16.432 Parlamentarische Initiative Gebührenregelung.

Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats vom 15. Oktober 2020

Sehr geehrter Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für eine Änderung des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt Ihnen, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

15. Oktober 2020

Im Namen der Kommission Der Präsident: Andreas Glarner

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Übersicht Mit der Verabschiedung des Öffentlichkeitsgesetzes im Jahr 2004 ist auf Bundesebene das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt worden. Damit wurde ein Paradigmawechsel hin zu einer offenen und transparenten Verwaltung vorgenommen. Die stetige Zunahme der Gesuche um Zugang zu öffentlichen Dokumenten zeigt das Interesse der Bevölkerung an der Behördentätigkeit. Die zunehmende Zahl der gewährten Zugänge, welche mit der zunehmenden Zahl an Gesuchen Schritt hält, kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Bundesbehörden das Öffentlichkeitsgesetz wirksam umsetzen.

Dabei verzichten die Verwaltungsstellen in den meisten Fällen auf die Erhebung einer Gebühr für Zugangsgesuche. Jedoch ist die Gebührenpraxis der verschiedenen Departemente äusserst unterschiedlich: Während in einigen Departementen nie Gebühren erhoben werden, stellen andere Rechnung über bisweilen mehrere Tausend Franken. Solche Beträge wirken abschreckend und können das Prinzip der Zugänglichkeit zu Dokumenten unterlaufen.

Es wird hier deshalb vorgeschlagen, dass der heute im Öffentlichkeitsgesetz verankerte, prohibitiv wirkende Grundsatz, wonach für Zugangsgesuche zu amtlichen Dokumenten eine Gebühr erhoben wird, ersetzt wird durch den umgekehrten Grundsatz der Kostenlosigkeit des Zugangs. Als einziger Ausnahmetatbestand soll eine Gebühr erhoben werden können, wenn ein Zugangsgesuch eine besonders aufwändige Bearbeitung durch die Behörden erfordert, wobei für ein Gesuch nicht mehr als 2000 Franken in Rechnung gestellt werden darf.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die parlamentarische Initiative 16.432

Die von Nationalrätin Edith Graf-Litscher (S, TG) am 27. April 2016 eingereichte parlamentarische Initiative (16.432 Pa.Iv. Gebührenregelung. Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung) verlangt, die gesetzlichen Grundlagen so zu ändern, dass für den Zugang zu amtlichen Dokumenten der Bundesverwaltung in der Regel keine Gebühr mehr erhoben wird. Nur in begründeten Ausnahmefällen, wenn der Aufwand der Verwaltung in einem Missverhältnis zum öffentlichen Interesse steht, soll für die Bereitstellung und Aushändigung von amtlichen Dokumenten eine Gebühr in Rechnung gestellt werden können.

In ihrer Begründung stellt die Initiantin fest, dass die Gebührenregelung ein häufiger Streitpunkt ist, seit das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ, SR 152.3) in Kraft getreten ist. Zwar werden Gebühren nur von wenigen Verwaltungsstellen verlangt, allerdings haben einige Verwaltungseinheiten in jüngerer Vergangenheit punktuell sehr hohe Gebührenforderungen gestellt. Ganz offensichtlich würden nach Ansicht der Initiantin Gebühren von einigen Verwaltungsstellen gezielt als Zugangshindernis eingesetzt. Mit hohen Zugangsgebühren konfrontierte Bürgerinnen, Bürger und Medienschaffende mussten ihre Gesuche aufgrund fehlender Mittel deshalb mitunter zurückziehen. Dies widerspreche dem Sinn und Geist des Öffentlichkeitsgesetzes.

Die Initiantin macht indessen deutlich, dass in Fällen, in denen die Verwaltung mit einem sehr umfangreichen Zugangsgesuch konfrontiert ist, dem lediglich ein geringes öffentliches Interesse zugrunde liegt, ausnahmsweise ein begründeter Gebührenanspruch geltend gemacht werden kann, damit die Verhältnismässigkeit gewahrt wird.

1.2

Vorprüfung durch die Staatspolitischen Kommissionen

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates gab der parlamentarischen Initiative am 20. Oktober 2016 mit 17 gegen 4 Stimmen Folge. Am 13. Januar 2017 stimmte die ständerätliche Kommission diesem Beschluss zu, ohne dass ein anderer Antrag gestellt worden wäre.

Die Kommissionen schlossen sich der Argumentation der Initiantin an, dass mit einer Gesetzesänderung verhindert werden muss, dass Gesuchsteller wegen unverhältnismässig hoher Gebühren abgeschreckt werden, von ihrem gesetzesmässigen Informationsrecht Gebrauch zu machen. Hierzu sollen die Ansprüche und Ausnahmen geklärt werden.

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1.3

Umsetzung durch die SPK des Nationalrates

Somit oblag es gemäss Artikel 111 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes (ParlG, SR 171.10) der SPK des Nationalrates, binnen zwei Jahren eine Vorlage auszuarbeiten. Die Kommission befasste sich an ihrer Sitzung vom 24. März 2017 mit dem Vorgehen. Sie wurde seitens der Verwaltung dahingehend informiert, dass der Bundesrat das EJPD beauftragt hat, eine Vorlage für eine Teilrevision des Öffentlichkeitsgesetzes auszuarbeiten. Der Zeitplan sah damals so aus, dass im Juni 2017 das Vernehmlassungsverfahren eröffnet und die Vorlage zu Beginn des Jahres 2018 dem Parlament unterbreitet werden soll.

Vor diesem Hintergrund erschien es der Kommission am effizientesten, das Anliegen der Unentgeltlichkeit des Zugangs zu Dokumenten in diese Vorlage einzubringen. In Erwartung der Vorlage des Bundesrates hat die Kommission deshalb ihre Arbeiten zur Ausarbeitung einer Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative sistiert.

Da der Bundesrat allerdings im Jahr 2018 keine Vorlage für eine Revision des BGÖ unterbreitet hat und die Frist für die Ausarbeitung der Vorlage abgelaufen ist, hat die Kommission dem Rat am 21. Februar 2019 eine Verlängerung der Frist bis zur Frühjahrssession 2021 beantragt. Der Rat hat diesem Antrag am 22. März 2019 zugestimmt (AB 2019 N 577).

Am 15. Mai 2019 hat der Bundesrat darüber informiert, dass er zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung verzichtet. Es habe sich gezeigt, dass die geforderten Korrekturen des BGÖ weitgehend bereits auf andere Weise vorgenommen worden sind.

Die Kommission hat sich an ihrer Sitzung vom 15. August 2019 mit 20 zu 2 Stimmen gegen die Abschreibung der Initiative ausgesprochen. Sie hat dem Sekretariat den Auftrag erteilt, in Zusammenarbeit mit der Verwaltung einen Vorentwurf auszuarbeiten.

Die Kommission hat die Detailberatung am 13. Februar 2020 vorgenommen und mit 16 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung einen Vorentwurf zuhanden der Vernehmlassung verabschiedet.

Am 15. Oktober 2020 hat die Kommission Kenntnis von den Ergebnissen der Vernehmlassung genommen und die Vorlage mit 17 zu 7 Stimmen zuhanden des Rates verabschiedet.

1.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Kommission hat vom 14. Februar bis 27. Mai 2020 eine Vernehmlassung durchgeführt. Der Vorentwurf wird von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer im Grundsatz begrüsst. Eine gewisse Uneinigkeit besteht bei der Regelung des Ausnahmetatbestandes in Artikel 17 Absatz 2 BGÖ.

25 Kantone, fünf politische Parteien und 21 Organisationen haben eine Antwort eingereicht. Von diesen 51 Vernehmlassungsteilnehmern sind 38 für den Vorentwurf und fünf dagegen. Acht Teilnehmer haben nicht materiell Stellung genommen.

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Unter den Befürwortern finden sich 18 Kantone. AI spricht sich dagegen aus und sechs weitere Kantone haben auf eine materielle Stellungnahme verzichtet. Seitens der Parteien befürworten FDP, glp, SP und SVP die Vorlage, während die CVP sie ablehnt. Von den sich äussernden Organisationen sprechen sich 16 für den Vorentwurf und drei dagegen aus, während sich zwei nicht materiell äussern.

Geteilt sind die Meinungen zur Frage, ob gemäss der Kommissionsmehrheit im Gesetz ein Maximalbetrag von 2000 Franken für die Gebühren vorgesehen soll. Von den 38 Vernehmlassungsteilnehmern, die sich grundsätzlich für die Vorlage aussprechen, sind 12 für diesen Vorschlag der Kommissionsmehrheit, während 15 Teilnehmer wie die Kommissionsminderheit keinen Maximalbetrag auf Gesetzesstufe verankern wollen. Sieben Teilnehmer lehnen beide Vorschläge ab und vier haben keine Angaben gemacht, ob sie den Mehr- oder Minderheitsantrag bevorzugen. Während sich die Kantone mehrheitlich gegen eine gesetzliche Verankerung des Maximalbetrags aussprechen, sind die Parteien in dieser Frage gespalten (SVP und SP für die Mehrheit, FDP und glp für die Minderheit) und die Organisationen sprechen sich eher für die Verankerung des Maximalbetrags aus.

Es werden auch alternative Formulierungsvorschläge für Artikel 17 Absatz 2 BGÖ unterbreitet, die jedoch nach Ansicht der Kommission entweder zu Abgrenzungsproblemen führen oder keinen Mehrwert bringen.

2

Frühere Diskussionen zur Gebührenregelung

2.1

Diskussionen bei der Entstehung des Gesetzes

Am 12. Februar 2003 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (BBl 2003 1963). In Artikel 17 seines Entwurfs sah der Bundesrat vor, dass für den Zugang zu amtlichen Dokumenten in der Regel eine Gebühr erhoben wird. Dabei sah er drei Ausnahmen vor: So sollen für Schlichtungsverfahren sowie für Verfahren auf Erlass einer Verfügung keine Gebühren erhoben werden. Gemäss Vorschlag des Bundesrates sollten zudem keine Gebühren erhoben werden, «wenn die Bearbeitung eines Gesuchs einen geringen Arbeitsaufwand erfordert oder wenn eine geringe Anzahl Kopien verlangt wird.» (BBl 2003 2052). Der Ständerat war der Ansicht, dass der Ausdruck «geringe Anzahl Kopien» nicht in ein Gesetz gehört und beschloss deshalb, diesen Teilsatz zu streichen (AB 2003 S 1142).

Die SPK des Nationalrates hingegen beantragte ihrem Rat mit 18 zu 4 Stimmen, den umgekehrten Grundsatz festzuhalten, dass für den Zugang zu amtlichen Dokumenten in der Regel keine Gebühr erhoben wird. Eine Gebühr soll lediglich für die Abgabe von Berichten, Broschüren oder anderen Drucksachen und Informationsträgern erhoben werden. Die Kommission argumentierte, dass es keinen Sinn macht, eine Gebühr einzufordern, wenn das Erheben der Gebühr schlussendlich höhere Kosten verursacht, als die Gebühr einbringt. Es wurde im Rat auch vorgebracht, dass mit der Erhebung von Gebühren eine Schwelle geschaffen wird, welche das neu einzuführende Öffentlichkeitsprinzip gleich wieder zunichtemacht. Im Rat setzte sich jedoch die Auffassung des Bundesrates und des Ständerates, wonach grundsätz-

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lich eine Gebühr verlangt werden sollte, mit 86 zu 79 Stimmen knapp durch (AB 2004 N 1265).

Das Öffentlichkeitsgesetz wurde somit in der Version des Ständerates verabschiedet, wonach grundsätzlich eine Gebühr für den Zugang zu amtlichen Dokumenten erhoben wird, aber keine Gebühr vorgesehen ist, wenn die Bearbeitung eines Gesuchs einen geringen Aufwand erfordert.

2.2

Diskussionen bei der Verabschiedung der Verordnung

Das knappe Ergebnis im Nationalrat betreffend die Frage, ob für den Zugang zu amtlichen Dokumenten grundsätzlich eine Gebühr erhoben werden soll oder nicht, veranlasste die SPK des Nationalrates, sich anlässlich der Konsultation zum Entwurf zur Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsverordnung, VBGÖ, SR 152.31) noch einmal intensiv mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Die Kommission störte sich daran, dass im Entwurf des Bundesrates für die Verordnung vorgesehen war, dass auf eine Gebührenerhebung verzichtet wird, wenn die Kosten der Erhebung die Gebühr überschreiten. In ihrem Schreiben an den Bundesrat vom 9. September 2005 beurteilte die SPK des Nationalrates diese Lösung als «in keiner Weise transparent». Die Kommission bezeichnete die vorgeschlagenen Verordnungsbestimmungen betreffend Gebühren als «wenig benutzerfreundlich gefasst, was der Zielsetzung des Gesetzes widerspricht, die Verwaltung transparenter und somit bürgerfreundlicher zu machen.» Die Kommission schlug deshalb dem Bundesrat vor, in der Verordnung eine explizite Limite zu setzen, bis zu der Gesuche um Dokumenteneinsicht gebührenfrei sind. Diese Limite könnte nach Ansicht der Kommission bei 100 Franken angesetzt werden. Zudem sollen die Gesuchsteller informiert werden, wenn eine Gebühr erhoben wird.

Die Anliegen der Kommission wurden in der Verordnung aufgenommen, indem nun in Artikel 15 Absatz 1 der VBGÖ festgehalten ist, dass eine Gebühr von weniger als 100 Franken nicht verrechnet wird. In Artikel 16 Absatz 2 der VBGÖ ist zudem verankert, dass die Behörde die Gesuchstellerin oder den Gesuchsteller über die zu erwartende Höhe der Gebühr informiert, wenn die voraussichtlichen Kosten 100 Franken übersteigen.

2.3

Entwicklung der Praxis

2.3.1

Verlangte Gebühren

Gemäss dem 26. Tätigkeitsbericht 2018/19 des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (S. 62) wurden 2018 bei 17 Zugangsgesuchen Gebühren erhoben, was 2,6 Prozent aller eingegangenen Gesuche (gegenüber 1,9 Prozent im Jahr 2017) entspricht. Somit bildete die Erhebung einer Gebühr wie in früheren Jahren die Ausnahme; in fast 98 Prozent der Fälle wurde darauf verzichtet. Die Gesamtsumme der für den Zugang zu Dokumenten erhobenen Gebühren beläuft sich auf 13 358 Schweizer Franken (2017: 6160, 2016: 22 700, 2015: 13 633).

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Insgesamt haben im Berichtsjahr nur acht Behörden Gebühren verlangt. Keinerlei Gebühren erhoben haben die Bundeskanzlei, das EJPD, das EDA und das EFD. Der grösste Teil der Gebühren entfiel auf das EDI (10 900 Franken für acht Gesuche) und das UVEK (1300 Franken für drei Gesuche).

Diese ungleiche Verteilung auf die Departemente kann auch in den vorangehenden Berichtsjahren beobachtet werden. In einer Interpellation vom 21. September 2016 hat Nationalrat Olivier Feller (RL, VD) die Frage gestellt, mit welchen Massnahmen der Bundesrat die Gebühren innerhalb der Verwaltung aneinander angleichen will (16.3678 Ip. Feller Olivier. Wie kann das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung besser umgesetzt werden?). In seiner Antwort verwies der Bundesrat auf Empfehlungen der Generalsekretärenkonferenz und auf die damals noch geplante Revision des BGÖ, in deren Rahmen dieses Problem gelöst werden könne.

Gegen die Höhe für die Gebühren in einzelnen Fällen wurde auch Beschwerde geführt. Dabei zeigte sich, dass bisweilen Gebühren in der Höhe von mehreren Tausend Franken erhoben worden sind. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilte solche Fälle unterschiedlich aufgrund des erfolgten Arbeitsaufwandes (vgl. zu den Einzelfälle Kapitel 4).

2.3.2

Gebührenerhebung gegenüber Medienschaffenden

Zu diskutieren gab insbesondere die Gebührenerhebung gegenüber Medienschaffenden, zu welcher sich auch das Bundesgericht geäussert hat.1 Das Bundesgericht betonte, dass Medienschaffende regelmässig auf den Zugang zu amtlichen Dokumenten angewiesen sind, weshalb eine «Kumulation von (für sich allein bescheidene) Gebühren sich als tatsächliche Zugangsbeschränkung auswirken könnte.»2 Deshalb sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse am Zugang der Medien zu amtlichen Dokumenten besteht, welches einen Gebührenverzicht rechtfertigen kann, auch wenn die Informationsbeschaffung nicht von geradezu existenzieller Bedeutung ist.

In beiden durch das Bundesgericht beurteilten Fällen wurde den Beschwerdeführern ein Anspruch auf einen günstigeren Gebührenansatz zugestanden, wobei das Gericht im einen Fall eine Gebührenreduktion von mindestens 50 Prozent als gerechtfertigt erachtete.3 Diese Gerichtsurteile hatten Auswirkung auf die rechtlichen Grundlagen: So wurde 2014 in Artikel 15 VBGÖ ein neuer Absatz 4 eingefügt, wonach die Gebühr bei einem Zugangsgesuch von Medienschaffenden um mindestens 50 Prozent reduziert werden muss (AS 2014 2169).

1 2 3

BGE 139 I 114, BGer 1C 550/2013 vom 19. November 2013 BGE 139 I 114 E. 4.3 Vgl. Ammann, Reto/Lang, Renate: Öffentlichkeitsgesetz und Datenschutz.

In: Datenschutzrecht, Basel 2015, S. 938f.

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2.4

Beurteilung der Gebühren in der Literatur

In der Literatur wird die Reduktion der Gebühren für Medienschaffende bisweilen als halbherziger Schritt kritisiert. So wird etwa festgehalten, dass die bundesgerichtlichen Erwägungen wenig hilfreich seien zur Beurteilung der Frage, nach welchen Kriterien im Einzelfall auf die Gebühren zu verzichten ist bzw. in welchem Umfang sie zu reduzieren sind. Da zudem die Mehrzahl der Behörden auch bei aufwändigen Gesuchen auf die Erhebung von Gebühren verzichten würde, «sprechen die Gesamtbetrachtung der Gebührenpraxis sowie die bundesgerichtlichen Erwägungen dafür, von dieser Pflicht Abschied zu nehmen.»4 Herbert Burkert hält im Kommentar zum Öffentlichkeitsgesetz dazu fest: «Prohibitive Gebührenregelungen können in der Verwaltungspraxis die Rechte zurücknehmen, die vorher im Grundsatz eingeräumt wurden.»5 Gemäss Burkert hätte es rechtsetzungstechnisch näher gelegen, den Grundsatz der Gebührenfreiheit mit Ausnahmetatbeständen für die Gebührenerhebung festzulegen, wie diese zum Beispiel auch beim Archivierungsgesetz der Fall sei.6

3

Grundzüge der Vorlage

Die Vorlage schliesst an die oben dargestellte, in der Literatur vorgebrachte Kritik an. Es wird eine Umkehrung des Grundprinzips vorgeschlagen: Nicht mehr die Erhebung von Gebühren soll das Grundprinzip darstellen, sondern der kostenlose Zugang zu Dokumenten. Dies entspricht auch der Grundidee des BGÖ, wonach Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich Zugang zu amtlichen Dokumenten haben sollen. Auf prohibitive Gebührenregelungen soll deshalb verzichtet werden.

In Artikel 17 BGÖ soll deshalb neu das Prinzip der Kostenlosigkeit des Zugangs zu amtlichen Dokumenten verankert werden. Als einziger Ausnahmetatbestand von diesem Prinzip soll festgehalten werden, dass eine Gebühr erhoben werden kann, «wenn ein Zugangsgesuch eine besonders aufwändige Beurteilung durch die Behörde erfordert.» Damit soll verhindert werden, dass Bürgerinnen und Bürger in exzessiver Weise Dienststellen des Bundes in Anspruch nehmen. In der Verordnung wird die Anzahl Arbeitsstunden anzugeben sein, ab welcher für die Bearbeitung eines Gesuchs eine Gebühr erhoben werden kann. Somit ist die Gebührenerhebung an das objektive Kriterium der investierten Bearbeitungszeit gebunden. Die Kommission erachtet es als sinnvoller, das messbare Kriterium der Arbeitsstunden zu verwenden, als mit schwer operationalisierbaren Begriffen wie «öffentliches Interesse» zu arbeiten, wie dies im Initiativtext vorgeschlagen wird. Die Verwendung des Begriffes «öffentliches Interesse» würde insbesondere auch einen Widerspruch zur Konzeption des BGÖ erzeugen, wonach das Einsichtsrecht voraussetzungslos besteht und nicht vom Nachweis eines bestimmten Interesses abhängig ist. Das Kriterium der 4 5 6

Born, Christoph: Öffentlichkeitsgesetz: Abschied von den Gebühren für Medienschaffenden. In: medialex 03/2013 105 Burkert, Herbert: Artikel 17 BGÖ. In: Brunner, Stephan C. / Mader, Luzius: Öffentlichkeitsgesetz, Stämpflis Handkommentar, Bern 2008, 289 Vgl. Burkert, 290

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Arbeitsstunden ist in allen Departementen anzuwenden. Der unterschiedlichen Gebührenpraxis durch verschiedene Departemente soll damit ein Riegel geschoben werden.

Auch wenn für die Bearbeitung bestimmter Gesuche allenfalls viel Zeit aufgewendet werden muss, soll die Gebühr nicht ein Ausmass annehmen, das einer Behinderung des Zugangs zu Dokumenten gleichkommt. Es soll deshalb festgelegt werden, dass für die Bearbeitung eines Zugangsgesuchs nicht mehr als 2000 Franken verlangt werden darf. Für die Festlegung dieses Betrags liefert die bisherige Praxis des Bundesverwaltungsgerichts Hinweise.

Sollten ausnahmsweise Gebühren erhoben werden müssen, dann sind die Gesuchstellenden wie gemäss geltendem Recht vorgängig zu informieren. Zudem steht ihnen wie bisher der übliche Rechtsweg offen, indem sie eine Verfügung verlangen können, die vor Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann, sofern die Beschwerde nur die Gebühren betrifft. Betrifft die Beschwerde auch den Zugang zum Dokument, dann kann auch ein Schlichtungsantrag nach Artikel 13 BGÖ gestellt werden. Es wird hier aber davon abgesehen, im BGÖ in Artikel 13 ein zusätzliches Schlichtungsverfahren bezüglich Gebührenerhebung vorzusehen. Dies würde schlecht zum neu vorgeschlagenen Konzept der grundsätzlichen Gebührenlosigkeit passen.

Eine Minderheit (Romano, Binder, Cottier, Fluri, Jauslin, Pfister Gerhard, Silberschmidt) hat sich nach der Vernehmlassung in der definitiven Gesamtabstimmung gegen die Vorlage ausgesprochen und beantragt deshalb Nichteintreten.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Bundesgesetz vom 17. Dezember 20047 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ) Art. 17

Kostenlosigkeit des Zugangs zu amtlichen Dokumenten

In Artikel 17 Absatz 1 wird neu der Grundsatz des kostenlosen Zugangs zu amtlichen Dokumenten verankert.

Ausnahmetatbestand Artikel 17 Absatz 2 regelt die Ausnahme von der Kostenlosigkeit. Es wird vorgesehen, dass ausnahmsweise eine Gebühr verlangt werden kann, «wenn ein Zugangsgesuch eine besonders aufwändige Bearbeitung durch die Behörde erfordert». In der Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsverordnung, VBGÖ) ist in der Folge zu regeln, ab welcher Anzahl Arbeitsstunden eine Gebühr in Betracht gezogen werden kann sowie den Stundenansatz für die Arbeitszeit über dem Schwellenwert, ab welchem eine Gebühr in Rechnung gestellt werden kann (zu den allgemeinen Anpassungen der VBGÖ vgl. die Ausführungen unten

7

SR 152.3

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zum Vollzug). Damit wird eine transparente Regelung geschaffen, die nachvollziehbar festhält, ab wann mit Kosten zu rechnen ist.

Des Weiteren wird in Artikel 17 Absatz 2 ein Maximalbetrag für die Gebühren vorgesehen. Damit soll verhindert werden, dass die Behörden die Gebühren gegebenenfalls als Mittel benutzen könnten, um die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller von der Einreichung eines Gesuchs abzuschrecken. Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Thematik auch schon beschäftigt: So hat das Bundesverwaltungsgericht eine Gebühr von 16 500 Franken, die einem Verein auferlegt wurde, als überhöht eingestuft und auf 8000 Franken herabgesetzt.8 Hingegen wurde bei einem Journalisten eine Gebühr von 4000 Franken vom Bundesverwaltungsgericht als gerechtfertigt erachtet für ein Zugangsgesuch, welches einen Arbeitsaufwand von 80 Stunden generierte.9 In diesen Fällen wurde jedoch der gesamte Arbeitsaufwand verrechnet.

Da gemäss dieser Vorlage der Arbeitsaufwand erst ab einer in der Verordnung vorgesehenen Anzahl Arbeitsstunden vorgesehen wird, wird vorgeschlagen, einen Maximalbetrag von 2000 Franken vorzusehen.

Eine Minderheit I (Cottier, Binder, Fluri, Jauslin, Romano, Silberschmidt, Streiff) sieht die gleiche Regelung vor, ausser dass hier vorgeschlagen wird, auf einen Maximalbetrag zu verzichten. Die Minderheit ist der Ansicht, dass es nicht angeht, auf Gesetzesstufe einen Betrag für die Höhe einer Gebühr festzuschreiben.

Eine Minderheit II (Addor, Bircher, Buffat, Marchesi, Rutz Gregor, Steinemann) nimmt ein Anliegen von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmern auf und beantragt, dass erst dann eine Gebühr erhoben werden sollte, wenn die Bearbeitung eines Gesuches nicht nur aufwändig, sondern auch in keinem Verhältnis zum öffentlichen Interesse sei. Die Kommission spricht sich gegen diesen Antrag aus, weil es ihrer Ansicht in der Praxis schwierig wäre, das öffentliche Interesse zu definieren.

Schliesslich hat die Kommission beschlossen, die bisher auf Verordnungsstufe festgehaltene Regelung, wonach der Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin vorgängig über die Absicht der Behörde, eine Gebühr zu erheben, sowie über die Höhe dieser Gebühr informiert werden soll, auf Gesetzesstufe zu heben.

Vollzug Der bisher in Artikel 17 Absatz 3 enthaltene Rechtsetzungsauftrag, wonach der Bundesrat die Einzelheiten
und den Gebührentarif nach Aufwand festlegt, wird neu in Artikel 17 Absatz 2 integriert. Der Vorbehalt abweichender Gebührenregelungen in der Spezialgesetzgebung im bisherigen Absatz 3 wird weggelassen. Soweit spezialgesetzlich tatsächlich eine Abweichung geregelt wird (beispielsweise die Entgeltlichkeit des Zugangs zu Dokumenten des betreffenden Spezialbereichs als Regel oder andere Gebührenansätze), so ist dies bereits durch den Vorbehalt von Spezialbestimmungen nach Artikel 4 Buchstabe b BGÖ gedeckt, wonach die Spezialgesetze vom BGÖ abweichende Voraussetzungen für den Zugang zu bestimmten Informationen vorsehen können.

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Urteil des BVGer A-2589/2015 Urteil des BVGer A-3299/2016

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Stattdessen wird in Absatz 3 gemäss bisher in Absatz 2 enthaltenem geltendem Recht festgehalten, dass bei den Schlichtungsverfahren nach Artikel 13 BGÖ und bei den Verfahren auf Erlass einer Verfügung nach Artikel 15 BGÖ keine Gebühren erhoben werden dürfen.

Im Rahmen der Revision des Artikels 17 BGÖ wird in der Folge auch der 5. Abschnitt der VBGÖ über die Gebühren (Art. 14­16 VBGÖ sowie Anhang 1) anzupassen sein. Abgesehen von den bereits erwähnten Änderungen können die Regelungen in der VBGÖ mit leichten Anpassungen unverändert beibehalten werden, aber nur noch auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ausnahmsweise eine Gebühr verlangt wird.

Materialkosten Artikel 17 Absatz 4 wird unverändert beibehalten, wonach die Behörden für die Abgaben eines materiellen Informationsträgers Kosten geltend machen dürfen.

Diese Materialkosten durften die Behörden bereits vor Inkrafttreten des BGÖ in Rechnung stellen und man wollte diese Praxis auch nach Erlass des BGÖ fortsetzen.10 Übergangsbestimmung Artikel 23a wird als neue Übergangsbestimmung eingefügt, wonach auf Gesuche, die vor Inkrafttreten der Änderung eingegangen sind, das alte Recht Anwendung findet. Die Änderung hat also keine Rückwirkung zur Folge.

5

Finanzielle Auswirkungen

Die Einführung des Grundsatzes des kostenlosen Zugangs zu amtlichen Dokumenten hat voraussichtlich nur minime finanzielle Auswirkungen. Im Jahr 2018 wurden nur bei 2.6 Prozent aller eingegangenen Gesuche überhaupt Gebühren erhoben bzw.

in über 97 % der Fälle haben die Behörden keine Gebühren für den Zugang zu amtlichen Dokumenten verlangt. Dabei belief sich die Gesamtsumme der Gebühren im Jahre 2018 auf 13 358 Franken (vgl. oben). Diese Zahlen werden sich bei einem kostenlosen Zugang voraussichtlich etwas verringern, wobei noch immer Gebühren für Zugangsgesuche mit hohem Verwaltungsaufwand vorgesehen werden können.

6

Rechtliche Grundlagen

Die vorgeschlagenen Änderungen des BGÖ stützen sich auf die Kompetenz der Bundesversammlung, Geschäfte zu behandeln, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen und keiner anderen Behörde zugewiesen sind (Art. 173 Abs. 2 BV).

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