässlich des jährlichen UNO-Minderheitenforums stattfand. Auf der Ebene des Europarats hat die Schweiz 2016 den vierten regelmässigen Bericht über die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten erstellt. Die Verabschiedung durch den Bundesrat ist für Anfang 2017 vorgesehen. In diesem Bericht wird unter anderem die Situation der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz geprüft, die als nationale Minderheit anerkannt ist.

Gender und Konflikt: Eine effektive Teilnahme der Frauen an Friedensprozessen begünstigt deren Nachhaltigkeit. Kriegsgewalt betrifft beide Geschlechter, aber sie betrifft sie nicht auf gleiche Weise und nicht in gleichem Mass. Deshalb muss eine umfassende Anstrengung zur Lösung und Aufarbeitung von Krisen und bewaffneten Konflikten Genderaspekte einbeziehen. Diese Grundsätze sind der Kern der UNO Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit und des Schweize1362

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rischen Nationalen Aktionsplans, dessen Umsetzung 2016 weitergeführt wurde. Ein neuer Fokus der Schweizer Friedenspolitik ist die Rolle der Frauen und die Relevanz von Genderaspekten für die Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE).

Dieses Thema hat, unterstützt von den Teilnehmenden der Genfer Konferenz zur Verhütung von gewalttätigem Extremismus im April, auch Eingang in die Diskussionen im UNO-Sicherheitsrat gefunden.

Kleinwaffen und Munition, humanitäre Minenräumung33: Der politische Prozess zur Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung hat seine Mission erfüllt. Die Förderung friedlicher und offener Gesellschaften wird im Rahmen der Agenda 2030 als unentbehrlicher Faktor für eine nachhaltige Entwicklung anerkannt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Schweiz im Berichtsjahr weiterhin gegen den unerlaubten Handel und den Missbrauch von Kleinwaffen und leichten Waffen sowie ihrer Munition eingesetzt. Konkret hat sie dabei Projekte in Zentralund Westafrika unterstützt und die Ratifizierung des Waffenhandelsvertrags in Westafrika gefördert. Im Rahmen ihrer Munitionsinitiative arbeitete die Schweiz gemeinsam mit einer informellen Gruppe von Staaten an konkreten Massnahmen, welche die Proliferation von Munition eindämmen sowie Unfälle verhindern sollen.

Dabei steht die nachhaltige und konsequente Umsetzung bestehender Munitionsstandards im Vordergrund. Das Augenmerkt gilt dabei insbesondere fragilen Kontexten. Durch den Einsatz von Experten und die finanzielle Unterstützung von vor Ort tätigen Partnerorganisationen förderte die Schweiz zudem in verschiedenen Ländern Südosteuropas, Afrikas und des Mittleren Ostens den Aufbau lokaler Kapazitäten in der sicheren Lagerung, Verwaltung und Vernichtung von Waffen- und Munitionsbeständen. Die Aktivitäten der Schweiz in der humanitären Minenräumung orientieren sich an der diesbezüglichen Strategie des Bundes 2016­2019. Im Rahmen der humanitären Minenräumung finanzierte die Schweiz unter anderem konkrete Projekte in den betroffenen Ländern (z.B. Afghanistan, BosnienHerzegowina oder Kolumbien) und entsandte Expertinnen und Experten der Schweizer Armee in UNO-Minenräumprogramme, so beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO), im Südsudan (UNMISS) und der Westsahara (MINUSRO), ans UNO-Hauptquartier in New York, sowie eine
zivile Expertin des EDA zum UNO-Minenräumdienst in Genf.

Genfer Zentren: Die Schweiz unterstützt die drei Genfer Zentren auf der Basis des Bundesbeschlusses vom 24. September 2015 für vier Jahre (2016­2019) mit einem Höchstbetrag von 129 Millionen Franken. Das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), das Genfer Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) und das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF) sind sichtbare und weltweit geschätzte Kompetenzzentren. Sie leisten mit ihren Aktivitäten einen Beitrag an die Bemühungen für die Reform der Gouvernanz und der multilateralen Architektur im Bereich der Friedensförderung und der Sicherheit. Dabei stärken sie die Positionierung der Schweiz und des Standorts Genf.

In der Umsetzung der Vorgaben der Botschaft Genfer Zentren 2016­1934 bestand 33 34

Vgl. dazu auch Ziff. 3.3.2, Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Waffen.

Vergleiche Botschaft des Bundesrates vom 19. Nov. 2014 «Zivile Friedensförderung.

Rahmenkredit 2016-2019 für drei Genfer Zentren» (14.091), BBl 2014 9047.

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eine der Prioritäten für 2016 in der Vertiefung der Zusammenarbeit und der Synergienutzung im Maison de la Paix und der Durchführung des «International Security Forum» (ISF), einem Beitrag der Schweiz an die NATO-Partnerschaft für den Frieden (vgl. Ziff. 3.3.1), welches im Maison de la Paix stattfand.

Militärische Friedensförderung: Das internationale Engagement der Schweizer Armee im Bereich Friedensförderung wurde 2016 mit rund 285 eingesetzten Armeeangehörigen fortgesetzt. Das Schwergewicht der Einsätze lag auf dem Balkan (Kosovo [KFOR] und Bosnien-Herzegowina [EUFOR Althea]), wo zum Selbstschutz bewaffnete Armeeangehörige stationiert waren (vgl. Ziff. 3.2.2). Unbewaffnete Schweizer Militärbeobachter und Stabsoffiziere standen bei der UNO-Mission zur Überwachung des Waffenstillstandes (UNTSO) in Israel, Syrien und im Libanon, in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO), im Südsudan (UNMISS), in Mali (MINUSMA), in der Westsahara (MINURSO) sowie im Kaschmir (UNMOGIP) im Einsatz. Schliesslich waren Schweizer Instruktoren in den regionalen Ausbildungszentren für Friedensförderung in Ghana (Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre) und in Kenia (International Peace Support Training Centre) tätig. Im «UN Triangular Partnership Project» unterstützt die Schweizer Armee neu die Ausbildung von Genieeinheiten in Ostafrika.

Zivile Friedensoperationen: Der Einsatz von zivilen Expertinnen und Experten in internationalen Organisationen und Friedensoperationen ist ein bewährtes Instrument der schweizerischen Friedens- und Menschenrechtspolitik. Im Berichtsjahr führte die Schweiz dieses Engagement fort, wobei sich die Einsatzorte und -bereiche nach den geografischen und thematischen Schwerpunkten der Friedens- und Menschenrechtsförderung richteten. Im Zusammenhang mit dem ungelösten Konflikt in der Ukraine hatte die Schweiz weiterhin bis zu sechzehn Expertinnen und Experten in der Sonderbeobachtermission der OSZE, darunter der stellvertretende Missionschef, sowie in der OSZE-Beobachtermission an der ukrainisch-russischen Grenze, darunter der Missionschef im Einsatz (vgl. Ziff. 3.3.1). Darüber hinaus beteiligt sich die Schweiz neu mit einem Experten an der zivilen EU-Beratermission für die Reform des Sicherheitssektors in der Ukraine. Zur Friedenskonsolidierung und zum Wiederaufbau staatlicher
Strukturen in Afrika setzte die Schweiz zivile und PolizeiExpertinnen und Experten in UNO-Friedensoperationen ein, nämlich in Mali, Liberia, der Côte d`Ivoire und im Südsudan. Die Schweiz beteiligt sich mit einem Experten ebenfalls an der neuen EU-Mission für Kapazitätsaufbau in Mali. 2016 wurden 180 Expertinnen und Experten der zivilen Friedens- und Menschenrechtsförderung in insgesamt 215 kurzen oder längeren multilateralen und bilateralen Missionen in 39 Ländern und 7 Sitzstaaten von Internationalen Organisationen eingesetzt. Im Schnitt waren 87 Personen, davon 41 Prozent Frauen, gleichzeitig im Einsatz, darunter 35 Beraterinnen und Berater für menschliche Sicherheit auf bilateraler Ebene.

Die Beteiligung an Wahlbeobachtungen der OSZE, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist ein traditioneller Schwerpunkt des Schweizer Engagements. 2016 wurden 47 der 180 Expertinnen und Experten im Rahmen von 11 Wahlbeobachtungsmissionen in 71 Einzeleinsätzen eingesetzt.

Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten: Im Bereich der Vergangenheitsarbeit und der Prävention von Gräueltaten setzte die Schweiz ihre Unterstützung für Länder fort, die einen Konflikt oder ein autoritäres Regime überwunden 1364

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haben und sich den Folgen massiver Menschenrechtsverletzungen und schwerer Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht stellen müssen. Auf den Philippinen hat die Kommission für Transitionsjustiz und Versöhnung, deren Vorsitz die Schweiz führt, den Parteien des Friedensabkommens für die Region Bangsamoro ­ der Regierung und der Islamischen Befreiungsfront der Moros ­ ihren Schlussbericht mit einer Reihe neuartiger Empfehlungen unterbreitet. In Kolumbien setzte die Schweiz im Rahmen ihrer Aktivitäten zur Auseinandersetzung mit der gewalttätigen Vergangenheit die Arbeit mit den Sicherheitskräften im Bereich Erinnerungspolitik fort. Am siebten jährlichen Kurs über Vergangenheitsarbeit nahmen rund dreissig hochrangige Regierungsvertreterinnen und -vertreter von den Philippinen und aus Thailand, Sri Lanka, Simbabwe und Kolumbien teil. Auf multilateraler Ebene nahm der UNO-Menschenrechtsrat an seiner 33. Sitzung eine von der Schweiz, Argentinien und Marokko eingebrachte Resolution über Menschenrechte und Transitionsjustiz an. Zudem organisierte die Schweiz zusammen mit den Philippinen die zweite internationale Konferenz im Rahmen der Initiative «Global Action Against Mass Atrocity Crimes», deren Vorsitz sie seit ihren Anfängen 2013 innehat. An der Konferenz, die Anfang des Jahres in Manila stattfand, nahmen Vertreterinnen und Vertreter von 52 Staaten sowie von 60 internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen teil.

3.3.5

Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit

Förderung und Schutz der Menschenrechte: Die Menschenrechtsstrategie 2016­ 2019 des EDA definiert die Instrumente und Grundsätze des menschenrechtspolitischen Engagements der Schweiz und legt seine strategischen Ziele fest. Diese umfassen drei Schwerpunkte: erstens die Förderung der Universalität, Interdependenz und Unteilbarkeit der Menschenrechte; zweitens die Sicherstellung der Kohärenz des internationalen Bezugsrahmens und die Stärkung der Menschenrechtsinstitutionen und -mechanismen; drittens die Stärkung und bessere Einbindung der massgeblichen Akteure im Bereich der Menschenrechte. Dieses Engagement vollzieht sich in einem höchst komplexen internationalen Umfeld mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen. Es erfordert daher ein koordiniertes Vorgehen der gesamten Bundesverwaltung unter Einsatz bilateraler und multilateraler Instrumente sowie in Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Die Umsetzung der Strategie stützt sich auf Aktionspläne und Strategien, die sich nach den thematischen Prioritäten der Schweiz richten. Ein Beispiel dafür ist die Strategie Chancengleichheit und Rechte der Frauen 2017­2020 des EDA.

Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist eine Priorität der Schweizer Menschenrechtspolitik auf bilateraler und multilateraler Ebene. Ein Aktionsplan des EDA zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe bildet den Rahmen des Engagements. 2016 hat die Schweiz den teilweise vertraulichen oder informellen Gedankenaustausch zu diesem Thema mit verschiedenen Ländern fortgesetzt, zum Beispiel mit China, Indien, Indonesien, Pakistan, Simbabwe, Sri Lanka, Vietnam und den USA. Sie intervenierte bei Ländern, in denen Personen hingerichtet wurden oder Hinrichtungen nach einem Moratorium wieder aufgenommen wurden. Die Schweiz unterstützte auch zwei Neuerscheinungen, darunter «Pathways to Abolition», die 1365

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aufzeigen, wie es mehreren Staaten in aller Welt in verschiedenen Epochen ­ auch in jüngster Zeit ­ gelungen ist, die Todesstrafe abzuschaffen. Die Ausstellung «Windows on Death Row» des Schweizer Zeichners Patrick Chapatte über die Todeszellen in den USA war in verschiedenen US-Bundesstaaten sowie in der Schweiz und in anderen Ländern zu sehen. Im Dezember spielte die Schweiz eine wichtige Rolle bei der Annahme einer neuen UNO-Resolution über ein Moratorium für Hinrichtungen, für das sich eine deutliche Mehrheit von Mitgliedstaaten aussprach. Auch innerhalb der Frankophonie unterstützte sie entsprechende Initiativen und warb im UNO-Menschenrechtsrat und in der OSZE für die Abschaffung der Todesstrafe. Ein wichtiges Ereignis der weltweiten Abschaffungsbewegung ist der dreijährliche Weltkongress gegen die Todesstrafe, dessen sechste Ausgabe im Juni in Oslo stattfand. Die Schweiz beteiligte sich am Kongress und nutzte diesen, um neue Partnerschaften und Strategien für die weltweite Abschaffung zu entwickeln.

In der Regel werden die Menschenrechte in allen bilateralen Gesprächen des EDA mit anderen Staaten angesprochen. Zudem hat die Schweiz 2016 im Rahmen bilateraler politischer Konsultationen mit Bahrain, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgisistan, Mexiko, Nigeria, Nordkorea, Südafrika und Tadschikistan die Menschenrechte zur Sprache gebracht. Weitere bilaterale Dialogrunden über die Menschenrechte fanden mit China, Russland, Senegal und Vietnam statt. Die Schweiz förderte auch Kooperationen von Expertinnen und Experten sowie die Bemühungen der Zivilgesellschaft im betreffenden Land, sich mit Menschenrechtsfragen und den prioritären Themen des Landes auseinanderzusetzen, so zum Beispiel in Nigeria, wo die Schweiz in Zusammenarbeit mit der Polizei und der Zivilgesellschaft ein Projekt für die Weiterbildung der Polizeikräfte in Fragen der Einhaltung und Förderung der Menschenrechte aufstellte.

Im Berichtsjahr waren die globalen und regionalen multilateralen Gremien weiterhin ein wesentliches Instrument der Schweizer Menschenrechtspolitik. Sie erlaubten der Schweiz, Allianzen einzugehen, um die Tragweite, den Einfluss und die Wirksamkeit der von ihr lancierten Initiativen zu erhöhen. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Menschenrechtsrates nahm die Schweiz die Gelegenheit wahr, mit ihrem «Appell vom
13. Juni» für eine institutionelle Konsolidierung und einen stärkeren Einbezug der Menschenrechte im UNO-System zu plädieren (vgl. Ziff. 3.3.3, Menschenrechte und Menschenrechtsrat). Dieses Ziel hat auch der Menschenrechtsdialog von Glion, dessen vierte Runde die Schweiz im Mai organisierte. Im Rahmen ihrer thematischen Prioritäten brachte die Schweiz eine weitere Resolution zum Schutz von Menschenrechten bei friedlichen Demonstrationen ein, die der Menschenrechtsrat im März annahm. Sie setzte auch ihre Bemühungen um den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern fort, die sich insbesondere für die Bekämpfung der Folter, für die Gleichstellung der Geschlechter und für die Rechte der Frauen engagieren. An der Sondersession der Generalversammlung der UNO im April plädierte die Schweiz dafür, die Menschenrechte stärker in der internationalen Drogenpolitik zu verankern.

Im Jahr 2016 verstärkte die Schweiz ihr Engagement für die Einhaltung der Menschenrechte durch den Privatsektor. Der Bundesrat verabschiedete im Dezember einen nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Mit diesem Plan beantwortet der Bundesrat nach der 1366

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Anhörung aller Akteure das Postulat Von Graffenried (12.3503) von 2012 («Eine Ruggie-Strategie für die Schweiz»). Die Schweiz intensivierte auch ihr Engagement für Multi-Stakeholder-Initiativen, die das Ziel haben, verschiedene Sektoren zur Übernahme der Leitprinzipien zu veranlassen. Sie beteiligte sich an der Ausarbeitung von Leitsätzen für den Rohstoffhandel. Sie leistete einen Beitrag zum Monitoringverfahren für die Vereinigung des internationalen Verhaltenskodexes für private Sicherheitsdienstleister, das im September eingeführt wurde, sowie zur praktischen Umsetzung der Freiwilligen Grundsätze für Sicherheit und Menschenrechte im Rohstoffsektor. Ebenfalls an vorderster Front ist die Schweiz bei einem MultiStakeholder-Prozess, der auf einen stärkeren Einbezug der Menschenrechte bei der Organisation von Sportgrossveranstaltungen abzielt. An diesem Prozess beteiligen sich Sportverbände, Sponsoren, internationale Organisationen, Regierungen, Organisationskomitees, NGO und Gewerkschaften. An einer diesbezüglichen Konferenz im Oktober in Washington nahm auch die Schweiz teil. Im Juni beschloss der Bundesrat die künftige Einrichtung einer nationalen Menschenrechtsinstitution und trug damit zu einer stärkeren institutionellen Verankerung der Menschenrechte in der Schweiz sowie zur Kohärenz zwischen Menschenrechtsinnenpolitik und Menschenrechtsaussenpolitik bei.

Gleichberechtigung und Frauenrechte: Wie ihre aktive Teilnahme an der 60. Tagung der UNO-Kommission für die Rechtsstellung der Frau im März gezeigt hat, verstärkt die Schweiz auch weiterhin ihr Engagement für die Gleichberechtigung und die Rechte der Frauen. Auch bei bilateralen Gesprächen bringt sie dieses Thema ein. An der 65. Tagung des Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) im November legte die Schweiz ihren vierten und fünften Bericht über die Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vor. Das EDA arbeitete seine erste Aussenpolitische Strategie zum Thema Gleichberechtigung und Frauenrechte aus. Sie soll das Engagement der Schweiz für Gleichberechtigung und für den Schutz der Rechte von Frauen in allen Bereichen der Aussenpolitik stärken. Überdies soll sie das Schweizer Engagement kohärenter gestalten und das Thema Gender systematischer in die Aktivitäten
integrieren. Hierbei sind prioritäre Bereiche festzulegen, namentlich eine stärkere Förderung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit und der politischen Mitbestimmung der Frauen, die Bekämpfung jeder Form von geschlechtsspezifischer Gewalt und der Schutz der Rechte in Bezug auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit.

Humanitäre Politik, Migration und Bekämpfung des Menschenhandels: Die zahlreichen bewaffneten Konflikte, Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte im Jahr 2016 trafen die Zivilbevölkerung in vielen Ländern direkt.

Die Schweiz setzte sich deshalb entsprechend der Strategie des Bundes zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten 2013­2017 am ersten humanitären Weltgipfel (WHS) im Mai für den Respekt des humanitären Völkerrechts und bessere Rahmenbedingungen für humanitäre Aktionen ein. Zudem engagierte sie sich für die Etablierung eines neuen globalen Kooperationsrahmens zur Prävention von Zwangsvertreibungen, zur Sicherstellung des Schutzes sowie wirtschaftlicher und sozialer Eigenständigkeit der Zwangsvertriebenen (vgl. Ziff. 3.3.7, Flucht und Migration). Zur Bekämpfung des Menschenhandels treibt die Schweiz sowohl die Entwicklung des internationalen Rechts- und Politikrahmens als auch deren Umsetzung voran. In Zusammenarbeit mit der UNO-Sonderberichterstatterin und der 1367

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OSZE-Sonderbeauftragten gegen Menschenhandel fand im November eine internationale Konferenz zu Menschenhandel auf den Migrationsrouten statt. Die Schweiz blieb ein engagiertes Mitglied der Staatenkonferenz zur Konvention über grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und unterstützte mit ihren Initiativen die Entwicklung von Standards und Richtlinien zur besseren Umsetzung der Konvention einschliesslich des Menschenhandelsprotokolls und des Protokolls gegen Menschenschmuggel. Zur Bekämpfung des Menschenhandels wurde auch die internationale Zusammenarbeit weiterentwickelt, insbesondere mit Rumänien, Bulgarien und Nigeria sowie mit INTERPOL. In diesem Zusammenhand fand im Oktober in Lugano die vierte «INTERPOL Global Trafficking in Human Beings Conference» statt.

Auf der nationalen Ebene verabschiedete das interdepartementale Steuerungsorgan der Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel den neuen Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Menschenhandel für die Jahre 2017­2020.

3.3.6

Völkerrecht, humanitäres Recht und internationale Strafgerichtsbarkeit

Das Völkerrecht steht für Werte, die der Schweiz wichtig sind: Frieden, Sicherheit, Menschenrechte. Der Schweiz ist es ein besonderes Anliegen, dass die zwischenstaatlichen Beziehungen nicht auf Gewaltausübung beruhen, sondern auf Zusammenarbeit und auf Rechtsgrundsätzen, auf die sich die Staaten geeinigt haben. Eine zuverlässige internationale Rechtsordnung ermöglicht eine gut funktionierende Wirtschaft und bietet auch der Einzelperson Garantien. Als die Schweiz zum Beispiel die internationalen Übereinkommen der UNO oder die Europäische Menschenrechtskonvention ratifizierte, verpflichtete sie sich gegenüber der eigenen Bevölkerung wie gegenüber den anderen Staaten, die Menschenrechte zu schützen. Das Völkerrecht verpflichtet die Staaten, für die in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Gruppen und Personen die Menschenrechte einzuhalten, zu schützen und durchzusetzen.

Es bietet einen von allen anerkannten Rahmen für die Rechte und Pflichten, die im innerstaatlichen Recht festgelegt sind. Die Freiheit, seine Meinung zu äussern, eine Familie zu gründen und eine Religion zu wählen, das Recht auf Gleichstellung und auf Schutz vor Diskriminierung sind nur einige der Grundrechte, die das Völkerrecht garantiert. Damit wird jeder Person zugesichert, dass sie im eigenen Land wie im Ausland in Sicherheit ist und dass der Missbrauch und die Verletzung ihrer Rechte nicht straffrei bleiben. Auf diese Weise setzt sich die Schweiz für die Achtung der Menschenrechte nicht nur innerhalb ihrer Grenzen ein, sondern auch jenseits der Grenzen, indem sie die Entwicklung und Anwendung des Völkerrechts fördert ­ für eine gerechtere Welt, in der Frieden und Stabilität herrschen.

Humanitäres Völkerrecht Es ist 2016 ebenso dringlich wie anspruchsvoll, die Beachtung und Stärkung des humanitären Völkerrechts konsequent einzufordern. Der vom humanitären Völkerrecht gesetzte Rechtsrahmen gibt nach wie vor praktikable und stichhaltige Verhaltensregeln vor. Dennoch wurden seine Regeln von den Konfliktparteien häufig übertreten. Auf staatlicher wie nichtstaatlicher Seite wurde unter Missachtung humanitärer Grundregeln auf zunehmend radikalere Mittel der Kriegsführung zurück1368

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gegriffen. Verbotene Chemiewaffen kamen zum Einsatz, Angriffe auf Spitäler, Schulen und Kulturgüter gehören in mehreren Konflikten zur Tagesordnung. Die derzeitigen bewaffneten Konflikte in Syrien, im Jemen, in der Ukraine und im Südsudan zeigen, dass die Zivilbevölkerung den höchsten Preis zahlt. Angesichts dessen geht es weniger darum, neue Regeln zu entwickeln, als vielmehr darum, die Einhaltung der bestehenden Regeln sicherzustellen. In Reaktion auf zahlreiche schwere Verletzungen rief die Schweiz mit Nachdruck zur Einhaltung der Genfer Konventionen auf.

Seit 2012 setzen sich die Schweiz und das IKRK zum Zweck der besseren Einhaltung des humanitären Völkerrechts für die Errichtung eines Staatenforums für die Genfer Konventionen ein. Im Auftrag der 32. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes setzen die Schweiz und das IKRK ihre Vermittlertätigkeit zum Anliegen 2016 fort. Ende November luden sie alle Staaten zu weiteren Gesprächen nach Genf ein. Die Modalitäten für die Weiterführung der Verhandlungen über die Funktionen und Eigenschaften eines Staatenforums konnten konkretisiert und die Etappen bis zur 33. Internationalen Konferenz im Jahr 2019 skizziert werden. Gleich darauf unterstützte die Schweiz zudem das IKRK bei der Durchführung des vierten universellen Treffens der insgesamt 108 nationalen Kommissionen für das humanitäre Völkerrecht in Genf. Es diente der Verbesserung des Schutzes durch nationale Gesetze und Politiken. Schon anlässlich des humanitären Weltgipfels (WHS) in Istanbul im Mai hatte sie sich zur Fortsetzung ihres Engagements verpflichtet (vgl. Ziff. 3.4.2).

Die Schweiz engagierte sich darüber hinaus weiterhin als Fürsprecherin des humanitären Völkerrechts in zahlreichen thematischen Bereichen. Sie führt gemeinsam mit dem IKRK den Vorsitz des Montreux-Dokument-Forums und setzte in diesem Rahmen 2016 ihre Bemühungen um eine Erweiterung des Kreises der Staaten fort, die dieses Dokument unterstützen. Das Montreux-Dokument erinnert an die einschlägigen rechtlichen Verpflichtungen und empfiehlt den Staaten gute Praktiken für den Einsatz von privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen in bewaffneten Konflikten. Zurzeit wird das Dokument offiziell von 54 Staaten und drei internationalen Organisationen (OSZE, NATO, EU) unterstützt. Besondere Aufmerksamkeit
schenkte die Schweiz zudem den Herausforderungen an das humanitäre Völkerrecht beim Einsatz neuer Technologien. Im Rahmen der UNO-Rahmenkonvention über bestimmte konventionelle Waffen (Convention on Certain Conventional Weapons, CCW) legte die Schweiz dar, was es konkret bedeutet, das humanitäre Völkerrecht in Bezug auf autonome Waffensysteme zu respektieren und präsentierte viel beachtete Vorschläge für das weitere Vorgehen (vgl. 3.3.2, Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Waffen). An der fünften CCW Revisionskonferenz machte sie im Verband mit anderen Staaten geltend, der Respektierung des humanitären Völkerrechts müsse die entsprechende Priorität gegeben werden. Schliesslich setzte sich die Schweiz für die Achtung und Umsetzung des humanitären Völkerrechts ein, indem sie bei der zehnten Durchführung des internationalen «Senior Workshops on International Rules Governing Military Operations» (SWIRMO) des IKRK Ende September in Luzern die Gastgeberrolle übernahm. Es nahmen Stabsoffiziere und Generäle aus über siebzig Ländern an der Veranstaltung teil.

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Internationale Strafjustiz Die Vorbeugung und Ahndung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf internationaler Ebene ergeben im Jahr 2016 ein Bild mit Licht und Schatten. Besorgniserregend ist, dass in zahlreichen bewaffneten Konflikten, namentlich in Syrien, weiterhin vollständige Straflosigkeit herrscht. Die Staaten sind oft unwillig, entschlossen gegen Täter vorzugehen, was weitere Verbrechen begünstigt und den Opfern die Chance auf Gerechtigkeit versagt. Die Schweiz hat sich deshalb 2016 erneut für die Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Situationen wie in Syrien ausgesprochen, in denen ein Klima der Straflosigkeit für schwerste Völkerrechtsverbrechen vorherrscht. Aber auch dort, wo der Gerichtshof als Leuchtturminstitution der internationalen Strafjustiz eigentlich zuständig wäre, bestehen grosse Herausforderungen. Betroffene Staaten und ihre Eliten sperren sich teilweise mit aller Kraft gegen eine Aufarbeitung der Vergangenheit. Zeugeneinschüchterungen und -beeinflussungen erschweren oder verunmöglichen zuweilen Verfahren vor dem IStGH. Wellen schlug der Entscheid der drei afrikanischen Länder Südafrika, Burundi und Gambia im Oktober, aus dem Römer Statut für den IStGH auszutreten. Im November kündigte ausserdem Russland an, das Römer Statut nicht zu ratifizieren und zog seine Unterschrift zurück. An der Vertragsparteienversammlung des IStGH im November gaben sich die drei besagten afrikanischen Staaten aber insgesamt konziliant. Der Dialog unter den Mitgliedstaaten war offen und respektvoll. Keine weiteren afrikanischen Staaten kündigten ihren Rückzug an. Viele lehnten einen solchen vielmehr ausdrücklich ab.

Positiv zu vermerken ist zudem, dass der IStGH seine Aktivitäten intensiviert hat und Voruntersuchungen zu elf sowie Ermittlungen zu zehn Situationen weltweit führt. Er verurteilte Jean-Pierre Bemba, einen ehemaligen Rebellenführer in der Zentralafrikanischen Republik, aufgrund seiner Vorgesetztenverantwortlichkeit wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Für den Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten hat die Verurteilung von Ahmad Al Faqi Al Mahdi wegen der Zerstörung von religiösen Bauten im malischen Timbuktu grosse Bedeutung. Auch begannen letztes Jahr das wichtige Verfahren vor dem IStGH
gegen den ehemaligen Präsidenten der Côte d`Ivoire, Laurent Gbagbo und gegen einen ersten Vertreter der ugandischen Rebellengruppe «Lord's Resistance Army» (LRA). Bedeutsam ist schliesslich die Aufnahme von Ermittlungen zu Georgien, bezüglich Verbrechen in und um Südossetien, als erstem Staat ausserhalb Afrikas. Das UNO-Strafgericht für Ex-Jugoslawien seinerseits verurteilte Radovan Karadzi unter anderem für den Völkermord in Srebrenica. Ein wichtiges Signal ist auch die Verurteilung des ehemaligen tschadischen Präsidenten, Hissène Habré, zu lebenslanger Haft durch die «Chambres africaines extraordinaires» in Senegal, namentlich wegen Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Sie stellt die erste Verurteilung eines ehemaligen Staatschefs in einem Drittstaat dar. Das Urteil unterstreicht zudem die Bedeutung der nationalen Strafverfolgung unabhängig vom Begehungsort und der Nationalität von Opfer und Täter. Die Schweiz hatte den Prozess gegen Habré personell unterstützt, wie sie auch finanzielle Beiträge an mehrere internationale Strafgerichte und Nichtregierungsorganisationen ausrichtete. Sie verteidigte die Unabhängigkeit des IStGH und stärkte ihm insbesondere an der Vertragsparteienversammlung des IStGH im November 2016 politisch den Rücken. Auf technischer Ebene leistete sie der Institution bei der 1370

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Erfassung und Verbesserung der Verfahrensabläufe mit der Durchführung einer Konferenz in Glion (VD) im April Beistand. Damit stellte die Schweiz die Weichen für eine Straffung der Gerichtsverfahren und für eine erhöhte Glaubwürdigkeit des IStGH.

Internationaler Rechtsrahmen und Institutionen für Menschenrechte35 Für die geordnete Regelung der Beziehungen zwischen den Staaten sowie zwischen Staat und Individuum sind die Menschenrechte unabdingbarer Bestandteil aufgeklärter Rechtsordnungen. Die Schweiz engagiert sich entsprechend für einen internationalen Rechtsrahmen und starke Menschenrechtsinstitutionen auf globaler, regionaler und nationaler Ebene. Ausdruck dieser Politik ist die Ratifikation der grundlegenden internationalen Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte im Einklang mit schweizerischen Werten und Freiheiten. Der Bundesrat hat am 11.

Dezember 2015 die Botschaft zur Genehmigung des dritten Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes verabschiedet, welches insbesondere ein individuelles Mitteilungsverfahren vorsieht und damit die Bedeutung der Kinderrechtskonvention in der Praxis stärken wird. Am 16. Dezember hatten beide Räte in den Schlussabstimmungen den Beitritt zum Fakultativprotokoll genehmigt.

Im Dezember hat die Schweiz die Ratifikationsurkunde des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen bei der UNO in New York hinterlegt. Bereits im November hatte der Bundesrat die Verordnung zum Bundesgesetz zum Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen gutgeheissen und für Januar 2017 das Inkrafttreten des Bundesgesetzes und der Verordnung beschlossen. Im Juni hat der Bundesrat den ersten Staatenbericht über die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention angenommen.

Im Berichtsjahr hat das EDA nach Konsultation der Kantone den 4. Bericht der Schweiz zum Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten ausgearbeitet. Der Bericht hat dem Ministerkomitee des Europarats aufzuzeigen, welche Massnahmen die Behörden aller Ebenen in den letzten Jahren ergriffen haben. Die Verabschiedung durch den Bundesrat ist für anfangs 2017 vorgesehen. Im Bereich der Frauenrechte hat die Schweiz im November ihren 4. und 5. Bericht zur Umsetzung des UNO-Übereinkommens
zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) dem zuständigen Fachausschuss der Vereinten Nationen vorgestellt und über Fortschritte und Herausforderungen im Kampf gegen die Diskriminierung der Frau berichtet. Die Schweiz förderte auch das Monitoring der Umsetzung der Resolution des UNO-Sicherheitsrates 1325 betreffend Frauen, Frieden und Sicherheit durch den Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW). An einem im Dezember in Zusammenarbeit mit dem UNO-Sicherheitsrat organisierten Treffen wurden die Wechselwirkungen zwischen den beiden Regelungsmechanismen mit Blick auf die Umsetzung der Resolution 1325 unterstrichen.

Die Schweiz hat sich im UNO-Menschenrechtsrat dafür eingesetzt, dass die negativen Auswirkungen der Korruption auf die Menschenrechte stärker thematisiert 35

Mehr zum Engagement der Schweiz im UNO-Menschenrechtsrat unter Ziff. 3.3.5.

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werden. Damit soll ein stärkerer Fokus auf die Opfer von Korruption gelegt und die systemische Verantwortung der Staaten im Rahmen der Menschenrechtsmechanismen erreicht werden. Dieser Ansatz soll 2017 auch in weiteren internationalen Foren thematisiert werden. Die Schweiz hat ihre Unterstützung zur Stärkung und Verbesserung der wirksamen Arbeitsweise der UNO-Vertragsorgane zum Schutz der Menschenrechte und die Umsetzung der einschlägigen, von der UNO-Generalversammlung im April 2014 verabschiedeten Resolution A/RES/68/268, fortgeführt. Als Beitrag zu deren Umsetzung lancierte und unterstützt die Schweiz insbesondere eine Informationsplattform in Genf, welche den unmittelbaren Informationsaustausch unter den Mitgliedern der Vertragsorgane sowie mit interessierten Experten und weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft fördert. Ein weiteres Instrument, das sich in dieses kontinuierliche Engagement einfügt, stellt die Unterstützung eines akademischen Netzwerkes dar. Dieses ergänzt den politischen Prozess der Stärkung der Vertragsorgane mit einer akademischen Grundlagendiskussion.

Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte Die Schweiz restituierte in den vergangenen 25 Jahren Potentatengelder in Höhe von rund zwei Milliarden Franken an die Herkunftsländer. Im März unterzeichneten der Bundesrat und die Regierung der Bundesrepublik Nigeria eine Absichtserklärung betreffend die Rückgabe von rund 321 Millionen US-Dollar sowie die Beaufsichtigung der Verwendung dieser Gelder durch die Weltbank. Die langjährigen Erfahrungen der Schweiz mit der Behandlung von Fällen unrechtmässig erworbener Vermögenswerte sind in das Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG) eingegangen, das im Juli in Kraft trat. Kurz vor dem Jahresende verlängerte der Bundesrat die Sperrung der Vermögenswerte der gestürzten Präsidenten Ben Ali (Tunesien), Mubarak (Ägypten) und Janukowitsch (Ukraine) sowie von politisch exponierten Personen in deren Umfeld um ein Jahr bis 2018. Auf diese Weise will der Bundesrat den laufenden strafrechtlichen Ermittlungen mehr Zeit einräumen und die justizielle Zusammenarbeit unterstützen. Die proaktive Politik der Schweiz in diesen Angelegenheiten und das SRVG haben auf internationaler Ebene
grosses Interesse geweckt, und zwar namentlich in der Arbeitsgruppe der G20-Staaten für den Kampf gegen Korruption (vgl. Ziff. 3.5.1).

Auf internationaler Ebene fördert die Schweiz die Ausarbeitung von Standards, die eine transparente Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte gewährleisten. Hierbei stützt sie sich auf ihre aussenpolitischen Prinzipien, darunter die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Straflosigkeit.

Die Schweiz koordiniert ihre Politik der Rückgabe von Potentatengeldern eng mit ihrem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit, vor allem bezüglich der Korruptionsbekämpfung, und gewährleistet so die Kohärenz ihrer Aussenpolitik.

Mit ihren Initiativen trägt die Schweiz überdies dazu bei, dass die internationalen Standards weiterentwickelt und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Field) für alle wichtigen Finanzzentren sichergestellt werden.

Im Berichtsjahr setzte die Schweiz ihre Zusammenarbeit mit der Weltbank (Stolen Asset Recovery Initiative, StAR) und dem Internationalen Zentrum für Vermögensrückführung (ICAR) im Rahmen des Lausanner Seminars fort. An dessen neunter 1372

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Ausgabe im Februar wurde weiter an den internationalen Richtlinien zur Rückgabe von Potentatengeldern gearbeitet. Den Auftrag zu diesen Arbeiten hatte die UNO erteilt, und das Mandat wurde von der Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption Ende 2015 erneuert. Ziel der Schweiz ist die Ausarbeitung eines praxisnahen Handbuchs in Form eines Leitfadens, der für Praktiker, Entscheidungsträger und Gesetzgeber bestimmt ist, die diese Richtlinien umzusetzen haben. Die Arbeiten werden am zehnten Lausanner Seminar im Februar 2017 fortgesetzt.

3.3.7

Querschnittthemen: Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE), Wasserdiplomatie, Flucht und Migration

In seiner Aussenpolitischen Strategie 2016­19 weist der Bundesrat auf die Wechselwirkung zwischen Frieden und Entwicklung hin. Ohne Friede ist keine nachhaltige Entwicklung möglich, und ohne nachhaltige Entwicklung wird Frieden nicht beständig sein. Diese Wechselwirkung widerspiegelt sich in der Agenda 2030, die «friedliche und inklusive Gesellschaften» als eines der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung aufführt. Auch die Botschaft des Bundesrats über die internationale Zusammenarbeit 2017­20 trägt dieser Wechselwirkung Rechnung, indem sie für die Entwicklungszusammenarbeit, die Ostzusammenarbeit, die humanitäre Hilfe und die zivile Förderung von Frieden und Menschenrechten erstmals einen gemeinsamen strategischen Rahmen definiert (vgl. Ziff. 3.4.1).

Um eine koordinierte und auf Kohärenz und Wirkung bedachte Verwendung der verschiedenen Instrumente sicherzustellen, setzt das EDA in der internationalen Zusammenarbeit dort wo möglich und zweckmässig auf departementsweite und interdepartementale Länder- und Regionalstrategien. Ein enges Zusammenspiel der Instrumente ist aber auch bei Themen an der Schnittstelle von Friedenspolitik, Menschenrechte, Entwicklung und humanitärer Hilfe zentral, zumal diese im aktuellen Umfeld an Bedeutung gewinnen. Zu diesen Themen zählen die Prävention von gewalttätigem Extremismus, die Vermeidung von Wasserkonflikten durch die Förderung kooperativer Lösungen sowie die aussenpolitischen Beiträge zur Bewältigung der erhöhten Flucht- und Migrationsbewegungen. Die Umsetzung dieser aussenpolitischen Prioritäten der Schweiz erfordert ein enges Zusammengehen von Diplomatie, Friedensförderung und Entwicklung über bürokratische Trennlinien hinweg.

Die Prävention von gewalttätigem Extremismus Im Rahmen der Schweizer Aussenpolitik stellt die Prävention von gewalttätigem Extremismus (PVE) eine neue und gewichtige Priorität dar. Dabei geht es vor allem darum, die Widerstandsfähigkeit von Individuen und Gemeinschaften gegen eine gewaltbereite Radikalisierung zu stärken. Mit der Prävention sollen über Repressions- und Schutzmassnahmen hinaus die Ursachen von gewalttätigem Extremismus und Terrorismus bekämpft und betroffene Staaten im Aufbau effektiver rechtsstaatlicher Institutionen zur wirksamen Verhinderung und Bekämpfung dieser Phänomene unterstützt werden. Gewalttätiger Extremismus ist unter anderem ein Ausdruck 1373

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von schlechter Regierungsführung, Korruption, der Wahrnehmung von persönlich erlebter Ungerechtigkeit, von Ausgeschlossensein und Vertrauensverlust in den Staat. Die langfristig angelegten Schweizer Kooperationsprogramme tragen in fragilen und Konfliktkontexten mit ihrem Einsatz für Friedensentwicklung, die Menschenrechte und funktionierende staatliche Institutionen im Dienst der gesamten Bevölkerung per se dazu bei, die Grundursachen sozialer und politischer Konflikte anzugehen und damit den Nährboden für gewalttätigen Extremismus zu verkleinern.

Ende 2015 stellte der UNO-Generalsekretär seinen Aktionsplan zur Prävention des gewalttätigen Extremismus vor. Dahinter steht die Einsicht, dass repressive Massnahmen alleine nicht genügen, um dem Terrorismus längerfristig zu begegnen, da diese den Terrorismus zwar eindämmen, jedoch nicht dessen Ursachen bekämpfen.

Wenn solche Massnahmen Minderheiten und Andersdenkende ohne Gewaltbezug diskriminieren und verfolgen, können sie unter Umständen sogar kontraproduktiv sein. Die Herausforderung für die Regierungen besteht darin, Leib und Leben ebenso wie die freiheitliche und rechtstaatliche Ordnung zu schützen. Es gilt auf der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ebene eine friedliche und inklusive Entwicklung zu fördern, die allen Bevölkerungsschichten, insbesondere auch den Jugendlichen, Perspektiven bietet. Zusammen mit der UNO führte die Schweiz im April eine hochrangige Konferenz durch, um den PVE-Aktionsplan des UNOGeneralsekretärs zu unterstützen. Damit konnte auch die wichtige Rolle des internationalen Genfs beim Vorbeugen von Konflikten und Gewalt untermauert werden.

Anlässlich der Konferenz präsentierte der Vorsteher des EDA den aussenpolitischen PVE-Aktionsplan, der das Engagement der Schweiz in sieben zentralen Aktionsfeldern aufzeigt: 1. Mitwirkung an der Politikgestaltung und Kompetenzbildung zu diesem Thema; 2. Aufbau und Förderung von Kontextwissen; 3. Dialog und Konfliktprävention; 4. Stärkung von guter Regierungsführung, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit; 5. Einbezug betroffener Gemeinschaften, Stärkung von Jugend und Frauen; 6. Bildung, Ausbildung, Fähigkeitsentwicklung und Förderung der Beschäftigung und 7. Strategische Kommunikation, Internet und soziale Medien.

Grundlage dieses präventionsorientierten Ansatzes sind
insbesondere die langjährigen Erfahrungen der Schweiz mit Konfliktmanagement und Konflikttransformation, mit der Verteidigung der Menschenrechte und der menschlichen Sicherheit im Allgemeinen, sowie die Vorgehensweise der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in fragilen Kontexten. Anfang September hat die Politische Plattform des Sicherheitsverbundes Schweiz (SVS) den Delegierten des SVS beauftragt, bis in der zweiten Jahreshälfte 2017 gemeinsam mit Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden einen Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus zu erarbeiten. An diesen Arbeiten ist auch das EDA aktiv beteiligt. Mit der Erarbeitung eines nationalen Aktionsplans wird die Schweiz der entsprechenden Aufforderung des UNO-Generalsekretärs in seinem Aktionsplan nachkommen.

Die Umsetzung des aussenpolitischen Aktionsplans der Schweiz schlägt sich unter anderem im Engagement in internationalen Gremien zur Politik- und Standardentwicklung nieder. Neben dem angesprochenen Engagement in den Vereinten Nationen, wurde unter Schweizer Führung eine Resolution zu PVE im Hinblick auf den OIF-Gipfel in Madagaskar eingereicht, welche im Konsens angenommen wurde.

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Daneben wurde mit einigen Ländern der Dialog zu PVE im Hinblick auf eine operationelle Zusammenarbeit aufgenommen beziehungsweise vertieft, beispielsweise mit Tunesien. Des Weiteren bemüht sich die Schweiz im Rahmen ihrer Aktivitäten mit verschiedenen Partnern vor Ort, bei den Ursachen anzusetzen, darunter bei der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ausgrenzung. Die Bürgerinnen und Bürger und die Gemeinschaften müssen die Möglichkeit haben, ihre berechtigten Forderungen nicht durch Gewalt, sondern durch einen partizipativen und integrativen politischen Prozess zu artikulieren. Die Schweiz setzt sich für die Schaffung von Dialogräumen ein, die Alternativen zu extremistischer Gewalt bieten und zu denen alle Akteure Zutritt haben.

Die langfristig angelegten, nachhaltigen Programme, wie sie in der Botschaft über die Internationale Zusammenarbeit 2017­2020 dargestellt werden, sollen dazu beitragen, die demokratischen Strukturen, den Rechtsstaat, die soziale Kohäsion und die politische und wirtschaftliche Teilnahme zu stärken und damit der Gewaltbereitschaft den Nährboden zu entziehen. Sie sind somit relevant für die Prävention des gewalttätigen Extremismus. Dazu werden in betroffenen Partnerländern im Umfeld von bestehenden Entwicklungsprogrammen Aktivitäten entwickelt, die direkt zur PVE beitragen. Schwerpunkte werden bei Bildung und der Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit, bei der wirtschaftlichen Entwicklung, bei der Stärkung von sozialem Zusammenhalt und gegenseitigem Vertrauen, der Unterstützung von lokalen Konfliktmechanismen sowie psychosozialer Arbeit gelegt.

Dies gilt auch für eine ganze Reihe von Zielen der im September 2015 verabschiedeten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und der neuen Agenda der UNO zur Wahrung des Friedens gemäss der Resolution 2282 des Sicherheitsrates und der Resolution 70/262 der Generalversammlung. Der Entwicklungsausschuss der OECD (OECD-DAC) definierte im Februar die Kriterien, nach denen PVE-Projekte zur öffentlichen Entwicklungshilfe zählen. Was das Internet und die sozialen Medien anbelangt, unterstützt die Schweiz in verschiedenen internationalen Foren ­ insbesondere im Global Counterterrorism Forum (GCTF) ­ die Entwicklung von Empfehlungen für die Kommunikation gegen gewaltextremistische Propaganda und den Umgang mit illegalen gewaltextremistischen
Inhalten. Sie arbeitet dabei mit dem Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen zusammen.

Hohe Bedeutung misst die Schweiz im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans auch dem «Global Community Engagement and Resilience Fund» (GCERF) bei.

Dieses 2014 gegründete und in Genf ansässige Finanzierungsinstrument zielt auf die Förderung lokaler Projekte zur Vorbeugung einer gewaltbereiten Radikalisierung, wobei neben der Zivilgesellschaft auch der Privatsektor einbezogen wird. Für die Pilotländer Bangladesch, Mali und Nigeria wurden in einer ersten Finanzierungsrunde insgesamt knapp fünfzehn Millionen Dollar für drei Jahre zur Verfügung gestellt. Der GCERF will mit diesen ersten Projekten, die seit Juni umgesetzt werden, über eine Million Menschen erreichen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei bei der Mitwirkung von Frauen und der Bildung von Perspektiven für Jugendliche.

Als eine zweite Gruppe von Partnerländern wurden Kenia, der Kosovo und Myanmar identifiziert, in denen ab 2017 die ersten operationellen Tätigkeiten beginnen werden.

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Wasserdiplomatie Konflikte um Wasserressourcen sind eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit. In den vergangenen fünf Jahren zählten diese Konflikte nach Auffassung des WEF zu den grössten weltweiten Risiken, was die Auswirkungen betrifft. Zudem kann die Zerstörung von Wasserinfrastruktur oder die Verhinderung des Zugangs zu Wasser zur Kriegswaffe werden. Dies hat verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Syrien nachwies. Die Schweiz setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Wasser nicht als Ursache von Konflikten wahrgenommen wird, sondern als Katalysator für Zusammenarbeit und Frieden.

Sie veröffentlichte 2015 die Aktionslinien des EDA zum Thema Wasser und Sicherheit. Diese Aktionslinien bieten einen integrativen Ansatz für die Tätigkeit des Departements in diesem Bereich. Dieser Ansatz umfasst eine ganze Reihe von Instrumenten von der Entwicklungszusammenarbeit über die humanitäre Hilfe bis hin zur Förderung des Friedens und des Völkerrechts.

Seit 2009 hat die Schweiz mehrere regionale und seit 2012 mehrere globale Initiativen der Wasserdiplomatie (Blue Peace) lanciert. Auf regionaler Ebene ist die Schweiz in Zentralasien und im Nahen Osten besonders aktiv; hier bemüht sie sich mit innovativen Projekten um Vertrauensbildung und Transparenz bei der Bewirtschaftung der Wassereinzugsgebiete. In Zentralasien konzentrierte sich die Schweiz auf die Vorbereitung einer grossen Regionalkonferenz über die Bewirtschaftung grenzüberschreitender Wasserressourcen, an der sie die Rolle der Fazilitatorin einnimmt. Diese Konferenz, «Basel 2», wird zur Zeit der Weltausstellung 2017 in Kasachstan stattfinden. Im Nahen Osten entwickelten Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Jordanien, der Türkei und dem Libanon bei Gesprächen, die die Schweiz ermöglicht hatte, eine gemeinsame Vision hinsichtlich der Konkretisierung eines Mechanismus für die regionale politische Zusammenarbeit betreffend Wasserfragen sowie hinsichtlich der Einleitung eines Formalisierungsprozesses der «Blue Peace»-Plattform in der Region. In diesen Regionen, die politisch und sicherheitstechnisch sensibel sind, engagiert sich die Schweiz langfristig, um Zusammenarbeit und Dialog zu fördern.

Ausgehend von ihren Erfahrungen in den Regionen lancierte die Schweiz Ende 2015 ein «Globales
hochrangiges Panel für Wasser und Frieden» in Genf. Die Gruppe wird von fünfzehn Ländern unterstützt, namentlich von Costa Rica, Estland, Frankreich, Ghana, Jordanien, Kambodscha, Kasachstan, Kolumbien, Marokko, Oman, der Schweiz, Senegal, Slowenien, Spanien und Ungarn. Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle als Katalysator und politische Schaltstelle dieser Initiative. Das Panel setzt sich aus fünfzehn von den Unterstützerländern ad personam ernannten Persönlichkeiten zusammen und wird geleitet von Danilo Türk, dem ehemaligen slowenischen Präsidenten. Es soll Empfehlungen namentlich zur Stärkung der globalen Struktur für die Prävention und Beilegung wasserbezogener Konflikte sowie zur Frage ausarbeiten, wie Wasser für die Friedensförderung und -konsolidierung eingesetzt werden kann. Diese Empfehlungen werden auch in regionale Initiativen einfliessen.

2016 kam das Panel zu zwei Tagungen im Senegal und in Costa Rica zusammen und setzte hier die Arbeiten an einzelnen Themen fort, darunter Wasser in bewaffneten Konflikten, Konflikte zwischen einzelnen Nutzungsbereichen, die Weiterentwick1376

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lung des internationalen Süsswasserrechts und finanzielle Anreize zur Zusammenarbeit. An beiden Tagungen erhielt das Panel bei Besuchen vor Ort Anregungen aus der regionalen Praxis. Die Arbeiten des Panels profitierten auch von Gesprächen mit Regionalorganisationen wie der «Organisation pour la Mise en Valeur du Fleuve Sénégal» (OMVS) und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die vierte Tagung des Panels findet im Frühjahr 2017 statt. Es arbeitet eng mit den Vereinten Nationen zusammen und wird noch im gleichen Jahr seine Schlussfolgerungen vorlegen. Im April wurde in Genf im Umfeld der UNO ein informeller Freundeskreis gegründet, der die Arbeit des Panels politisch unterstützt und bereits mehrmals tagte. Im ersten Jahr führt die Schweiz den Vorsitz des Freundeskreises, das Sekretariat besorgt der «Geneva Water Hub». 2016 nahmen Vertreterinnen und Vertreter von nahezu vierzig Staaten an einer oder mehreren Sitzungen des Freundeskreises teil.

Auf Initiative des Vorstehers des EDA fand am Rande der 71. UNO-Generalversammlung ein hochrangiger Anlass zum Thema «Wasser als Instrument des Friedens» statt, der von den vier Unterstützerländern Costa Rica, Schweiz, Senegal und Slowenien organisiert wurde. Neben dem Departementsvorsteher nahmen hochrangige Vertreter von Costa Rica und Senegal, der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und der Vorsitzende des Panels teil. Der Anlass hat zur Bewusstseinsbildung im Hinblick auf Fragen im Zusammenhang mit Wasser, Frieden und Sicherheit geführt, mit dem Ziel, diese Thematik im UNO-System zu verankern. Das Thema «Wasser, Frieden, Sicherheit» war 2016 Gegenstand mehrerer Debatten im Sicherheitsrat. Die Schweiz ist der Überzeugung, dass ein enger Zusammenhang zwischen Wasser, Frieden und Sicherheit besteht, und daher unterstützt sie die Bemühungen, dieses Thema auf die Agenda des Sicherheitsrats zu setzen. Zugleich bringt sie das Thema «Wasser, Frieden, Sicherheit» auch in andere internationale Organisationen ein. Am Frankophoniegipfel in Madagaskar thematisierte die Schweiz diesen Fragenkomplex in den Gremien der Internationalen Organisation der Frankophonie und am Schweizer Stand im Village de la Francophonie.

Auch das Engagement von Jugendlichen prägte das Jahr 2016: Im Gymnasium von Burier tagte das vom EDA unterstützte Europäische Wasser-Jugendparlament
unter Teilnahme von Bundesrat Burkhalter zum Thema «Wasser und Risikomanagement».

Das Jugendparlament fördert durch Erziehung zu staatsbürgerlichem und demokratischem Denken das Interesse von Jugendlichen für die Wasserpolitik.

Flucht und Migration Andauernde bewaffnete Konflikte in Syrien, am Horn von Afrika und anderswo, Klimawandel, einschliesslich einer der schlimmsten El Niños seit 1997/98, gewalttätiger Extremismus, Menschenrechtsverletzungen und die anhaltende Fragilität bestimmter Staaten führten auch 2016 zu grossen Fluchtbewegungen in verschiedenen Regionen der Welt. Heute ist eine von 133 Personen weltweit asylsuchend, auf der Flucht oder intern vertrieben. Über 85 Prozent von ihnen leben in Entwicklungsund Schwellenländern. Die Schweiz engagiert sich insbesondere im Bereich der Migration auf bilateraler Ebene im Rahmen der Migrationspartnerschaften. Entsprechende Partnerschaften bestehen mit Serbien, dem Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Nigeria und Tunesien. Die Aufnahme von Verhandlungen für weitere Migrations1377

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partnerschaften wird geprüft. Zur Ergänzung der regelmässigen Dialoge unterstützte die Schweiz beispielsweise die tunesischen Behörden bei der Entwicklung von Standardverfahren für die Betreuung von Migrantinnen und Migranten, die aus dem Meer gerettet wurden. Neben ihrem bilateralen Engagement legte die Schweiz 2016 den Schwerpunkt auf drei komplementäre Aktionsbereiche, die auch in Zukunft unser Engagement definieren werden: Prävention von Zwangsvertreibung; Sicherstellung des Schutzes und der Unterstützung sowie der Einhaltung der Menschenrechte; Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Eigenständigkeit von Vertriebenen unter Einbezug der Interessen und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung. Diese Aktionsbereiche sind Teil einer umfassenden, interdepartementalen Migrationsaussenpolitik. Der Bundesrat wird in seinem Bericht über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik hierzu ausführlicher informieren.

Prävention von Zwangsvertreibungen Die Gründe, weshalb Menschen ihre Heimat verlassen müssen, sind vielfältig.

Entsprechend umfassend müssen auch die Präventionsmassnahmen sein. Die Schweiz setzt hierfür ihre verschiedenen Instrumente der internationalen Zusammenarbeit (IZA) ein. Dabei kann sie am meisten Wirkung erzielen, wenn sie diese Instrumente in einem gemeinsamen strategischen Rahmen bündelt und koordiniert einsetzt. Genau dies bezweckt die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 (vgl. Ziff. 3.4.1). Das EDA wird mit der in der Botschaft festgehaltenen Verknüpfung der Instrumente zudem vermehrt eine Verbindung der IZA mit der Migrationsaussenpolitik herstellen, wo dies im Interesse der Schweiz ist. Damit sollen die Konflikt- und Migrationsursachen bearbeitet, aber auch der Abschluss von Abkommen und Partnerschaften im Migrationsbereich vorangetrieben werden. Über das friedenspolitische Engagement, die Entwicklungszusammenarbeit sowie die humanitäre Politik und Aktion können Ursachen von Flucht und Vertreibung gemildert werden. Im Syrienkonflikt unterstützt die Schweiz das Mandat des UNOSondergesandten, Staffan de Mistura und ist in über zwanzig weiteren Friedens- und Mediationsprozesse involviert, etwa in der Ukraine oder am Horn von Afrika. Die Schweiz hat 2016 zudem ein Finanzierungsabkommen mit UNDP unterschrieben, welches ihre Arbeit im Bereich der
Konfliktprävention und der langfristigen Bekämpfung von Konfliktursachen in fragilen Kontexten unterstützt. Dies ist Teil des verstärkten Fokus, den die Schweiz in den kommenden Jahren auf das Engagement in fragilen Kontexten zugunsten von Friedensförderung und Staatenaufbau setzen möchte. Sie wird rund fünfzig Prozent der bilateralen Entwicklungsmittel im Rahmen der Botschaft 2017­2020 in fragilen Kontexten einsetzen. Menschenrechtsverletzungen sind oftmals eine Vorwarnung auf potenziell eskalierende Gewalt und Konflikte, die wiederum zu Vertreibungen führen. Die Schweiz hat deshalb in diesem Sommer eine diplomatische Initiative (Apell vom 13. Juni) lanciert, mit dem Ziel die Zusammenarbeit zwischen dem UN Menschenrechtsrat und dem Sicherheitsrat zu stärken.

Schutz und Unterstützung sowie Einhaltung der Menschenrechte Ein Schwerpunkt des humanitären Engagements der Schweiz ist der Schutz und die Unterstützung von Flüchtlingen und Vertriebenen in ihren Herkunftsregionen und in den Transitländern. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) ist der 1378

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zentrale internationale Partner der Schweiz im Flüchtlingsbereich. Die Schweiz unterstützt die Aktivitäten des UNHCR sowie anderer humanitären Partnerorganisationen, entsendet Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) und führt direkte Hilfsaktionen für Flüchtlinge und Vertriebene durch. So unterstützt sie beispielsweise Gastfamilien in Erstaufnahmeländern, welche Flüchtlinge bei sich zuhause aufnehmen. Durch die Verknüpfung von kontextspezifischem Know-how mit einem aktiven politischen Dialog auf bilateraler und multilateraler Ebene setzte sich die Schweiz zudem für den Schutz und die Wahrung der Menschenrechte von Vertriebenen ein.

Ein Schwerpunkt blieb die bessere Einhaltung des humanitären Völkerrechts, beispielsweise bei bewaffneten Gruppen in Syrien. Die Schweiz äusserte sich dazu regelmässig auch im UNO Sicherheitsrat. Wo das humanitäre Völkerrecht befolgt wird, ist die Zivilbevölkerung besser geschützt und es gibt weniger Vertriebene. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass der Kampf gegen den Terrorismus die humanitäre Aktion nicht beeinträchtigt (vgl. Ziff. 3.3.2, Terrorismusbekämpfung). Auch in Gebieten, die unter Kontrolle von bewaffneten Gruppen stehen, benötigt die Zivilgesellschaft Hilfe und Schutz. Um die entsprechenden politischen und rechtlichen Fragen zu klären, förderte die Schweiz im Berichtsjahr Forschungsprogramme und politische Dialoge. Wichtig blieb 2016 ausserdem die Schutzarchitektur in den Herkunftsregionen (Protection in the Region). Im Horn von Afrika und im Mittleren Osten unterstützte die Schweiz Erstaufnahmeländer bei der Bewältigung der Flüchtlings- und Migrationssituation und bei der Suche nach dauerhaften Lösungen.

Schliesslich setzte sich die Schweiz auch in dieser Berichterstattungsperiode für die Bekämpfung des Menschenhandels ein, zum Beispiel als Mitglied der Staatenkonferenz zur Konvention gegen transnationale organisierte Kriminalität und in Zusammenarbeit mit der OSZE.

Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Eigenständigkeit von Vertriebenen Die Rückkehr in Sicherheit bleibt für viele Flüchtlinge und Vertriebenen das primäre Ziel. Doch gemäss UNHCR warten Flüchtlinge heute im Schnitt siebzehn Jahre auf eine nachhaltige Lösung. Hier ist auch die Schweiz gefordert, neue Ansätze anzuwenden, um den betroffenen Menschen
ein Leben in Würde zu ermöglichen. Zwei Bereiche stehen dabei im Mittelpunkt: der Zugang zu Bildung sowie die Möglichkeit zu arbeiten. Zudem muss auch die lokale Bevölkerung unterstützt werden, um Spannungen zu verhindern und die soziale Integration zu erlauben. Die Schweiz fördert ein neues Start-up- und Ausbildungsprogramm im Wassersektor. Damit werden in Jordanien und im Libanon auch Arbeitsplätze für syrische Flüchtlinge geschaffen, Fachkräfte ausgebildet und unternehmerische Lösungen für die Wasserproblematik gefördert. Im Sudan werden vom Krieg vertriebene Kleinbäuerinnen und -bauern dabei unterstützt, wirtschaftliche Perspektiven aufzubauen. Im kenianischen Flüchtlingslager Kakuma wird ein von der Schweiz finanziertes Projekt über 2500 Jugendlichen, davon fünfzig Prozent Frauen, eine einfache Berufslehren erlauben. Die Schweiz hat auch ihre Unterstützung für die Sanierung und den Unterhalt von Schulen in Jordanien und Libanon erneuert, wovon zehntausende lokale und Flüchtlingskinder profitieren werden.

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Diese und weitere Massnahmen, die eine gute Koordination der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit voraussetzen, schaffen Perspektiven vor Ort und reduzieren die Hoffnungslosigkeit, die zu gefährlichen Weiterwanderungen führen kann. Die Schweiz setzt sich zudem im Rahmen ihrer multilateralen Zusammenarbeit mit UNO-Organisationen und Entwicklungsbanken stark für langfristige Lösungen für intern Vertriebene und Flüchtlinge ein. So hat die Weltbank mit Schweizer Unterstützung eine starke Partnerschaft mit dem UNHCR begonnen und eine 2016 von der Schweiz mitfinanzierte weitbeachtete Referenzstudie zu Entwicklungsansätzen herausgegeben. Im Rahmen der Verhandlungen zur Wiederauffüllung der «International Development Association» der Weltbank ist nun ein spezifisches Instrument für Flüchtlinge und zur Unterstützung von Aufnahmeländern und -gemeinschaften in der Höhe von zwei Milliarden Dollar für drei Jahre geplant.

Das Engagement auf multilateraler Ebene Das Schicksal dieser Flüchtlinge und Zwangsvertriebenen ist eine Herausforderung für die ganze Welt. Im September fand ein UN Gipfel für Flüchtlinge und Migranten statt, damit die Mitgliedstaaten die Herausforderungen und Antworten der internationalen Gemeinschaft auf die grossen Flüchtlings- und Migrationsbewegungen gemeinsam diskutieren konnten. Die verabschiedete Deklaration beinhaltet ein breites Spektrum an Massnahmen zum Schutz von Flüchtenden und Migrierenden sowie zur Prävention erzwungener Migration und Flucht. Sie nimmt Bezug auf die Agenda 2030 und unterstreicht, dass Migration auch ein positiver Faktor für nachhaltige Entwicklung sein kann (vgl. Ziff. 3.4.4). Die Schweiz hat mittels konkreter Formulierungen entlang der drei oben dargelegten Schwerpunktthemen die Politische Deklaration mitgeprägt. Das Gipfeltreffen bleibt jedoch lediglich ein Meilenstein in einem langen Prozess, der auch die Schweiz die nächsten Jahre beschäftigen wird. Im Rahmen des Gipfeltreffens wurde beschlossen, dass bis 2018 zwei globale Rahmenwerke (Global Compact) zur Situation von Flüchtlingen respektive zur Migration erarbeitet werden sollen. Die Schweiz wurde gemeinsam mit Mexiko vom Präsidenten der 71. UN Generalversammlung beauftragt, den Verhandlungsprozess für den Global Compact für Migration zu fazilitieren. Für den Erfolg der Initiativen wird
es zudem zentral sein, dass diese von der umfassenden Expertise in Genf als globalem Knotenpunkt der Migrations- und Flüchtlingsthematik profitieren können.

Ein Referenzpunkt in diesem Prozess ist die Nansen Initiative und die als Nachfolgemechanismus geschaffene «Plattform on Disaster Displacement». Damit sollen Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen und den Folgen des Klimawandels in andere Staaten fliehen müssen, besser geschützt werden. Die Schweiz arbeitete auch im Berichtsjahr eng mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM), dem Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR), dem UNOSonderberichterstatter für die Rechte der Migrantinnen und Migranten sowie dem Vertreter des UN Generalsekretärs für Migration und Entwicklung zusammen.

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3.4

Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand

3.4.1

Handlungsrahmen für die internationale Zusammenarbeit: Agenda 2030 und IZA-Botschaft 2017­2020

Bei vielen bedeutsamen Aspekten der Armutsminderung und Bekämpfung globaler Risiken konnten in den letzten Jahrzehnten zum Teil massive Fortschritte verzeichnet werden. So ging zwischen 1990 und 2015 die Einkommensarmut in Regionen der Entwicklungsländer um mehr als zwei Drittel zurück. Die Zahl der extrem armen Menschen fiel von 1,9 Milliarden auf 836 Millionen. Die Kindersterblichkeit sank um mehr als die Hälfte von 12,7 Millionen auf 6 Millionen. Mehr als 2,6 Milliarden Menschen haben in diesem Zeitraum Zugang zu Trinkwasser erhalten und 2,1 Milliarden Menschen erhielten Zugang zu verbesserten sanitären Einrichtungen, dies bei einem gleichzeitigen globalen Bevölkerungswachstum von 5,3 auf 7,3 Milliarden.

Fast eine Milliarde in der Landwirtschaft beschäftigte Menschen produzieren heute mehr als achtzig Prozent der Nahrung der Welt und verbessern dadurch die Ernährung und Gesundheit der Menschen. Weltweit haben 80 Millionen Arbeitnehmer in den Bereichen Gesundheit und Bildung ihre Kompetenzen verbessert. Mehr als eine Milliarde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Dienstleistungen haben zum Fortschritt der Menschheit und somit der Millenniumsentwicklungsziele beigetragen. Doch der Fortschritt bleibt geografisch ungleich, ungenügender Zugang zu Arbeit, Nahrung, Ausbildung und öffentlichen Leistungen sind immer noch weit verbreitet und das Potenzial vieler Frauen, Männer und Jugendlicher bleibt ungenutzt. Für die Erreichung der im Rahmen der Agenda 2030 gesetzten Ziele werden künftig deutlich mehr finanzielle Mittel erforderlich sein, als der öffentlichen Entwicklungshilfe momentan zur Verfügung stehen. Bei der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung im Herbst 2015 und bei den ersten Konferenzen zu ihrer Umsetzung 2016 wurde der Beitrag verschiedener Akteure besprochen und so unter anderem auch die zentrale Bedeutung des Privatsektors hervorgehoben.

Die nachhaltige Entwicklung bildet einen der vier strategischen Schwerpunkte der neuen Aussenpolitischen Strategie der Schweiz 2016­2019 und ist integraler Bestandteil der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­202036. Das Parlament hat im Rahmen der Botschaft über die Internationale Zusammenarbeit 2017­2020 die vom Bundesrat beantragten Rahmenkredite bewilligt.

Agenda 2030 Über die Aussenpolitik, darunter die
Aussenwirtschaftspolitik, die internationale Zusammenarbeit und die sektoriellen Aussenpolitiken, engagiert sich die Schweiz weiterhin nachdrücklich für die nachhaltige Entwicklung. Mit ihrem Engagement in sektorbezogenen internationalen Prozessen ­ unter anderem multilaterale Abkommen, bilaterale Verträge, regionale und globale (UNO-)Programme ­ trägt sie zur Förderung der drei Zieldimensionen der nachhaltigen Entwicklung (Wirtschaft, Soziales, Umwelt) bei.

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www.eda.admin.ch/deza > Die DEZA > Strategie > Rechtsgrundlagen

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Das Jahr 2016 markierte das erste Umsetzungsjahr der im September 2015 von den 193 UNO-Mitgliedstaaten verabschiedeten Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Die Schweiz hat sich verpflichtet, mittels nationaler und internationaler Anstrengungen zur Erreichung der 17 universell gültigen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) beizutragen. Mit Beschlüssen vom Dezember 2015 und Juni 2016 hat der Bundesrat die nächsten Schritte zur Umsetzung der Agenda 2030 durch die Schweiz festgelegt und konkretisiert. Diese hat sie im Sommer mit einem Bericht an das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) an der UNO in New York präsentiert. Dieser erste Schweizer Bericht beschreibt die gesetzlichen Grundlagen, die institutionellen Mechanismen auf Bundesebene sowie das Vorgehen zum Einbezug von Kantonen, Gemeinden und nicht-staatlichen Akteuren.

Die inhaltliche Ausrichtung bei der Umsetzung der Agenda 2030, entsprechende Leitlinien sowie der im Bericht enthaltene Schweizer Aktionsplan gründen auf der im Januar 2016 vom Bundesrat verabschiedeten Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019. Anhand konkreter Beispiele zeigt der Bericht zudem auf, wie die Schweiz ihre Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung fördert, überprüft und misst.

Am HLPF 2016 konnte die Schweiz als eines der ersten Länder ihre ersten Umsetzungsschritte zur Agenda 2030 präsentieren. So konnte die Schweiz die internationale Diskussion und die zwischenstaatliche Abstimmung weiter voranbringen. Mit ihrem proaktiven Engagement leistet die Schweiz somit einen wichtigen Beitrag zur Ausgestaltung der internationalen Berichterstattung sowie der bilateralen und multilateralen Beziehungen für die Umsetzung der Agenda 2030.

Die Umsetzung der Agenda 2030 in der Schweiz soll auf bestehenden Instrumenten und Strategien beruhen, sie soll Eigenverantwortung und Politikkohärenz fördern und möglichst weitgehend in die Sektoralpolitiken und in die ordentlichen Planungsund Kontrollprozesse integriert werden. Die Arbeiten zur Umsetzung durch die Schweiz sind 2016 fortgeschritten. Die nachhaltige Entwicklung bildet einen der vier strategischen Schwerpunkte der neuen Aussenpolitischen Strategie der Schweiz 2016­2019 und ist integraler Bestandteil der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020. Das Parlament hat im Kontext des
Stabilisierungsprogramms 2017­2019 und im Rahmen der Botschaft 2017­20120 über die Internationale Zusammenarbeit 2017­2020 den Vorschlag des Bundesrates mit der APDQuote von 0,48 Prozent angenommen. Der zur Umsetzung der Agenda 2030 international angestrebte Wert von 0,7 Prozent bleibt ein langfristiges Ziel.

Umsetzung der Botschaft 2013­2016 Das Jahr 2016 markierte das letzte Umsetzungsjahr der Botschaft vom 15. Februar 201237 über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016. Diese wird von der DEZA und vom SECO umgesetzt und ermöglicht es der Schweiz, auf weltweiter Ebene zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, mit welcher Armut und globale Risiken vermindert werden sollen. Die Schweiz hat zur Erreichung der Resultate der Botschaftsperiode 2013­2016 Bericht erstattet und 2016 die Ergebnisse in einer abschliessenden Publikation «Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz wirkt» herausgegeben. Die von der Schweiz unterstützten Nothilfe und Wiederaufbaumassnahmen erreichten direkt rund dreieinhalb Millionen Menschen 37

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pro Jahr. Der Fokus lag auf den Konflikten in Syrien und im Irak, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik, sowie auf der Ebola-Epidemie in Westafrika.

Dank effizienteren öffentlichen Verwaltungen können fast acht Millionen Menschen aus armen und benachteiligten Bevölkerungsschichten ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte besser geltend machen. Mit ihrem kontinuierlichen Engagement in zwölf sogenannten fragilen Partnerländern und -regionen hat die Schweiz dazu beigetragen, den Menschen dort neue Entwicklungsperspektiven zu geben und die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern. Die globalen Herausforderungen wie Zugang zu Wasser, Rohstoffen und Energie, der Klimawandel, die Ernährungssicherheit, die Migration und die globale Gesundheit haben zugenommen und beeinflussen die Armut in der Welt massgeblich. Zur Umsetzung ihrer Ziele auf internationaler Ebene arbeitet die Schweiz mit dreizehn multilateralen Entwicklungsorganisationen und fünf multilateralen Organisationen im humanitären Bereich zusammen. Die Schweiz hat unter anderem zur systematischen Evaluation der Wirksamkeit dieser Organisationen beigetragen. Der 2016 veröffentlichte Bericht hielt auch fest, dass die Schweiz in Entwicklungs- und Transitionsländern über neunzehn Milliarden Dollar an Investitionen ausgelöst, über zwei Milliarden Kilowattstunden aus erneuerbarer Energie oder Energieeffizienzmassnahmen generiert und beinahe eine halbe Million Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen hat.

Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 Im 2016 verabschiedete nach dem Bundesrat auch das Parlament die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit (IZA) 2017­2020. Die Schwerpunkte dieser neuen Botschaft sind auf fünf Akzente gelegt: 1. Nothilfe und Beitrag zur Konfliktlösung, reflektiert mit einer Erhöhung des Budgets gegenüber der Botschaftsperiode 2013­ 2016, 2. verstärktes Engagement in fragilen Kontexten, wobei 2017­2020 55 Prozent der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in fragilen Ländern und Regionen in Afrika sowie im Nahen Osten eingesetzt werden, gegenüber deren 45 Prozent in der Botschaftsperiode 2013­2016, 3. Bekämpfung von Armut und Ungleichheiten, um namentlich für junge Menschen eine Perspektive zu schaffen. Die für Bildung und Berufsbildung reservierten Mittel wurden gegenüber der Periode
2013­2016 beispielsweise um fünfzig Prozent erhöht, 4. Reduktion von globalen Risiken, beispielsweise mit einem Ausbau des Engagements gegen den Klimawandel und 5.

verstärkte Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, mit einer angestrebten Verdoppelung der Partnerschaften. Mit ihren Tätigkeiten in der internationalen Zusammenarbeit strebt die Schweiz eine nachhaltige weltweite Entwicklung an, welche namentlich durch eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen die Umwelt respektiert. Mit dem in dieser Botschaftsperiode neu integrierten Rahmenkredit der AMS sind zudem erstmals die Entwicklungszusammenarbeit und die zivile Förderung von Frieden und Menschenrechten in einen gemeinsamen Rahmen mit gemeinsamen strategischen Zielen gefasst. Die Botschaft widerspiegelt somit die Erfahrung, dass ein kombinierter Einsatz von Instrumenten der DEZA, des SECO und der AMS zu den besten Resultaten führt.

In diesem Sinne wird auch dem Thema Migration Rechnung getragen. Die Entwicklungszusammenarbeit und die Migrationspolitik werden dort, wo es im Interesse der Schweiz ist, strategisch miteinander verknüpft. Ein weiteres Augenmerk der neuen Botschaft liegt auf der Wirksamkeitsmessung und transparenten Berichterstattung 1383

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über die erzielten Resultate und allfällige Schwierigkeiten. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz ist ergebnisorientiert und jeder der Rahmenkredite enthält Wirkungsziele, die eine qualitative und quantitative Überprüfung der Zielerreichung möglich machen. So führt die Botschaft die Praxis der Schweizer IZA weiter, ihre Aktivitäten regelmässig von unabhängiger Seite evaluieren zu lassen und die entsprechenden Erkenntnisse zu kommunizieren. Die bewilligten Rahmenkredite in der Höhe von 11.11 Milliarden Franken für die vierjährige Botschaftsperiode berücksichtigen das vom Bundesrat beschlossene Stabilisierungsprogramm 2017­ 2019.

3.4.2

Humanitäre Hilfe

Herausforderungen: 125 Millionen Menschen sind heute auf humanitäre Hilfe angewiesen. Rund die Hälfte davon war gezwungen, aufgrund von Krisen, Konflikten oder Katastrophen ihre Heimat zu verlassen. Die Türkei allein beherbergt 2,5 Millionen Flüchtlinge und ist damit das Land mit den grössten Flüchtlingszahlen weltweit. Zahlreiche Gegenden Afrikas leiden unter Konflikten und in direkter Folge der Klimaveränderung unter Dürre und Überschwemmungen. Die derzeit grössten humanitären Krisen sind dadurch geprägt, dass sie sich über viele Jahre erstrecken.

Oft sind Menschen während Jahren oder gar Jahrzehnten auf internationale Hilfe angewiesen. Weltweit werden geschätzte 20 Milliarden Franken benötigt ­ fünfmal mehr als vor zehn Jahren ­ um Menschen in Not beizustehen. Davon war auch im 2016 nur die Hälfte gedeckt. Um den Teufelskreis aufeinanderfolgender Krisen und Katastrophen zu durchbrechen, investiert die Schweiz vermehrt in Prävention und Minderung von Katastrophenrisiken. Sie leistet beispielsweise einen finanziellen Beitrag an die von der Weltbank und dem Privatsektor entwickelte «Pandemic Emergency Financial Facility» im Nachgang der Ebola-Krise, um frühzeitig finanzielle Mittel zur Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten zu mobilisieren.

Die Schweiz am humanitären Weltgipfel (WHS): Am WHS im Mai in Istanbul haben Regierungen, humanitäre Organisationen und die Zivilgesellschaft gemeinsam nach Lösungen für die dringlichsten humanitären Herausforderungen gesucht. Die Schweiz, vertreten durch Bundesrat Burkhalter, setzte sich für drei prioritäre Anliegen ein: 1. Einhaltung des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechte, des Flüchtlingsrechts sowie des Schutzes der Zivilbevölkerung; 2. Krisenprävention, langfristige Bearbeitung der Ursachen von Konflikten und politisches Engagement zur Lösung von bewaffneten Konflikten; 3. Reaktion der Staatengemeinschaft auf bewaffnete Konflikte und Krisen sowie die daraus resultierenden Zwangsvertreibungen. Ein konkretes Ergebnis des WHS ist der «Grand Bargain», ein juristisch nicht bindendes Übereinkommen zwischen den grössten humanitären Geldgebern, zu denen auch die Schweiz gehört, und humanitären Organisationen, um die Wirksamkeit und Qualität der humanitären Hilfe zu verbessern. Zudem wurde die Rolle des Privatsektors aufgewertet. In diesem Sinne gründeten
das IKRK und das UNHCR mit der Unterstützung der Schweiz das «Global Humanitarian Lab». Dieses soll in Zusammenarbeit mit Universitäten und dem Privatsektor innovative Produkte und Dienstleistungen für die humanitäre Arbeit entwickeln.

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Multilaterale Zusammenarbeit und Unterstützung von Partnerorganisationen: Rund zwei Drittel der finanziellen Mittel der Humanitären Hilfe der Schweiz (DEZA/HH) flossen im 2016 in die Zusammenarbeit mit multilateralen Partnerorganisationen, namentlich dem IKRK, dem Welternährungsprogramm (WFP) und dem UNHCR.

Das IKRK spielt als unabhängige, neutrale und unparteiische Organisation eine zentrale Rolle in zahlreichen Konfliktgebieten. Die Schweiz kooperiert eng mit dem IKRK und hatte 2016 den Vorsitz der «Donor Support Group» inne, um das IKRK in der Mobilisierung der notwendigen Mittel zu unterstützen. Neben finanziellen Beiträgen stellt die Schweiz den multilateralen Partnerorganisationen Fachleute des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) zur Verfügung. Im Berichtsjahr arbeiteten insgesamt vierzehn Fachleute des SKH für das UNHCR und das WFP. So konnten beispielsweise drei Wasserspezialisten einen bedeutenden Beitrag an die Verbesserung der Trink- und Abwassersituation in den griechischen UNHCRFlüchtlingslagern leisten.

Humanitäre Hilfe im Rahmen der Syrienkrise: Im März jährte sich der Ausbruch des bewaffneten Konfliktes in Syrien zum fünften Mal. Nach wie vor ist die humanitäre Situation für die Bevölkerung katastrophal (vgl. Ziff. 2.2). An der Syrien-Konferenz in London vom Februar sicherte Bundespräsident Schneider-Ammann weitere 50 Millionen Franken für humanitäre Hilfe in der Krisenregion zu. Seit dem Ausbruch des Konflikts hat die Schweiz 250 Millionen Franken für die Hilfe in Syrien und in den Nachbarländern bereitgestellt. Die Schweiz unterstützt insbesondere das IKRK, humanitäre UNO-Organisationen sowie internationale NGO. Sie leistet Finanzbeiträge und stellt den Organisationen Expertinnen und Experten des SKH zur Verfügung. Zudem führt die DEZA/HH eigene Projekte durch. Zum Beispiel übergab der Delegierte für Humanitäre Hilfe im Juli dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond (SARC) zwölf neue Ambulanzfahrzeuge, die angesichts der Kriegszerstörungen, der Angriffe auf Spitäler und der enormen Opferzahlen dringend benötigt werden. Für die Hilfe vor Ort sind für das Jahr 2017 weitere 66 Millionen Franken vorgesehen.

Sie sollen für humanitäre Hilfe und zur Stärkung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der betroffenen Bevölkerung eingesetzt werden.

Engagement in der Ukraine:
Seit dem Frühjahr 2015 beliefert die Schweiz die Wasserwerke in der Region Donetsk, welche die Mehrheit der Städte auf beiden Seiten der «Kontaktlinie» zwischen dem regierungs- und nicht regierungskontrollierten Gebiet mit Trinkwasser versorgen. Die Schweiz ist nach wie vor der einzige Staat, der humanitäre Transporte organisiert, welche die «Kontaktlinie» überqueren.

Im Mai fand der vierte humanitäre Transport statt. Mit Lastwagen sowie per Bahn lieferte die Schweiz insgesamt 720 Tonnen Hilfsgüter zur Trinkwasserreinigung sowie medizinisches Material und Medikamente für Spitäler in beide Gebiete. Mit den Lieferungen im 2016 erhielten rund vier Millionen Menschen während einem Jahr Zugang zu sauberem Trinkwasser. Tausende profitieren zudem vom Ersatz veralteter oder beschädigter medizinischer Ausrüstung.

Soforteinsatz nach dem Erdbeben in Ecuador und dem Wirbelsturm «Matthew» in Haiti: Das schwere Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala traf Ecuador am 16. April. Es forderte mehrere Hundert Todesopfer und verursachte grosse Schäden entlang der Küste. Innert zwölf Stunden entsandte der Delegierte für Humanitäre Hilfe in Kolumbien und Bolivien stationierte Experten in die betroffe1385

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nen Gebiete. Kurz danach folgten weitere SKH-Fachleute aus der Schweiz. Die Schweiz stellte Trinkwasser für rund 30 000 Personen in der betroffenen Region bereit. Haiti ist der Karibikstaat, der im Oktober vom Wirbelsturm Matthew am stärksten betroffen war. Die DEZA/HH entsandte umgehend ein Team des SKH nach Haiti. Darunter befanden sich Fachleute in den Bereichen Notunterkünfte, Wasser und Sanitärversorgung, Logistik sowie Sicherheit. Haiti zählt zu den Schwerpunktländern der DEZA. Die Schweiz verfügte deshalb bereits über zahlreiche Fachleute vor Ort, die rasch mobilisiert werden konnten, um die Nothilfe zu unterstützen. So konnten in Kürze mobile Wasseraufbereitungsanlagen im Katastrophengebiet stationiert werden, dank denen rund 12 000 Personen täglich mit sauberem Trinkwasser versorgt wurden. Am 17. Oktober flog ein weiteres Team des SKH mit 60 WATA-Geräten zur Produktion von Chlor nach Haiti. Mit diesen Geräten kann ausreichend Chlorlösung zur Reinigung von Wasser produziert werden, um die betroffene Bevölkerung vor einer Ansteckung durch wasserübertragbare Krankheiten wie beispielsweise Cholera zu schützen. Zudem wurden 4500 Planen in Santo Domingo eingekauft und auf dem Landweg nach Haiti gebracht, um sie im Katastrophengebiet abzugeben. In einer zweiten Phase wird den betroffenen Personen weiteres in Santo Domingo eingekauftes Material ­ mehr als 3000 Dachbleche, Bretter und Werkzeuge ­ für den Wiederaufbau ihrer Häuser zur Verfügung gestellt werden. Damit unterstützt die Schweiz nicht nur den lokalen Markt, sondern auch die Eigeninitiative der betroffenen Menschen. Insgesamt wurden 2.6 Millionen Franken für die Soforthilfe mobilisiert. Mit diesen Massnahmen konnten rund 100 000 Personen unterstützt werden.

Hilfe für die Bevölkerung in den Krisenherden Subsahara-Afrikas: Im Südsudan befanden sich nach Kämpfen zwischen rivalisierenden politischen Gruppen im Sommer Tausende von Menschen auf der Flucht. Die bereits desolate humanitäre Lage spitzte sich weiter zu (vgl. Ziff. 2.2). Die Schweiz beschloss deshalb, zusätzliche zwei Millionen Franken für die notleidende Bevölkerung einzusetzen. Weitere drei Millionen Franken wurden für die Bevölkerung im südlichen Afrika und in den Ländern rund um den Tschadsee, besonders in Nordnigeria und im Niger, gesprochen. In Nordnigeria konnten damit
insbesondere ein Barzahlungsprogramm des IKRK massgeblich unterstützt werden, das es den Empfängern erlaubt, dringend benötigte Güter auf lokalen Märkten einzukaufen, und so gleichzeitig eine Unterstützung an die lokale Wirtschaft zu leisten. Im südlichen Afrika litten 32 Millionen Menschen unter Nahrungsunsicherheit als Konsequenz des El Niño-Phänomens und der damit einhergehenden Dürren. Die DEZA/HH leistete Finanzbeiträge an das WFP und stellte der Organisation in Südafrika einen SKH-Experten zur Verfügung, der die Koordination des regionalen Nothilfeprogrammes unterstützte.

Abschluss des Wiederaufbauprogramms im Südkaukasus: Im Südkaukasus war die DEZA/HH seit dem verheerenden Erdbeben von 1988 im Norden Armeniens aktiv.

Als Teil der Schweizer Kooperationsstrategie 2013­2016 unterstützte sie Armenien beim Ausbau der Rettungskapazitäten zugunsten von 1,75 Millionen Menschen, insgesamt 65 Prozent der Bevölkerung. In Georgien konnten mehr als 420 betroffene Familien in von der DEZA/HH finanzierte neu aufgebaute oder reparierte Häuser zurückkehren. Mehr als 7700 Menschen profitieren seit 2013 zudem von sieben reparierten Schulen und Kindergärten. Als Resultat von verbesserter Katastrophenprävention sind nun 27 000 Personen in sechs Berggemeinden besser vor Naturkata1386

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strophen geschützt. Zudem wurde der 2013 gegründete Bergrettungsdienst Georgiens durch Schweizer Knowhow weiter konsolidiert. Das Programm der DEZA/HH im Südkaukasus wurde 2016 beendet.

Verringerung des Katastrophenrisikos: Die DEZA/HH führte auch 2016 Programme zur Verringerung des Katastrophenrisikos durch. Der Fokus lag auf der Stärkung von lokalen Regierungen und Gemeinden. Auf multilateraler Ebene arbeitete die DEZA/HH primär mit der «Global Facility for Disaster Reduction and Recovery» (GFDRR) der Weltbank. Letztere unterstützt Entwicklungsländern finanziell und technisch, um sie besser auf die Risiken von Naturkatastrophen vorzubereiten. Seit dem 1. Juli hat die Schweiz den Vorsitz der Beratergruppe der GFDRR inne. Sie legt einen Fokus auf das verstärkte Engagement in städtischen Risikogebieten sowie auf die Schaffung von Synergien und die Zusammenarbeit mit anderen Fonds und Organisationen im Bereich des Klimawandels.

Humanitäre Hilfe im Kontext von Minderheitenfragen38: Der Schutz religiöser und anderer Minderheiten ist ein wichtiger Aspekt der Schweizer Aussenpolitik. Das Engagement ist grundsätzlich auf Menschen ausgerichtet, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit effektiv zu den Verletzlichsten zählen. Viele Konflikte der letzten Jahre sind geprägt von Differenzen zwischen religiösen oder ethnischen Gruppierungen. In solchen Kontexten gerät die humanitäre Hilfe in die Gefahr, der Parteinahme bezichtigt zu werden. Entsprechend werden manchmal bereits grundlegende humanitäre Aktionen, etwa die medizinische Versorgung Schwerverletzter, durch beteiligte Akteure verhindert. Die Zustände in der 2016 belagerten Stadt Aleppo sind diesbezüglich nur das aktuellste Beispiel.

Humanitäre Akteure sind also dem Risiko ausgesetzt, als parteiisch wahrgenommen zu werden. Jener Gefahr müssen die sie durch den konsequenten Respekt der humanitären Prinzipien begegnen. Diese bestehen, wie auch in der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020 festgehalten, in der Humanität, Neutralität, Unparteilichkeit sowie der Unabhängigkeit. Die Anwendung dieser Prinzipien ist nicht nur eine grundlegende Bedingung für den gesicherten Zugang humanitärer Akteure, sondern dient auch den Empfängern humanitärer Hilfe. Diese können, wenn sie als bevorzugte Gruppierung betrachtet werden, leicht
zum Ziel von Repressionen werden. Die humanitäre Hilfe ist nichtdiskriminierend und basiert auf der Anwendung des Kriteriums der Vulnerabilität (Verletzlichkeit). In verschiedenen aktuellen Kontexten werden entsprechend Mitglieder diverser Minderheiten, beispielsweise christliche Minderheiten, Kurden, Jesiden, Turkmenen oder Rohingya von humanitären Akteuren aufgrund ihrer individuellen humanitären Bedürfnisse unterstützt. Mit der humanitären Hilfe können Spannungen zwischen verschiedenen Gruppierungen abgebaut werden. Gewisse Interventionen tragen zur Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der lokalen Bevölkerung bei, weil sie Konflikte zwischen verschiedenen Gemeinschaften vorbeugen oder zumindest reduzieren können. Die Humanitäre Hilfe der Schweiz engagiert sich unter diesem Gesichtspunkt in diversen Projekten, unter anderem in Syrien, dem Irak und dem Libanon.

38

Das Schweizer Engagement zugunsten religiöser und anderer Minderheiten im Rahmen der Friedenspolitik wird unter Ziffer 3.3.4, Thematische Schwerpunkte behandelt.

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Dazu zählt die Unterstützung des Programms der UN-Entwicklungsorganisation (UNDP) «Livelihood Restoration in Crisis Affected Communities» in Syrien mit insgesamt fünf Millionen Franken. Das Programm setzt sich zum Ziel, die Resilienz der lokalen Bevölkerung, sowohl der Vertriebenen als auch der Ansässigen, zu stärken und damit den Erhalt der kulturellen Vielfalt sowie den Austausch in und zwischen den Gemeinden zu fördern. Konkrete Projekte beinhalten die Wiederherstellung von Infrastruktur für die Grundversorgung wie der Wasserversorgung, Schulen und Gesundheitszentren. Das UNDP Programm wird in Homs, rund um Damaskus, Lattakia und Tartus durchgeführt, wo ethnisch-religiöse Vielfalt herrscht.

Der Wiederaufbau des Dorfes Maalula beispielsweise, welches 2014 während mehreren Monaten unter Kontrolle der Organisation «Islamischer Staat» war und teilweise zerstört wurde, wird durch das Projekt von UNDP unterstützt. Es leben verschiedene religiöse Gruppierungen in Maalula. Die Mehrheit der dort lebenden Christen gehört der griechisch-katholischen Kirche an. UNDP unterstützt die Bewohner dabei Trümmer und Schutt der durch die Kämpfe zerstörten Gebäude zu räumen und die Häuser erneut traditionsgemäss aufzubauen.

Im Irak unterstützt die Schweiz mit 1.5 Millionen Franken ein Schutzprojekt des internationalen Hilfswerks «Save the Children» für mehr als 12 000 Kinder und 7000 Erwachsene in der Gemeinde Khanaqin (Diyala). Im Fokus stehen dabei Kinderschutz, Kinderrechte, Schulbildung und psychosoziale Unterstützung. Im Bezirk Diyala befinden sich rund 120 000 intern Vertriebene, darunter auch eine wichtige Anzahl in der Gemeinde Khanaqin. Die Einwohner von Khanaqin, eine der ältesten Gemeinden des Iraks, bilden ein reiches ethno-religiöses Mosaik. Die Gemeinde wird sowohl von kurdisch- als auch arabisch- und turkmenisch-stämmigen Familien bewohnt. Nebst Sunniten und Schiiten gibt es ausserdem weitere religiöse Minderheiten.

Schliesslich führt die Schweiz auch direkte Massnahmen zur Verbesserung der Wasserbewirtschaftung durch die regionale Abteilung des libanesischen Wasserministeriums in der Beeka-Ebene durch. Die Region, welche mehrheitlich von Schiiten und Christen bewohnt wird, leidet seit der Ankunft von ungefähr 380 000 mehrheitlich sunnitischen syrischen Flüchtlingen unter zunehmenden Spannungen, gerade auch in Zusammenhang mit dem Zugang zu Trinkwasser. Das mit 4.1 Millionen Franken dotierte Projekt soll dazu beitragen, möglichen Konflikten vorzubeugen.

3.4.3

Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit 39

2016 wurde die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit bereits mit Bezug auf die zukünftige Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020 ausgerichtet. Die nachhaltige weltweite Entwicklung, die Armutsreduktion, die Bekämpfung von Konflikten und Krisen, die nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen sowie die Wahrung der Menschenrechte standen dabei im Zentrum ihrer Aktivitäten. In den sieben Regionalprogrammen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas wurden durchschnittlich 35 Millionen Franken jährlich bereitgestellt. Bei den fünf39

Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit in den Krisenregionen von Syrien bis Sahel wird unter Ziffer 2 vertieft behandelt.

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zehn Länderprogrammen waren es durchschnittlich 20 Millionen Franken. 2016 galten zwölf der 21 Partnerländer oder -regionen als fragil.

Engagement in fragilen Kontexten: Ein steigender Anteil der ärmsten Menschen weltweit lebt in fragilen Kontexten. Die Schweiz trägt mit ihren konfliktsensitiven Kooperationsprogrammen zu Friedensentwicklung, Menschenrechten und Stärkung wichtiger staatlicher Institutionen bei, etwa im Horn von Afrika, in Westafrika oder in Honduras. Sie führt zudem den Ko-Vorsitz des Internationalen Netzwerks über Konflikt und Fragilität im OECD-Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit. In diesem Rahmen hat die Schweiz 2016 einen wichtigen Beitrag zur «Stockholm Declaration on Fragility and Building Peace in a Changing World» geleistet. Am Ministertreffen des «International Dialogue on Peacebuilding and Statebuilding» in Stockholm plädierte Bundesrat Burkhalter dafür, angesichts der globalen Krisen und Sicherheitsprobleme die langfristige, gewaltpräventive Entwicklungszusammenarbeit nicht zu vernachlässigen, sondern in fragilen Kontexten engagiert zu bleiben.

Die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020 trägt diesem Appell Rechnung.

Öffentlich-private Entwicklungspartnerschaften: Die Zusammenarbeit der DEZA mit dem Privatsektor wurde 2016 weiter ausgebaut. Die DEZA bemühte sich bei ihrem Engagement mit Privaten insbesondere um mehr strategische und operationelle Klarheit. Dies erlaubt es ihr, mehr innovative Formen der Zusammenarbeit zu sondieren und die Anzahl und Tragweite ihrer öffentlich-privaten Entwicklungspartnerschaften zu erhöhen, indem sie ihre Entwicklungsziele dank Zugang zu Kompetenzen und Ressourcen des Privatsektors noch wirkungsvoller verfolgen kann.

Erwähnt seien hier bilaterale Partnerschaften wie zum Beispiel ein Projekt mit Nestlé und dem vietnamesischen Landwirtschaftsministerium mit dem Ziel, den Wasser-Fussabdruck der Kaffeeproduktion in Vietnam zu reduzieren; multilaterale Initiativen wie die «Swiss Capacity Building Facility» mit unter anderem Swiss Re, Credit Suisse oder der Zurich Foundation, die den Finanzinstituten in Entwicklungsländern technische Unterstützung bieten und sie bei der Suche nach Finanzinvestoren unterstützen; Beteiligung an globalen Fonds wie der «Drugs for Neglected Diseases»-Initiative, an der Dutzende öffentliche
und private Partner beteiligt sind, um die Forschung nach Heilmitteln für seltene tropische Krankheiten zu fördern.

Die Teilnahme an öffentlich-privaten Plattformen fördert den politischen Dialog zwischen den verschiedenen engagierten Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit, zum Beispiel beim Thema Wasser.

Bildung: Die Schweiz verfügt im Bereich der Grund- und Berufsbildung über international anerkannte Erfahrung und Knowhow. 2016 hat sie ihr Engagement im Bildungsbereich weiter ausgebaut und 29 Entwicklungs- und Transitionsländer im Berufsbildungsangebot unterstützt. Mit der Lancierung des Geberkomitees für duale Berufsbildung wurde ein Meilenstein in der Zusammenarbeit mit anderen Gebern mit dualer Berufsbildungstradition gelegt. In ihrer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit engagiert sich die Schweiz für Grund- und Berufsbildung, von der niemand ausgegrenzt ist. Damit leistet sie einen Beitrag zur Reduktion von Armut, zur Verminderung von Ungleichheiten und zur Prävention von Konflikten. Denn qualitativ gute Bildung befähigt Menschen, die Gesellschaft mitzugestalten, am Wirtschaftsleben teilzuhaben, sich neue Perspektiven zu eröffnen und Spannungssituati1389

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onen zu überwinden. Auch in fragilen Kontexten wurde die Bildungszusammenarbeit ausgebaut und in einem Flüchtlingslager in Kenia beispielsweise berufsbildende Lehrgänge für Jugendliche finanziert. In Bosnien und Herzegowina konnte 2016 zudem die Vermittlungsquote für Arbeitslose von fünfzehn auf vierzig Prozent erhöht werden, 35 Prozent der Berufsbildungsschulen haben ein am dualen Berufsbildung orientiertes Modell eingeführt und über 3900 junge Menschen eine Anstellung gefunden. Die Bevölkerung in vielen Partnerländern der Schweiz ist mehrheitlich jung. Dies birgt einerseits das Risiko mangelnder persönlicher und beruflicher Perspektiven für viele junge Menschen, gleichzeitig aber auch ein grosses Potenzial für die Entwicklung. Vor diesem Hintergrund ist die DEZA seit Sommer 2016 daran, eine Bildungsstrategie zur Stärkung und Komplementarität von Grund- und Berufsbildung in ihren Partnerländern auszuarbeiten und zur Verabschiedung vorzulegen.

Südliches Afrika, Ostafrika, Nordafrika, Besetztes Palästinensisches Gebiet: In den Schwerpunktländern und -regionen Mosambik, Tansania, Besetztes Palästinensisches Gebiet, Südliches Afrika, Grosse Seen, Horn von Afrika und Nordafrika konzentrierte die Schweiz ihre bilaterale Zusammenarbeit vor allem auf die drei Sektoren Gesundheit, ländliche Entwicklung und Gouvernanz. Angesichts der Flüchtlingskrise und im Rahmen der Agenda 2030 wurde der Akzent auf Migration, Berufsbildung für Jugendliche und ihre Integration in den Arbeitsmarkt gelegt. Mit dem Zusatzkredit, den das Parlament im September 2015 zwecks Abschwächung der Flüchtlingskrise bewilligte, wurden in Somalia und in einem Flüchtlingslager im Norden Kenias berufsbildende Lehrgänge für Jugendliche finanziert. In Tunesien bekräftigte die Schweiz im Rahmen der Migrationspartnerschaft ihre Rolle als Hauptgeberin im Migrationsbereich, und sie führt gemeinsam mit der EU den Vorsitz einer Koordinationsgruppe der Partnerorganisationen. Die Migrationspartnerschaft ermöglichte eine Vertiefung der Migrationsgespräche mit der tunesischen Regierung. Die Schweiz unterstützte verschiedene Projekte für den Schutz von Flüchtlingen und Migranten, zum Beispiel ein Projekt zur Ausarbeitung eines Asylgesetzes in Tunesien. Die Schweizer Programme werden von drei Departementen des Bundes durchgeführt: vom EDA, durch die
Politische Direktion und die DEZA, sowie vom WFB durch das SECO und vom EJPD über das SEM.

Westafrika: Fragilität und gewalttätiger Extremismus sind in der Region nicht geringer geworden. Das zeigten das Attentat vom Januar in Ouagadougou, die Verschlechterung der Sicherheitslage am Tschadsee und die Gewaltakte bei der Umsetzung des Friedensabkommens in Mali. Der nicht einwandfrei verlaufenen Wahlen in Niger und Tschad, die geringen Fortschritte der Transition in Burkina Faso und die Hindernisse, die den Friedensprozess in Mali verlangsamen, lassen vermuten, dass in der Region weitere Krisen zu erwarten sind. Benin hingegen macht dank der unangefochtenen Wahlen Fortschritte. 2016 arbeitete die DEZA neue Kooperationsstrategien 2017­2020 für Mali, Benin und Burkina Faso aus. Diese Strategien sind dem Kontext angepasst: Sie berücksichtigen die Fragilität dieser Länder und fokussieren mehr auf die Jugend. Dieser Ansatz wird in den drei wichtigsten Arbeitsbereichen in der Region angewandt: in der Grundbildung und der Berufsbildung, der Gouvernanz und der ländlichen Entwicklung.

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Lateinamerika und Karibik: Die Schweiz setzte ihr Engagement in Bolivien, Mittelamerika, Kuba und Haiti in einem regionalen Kontext fort, der durch geringes Wachstum aufgrund fallender Rohstoffpreise, schwache wirtschaftliche Diversifizierung und folglich die Verschlechterung der Entwicklungsperspektiven gekennzeichnet ist. Die Schweiz bemühte sich, den Zugang zu technischer Innovation, Berufsbildung, Finanzdienstleistungen und Märkten zu erleichtern und damit zur Entwicklung stabiler wirtschaftlicher Aktivitäten, zu Produktivitätssteigerungen und zur Anhebung der Einkommen der Bevölkerung beizutragen. In Bolivien zum Beispiel erhöhte sich das Einkommen von 7400 Produktionseinheiten und Personen aus den ärmsten Bevölkerungsschichten um zwanzig Prozent. Die Forderungen der Zivilgesellschaft angesichts von Machtmissbrauch und Korruption sowie die zentralistischen und teilweise autoritären Tendenzen mancher Regierungen machen deutlich, wie wichtig es ist, dass die Schweiz ihr Engagement für gute Regierungsführung und die Achtung der Menschenrechte beibehält, indem sie zivil-gesellschaftliche Organisationen unterstützt und Mitbestimmung sowie offene und integrative Debatten fördert.

Ostasien: Die Schweiz priorisiert in Ostasien die ärmsten Länder und Bevölkerungsgruppen, die vom schnellen Wirtschaftswachstum und zunehmenden Wohlstand ausgeschlossen bleiben. Mit der Unterstützung zur guten Regierungsführung förderte sie auch 2016 die Rahmenbedingungen für stabile Demokratien, die Einhaltung von Menschenrechten und starke Zivilgesellschaften. Gerade in dem sich politisch öffnenden Myanmar sowie der Mongolei konnte die Schweiz mit diesem Engagement den politischen Wandel unterstützen. In Laos und Kambodscha engagierte sie sich für die Rechenschaftslegung gegenüber der Bevölkerung und deren Mitbestimmungsrecht. Mit Programmen zur Berufsbildung leistete die DEZA in den genannten Ländern auch 2016 einen wesentlichen Beitrag an die Entwicklung eines bisher wenig anerkannten, stark vernachlässigten Sektors und schuf damit Perspektiven für Jugendliche aus unteren sozialen Schichten. Mit dem Engagement für verbesserten Zugang zu qualitativ angemessenen Gesundheitsdienstleistungen ­ vor allem für Kinder und werdende Mütter ­ wurde in die Zukunft der Länder und in eine gerechtere soziale Entwicklung investiert. In
Ostasien spielen Kleinbauern eine wichtige Rolle in der Ernährungssicherung sowie im Kampf gegen die hohen Raten chronischer Mangelernährung. Hier setzte sich die DEZA für ausgewogene Ernährung, bessere Lebensbedingungen durch besseren Zugang zu Land und Landrechten sowie nachhaltige Produktionsformen ein.

Südasien: Die Region spielt angesichts ihres demografischen Gewichts und ihrer geopolitischen Lage eine wichtige Rolle in der internationalen Entwicklung. Die Partnerstaaten der Schweiz ­ Afghanistan, Bangladesch, Nepal und Pakistan ­ weisen sehr unterschiedliche Entwicklungsniveaus und Ausprägungen von Krisen und Fragilität auf. Die Entwicklungsaktivitäten der internationalen Gemeinschaft und der Schweiz in Afghanistan konnten trotz der erneut intensiven bewaffneten Konflikte aufrechterhalten werden. In Nepal lag der Schwerpunkt auf dem Wiederaufbauprogramm nach dem Erdbeben vom Frühjahr 2015. Infolge der mehrmonatigen Regierungs- und Wirtschaftskrise verzögerte sich die Umsetzung der Entwicklungsprogramme allerdings. In Bangladesch konnten trotz einer festgefahrenen Regierungskrise wichtige Fortschritte in der Stärkung und Modernisierung des

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Berufsbildungssystems erzielt werden. In allen Partnerländern stellen sich grosse Herausforderungen in den Bereichen gute Regierungsführung und Menschenrechte.

3.4.4

Globalprogramme und Forschung

Klimatische Veränderungen, Nahrungsmittel- und Wasserkrisen sowie Gesundheitsrisiken und Migration beeinflussen die Entwicklungsperspektiven armer Länder zunehmend. Mit den fünf thematischen Globalprogrammen Ernährungssicherheit, Klimawandel, Wasser, Gesundheit sowie Migration und Entwicklung geht die DEZA diese globalen Herausforderungen an.

Wasser40: Seit der Annahme der Agenda 2030 setzt sich die Schweiz engagiert für die Schaffung eines Mechanismus für das Monitoring und die Berichterstattung über die Fortschritte ein, die im Wassersektor in Zusammenarbeit mit UN-Water und anderen UNO-Organisationen erzielt wurden. Im Hinblick auf das Thema Wasser und Sicherheit hat die Schweiz ihr Engagement und ihre internationale Positionierung bekräftigt. Die ersten Ergebnisse der Arbeiten des Globalen hochrangigen Panels für Wasser und Frieden, das die Schweiz Ende 2015 initiiert hatte, wurden an der UNO-Generalversammlung 2016 in New York vorgestellt. Parallel zu ihren Aktivitäten als politische Fazilitatorin bei Fragen grenzüberschreitender Gewässer unterstützt die Schweiz innovative Projekte insbesondere im Nahen Osten und in Zentralasien. Sie unterstützt auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) bei der Entwicklung einer hydrologischen Datenbank, die grenzüberschreitende politische Entscheide erleichtern und damit zur Prävention von Konflikten beitragen soll.

In Bezug auf die Entsorgung flüssiger Abfälle aus der Wasseraufbereitung engagiert sich die Schweiz gemeinsam mit dem Privatsektor für die Entwicklung innovativer Lösungen für Agglomerationen in Entwicklungsländern. Im Rahmen des Übereinkommens zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) unterstützte die Schweiz die Arbeiten zur Förderung einer besseren grenzüberschreitenden Wasserbewirtschaftung, zum Schutz des Grundwassers, der Seen und der Gewässerökosysteme. Ferner organisierte die Schweiz das vierte Treffen der Vertragsparteien des Protokolls «Wasser und Gesundheit» der UNECE im November in Genf.

Klimawandel: Nach der Unterzeichnung des Übereinkommens von Paris 2015, das einen wesentlichen Fortschritt darstellte, widmete sich die Schweiz bei den multilateralen Klimaverhandlungen der Vorbereitung der Umsetzung dieses
Übereinkommens. Neben ihrem anhaltenden Engagement in den Leitungsorganen der Globalen Umweltfazilität (GEF) und des Anpassungsfonds trug die Schweiz als Mitglied des Verwaltungsrats zur institutionellen Entwicklung des Grünen Klimafonds (GCF) bei, als dieser sich in einer entscheidenden Phase seiner Operationalisierung befand.

Über ihren Beitrag zum Klimafonds hinaus unterstützt die Schweiz die Entwicklungsländer auch mit anderen Programmen bei der Planung und Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen. Sie lancierte zum Beispiel neue Koope40

Vgl. dazu auch Ziff. 3.3.7, Wasserdiplomatie.

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rationsprojekte, deren Ziel es ist, die Widerstandsfähigkeit von Städten gegen die Folgen des Klimawandels zu stärken und bei der Festlegung von kohlenstoffarmen Stadtentwicklungskonzepten Beratung zu bieten. Als Mitglied der Klima- und Luftreinhalte-Koalition (CCAC) gibt die Schweiz ihr Fachwissen über die Reduktion von Klimaschadstoffen weiter und strebt damit vielfachen ­ namentlich gesundheitsbezogenen ­ Nutzen an. Im Übrigen engagierte sich die Schweiz im Rahmen der 22. Konferenz der Vertragsstaaten des UNO-Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen, die in Marokko stattfand, für eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft und der Jugend für die Klimaziele.

Ernährungssicherheit: Über internationale Organisationen wie die UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), den Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) und die Afrikanische Union unterstützte die Schweiz auch 2016 die Erarbeitung und Umsetzung neuer Politiken und freiwilliger Richtlinien zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Ländern Afrikas und Asiens. Dies beispielsweise in den Bereichen Sicherung der Landrechte, wirksamere Beratungssysteme sowie Verfügbarkeit von verbessertem Saatgut und landwirtschaftlichen Hilfsstoffen. Ausserdem unterstützte die Schweiz die Erarbeitung von Strategien zur Reduktion von Nahrungsmittelverlusten und förderte Innovationen wie Informationsdienste auf Mobiltelefonen oder Ausbildungsvideos für Landwirte. Als Mitglied des Verwaltungsrates im Internationalen Agrarforschungskonsortiums (CGIAR) nimmt die DEZA Einfluss auf die Ausrichtung internationaler Agrarforschungsprogramme. Sie hat sich im vergangenen Jahr stark für die Entwicklung neuer, klimaresistenter Kulturpflanzensorten eingesetzt.

Gesundheit: Die Schweiz hatte 2016 den Vorsitz im Exekutivrat von UNAIDS und spielte damit eine wichtige Rolle im globalen Politikdialog im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (vgl. Ziff. 3.5.4). Insbesondere hat die Schweiz dazu beigetragen, dass der Exekutivrat konkrete Entscheidungen zur sich abzeichnenden Unterfinanzierung von UNAIDS getroffen hat. Überdies agierte die Schweiz als Ko-Fazilitatorin des High Level Meetings zu HIV/AIDS im Juni und trug in dieser Funktion massgeblich zur Verabschiedung der erfolgreichen
Politischen Deklaration bei. 2016 spielte die Schweiz ausserdem eine Vorreiterrolle in der internationalen Lösungssuche nach einem globalen Mechanismus für die Koordination und Finanzierung von Forschung und Entwicklung medizinischer Produkte für Krankheiten, die vor allem in Entwicklungsländern auftreten. Ein erster Erfolg, zu dem die Schweiz unmittelbar beigetragen hat, ist die Etablierung eines globalen Observatoriums für Forschung und Entwicklung und die Durchführung innovativer Forschungsprojekte. Dank der aktiven Rolle der Schweiz konnten auch BRICSLänder für die finanzielle Unterstützung der Forschungsprojekte gewonnen werden.

Migration und Entwicklung41: Nachdem Migration in der Agenda 2030 in mehreren Zielen verankert werden konnte, steht nun die Umsetzung im Vordergrund. Vor dem Hintergrund zahlreicher Krisen und Kriege und der damit verbundenen Perspektivenlosigkeit der betroffenen Menschen setzte sich die Schweiz 2016 am UNOGipfel für Flüchtlinge und Migranten in New York dafür ein, den kurzfristigen 41

Vergleiche dazu auch Ziff. 3.3.7, Flucht und Migration.

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Herausforderungen von Bevölkerungsbewegungen auch mit langfristigen, entwicklungsorientierten Lösungen zu begegnen. Die Schweiz verfolgt bereits einen solch umfassenden Ansatz der Migrationsaussenpolitik und hat beispielsweise mit der Intensivierung der Migrationszusammenarbeit mit Sri Lanka begonnen, bei der die Themen Arbeitsmigration, Rückkehr und Versöhnung im Zentrum der gemeinsamen Anliegen stehen. Migration hat jedoch verschiedene Gesichter und in den meisten Fällen tragen Migrantinnen und Migranten mit ihrer Arbeitskraft zur Förderung des Wohlstands sowohl in ihrem Wohnsitzland, als auch in ihrem Heimatland bei. Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag an nachhaltige Entwicklung, den die Schweiz unterstützt. In Zielländern von Arbeitsmigrantinnen und -migranten im Nahen Osten beispielsweise indem sie faire Praktiken für die Rekrutierung von Arbeitskräften aus Entwicklungsländern unterstützte. Ausserdem setzt sich die DEZA auf verschiedenen Ebenen und unter Einbezug des Privatsektors dafür ein, dass die Rolle der Berufsbildung nicht nur für die lokale Entwicklung, sondern auch in Bezug zur regulären Migration gestärkt wird.

Forschung zu globalen Herausforderungen: Laut Agenda 2030 kommt der Forschung und Innovation eine entscheidende Rolle bei der Armutsverringerung und dem Übergang zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung zu. Die Forschungsarbeiten der DEZA orientieren sich am Ziel weltweiter nachhaltiger Entwicklung. Das «Swiss Programme for Research on Global Issues for Development» (r4d), ein gemeinsames Programm der DEZA und des Schweizerischen Nationalfonds (SNF), finanziert zurzeit 41 Projekte, an denen Forschungseinrichtungen in 42 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas beteiligt sind. Dieses Programm soll neue wissenschaftliche Erkenntnisse hervorbringen, die für Entwicklungsfragen relevant sind, und sie den Entscheidungsträgern zur Verfügung stellen. Die DEZA setzt sich für den Austausch zwischen Akteuren aus Wissenschaft, Politik und Praxis ein, um die gemeinsame Reflexion über die Realisierung der Agenda 2030 zu fördern.

3.4.5

Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit hat ihre enge Kooperation mit ihren prioritären Partnerorganisationen im multilateralen Bereich fortgeführt und gezielt ausgebaut. So leistet die Schweiz ein wichtiges finanzielles Engagement zu Gunsten des Entwicklungsprogramms der UNO (UNDP) für Krisenprävention, Wiederaufbau und Stärkung staatlicher Institutionen, dem eine Brückenfunktion zwischen humanitären und Entwicklungsinterventionen zufällt. Mit dem Ziel, die Geschlechtergleichstellung weiter voranzutreiben, hat die Schweiz zudem die UNO-Organisation für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen und Mädchen (UN Women) bei der Eröffnung eines Verbindungsbüros in Genf unterstützt. Im Rahmen der einjährigen Vizepräsidentschaft des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO (ECOSOC) präsidierte die Schweiz das ECOSOC-Segment für humanitäre Angelegenheiten, wo die Mitgliedstaaten nach dem humanitären Weltgipfel (WHS) im Mai zum ersten Mal Gelegenheit hatten, Stellung zu beziehen. Durch die erfolgreiche Verhandlungsführung der humanitären Resolution hat die Schweiz zudem dazu beigetragen, dass erste Erkenntnisse aus dem WHS von der Staatengemeinschaft in einen normativen Rahmen übernommen wurden. Die Schweiz hat sich im Rahmen der Generalver1394

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sammlung und des ECOSOC mit konkreten Vorschlägen für die Stärkung des operationellen Systems der UNO eingesetzt. Infolgedessen fazilitierte sie im Herbst die vierjährliche Resolution der Generalversammlung zur Reform des operationellen Systems.

Wie bereits beim IWF rotiert die Schweiz den Sitz des Exekutivdirektors bei der Weltbankgruppe (WBG) künftig mit Polen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde im Mai abgeschlossen und tritt 2020 in Kraft. Die Schweiz wird weiterhin die Stimmrechtsgruppe im Entwicklungsausschuss auf Ministerebene vertreten. 2016 fanden die Verhandlungen der 18. Wiederauffüllung der internationalen Entwicklungsorganisation der WBG (IDA18) statt. Die für die Schweiz wichtigen Prioritäten Klimawandel, Geschlechtergleichstellung, Fragilität, und Schaffung von Arbeitsplätzen wurden als spezielle Themen weiter bestätigt und durch ein fünftes Thema «Gouvernanz und Aufbau von Institutionen» komplettiert. Das Finanzierungsmodell für IDA18 stellt einen Paradigmenwechsel dar. IDA wird zum ersten Mal einen direkten Zugang zu den Kapitalmärkten haben und kann damit seine Kreditvergabekapazität beträchtlich erhöhen. In Anerkennung des globalen Finanzbedarfs für die Erreichung der Agenda 2030 hat die Schweiz dieses Vorhaben unterstützt. Die Schweiz hat ausserdem den Reformprozess der im August verabschiedeten neuen Umwelt- und Sozialstandards für Investitionsprojekte der WBG von Anfang an unterstützt und wird die bevorstehende Umsetzung eng verfolgen.

Im Januar hat in Peking die Gründungsversammlung der Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank (AIIB) stattgefunden. Dabei wurde eine grosse Zahl von Grundlagendokumenten verabschiedet, so auch die Umwelt- und Sozialstandards. Die Schweiz setzt sich in den Diskussionen zur Energiestrategie dafür ein, dass sich die Bank auf die Förderung erneuerbarer Energien fokussiert und keine Kohle- und Atomkraftwerke finanziert. Zusammen mit dem Vereinigten Königreich, Polen, Schweden, Norwegen, Dänemark und Island hat sich die Schweiz zu einer Stimmrechtsgruppe «Wider Europe» zusammengeschlossen. Gegenwärtig stellt das Vereinigte Königreich die Direktorin. Die Schweiz stellt in der ersten Amtsperiode zwischen Juni 2016 und Juni 2018 eine stellvertretende Direktorin. Die Schweiz leistete 2016 auch einen Beitrag zur finanziellen Stabilität und verstärkten
Wirkung der regionalen Entwicklungsbanken. Sie unterstützt weiterhin den Afrikanischen Entwicklungsfonds der Afrikanischen Entwicklungsbank und engagierte sich im Rahmen des Wasserversorgungsprogramms im ländlichen Raum. Im Rahmen der Verhandlungen der Wiederauffüllung des Fonds der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) setzte sich die Schweiz für die Themen Privatsektorentwicklung und Prävention von Naturgefahren ein. Überdies beteiligte sie sich an der Privatsektorreform der Interamerikanischen Investitionsgesellschaft mit einer Kapitalerhöhung.

3.4.6

Ostzusammenarbeit

Transitionsunterstützung: Die Schweiz unterstützt im Westbalkan und in acht Ländern der ehemaligen Sowjetunion die Transition zu demokratischen und marktwirtschaftlichen Systemen. Der Rahmenkredit wird von der DEZA und dem SECO gemeinsam umgesetzt. Die Länder des Westbalkans leiden nach wie vor unter 1395

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Demokratiedefiziten und geringer wirtschaftlicher Entwicklung. Hinzu kommt, dass eine baldige Integration der Balkanländer in die EU ungewiss ist. Dennoch ist die EU weiterhin der Motor der derzeitigen wie künftigen Reformen. Die Schweiz unterstützt in diesen Ländern Reformen in den Bereichen Demokratisierung, Dezentralisierung und gute lokale Regierungsführung. In Serbien zum Beispiel können mittlerweile neun Gemeinden im Osten des Landes grössere kommunale Projekte finanzieren, da sie ihre Einnahmen dank der Einführung einer Vermögenssteuer verdoppeln konnten.

Die Schweiz setzt ihre Unterstützung für die in diesen Ländern begonnenen Reformen im Gesundheitswesen, der Wasserwirtschaft, dem Umweltschutz und der Berufsbildung fort. Ein wichtiges Element dieses Ansatzes ist die Unterstützung von Bemühungen der Länder, Arbeitsplätze zu schaffen, die ein ausreichendes Einkommen ermöglichen, und zwar vor allem für junge Menschen, denen Lebensperspektiven im eigenen Land geboten werden sollen. Die Umsetzung der gemeinsamen Erklärung der EU und der Türkei vom März 2016, die der irregulären Migration ein Ende setzen sollte, trug zu einem starken Rückgang der Wanderung auf der Balkanroute bei. Die Schweiz, die während der Krise sehr aktiv gewesen war, setzte ihre einschlägigen Aktivitäten im Rahmen der Migrationsdialoge mit Serbien, Bosnien und Herzegowina sowie dem Kosovo fort; diese Dialoge werden durch Projekte unterstützt, die das SEM finanziert und die eine bessere Steuerung der Migration erlauben sollen.

Der Ukraine-Konflikt und die Rezession in Russland haben negative Auswirkungen auf die Wirtschaft in den von der Schweiz unterstützten Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Diese wiesen davor schon demokratische Defizite auf und verzeichneten geringes Wirtschaftswachstum auf tiefem Niveau. Dennoch konnten sowohl im wirtschaftlichen als auch im Gouvernanz-Bereich wichtige Resultate erzielt werden.

Im Südkaukasus konnte in den drei Ländern, also Armenien, Georgien und Aserbaidschan die Qualität und der Zugang zu Finanzdienstleistungen, landwirtschaftliche Beratung sowie das Veterinärwesen wesentlich verbessert werden, was zu höherer Produktivität geführt hat. In Georgien liefern unterstützte Betriebe nun schon 53 Prozent oder über 1400 Tonnen des lokal abgepackten Käses in Supermärkte. Zudem sind die
Anzahl Arbeitsplätze und das Produzenteneinkommen gestiegen. In Armenien hat die gesteigerte Produktivität dazu geführt, dass sich in der Projektregion die Abwanderung im Vergleich zu anderen Regionen reduzierte.

Durch die Unterstützung des Gemeindefusionsprozesses können zudem bereits 38 000 Bürgerinnen und Bürger dank eines «One-Stop-Shops» für zivilrechtliche Belange von kosteneffektiveren und qualitativ besseren öffentlichen Dienstleistungen profitieren. In Tadschikistan wurden ebenfalls Verbesserungen hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit erzielt. So bekommen arme Bevölkerungsgruppen kostenlos Rechtsberatung, kennen ihre Rechte, und haben daher verbesserten Zugang zu Schutzmassnahmen.

Erweiterungsbeitrag: Mit dem Erweiterungsbeitrag trägt die Schweiz seit 2007 zur Verringerung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in der erweiterten EU bei. Gleichzeitig verstärkt sie ihre bilateralen Beziehungen zu den neuen EUMitgliedsstaaten. Von den seit 2012 definitiv bewilligten 210 Projekten für die Beitrittsländer von 2004 (EU-10), mit einem Verpflichtungsvolumen von einer 1396

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Milliarde Franken der DEZA und des SECO, konnten inzwischen insgesamt rund achtzig Projekte operationell abgeschlossen werden. Der bisherige Auszahlungsstand beläuft sich auf über 65 Prozent. Es kann davon ausgegangen werden, dass alle Projekte ihre Ziele fristgerecht erreichen werden. Positive direkte Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen mit den Partnerstaaten zeigen sich einerseits in verbesserten Kontakten auf politischer Ebene und in Partnerschaften, unter anderem mit Behörden, Universitäten oder NGO. Andererseits unterstützt die Schweiz die neuen EU-Mitgliedstaaten auch in ihrer Integration in den EU-Binnenmarkt, welche dank der dadurch steigenden Kaufkraft in den Partnerländern auch interessante Zukunftsmärkte für die Schweizer Exportindustrie eröffnet. Zudem ergaben sich aus den Beiträgen direkte Rückflüsse in die Schweiz ­ durch Mandate an Schweizer Unternehmen, Konsulentinnen und Konsulenten, Organisationen, Universitäten und Verbände ­ von rund 110 Millionen Franken. Eine im Januar abgeschlossene externe Evaluation des Erweiterungsbeitrages gibt dem Gesamtprogramm gute Noten. Es wird als finanziell und thematisch kohärent beurteilt und ergänzt andere Beitragsprogramme (der EU, EWR-/EFTA-Staaten und Norwegens) bei der Reduktion sozio-ökonomischer Disparitäten. Die Relevanz der untersuchten Projekte wird weitgehend als gut bis sehr gut eingestuft. Litauen ist dafür gutes Beispiel: In den 1990er Jahren hatte die Schweiz begonnen, die medizinische Ausrüstung in litauischen Geburtenabteilungen zu finanzieren. Diese Zusammenarbeit wurde im Rahmen des laufenden Erweiterungsbeitrags erfolgreich fortgesetzt. Insgesamt werden 27 Spitäler von einer Finanzierung von rund 46 Millionen Franken für Massnahmen der energetischen Sanierung (Isolation, Heiz- und Wasserversorgungssysteme) sowie der Ausrüstung mit modernen medizinischen Geräten in den Geburtenabteilungen profitieren. Weiterbildungsmassnahmen beim Personal dienen der besseren Patientenbetreuung sowie der Handhabung der Geräte. Gleichzeitig werden die Spitäler beim Aufbau einer umfassenden Patientendatenbank unterstützt. Dies hat zur messbaren Reduktion der Kinder- und Müttersterblichkeit beigetragen.

3.4.7

Institutionelle Partnerschaften

Um die Ziele der internationalen Zusammenarbeit sowie die Ziele für nachhaltige Entwicklung umzusetzen, sind Lösungsansätze nötig, die von staatlichen, zivilgesellschaftlichen sowie privatwirtschaftlichen Akteuren getragen werden. Schweizer NGO, private Firmen und andere Kompetenzzentren leisten mit ihrer Expertise, ihren Programmen und Geschäftstätigkeiten vielseitige Beiträge an die internationale Zusammenarbeit der Schweiz. Im Rahmen von institutionellen Partnerschaften nutzt die DEZA Kompetenzen, Wissen, und Handlungsspielräume von diesen Akteuren für nachhaltige Entwicklung. Partnerschaften mit Schweizer NGO bilden auch in der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020 ein strategisch wichtiges Standbein. Schweizer NGO sind aufgrund ihrer Kontextkenntnisse, ihrer fachlichen und methodischen Kompetenzen sowie ihrer Erfahrung und Leistungsausweise wichtige Partner. Die DEZA unterstützt Programme der NGO in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Humanitäre Hilfe und Ostzusammenarbeit, die diese in eigener Verantwortung durchführen und die komplementär zu den Aktivitäten der DEZA sind, sodass sich inhaltliche Synergien ergeben. Die Anforde1397

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rungen an die NGO-Programme sind sehr hoch, wobei der Wirkungs- und Resultatorientierung grosse Bedeutung beigemessen wird. Im Jahr 2016 wurden intensive Programmgespräche zur Verhandlung der Programmbeiträge für 2017 und 2018 geführt.

In ihrer Arbeit orientieren sich auch die Schweizer NGO zunehmend an der Agenda 2030 und richten ihre programmatische Ausrichtung vermehrt danach aus, indem sie bereits bestehende und bewährte Ansätze in diesen grösseren strategischen Rahmen stellen und programmatische Akzentverschiebungen vornehmen. Schweizer NGO sind zudem wichtige Partner zur Durchführung von Projekten der DEZA, die im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungen vergeben werden. Wesentlicher Teil der Zusammenarbeit ist dabei ein kontinuierlicher Programmdialog sowie der thematischen und fachliche Wissensaustausch. Institutionelle Partnerschaften nutzen Kompetenzen der NGO nicht nur, sondern sie stärken diese gleichzeitig. Die Partnerschaft mit dem Schweizerischen Roten Kreuz beispielsweise unterstützt dessen Kapazitäten zur Förderung von Basisgesundheitssystemen, der Bewältigung von Katastrophenrisiken, der Nothilfe in Krisensituationen und der Vertiefung der Zusammenarbeit mit der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Die Partnerschaften erlauben es aber auch spezifische und einmalige Leistungsprofile der NGO zu stärken, wie zum Beispiel jenes der «Fondation Hirondelle» im Bereich der Bereitstellung qualitativer und unparteiischer Medien in Konfliktsituationen.

3.4.8

Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung

Nachhaltige Entwicklung kann nur erreicht werden, wenn verschiedene Politikbereiche unter Berücksichtigung gewisser Grundsätze aufeinander abgestimmt sind. Die ordentliche Geschäftsvorbereitung zwischen den Departementen und die Entscheidungsfindung im Bundesrat sorgen dafür, dass sektorielle Politiken unterschiedliche Interessen berücksichtigen, möglichst kohärent ausfallen und die aussenpolitischen Ziele nicht unterlaufen werden. Mit der Agenda 2030 liegt hierfür erstmals ein politisch vereinbarter und weltweit gültiger Orientierungsrahmen vor, den auch die Schweiz mitträgt.

In verschiedenen Entscheiden zur Umsetzung der Agenda 2030 durch die Schweiz präzisierte der Bundesrat sein Verständnis von Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung (PCSD)42. Demnach umfasst PCSD eine vertiefte Auseinandersetzung und besondere Anstrengungen zu einer kohärenten Ausgestaltung von Schnittstellen zwischen ausgewählten, strategisch wichtigen Politikbereichen. In diesem Sinne ist PCSD ein strategischer Grundsatz für die Umsetzung der Agenda 2030 im Rahmen der internationalen Beziehungen ebenso wie zwischen den einzelnen Sektoralpolitiken innerhalb der Schweiz. Die Kohärenzproblematik ist jedoch je nach Politikbereich und Umsetzungsmassnahme unterschiedlich ausgeprägt. Diese Frage wird nun ­ namentlich für die Umsetzung der Agenda 2030 in der Innenpolitik ­ während einer hierfür vom Bundesrat festgelegten Übergangsphase 2016/2017 vertieft reflek42

Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019 vom 27. Jan. 2016, Botschaft vom 17. Febr. 2016 zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 sowie diverse Antworten auf parlamentarische Vorstösse.

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tiert. In der Botschaft über die Internationale Zusammenarbeit 2017­2020 hat der Bundesrat bereits umrissen, welche Akzente er in seiner Kohärenzpolitik für nachhaltige Entwicklung auf internationaler Ebene, das heisst gegenüber Entwicklungs-, Transitions- und Schwellenländern, setzt. Besondere Aufmerksamkeit lässt er künftig Themenbereichen zukommen, in denen die Schweiz und der Wirtschaftsstandort Schweiz global eine besonders bedeutsame Rolle spielen und damit eine besondere Verantwortung haben. Dazu zählen Finanzdienstleistungen, Landwirtschaft und Ernährung, Chemie und pharmazeutische Produkte sowie der Rohstoffhandel. Folglich werden der Bundesrat und die zuständigen Bundesämter bei ihren Bemühungen für mehr PCSD auf internationaler Ebene namentlich in folgenden Politikfeldern Schwerpunkte setzen: 1. internationale Finanzflüsse und Steuerfragen, 2. Umwelt, 3. Handel, Investitionen und Unternehmensverantwortung, 4. Migration sowie 5. Gesundheitsfragen.

Mit Blick auf die Aussenbeziehungen der Schweiz hat der Bundesrat auch 2016 wichtige Weichenstellungen zur weiteren Förderung der PCSD vorgenommen. Ein Schwerpunkt war die Ausarbeitung eines Berichts zu unlauteren und unrechtmässigen Finanzflüssen aus Entwicklungsländern, der von parlamentarischen Postulaten43 gefordert wurde. In diesem Bericht werden die Zusammenhänge zwischen internationalen Finanzflüssen und dem Wohlstandsgefälle zwischen Ländern verschiedener Entwicklungsstufen dargelegt sowie der Beitrag der Schweiz zu einem nachhaltigen globalen Regelsystem erörtert44. Zudem hat der Bundesrat im Rahmen einer Reform des Aktienrechts Vorschläge für mehr Zahlungstransparenz von Rohstoffunternehmen vorgelegt, um dadurch auch zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaftsentwicklung beizutragen.45 Mit diesen und anderen Anstrengungen zur weiteren Förderung der Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung auf internationaler Ebene entspricht der Bundesrat einer Empfehlung der Peer Review des DAC aus dem Jahre 2013, welcher der Schweiz auch den Aufbau eines systematischen Monitorings und eine Analyse der nationalen und internationalen Politikbereiche mit Auswirkungen auf Entwicklungsländer empfahl. Die für die Umsetzung der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit verantwortlichen Ämter sind bestrebt, mittels geeigneter Instrumente ihre operationellen
Aktivitäten auf bilateraler und multilateraler Ebene aus einer PCSD-Optik verstärkt zu beobachten, entsprechend zu steuern und Bericht zu erstatten. Mit den Beschlüssen und Umsetzungsarbeiten 2016 reiht sich die Schweiz international in die Gruppe der in diesem Bereich aktivsten Länder ein. Dies widerspiegelt sich auch darin, dass die Schweiz zusammen mit Finnland die Führungsrolle in einer Arbeitsgemeinschaft von PCSD-Praktikern (Community of Practice) innehat, welche im 2015 als Ergänzung zum entsprechenden OECD-Gremium gegründet worden ist.

43 44 45

Postulate 13.3533 / 13.3848 / 15.3920 Bericht des Bundesrates vom 12. Oktober 2016 über unlautere und unrechtmässige Finanzflüsse aus Entwicklungsländern.

Botschaft vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht).

1399

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3.4.9

Monitoring und Lernfähigkeit

Aufgabe einer wirksamen internationalen Zusammenarbeit, wie sie sich die Schweiz zum Ziel gesetzt hat, ist es auch sicherzustellen, dass ihre Projekte und Programme zu den gewünschten Ergebnissen führen. Um darzulegen, inwiefern sich durch die internationale Zusammenarbeit der Schweiz die Lebenssituation der Zielgruppen verbessert hat, ist die Wirkungsmessung integraler Bestandteil der Schweizer internationalen Zusammenarbeit und ihrer Partner. Ziel ist es dabei immer, sowohl die kurz- wie auch die langfristigen Wirkungen der erbrachten Leistungen auszuweisen, einen selbstkritischen Blick auf die eigenen Aktivitäten und Schwierigkeiten in der Umsetzung zu werfen und dabei das institutionelle Lernen zu fördern.

Der Begriff «Wirkung» wird für die konkreten Veränderungen aufgrund einzelner Projekte verwendet. Zusammenfassend ergeben diese konkreten Veränderungen Aufschluss über die Wirksamkeit des Engagements. Der Nachweis der Wirksamkeit ist nicht ein Ziel an sich, sondern ein Mittel, um die Arbeit der Schweiz und ihrer Partner kontinuierlich zu verbessern und aus neuen Erkenntnissen zu lernen. Sich mit Projekterfolgen aber auch Fehlschlägen kritisch auseinanderzusetzen, setzt eine lernfähige Kultur und das Streben nach einer ständigen Verbesserung der Interventionen voraus. Grundsätzlich gilt es zwischen zwei Arten von Instrumenten zu unterscheiden: Monitoring und Evaluation. Mit dem Monitoring werden zu den festgelegten Indikatoren laufend Daten über die Zielerreichung gesammelt. So überprüft die Schweiz, ob ein angedachtes und implementiertes Projekt auf dem Weg zum Ziel ist und kann damit rechtzeitig Anpassungen vornehmen, falls sich das Projekt nicht so entwickelt, wie ursprünglich geplant wurde. Eine Evaluation ist eine externe Sichtweise auf ein oder mehrere Projekte oder sogar ganze Strategien. Sie beurteilt die Resultate und zeigt auf, wie wirksam das Projekt oder ein ganzes Portfolio ist. Zudem beurteilt sie die Relevanz, Effizienz und die Nachhaltigkeit. Dazu nutzt die Evaluation die Daten des Monitorings. Eine 2016 herausgegebene Evaluation zum Engagement der DEZA im Bereich Grundbildung hat beispielsweise gezeigt, dass die Aktivitäten der Schweiz dank ihrer Expertise und ihrer guten Vernetzung eine hohe Wirksamkeit aufweisen. So stieg in Burkina Faso die Anzahl zweisprachiger Klassen
in der Zeit von 2001­2013 von 78 auf 677. Gleichzeitig hat die Evaluation aber auch dargelegt, dass Grundbildungsprojekte auf nationaler Ebene noch flächendeckender umgesetzt werden könnten. Die DEZA führt jedes Jahr rund 120 Projektevaluationen durch, was etwa zehn Prozent ihres gesamten Projektportfolios entspricht. Sie werden von den Projektverantwortlichen der DEZA selber ausgeführt oder extern in Auftrag gegeben.

Zudem führt die DEZA jedes Jahr ungefähr fünf grosse unabhängige Evaluationen durch, die immer ein ganzes Portfolio an Projekten, meistens in einem der thematischen Schwerpunkte der Botschaft umfassen. Die Qualität ihrer Evaluationen hat für die DEZA oberste Priorität. Alle Evaluationen der DEZA werden nach den internationalen Evaluationskriterien des OECD-Entwicklungsausschusses (DAC) durchgeführt und berücksichtigen die Standards der Schweizerischen Evaluationsgesellschaft. 2016 hat die Schweiz überdies einen umfangreichen Rechenschaftsbericht zu der Erreichung der Resultate der Botschaft 2013­2016 herausgegeben. Dieser hat hervorgehoben, dass beispielsweise dank der Unterstützung der DEZA mehr als 1,5 Millionen Menschen direkten, nachhaltigen Zugang zu Trinkwasser und sanitären 1400

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Anlagen erhalten haben. Um die Lernfähigkeit zu erhöhen, werden zudem jährlich zwei bis drei Länderstrategien durch externe «Peers» evaluiert. Die Arbeit der Schweiz wird ausserdem regelmässig vom DAC überprüft und die Ergebnisse werden in der DAC-Peer Review publiziert. Diese Berichte dienen auch dem institutionellen Lernen der internationalen Zusammenarbeit im Vergleich zu anderen Ländern.

3.5

Sektorielle Aussenpolitiken

Die thematischen Aspekte der sektoriellen Aussenpolitiken gehören mehrheitlich zum zweiten Teil der vierten strategischen Priorität ­ Nachhaltige Entwicklung und Wohlstand ­ der Aussenpolitischen Strategie 2016­2019. Mit ihrem Engagement in diesen vielfältigen Bereichen trägt die Schweiz zu wohlstandsfördernden internationalen Rahmenbedingungen bei.

3.5.1

Internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik

Finanzdialoge: Die Schweiz führt mit vielen G20-Ländern sowie anderen wichtigen Partnerstaaten Finanz- oder Regulierungsdialoge. Damit können regelmässige Kontakte mit den in Finanzfragen involvierten Behörden unterhalten und die jeweiligen Positionen in den relevanten internationalen Organisationen abgestimmt werden. Im Rahmen dieser Dialoge werden auch bilaterale Themen behandelt. 2016 wurden mit China, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Indien, Iran, Polen, Russland, Singapur und den USA Dialoge durchgeführt Bilaterale Steuerbeziehungen: Am 13. Juli 2016 ist das Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen der Schweiz und Italien in Kraft getreten, sodass zwischen diesen beiden Ländern neu der internationale Standard zum Informationsaustausch auf Anfrage gilt. Das im November 2015 unterzeichnete Steuerinformationsabkommen (SIA) mit Brasilien wurde vom schweizerischen Parlament im Dezember gutgeheissen. Der Genehmigungsprozess in Brasilien ist derzeit aber noch in Gang. Insgesamt hat die Schweiz 54 DBA (davon 50 in Kraft) mit einer standardkonformen Amtshilfeklausel sowie zehn SIA abgeschlossen, wovon neun in Kraft sind.

Sicherung der Steuerkonformität: Das Parlament hat im Verlaufe des Jahres die Einführung des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten (AIA) mit einer ersten Gruppe von Staaten und Hoheitsgebieten genehmigt. Dazu zählen Australien, Island, Norwegen, Guernsey, Jersey, die Insel Man, Japan, Kanada und die Republik Korea. Der AIA mit dieser Gruppe tritt per 1. Januar 2017 in Kraft, wobei der erste Datenaustausch 2018 stattfinden wird. Gegen den im Juni 2016 genehmigten AIA-Staatsvertrag mit der EU (28 Mitgliedstaaten und Gibraltar) wurde kein Referendum ergriffen, sodass dieser ebenfalls per 1. Januar 2017 in Kraft tritt. Die Schweiz beabsichtigt, den AIA mit weiteren Staaten und Territorien zu vereinbaren. Im Hinblick auf eine Einführung des AIA ab 2018 (erster Datenaustausch im Jahr 2019) unterzeichnete die Schweiz im November und Dezember 1401

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gemeinsame Erklärungen mit Argentinien, Uruguay, Brasilien, Mexiko, Indien, Südafrika, San Marino, Israel, Neuseeland und Chile. Am 1. Dezember wurde die Vernehmlassung zur Einführung des AIA mit diesen sowie weiteren Staaten (Andorra, Barbados, die Bermuda-Inseln, die Britischen Jungferninseln, die Cayman Inseln, die Färöer Inseln, Grönland, Mauritius, Monaco, die Seychellen, sowie die Turks und Caicos Inseln) eröffnet. Das Parlament wird im 2017 über dieses Geschäft befinden.

Global Forum: Das Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Global Forum) hat der Schweiz in der zweiten Phase der Länderüberprüfung zur Umsetzung des internationalen Standards betreffend Informationsaustausch auf Anfrage die Gesamtnote «weitgehend konform» erteilt. Zu dieser positiven Bewertung haben insbesondere die Einführung einer Ausnahme im Notifikationsverfahren für Steuerpflichtige im Steueramtshilfegesetz, der Ausbau des Netzes an standardkonformen Abkommen sowie die Aufstockung der personellen Ressourcen für einen effizienten Informationsaustausch beigetragen.

OECD-Steuerfragen: Im Rahmen des «Base Erosion and Profit Shifting»-Projekts der G20-Staaten und der OECD zur Unternehmensbesteuerung (BEPS) hat die Schweiz am 27. Januar die multilaterale Vereinbarung über den Austausch der länderbezogenen Berichterstattung unterzeichnet. Der Bundesrat hat die entsprechende Botschaft am 23. November zuhanden des Parlaments verabschiedet. Das Abkommen regelt namentlich, welche Informationen die Staaten über die Tätigkeiten multinationaler Unternehmen auf ihrem Gebiet untereinander austauschen. Die Schweiz wird zu einem späteren Zeitpunkt bestimmen, mit welchen Partnerländern sie den Austausch des länderbezogenen Berichts vornehmen will. Ebenfalls im Zusammenhang mit BEPS hat das Parlament im Juni das Unternehmenssteuerreformgesetz III (USR III) verabschiedet. Ziel der Reform ist, die Unternehmensbesteuerung in der Schweiz an die internationalen Standards anzupassen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandortes Schweiz zu stärken.

Nachdem gegen die USR III das Referendum ergriffen wurde, wird das Volk über die Reform befinden.

«Groupe d'action financière» (GAFI): Die Schweiz wurde im Berichtsjahr von der GAFI evaluiert. Es wurde geprüft, ob die 40 GAFI-Empfehlungen
gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung ins nationale Recht übernommen und erstmals auch, ob die Vorgaben auf effektive Weise umgesetzt wurden. Der von der GAFI Plenarversammlung verabschiedete Länderbericht zur Schweiz wurde im Dezember publiziert. Die Schweiz steht im internationalen Vergleich ­ insbesondere was die effektive Umsetzung betrifft ­ gut da. Mit dem erzielten Resultat befindet sie sich über dem Durchschnitt der bisher von der GAFI evaluierten Staaten.

Sanktionen: Aussenpolitische Interessen spielen bei der autonomen Abwägung zur Übernahme beziehungsweise Teil- oder Nichtübernahme von EU-Sanktionen eine gewichtige Rolle. Im Fall des Iran erfolgte im Januar die Implementierung des umfassenden Nuklearabkommens. Der Bundesrat hat deshalb die Schweizer Sanktionen im Einklang mit denjenigen der UNO und der EU aufgehoben. Im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine hat der Bundesrat im Berichtsjahr seine bisherige Politik weiterverfolgt und alle notwendigen Massnahmen ergriffen, damit die

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internationalen Sanktionen gegen Russland nicht über das schweizerische Staatsgebiet umgangen werden können.

G20: Die Priorität der chinesischen Präsidentschaft 2016 lag ­ die bisherige G20Agenda fortführend ­ in der Stärkung des Weltwirtschaftswachstums über die Förderung von Innovation, Strukturreformen und internationaler Vernetzung, in der Förderung nachhaltiger Entwicklung sowie in der Beteiligung breiterer Bevölkerungsschichten am Wirtschaftswachstum. Die Schweiz wurde von China zum zweiten Mal nach 2013 in das Finanzsegment der G20 eingeladen. Sie erhielt damit die Gelegenheit, sich an den Treffen der Finanzminister und der Zentralbankgouverneure sowie an den vorbereitenden Treffen ihrer Stellvertreter einzubringen und in den Arbeitsgruppen des Finanzsegments mitzuwirken. Der Einbezug der Schweiz unterstreicht die wichtige Rolle, welche ihr auf internationaler Ebene im Finanzbereich zugemessen wird. Deutschland hat am 1. Dezember den Vorsitz der G20 übernommen und die Schweiz zur erneuten Teilnahme im Finanzsegment eingeladen.

Korruptionsbekämpfung: Auf der multilateralen Ebene wurde die Schweiz 2016 von der chinesischen G20-Präsidentschaft eingeladen, zusätzlich zum G20-Finanzsegment auch in der «G20 Anti-Corruption Working Group» mitzuwirken. Sie war insbesondere aufgerufen, ihre ausgewiesene Expertise im Bereich «Asset Recovery», welcher von China zur diesjährigen Priorität ausgerufen wurde, einzubringen.

Das neue Schweizer Potentatengeldergesetz wurde dabei als vorbildlich anerkannt.

Bundesrat Burkhalter hob die Anstrengungen der Schweiz zur Rückerstattung von ausländischen Korruptionsgeldern auch am im Mai durchgeführten «UK AntiCorruption Summit» hervor. Hauptthema des Gipfels war ­ im Zuge der Veröffentlichung der Panama Papers ­ die Erhöhung der Transparenz: Namentlich in Bezug auf die wirtschaftlich Berechtigten von juristischen Personen und anderen Rechtskonstrukten (inklusive Trusts), aber auch im Rohstoffsektor, im öffentlichen Beschaffungswesen oder im Sport. Im Rahmen der OECD Anti-Bestechungskonvention wurde an einer Ministerkonferenz im März die Phase 4 der Länderexamen eingeläutet und das Bekenntnis der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Korruption im internationalen Geschäftsverkehr erneuert. Auf der bilateralen Ebene hat die Schweiz mit China und Brasilien
Anti-Korruptionsdialoge aufgenommen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Austausch zu Fragen der Korruptionsprävention.

Small Advanced Economies Initiative: Die Schweiz ist seit 2015 Mitglied der «Small Advanced Economies Initiative». Es handelt sich dabei um eine Zusammenarbeit mit sechs weiteren Ländern (Neuseeland, Singapur, Israel, Irland, Finnland und Dänemark), die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) als hoch entwickelte Volkswirtschaften eingestuft werden und eine Bevölkerung von zwischen 5 und 10 Millionen haben. Diese von Neuseeland angestossene informelle Plattform ermöglicht es Ländern mit ähnlich gelagerten Herausforderungen und Chancen im heutigen globalen Wirtschaftssystem, sich auf hohem Niveau auszutauschen und Themen wie Wissenschaft und Innovation sowie Wirtschafts- Aussen- und Handelspolitik aus Sicht kleiner Länder anzugehen. Die Schweiz nahm am hochrangigen Jahrestreffen (Principals' Meeting) vom September in Dublin teil.

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3.5.2

Umwelt

Internationale Umweltgouvernanz: Die Förderung und Nutzung der Synergien zwischen den verschiedenen internationalen Umweltabkommen bleibt ein wichtiges Anliegen der Schweiz. Anlässlich der zweiten «United Nations Environment Assembly» (UNEA 2) hat sich die Schweiz erneut entsprechend engagiert. Es wurde unter anderem entschieden, dass das UNO-Umweltprogramm (UNEP) bei der Erreichung der für die Umwelt relevanten UNO-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung eine tragende Rolle spielen soll. Die Schwerpunkte der achten UNECEMinisterkonferenz «Umwelt für Europa» waren die Bekämpfung der Luftverschmutzung und die Förderung einer Grünen Wirtschaft. Das aktive Engagement, inklusive einer Videoschaltung zu Bertrand Piccard (Solar Impulse II), gereichte der Schweiz zu einer starken Präsenz.

Klima: Mit der Verabschiedung des Pariser Abkommens an der Klimakonferenz (COP21) war 2015 ein Schlüsseljahr für die internationale Klimapolitik. Demgegenüber haben sich die Intensität und Visibilität der internationalen Verhandlungen 2016 wieder normalisiert. Einerseits wandte sich der Fokus der Umsetzung des Pariser Abkommens nach 2020 zu, anderseits arbeiteten die Staaten auf die rasche Ratifikation des Abkommens hin. Das von Frankreich und Marokko, dem Gastgeber der COP22, gesetzte Ziel, bereits 2016 die erforderliche Anzahl von Ratifikationen für ein Inkrafttreten des Pariser Abkommens zu erreichen, konnte realisiert werden.

Entsprechend trat das Pariser Abkommen Anfang November in Kraft. Damit setzte die Weltgemeinschaft ein starkes Zeichen für ihre Bereitschaft, den Klimawandel aktiv zu bekämpfen. Auch die Schweiz begann die Vorbereitungen für den Ratifikationsprozess. Der Bundesrat wird den Räten die entsprechende Botschaft 2017 vorlegen. Der Höhepunkt in der internationalen Klimapolitik fand derweil anderswo statt: Die Mitgliedstaaten des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, beschlossen an ihrer Tagung vom Oktober in Ruanda, die stark klimaschädigenden Fluorkohlenwasserstoffe bis 2035 um 85 Prozent gegenüber dem heutigen Stand zu reduzieren. Neben den Klimaverhandlungen engagierte sich die Schweiz auch 2016 aktiv in einem breiten Bereich von klimarelevanten Themen wie Wald, Landwirtschaft, Energie, Technologietransfer und Forschung, Menschenrechten, Geschlechtergleichheit,
Gesundheit sowie insbesondere auch in der neuen «Platform on Disaster Displacement», dem Nachfolger der Nansen Initiative (vgl. Ziff. 3.3.5).

Chemikalien und Abfälle: Die Zahl der Ratifikationen der neuen MinamataKonvention zum sicheren Umgang mit Quecksilber hat 2016 weiter zugenommen.

Die Schweiz hat das Abkommen am 25. Mai ratifiziert. Das Inkrafttreten der Konvention, wozu 50 Ratifikationen notwendig sind, kann 2017 erwartet werden. Im Hinblick auf die anschliessend stattfindende erste Konferenz der Vertragsparteien der Minamata-Konvention hat die Schweiz ihre Kandidatur fortgesetzt, den Sitz des Sekretariats in das bestehende gemeinsame Sekretariat der drei Konvention über Chemikalien und Abfälle in Genf einzugliedern.

Schutz und nachhaltige Nutzung der Biodiversität: Die Synergien zwischen den verschiedenen Abkommen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität sollen ­ in Anlehnung an den Synergieprozess der drei Konventionen über 1404

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Chemikalien und Abfälle ­ verstärkt werden. Eine verbesserte und engere Zusammenarbeit der biodiversitätsrelevanten Übereinkommen ist eines der Hauptanliegen, welches die Schweiz an der dreizehnten Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP 13) vom Dezember in Mexiko vorgebracht hat.

Artenschutz: Die Bekämpfung des illegalen Handels mit Tieren und Pflanzen war das vorherrschende Thema an der siebzehnten Vertragsparteienkonferenz des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES COP 17) vom September/Oktober in Südafrika: Um der Wilderei, welche insbesondere in Afrika ein nicht tolerierbares Ausmass angenommen hat, zu begegnen, ist eine verbesserte internationale Koordination der Bekämpfung des illegalen Handels unabdingbar. Die Schweiz unterstützt internationale Initiativen gegen den illegalen Handel mit Wildtierprodukten, zum Beispiel im Rahmen von Interpol oder der 3. Internationalen Konferenz über illegalen Handel mit Tieren und Pflanzen in Vietnam im November.

Walfangkommission: Der Schweizer Vorsitz der Internationalen Walfangkommission (IWC) konnte mit der Tagung Ende Oktober in Slowenien erfolgreich zu Ende geführt werden. Nach wie vor ist der wissenschaftlich begründete Walfang Japans, der ­ zwar etwas redimensioniert ­ auch nach dem Urteil des internationalen Gerichtshofs weiter geführt wird, sehr umstritten.

IUCN Weltnaturschutzkongress: Der alle vier Jahre stattfindende Weltnaturschutzkongress der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) wurde im Oktober in Hawaii durchgeführt. Die neue «Rote Liste» bedrohter Arten wurde veröffentlicht. Der Schweiz war es auch im Rahmen dieses Kongresses wichtig, im Sinne einer Stärkung der Synergien eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Foren im Bereich der Biodiversität anzumahnen.

UNO-Konferenz über Wohnungswesen und nachhaltige Stadtentwicklung: Im Oktober fand die dritte UNO-Konferenz über Wohnungswesen und nachhaltige Stadtentwicklung statt, die sogenannte Habitat III Konferenz. Die Schweiz engagierte sich aktiv in den Verhandlungen zum Abschlussdokument ­ der «New Urban Agenda» ­ welches von der Konferenz verabschiedet wurde. Diese bekräftigt das Bekenntnis der Staatengemeinschaft zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung und
dient als Orientierungshilfe für Massnahmen zur Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen in städtischen Gebieten. Sie sieht weiter eine periodische und freiwillige Berichterstattung der Staaten zu deren Umsetzung vor. Bereits heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Die «New Urban Agenda» leistet somit auch einen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

Arktis: 2015 haben die Mitgliedstaaten des Arktischen Rats den Entscheid über die hängigen Beobachtergesuche, auch das der Schweiz, auf die nächste Ministertagung verschoben, die im Frühling 2017 unter US-Vorsitz stattfindet. Ursprünglich ein unpolitisches Kooperationsgremium zu nachhaltiger Entwicklung, Umweltschutz, aber auch Seenotrettung, hat es in jüngster Vergangenheit stark an politischer Bedeutung gewonnen. Neben den grossen europäischen Staaten sind unter anderem auch China, Japan und Südkorea Beobachter. Mit einer aktiven Präsenz an wichtigen 1405

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Treffen zur Arktis ­ der «Arctic Circle Assembly» vom Oktober in Reykjavik sowie dem «White House Arctic Science Ministerial» vom September in Washington ­ hat die Schweiz unterstrichen, dass sie zur nachhaltigen Entwicklung dieser Region beizutragen bereit ist.

Grüne Wirtschaft: Anlässlich der achten Ministerkonferenz «Umwelt für Europa» haben die Regierungen einen paneuropäischen strategischen Rahmen für eine umweltfreundlichere Wirtschaft und die Batumi-Initiative zur Grünen Wirtschaft (BIGE) verabschiedet. Letztere auf Anregung der Schweiz, welche aktiv am Zustimmungsprozess mitgewirkt hat. BIG-E beinhaltet eine Reihe von freiwilligen Engagements von Ländern und Organisationen, die an Aktionen zugunsten der Grünen Wirtschaft interessiert sind. Auf Initiative verschiedener Länder, darunter auch der Schweiz, hat das International Resource Panel (IRP) der UNEP begonnen, sich mit Gouvernanz-Fragen im Bereich der natürlichen Ressourcen einschliesslich der Rohstoffe auseinanderzusetzen.

3.5.3

Gesundheit, Verkehr und Energie

Gesundheit: In der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leistete die Schweiz auch im Berichtsjahr einen Beitrag zur Reform der Organisation. Sie beteiligte sich insbesondere an der Ausarbeitung eines Regelwerks über die Zusammenarbeit der WHO mit nichtstaatlichen Akteuren und engagierte sich für die Errichtung eines WHOProgramms zur Bewältigung von Notfallsituationen mit gesundheitlichen und humanitären Auswirkungen. Ausserdem trug sie zur Entwicklung von neuen Sektorstrategien zur Bekämpfung von HIV/AIDS, viraler Hepatitis und sexuell übertragbaren Krankheiten bei. Darüber hinaus nahm sie im Prozess für die Koordinierung und Finanzierung der Erforschung und Entwicklung von neuen Medikamenten gegen vernachlässigte Krankheiten, die insbesondere Entwicklungsländer betreffen, eine führende Rolle ein. Ausserdem setzte sie sich für die Erarbeitung einer Strategie zur Bekämpfung von Demenz ein. 2016 hatte die Schweiz den Vorsitz im Exekutivrat von UNAIDS inne und wirkte zudem als Fazilitatorin des hochrangigen Treffens der UNO-Generalversammlung zum Thema HIV/AIDS (vgl.

Ziff. 3.4.4). Darüber hinaus beteiligte sie sich am Globalen Fonds für die Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose. Die Schweiz war ausserdem an einem hochrangigen Treffen der UNO-Generalversammlung zum Thema antimikrobielle Resistenz vertreten. Im Rahmen der «United Nations General Assembly Special Session» (UNGASS) zu Drogen sowie in deren Vorbereitung engagierte sie sich für eine gesundheits- und menschenrechtsbasierte Drogenpolitik. Die Schweizer Viersäulenpolitik im Bereich Drogen stiess international auf Interesse.

Im Zentrum des Treffens des Gesundheitsquintetts (Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg, Schweiz) in Luxemburg, an welchem Bundesrat Berset teilnahm, standen Themen wie Suchtprävention, elektronische Gesundheitsdienste (eHealth) und Gesundheitskompetenz (Health Literacy). Das Gesundheitsrahmenabkommen mit Frankreich konnte 2016 unterzeichnet werden. Mit dem Abkommen soll der Abschluss von grenzüberschreitenden Kooperationsprojekten im Gesundheitsbereich erleichtert werden. Die Unterzeichnung des Abkommen Schweiz­EU 1406

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im Bereich der öffentlichen Gesundheit ist nach wie vor an den Abschluss eines Rahmenabkommens über institutionelle Fragen gebunden (vgl. Ziff. 3.1.1). Die technischen Gespräche zum Gesundheitsabkommen konnten dagegen bereits 2015 abgeschlossen werden.

Bahn-, Schiff- und Strassenverkehr: Im Rahmen des «Zürich Prozesses» und aus Anlass der Gottharderöffnung trafen sich die Verkehrsminister von Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und Slowenien im Mai in Lugano zu Gesprächen zur Verkehrssicherheit und Mobilität im Alpenraum. Die offizielle Eröffnung des Gotthard-Basistunnels fand am 1. Juni unter weltweit grosser medialer Aufmerksamkeit statt. Der mit 57 Kilometern längste Eisenbahntunnel der Welt ist ein Kernelement der neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Die kommerzielle Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels erfolgte am 11. Dezember.

Die Schweiz und Deutschland haben mit dem MoU vom 7. März den politischen Willen zur Elektrifizierung der Hochrheinstrecke (Bahnlinie Basel­Schaffhausen über deutsches Gebiet) bekräftigt. Es laufen Gespräche zur Sicherstellung der Finanzierung. Die Schweiz beteiligte sich finanziell an einer Vorstudie zum Bahnanschluss des Flughafens Basel­Mulhouse. Eine entsprechende Vereinbarung wurde im April unterzeichnet. Am 5. Dezember hat die Schweiz mit der Region Bourgogne-Franche-Comté eine Absichtserklärung zum Bahnangebot auf der Strecke BielBelfort signiert. Auf der Luino-Linie haben im Sommer die Bauarbeiten zur Profilanpassung auf 4 Meter begonnen. Die Schweiz beteiligt sich mit 120 Millionen Euro daran. Die Schweiz und Italien unterzeichneten im Mai eine Absichtserklärung zur touristischen Schifffahrt auf dem Lago Maggiore und dem Lago di Lugano. Das Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über die gegenseitige Anerkennung und den Umtausch von Führerausweisen trat im Juni in Kraft. Die Schweiz unterzeichnete mit der Ukraine sowie mit Moldawien im Mai ein Protokoll zur Liberalisierung des Strassengüterverkehrs. Letzteres trat im September in Kraft.

Luftverkehr: Die Ratifizierung des Staatsvertrags mit Deutschland über die Anflugverfahren auf den Flughafen Zürich ist in Deutschland weiterhin hängig. Die von der Schweiz 2014 beantragten Änderungen der Anflugverfahren für die Entflechtung des Ostanflugs im neuen Betriebsreglement
2014 werden derweil durch die deutschen Behörden geprüft. Mit Mexiko, Namibia, Indonesien und Kolumbien konnten neue Luftverkehrsabkommen unterzeichnet werden, mit Côte d'Ivoire wurde eines paraphiert. Am Sitz der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) in Montreal fand im Herbst die alle drei Jahre stattfindende Generalsversammlung mit den Ratswahlen statt. Für die ABIS-Rotationsgruppe, welcher die Schweiz angehört, übernimmt Irland den Ratssitz.

Energie: Im Energiebereich ist der Abschluss eines Stromabkommens mit der EU von den institutionellen Fragen und vor allem von einer Lösung beim Abkommen der Personenfreizügigkeit abhängig (vgl. Ziff. 3.1.1). Die steigenden Interdependenzen mit den Nachbarländern im Energiebereich erfordern eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen. Die Kontakte zu Österreich, Italien und Deutschland wurden daher im letzten Jahr besonders ausgebaut. So trafen sich im Juni die deutschen, österreichischen, luxemburgischen und schweizerischen Energiebeauftragten in der Schweiz zu Gesprächen. Bei diesem Treffen kamen insbesondere das Kernkraftwerk Beznau sowie die Suche nach einem geeigneten Standort für die Endlagerung radio1407

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aktiver Abfälle nahe der deutschen Grenze zur Sprache. Im Bereich EnergieInnovationen reisten Schweizer Delegationen ­ denen auch Energieunternehmen angehörten ­ im Februar an die «Cleantech Innovate» nach London und im August an die «Swiss­US Energy Innovation Days» nach San Francisco. Das Thema «Cleantech» stand auch während den Arbeitsreisen von Bundesrätin Leuthard nach China, Indonesien und Kanada im Vordergrund. Sie wurde jeweils von einer Wirtschaftsdelegation aus dem Energiebereich begleitet.

Die Schweiz setzte sich weiterhin für eine Stärkung der multilateralen Institutionen ein, darunter die Internationale Energieagentur (IEA), die internationalen Atomenergie-Organisationen (IAEO der UNO und NEA der OECD), die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) und den Weltenergierat (WEC). Die Schweiz nahm im Januar an der Woche der Nachhaltigkeit der IRENA in Abu Dhabi, im Oktober am Weltkongress des WEC in Istanbul und, ebenfalls im Oktober, am 7. Internationalen Forum für den Dialog über die Energie im Dienste einer nachhaltigen Entwicklung der UNO-Wirtschaftskommission für Europa in Baku teil.

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützte die Schweiz auch 2016 den Zugang zu modernen Energiedienstleistungen sowie die Verbesserung von Rahmenbedingungen zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Förderung erneuerbarer Energien. Die Entwicklungszusammenarbeit setzte zudem auch Akzente auf ein ergebnisorientiertes und rigoroses Energiemanagement in Städten, zum Beispiel im Bereich der Mobilität, der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung sowie der Abfallbewirtschaftung.

3.5.4

Bildung, Forschung und Innovation (BFI)

Bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit: Die bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit wird entsprechend der 2010 genehmigten internationalen Strategie im Bereich BFI weitergeführt. Mehrere Reisen von Schweizer Delegationen in verschiedene Länder (u. a. China, Iran, Libanon, Indonesien, Sudan, Kenia, Äthiopien) boten ebenso wie der Empfang ausländischer Delegationen in der Schweiz Gelegenheit, die bestehende Zusammenarbeit zu verstärken oder in bestimmten Fällen die Möglichkeiten einer allfälligen Vertiefung der künftigen Zusammenarbeit schlüssiger zu bewerten. In Europa waren vor allem die Beziehungen zu den Nachbarländern sowie zu einigen der neuen EU-Mitgliedstaaten (u. a. Slowakei, Polen, Bulgarien) Gegenstand eingehender hochrangiger Gespräche. Die Eidgenössische Stipendienkommission für ausländische Studierende vergab ihrerseits 201 Stipendien für das Studienjahr 2016­2017. Im Dezember 2015 publizierte das SBFI zudem eine Roadmap für die Weiterentwicklung des swissnex46-Netzwerks. Diese steht im Zeichen der Konsolidierung und Flexibilität, und setzt auf schlanke, innovative Ansätze für das swissnex-Modell. So wurde zusammen mit Präsenz Schweiz (PRS) das Pilotprojekt eines mobilen swissnex im Hinblick auf die Weltausstellung 2017 in Astana, Kasachstan, lanciert.

46

Mehr zu swissnex unter: www.swissnex.org.

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Multilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit: In Bezug auf das Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» sowie Euratom und ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) ist die Vollassoziierung der Schweiz für den Bundesrat nach wie vor von zentraler Bedeutung. Die seit September 2014 bestehende Teilassoziierung mit der EU galt bis Ende dieses Berichtsjahres. Dank der am 16. Dezember erfolgten Ratifizierung des Protokolls zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens (FZA) auf Kroatien ist die Schweiz ab 1. Januar 2017 am gesamten «Horizon 2020»-Paket vollassoziiert.

Seit 1954 ist die Schweiz Sitzstaat und Gründungsmitglied des CERN, der weltweit führenden, internationalen Forschungsorganisation für Teilchenphysik. Diese langjährige Erfahrung mit dem CERN brachte viele langfristige Vorteile solcher internationalen Strukturen für die wissenschaftliche Landschaft der Schweiz zum Vorschein. Heute ist die Schweiz an Dutzenden solcher Organisationen beteiligt, deren Bereiche sich von Astronomie über Kernfusion bis hin zur Biologie erstrecken. Ein Beispiel ist ITER, der unter EU-Führung steht und im Rahmen der Vereinbarungen über die Assoziierung der Schweiz an den Forschungsrahmenprogrammen der EU durchgeführt wird. Das im Rahmen einer weltumspannenden Zusammenarbeit erklärte Ziel von ITER ist der Nachweis der Nutzbarkeit der Kernfusion als Energiequelle. In diesem Zusammenhang wurde im Juni unter der Bürgschaft des ITERRates die überarbeitete Planung des Baus sowie der Inbetriebnahme von ITER im französischen Cadarache bekanntgegeben. Demnach soll die betriebliche Nutzung erst 2025, und nicht wie bisher angenommen 2020 in Angriff genommen werden.

Die entscheidenden Experimente sollen 2035 beendet sein.

Die europäische Initiative EUREKA unterstützt transnationale Kooperationsprojekte in der Forschung und Entwicklung, um den Erwartungen des Marktes gerecht zu werden. Sie setzt ihre Internationalisierung fort: auf Initiative des Schweizer Vorsitzes 2014/2015 wird die Assoziierung von Chile an EUREKA geprüft und soll an der Ministerkonferenz im Juni 2017 entschieden werden. Im europäischen Programm «Active and Assisted Living» (AAL), dessen Ziel die Verbesserung von Lebensqualität, Gesundheit und Selbstständigkeit von älteren Menschen ist, weisen die Schweizer Teilnehmer eine ausgezeichnete
Erfolgsquote von über 30 Prozent aus.

Im September 2016 fand in St. Gallen das internationale «AAL Forum 2016» statt, bei welchem sich Vertreter aus Politik, Industrie und Forschung über Erfahrungen und Ideen austauschen konnten sowie aktuelle Entwicklungen für altersgerechte Technologien vorgestellt wurden.

Bildungszusammenarbeit: Der Bundesrat strebt mittelfristig eine Beteiligung am Bildungs- und Jugendprogramm Erasmus+ an. Dieses Ziel hängt von einer Lösung für das FZA und seiner Ausweitung auf Kroatien (vgl. Ziff. 3.1.1) sowie der Kosten und der Finanzlage des Bundes ab. Entsprechend galten im Berichtsjahr erneut die 2015 vom Bundesrat beschlossenen und 2017 zu verlängernden Übergangsmassnahmen für Schweizer Teilnehmende.

Die Strategie der Schweiz im Bereich der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit (IBBZ) wird im Rahmen verschiedener Aktivitäten gemäss den jeweiligen thematischen und geografischen Schwerpunkten von verschiedenen Bundesstellen (SBFI, DEZA, SECO, Politische Direktion, SEM, EHB) umgesetzt. Für die Kohärenz der Aktivitäten der erwähnten Bundesstellen sorgt eine zentrale departements1409

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übergreifende Koordinationsstelle, die seit 2014 vom SBFI verwaltet wird. Die IBBZ verfolgt insbesondere die Stärkung und die Förderung der Schweizer Berufsbildung auf internationaler Ebene. Eine geeignete Plattform dafür ist der Internationale Berufsbildungskongress, dessen zweite Ausgabe im Juni in Winterthur stattgefunden hat. Der Erfolg dieser Veranstaltung hat einmal mehr gezeigt, wie gross das internationale Interesse am dualen Berufsbildungssystem der Schweiz ist. Derzeit wird die bilaterale Zusammenarbeit mit prioritären Ländern entweder bereits umgesetzt oder befindet sich in der Konkretisierungsphase, insbesondere mit den USA und mit Südafrika. Bei der Förderung des Berufsbildungssystems im Ausland kann die Schweiz insbesondere auf die Unterstützung und Zusammenarbeit mit den deutschsprachigen Nachbarländern zählen, die ein ähnliches System kennen und ebenfalls solche Projekte im Ausland verfolgen.

Raumfahrt: Die Schweiz setzt sich weiter für die Stärkung globaler Regeln für Raumfahrtaktivitäten und für eine Stabilität im Weltraum ein. Sie engagiert sich für eine Verhütung des Ausbruchs bewaffneter Konflikte im Weltall sowie für sichere und langfristige Raumfahrtaktivitäten. So hat die Schweiz im UNO-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) im Juni zur Verabschiedung eines Verhaltenskodexes beigetragen, der die Nachhaltigkeit von Weltraumaktivitäten gewährleisten soll. Im Rahmen ihrer mit Luxemburg geteilten Kopräsidentschaft der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) unterstützte die Schweiz die Organisation eines zweiten informellen Weltraumtreffens aller Minister der ESA- und EUMitgliedstaaten. Die Schlussfolgerungen des zusammen mit den Niederlanden während ihrer EU-Ratspräsidentschaft organisierten Treffens wurden vom «The Hague Manifesto on Space Policy» übernommen. Sie trugen damit zur Vorbereitung des «Joint Statement» über die gemeinsamen Ziele der Europäischen Kommission und des ESA-Generaldirektors bei, welches Ende Oktober unterzeichnet wurde.

Während ihrer Ko-Präsidentschaft hat die Schweiz ihre Bemühungen verstärkt, und die Beschlüsse, die an der ESA-Ratssitzung auf Ministerebene in Luzern gefasst wurden, sind zu einem Teil auch diesen Kooperations-, Verhandlungs- und Vermittlungsanstrengungen zu verdanken. Der Vorsitz des ESA-Ministerrats wurde in Luzern von Spanien übernommen.

3.5.5

Kultur

Die Schweiz entwickelt und pflegt intensive kulturelle Kontakte mit dem Ausland.

Auf bilateraler Ebene konnte im vergangenen Jahr zwischen Peru und der Schweiz eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit zur Verhütung des rechtswidrigen Handels mit Kulturgütern unterzeichnet werden. Im Berichtsjahr wurde zudem eine Absichtserklärung über die Vertiefung der kulturellen Zusammenarbeit mit Österreich unterzeichnet, und im März konnte zwischen dem mexikanischen Filminstitut (IMCINE) und dem Bundesamt für Kultur (BAK) eine Absichtserklärung unterzeichnet werden mit dem Ziel, die Verhandlungen über einen Koproduktionsvertrag im Filmbereich zwischen der Schweiz und Mexiko fortzuführen. Dieser Vertrag soll 2017 unterzeichnet werden.

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Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia hat ihr thematisches Programm «Swiss Made in Russia ­ Contemporary Cultural Exchanges 2013­2016» zu Ende geführt.

Um den fruchtbaren Austausch fortführen zu können, hat die Stiftung entschieden, nach Abschluss des Programms Anfang 2017 ein eigenes Verbindungsbüro in Moskau zu eröffnen, was 2016 vorbereitet wurde. Pro Helvetia bereitet ausserdem ein Austauschprogramm mit Lateinamerika vor, das 2017 lanciert werden soll, und setzt sich weiterhin für die Förderung Schweizer Kulturschaffender im Ausland ein, indem die Kulturstiftung insbesondere deren Präsenz an wichtigen internationalen Kulturveranstaltungen (Messen, Festivals usw.) unterstützt. Zudem arbeitet die Kulturstiftung derzeit an der Entwicklung eines neuen Modells für den Kulturexport in die europäischen Metropolen mit dem Ziel, die Präsenz von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern sowie deren Kunstschaffen in diesen Regionen Auftrieb zu verleihen.

Im multilateralen Kontext sind die wichtigsten Partner der Schweiz im Kulturbereich der Europarat, die EU und die UNESCO. Die EU ist das wichtigste Kulturförderungsgremium auf regionaler Ebene und ein relevanter Partner der Schweiz in der internationalen Kulturpolitik. Trotz der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 und ihren Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU gelang es im Berichtsjahr, die technischen Verhandlungen zwischen den Parteien im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens über die Teilnahme des Bundes am EUFörderprogramm «Kreatives Europa» 2014­2020 (Teilprogramme MEDIA und Kultur) fortzuführen. Der Abschluss einer künftigen Vereinbarung hängt jedoch vor allem von der Klärung institutioneller Fragen ab. Um den Ausschluss der Schweiz vom MEDIA-Programm zumindest teilweise zu kompensieren, bietet die Verordnung des EDI von 2014 über MEDIA-Ersatz-Massnahmen Schweizer Filmschaffenden die Möglichkeit, Unterstützung für europäische Projekte zu beantragen und eine möglichst nahtlose Fortsetzung mehrjähriger Projekte zu sichern; zudem soll sie den späteren Wiedereinstieg der Schweiz in das Teilprogramm MEDIA erleichtern. Seit dem 1. Juli werden die MEDIA-Ersatz-Massnahmen von einer neuen Verordnung des EDI vom 21. April 2016 über die Förderung der internationalen Präsenz des Schweizer Filmschaffens und die MEDIA-Ersatz-Massnahmen
(IPFiV)47 geregelt.

Diese neue Verordnung erlaubt künftig die Förderung von Projektpaketen mit einem internationalen Schwerpunkt. Gleichzeitig stärkt die neue Verordnung durch die Exportförderung die Präsenz des Schweizer Filmschaffens an internationalen Festivals.

Im Rahmen der UNESCO zielt das Engagement der Schweiz weiterhin auf die Einhaltung der normativen Instrumente ab. So legte die Schweiz der UNESCO im Zusammenhang mit dem Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zum zweiten Mal ihren periodischen Bericht vor, der vom Bundesrat ordnungsgemäss verabschiedet worden war. Im Zusammenhang mit dem Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes wurde das erste von der Schweiz bei der UNESCO eingereichte Dossier positiv evaluiert; somit kann das Winzerfest von Vevey in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen werden. Das BAK hat 2016 ein zweites Dossier, die Basler Fasnacht, eingereicht, dessen Aufnahme für 2017 ansteht. Das 47

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Werk von Le Corbusier wurde seinerseits in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Dies kann als Erfolg für die grenzüberschreitende Bewerbung unter der Federführung Frankreichs, der sich sechs weitere Länder, darunter die Schweiz, angeschlossen hatten, verzeichnet werden. Aus der Schweiz wurden das «Immeuble Clarté» in Genf und die Villa «Le Lac» in Corseaux in die Liste aufgenommen, nebst fünfzehn weiteren Bauten in Frankreich, Belgien, Deutschland, Indien, Argentinien und Japan.

3.5.6

Informationsgesellschaft und Internet-Gouvernanz

Die internationale Zusammenarbeit zur Schaffung einer alle Menschen einschliessenden und entwicklungsorientierten Informationsgesellschaft gründet auf den Ergebnissen des UNO-Weltgipfels über die Informationsgesellschaft (WSIS), der in zwei Teilen stattfand (Genf 2003 und Tunis 2005). Was die Umsetzung der WSISErgebnisse (WSIS+10) anbelangt, so wurde 2015 an einer hochrangigen Veranstaltung Bilanz gezogen. Die Schweiz setzte sich für eine Koordination und aktive Vertretung ihrer Position in den internationalen Organisationen ein und dafür, dass die unterschiedlichen Interessengruppen weiterhin in die Umsetzung der WSISResultate einbezogen werden.

Auf internationaler Ebene engagiert sich die Schweiz für die Entwicklung der Nutzung und Verwaltung des Internets und setzt sich für einen rechtlichen und politischen Rahmen ein, der eine Internet-Gouvernanz auf Basis von freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien ermöglicht (vgl. Ziff. 3.3.2).

Zu diesem Zweck empfiehlt die Schweiz nachdrücklich die Einbindung aller Ansprechsgruppen in den Dialogprozess. Die im Jahr 2014 von der Schweiz lancierte «Geneva Internet Platform» (GIP) trägt ebenfalls zu einem besseren Verständnis aller Stakeholder, insbesondere aus Entwicklungsländern, bei. Im Rahmen der seit dem WSIS geschaffenen Diskussionsplattformen nach dem Vorbild des «Internet Governance Forum» (IGF), zum Beispiel dem von der Schweiz mitinitiierten Europäischen Dialog zur Internet-Gouvernanz (EuroDIG), brachte sich die Schweiz in die Debatten über die Weiterentwicklung des Multistakeholder-Ansatzes ein.

Die Schweiz trägt des Weiteren ­ in enger Zusammenarbeit mit dem Europarat ­ dazu bei, dass Menschenrechte, gute Regierungsführung, Transparenz und Partizipation als Basis für die Entwicklung der Internet-Gouvernanz akzeptiert werden.

Weitere Prioritäten der Schweiz sind die Vertrauensbildung, Standards für ein verantwortungsvolles Handeln von Staaten sowie der Ausbau der Kapazität für einen sicheren Cyber-Raum. Durch ihre Unterstützung der GIP und des IGF, dessen Sekretariat sich in Genf befindet, stärkt die Schweiz auch die Stadt Genf als erstrangigen internationalen Standort für Gespräche und den Wissens- und Kompetenztransfer in den Bereichen Internet-Gouvernanz und Cyber-Sicherheit.

Darüber hinaus unterstützte die Schweiz
aktiv die Bestrebungen der für die Verwaltung der Internet Domain-Namen zuständigen «Internet Corporation for Assigned Names and Numbers» (ICANN), die schliesslich dazu führten, dass die bisher vom US-Handelsministerium gewährleistete Überwachung der Tätigkeiten der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) per 1. Oktober an die globale Internetcommu1412

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nity übertragen wurde. Innerhalb des ICANN-Regierungsbeirats, der von einem Schweizer präsidiert wird, schätzt man die Schweiz für ihre konstruktive Arbeit.

3.6

Bürgernahe Dienstleistungen

Konsularische Aufgaben Für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland stellt die Konsularische Direktion (KD) des EDA gemeinsam mit dem Vertretungsnetz ein umfassendes Dienstleistungsangebot als «Guichet unique» zur Verfügung (siehe Unterkapitel Auslandschweizerbeziehungen). Dieses ergänzt sich mit dem Krisenmanagement-Zentrum.

In Umsetzung des «Guichet unique» bietet die KD sämtliche Unterstützung für Touristinnen und Touristen wie auch Auslandschweizerinnen und -schweizer einheitlich unter eigener Federführung an. Die Helpline EDA beantwortet als zentrale Anlaufstelle rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Fragen zu konsularischen Dienstleistungen von Privatpersonen, Behörden, privaten Dienstleistern und anderen. Darüber hinaus nimmt sie mit Blick auf einen optimalen Service public eine wichtige Unterstützungsfunktion für die Auslandvertretungen wahr, indem diese ausserhalb der lokalen Arbeitszeiten Anrufe auf die Helpline umleiten können. 2016 gingen rund 65 000 Anfragen ein, wobei 97 Prozent davon durch die konsularisch geschulten und über mehrjährige Auslanderfahrung verfügenden Mitarbeitenden der Helpline EDA direkt beantwortet wurden. Die übrigen Fälle wurden an Fachdienste oder die zuständigen Auslandvertretungen zur weiteren Bearbeitung überwiesen.

Die Schweizer Bürgerinnen und Bürger unternehmen jährlich über zehn Millionen Auslandreisen. Geraten sie dabei in eine Notlage, die sie nicht selbst bewältigen können, bietet ihnen das EDA im Rahmen des konsularischen Schutzes umfassende und kompetente Hilfeleistung. Die Reisehinweise des EDA leisten einen wichtigen Beitrag zur sorgfältigen Reisevorbereitung und zu präventiven Massnahmen basierend auf der Eigenverantwortung der Reisenden. Dennoch haben sich die im Rahmen des konsularischen Schutzes behandelten neuen Fälle zwischen 2007 (463) und 2016 (1051) mehr als verdoppelt. 2015 wurden von der Auslandschweizersozialhilfe der KD 114 neue Anfragen um Repatriierung in die Schweiz gutgeheissen. Sie hat 259 Gesuche für eine monetäre Unterstützung im Ausland bewilligt, in 158 Fällen Touristinnen und Touristen aus einer finanziellen Notlage geholfen und den Kantonen in 533 Fällen die Sozialhilfe für die ersten drei Monate für heimkehrende Auslandschweizer und ­schweizerinnen zurückerstattet. Die Bruttoauslagen beliefen sich auf knapp 3.2 Millionen
Franken. Im Rahmen des bestehenden Fürsorgeübereinkommens zwischen der Schweiz und Frankreich wurden 54 neue Fälle behandelt. Mit der Applikation itineris48 unterstützt und informiert das EDA Schweizerinnen und Schweizer weltweit direkt über deren Mobilgeräte. Die Applikation wurde bislang über 60 000 Mal geladen.

Das EDA erbrachte 2016 konsularische Dienstleistungen in 90 Konsularkreisen, die von voll ausgerüsteten Generalkonsulaten oder Konsularabteilungen von Botschaften betreut werden. Aus Ressourcengründen wurde die Konzentration konsularischer 48

www.itineris.eda.admin.ch

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Dienstleistungen in regionalen Konsularzentren weiter vorangetrieben. Um längere Anreisewege für Auslandschweizerinnen und -schweizer bei Geschäftsfällen, welche eine persönliche Vorsprache zwingend erfordern, dennoch zu vermeiden, setzt das EDA inzwischen weltweit zehn mobile Passstationen ein, welche teilweise aus nicht mehr benötigten kantonalen Beständen stammen. 2016 konnten damit bei 56 Einsätzen in 38 Ländern die biometrischen Daten von rund 4000 Auslandschweizerinnen und -schweizern erfasst werden. Nachdem im In- und Ausland 2015 eine hohe Zunahme an Passausstellungen verzeichnet worden war, nahm im letzten Jahr die Anzahl der eingereichten Anträge wieder ab, wie es aufgrund der hohen Antragszahlen nach Einführung des maschinenlesbaren Pass zwischen 2003 und 2005 zu erwarten war. Gemäss der Bewegungsstatistik des Bundesamts für Statistik für 2015 sind 30 103 Schweizerinnen und Schweizer ins Ausland ausgewandert, während im gleichen Zeitraum 25 952 Schweizerinnen und Schweizer in die Schweiz zurückgekehrt sind. Bürgerinnen und Bürger, die einen Auslandaufenthalt planen, auswandern oder in die Schweiz zurückkehren, können kostenlos das umfassende Informationsangebot von Auswanderung Schweiz («Swissemigration») nutzen, dessen Internetauftritt 2015 mit rund 580 000 Besucherinnen und Besuchern zu den meist aufgerufenen Internetseiten des EDA zählt.

Konsularische Zusammenarbeit Am 7. Juni 2016 wurde die bisherige Datenbank für Auslandschweizerinnen und -schweizer durch eine den strategischen E-Government-Vorgaben des Bundes entsprechende Software abgelöst. Die Abwicklung von konsularischen Dienstleistungen sowie der Datenaustausch können nun zu einem grossen Teil digital abgewickelt werden. Der dafür notwendige Online-Schalter steht seit Oktober zur Verfügung. Bereits im April ist weiter das Abkommen über die konsularische Zusammenarbeit mit Österreich in Kraft getreten. Ausserdem wurden Konsultationen mit der Türkei, Deutschland, Iran, Indien und Russland sowie in einem vierseitigen Rahmen mit Österreich, Deutschland und Liechtenstein geführt. Mit Frankreich wurden die Gespräche über die Zukunft des Fürsorgeabkommens von 1931 weitergeführt. Es geht hierbei darum, dass die praktische Umsetzung des Abkommens seit langem nicht mehr wie vorgesehen erfolgt. Frankreich hat der Schweiz seit Jahren
keine Unterstützungsfälle von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern in Frankreich in Rechnung gestellt und keine Zahlungen für die von der Schweiz getätigten Fürsorgeausgaben geleistet. Der offene Nettobetrag zu Gunsten der Schweiz beläuft sich daher auf schätzungsweise zwanzig Millionen. Frankreich stellte sich bisher auf den Standpunkt, dass das Abkommen seit Inkrafttreten des FZA im Jahre 2002 obsolet sei.

Krisenprävention und Krisenmanagement Aufgrund der volatilen Entwicklung der Sicherheitslage in verschiedenen Weltregionen kommt der Krisenprävention und -vorsorge sowie dem Krisenmanagement zugunsten der Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Ausland eine wichtige Rolle zu. Insbesondere Krisenereignisse mit einem terroristischen Bezug haben weltweit zugenommen und betreffen regelmässig direkt auch Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Ausland (vgl. u.a. die Entführung einer Schweizerin in Mali, Ermordung von je zwei Schweizer Staatsangehörigen bei den Terroranschlägen in Ouagado1414

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ugou, Burkina Faso sowie in Nizza, Frankreich). Vor diesem Hintergrund sind die Reisehinweise des EDA49 weiterhin ein Kernbereich der Arbeit des Krisenmanagement-Zentrums (KMZ). Sie geben Auskunft über Sicherheitsrisiken im Ausland und werden für 176 Länder ständig aktualisiert. Gleichzeitig informiert das KMZ ein breites Publikum über die Möglichkeiten und Grenzen des EDA, im Bedarfsfall Unterstützung zu leisten.

Das KMZ verfolgt laufend die Entwicklung der globalen Sicherheitslage und analysiert in spezifischen Risikoländersitzungen gemeinsam mit den weiteren involvierten Stellen des EDA und der Bundesverwaltung die Herausforderungen vor Ort. Unter anderem gestützt auf diese Einschätzungen leistete das KMZ gezielte Unterstützung zur Stärkung der Sicherheit und der Krisenvorsorge der diplomatischen Vertretungen der Schweiz. Zudem koordinierte das KMZ Vorbereitungsmassnahmen im Hinblick auf verschiedene Grossereignisse (u.a. Fussball Europameisterschaft in Frankreich, Olympische Spiele in Rio, Weltjugendtag in Krakau). Es stellte auch das Krisenmanagement bei einer Vielzahl von Krisenereignissen sicher, unter anderem beim Erdbeben in Ecuador, der Evakuation der Schweizer Vertretung im Südsudan und einer Vielzahl von Terroranschlägen, etwa in Belgien, Frankreich, Deutschland, Burkina Faso, Türkei und Indonesien. Mit dem Ziel einer weiteren Stärkung des Krisenmanagements hat das KMZ seine Prozesse und Instrumente weiter standardisiert und fortentwickelt. Um zusätzliche Synergien zu schaffen, hat das EDA auch alle seine in den Bereichen Sicherheit und Krisenmanagement tätigen Stellen (KMZ, KD, Abteilung Sicherheitspolitik, Humanitäre Hilfe) an einem gemeinsamen Arbeitsstandort zusammengeführt.

Auslandschweizerbeziehungen Einem seit ein paar Jahren anhaltenden Trend folgend, ist die Auslandschweizergemeinschaft im Berichtsjahr um etwas mehr als 2 Prozent gewachsen. Aktuell sind gut 780 000 Schweizerinnen und Schweizer bei einer schweizerischen Vertretung im Ausland gemeldet. Rund drei Viertel unserer Landsleute im Ausland sind Doppelbürgerinnen und -bürger. Knapp zwei Drittel der Auslandschweizerinnen und -schweizer leben in Europa, davon rund 97 Prozent in EU-Mitgliedstaaten. Mit über 203 000 angemeldeten Schweizerinnen und Schweizern ist Frankreich bei weitem das beliebteste Aufenthaltsland,
gefolgt von Deutschland mit über 91 000 registrierten Mitbürgerinnen und -bürgern.

Mit dem per 1. November 2015 in Kraft getretenen Auslandschweizergesetz hat der «Guichet unique» eine gesetzliche Grundlage erhalten. Mit dieser über mehrere Jahre aufgebauten zentralen Anlaufstelle offeriert das EDA heute im Zusammenspiel von Auslandsvertretungen, Helpline und KD eine Plattform, die Schweizerinnen und Schweizern im In- und Ausland sowie Behörden von Gemeinden, Kantonen und Bund kompetent und schnell Auskunft zu diversen Auslandschweizerthemen erteilt.

Der «Guichet unique» leistet einen wichtigen Beitrag zu einer kohärenten, ganzheitlichen Auslandschweizerpolitik und ermöglicht kundengerechte Dienstleistungen. Er erleichtert den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen und Institutionen im Ausland den Kontakt zu den schweizerischen Behörden in allen Berei49

www.eda.admin.ch > Vertretungen und Reisehinweise

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chen. Der Bund trägt mit dieser zentralen Anlaufstelle der zunehmenden Mobilität Rechnung und geht auf die besonderen Bedürfnisse der im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer ein. Im Auftrag des Bundes unterstützt das EDA Institutionen finanziell, die auf privater Basis den Auslandschweizerinnen und -schweizern Dienstleistungen anbieten. Mit der Auslandschweizerorganisation (ASO) als wichtigster Ansprechpartnerin arbeitet das EDA im Rahmen einer Leistungsvereinbarung eng zusammen. Die ASO veröffentlichte im Berichtsjahr sechs Ausgaben der «Schweizer Revue», der Zeitschrift für die so genannte «Fünfte Schweiz». Das EDA nutzt diese Zeitschrift, um offizielle Informationen und Berichte des Bundes zu publizieren.

Visa 2016 haben die schweizerischen Aussenvertretungen weltweit über 530 061 Visa bearbeitet. Dies entspricht einem leichten Rückgang von knapp 4,5 Prozent im Vergleich mit 2015, der vor allem auf eine rückläufige Nachfrage in China, Russland und Indien zurückzuführen ist. Was den Visabereich betrifft, betonten sowohl der Bundesrat als auch das Parlament in unterschiedlichen Kontexten die Notwendigkeit, einen einfachen Zugang zur Schweiz als Wirtschafts- und Tourismusstandort sicherzustellen und in diesem Sinne auch Genf als Standort internationaler Organisationen zu berücksichtigen. Die Ausweitung der Möglichkeiten zur Beantragung von Visa geniesst deshalb weiterhin Priorität. Dabei kommen mehrere Instrumente zum Einsatz: Auslagerung und Vertretungslösungen durch andere Schengen-Staaten.

Im Rahmen eines Auslagerungssystems werden 72 Prozent der Visumanträge für die Schweiz von den externen Firmen entgegengenommen. 2016 wurden neue Annahmestellen in China (Chengdu, Wuhan, Shenyang, Xi'an, Hangzhou, Nanjing, Shenzhen, Kunming, Changsha, Fuzhou, Jinan und Chongqing) und Tunis (Tunesien) eröffnet. In Bezug auf die Vertretungslösungen durch andere Schengen-Staaten wird die Ausstellung von Schengen-Visa in den Ländern, in welchen die Schweiz nicht selbst vertreten ist, lokal an einen anderen Mitgliedstaat des Schengener Abkommens delegiert. Per 31. Oktober 2016 arbeitete die Schweiz mit 20 Schengen-Staaten zusammen (inkl. Rahmenvertrag mit dem Fürstentum Liechtenstein) und vertrat deren Interessen in 61 Fällen, während sie selbst an 61 Standorten vertreten wurde.

Die 2015 eingeführte Möglichkeit, das Gesuch für ein Schengen-Visum online auszufüllen und zu übermitteln, wird mittlerweile von 33 Vertretungen angeboten.

3.7

Kommunikation

Information EDA Innerhalb des EDA ist Information EDA für die Information und Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit im In- und Ausland zuständig, um die aussenpolitischen Entscheidungen des Bundesrates zu erläutern sowie die Aufgaben und Tätigkeiten des EDA und ihres Vorstehers darzulegen. Die Leitlinien der Behördenkommunikationen dienen dabei als Massstab. Diese zielen darauf ab, in Zusammenarbeit mit den Medien die freie und unverfälschte Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen und mittels einer aktiven, sowie sachlichen Kommunikation Zusammenhänge aufzuzeigen, Transparenz zu schaffen und Vertrauen herzustellen.

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Im Vordergrund der Kommunikationsaktivitäten des EDA standen im vergangenen Jahr die Aufbereitung von Informationen über die Aussenpolitische Strategie 2016­ 2019 sowie die Botschaft über die Internationale Zusammenarbeit 2017­2020.

Dabei wurden die Schwerpunkte so erläutert, dass die Kontinuität mit der bisherigen Aussenpolitischen Strategie, beziehungsweise Internationalen Zusammenarbeit deutlich wurde und zugleich verständlich gemacht werden konnte, welche Neuerungen der Bundesrat hierbei umsetzen will. Mit Blick auf die Information des breiten Publikums hat das EDA die wichtigsten Aspekte und Stossrichtungen dieser beiden Themen jeweils in Broschüren dargestellt. Zudem wurde erstmals auch ein Blog eingerichtet, der Fragen und Kommentare aus der Bevölkerung entgegennehmen und damit eine intensivere Interaktion zwischen dem EDA und der Öffentlichkeit möglich machen soll. Ein Schwerpunkt der Kommunikation war ausserdem die Politik der Schweiz gegenüber der EU. Hier informierte EDA Information primär ­ und in Koordination mit dem EJPD und dem WBF ­ über die Schritte des Bundesrats zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels zur Zuwanderung sowie die Verhandlungen mit der EU über institutionelle Fragen. Einen weiteren Schwerpunkt bildete in diesem Dossier die Kommunikation des Chefunterhändlers Schweiz­EU, sowohl gegenüber den verschiedenen Interessengruppen in der Schweiz als auch gegenüber den ausländischen Medienschaffenden, der EU und ihren Mitgliedstaaten.

Im Rahmen ihrer Medienarbeit hat Information EDA Communiqués zu aktuellen Themen aus der Arbeit des EDA sowie Reden wichtiger Vertreter des Departements veröffentlicht. Zudem wurden zahlreiche Anfragen von Medienschaffenden bearbeitet, namentlich auch im Zusammenhang mit dem Putsch in der Türkei oder verschiedenen Terroranschlägen (z.B. Brüssel, Nizza). Hierbei wurde die Informationsarbeit jeweils eng mit den zuständigen Sektionen in anderen Departementen koordiniert. Mit dem Ziel, Medienschaffenden direkten Einblick in das Engagement der Schweiz zu ermöglichen, hat das EDA ausserdem eine Medienreise zum Thema «Schweizer Expertinnen und Experten in der Friedensförderung» in die Ukraine und eine weitere nach Wien und Bulgarien zum Thema «Schweizer Engagement gegen Menschenhandel» durchgeführt. Um Themen aus dem Arbeitsbereich des EDA vertieft
darzustellen, hat Information EDA ferner Veranstaltungen, wie etwa die Jahreskonferenz der Entwicklungszusammenarbeit zur Agenda 2030, durchgeführt.

Zudem konzipierte es einen Auftritt der DEZA, der an Publikumsmessen, etwa BEA oder «Comptoir Suisse», Einblick in die Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht.

Auch neu aufgelegte Broschüren, beispielsweise das «ABC Schweiz-UNO» oder das «ABC der Menschenrechte», sowie Kurzfilme richten sich an ein breites Publikum und erklären das aussenpolitische Engagement der Schweiz.

Historischer Dienst EDA Innerhalb des EDA behandelt der Historische Dienst alle historischen Fragen, die das Departement betreffen. 2016 wurde er vor allem mit einer quellennahen Prüfung der These eines «geheimen Abkommens» zwischen der Schweiz und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) im September 1970 beauftragt. Diese These wurde in mehreren Zeitungsartikeln sowie im Buch «Schweizer Terrorjahre. Das geheime Abkommen der PLO» aufgestellt. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe (bestehend aus Vertretern des EDA, EJPD und VBS) unter der Leitung des Chefs des Historischen Dienstes EDA wurde damit beauftragt, die These und die damit 1417

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verbundenen Vorwürfe zu überprüfen. Im Mai nahm der Bundesrat den Schlussbericht der Arbeitsgruppe zur Kenntnis und gab ihn zur vollständigen Veröffentlichung frei. Dieser Bericht kam zum Schluss, dass es im September 1970 kein geheimes Abkommen mit der PLO gab und dass die gerichtspolizeilichen Ermittlungen nach dem Anschlag von Würenlingen vollständig waren.

Der Historische Dienst EDA ist auch für die Prüfung von Gesuchen um Einsicht in Archivdossiers des Departements, einschliesslich der Dossiers der ehemaligen «Unabhängigen Expertenkommission Schweiz ­ Zweiter Weltkrieg», zuständig und bearbeitete im Verlaufe von 2016 fünfzig Gesuchen, die insgesamt 161 Dossiers betrafen. Das Sachwissen des Dienstes wurde aber auch im Zusammenhang mit Jubiläen, die für die bilateralen Beziehungen der Schweiz oder für andere Aspekte der Aussenpolitik von Bedeutung sind, in Anspruch genommen. Ausserdem bereitet der Dienst ­ in enger Zusammenarbeit mit Vertretern von jüdischen Organisationen und von Organisationen von Fahrenden sowie mit Pädagogen und Personen, die in der Förderung der Menschenrechte aktiv sind ­ den Schweizer Vorsitz der «International Holocaust Remembrance Alliance» (IHRA) von 2017 vor.

Landeskommunikation Präsenz Schweiz (PRS) hat den gesetzlichen Auftrag, das Image der Schweiz im Ausland zu analysieren, ihre positive und differenzierte Wahrnehmung zu fördern und so die Interessenwahrung mit den Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützten. Gemäss Artikel 3 der Landeskommunikationsverordnung vom 12. Dezember 200850 wird die Ausrichtung der Landeskommunikation alle vier Jahre in der Strategie Landeskommunikation festgelegt. 2016 hat der Bundesrat die neue Strategie Landeskommunikation 2016­2019 verabschiedet. An der grundsätzlichen Stossrichtung ändert sich nichts: Die Landeskommunikation soll wie bisher unter dem Motto «Die Stärken stärken» die Qualitäten und Vorzüge der Schweiz in den Vordergrund rücken und die Politik sowie die Positionen der Schweiz im Ausland kohärent vermitteln.

In der überarbeiteten Strategie wurden elf Schwerpunktthemen definiert: Die Rolle der Schweiz in Europa; das politische System der Schweiz; die solidarische und verantwortungsbewusste Schweiz; das Internationale Genf; Bildung, Forschung und Innovation; Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit; Tourismus;
Umwelt, Verkehr und Energie; Finanz- und Steuerfragen; Kultur sowie Sport. An den bewährten Instrumenten der Landeskommunikation wurde festgehalten. Diese umfassen u.a. Auftritte an internationalen Grossveranstaltungen, die Unterstützung der Schweizer Vertretungen im Ausland bei ihren «Public Diplomacy»-Aktivitäten, die Einladung ausländischer Delegationen und Kommunikation über soziale Medien. Der Einsatz von sozialen Medien soll verstärkt werden. Die strategische Koordination der Landeskommunikation findet weiterhin im Rahmen der Interdepartementalen Arbeitsgruppe Landeskommunikation statt, in der alle Departemente und die Bundeskanzlei sowie Schweiz Tourismus, «Switzerland Global Enterprise» (S-GE) und Pro Helvetia vertreten sind. Das Monitoring von PRS zeigt, dass die Schweiz auch 2016 über ein gutes Image im Ausland verfügte. Sie belegte im Nation Brand Index (NBI) 50

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­ einem Imagevergleich zwischen fünfzig Ländern ­ den achten Rang. In der ausländischen Medienberichterstattung über die Schweiz stiessen 2016 vor allem die beiden Volksinitiativen «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)» und «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen» auf hohe Resonanz. Ebenfalls schwergewichtig thematisiert wurde der Umgang der Schweiz mit Flüchtlingen sowie mit der muslimischen Bevölkerung. Nach dem Ja der Briten zum Brexit erwähnten zudem viele britische Medien die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU als mögliches Modell für das Vereinigte Königreich. Auch über die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels wurde weltweit berichtet. Die Ergebnisse des Image-Monitorings bilden zusammen mit den aktuellen Kommunikationsbedürfnissen und -opportunitäten die Grundlagen für den Einsatz der Landeskommunikations-Instrumente.

Bezüglich Grossveranstaltungen stand das Jahr 2016 im Zeichen der Auftritte der Schweiz an sportlichen Grossanlässen. Erstmals öffnete 2016 ein «House of Switzerland» an einer Fussballeuropameisterschaft seine Tore. Es war für die gesamte Dauer der Europameisterschaft in Frankreich zugänglich und stellte das schweizerische Kulturschaffen ins Zentrum. Über eine Million Gäste sahen den Schweizer Auftritt an der Fussballeuropameisterschaft und rund 900 000 Personen verfolgten die Aktivitäten des «House of Switzerland» in den sozialen Medien.

Vertreter von Parlament und Regierung besuchten das Schweizer Haus in Paris.

Wenige Wochen später wurde das «House of Switzerland» an den olympischen Spielen in Rio de Janeiro eröffnet. Erstmals blieb PRS auch während der Paralympischen Spielen vor Ort. Das Schweizer Haus diente einerseits als Ort für die Medaillenfeiern der Schweizer Athletinnen und Athleten, andererseits als Netzwerk- und Marketingplattform für die Schweiz. Schweizer Firmen konnten einem breiten Publikum ihre Produkte vorstellen und Schweizer Tourismusregionen (Jungfrau, St. Moritz, Luzern/Titlis, Genf, Lausanne und Montreux) präsentierten sich auf dem brasilianischen Markt. Bundespräsident Schneider-Ammann, die beiden Bundesräte Parmelin und Berset sowie weitere 240 000 Personen besuchten das «House of Switzerland» in Rio. Eine Besucherumfrage zeigte dabei eine sehr positive Beurteilung des Schweizer
Auftritts an Olympia und der Schweizer insgesamt. So gab beispielsweise rund ein Viertel der Befragten an, das «House of Switzerland» mehrere Male besuchen zu wollen und bei 45 Prozent der Besucherinnen und Besucher verbesserte sich die Wahrnehmung der Schweiz nach dem Besuch des Schweizer Haus. In brasilianischen und internationalen Leitmedien wurden zudem über 600 Beiträge generiert, was einem Werbewert von 7.2 Millionen Franken entspricht.

Um die strategischen Botschaften der Landeskommunikation empfängergerecht zu vermitteln, wurden auch 2016 je nach Zielpublikum unterschiedliche Kommunikationsinstrumente eingesetzt. «Public Diplomacy»-Aktivitäten, die in Zusammenarbeit mit den Aussenvertretungen durchgeführt wurden, spielten dabei eine wichtige Rolle. So bot 2016 etwa die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels eine hervorragende Gelegenheit, auch im Ausland am Beispiel dieses Jahrhundertbauwerks zahlreiche Stärken und Kernkompetenzen der Schweiz wie Innovation, Präzision und die demokratische Legitimation von Infrastrukturprojekten sowie den Beitrag der Schweiz an die europäische Verkehrsinfrastruktur in den Vordergrund zu rücken.

Über siebzig Anlässe in rund vierzig Vertretungen weltweit wurden zu diesem Thema durchgeführt. Für die Auslandskommunikation stellte PRS Informations1419

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und Kommunikationsprodukte sowie eine eigens kreierte visuelle Identität zur Verfügung und führte eine begleitende Kampagne über die sozialen Medien durch.

Insgesamt acht Mediendelegationen wurden zu dieser Thematik in die Schweiz eingeladen. Medienvertreter sowie Politikerinnen und Politiker konnten sich so von der verkehrspolitischen Bedeutung des Jahrhundertprojekts selber ein Bild machen.

Die im Zusammenhang mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels von PRS und den Auslandsvertretungen durchgeführten Projekte ermöglichten den Austausch mit zahlreichen Meinungsführenden in EU-Mitgliedstaaten und generierten eine erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien.

PRS unterstützte 2016 auch die Weiterführung der Weltumrundung des Schweizer Solarflugzeugs «Solar Impulse». Das Projekt führte in mehreren Etappen von Hawaii nach Abu Dhabi und generierte mit rund 70 000 online Medienbeiträgen in elf Sprachen sowie 28 590 englischsprachigen TV- und Radiobeiträgen ein äusserst hohes Medieninteresse. Die Kampagne von PRS konzentrierte sich darauf, die Vorzüge der innovativen Schweiz aufzuzeigen. Dabei stand die Zusammenarbeit mit den Schweizer Vertretungen im Zentrum. Zahlreiche Entscheidungsträger und Meinungsführende konnten so in den Zielländern von «Solar Impulse» 2016 ­ den USA, Spanien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten ­ erreicht werden. Wichtige Kommunikationsplattformen wie die beiden Sportgrossveranstaltungen, die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels oder die Weltumrundung von «Solar Impulse» wurden 2016 eng durch von PRS entworfene Kommunikationskampagnen in den sozialen Medien begleitet. Die Kommunikation auf digitalen Plattformen markiert ein Schwerpunkt in der neuen Strategie Landeskommunikation. In diesem Zusammenhang begann PRS im Berichtsjahr auch mit «Social Media»-Ausbildungen auf den Auslandsvertretungen. Eine wichtige Unterstützung für die Aktivitäten der Landeskommunikation ist schliesslich die Abgabe von Informations- und Promotionsmitteln. Auf diesem Weg konnten 2016 grösstenteils über das Aussennetz rund 650 000 Personen erreicht werden.

3.8

Ressourcen, Aussennetz und Personal

Das schweizerische Aussennetz ­ ein zentrales Instrument zur Umsetzung der Aussenpolitik ­ orientiert sich an den Prinzipien von Universalität, Kohärenz und Effizienz. Aktuell umfasst es rund 170 Berufsvertretungen und 200 Honorarvertretungen.

2016 wurden zwei neue Generalkonsulate offiziell eröffnet, beide mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt: In Lagos (Nigeria) und in Chengdu (China). Um den sich rasch ändernden Anforderungen der internationalen Entwicklungen und den aussenpolitischen Bedürfnissen der Schweiz Rechnung tragen zu können, wird das Aussennetz regelmässig auf seine Zweckmässigkeit und Sachdienlichkeit hin überprüft.

Dabei setzt das EDA auch auf die Nutzung neuer Technologien, wie die mobile Biometrie, und auf innovative Ansätze wie «Colocation» mit Partnerländern. Darunter versteht man die gemeinsame Unterbringung diplomatischer oder konsularischer Vertretungen mehrerer Länder im gleichen Gebäude. Ungeachtet der gemeinsamen Nutzung eines Gebäudes, nehmen die betroffenen Vertretungen die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Schweiz aber autonom und unabhängig wahr. Bereits umgesetzt sind «Colocation»-Verträge mit den Niederlanden im Oman (Maskat) und 1420

BBl 2017

in Angola (Luanda) sowie mit Dänemark in Nigeria (Abuja und Lagos). Die Vertretung der Schweiz an den ersten beiden Standorten befindet sich in den Räumlichkeiten der niederländischen Vertretung. Das Generalkonsulat der Schweiz in Lagos ist in den Räumlichkeiten der dänischen Vertretung untergebracht, während sich diese in Abuja in der Schweizer Botschaft befindet. In Umsetzung begriffen sind zudem Projekte mit Deutschland in Iran (Teheran, zur Unterbringung der Visa-Abteilungen) sowie mit Österreich in Irland (Dublin). An seiner Sitzung vom 16. September hat der Bundesrat die Kompetenz zum Abschluss weiterer «Colocation»-Verträge mit den Niederlanden in Oslo (Norwegen) und mit Norwegen in Maputo (Mosambik) ans EDA delegiert.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen Partnern im Aussennetz wird von einer zunehmend engeren gemeinsamen Koordination geprägt: Steuerungsfragen betreffend die «Swiss Business Hubs» werden beispielsweise im Rahmen des DreiParteien-Komitees «Swiss Business Hubs» angegangen und gemeinsam entschieden.

Das EDA, das SECO und Switzerland Global Enterprise (S-GE) haben ihre Kooperation im Rahmen dieser seit 2015 viermal jährlich stattfindenden Treffen intensiviert. Kooperationsformen wie diese, die massgebliche Synergienutzungen für alle beteiligten Stellen ermöglichen, werden auch mit andern Partnern im Aussennetz diskutiert und ­ im Verlauf der Berichtsperiode insbesondere mit Schweiz Tourismus und dem SBFI, sowie Pro Helvetia auf administrativer Ebene ­ konkretisiert.

Am Standort des Schweizer Generalkonsulats in San Francisco wurde am 23. September am Pier 17 ein «Swiss House» mit weiteren Partnern eröffnet: Der Swiss Business Hub, swissnex San Francisco und das Büro von Schweiz Tourismus werden dort in innovativer Architektur unter einem Dach zusammengeführt.

Die 2008 begonnen Reformen des EDA befinden sich in der Abschlussphase. Sie umfassen im Wesentlichen die Reorganisation der DEZA (2008­2012), die Etablierung der Direktion für Ressourcen als Dienstleistungszentrum für das gesamte Departement und die Integration der Vertretungen im Ausland. Mit der fortschreitenden Umsetzung des Grundsatzes «1 Standort = 1 Vertretung» und der Schaffung integrierter Botschaften geht auch eine Stärkung der Kohärenz der aussenpolitischen Prioritäten einher. Von den rund vierzig betroffenen
Standorten haben bis Ende 2016 etwa 35 den Integrationsprozess gestartet oder bereits abgeschlossen. Die Umsetzung der Integration setzt die Harmonisierung zahlreicher Abläufe und die Vereinheitlichung von Weisungen sowie deren Handhabung in der Praxis voraus.

An den bereits integrierten Standorten kommen thematische und inhaltliche Synergien zum Tragen und stärken den Auftritt der Schweiz. Im Berichtsjahr wurde im Auftrag des EDA eine unabhängige Evaluation zu integrierten Vertretungen vorgenommen ­ sie wurde als «Peer Review» von Schweden durchgeführt. Der Bericht wird mit einer «Management Response» veröffentlicht werden.

Die Sparmassnahmen im Personalaufwand, die hinsichtlich des Budgets 2017 im Rahmen des Stabilisierungsprogramms 2017­2019 für das EDA vorgesehen sind, wurden im Verlauf des Berichtsjahrs in Angriff genommen. Das EDA hat für 2016 im Personalaufwand mit einem Betrag von 5.5 Millionen Franken zu den Sparvorgaben des Bundes beigetragen, für 2017­2019 sind es 5.2 Millionen Franken. Sie werden so weit wie möglich durch Reorganisationen, wie die Integration zweier Konsularabteilungen in ein regionales Konsularzentrum, Nutzung von Synergien 1421

BBl 2017

sowie Anpassungen in den Leistungskatalogen der Vertretungen umgesetzt. An der Zentrale wurden Reduktionen in den Dienstleistungsbereichen Personal, Finanzen und Informatik, bei Logistikdienstleistungen sowie bei diplomatischen und konsularischen Aufgaben vorgenommen, um die Sparvorgaben zu erreichen.

In Sachen Personalpolitik veröffentlichte der Bundesrat im Mai eine Stellungnahme zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-SR) «Geeignetes Personal im diplomatischen Dienst». Darin ging er teilweise auf die Empfehlungen der GPK-SR ein, regte aber in einigen Punkten eine breiter gefasste Untersuchung im Rahmen der Personalentwicklung im EDA an. Diese im Mai in Angriff genommene Analyse soll dem Bundesrat im Februar 2017 vorliegen. Darin sind die Folgen eines allfälligen Wechsels zu einem funktionsbezogenen Lohnsystem für den konsularischen und diplomatischen Dienst zu beurteilen; zudem ist aufzuzeigen, wie ein solcher Wechsel ausgestaltet werden könnte, damit die Laufbahnen und Karrieren der Aussenpolitik dem aktuellen Kontext besser angepasst und stärker auf künftige Herausforderungen ausgerichtet werden können.

1422

BBl 2017

Abkürzungsverzeichnis AB-BA

Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft

ADB

Asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank)

AIA

Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten

AIIB

Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (Asian Infrastructure Investment Bank)

AL

Arabische Liga

AMS

Abteilung Menschliche Sicherheit

ASAF

Abteilung Subsahara-Afrika und Frankophonie

ASEAN

Vereinigung Südostasiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations)

ASEM

Asien-Europa-Treffen (Asia-Europe Meeting)

ASO

Auslandschweizer-Organisation

ATT

Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel (SR 0.518.61) (Arms Trade Treaty)

AU

Afrikanische Union

BABS

Bundesamt für Bevölkerungsschutz

BAFU

Bundesamt für Umwelt

BAK

Bundesamt für Kultur

BAKOM

Bundesamt für Kommunikation

BEPS

Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting)

BIG-E

Batumi-Initiative zur Grünen Wirtschaft (Batumi Initiative on Green Economy)

BLW

Bundesamt für Landwirtschaft

b.p.G.

besetztes palästinensisches Gebiet

BPS

Bundesgesetz vom 27. Sept. 2013 über die im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen (SR 935.41)

Brexit

Annahme des Referendums über den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union

BRICS

Gruppe der folgenden fünf grossen Schwellenländer: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika

1423

BBl 2017

BWC

Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (SR 0.515.07) (Biological Weapons Convention)

CARICOM

Karibische Gemeinschaft (Caribbean Community and Common Market)

CCW

Übereinkommen vom 10. Okt. 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (SR 0.515.091) (Convention on Certain Conventional Weapons)

CEDAW

Übereinkommen vom 18. Dez. 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (SR 0.108) (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women)

CERN

Europäische Organisation für Kernforschung

CETA

Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement)

CGIAR

Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung (Consultative Group on International Agricultural Research)

CITES

Übereinkommen vom 3. März 1973 über internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (SR 0.453) (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora)

COP

Jährlich stattfindende Vertragsstaatenkonferenz der UNKlimarahmenkonvention (Conference of the Parties)

COPUOS

Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space)

CWC

Übereinkommen vom 13. Jan. 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (SR 0.515.08) (Chemical Weapons Convention)

DAC

Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD (Development Assistance Committee)

DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

DCAF

Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle von Streitkräften (Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces)

DEZA

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

DR

Direktion für Ressourcen

1424

BBl 2017

EAC

Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community)

EAP

EuroAirport Basel-Mülhausen

EASO

Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen

ECOSOC

Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (Economic and Social Council)

ECOWAS

Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States)

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EHB

Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung

EMRK

Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention; SR 0.101)

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

ESA

Europäische Weltraumorganisation (European Space Agency)

ETH

Eidgenössische Technische Hochschule

EU

Europäische Union

EUFOR

EU-geführte Einsatzkräfte (European Union Force)

eu-LISA

Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

EURODAC

Europäische Datenbank zur Speicherung von Fingerabdrücken (European Dactyloscopy)

EUTF

Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika (EU Emergency Trust Fund for Africa)

EUV

Vertrag über die Europäische Union

ELN

Nationale Befreiungsarmee (Kolumbien) (Ejército de Liberación Nacional)

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EZB

Europäische Zentralbank

1425

BBl 2017

FAO

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations)

FARC

Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia)

fedpol

Bundesamt für Polizei

FZA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681)

G7

Gruppe der Sieben (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Vereinigtes Königreich, USA)

G20

Gruppe der 20 (USA, Japan, Deutschland, China, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Kanada, Brasilien, Russland, Indien, Südkorea, Australien, Mexiko, Türkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien, Europäische Union)

GAFI

Gruppe für internationale Finanzmassnahmen (Groupe d'action financière)

GASP

Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union

GCERF

Globaler Fonds für gesellschaftliches Engagement und Resilienz (Global Community Engagement and Resilience Fund)

GCF

Grüner Klimafonds (Green Climate Fund)

GCSP

Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (Geneva Centre for Security Policy)

GCTF

Globales Forum zur Bekämpfung des Terrorismus (Global Counterterrorism Forum)

GEF

Globale Umweltfazilität (Global Environment Facility)

GICHD

Genfer Internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung (Geneva International Centre for Humanitarian Demining)

GPK

Geschäftsprüfungskommissionen des National- bzw. des Ständerats

GSVP

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU

HLPF

Hochrangiges Politisches Forum für Nachhaltige Entwicklung (High-level Political Forum on Sustainable Development)

IAEO

Internationale Atomenergie-Organisation

1426

BBl 2017

ICAR

Internationales Zentrum für Vermögensabschöpfung (International Centre for Asset Recovery)

ICAO

Internationale Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization)

IEA

Internationale Energieagentur

IFAD

Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development)

IGAD

Zwischenstaatliche Entwicklungsbehörde (Intergovernmental Authority on Development)

IHRA

Internationale Allianz für Holocaust-Gedenken (International Holocaust Remembrance Alliance)

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

IOM

Internationale Organisation für Migration

IRENA

Internationale Organisation für erneuerbare Energien (International Renewable Energy Agency)

IS

Organisation Islamischer Staat

IStGH

Internationaler Strafgerichtshof

ISF-Grenze

Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenzen und Visa für den Zeitraum 2014­2020

ITER

Internationaler Thermonuklearer Experimentalreaktor (International Thermonuclear Experimental Reactor)

IUCN

Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (International Union for Conservation of Nature and Natural Ressources)

IWC

Internationale Walfangkommission (International Whaling Commission)

IWF

Internationaler Währungsfonds (auch IMF, International Monetary Fund)

IZA

Botschaft vom 17. Febr. 2016 zur internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2017­2020 (BBl 2016 2333)

KD

Konsularische Direktion

KFOR

Kosovo-Truppe (Kosovo Force)

KMZ

Krisenmanagement-Zentrum

KSE

Vertrag vom 19. Nov. 1990 über Konventionelle Streitkräfte in Europa

LRA

Widerstandsarmee des Herrn (Lord's Resistance Army) 1427

BBl 2017

MERCOSUR Gemeinsamer Markt Südamerikas (Mercado Común del Sur) MONUSCO

Mission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (Mission de l'Organisation des Nations Unies pour la stabilisation en RD Congo)

MoU

Absichtserklärung (Memorandum of Understanding)

MINURSO

Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (Mission des Nations Unies pour l'organisation d'un référendum au Sahara occidental)

MINUSMA

Multidimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali)

NATO

Nordatlantisches Bündnis (North Atlantic Treaty Organisation)

NDB

Nachrichtendienst des Bundes

NEA

Nuklearenergie Agentur (Nuclear Energy Agency)

NEAT

Neue Eisenbahn-Alpentransversale

NGO

Nichtregierungsorganisation (Non-Governmental Organisation)

NPT

Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (SR 0.515.03) (Non-Proliferation Treaty)

NSG

Gruppe der Kernmaterial-Lieferländer (Nuclear Suppliers Group)

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten (Organisation of American States)

OCHA

UNO-Büro für die Koordination der humanitären Hilfe (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organistaion für Economic Co-operation and Development)

OHCHR

Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

1428

BBl 2017

OIF

Internationale Organisation der Frankophonie (Organisation internationale de la Francophonie)

OIZ

Organisation für islamische Zusammenarbeit

OPCW

Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons)

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

PCSD

Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung (Policy Coherence for Sustainable Development)

PfP

Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace)

PiR

Schutz in den Herkunftsregionen (Protection in the Region)

PLO

Palästinensische Befreiungsorganisation (Palestine Liberation Organization)

PRS

Präsenz Schweiz

PVE

Prävention von gewalttätigem Extremismus (Prevention of Violent Extremism)

SACU

Südafrikanische Zollunion (Southern African Customs Union)

SADC

Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (Southern African Development Community)

SARC

Syrischer Roter Halbmond (Syrian Arab Red Crescent)

SBFI

Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation

SDGs

Ziele der Nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals)

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SEM

Staatssekretariat für Migration

S-GE

Switzerland Global Enterprise

SIA

Steuerinformationsabkommen

SKH

Schweizerisches Korps für Humanitäre Hilfe

SMM

OSZE-Beobachtermission in der Ukraine (OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine)

SNB

Schweizerische Nationalbank

SNF

Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

1429

BBl 2017

SRVG

Bundesgesetz vom 18. Dez. 2015 über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SR 196.1)

StAR

Initiative zur Rückführung gestohlener Vermögenswerte (Stolen Asset Recovery Initiative)

SVS

Sicherheitsverbund Schweiz

SWISSCOY

Verband der Schweizer Armee im Kosovo

TIEA

Steuerinformationsabkommen (Tax Information Exchange Agreement)

TPP

Transpazifische Partnerschaft (Trans-Pacific-Partnership)

TTIP

Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership)

UNAIDS

Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen zu HIV/Aids (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS)

UNCLOS

Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea)

UNDP

Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Program)

UNECE

Wirtschaftliche Kommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe)

UNEP

Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Program)

UNESCO

Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization)

UNGASS

Sondersession der UN-Generalversammlung 2016 zum Weltdrogenproblem (United Nations General Assembly Special Session)

UNHAS

Humanitärer Flugdienst der Vereinten Nationen (United Nations Humanitarian Air Service)

UNHCR

Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees)

UNICEF

Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations International Children's Emergency Fund)

UNMISS

Mission der Vereinten Nationen in Südsudan (United Nations Mission in the Republic of South Sudan)

UNMOGIP

Militärbeobachtung der Vereinten Nationen in Indien und Pakistan (United Nations Military Observer Group in India and Pakistan)

1430

BBl 2017

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation)

UNTSO

Organisation der Vereinten Nationen zur Überwachung des Waffenstillstands (United Nations Truce Supervision Organization)

UPU

Weltpostverein (Universal Postal Union)

UNRWA

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief Agency for Palestine Refugees in the Near East)

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WBG

Weltbankgruppe

WEC

Weltenergierat (World Energy Council)

WEF

Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum)

WFP

Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (UN World Food Programme)

WHS

Weltgipfel für humanitäre Hilfe (World Humanitarian Summit)

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)

WMO

Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization)

WoGA

«Whole of Government»-Ansatz

WSIS

Weltgipfel zur Informationsgesellschaft der Vereinten Nationen (World Summit on the Information Society)

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organisation)

1431

BBl 2017

Länderindex A Afghanistan ........................................................ 1254, 1265, 1330­1332, 1363, 1391 Ägypten ............................................................ 1250, 1270­1274, 1278f, 1288, 1290, ............................................................................ 1298, 1327, 1330, 1357, 1372, 1420 Albanien ..................................................................................................... 1316, 1453 Algerien .................................................................................. 1272, 1278, 1291, 1294 Andorra................................................................................................................. 1402 Angola .............................................................................................. 1256, 1324, 1421 Antigua und Barbuda ............................................................................................ 1264 Äquatorialguinea .................................................................................................. 1323 Argentinien .................................... 1237, 1260f, 1271, 1319­1321, 1365, 1402, 1412 Armenien ..................................................................... 1268, 1317, 1386, 1396, 1441f Aserbaidschan ...........................................................................................1317f, 1396 Äthiopien ......................................... 1272, 1275­1278, 1295, 1323­1325, 1358, 1408 Australien ............................................................................................................. 1401 B Bahrain ......................................................................... 1272, 1280, 1287, 1329, 1366 Bangladesch.................................................................. 1265, 1314, 1332, 1375, 1391 Barbados ............................................................................................................... 1402 Belgien ......................................................................... 1241, 1309, 1410, 1415, 1458 Benin .......................................................................................................... 1322, 1390 Besetztes Palästinensisches Gebiet .............................. 1250, 1263, 1265, 1272, 1278, ..................................................................................... 1286f,
1328, 1335, 1357, 1390 Bhutan .................................................................................................................. 1332 Bolivien ............................................................................................ 1265, 1385, 1391 Bosnien und Herzegowina ......................................... 1265, 1268, 1270, 1316f, 1363f, ................................................................................................ 1377, 1390, 1396, 1439 Brasilien .................................................. 1237, 1260, 1271, 1310, 1319f, 1401­1403 Brunei Darussalam ............................................................................................... 1333 Bulgarien ................................................................................ 1304, 1368, 1408, 1417 Burkina Faso.........................................1241, 1272f, 1275, 1278­1280, 1292f, 1323f, .......................................................................................................... 1390, 1400, 1415 Burundi .................................. 1248, 1250, 1322, 1324, 1326, 1350, 1358, 1360, 1370 C Chile ............................................................................ 1271, 1319f, 1322, 1402, 1409 China ............................................................ 1237, 1247f, 1260, 1314f, 1330f, 1365f, ............................................................................ 1401, 1403, 1405, 1408, 1416, 1420 Costa Rica ....................................................................................... 1269, 1320, 1376f Côte d'Ivoire.......................................................................... 1322f, 1364, 1370, 1407

1432

BBl 2017

D Dänemark ............................................................................... 1256, 1395, 1403, 1421 Deutschland .........................1240f, 1247, 1256, 1259, 1271, 1306, 1322, 1335, 1337, ................................... 1348, 1360, 1401,1403, 1496f, 1412, 1414f, 1421, 1441, 1457 Dschibuti .......................................................................................... 1272, 1278, 1326 E Ecuador................................................................................... 1241, 1271, 1320, 1385 El Salvador ........................................................................................................... 1319 Eritrea .................................... 1236, 1254, 1272, 1274, 1276, 1278, 1297, 1325, 1358 Estland .............................................................................................. 1341, 1376, 1445 F Finnland........................................................................ 1338, 1399, 1403, 1441, 1457 Frankreich.................................... 1236, 1240f, 1250, 1259, 1263, 1306f, 1376, 1404, ................................................................. 1404f, 1412­1416, 1419, 1442, 1457, 1462 G Gambia ......................................................................... 1248, 1264, 1276, 1323, 1370 Georgien ...................... 1263, 1302, 1312, 1318, 1334, 1336, 1370, 1387, 1396, 1442 Ghana ........................................................................... 1294, 1322, 1324, 1364, 1376 Griechenland .......................................................................... 1299­1302, 1454, 1464 Guatemala............................................................................................................. 1319 Guyana ....................................................................................................... 1264, 1356 H Haiti ............................................................................. 1237, 1270, 1319, 1385f, 1391 Honduras ................................................................................ 1265, 1268, 1319, 1379 I Indien........................................ 1237, 1260, 1271, 1314, 1330f, 1345f, 1365f, 1401f, .......................................................................................................... 1412, 1414, 1416 Indonesien
..................................... 1241, 1261, 1271, 1330, 1333, 1365, 1407f, 1415 Irak .......................... 1235, 1244, 1250, 1268, 1272­1276, 1278, 1284f, 1312, 1327f, ........................................................................ 1339, 1342f, 1357, 1361f, 1383, 1387f Iran ..................................1237, 1247, 1249, 1260f, 1263f, 1279f, 1283, 1287, 1320f, ....................................................... 1327­1329, 1345, 1366, 1401f, 1408, 1414, 1421 Irland ...................................................................................... 1338, 1403, 1407, 1421 Island ...................................................................................... 1395, 1401, 1457, 1462 Israel ............................................. 1250, 1272f, 1286­1288, 1329, 1357, 1364, 1402f Italien........................................................1236, 1240, 1247, 1251, 1259, 1276, 1278, .......................................................................... 1300f, 1306f, 1401, 1407, 1446, 1457

1433

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J Japan .......................................................1237, 1260, 1315f, 1330f, 1401, 1405, 1412 Jemen ...................................................... 1248, 1250, 1263, 1265, 1272­1275, 1278f, ...................................................................1281, 1287, 1327­1329, 1343, 1347, 1405 Jordanien ...................................... 1262, 1272, 1278, 1281f, 1284f, 1376, 1379, 1442 K Kambodscha ..................................................................................... 1333, 1376, 1391 Kamerun ..................................................................................................... 1272, 1324 Kanada.................................................... 1237, 1248, 1260f, 1303, 1319f, 1401, 1408 Kasachstan .............................................................................. 1318, 1366, 1376, 1408 Katar ........................................................................................................... 1272, 1274 Kenia ................................................................. 1239, 1268, 1272, 1274f, 1281,1295, ................................................................. 1295, 1297f, 1364, 1275, 1379, 1390, 1408 Kirgisistan .................................................................................................. 1318, 1366 Kolumbien ................................................1238, 1249, 1263, 1311, 1319­1321, 1356, ................................................................ 1359f, 1363, 1365, 1376, 1385, 1407, 1425f Kongo (Kinshasa) .................................................................. 1322, 1324, 1358, 1363f Korea (Nord-) ................................................................................... 1331, 1345, 1366 Korea (Süd-) ................................................................. 1237, 1261, 1331, 1401, 1405 Kosovo ......................................... 1244, 1263, 1270, 1316f, 1337, 1357, 1360, 1364, .......................................................................................................... 1375, 1377, 1396 Kroatien .....................................................1236, 1258, 1304, 1316, 1409, 1457, 1464 Kuba ........................................................................................................... 1311, 1391 Kuwait
.................................................................................... 1272, 1282, 1287, 1329 L Laos ............................................................................................................ 1334, 1391 Libanon.....................................................1262, 1272, 1276, 1278, 1281, 1284­1286, ........................................................................... 1301f, 1264, 1376, 1379, 1387, 1408 Liberia .................................................................................................................. 1364 Libyen............................................. 1243, 1250, 1263, 1272­1274, 1277­1279, 1282, ............................................................. 1288f, 1293f, 1298, 1301, 1327f, 1343, 1357f Liechtenstein ............... 1237, 1240, 1259, 1306, 1308, 1335, 1379, 1407, 1414, 1416 Litauen .................................................................................................................. 1397 Luxemburg ............................................................................ 1240, 1406f, 1410, 1441 M Madagaskar ............................................................................ 1269, 1326, 1374, 1377 Malawi .................................................................................................................. 1323 Malaysia ............................................................................................................... 1271 Mali ...................................... 1236, 1272­1274, 1278­1280, 1282, 1292­1294, 1303, ...................................................................1324, 1358, 1364, 1370, 1375, 1390, 1414 Malta .......................................................................................................... 1309, 1338 Marokko ................................................. 1268, 1272, 1278, 1280, 1290f, 1361, 1365, ................................................................................................ 1376, 1393, 1404, 1454 1434

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Mauretanien .......................................................................................................... 1272 Mauritius .................................................................................................... 1323, 1402 Mazedonien ...............................................................................................1316f, 1464 Mexiko ............. 1261, 1270f, 1319­1321, 1366, 1380, 1402, 1405, 1407, 1410, 1452 Moldova ..................................................................................................... 1406, 1455 Monaco ................................................................................................................. 1402 Mongolei ...................................................................... 1265, 1268, 1332­1334, 1391 Montenegro ................................................................................................ 1316, 1457 Mosambik ......................................................................................... 1326, 1390, 1421 Myanmar ....................................... 1238, 1250, 1263, 1333, 1356, 1359f, 1375, 1391 N Namibia ............................................................................................ 1325, 1346, 1407 Nepal ................................................................................................ 1265, 1332, 1391 Neuseeland ................................................................................................1348, 1402f Nicaragua ................................................................................................... 1268, 1319 Niederlande ............................................. 1236, 1256, 1302, 1309, 1410, 1420f, 1440 Niger ..................................... 1268, 1272, 1274­1276, 1280, 1282, 1291­1294, 1326, .......................................................................................................... 1358, 1386, 1390 Nigeria ................................................... 1238, 1241, 1251, 1255f, 1261, 1267, 1270, .................................................... 1272, 1276, 1280, 1312, 1293f, 1323f, 1342f, 1358, ................................................................. 1366, 1368, 1372, 1375, 1377, 1386, 1420f Norwegen .......................................................... 1256, 1264, 1309,
1345, 1362, 1395, ............................................................................ 1397, 1401, 1421, 1440, 1451, 1456 O Oman ...................................................................................... 1256, 1272, 1321, 1376 Österreich .................................................1236, 1240, 1247, 1256, 1259, 1306, 1308, .......................................................................... 1335, 1337f, 1406f, 1410, 1414, 1421 P Pakistan .............................................................. 1265, 1314, 1332, 1345, 1365, 1391 Papua-Neuguinea.................................................................................................. 1264 Paraguay ........................................................................................... 1256, 1271, 1320 Peru ................................................................................................. 1319f, 1322, 1410 Philippinen ........................................................ 1264, 1271, 1330f, 1333, 1360, 1365 Polen ............................................................................. 1309, 1395, 1401, 1408, 1456 Portugal ................................................................................................................ 1463 R Ruanda..................................................................................................................1404 Rumänien ................................................................................................... 1304, 1368 Russland ..............................1237, 1244­1250, 1260, 1263, 1271f, 1283, 1302, 1313, ........................................................ 1317, 1327, 1334­1338, 1364, 1366, 1370, 1396, ...................................................................1401, 1403, 1411, 1414, 1416, 1440, 1462

1435

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S Salomoninseln ......................................................................................................1333 Sambia ................................................................................................................ 1322f San Marino ........................................................................................................... 1402 São Tomé und Príncipe............................................................................... 1264, 1323 Saudi-Arabien ................................ 1261, 1263, 1272, 1277, 1279, 1287f, 1327, 1329 Schweden ..................................................................... 1309, 1338, 1345, 1395, 1421 Senegal .................................................... 1269, 1280, 1282, 1326, 1366, 1370, 1376f Serbien............................................................... 1270, 1316f, 1357, 1377, 1396, 1463 Seychellen ............................................................................................................ 1402 Simbabwe .............................................................................1323, 1325f, 1359f, 1365 Singapur ................................................................................ 1261, 1332f, 1401, 1403 Slowakei ................................................................................. 1236, 1309, 1408, 1442 Slowenien .......................................................... 1240, 1269, 1376f, 1405, 1407, 1464 Somalia ............................................ 1273, 1276, 1279, 1296, 1323, 1343, 1358, 1390 Spanien ................................................................................... 1376, 1410, 1420, 1440 Sri Lanka ...................................................................... 1264, 1332, 1359, 1365, 1394 St. Kitts und Nevis ................................................................................................ 1264 St. Vincent und die Grenadinen ............................................................................ 1264 Südafrika ...................................... 1238, 1249, 1261, 1313f, 1324, 1367, 1371, 1387, .......................................................................................................... 1401, 1406, 1411 Sudan ....................................................... 1273­1275, 1279, 1296f,
1326, 1380, 1409 Südsudan ..................................... 1242, 1273­1276, 1279f, 1296f, 1299, 1324­1326, ........................................................................... 1359, 1364f, 1370, 1384, 1387, 1416 Syrien ..................................1234­1236, 1239f, 1245, 1248­1250, 1254, 1262­1265, ........................................................ 1270, 1273, 1275­1277, 1279­1281, 1283­1288, .............................................1289, 1301, 1309, 1311­1313, 1327­1329, 1342f, 1346, ................................... 1350,1357, 1360, 1362, 1364, 1369f, 1374­1377, 1383, 1385f T Tadschikistan .......................................................................... 1265, 1318, 1366, 1398 Taiwan (Chinesisches Taipei)..................................................................... 1331, 1456 Tansania ..................................................................................................... 1326, 1390 Thailand ...................................................................................................... 1333, 1365 Togo ..................................................................................................................... 1324 Tonga.......................................................................................................... 1264, 1333 Tschad ......................... 1272, 1274­1276, 1278, 1280, 1292­1294, 1358, 1370, 1390 Tschechische Republik ......................................................................................... 1309 Tunesien ..................... 1236, 1268­1270, 1272, 1274, 1278, 1280, 1282, 1288­1290, ....................................1330, 1357, 1360, 1372, 1375, 1377f, 1390, 1416, 1444, 1454 Türkei ..................................1237, 1241, 1245, 1249, 1251, 1260­1262, 1276, 1282f, ................................. 1285, 1298, 1301f, 1312f, 1317, 1327, 1338, 1376, 1384, 1396, .......................................................................................................... 1416, 1440, 1452 Turkmenistan .............................................................................................1318, 1387f

1436

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U Ukraine .................................................... 1239, 1246, 1248, 1250, 1260, 1263, 1265, .......................................... 1270, 1272, 1298, 1302f, 1313, 1317f, 1334­1337, 1356f, ........................... 1360, 1364, 1369, 1372, 1378, 1385, 1402, 1407, 1417, 1439­1442 Ungarn ........................................................................................................ 1309, 1376 Uruguay ........................................................................................... 1271, 1322f, 1402 USA (Vereinigte Staaten von Amerika) ........... 1237, 1245­1249, 1260f, 1263, 1279, ......................................................................... 1283, 1287, 1299, 1310f, 1313f, 1319, ................................................................ 1322, 1327f, 1330, 1365f, 1401, 1410, 1420 V Venezuela .............................................................................................................1319 Vereinigte Arabische Emirate ................................................. 1272, 1274, 1277, 1420 Vereinigtes Königreich (Grossbritannien) .............. 1236f, 1245f, 1258f, 1267, 1299f, ...................................................................1303, 1309, 1395, 1401­1403, 1419, 1440 Vietnam .................................................. 1269, 1271, 1332f, 1334, 1365f, 1389, 1405 Z Zentralafrikanische Republik.................................................1322, 1326f, 1370, 1383 Zypern ........................................................................................................ 1264, 1350

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Anhang

Ergänzende Angaben zum Europarat 1 1.1

Organe Ministerkomitee

Die Diskussionen im Ministerkomitee waren auch im Berichtsjahr von terroristischen Anschlägen in verschiedenen Städten Europas und von der Frage geprägt, wie der Europarat (ER) auf den gewaltsamen Extremismus und die Radikalisierung, die zu Terrorismus führt, reagieren kann. Auf der Grundlage des im letzten Jahr verabschiedeten Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen vom 27. Januar 197751 zur Bekämpfung des Terrorismus fand eine umfassende thematische Debatte statt, in welcher die Schweiz die Wichtigkeit des Kampfs gegen den Terrorismus hervorhob. Gleichzeitig betonte sie aber, dass dabei die Werte der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit respektiert werden müssen. Sie wies auf ihr weltweites Engagement für die Gewaltprävention hin und liess ihre Erfahrungen einfliessen, dass eine gute Integration namentlich auch in den Arbeitsmarkt sowie ein lokaler Ansatz zur umfassenden Zusammenarbeit wichtige Elemente zur Verhinderung von Radikalisierung darstellten. Schliesslich unterstützte sie die Initiative des Generalsekretärs Thorbjørn Jagland zur Umsetzung eines Aktionsplans, der die Schaffung inklusiver Gesellschaften fördert.

Neben der Verhütung des Terrorismus stand die Flüchtlings- und Migrationskrise in Europa im Hauptfokus. Generalsekretär Jagland erinnerte alle Regierungschefs der Mitgliedstaaten des ER daran, dass die Europäische Menschenrechtskonvention52 (EMRK) für alle Personen auf dem europäischen Kontinent Gültigkeit habe, einschliesslich der aussereuropäischen Flüchtlinge, die sich in Europa befinden. Er forderte die Mitgliedstaaten auf, beim Empfang, bei der Unterbringung und bei den Asylverfahren die menschenrechtlichen Mindeststandards zu respektieren. Zu diesem Zweck ernannte der Generalsekretär einen Sondergesandten für Migration und Flüchtlinge mit der Aufgabe, die Flüchtlingssituation zu verfolgen und die Mitgliedstaaten bei der Einhaltung der Grundrechte der Flüchtlinge zu beraten und zu unterstützen. Dieser hat sich durch seine regelmässigen Besuche der durch die Flüchtlingskrise besonders betroffenen Regionen sowie durch die eingebrachte Expertise als geschätzter Gesprächspartner hervorgetan. Ein besonderes Augenmerk richtete das Ministerkomitee im Einklang mit den Vorschlägen des Generalsekretärs sowie der Parlamentarischen Versammlung (Initiierung
einer Kampagne zur Beendigung der Abschiebehaft für Kinder; Berichterstatterin ist eine Schweizer Parlamentarierin) auf den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die einen besonderen Schutz benötigten.

Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren stand die Krise in der Ukraine regelmässig auf der Agenda des Ministerkomitees. Anfangs 2016 entsandte der Generalsekretär eine Sondermission unter Führung des Schweizer Diplomaten Gérard 51 52

SR 0.353.3 SR 0.101

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Stoudmann auf die Krim mit dem Ziel, die Menschenrechtssituation zu analysieren sowie die Anwendung der Bestimmungen der EMRK auf der Halbinsel zu überprüfen. Ausgeschlossen vom Mandat waren Fragen bezüglich des Status der Krim. Als Hauptfolgerung strich die Mission die Notwendigkeit hervor, die Krim für die regulären Monitoring-Mechanismen des ER zu öffnen sowie pragmatische und innovative Lösungen zu suchen, damit diese unter den schwierigen Umständen funktionieren können. Das Ministerkomitee bekräftigte in einer neuerlichen Entschliessung die Unabhängigkeit, die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine innerhalb der international anerkannten Grenzen, verurteilte erneut die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch die Russische Föderation und äusserte seine tiefe Besorgnis über die Menschenrechtssituation auf der Krim. Es rief zum vollen und unlimitierten Zugang der Menschenrechtsorgane des ER zu allen Territorien einschliesslich der Krim auf, damit diese ihre Monitoring-Aktivitäten uneingeschränkt wahrnehmen können.

Auch an der 126. Tagung des Ministerkomitees vom 18. Mai in Sofia standen der Kampf gegen den Terrorismus, die Flüchtlingskrise sowie die Achtung der Menschenrechte in Konfliktgebieten im Zentrum der Diskussionen. Daneben stellte der Generalsekretär seinen dritten Bericht zur Situation der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit in Europa vor und kam dabei zu besorgniserregenden Schlüssen. Die Demokratie in Europa sei unter Druck, Grundrechte wie die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf Privatleben würden zunehmend eingeschränkt. In knapp der Hälfte der Mitgliedstaaten des ER würde die Sicherheit der Journalisten nicht zufriedenstellend garantiert und die Medienvielfalt sei ungenügend. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz sei unzureichend gewährleistet, Anlass zur Sorge böten politische Einflussnahmen, Korruption und die Nicht-Umsetzung richterlicher Entscheidungen. Der Bericht gibt eine Reihe von Empfehlungen ab, einschliesslich der Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz sowie des Schutzes von besonders verletzlichen Gruppen und von Menschenrechtsverteidigern.

Als einer der ersten hochrangigen Offiziellen stattete Generalsekretär Jagland der Türkei kurz nach dem Putschversuch einen Besuch ab und
verurteilte diesen in aller Deutlichkeit. Gleichzeitig forderte er die türkische Regierung auf, die rechtstaatlichen und menschenrechtlichen Prinzipien bei der Bewältigung der Krise einzuhalten. Eine Expertengruppe des Europarates gab Empfehlungen ab, wie die unter dem Ausnahmezustand ergriffenen Massnahmen mit der EMRK in Einklang zu bringen sind. Ebenso veröffentlichte die Venedig-Kommission eine Stellungnahme zu den verabschiedeten Ausnahme-Dekreten und deren Kompatibilität mit der EMRK. Der Menschenrechtskommissar forderte die Türkei auf, den Ausnahmezustand so rasch wie möglich zu beenden und zu den ordentlichen Rechtsverfahren zurückzukehren.

Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) verfasste nach erfolgter Ad-hoc-Visite einen Bericht zur Behandlung der Inhaftierten im Zuge der Bewältigung des Putschversuches. Auch die Schweiz verurteilte den Putschversuch im Ministerkomitee, zeigte sich aber mehrmals besorgt über die Massenentlassungen und Inhaftierungen zahlreicher Richter, Beamter, Lehrerinnen, Journalisten und Politikerinnen der Opposition und forderte die Türkei auf, die rechtstaatlichen Verfahren und die Prinzipien der EMRK zu respektieren. Das Ministerkomitee verabschiedete im Juni das Übereinkommen des ER über einen integralen Sicherheits-, 1439

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Gefahrenabwehr- und Dienstleistungsansatz für Fussballspiele und andere Sportveranstaltungen, der die Sicherheit während Sportanlässen mittels internationaler Zusammenarbeit stärkt. Das Übereinkommen wurde am 3. Juli am Rande der Fussballeuropameisterschaft in St. Denis von vierzehn Mitgliedstaaten unterzeichnet; die Schweiz gehörte zu den Erstunterzeichnern.

Im Berichtsjahr übernahm die Schweiz den Vorsitz über die Berichterstattergruppe des Ministerkomitees zu den Aussenbeziehungen des ER. Im Vordergrund standen die Nachbarschaftspolitik, die Beziehungen zur EU und zur OSZE sowie die Ausarbeitung einer zwei-jährlichen Resolution zur Zusammenarbeit des ER mit der UNO.

Ebenfalls hatte die Schweiz den Vorsitz über den «Human Rights Trust Fund» inne, einer Vereinigung aus Geberstaaten, die effiziente und schlanke Projekte zur Stärkung der Umsetzung der EMRK und der Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unterstützt. Neben der Schweiz sind Deutschland, Finnland, die Niederlande, Norwegen sowie das Vereinigte Königreich Mitglieder.

1.2

Parlamentarische Versammlung

Der Spanier Pedro Agramunt wurde für 2016­2017 als Nachfolger der Luxemburgerin Anne Brasseur zum Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER) gewählt. Aufgrund der im Raum stehenden Drohung, dass die PVER die Sanktionen gegen die russische Delegation beibehalten und den Stimmrechtsentzug weiterführen würde, entschloss sich die russische Delegation im Berichtsjahr, auf die Hinterlegung ihrer Akkreditierungen von vornherein zu verzichten und die Teilnahme an den PVER-Sessionen weiterhin zu boykottieren, wie dies bereits in den vorangehenden zwei Jahren der Fall gewesen war.

Die politische und humanitäre Situation in der Ukraine war wiederum Gegenstand verschiedener Debatten. In einer Resolution forderte die PVER die sofortige Freilassung von Nadja Sawtschenko und aller weiteren politischen Gefangenen in der Ostukraine, in der russischen Föderation und der Krim als prioritären Schritt im Rahmen der Umsetzung des Minsker Abkommens. Nach ihrer Freilassung Mitte Jahr nahm Sawtschenko als ukrainische Parlamentarierin an der PVER teil und forderte, dass der russischen Delegation nicht erlaubt werden dürfe, mit vollen Rechten in die Versammlung zurückzukehren, solange weiterhin Ukrainer in der Russischen Föderation gefangen seien und die Rechte der Ukraine nicht respektiert würden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Debatten war die Flüchtlings- und Migrationskrise.

Verschiedentlich debattierte die PVER über die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, ohne jedoch zu einem Konsens zu gelangen, wie auf die Herausforderungen in der Migrationskrise reagiert werden sollte. In den Debatten zur Terrorismusbekämpfung wurde festgehalten, dass dabei die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit sowie die weiteren gemeinsamen Werte des ER eingehalten werden müssen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten wurden aufgerufen, im Kampf gegen den Terrorismus ausschliesslich notwendige und verhältnismässige Massnahmen zu ergreifen. EUKommissionspräsident Juncker widmete sich in seiner Rede vor der PVER der Zusammenarbeit zwischen dem ER und der EU und betonte, dass beide Organisati1440

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onen auf demselben Fundament stünden und sich für die gleichen Werte einsetzten.

Dabei bezeichnete er den ER als den Referenzpunkt für die Menschenrechte und bestätigte, dass ein starker und unabhängiger ER im Interesse beider Organisationen sei. Im Hinblick auf die Migrationskrise und die Terrorattacken befinde sich Europa in einer schwierigen Situation, sagte er, und lobte das Engagement des ER in der Migrationsfrage. Die europäische Zusammenarbeit sei auch in der Terrorismusbekämpfung von grosser Wichtigkeit, wie dies die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls über ausländische Terrorkämpfer zum Europäischen Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus verdeutliche. So spiele der ER eine wichtige Rolle bei der Wahrung des Gleichgewichts zwischen Sicherheit und Freiheit. In diesem Zusammenhang bezeichnete er den Beitritt der EU zur EMRK als eine politische Priorität der EU-Kommission.

Der französische Präsident François Hollande äusserte sich ebenfalls vor der PVER zur Situation des Ausnahmezustands in Frankreich seit den terroristischen Attacken vom November 2015 und beteuerte, dass sein Land die Grundrechte weiterhin uneingeschränkt garantiere. Weiter schlug er vor, während des französischen Vorsitzes des Ministerkomitees im Jahre 2019 ein Gipfeltreffen auf Stufe Staatschefs zu organisieren. Die Anfrage des jordanischen Parlaments um Gewährung des Statuts als Partner für Demokratie wurde gutgeheissen, womit Jordanien neben dem marokkanischen, palästinensischen und kirgisischen Parlament das vierte Land ist, dem dieses Statut gewährt wird.

1.3

Kongress der Gemeinden und Regionen Europas

Die Schweizer Kongressdelegation, bestehend aus Gemeinde- und Kantonsvertretern, nahm an beiden Sessionen des Jahres 2016 teil, die der Jahresthematik «Ethik und Transparenz auf lokaler und regionaler Ebene» gewidmet waren. Im Kontext der Flüchtlings- und Migrationskrise befasste sich der Kongress in seiner Märzsession mit der Integration von Migrantinnen und Migranten und mit der Bekämpfung von Menschenhandel auf lokaler Ebene. Im Rahmen der Überwachung der Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. Oktober 198553 diskutierten die Kongressmitglieder zudem Berichte zur Situation der lokalen und regionalen Demokratie in Frankreich und der Slowakischen Republik und führten einen Dialog zu den Folgearbeiten in Armenien, Georgien und der Ukraine.

Letztere Debatte wurde durch einen Schweizer Parlamentarier geleitet, welcher der zuständigen Kommission als Präsident vorstand.

Im Sommer nominierte Bundesrat Burkhalter die Delegationsmitglieder für die Periode 2016­2020. Die neu zusammengestellte Delegation nahm daraufhin an der Oktobersession in Strassburg teil. Neben einer neuen Kongresspräsidentin, wählten die Delegierten auch neue Vorsteher der beiden Kammern und der drei Komitees.

Der Präsident der Schweizer Delegation wurde dabei in ein Vizepräsidium im Monitoringkomitee gewählt. Wichtige Diskussionsthemen während der Plenarsession waren die Prävention von Korruption und die Zweckentfremdung öffentlicher Gelder für Wahlkampagnen. Zusätzlich wurden die Prioritäten des Kongress für die 53

SR 0.102

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Jahre 2017­2020, sowie eine Resolution mit dem Ziel, die Frauenbeteiligung auf lokaler und regionaler Ebene zu erhöhen, verabschiedet. Im Berichtsjahr beteiligten sich Schweizer Kongressmitglieder namentlich an der Beobachtung von Lokalwahlen in Armenien und Bosnien und Herzegowina. Ausserdem arbeiteten sie an Monitoring-Berichten zur Einhaltung der oben genannten Charta mit.

2 2.1

Menschenrechte Lenkungsausschuss für Menschenrechte

Der Lenkungsausschuss für Menschenrechte (CDDH) hat sich im Berichtsjahr weiter mit der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) befasst. Er hat in diesem Zusammenhang zuhanden des Ministerkommitees einen Bericht verabschiedet über die Massnahmen, welche die Vertragsstaaten der EMRK in Umsetzung der Brighton-Erklärung von 2012 auf innerstaatlicher Ebene getroffen haben. Ausserdem hat er die Arbeiten seiner Unterausschüsse genehmigt, die sich mit den Themen Richterwahlen an den Gerichtshof, effiziente Umsetzung der Urteile durch die Staaten sowie Überprüfung von Gesetzesentwürfen auf ihre EMRKKompatibilität hin befasst haben.

Im Bereich Entwicklung und Förderung der Menschenrechte hat der CDDH unter anderem eine rechtliche Analyse betreffend Massnahmen gegen Genitalverstümmelung und Zwangsheiraten verabschiedet. Weiter hat er die von den jeweiligen Berichterstattern vorbereiteten Arbeitsskizzen genehmigt, welche die Grundlage bilden für die künftigen Arbeiten zu den Themen Sozialrechte, Meinungsfreiheit im Verhältnis zu anderen Menschenrechten, Migration und Menschenrechte sowie nationale Menschenrechtsinstitutionen. Die Behandlung dieser Themen hatte der CDDH als für die kommenden Jahre prioritär angesehen. An seiner Sitzung vom Dezember hat er sich über den Fortgang der jeweiligen Arbeiten orientieren lassen und mit Befriedigung von den erzielten Fortschritten Kenntnis genommen.

Am 3. März hat der Ministerrat Empfehlungen über Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Die Empfehlungen basieren weitgehend auf den Leitprinzipien der UNO aus dem Jahr 2011. Sie enthalten Richtlinien, welche die Mitgliedsstaaten dabei unterstützen sollen, Menschenrechtsverletzungen durch Wirtschaftsunternehmen zu verhindern und zu beseitigen, und fordern die Staaten auf, Massnahmen zu ergreifen, welche die Wirtschaft zur Achtung der Menschenrechte veranlassen.

Etwas eingehender befassen sich die Empfehlungen mit dem Aspekt des Zugangs zu Rechtsbehelfen unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Expertise und der Rechtsnormen des ER, unter anderem die zivil- und strafrechtliche Haftung, Reduzierung rechtlicher Barrieren, Prozesskostenhilfe und Kollektivbeschwerden. Die Empfehlungen stellen keine blosse Wiederholung der UNO-Leitprinzipien dar, sondern konkretisieren diese teilweise. In Bezug
auf ihre Verbindlichkeit gehen sie durchwegs etwas weiter als die UNO-Leitprinzipien. Für Juni 2017 plant der CDDH ein hochrangiges Seminar zu den nun abgeschlossenen Arbeiten. Er setzt damit die Empfehlung Rec(2016)3 über Menschenrechte und Unternehmen um, die das Ministerkomitee am 2. März 2016 verabschiedet hat.

1442

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2.2

Die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Im Berichtszeitraum fällte der Gerichtshof in Schweizer Beschwerdefällen zehn Urteile. In fünf Urteilen wurde mindestens eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt. Die zehn Urteile waren (in chronologischer Reihenfolge):54

54

­

Di Trizio (2. Febr. 2016): Verletzung des Diskriminierungsverbots (Art. 14 EMRK) in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) durch die Bemessung der Invalidität nach der sogenannten gemischten Methode.

­

Meier (9. Febr. 2016): Keine Verletzung des Verbots der Zwangsarbeit (Art. 4 EMRK) durch Arbeitsverpflichtung eines Strafgefangenen im Pensionsalter.

­

Bédat (29. März 2016; Grosse Kammer): Keine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) durch Verurteilung eines Journalisten zu einer Busse wegen Veröffentlichung von Unterlagen aus einer strafrechtlichen Voruntersuchung, die unter das Untersuchungsgeheimnis fielen.

­

Derungs (10. Mai 2016): Verletzung des Rechts auf gerichtliche Haftprüfung innerhalb kurzer Frist (Art. 5 Abs. 4 EMRK) durch elfmonatige Dauer bis zur gerichtlichen Entscheidung über Haftentlassungsgesuch. Keine Verletzung des Rechts auf gerichtliche Haftprüfung (Art. 5 Abs. 4 EMRK) durch Ablehnung einer persönlichen Anhörung durch das Verwaltungsgericht.

­

Cicad (7. Juni 2016): Keine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK) durch Feststellung eines Zivilgerichts, dass die Qualifikation von Äusserungen eines Politikwissenschaftsprofessors als antisemitisch dessen Persönlichkeit verletzte, und durch Verpflichtung, den verletzenden Artikel von der Webseite zu entfernen.

­

Al-Dulimi et Montana Management Inc. (21. Juni 2016; Grosse Kammer): Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) wegen fehlender gerichtlicher Kontrolle von UNO-Sanktionen (schwarze Listen).

­

Naït-Liman (21. Juni 2016): Keine Verletzung des Rechts auf Zugang zum Gericht (Art. 6 Abs. 1 EMRK) durch Nichteintreten der Zivilgerichte auf eine Schadenersatzklage wegen behaupteter Folter in Tunesien.

­

Rivard (4. Okt. 2016): Keine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem (Art. 4 Abs. 1 Prot. Nr. 7 zur EMRK) durch strafrechtliche Sanktion und Führerausweisentzug für gleiche Tat.

Ausführlichere Zusammenfassungen der Schweizer Fälle (und wichtiger Fälle betreffend andere Staaten) werden seit 2008 in den Quartalsberichten des Bundesamtes für Justiz publiziert: www.bj.admin.ch > Staat & Bürger > Menschenrechte > Rechtsprechung des EGMR.

1443

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­

Vukota-Boji (18. Okt. 2016): Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) wegen ungenügender gesetzlicher Grundlage für die Observierung durch Unfallversicherung. Keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) durch Verwertung der Observationsergebnisse.

­

El Ghatet (8. Nov. 2016): Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatund Familienlebens (Art. 8 EMRK) durch Abweisung des Gesuchs um Familiennachzug.

2.3 2.3.1

Diskriminierung und Rassismus Bekämpfung des Rassismus

Der Bericht und die Empfehlungen der Delegation der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) von 2014 fordern einen Zwischenbericht zur Umsetzung von zwei Empfehlungen. Diese betreffen einerseits die Kompetenzen und Ressourcen der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), andererseits die Einrichtung unabhängiger Stellen zur Bekämpfung der Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender- und intersexuellen Personen (LGBT). Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) hat als das für die Berichterstattung an das ECRI inhaltlich koordinierende Organ die Stellungahme zu diesen beiden Punkten erarbeitet, dies in Zusammenarbeit mit den für spezifische Themen zuständigen Stellen und der für ECRI zuständigen Stelle des EDA. Im Rahmen ihrer Aktivtäten gegen jede Form der rassistischen Diskriminierung hat sich die FRB insbesondere den Themen Jenische, Sinti und fahrende Minderheiten, Muslim- und Judenfeindlichkeit sowie Rassismus gegenüber Schwarzen gewidmet.

In den vier genannten Bereichen werden zahlreiche Projekte durchgeführt und finanziell unterstützt (2016 wurden rund 15 Projekte mit ca. 160 000 CHF unterstützt).

2.3.2

Minderheitenschutz

Die Schweiz hat das Rahmenübereinkommen vom 1. Februar 199555 zum Schutz nationaler Minderheiten 1998 ratifiziert. Sie anerkennt die sprachlichen Minderheiten, die jüdische Gemeinschaft sowie Jenische, Sinti und Manische mit Schweizer Staatsangehörigkeit ­ ob sie nun nomadisch leben oder sesshaft sind ­ als nationale Minderheiten im Sinne des Übereinkommens. Zur Vorbereitung des vierten Berichts zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens, der dem Europarat Anfang 2017 zur Prüfung durch den Beratenden Ausschuss des Rahmenübereinkommens und das Ministerkomitee unterbreitet werden soll, führte das EDA im Berichtsjahr eine fachtechnische Konsultation bei den Kantonen durch. Über das EDA und das EDI engagierte sich die Schweiz auch 2016 im Ad-hoc-Sachverständigenausschuss für Fragen von Roma und Fahrenden (CAHROM). Im Rahmen des Dialogs mit der Zivilgesellschaft der Roma und der Fahrenden, der anlässlich der Plenartagung des 55

SR 0.441.1

1444

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CAHROM im November 2016 stattfand, wurde eine Podiumsdiskussion zur Lebensweise der nomadischen oder halbnomadischen Roma und Fahrenden organisiert. Daran nahmen Vertreterinnen und Vertreter der Schweizer Sinti und Jenischen teil.

Im Dezember 2015 veröffentlichte die Schweiz ihren sechsten Bericht über die Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen vom 5. November 199256. Dieser legt die von der Schweiz ergriffenen Massnahmen zur Umsetzung der Bestimmungen der Charta dar. Im Rahmen der regelmässigen Überwachung der Anwendung der Charta in den Unterzeichnerstaaten stattete der Sachverständigenausschuss der Charta der Schweiz im Mai einen Besuch ab. Der Ausschuss traf Vertreterinnen und Vertreter von Bundes- und Kantonsbehörden, die für die Förderung der Regional- und Minderheitssprachen in der Schweiz zuständig sind, sowie Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen Minderheiten. Im Herbst 2016 übergab der Europarat der Schweiz seinen Evaluationsbericht. Dieser umfasst Fragen und Vorschläge des Sachverständigenausschusses zu den Minderheitssprachen sowie drei Empfehlungen des Ministerkomitees an die Schweiz: 1. Weiterführung der Massnahmen zur regelmässigen Verwendung des Italienischen im öffentlichen Sektor des Kantons Graubünden, 2. Ergreifen von Massnahmen, damit das Romanische bei der Fusion von Bündner Gemeinden nicht diskriminiert wird, und 3.

Anerkennung des Frankoprovenzalischen gemäss Teil II der Charta. Die Schweizer Behörden werden 2017 mit der Umsetzung der Empfehlungen beginnen.

2.3.3

Gleichstellung von Frau und Mann

Die Schweiz nahm Ende Juni / Anfang Juli 2016 an der Konferenz der Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter (GEC) des Europarats teil, welche Estland in Tallinn organisierte. Thema waren die Evaluation der fünf Ziele der Strategie 2014­ 2017 des Europarats und die geplante neue Strategie. Die Konferenz legte besonderes Gewicht auf die Auswirkungen der sozialen Medien auf die Gleichstellung von Frau und Mann sowie auf elektronische Lösungen. Zudem diskutierte ein hochrangiges Panel über die Prioritäten der nächsten Europaratsstrategie und skizzierte verschiedene Empfehlungen, vor allem für Massnahmen zugunsten von Migrantinnen und die Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern für die Geschlechtergleichstellung.

Anlässlich der zehnten Sitzung der GEC im November stellte die Schweiz das Lohnanalyse-Instrument Logib für Unternehmen, die damit gemachten Erfahrungen auf nationaler und internationaler Ebene und die Verwendung der Software im Rahmen von öffentlichen Aufträgen vor. Die Mitgliedstaaten zeigten sich sehr interessiert. Mehrere Staaten haben das Instrument implementiert oder werden es demnächst implementieren. An der gleichen Sitzung wirkte die Schweiz ausserdem in einer Arbeitsgruppe mit, die sich mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für eine Empfehlung zur Bekämpfung des Sexismus befasste.

56

SR 0.441.2

1445

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2.3.4

Verhütung von Folter

Der europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter (CPT) verabschiedete an seiner Plenarversammlung Anfang November 2015 den Bericht über seinen Besuch in der Schweiz im April 2015. Der Bericht wurde Ende Dezember 2015 den Schweizer Behörden unterbreitet und im Juni 2016 zusammen mit der Stellungnahme des Bundesrats veröffentlicht. Der Ausschuss, der Polizeieinrichtungen, Strafanstalten und psychiatrische Kliniken besuchte, erhielt nur sehr wenige Beschwerden oder Hinweise, die darauf schliessen lassen, dass es in der Schweiz zu Folter oder schweren Misshandlungen kommt. Er empfahl den Schweizer Behörden aber insbesondere, vermehrte Anstrengungen zu unternehmen, um Inhaftierte mit schweren psychischen Störungen nicht in Hochsicherheitsabteilungen, sondern in geeigneten Einrichtungen unterzubringen.

An seiner Plenarsitzung im März diskutierte der Ausschuss namentlich über seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der massiven irregulären Migration nach Europa.

Im April rief er die Staaten dazu auf, die Behandlung von lebenslänglich verurteilten Personen zu überdenken. Er rief insbesondere in Erinnerung, dass lebenslängliche Gefängnisstrafen ohne Aussicht auf Entlassung unmenschlich sind. Anlässlich des Internationalen Tags zur Unterstützung der Folteropfer am 26. Juni wiesen der CPT und der Unterausschuss der Vereinten Nationen zur Verhütung von Folter darauf hin, dass die Wahrung der Würde von inhaftierten Personen angesichts der globalen Instabilität und Wirtschaftskrise wichtiger denn je sei.

2.4

Rechte des Kindes

Das Ministerkomitee verabschiedete am 2. März 2016 die neue sechsjährige Strategie des Europarats für die Rechte des Kindes, die die Jahre 2016­2021 abdeckt. Sie umfasst fünf Schwerpunktthemen: Chancengleichheit für alle Kinder, Partizipation, gewaltfreies Leben, kindgerechte Justiz und digitale Rechte des Kindes. Am 3. März genehmigte das Ministerkomitee das einjährige Mandat des neuen Ad-hocAusschusses für die Rechte des Kindes (CAHENF), der insbesondere die Aufgabe hat, die Umsetzung der Strategie 2016­2021 zu koordinieren, deren Auswirkungen zu evaluieren und dafür zu sorgen, dass die Perspektive der Kinderrechte im Europarat und in den Mitgliedstaaten gefördert wird. Die erste Sitzung des CAHENF fand am 28. und 29. September in Strassburg statt.

2.5

Bioethik

Der Ausschuss für Bioethik des Europarats (DH-Bio) leitete verschiedene Projekte im Jahr 2016: Der Entwurf eines neuen Zusatzprotokolls zur Biomedizin-Konvention, zum Schutz der Würde und der Grundrechte von Personen mit psychischen Krankheiten im Hinblick auf Zwangsmassnahmen, hat in der öffentlichen Anhörung deutliche Kritik erfahren. Dies nicht zuletzt seitens der PVER, die jeden Bezug zu einer psychischen Krankheit als Indikation für eine Zwangsmassnahme als Ausdruck von Diskriminierung betrachtet und keine Formulierung in dieser Hinsicht akzep1446

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tiert. Das weitere Vorgehen ist derzeit noch nicht definitiv beschlossen. Die Schweiz ist aktiv über mehrere Delegationen in verschiedenen Gremien des Europarats in die Diskussion involviert.

Im Hinblick auf die Studien zu Tendenzen in neuen und künftigen Technologien (Genetik, Big Data, Neurowissenschaften, Nanotechnologien) sowie zu deren ethischen Aspekten wurde beschlossen, die Ergebnisse nach Kräften in die öffentliche Debatte einzubringen. Hierzu wird eine Umfrage vorbereitet, mit der geeignete Praktiken zur Hebung des öffentlichen Interesses in Erfahrung gebracht und evaluiert werden können. Die Ergebnisse sollen in die weitere strategische Planung einfliessen. Ferner hat das DH-Bio entschieden, eine Stellungnahme zum Verbot der Kommerzialisierung in der Bioethik auszuarbeiten, als Hilfsmittel zur Interpretation von Artikel 21 des Übereinkommens vom 4. April 1997 über Menschenrechte und Biomedizin57 (Oviedo-Konvention). Der erste Vorschlag wurde diskutiert und wird weiter bearbeitet werden. Die Schweiz wird den Prozess aufmerksam verfolgen.

2.6

Medien und Informationsgesellschaft

Die Schweiz ist durch den Dienst Internationales des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) im Lenkungsausschuss für die Medien und die Informationsgesellschaft (CDMSI) vertreten. Sie ist auch in den Sachverständigenausschüssen für Medienvielfalt und Transparenz von Medieneigentum (MSI-MED) und zu InternetVermittlern (MSI-NET) vertreten. Der CDMSI finalisierte und verabschiedete seine Kommentare zur Empfehlung der parlamentarischen Versammlung 2089(2016) zum Thema geistige Eigentumsrechte im digitalen Zeitalter, und beschloss diese dem Ministerkomitee zu übermitteln. Er führte einen Workshop zur Umsetzung der Standards des ER zum Schutz von Journalisten durch und nahm Kenntnis von den Erfahrungen der Online-Plattform, welche die Umsetzung der Standards unterstützt und vor einem Jahr lanciert wurde.

Der CDMSI begrüsste die Verabschiedung folgender Empfehlungen: der Empfehlungen CM/Rec(2016)1 zum Schutz und zur Förderung des Rechts auf freie Meinungsäusserung und des Rechts auf Privatleben im Zusammenhang mit der Neutralität des Netzes; der Empfehlung CM/Rec(2016)4 zum Schutz des Journalismus und der Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren; der Empfehlung CM/Rec(2016)5 zu Internetfreiheit; und der Internet-Governance-Strategie 2016­ 2019 des ER. Er nahm Kenntnis vom Bericht des Generalsekretärs Jagland zur «Internet Governance Strategie 2012­2015», von den Vorbereitungsarbeiten des nächsten «UN Internet Governance Forum 2016» in Guadalajara und einer Information zum Europäischen Dialog zur Internet Gouvernanz, der in Brüssel stattfand. Der CDMSI diskutierte den Arbeitsplan und den Arbeitsfortschritt der Sachverständigenausschüsse MSI-MED und MSI-NET. Was den MSI-MED betrifft, diskutierte der CDMSI den Entwurf der Empfehlung des Ministerkomitees zu Medienvielfalt und Transparenz von Medieneigentum, begrüsste dessen Struktur und machte Vorschläge für die weiteren Arbeiten.

57

SR 0.810.2

1447

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Der MSI-NET hielt 2016 zwei Sitzungen ab, in denen die Arbeiten zu einer Empfehlung über die Rollen und Verantwortungen von Internetdienstleistern und einer Studie über die menschenrechtlichen Implikationen von Algorithmen in Angriff genommen wurden, deren Fertigstellung für das erste Semester 2017 vorgesehen ist.

Darüber hinaus wurde das Komitee beauftragt, eine allfällige Aktualisierung der menschenrechtlichen Richtlinien für Internetdienstanbieter ins Auge zu fassen. Die Schweiz setzt sich in diesen Arbeiten für eine ausgewogene Aktualisierung und Weiterentwicklung des entsprechenden Acquis des ER ein, die den letzten sozialen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen sollen.

3 3.1

Rechtsstaatlichkeit Völkerrecht: Ad-hoc-Ausschuss der Rechtsberater für Völkerrecht

Im Ad-hoc-Ausschuss der Rechtsberater für Völkerrecht (CAHDI) des ER treffen sich zweimal jährlich die Rechtsberater der Aussenministerien der Mitgliedstaaten zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Die Schweiz nimmt regelmässig an den Treffen des CAHDI teil. Das Forum bietet der Schweiz Gelegenheit, über aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen zu diskutieren, Erfahrungen zu Fragen der nationalen Umsetzung völkerrechtlicher Normen auszutauschen sowie Stellungnahmen unter den Mitgliedstaaten des ER zu koordinieren.

Eine wichtige Aufgabe des CAHDI ist die Beobachtung der Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen. Die Schweiz prüft die Vorbehalte anderer Staaten sehr sorgfältig und bringt, falls sie einen Vorbehalt als unzulässig erachtet, einen Einwand dagegen vor. Das CAHDI prüft an jeder Sitzung eine Liste mit Vorbehalten, gegen die Bedenken geäussert wurden. Die diesbezüglichen Diskussionen im CAHDI erlauben es, Fragen bezüglich Interpretation von Vorbehalten zu diskutieren und die Haltung der Mitgliedstaaten gegenüber möglicherweise unzulässigen Vorbehalten abzustimmen. Wenn eine gewisse Zahl von Vertragsparteien eines bestimmten Vertrags Bedenken gegen einen Vorbehalt eines Staates äussert, kann dies Letzteren zum Rückzug oder zur Abschwächung des Vorbehalts bewegen.

Auf diese Weise kann die Schweiz über die Diskussionen im CAHDI direkt zum Erhalt der Integrität des Völkerrechts, vor allem im Bereich Menschenrechte, beitragen und ihre Beziehungen mit anderen Vertragsstaaten pflegen.

3.2 3.2.1

Strafrecht Bekämpfung des Menschenhandels

Die Schweiz erstellte 2016 einen neuen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, der die Jahre 2017­2020 abdeckt. Er beruht auf den Empfehlungen, die der Ausschuss der Vertragsparteien des Übereinkommens vom 16. Mai 200558 zur Bekämpfung des Menschenhandels der Schweiz am 30. November 2015 übermittelt 58

SR 0.311.543

1448

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hatte. Am 6. April 2016 veröffentliche die Schweiz die beim Schweizerischen Forum für Migrations- und Bevölkerungsstudien der Universität Neuenburg in Auftrag gegebene explorative Standortbestimmung über die Arbeitsausbeutung im Kontext von Menschenhandel. Dieser Bericht bildet die erste Etappe im Hinblick auf die wirksamere Bekämpfung des Menschenhandels zwecks Arbeitsausbeutung in der Schweiz, wie sie die Expertengruppe des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) in ihrem Evaluationsbericht zur Umsetzung des Übereinkommens durch die Schweiz fordert. Zudem nahm die Schweiz am 23. Mai an der 18. und am 4. November an der 19. Sitzung des Ausschusses der Vertragsparteien des Übereinkommens teil.

3.2.2

Cyberkriminalität

Das Übereinkommen vom 23. November 200159 über die Cyberkriminalität ist für die Schweiz am 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Ein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf hat sich bezüglich des Straftatbestandes des unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem (Art. 143bis des Strafgesetzbuchs60, sog. HackingTatbestand) und bezüglich der internationalen Zusammenarbeit (Art. 18b des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198161) ergeben. Das Bundesamt für Justiz, das dem Büro angehört, das die Arbeit des Ausschusses vorbereitet, und die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) nehmen an den Treffen des «Convention Committee on Cybercrime» (T-CY) in Strassburg teil. Im Zentrum der internationalen Gespräche stehen Fragen zum grenzüberschreitenden Zugriff auf Computerdaten (Art. 32 des Übereinkommens über Cyberkriminalität) und zu den Herausforderungen im Umgang mit Cloud-Diensten.

3.2.3

Organhandel

Die Konvention des Europarates gegen den Organhandel wurde am 9. Juli 2014 vom Ministerkomitee angenommen und liegt seit dem 25. März 2015 zur Unterzeichnung auf. Die Schweiz unterstützt die Ziele der Konvention vollumfänglich und hat die Konvention nach gründlicher Prüfung der rechtlichen Folgen einer Ratifikation am 10. November 2016 unterzeichnet. Die Schweiz verfügt bereits über eine solide Rechtsgrundlage zur Bekämpfung dieser Form des Handels, die Ratifizierung der Konvention erfordert jedoch noch einzelne Anpassungen des Transplantationsgesetzes vom 8. Oktober 201462.

Der Lenkungsausschuss für Organtransplantationen (CD-P-TO) hat sich im Berichtsjahr mit Aspekten der Förderung der Qualität und der Sicherheit der Organe, Gewebe und Zellen befasst, die für eine Transplantation bestimmt sind. Die Bekämpfung des Handels mit Gewebe und Zellen menschlichen Ursprungs und die Notwendigkeit, ein Protokoll in diesem Bereich auszuarbeiten, waren weitere wich59 60 61 62

SR 0.311.43 SR 311.0 SR 351.1 SR 810.21

1449

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tige Traktanden. Für die Schweiz von besonderem Interesse waren die Diskussionen im Rahmen eines neuen Projekts des CD-P-TO mit dem Titel «Impact of Oocyte Banking on Donor Situation». Eine Expertengruppe des CD-P-TO arbeitete an einer Broschüre für Frauen mit dem Titel «Women's Guide to Informed Choices on Medically Assisted Reproductive Options». Die Broschüre hat zum Ziel, die Kompetenzen der Frauen in gesundheitlichen Fragen zu stärken, beispielsweise was die Fruchtbarkeit oder die Möglichkeiten und Grenzen der Reproduktionsmedizin angeht.

3.2.4

Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt

Das Europarats-Übereinkommen vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) trat am 1. August 2014 in Kraft. Es ist das erste verpflichtende Instrument auf europäischer Ebene zum Schutz der Frauen und Mädchen vor allen Formen von Gewalt, einschliesslich häuslicher Gewalt. Ziel der Konvention ist die Prävention, die Verfolgung und die Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen. Sie zielt auch darauf ab, die Diskriminierung der Frauen zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Dabei legt sie das Schwergewicht auf die Rechte, den Schutz und die Hilfe für die Opfer. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 11. September 2013 unterzeichnet. Der Bundesrat hat die Botschaft am 2. Dezember verabschiedet.

3.2.5

Überstellung verurteilter Personen

Das Übereinkommen vom 21. März 198363 über die Überstellung verurteilter Personen ermöglicht es ausländischen Strafgefangenen, für die Strafverbüssung in ihren Heimatstaat zurückzukehren, vorausgesetzt, die betroffenen Staaten und die verurteilte Person sind mit der Überstellung einverstanden. Das Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 199764 zu diesem Übereinkommen sieht eine Überstellung auch ohne Zustimmung der betroffenen Person vor, wenn die verurteilte Person während des Strafvollzugs aus dem Urteilsstaat geflüchtet ist und wenn gegen die verurteilte Person im Urteilsstaat eine Aus- oder Wegweisungsverfügung vorliegt. Die Umsetzung dieser Bestimmungen bereitete Probleme, weshalb eine Änderung des Protokolls notwendig wurde.

Der Sachverständigenausschuss über die Funktionsweise der europäischen Übereinkommen im Bereich des Strafrechts (PC-OC), der von der Schweiz präsidiert wird, hat 2016 den Protokollentwurf zur Änderung des Protokolls von 1997 angenommen.

Dieser wurde vom Europäischen Ausschuss für Strafrechtsfragen (CDPC) verabschiedet und dem Ministerkomitee unterbreitet. Die Änderungen bezwecken eine Ausdehnung des Geltungsbereichs des Protokolls von 1997. Sie definieren die Regeln für die Übertragung des Strafvollzugs in folgenden Fällen: a) Die verurteilte 63 64

SR 0.343 SR 0.343.1

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Person ist aus dem Urteilsstaat in ihren Heimatstaat geflüchtet und entzieht sich so in der Mehrzahl der Fälle faktisch der Strafverbüssung, und b) gegen die verurteilte Person liegt im Urteilsstaat eine Aus- oder Wegweisungsverfügung nach Entlassung aus dem Vollzug vor. Die Staaten haben die Möglichkeit zu erklären, dass sie diese neuen Bestimmungen vorübergehend anwenden werden.

3.3

Drogen

Die Pompidou-Gruppe wurde im Jahr 1971 auf Initiative des damaligen französischen Präsidenten Georges Pompidou gegründet. 1980 wurde sie in die Organisation des ER eingegliedert und zählt heute 38 Mitgliedsstaaten. Hinzu kommt Mexiko als Beobachterstaat. Die Pompidou Gruppe koordiniert unter den Mitgliedsländern Aspekte der Drogenpolitik, die von gemeinsamem Interesse sind und soll Politik, Wissenschaft und tägliche Drogenarbeit vernetzen. Die offenen Diskussionsforen, frei von rechtlich oder politisch bindender Wirkung, sind für alle Mitgliedstaaten von grosser Bedeutung, da sie eine Voraussetzung für eine innovative Politik darstellen. Für die Schweiz ist die Pompidou-Gruppe nach wie vor das einzige Gremium, an dem sie sich mit europäischen Staaten über drogenpolitische Themen austauschen kann. Im Gegensatz dazu stehen der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Gruppe, darunter auch den Nicht-EU-Staaten Norwegen und Türkei, die Fora der Europäischen Union für den drogenpolitischen Austausch zur Verfügung.

In der ersten Hälfte des Jahres konzentrierten sich die Arbeiten auf Vor- und Nachbereitung der Sondersession der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem (UNGASS), wo die Pompidou-Gruppe prominent auftrat. So verlas deren Präsident, der norwegische Gesundheitsminister, eine Erklärung zu Gesundheitsaspekten und Menschenrechten in der Drogenpolitik. Zudem organisierte die Gruppe zwei Veranstaltungen am Rande der UNGASS zu den Themen «Menschenrechte im Drogenbereich» und «Behandlung von Substanzmissbrauch Jugendlicher». In der zweiten Hälfte des Jahres fanden durch die Gruppe organisierte technische Treffen zu den Themen «Neue Psychoaktive Substanzen NPS», «Genderfragen in der Drogenpolitik» und «Antworten des Justizsystems auf drogenabhängige Gefängnisinsassen» statt. Zudem feierte das mediterrane Netzwerk der Gruppe, MedNet, sein zehnjähriges Bestehen.

Die Schweiz, vertreten durch den Direktionsbereich Bundeskriminalpolizei des Bundesamtes für Polizei (fedpol), präsidiert seit dem 1. Januar 2011 die FlughafenGruppe (Airports Group) und führt den Vorsitz auch im Arbeitsprogramm 2015­ 2018 weiter. Die Gruppe besteht aus Zoll-, Grenzwacht- und Polizei-Vertretern mit der Aufgabe, Kontrollmassnahmen im Drogenbereich auf europäischen Flughäfen zu harmonisieren und zu verbessern. Im
Jahr 2016 wurde im Rahmen des Programms «Gesetzesvollzug» das 31. Jahrestreffen der Flughafen-Gruppe durchgeführt. Am Treffen nahmen Vertreter verschiedener internationaler Organisationen sowie Vertreterinnen und Vertreter von ehemaligen Mitgliedstaaten der PompidouGruppe teil. Im Oktober wurde das Jahrestreffen des «International Network on Precursor Control» und im Dezember das Jahrestreffen im Bereich «Drug related Cybercrime» durchgeführt. Die Bundeskriminalpolizei hat sich, aufgrund ihrer festgelegten kriminalstrategischen Priorisierung und ihrer Ressourcenlage, 2016 aus 1451

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den Netzwerken in den Bereichen Vorläuferchemikalien und Internetkriminalität zurückgezogen.

3.4

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Der Bundesrat hat am 24. August65 die Botschaft zur Ratifikation des Zusatzprotokolls zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. Oktober 1985 verabschiedet. Der Lenkungsaussschuss für Demokratie und Regierungsführung (CDDG) trat am 19. und 20. Mai zusammen. Er überprüfte den Referenzrahmen seiner Schwerpunkttätigkeiten und führte einen Meinungsaustausch zu EDemocracy und E-Governance durch. Ausserdem befasste er sich mit den Leitlinien für die Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungen.

3.5

Venedig-Kommission, Beirat der Europäischen Richter, Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz

Die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) ist eine Einrichtung des ER, die Staaten verfassungsrechtlich berät. Im Jahr 2016 hat die Kommission keine Gutachten oder Berichte spezifisch zur Schweiz erstellt. Von Interesse für die Schweiz sind jedoch folgende Richtlinien, Studien und Kompilationen: ­

Richtlinien zur Verhinderung und Ahndung des Missbrauchs von Verwaltungsressourcen bei Wahlenvefahren (gemeinsam mit OSCE/ODIHR), publiziert unter CDL-AD(2016)004

­

Checkliste zum Rechtsstaatsprinzip, publiziert unter CDL-AD(2016)007

­

Zusammenstellung von Gutachten und Berichten der Venedig-Kommission betreffend politische Parteien, publiziert unter CDL-PI(2016)003

­

Zusammenstellung von Gutachten der Venedig-Kommission zu Rechtsnormen betreffend Schutz der lokalen Selbstverwaltung, publiziert unter CDLPI(2016)002

­

Kompilation der Gutachten und Berichte der Venedig-Kommission zur Meinungsfreiheit, publiziert unter CDL-PI(2016)011

Der gemeinsame Rat für Verfassungsgerichtsbarkeit, eine Zusammenarbeit zwischen der Venedig-Kommission und den Verfassungsgerichten, hat im Berichtsjahr die Verbreitung der staatsrechtlichen Rechtsprechung über das «Bulletin de jurisprudence constitutionnelle» und über die Datenbank CODICES weiter vorangetrieben. Der Beirat der europäischen Richterinnen und Richter (CCJE) hat an seiner Jahrestagung im November seine 19. Stellungnahme zum Thema «Die Rolle der Gerichtsvorsitzenden» verabschiedet.

65

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1452

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Die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) hat am 6. Oktober ihren Zweijahresbericht zur Bewertung der europäischen Justizsysteme vorgelegt, der sich auf statistische Informationen der Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2014 stützt. Sie hat ihre Kooperationstätigkeiten zur Optimierung der Funktionsweise der Gerichte in den Mitgliedstaaten des Europarates sowie in den Nachbarländern fortgesetzt. Schweizer Experten präsidieren die beiden Arbeitsgruppen Verfahrensdauer und Qualität der CEPEJ und haben in den Kooperationstätigkeiten namentlich in Albanien, Griechenland, Marokko und Tunesien mitgewirkt.

4 4.1

Demokratie Elektronische Stimmabgabe (E-Voting)

Die Ad-hoc-Expertenkommission CAHVE (Comité ad hoc d'experts sur les normes juridiques, opérationnelles et techniques relatives au vote électronique) verabschiedete im November 2016 den Entwurf einer überarbeiteten Empfehlung über Standards für E-Voting sowie ergänzende Richtlinien zuhanden des Ministerkomitees.

Im Vorfeld des Treffens erarbeitete eine Kerngruppe von behördenunabhängigen Experten auf Grundlage der bisherigen Kommissionsbeschlüsse Vorentwürfe, die den CAHVE-Mitgliedern von Juni bis August auf einer interaktiven elektronischen Plattform zur Konsultation vorgelegt wurden. Die Bundeskanzlei nahm mit einer Zweierdelegation am Treffen der CAHVE teil und äusserte sich vorgängig im Rahmen der Konsultationen zum Vorentwurf.

4.2 4.2.1

Gesundheit Pharmazeutische Produkte und Pflege

Im Europäischen Komitee für pharmazeutische Produkte und Versorgung (CD-PPH) der Europäischen Direktion für Arzneimittelqualität und Gesundheitsfürsorge (EDQM) beteiligte sich die Schweiz im Berichtsjahr an der Erarbeitung von zwei Resolutionen: 1) der «Resolution CM/Res(2016)2 on good reconstitution practices in health care establishments for medicinal products for parenteral use» und 2) der «Resolution CM/Res(2016)1 on the quality and safety assurance requirements for medicinal products prepared in pharmacies for the special needs of patients». Beide Resolutionen wurden am 1. Juni 2016 vom Ministerkomitee verabschiedet.

Im Rahmen des Expertenkomitees für Qualität von Arzneimitteln sowie Therapiesicherheit bei der Abgabe und Anwendung (CD-P-PH/PC) beteiligte sich die Schweiz insbesondere an den Arbeiten zur Entwicklung und Implementierung von Indikatoren zur Beurteilung der Qualität der Arzneimittelversorgung in Europa, der automatisierten patientenspezifischen Bereitstellung von Arzneimitteln, der Aufbereitung von Arzneimitteln in Pflegeeinrichtungen, der Verhütung von Ungleichheiten beim Arzneimittelzugang und von Gefahren für die öffentliche Gesundheit im Fall von Krisen in Europa sowie der guten Praktiken beim Fernvertrieb von Arzneimitteln. Zum anderen hat die Schweiz als Projektverantwortliche ein Ausbildungskonzept für Therapeutinnen und Therapeuten im Bereich der traditionellen Medizin 1453

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­ insbesondere der traditionellen chinesischen Medizin ­ fertiggestellt. Das Dokument wurde den Mitgliedstaaten übermittelt als Modell, das eine bessere Koordinierung und eine Standardisierung der Ausbildungen und der Berufsanerkennungen ermöglichen soll.

Die Vorlage zur Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten (Medicrime-Konvention) ist in Erarbeitung. Die Konvention, die am 28. Oktober 2011 von der Schweiz unterzeichnet wurde, ist das erste internationale Übereinkommen, das diesen Bereich regelt.

Sie stellt die Herstellung, die Abgabe, sowie den Handel mit gefälschten Produkten (Arzneimittel und Medizinprodukte) unter Strafe und schützt die Rechte der Opfer solcher Handlungen. Ausserdem regelt sie die innerstaatliche und die internationale Zusammenarbeit der zuständigen Behörden.

Im April endete der zweijährige Vorsitz der Schweiz im Expertenkomitee zur Bekämpfung von Gesundheitsrisiken, die durch Heilmittelfälschungen und ähnliche Verbrechen entstehen (CD-P-PH/CMED). Die Schweiz konnte während ihres Vorsitzes einen bedeutenden Beitrag leisten zur Bewältigung der Aufgaben dieses Komitees, das über ein dicht befrachtetes Arbeitsprogramm im Bereich der Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen verfügt. Die Schweiz engagierte sich in der Berichtsperiode weiterhin aktiv bei laufenden Projekten wie der Schaffung einer zentralen Europäischen Datenbank zur Erfassung von Arzneimittelfälschungen (insbesondere durch die Organisation einer internationalen Online-Fortbildung) und der weiteren Verbreitung eines Behörden-Netzwerks auf der Basis von Single Points of Contact (SPOCs). Eine Schweizer Delegierte nahm zudem als Referentin an einer Schulung zur Sensibilisierung für Heilmittelkriminalität in Oslo teil.

Schliesslich ist die Schweiz auch im Lenkungsausschuss für Bluttransfusion (CD-PTS) und dem daran angegliederten Expertenausschuss (CD-P-TS/GTS) vertreten.

Der Expertenausschuss ist mit der Aktualisierung und Überprüfung des «Guide to the preparation, use and quality assurance of blood components» betraut, der hinsichtlich der Spenderauswahlkriterien auch für die Schweiz verbindlich ist. Im Rahmen dieses Expertenausschusses leistete die Schweiz als
Berichterstatterin einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung der «Good Practice Guidelines for Blood Establishments and Hospital Blood Banks required to comply with EU Directive 2005/62/EC». Dieses Dokument soll Leitlinien zur Anwendung der EU-Richtlinie bereitstellen und damit bestehende Umsetzungslücken schliessen.

4.2.2

Pharmakopöe

Die Europäische Pharmakopöe (Ph. Eur.) ist eine unter der Ägide des ER erarbeitete Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln (einschliesslich Wirkstoffe), pharmazeutischen Hilfsstoffen und einzelnen Medizinprodukten. Das Werk wird auf der Basis des Übereinkommens vom 22. Juli 196466 über die Ausarbeitung einer Europäischen Pharmakopöe erarbeitet und ist in den 37 Vertragsstaa66

SR 0.812.21

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ten wie auch in der Europäischen Union rechtsverbindlich. Die Ph. Eur. enthält über 2600 Monographien und allgemeine Texte. Neben der Ausarbeitung neuer Vorschriften werden auch bereits bestehende Vorschriften laufend überarbeitet. Diese stete, nötigenfalls auch dringliche Anpassung der Pharmakopöe an den Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet eine angemessene Kontrolle von Rohstoffen und Präparaten in einem globalisierten Markt und leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen.

Die Erarbeitung des Werks findet unter der Federführung des Europäischen Direktorats für die Qualität von Arzneimitteln und Gesundheitsfürsorge (EDQM) in Strasbourg statt. Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, sich an der Ausarbeitung zu beteiligen und die beschlossenen Qualitätsvorschriften in bindendes nationales Recht zu überführen. Im Jahr 2016 wurden die Nachträge 8.6, 8.7 und 8.8 der achten Ausgabe der Ph. Eur. implementiert. Die Aktivitäten der Ph. Eur. werden ausserdem durch 8 europäische und 18 aussereuropäische Beobachterstaaten sowie die «Taiwan Food and Drug Administration» (TFDA) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) näher verfolgt. Damit hat die Arbeit der Ph. Eur. einen weltweiten Einfluss auf die Qualität von Arzneimitteln und Arzneistoffen.

Swissmedic, das Schweizerische Heilmittelinstitut, stellt mit der Abteilung Pharmakopöe die Nationale Pharmakopöebehörde der Schweiz. Sie koordiniert den Schweizer Beitrag zur Ph. Eur. Dieser wird durch Schweizer Expertinnen und Experten aus Industrie, Hochschulen, Apotheken und Behörden erbracht. Diese nehmen Einsitz in den meisten der insgesamt über siebzig Fachgremien der Ph. Eur. und leisten hierbei jährlich mehr als neun Personenjahre an Facharbeit. Über fünfzig Prozent dieser Arbeiten erfolgten durch Mitarbeitende von Swissmedic. Im Rahmen der alle drei Jahre stattfindenden Neuwahlen der Expertinnen und Experten der Ph. Eur. hat die Europäische Pharmakopöekommission (COM) im Berichtsjahr auch ihr Präsidium neu bestimmt. Die COM ist das Entscheidgremium der Ph. Eur. Zum ersten Mal in der über 50-jährigen Geschichte der Ph. Eur. wurde mit dem Leiter der zur Swissmedic gehörenden Abteilung Pharmakopöe ein Schweizer als Vorsitzender der COM gewählt. Der neue Vorsitzende hat im Juni seine dreijährige Amtszeit aufgenommen. Der
durch die Schweiz erbrachte Beitrag verdeutlicht einerseits den hohen Stellenwert der Pharmakopöe, andererseits die Expertise, welche die Schweiz als eines der weltweit wichtigsten Länder mit pharmazeutischer Industrie einbringen kann.

4.2.3

Gesundheitsschutz der Konsumentinnen und Konsumenten

Die Schweizer Delegation nahm 2016 wieder an zwei Sitzungen des Sachverständigenausschusses für Verpackungen für Lebensmittel und pharmazeutische Erzeugnisse (P-SC-EMB) teil. Zuletzt wurde die Resolution (2013)9 betreffend Metalle und Legierungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, verabschiedet. Bei gewissen Verwendungszwecken wie z. B. Silberbesteck müssen die Testbedingungen, die in der Resolution gefordert werden, noch überarbeitet werden, da viele Produkte aus Silber die zulässigen Grenzwerte im Rahmen der Tests nicht mehr einhalten. Es wurde eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe mit Vertretern der nationalen Referenzlabors und 1455

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der Metall- und Legierungsindustrie gebildet, die über die Testbedingungen diskutieren soll. Die Testergebnisse werden an den Sitzungen der Ad-hoc-Gruppe, aber auch an Plenarsitzungen des Sachverständigenausschusses präsentiert und diskutiert.

Je nach Ausgang dieser Diskussionen muss die Resolution betreffend Metalle und Legierungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, geändert oder präzisiert werden.

In der Expertengruppe P-SC-EMB konzentriert sich die Arbeit im Anschluss an die Veröffentlichung der Resolution auf die Überarbeitung früherer Resolutionen, die an neue wissenschaftliche, toxikologische und technische Erkenntnisse anzupassen sind. Für viele Arten von Materialien sind die Resolutionen des Europarates die einzigen Empfehlungen (soft law) und mithin wichtig für die in den jeweiligen Bereichen tätigen Verbände. Eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe befasst sich mit der Revision der Resolution über Papier und Karton, da es auf europäischer Ebene noch keine harmonisierte Gesetzgebung dazu gibt. Diese Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern der nationalen Labors (für die Schweiz: zwei Vertreter von kantonalen Labors) und Vertretern der Papier- und Kartonindustrie. Der wichtigste Diskussionspunkt in der Gruppe ist eine Positivliste von Stoffen, die bei der Herstellung von Papier- oder Kartonverpackungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, zugelassen sind.

Die Arbeit im Bereich der Verpackungstinten wird hauptsächlich von Deutschland und der Schweiz vorangetrieben. Die beiden Länder erarbeiten gemeinsam eine Liste der evaluierten Stoffe, die dem Europarat als Grundlage dienen soll. Die Schweizer Delegation setzte ihre Mitwirkung an den Arbeiten des Sachverständigenausschusses für Kosmetika (P-SC-COS) fort. Dieser Ausschuss redigiert momentan Empfehlungen zur Verwendung ätherischer Öle, insbesondere in Kosmetika, und stützt sich dabei auf zwei Publikationen aus Frankreich. Dieses Dokument wird demnächst publiziert. Momentan wird zudem ein Dokument über Mindestanforderungen an die toxikologische Bewertung von Tinten für Tätowierungen und Permanent Make-up fertiggestellt. Dieses Dokument wird neue Erkenntnisse in einem Bereich präsentieren, der in der Bevölkerung sehr aktuell ist.

Die Ad-hoc-Gruppe Amtliche Laboratorien für die Kontrolle von Kosmetika (OCCL) hat im Juni zum ersten Mal ein Kolloquium
über die Qualität von Kosmetika durchgeführt. Sie traf sich im Juni und im Dezember, um über den Stand der laufenden Eignungsprüfungssysteme (PTS), bei denen es insbesondere um Parabene in Lippenbalsam ging, und über eine Marktüberwachungsstudie (MSS) zu Zahnbleichmitteln zu diskutieren.

4.3

Kultur, Bildung, Jugend und Sport

Der Lenkungsausschuss für Kultur, Kulturerbe und Landschaft (CDCPP) traf sich im Juni. Die Schweizer Delegation bestand aus einer Vertreterin des Diensts für Internationales des Bundesamts für Kultur (BAK), die für ein Jahr zur Vizepräsidentin des CDCPP gewählt worden war. Neben Finnland (Vorsitz), der Republik Moldova, Italien, Polen, Kroatien, Island, Montenegro und Norwegen war die Schweiz in dieser Amtszeit das einzige frankophone Mitglied des Büros. Damit war sie stark 1456

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in die laufenden Arbeiten involviert, was wegen der momentanen Nichtteilnahme der Schweiz am Kulturförderungsprogramm der Europäischen Union (Kreatives Europa) von besonderer Bedeutung war.

4.3.1

Kultur

Im Kulturbereich war die Tätigkeit des Lenkungsausschusses für Kultur, Kulturerbe und Landschaft (CDCPP) 2016 insbesondere durch die Erarbeitung eines Indikatorensystems zu Kultur und Demokratie (Indicator Framework on Culture and Democracy, IFCD) geprägt, das in Zusammenarbeit mit der Hertie School of Governance in Berlin entwickelt wurde und die Beziehungen zwischen Investitionen in die Kultur und der Lage der Demokratie in den Mitgliedstaaten erfassen soll. Das IFCD wurde am 14. Oktober an einer öffentlichen Veranstaltung in Brüssel lanciert, die in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission durchgeführt wurde. Weitere Schwerpunktthemen waren die Reform des Kompendiums für Kulturpolitik und kulturelle Trends in Europa (Compendium of Cultural Policies and Trends in Europe) und die Revision des Ausstellungskonzepts des Europarats.

Die Schweiz ist seit 2013 Mitglied des Erweiterten Teilabkommens des Europarats über die Kulturwege (APE). Anlässlich des jährlichen Treffens der Geschäftsleitung des APE am 14. und 15. April wurde ein neuer Weg zertifiziert. Zudem wurde zwei alten Wegen die Zertifizierung aberkannt. Damit beträgt die Zahl der zertifizierten Kulturwege des Europarats nun insgesamt 32. Die Schweiz ist nicht direkt an diesem neuen Projekt beteiligt. Der Beitrag des Bundes ans APE belief sich 2016 auf 11 900 Euro.

4.3.2

Kulturerbe

Im Bereich des Kulturerbes konzentrierte sich der Lenkungsausschuss für Kultur, Kulturerbe und Landschaft (CDCPP) 2016 auf die Erarbeitung und Verabschiedung einer «Strategie für das europäische Kulturerbe im 21. Jahrhundert». Sie stützt sich auf die Schlussfolgerungen der sechsten Konferenz der Minister für Kulturerbe, die vom belgischen Vorsitz des Ministerkomitees am 23. und 24. April 2015 in Namur organisiert worden war. Die neue Strategie setzt stark auf eine partizipative und demokratische Verwaltung des europäischen Kulturerbes und ist in drei Teile gegliedert: Gesellschaft, Raum- und Wirtschaftsplanung sowie Wissensmanagement und Bildung. Sie soll den Staaten, die ihre Politik im Bereich des Kulturerbes modernisieren wollen, Werkzeuge an die Hand geben, die sie je nach Prioritäten frei auswählen können. Die Europäischen Tage des Denkmals und das HEREIN-System (Monitoring der europäischen Politik und der Werte im Bereich des Kulturerbes), die von der Schweiz seit Langem unterstützt und verteidigt werden, bildeten weitere Themenschwerpunkte. Das als Informations-, Diskussions- und Vernetzungsplattform für Fachleute und Behörden im Bereich des Kulturerbes in Europa konzipierte HEREIN-System dient der Überwachung der Umsetzung der Kulturerbe-Konventionen des Europarats. Die Schweiz ist zudem Mitglied der Internationalen Nonpro-

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fitorganisation AISBL HEREIN, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Erfahrungs- und Informationsaustausch über Kulturerbepolitik zu fördern.

Mit der Verabschiedung des «Aufrufs von Namur» hatten die im April 2015 in Namur versammelten Minister für Kulturerbe und ihre Vertreter ausserdem die absichtliche Zerstörung von Kulturerbe und den illegalen Handel mit Kulturgütern in Konfliktsituationen verurteilt und beschlossen, im Europarat eine Debatte über die Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit in diesem Bereich zu lancieren. Die Schweiz war deshalb direkt an den Arbeiten zur Gesamtrevision des Europäischen Übereinkommens über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut (Übereinkommen von Delphi) beteiligt. Die Verhandlungen im Rahmen der beiden Expertentreffen vom 31. Mai und 1. Juni sowie vom 7. bis 10. November mündeten in einen neuen Vorentwurf. Die Verhandlungen sollen 2017 an zwei Treffen fortgesetzt werden. Der definitive Text für das revidierte Übereinkommen soll Ende 2017 bereit sein und dem Lenkungsausschuss für Strafrechtsfragen (CDPC) an seiner Sitzung vom Dezember 2017 unterbreitet werden.

4.3.3

Landschaft

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) unterstützte die Umsetzung des Europäischen Landschaftsübereinkommens vom 20. Oktober 200067 auch im Jahr 2016 wieder mit einem Beitrag von 40 000 Franken. Dabei geht es um die Weiterentwicklung des Informationssystems des Europarats für die Umsetzung des Übereinkommens und die Vorbereitung von Workshops zur Landschaftspolitik auf nationaler Ebene.

4.3.4

Medien (Eurimages)

Das überarbeitete Europäische Übereinkommen vom 2. Oktober 1992 über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen 68 wurde am 29. Juni von den Ministerdelegierten des Europarats an ihrer 1261. Sitzung verabschiedet. Es soll der heutigen Praxis der Industrie namentlich im Zusammenhang mit neuen Technologien und der Diversifizierung von Formen der Gemeinschaftsproduktion besser Rechnung tragen.

Damit können Koproduktionen ab einer Minderheitsbeteiligung von zehn Prozent (gegenüber früher 20 %) anerkannt werden. Die Schweiz hat die für die Unterzeichnung des revidierten Übereinkommens (2. Halbjahr 2016) erforderlichen Schritte eingeleitet.

Der Vorstand des Europäischen Fonds zur Unterstützung der Gemeinschaftsproduktionen und der Verbreitung von Kino- und Fernsehfilmen (Eurimages) unterstützt europäische Koproduktionen, Filmverleihe und Kinos. 2016 wurden 16 Koproduktionsprojekte mit Schweizer Beteiligung ausgewählt und zur Genehmigung unterbreitet. Insgesamt wurden 8 von 16 vorgeschlagenen Projekten unterstützt, zwei davon mit einer Schweizer Mehrheitsbeteiligung. Der Gesamtbetrag, den Eurimages 2016

67 68

SR 0.451.3 SR 0.443.2

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an Filmprojekte vergab, belief sich auf 2 336 000 Euro, davon kamen rund 504 000 Euro Schweizer Produktionen zugute.

Infolge des Ausschlusses der Schweiz vom EU-Programm MEDIA wurden auch Gesuche zur Unterstützung von Filmverleihen und Kinos eingereicht. Erstere betreffen hauptsächlich die Förderung europäischer Filme in der Schweiz. 2016 wurden sieben Verleihe für den Kinostart von insgesamt 33 Filmen mit einem Betrag von 332 000 Euro unterstützt. Für die Unterstützung von Kinos erhielt die Schweiz im vergangenen Jahr 380 000 Euro aufgeteilt auf 69 Kinosäle. Die Schweiz leistete 2016 einen Bundesbeitrag an den Europäischen Fonds zur Unterstützung von Gemeinschaftsproduktionen und der Verbreitung von Kino- und Fernsehfilmen (Eurimages) von 648 000 Euro und wurde umgekehrt mit 1 216 000 Euro aus diesem Programm unterstützt.

4.3.5

Erziehungs- und Hochschulwesen

Im Bereich Hochschulbildung konzentrierten sich die Aktivitäten hauptsächlich auf das Übereinkommen vom 11. April 199769 über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region (Lissabonner Anerkennungsübereinkommen). Das Komitee des Übereinkommens hat eine Erklärung bezüglich der Anerkennung von Qualifikationen von Flüchtlingen, Vertriebenen und Flüchtlingen gleichgestellten Personen verabschiedet. Sie hat zum Ziel, eine Empfehlung zur Anerkennung der Qualifikationen dieser Personen zu erarbeiten.

Im Bildungsbereich konzentrierten sich die Arbeiten auf Bildungsmassnahmen zur Bekämpfung des Phänomens der Radikalisierung. Dieses Thema stand im Mittelpunkt der Europaratskonferenz der Bildungs- und Erziehungsminister, die am 11. und 12. April in Brüssel stattfand. An der Konferenz wurde ein Projekt zur Demokratiebildung verabschiedet, das gezielt auf dieses Phänomen eingehen soll, von dem ein Teil der europäischen Jugend betroffen ist. Im Bereich des Sprachenunterrichts nimmt die Schweiz an den verschiedenen Aktivitäten des Europäischen Fremdsprachenzentrums (ECML/CELV) teil und fördert namentlich das Projekt PluriMobil (Mobilität für nachhaltiges sprachliches und interkulturelles Lernen). Im Rahmen des Programms des ECML/CELV 2016­2019 koordiniert die Schweiz das Entwicklungsprojekt «Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachlehrpersonen».

4.3.6

Jugend

Der Europäische Lenkungsausschuss für Jugend (CDEJ) setzte seine Aktivitäten im Rahmen seiner drei strategischen Schwerpunkte für 2016­2017 fort: Mitwirkung der Jugendlichen an demokratischen Prozessen; Umsetzung der Empfehlung (2015)3 über den Zugang der Jugendlichen aus benachteiligten Quartieren zu ihren sozialen Rechten und Förderung von inklusiven und friedlichen Gesellschaften namentlich dank der Verlängerung der Europaratskampagne «Bewegung gegen Hassreden» bis 69

SR 0.414.8

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2017. Für jeden Schwerpunkt wurden die erwarteten Ergebnisse sowie die Ausrichtung des Tätigkeitsprogramms 2016­2017 definiert.

Der Ausschuss arbeitet neu auch an einer Verbesserung der Zusammenarbeit mit den nichtstaatlichen Vertretern im Jugendbereich und der Funktionsweise des Gemeinsamen Rats für Jugendfragen (CMJ), und er hat für die einzelnen Schwerpunkte Arbeitsgruppen eingesetzt, um die Effizienz zu steigern. Im Berichtsjahr wurden die schwierigen Redaktionsarbeiten für einen Empfehlungsentwurf über den Zugang von Jugendlichen zu ihren Rechten namentlich aufgrund von Themen im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität fortgesetzt. Die Empfehlung CM/Rec(2016)7 wurde schliesslich am 28. September 2016 vom Ministerkomitee verabschiedet.

4.3.7

Sport

Bis Ende 2016 haben sich 37 Staaten dem Erweiterten Teilabkommen über Sport (Accord partiel élargi sur le Sport, APES) angeschlossen; die Schweiz ist am 1. Januar 2008 beigetreten. Belgien trat als letztes Land am 16. Mai 2016 bei. Zudem sind 27 Sportorganisationen im Beratungskomitee des APES vertreten.

Im Juni fand die Jahreskonferenz des APES in Wien zum Thema «Integration der neuen Migranten über den Sport» statt. Die Sportministerkonferenz wurde im November in Budapest durchgeführt. Im Mittelpunkt der Tagung stand das Thema «gute Regierungsführung auf regionaler Ebene». Weitere Diskussionsthemen waren die Dopingbekämpfung, Sport und Migration sowie die Zusammenarbeit zwischen dem APES und der Europäischen Union. Die Sportminister verabschiedeten ausserdem die Prioritäten des APES für 2017. Das APES feiert nächstes Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Geplant ist eine Retrospektive über seine Aktivitäten im letzten Jahrzehnt, namentlich im Bereich gute Regierungsführung. Die Schweiz arbeitet in verschiedenen Arbeitsgruppen mit, die im Rahmen der Übereinkommens vom 16. November 198970 gegen Doping geschaffen wurden. Sie leistet so ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des Welt-Anti-Doping-Programms. Auch 2016 haben Dopingvergehen in verschiedensten Sportarten Schlagzeilen gemacht. Insbesondere die Vorwürfe im Vorfeld der Olympischen Spiele in Rio haben die Mitglieder der Arbeitsgruppen darin bestärkt, dass die Einrichtung von unabhängigen nationalen Anti-Doping-Stellen von zentraler Bedeutung ist.

Im Rahmen des Europäischen Ad-hoc-Ausschusses für die Welt-Anti-DopingAgentur (CAHAMA) werden die Positionen der Staaten des ER abgestimmt, um gegenüber der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) einheitlich aufzutreten. Die CAHAMA hat sich im Verlauf des Jahres drei Mal getroffen, um die Sitzungen der zuständigen Gremien der WADA vorzubereiten. Die Arbeiten 2016 waren darauf ausgerichtet, den weltweiten Kampf gegen Doping zu stärken. Geprüft wird die Einrichtung einer von den internationalen Sportverbänden unabhängigen Dopingkontrollinstanz. 1990 ist die Schweiz dem Europäischen Übereinkommen vom 19.

70

SR 0.812.122.1

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August 198571 über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen beigetreten. Für die Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens ist das Ständige Komitee geschaffen worden.

Die Schweiz wird in diesem Ständigen Komitee vom Bundesamt für Polizei (fedpol) vertreten und war bis Juni Vorstandsmitglied desselben. Im 2016 fanden zwei ordentliche Sitzungen des Ständigen Komitees statt, an denen fedpol im Namen der Schweiz teilgenommen hat.

Nach rund dreissig Jahren wurde der Text der Konvention einer Totalrevision unterzogen und mit einem neuen Namen versehen: Übereinkommen des ER über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fussballspielen und anderen Sportveranstaltungen. Das Ministerkomitee des ER hat den Text des totalrevidierten Übereinkommens am 4. Mai verabschiedet. Der Bundesrat hat am 10. Juni beschlossen, das revidierte Übereinkommen zu unterzeichnen und ­ nach einer Vernehmlassung ­ dem Parlament zur Ratifikation vorzulegen. Am 3. Juli fand in der Nähe von Paris am Rande des EURO-2016-Viertelfinals zwischen Frankreich und Island eine Unterzeichnungszeremonie statt. Die stellvertretende Direktorin von fedpol hat an diesem Anlass in Delegation des Bundesrates das revidierte Übereinkommen für die Schweiz mit Ratifikationsvorbehalt unterzeichnet. 2017 wird die Vernehmlassung eröffnet.

Das totalrevidierte Übereinkommen ist nicht einseitig auf Repression ausgerichtet, sondern enthält neu auch Ansätze der guten Gastfreundschaft. Im Zentrum steht ein gemeinsamer, integraler Lösungsansatz, welcher auf international bewährten Praktiken beruht. Im totalrevidierten Übereinkommen werden die Aufgaben der Nationalen Fussballinformationsstelle (NFIP) eingehend geregelt. fedpol nimmt bereits heute gestützt auf das bisherige Übereinkommen die Rolle des NFIP in der Schweiz wahr.

4.4

Sozialer Zusammenhalt

Die erste Sitzung der Europäischen Plattform für den sozialen Zusammenhalt fand am 27. und 28. Juni statt. Sie hat gemäss ihrem Auftrag dafür zu sorgen, dass die Frage des sozialen Zusammenhalts in alle Aktivitäten des Europarats einfliesst, namentlich durch eine Identifikation der grössten Hindernisse für den Zugang zu den sozialen Rechten, die Förderung des Austauschs von guten Praktiken und innovativen Ansätzen im Bereich des sozialen Zusammenhalts und Untersuchungen der neuen Trends und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem sozialen Zusammenhalt. An der ersten Sitzung wurden drei Arbeitsgruppen gebildet; jede wird sich mit einem der drei Teilbereiche befassen.

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SR 0.415.3

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4.5

Datenschutz

Die Schweiz nahm an den Arbeiten des Ad-hoc-Ausschusses Datenschutz (CAHDATA) teil, der vom Ministerkomitee des Europarats eingesetzt wurde, um den Modernisierungsentwurf des Übereinkommens vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten72 zu überprüfen. Der Ausschuss tagte 2016 nur einmal, am 15. und 16. Juni.

Der Ire Seamus Carroll wurde zum Vorsitzenden des CAHDATA gewählt. Der Ausschuss schloss die Prüfung des Änderungsentwurfs des Übereinkommens ab und beauftragte das Sekretariat, den Entwurf des Änderungsprotokolls dem Ministerkomitee zur Überprüfung zu unterbreiten. Die Vorbehalte der EU bezüglich Sicherstellung der Kohärenz zwischen dem Modernisierungsentwurf des Übereinkommens und der europäischen Gesetzesreform konnten beseitigt werden. Es bestehen jedoch weiterhin Einwände vonseiten der Russischen Föderation, die Ausnahmen zum Schutz von Staatsgeheimnissen vorsehen will. Der CAHDATA nahm zudem die Erklärung der Russischen Föderation zur Kenntnis, die sich gegen den Abstimmungsmechanismus richtet, der es der EU erlaubt, für die Mitgliedsstaaten zu stimmen.

4.6

Umwelt

Das Übereinkommen vom 19. September 197973 über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) lässt genügend Spielraum, um übermässige Schäden an Viehbeständen zu verhindern. Der Ständerat hat deshalb die Standesinitiative des Kantons Wallis 74, welche die Kündigung der Berner Konvention und eine Neuaushandlung eines Wiederbeitritts fordert, abgelehnt. In der Herbstsession wurde diese vom Nationalrat angenommen. Der Ständerat wird diese damit im Jahr 2017 erneut behandeln. Im Berichtsjahr hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur Motion Engler75 durchgeführt, die eine Änderung des Jagdgesetzes vom 20. Juni 198676 bezweckt, sodass künftig regulierende Eingriffe in Bestände konfliktträchtiger geschützter Arten ermöglicht werden, ohne dass die Berner Konvention aufgekündigt wird. Diese Vorlage soll dem Parlament im Jahr 2017 übermittelt werden.

4.7

Entwicklungsbank des Europarats

Im Berichtsjahr feierte die Entwicklungsbank (CEB) des ER ihr 60. Jubiläum. Sie setzte in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf die operationelle Inbetriebnahme des Ende 2015 gegründeten Migrations- und Flüchtlingsfonds. Nahezu zwanzig Geber sprachen knapp zwanzig Millionen Euro, die schnell verpflichtet werden konnten.

72 73 74 75 76

SR 0.235.1 SR 0.455 Standesinitiative 14.320: Wolf. Fertig lustig!

Motion 14.3151: Zusammenleben von Wolf und Bergbevölkerung SR 922.0

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Die Mittel gehen zugunsten von Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Portugal, Serbien und Slowenien. Die Schweiz hat sich aufgrund ihrer klar definierten prioritären Partnerorganisationen im multilateralen Bereich nicht an diesem Fonds beteiligt. Des Weiteren wurde die Strategie der CEB für die Jahre 2017­2019 mit drei Schwerpunktbereichen festgelegt: 1) nachhaltiges und inklusives Wachstum; 2) Integration von Flüchtlingen und Migranten; 3) Klimaschutzmassnahmen.

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