20.055 Botschaft zum dringlichen Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise vom 12. August 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des dringlichen Bundesgesetzes über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2020

M

20.3151

Ertragsausfälle im öV ­ der Bund steht in der Pflicht (N 5.5.20, KVF-N; S 6.5.20)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. August 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-2088

6713

Übersicht Der öffentliche Verkehr sowie der Schienengüterverkehr sollen in der Covid-19Krise durch gezielte Massnahmen finanziell unterstützt und entlastet werden. Die Massnahmen mindern die in der Krise erlittenen finanziellen Verluste der Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs. Sie verhindern zudem, dass Transportangebote als direkte Folge der Krise eingeschränkt werden müssen.

Ausgangslage Die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus und die Erklärung der «ausserordentlichen Lage» gemäss Epidemiengesetz haben massive Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr (öV) und den Schienengüterverkehr. Die Nachfrage nach Angeboten des öV nahm während der Lockdown-Phase um bis zu 80 Prozent ab, da von dessen Benutzung abgeraten wurde und touristische Reisen untersagt wurden.

Ladenschliessungen und Unterbrüche in der Produktion führten auch zu einem deutlichen Rückgang im Güterverkehr. Die Folge sind Ertragsausfälle im Personenund im Güterverkehr. Es ist ungewiss, wie sich die Lage mittelfristig entwickeln wird.

Inhalt der Vorlage Damit der öV und der Schienengüterverkehr ihre tragenden Aufgaben auch in Zukunft erfüllen und sich nachfragegerecht weiterentwickeln können, sind finanzielle Unterstützungsmassnahmen zwingend. Mit der Annahme der Motion 20.3151 KVF-NR «Ertragsausfälle im öV ­ der Bund steht in der Pflicht» wird vom Bundesrat eine entsprechende Vorlage verlangt. Der Bundesrat unterbreitet dem Parlament einen Erlassentwurf in der Form eines dringlichen (und somit befristeten) Bundesgesetzes. Nur so können die Massnahmen schnell in die Wege geleitet und kann den Akteuren Planungssicherheit gegeben werden.

Der Entwurf des dringlichen Bundesgesetzes über die Unterstützung des öV in der Covid-19-Krise sieht für die verschiedenen Sparten folgende Massnahmen vor: ­

Regionaler Personenverkehr: Defizitdeckung im Jahr 2021 durch einen einmaligen Beitrag an die Transportunternehmen (TU), basierend auf der Jahresrechnung 2020. Der Beitrag wird anteilig durch Bund und Kantone finanziert, und zwar gemäss den heutigen prozentualen Beteiligungen von Bund und Kantonen. Die TU sollen sich im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit an den Kosten beteiligen.

­

Schienengüterverkehr: Aussetzen des Abbaupfads bei den Abgeltungen im alpenquerenden kombinierten Verkehr in den Jahren 2020 und 2021 sowie vereinfachtes Verfahren zur Defizitdeckung bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Schienengüterverkehr und den für die Verkehrsverlagerung wichtigen Unternehmen in Form eines einmaligen Beitrages.

6714

­

Finanzierung der Bahninfrastruktur: Im Jahr 2020 Verzicht auf eine Rückzahlung der Bevorschussung des Bahninfrastrukturfonds (BIF) und Zuweisung des verfassungsmässigen Maximums von zwei Dritteln des Ertrags der Schwerverkehrsabgabe in den BIF. Zusätzlich wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den BIF im Jahr 2020 zu verschulden. Die Ertragsausfälle der Infrastrukturbetreiberinnen werden durch Nachträge zu bestehenden Leistungsvereinbarungen kompensiert. Durch diese Massnahmen können die Investitionsmittel für den Substanzerhalt und den Ausbau des Bahnnetzes weitgehend gesichert werden.

Für die Finanzierung aller Massnahmen werden zusätzliche Mittel in der Grössenordnung von insgesamt rund 700 Millionen Franken beantragt.

6715

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Handlungsbedarf und Ziele 1.1.1 Öffentlicher Verkehr 1.1.2 Schienengüterverkehr 1.1.3 Finanzierung der Bahninfrastruktur 1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung 1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates 1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

6718 6718 6719 6720 6722 6724

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren 2.1 Allgemeine Vorverfahren 2.2 Vernehmlassungsverfahren 2.3 Anpassungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

6726 6726 6727 6727

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

6728

4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Die beantragte Neuregelung 4.1.1 Regionaler Personenverkehr 4.1.2 Schienengüterverkehr 4.1.3 Finanzierung der Bahninfrastruktur 4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen: Zusätzliche Voranschlagskredite für den öffentlichen Verkehr in der Covid-19-Krise 4.3 Umsetzungsfragen

6728 6728 6729 6732 6734

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 5.1 Güterverkehrsverlagerungsgesetz vom 19. Dezember 2008 5.2 Bahninfrastrukturfondsgesetz vom 21. Juni 2013 5.3 Gütertransportgesetz vom 25. September 2015 5.4 Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009

6738 6738 6739 6739 6739

6

Auswirkungen 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 6.4 Auswirkungen auf die Umwelt

6739 6740

6716

6726 6726

6738 6738

6740 6741 6741

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7

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.8 Datenschutz

Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise (Entwurf)

6741 6741 6742 6742 6742 6743 6743 6743 6743 6745

6717

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

In der Schweiz erbringen der öffentliche Verkehr (öV) und der Schienengüterverkehr Angebote und Dienstleistungen, die für das gute gesellschaftliche Funktionieren und die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz unerlässlich sind. Die Verkehrspolitik der Schweiz hat das Ziel, das Verkehrsnetz funktionsfähig und auf einem hohen technischen Standard zu halten.

Die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus und die Erklärung der «ausserordentlichen Lage» gemäss Epidemiengesetz vom 28. September 20121 hatten und haben massive Auswirkungen auf den öV und den Schienengüterverkehr. Aufgrund der dringenden Empfehlung des Bundesrates, zuhause zu bleiben und die Mobilität möglichst einzuschränken, nahm die Nachfrage nach Angeboten des öV um bis zu 80 Prozent ab. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Nachfrage nur langsam normalisiert und auf absehbare Zeit nicht wieder das Niveau vor der Krise erreichen wird.

Ladenschliessungen und Unterbrüche in der Produktion führten auch zu einem deutlichen Rückgang des Aufkommens im Güterverkehr.

Die Einstellung einzelner Angebote infolge von durch die Coronakrise bedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten setzt die gesamte Transportkette im Personen- und im Güterverkehr aufs Spiel.

Kurzfristige Massnahmen des Bundes Der Bund hat bereits Mitte März 2020 Massnahmen getroffen, um die Liquidität der verschiedenen Transportunternehmen (TU) im öV und im Schienengüterverkehr zu sichern. Im Mittelpunkt stand das Vorziehen vereinbarter Zahlungen. Diese Massnahmen bedingen keine zusätzlichen Kredite. Die Kantone haben für den regionalen Personenverkehr (RPV) ähnliche Massnahmen beschlossen.

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat hierfür Zahlungen an die TU zeitlich vorgezogen sowie im RPV die mit den Zahlungen verrechneten Rückzahlungen von altrechtlichen Darlehen auf den Herbst 2020 verschoben. Die TU wurden zudem aufgefordert, alle möglichen Massnahmen zur Kostenreduktion umzusetzen, inklusive der Anordnung von Kurzarbeit und deren Anmeldung zum Erhalt von Kurzarbeitsentschädigungen.

Übergangsfinanzierung mittels Darlehen Die kurzfristigen Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität bis Ende Jahr sind bei vielen TU nicht ausreichend. Die betroffenen TU sollen ­ sofern die Voraussetzungen erfüllt sind ­ von den vom Bundesrat beschlossenen Covid-19-Überbrückungshilfen in Form von rückzahlbaren Darlehen profitieren. Für TU, die die Voraussetzungen aufgrund der Rechtsform oder ihrer Grösse nicht erfüllen oder bei 1

SR 818.101

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denen die in der Summe begrenzten Darlehen nicht ausreichend sind, müssen anderweitige oder zusätzliche Überbrückungen gesucht werden.

Notwendigkeit finanzieller Unterstützungsmassnahmen Trotz der kurzfristigen Massnahmen und Überbrückungsfinanzierungen werden infolge der massiven Ertragsausfälle den TU im öV und im Schienengüterverkehr erhebliche Defizite entstehen. Dies ist mit Kapitalverzehr verbunden und führt dazu, dass die wirtschaftliche Basis für die zukünftige Leistungserbringung infrage gestellt wird. Den TU, welche ausschliesslich bestellte Verkehrsangebote erbringen, ist es verboten, Gewinne in Offerten für die kommenden Jahre zu planen. Sie können die Unterbilanzen deshalb langfristig nicht beseitigen und sind nicht in der Lage, die verbürgten Kredite zurückzuzahlen. Für die Grundversorgung ist die Schweiz auf leistungsfähige Unternehmen im öV und im Schienengüterverkehr angewiesen.

Gerade die Covid-19-Krise zeigt, dass verlässliche flächendeckende Transportangebote eine wichtige Grundlage für das Weiterfunktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft sind. Der Bundesrat sieht daher die dringende Notwendigkeit weiterer finanzieller Unterstützungsmassnahmen für den öV und den Schienengüterverkehr.

Ebenso hat das Parlament mit Annahme der Motion 20.3151 «Ertragsausfälle im öV ­ der Bund steht in der Pflicht» der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats (KVF-N) den Bundesrat aufgefordert, eine Vorlage auszuarbeiten, die eine Gesamtsicht der Auswirkungen der Coronakrise darlegt (u. a. Liquidität, Kurzarbeit, Ertragsausfälle) und entsprechende (Finanzierungs-)Massnahmen für alle Bereiche (Personenverkehr mit allen Sparten, Güterverkehr, Infrastruktur) enthält.

1.1.1

Öffentlicher Verkehr

Der öV zählt zum Rückgrat der Mobilität in der Schweiz. Gemessen an den zurückgelegten Kilometern beträgt der Anteil des öV 28 Prozent. Der öV trägt damit wesentlich zur Grundversorgung mit Mobilität in der Schweiz bei. Diese Grundversorgung ist auch in Krisensituationen aufrechtzuerhalten. Damit wird sichergestellt, dass Erwerbstätige der systemrelevanten Branchen, wie beispielsweise Angestellte von Spitälern, Lebensmittelläden oder Logistikunternehmen, ihre Arbeitsplätze weiterhin wie gewohnt erreichen können und die Dienstleistungen weiterhin anbieten können. Auch während einer Epidemie oder Pandemie muss die Grundversorgung im öV sichergestellt bleiben. Der öV ist ein wichtiger Dienstleister, damit sich die Menschen bewegen können, etwa um sich zu versorgen oder sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

Im Krisenfall amtieren die SBB (für die Schiene) und das Unternehmen PostAuto (für den öV auf der Strasse) gemäss Artikel 5 der Verordnung vom 18. Mai 2016 2 über die Koordination des Verkehrswesens im Hinblick auf Ereignisfälle als Systemführerinnen und koordinieren im Auftrag des Bundesrates den öV in der Schweiz. Im Rahmen der Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wurde das 2

SR 520.16

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BBl 2020

Angebot des öV ab dem 19. März 2020 systematisch reduziert. Fern- und Regionalverkehr verkehrten generell im Stunden- statt im Halbstundentakt respektive im Halbstunden- statt Viertelstundentakt; die ersten und letzten Verbindungen wurden weiterhin angeboten, um Früh- und Spätdienste in der Grundversorgung zu ermöglichen. Der internationale Personenverkehr wurde mit wenigen regionalen Ausnahmen ebenso wie Zusatzangebote in den Hauptverkehrszeiten sowie Nachtangebote an den Wochenenden komplett eingestellt. Auch der Ortsverkehr in den Städten wurde deutlich reduziert.

Die Bevölkerung ist den Aufrufen des Bundesrates gefolgt, zuhause zu bleiben und den öV möglichst nicht zu nutzen. Die Passagierzahlen sind ab Mitte März massiv zurückgegangen. Mit dem Wegbleiben der Fahrgäste sind die Einnahmen weggebrochen; für die Phase des Höhepunktes der Krise wird mit bis zu 80 Prozent weniger Einnahmen gerechnet, dies auch aufgrund der Kulanzregelungen zugunsten der Stammkundschaft mit Abonnementen.

Die Kosten des öV bestehen zu einem guten Teil aus fixen Kosten. Insbesondere im Schienenverkehr fallen die hohen Kosten des Rollmaterials und der Bahnanlagen (insbes. Abschreibungen) auch dann an, wenn die Züge stillstehen.

Damit steht der öV vor der Situation, dass einerseits hohe fixe Kosten unabhängig vom Betrieb anfallen und andererseits die Grundversorgung auch aufrechterhalten werden musste, als praktisch keine Nachfrage bestand. Diese Konstellation führt unweigerlich zu hohen, nicht gedeckten Kosten.

1.1.2

Schienengüterverkehr

Die Covid-19-Pandemie hat zu zahlreichen vorübergehenden Industrie- und Ladenschliessungen in der Schweiz und in ganz Europa geführt. Da zeitweise nur noch Geschäfte für Waren des lebensnotwendigen Bedarfs offen waren, ging auch die Nachfrage nach Endprodukten stark zurück. Viele Werkstoffe, Zwischen- und Endprodukte wurden nicht mehr transportiert. Dazu kommt, dass die Abwicklung des verbleibenden Verkehrs, insbesondere im alpenquerenden kombinierten Verkehr, gegenüber dem Normalbetrieb mit Mehrkosten verbunden ist. Die Disposition von Lokomotiven und Lokführern verteuerte sich, weil Züge häufiger kurzfristig ausgesetzt wurden, das Verkehrsaufkommen in Nord-Süd- und Gegenrichtung zunehmend unpaarig und generell weniger planbar wurde.

Alpenquerender Schienengüterverkehr Die Warenströme im alpenquerenden Schienengüterverkehr sind bedingt durch die Pandemie um bis zu 40 Prozent zurückgegangen, wobei wenige Möglichkeiten bestanden, die Kosten kurzfristig zu reduzieren. Innert kurzer Zeit erleiden die Unternehmen hohe Verluste und es kommt zu einem hohen Kapitalverzehr, dies gerade auch bei Unternehmen, die in den vergangenen Jahren nur selten Gewinne und damit Reserven erwirtschaften konnten. Da die Abgeltungen im kombinierten Verkehr auf Basis der Ist-Mengen ausgerichtet werden und aufgrund der Vorgaben von Artikel 8 Absatz 2 des Güterverkehrsverlagerungsgesetzes vom 19. Dezember

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20083 (GVVG) nicht erhöht werden können, führt der Rückgang der Verkehrsmengen zu einer Reduktion der Abgeltungszahlungen und verstärkt so den Einnahmenausfall zusätzlich. Den Kunden können stornierte Züge oder Sendungen nicht in Rechnung gestellt werden, weil es sich bei der Covid-19-Pandemie um einen Fall höherer Gewalt handelt.

Diese gravierende Situation im alpenquerenden Schienengüterverkehr hat zur Folge, dass ohne Gegenmassnahmen die Verlagerungspolitik der Schweiz nachhaltig geschwächt würde, indem mit Fördermitteln des Bundes aufgebaute Angebote dauerhaft eingestellt werden könnten. Es ist weiter davon auszugehen, dass infolge der Coronakrise die Konjunktur europaweit leiden wird und das bisherige Transportvolumen nur schrittweise wiederaufgebaut werden kann. Damit werden die Verkehrsmengen auf den Nord-Süd-Achsen auch im kommenden Jahr kaum das Niveau bisheriger Jahre erreichen.

Von den Covid-19-Schutzmassnahmen direkt betroffen ist das Angebot der Rollenden Landstrasse (begleiteter kombinierten Verkehr). Bei diesem Angebot, mit dem ganze Lastwagen transportiert werden, fahren die Chauffeure in einem Begleitwagen mit. Um das «Social Distancing» im Begleitwagen sicherzustellen, wurde die Zahl der Chauffeure je Begleitwagen begrenzt. Dies reduzierte die Auslastung der Rollenden Landstrasse massiv, sodass bei reduziertem Zugsangebot zeitweise nur noch 8 statt der sonst maximal möglichen 22 Lastwagen pro Zug transportiert werden konnten. Beim Betrieb der Rollenden Landstrasse zeigt sich eine weitere Eigenheit des öV und des Schienengüterverkehrs: Das Angebot wird durch die RAlpin AG durchgeführt, welche die einzige Gesellschaft in diesem Geschäftsfeld ist. Bei einem Konkurs der Gesellschaft fällt das Angebot langfristig weg und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht durch ein anderes Unternehmen übernommen.

Damit würden kurzfristig bis zu 90 000 Lastwagen pro Jahr mehr wieder auf der Strasse die Schweizer Alpen durchqueren.

Schweizerischer Schienengüterverkehr: Binnen-/Import-/Exportverkehr Industrie-, Baustellen- und Ladenschliessungen im Zuge der Covid-19-Pandemie haben im nationalen Schienengüterverkehr zu deutlichen Rückgängen im Transportvolumen (ca. ­20 Prozent) geführt. Im von SBB Cargo betriebenen System Wagenladungsverkehr (WLV) wurde trotz deutlich tieferer Verkehrsmengen im
2. Quartal 2020 das Angebot aufrechterhalten, um in dieser kritischen Phase den Handel und die Versorgung des Landes sicherzustellen. Eine besondere Herausforderung war der Import von wichtigen Gütern.

Durch den Rückgang des Transportvolumens während der Pandemie kam der grosse Vorteil der Schiene ­ die Bündelung grosser Mengen ­ nicht mehr voll zum Tragen.

Der hohe Anteil an Fixkosten konnte so nicht mehr gedeckt werden. Die SBB rechnet damit, dass bis Ende 2020 allein bei SBB Cargo durch die Coronakrise bedingte Kosten in Höhe von rund 29 Millionen Franken anfallen. Davon stammen 15,5 Millionen Franken aus der Sicherstellung des Angebots im WLV.

Die Transportketten funktionieren in der Schweiz multimodal: Der Schienengüterverkehr nimmt eine zentrale Rolle ein, indem er zum Beispiel die Produktionsstätten 3

SR 740.1

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für Lebensmittel mit den verschiedenen Verteilzentren der Grossverteiler verbindet.

Von dort können die Güter des täglichen Bedarfs auf der Strasse in die Supermärkte oder über den Onlinehandel direkt in die Haushalte geliefert werden. Der Marktanteil des Schienengüterverkehrs von rund 25 Prozent an der gesamten Transportleistung im Binnenverkehr unterstreicht dies. Insbesondere das breite Angebot des WLV ermöglicht es einer grossen Anzahl von Kunden, die Bahn zu nutzen. Ein wesentlicher Teil dieser Kunden gehören Branchen an, die für die Grundversorgung des Landes wichtig sind.

Der schweizerische Schienengüterverkehr kann somit als «systemrelevant» klassifiziert werden. Die Schiene muss auch zukünftig ihre wichtige Versorgungsfunktion in der Schweiz wahrnehmen können. Verschiedene Bahnunternehmen wurden zudem vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung als «versorgungsrelevante Unternehmen» bestätigt.

1.1.3

Finanzierung der Bahninfrastruktur

Da nur ein Grundangebot im öV aufrechterhalten wurde, sind die Trassenerlöse der Infrastrukturbetreiberinnen (ISB) eingebrochen. Diese Erlöse sind einerseits von der Zahl der gefahrenen Züge und andererseits vom Umsatz im Personenverkehr abhängig. Schätzungen beziffern die Mindereinnahmen der ISB im Jahr 2020 auf gegen 150 Millionen Franken, grossenteils durch den fehlenden Deckungsbeitrag im Personenverkehr bedingt. Diese Einnahmen fehlen den ISB unmittelbar für die Finanzierung von Unterhalt und Betrieb. Da verlangt wurde, dass der Betrieb des Eisenbahnnetzes aufrechterhalten wird, und eine Reduktion von Unterhaltsarbeiten die Substanz des Bahnnetzes gefährden würde, waren kaum Kosteneinsparungen möglich. Hingegen führte die eingeschränkte Bautätigkeit dazu, dass in erheblichem Ausmass unproduktive Arbeits- und Maschinenstunden anfielen, welche mit rund 100 Millionen Franken die Erfolgsrechnung belasten. Auch für das Jahr 2021 ist mit weiteren Verschlechterungen der Erfolgsrechnungen der ISB in Höhe von rund 80 Millionen Franken zu rechnen.

Als Folge des wirtschaftlichen Rückgangs fallen die zweckgebundenen Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) markant tiefer aus, da sie zu wesentlichen Teilen von der Wirtschaftsentwicklung abhängig sind (indexierte Beiträge von Bund und Kantonen, Beiträge aus Mehrwertsteuer, direkter Bundessteuer sowie der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA). Für 2020 rechnet die Expertengruppe des Bundes für Konjunkturprognosen mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts von ­6,2 Prozent. Das würde im Jahr 2020 zu Mindereinlagen im BIF gegenüber dem Voranschlag von rund 320 Millionen Franken führen. Es ist davon auszugehen, dass die Einlagen konjunkturbedingt auch in den Folgejahren deutlich tiefer ausfallen.

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BIF-Einlagen in den Jahren 20202023 (geschätzte Beträge in Mio. Fr.)

2020

2021

2022

2023

BIF-Einlagen gemäss Voranschlag 2020

5 154

5 290

5 385

5 508

BIF-Einlagen infolge Covid-19-Krise (Prognose)

4 831

4 925

5 040

5 137

Prognostizierte tiefere Einlagen pro Jahr

323

365

345

371

Prognostizierte tiefere Einlagen kumuliert

323

688

1 033

1 404

Für die Jahre 2020 bis 2023 werden als Folge der Covid-19-Krise tiefere Einlagen in Höhe von kumuliert 1,4 Milliarden Franken prognostiziert.

Eine Aktualisierung der BIF-Langfristplanung (Stand: Juli 2020) zeigt, dass die Covid-19-Krise (tiefere Einlagen und höhere Defizite der ISB) im Jahr 2020 zu einem negativen Ergebnis des BIF von rund 80 Millionen Franken führen wird.

Budgetiert war ein positives Ergebnis von 721 Millionen Franken. Aufgrund des negativen Ergebnisses ist es trotz der nach Artikel 7 Absatz 2 des Bahninfrastrukturfondsgesetzes vom 21. Juni 20134 (BIFG) gebildeten Reserve von gegenwärtig 300 Millionen Franken nicht möglich, dem gesetzlich festgelegten Schuldenabbau in der Höhe von rund 580 Millionen Franken nachzukommen, auch wenn sich der Fonds gemäss Artikel 12 Absatz 1 BIFG noch bis Ende 2020 zusätzlich mit bis zu 150 Millionen Franken verschulden kann. Aus heutiger Sicht werden dem BIF Ende 2020 gut 210 Millionen Franken fehlen.

Die ab 2021 prognostizierten tieferen jährlichen Einlagen führen dazu, dass die Finanzierung von notwendigen Investitionen in den Substanzerhalt und der vom Parlament beschlossene Ausbau der Eisenbahninfrastruktur nicht vollumfänglich gesichert sind, sofern der in Artikel 11 BIFG festgelegte Schuldenabbau in allen Jahren vollzogen werden muss. Gemäss Artikel 7 Absatz 1 BIFG ist eine weitere Verschuldung ab 2021 nicht möglich.

Entwicklung der BIF-Reserven in den Jahren 20202023 ohne dringliche Massnahmen (geschätzte Beträge in Mio. Fr.)

2020

2021

2022

2023

Fehlende Mittel pro Jahr

­211

­509

­264

­90

BIF-Reserve kumuliert

­211

­720

­984

­1 074

Der im BIFG festgelegte Abbau der Verschuldung des Fonds kann somit temporär nicht vollzogen werden. Allein im Jahr 2021 fehlen für die Finanzierung der Investitionen rund 500 Millionen Franken. Bei gesamten Ausgaben für Ausbauprojekte von 800 Millionen Franken in diesem Jahr müssten drastische Massnahmen ergriffen werden. Neue Projekte könnten grundsätzlich nicht ausgelöst und in grossem Um4

SR 742.140

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fang müssten Baustellen eingestellt werden. Dies hätte erhebliche Verzögerungen der vom Parlament beschlossenen Ausbauschritte zur Folge. Die Schweizer Bauwirtschaft und die Zulieferindustrie würden durch diesen Investitionsstopp schwer getroffen. Es wäre mit hohen Zusatzkosten für die Schliessung und die Wiedereröffnung der Baustellen zu rechnen.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Ziel der Massnahmen zur Unterstützung des öV und des Schienengüterverkehrs ist es, zu verhindern, dass der öV und der Schienengüterverkehr durch den Abbau oder die Einstellung von Transportangeboten aufgrund der Covid-19-Krise nachhaltig geschädigt werden.

Die vom Bundesrat gewählte Lösung beachtet folgende Prinzipien: ­

Die Zuständigkeit der verschiedenen Staatsebenen wird so weit als möglich eingehalten: Wo der Bund heute allein zuständig ist, trifft er allein die notwendigen finanziellen Massnahmen; wo es sich um eine Verbundaufgabe handelt, soll die Verantwortung bei Bund und Kantonen oder bei Kantonen und Gemeinden liegen.

­

Bestehende Verfahren und Abläufe werden wenn immer möglich berücksichtigt. Die Massnahmen setzen auf bestehende Instrumente und ergänzen diese fallweise.

­

Die Gesetzesbestimmungen werden nicht dauerhaft geändert, sondern nur im Sinne einer Überbrückungsmassnahme zur Bewältigung der Covid-19-Krise im öV und im Schienengüterverkehr befristet angepasst.

­

Die Massnahmen sollen einfach und transparent, wenn notwendig auch pauschalisierend ausgestaltet werden, damit nicht Zeit und Ressourcen mit zusätzlichem administrativen Aufwand verloren gehen.

Grundsatz und Handlungsrichtlinie der verschiedenen Massnahmen ist, dass die TU für die direkt durch die Covid-19-Pandemie verursachten Mehrkosten und Mindererträge entschädigt werden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen ist hierbei zu berücksichtigen.

Genereller Verzicht auf Unterstützung ist keine Option Der Bundesrat hat die Option eines Verzichts auf eine spezifische finanzielle Unterstützung des öV und des Schienengüterverkehrs geprüft und verworfen. Ohne spezifische Massnahmen könnten die TU einzig auf die vom Bundesrat beschlossenen allgemeinen Überbrückungshilfen zurückgreifen. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass verschiedene Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet würden und dass Angebote im öV oder im Schienengüterverkehr nicht mehr erbracht werden könnten. Dies würde das flächendeckende Angebot im öV und die Transportketten nachhaltig gefährden. Gleiches gilt für den Schienengüterverkehr mit Blick auf die Güterversorgung und die Umsetzung der Verlagerungspolitik. Im RPV ist es den Unternehmen nicht erlaubt, für die bestellten Leistungen Gewinne in die Offerten einzurechnen. Gesetzlich vorgegeben ist die Abgeltung der ungedeckten Kosten; Überschüsse 6724

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ergeben sich nur durch nicht vorhersehbare Planabweichungen. Dies verunmöglicht den Unternehmen eine Rückzahlung der allgemeinen Überbrückungshilfen in Form von Darlehen.

Im Bereich der Bahninfrastruktur wäre ein Verzicht auf Massnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf den Ausbau der Bahninfrastruktur verbunden.

Verzicht auf Massnahmen des Bundes bei weiteren bestellten Leistungen (Ortsverkehr) Der Ortsverkehr liegt in der Hoheit der Kantone und Gemeinden und ist keine Bundesaufgabe. Kantone, Gemeinden und teilweise Bezirke bestellen neben den gemeinsam von Bund und Kantonen bestellten Leistungen des RPV weitere Angebote des öV. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Angebote des Ortsverkehrs. Daneben werden auch regionale Angebote bestellt, welche die Kriterien für die Mitbestellung des Bundes nicht erfüllen. Sei es, weil die ständige Wohnbevölkerung der erschlossenen Ortschaft weniger als 100 Personen umfasst oder weil die Vorgaben der minimalen Wirtschaftlichkeit nicht erreicht werden. Auch wenn diese Angebote vom Bund nicht bestellt werden, sind sie notwendig, damit die Transportketten im öV funktionieren.

Die für den RPV beschriebenen Auswirkungen der Covid-19-Krise treffen auch auf den Ortsverkehr und die weiteren bestellten Angebote zu. Die durch die Transportunternehmen erlittenen finanziellen Verluste betragen gemäss Schätzungen des Bundes ca. rund 450 Millionen Franken. Zur Aufrechterhaltung dieser Angebote stehen in Anwendung der fiskalischen Äquivalenz als Besteller die Kantone und Gemeinden in der Pflicht, finanzielle Unterstützung zu leisten. Der Bundesrat geht davon aus, dass Kantone und Gemeinden in der Lage sind, diese Mittel selbst aufzubringen, ohne in finanzielle Schieflage zu geraten.

Personenfernverkehr, Schülerverkehr und touristischer Verkehr sind nicht Gegenstand der Vorlage Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Personenfernverkehr (inkl. internationaler Personenverkehr), der Schülerverkehr und der touristische Verkehr nicht Gegenstand der Unterstützungsmassnahmen sein sollen.

Die Situation im Personenfernverkehr wird im Zuge der Eignerpolitik mit der SBB geklärt: Die vor allem im Personenfernverkehr erzielten Gewinne der letzten Jahre geben der SBB einen gewissen finanziellen Spielraum. Sollten Anpassungen der Eignerziele notwendig werden, so wird der Bundesrat
hier steuernd eingreifen. Die SBB trägt somit Verluste in Höhe von rund 400 Millionen Franken aus eigenen Mitteln an die Milderung der Auswirkungen der Covid-19-Krise bei. Da die SBB alleinige Inhaberin von Fernverkehrskonzessionen ist, liegt es an ihr, die Deckung der finanziellen Folgen für die durch die BLS und die SOB im Auftragsverhältnis betriebenen Linien entsprechend der zwischen diesen Unternehmen bestehenden vertraglichen Beziehungen zu regeln und eine Weiterführung der vertraglich vereinbarten Leistungserbringungen sicherzustellen.

Der Schülerverkehr gilt nicht als öV, da er nicht allgemein zugänglich ist. Er kann von den TU mit Gewinnzuschlägen offeriert werden, sodass die TU hier das gleiche 6725

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Risiko tragen wie andere Unternehmen. Die TU können verbürgte Darlehen beantragen und diese in den Folgejahren zurückzahlen.

Der touristische Verkehr gehört nicht zur Grundversorgung, sondern ist Teil des Tourismusmarktes und soll ­ wenn der politische Wille besteht ­ in diesem Rahmen unterstützt werden. Der Bundesrat begrüsst es jedoch, wenn über spezifische tarifliche Anreize im öV der Tourismus in der Schweiz begünstigt und damit die finanziellen Folgen für die Tourismus-Regionen und -Betriebe gemildert werden. Die Kompetenz für entsprechende Massnahmen liegt beim zuständigen Gremium (Alliance SwissPass) und den TU, welche die Tarifhoheit innehaben. Der Bund ist bereit, allfällige daraus resultierende Kosten im Rahmen der vorgeschlagenen Defizitdeckung für das Jahr 2020 anteilsmässig zu tragen.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 20205 zur Legislaturplanung 20192023 noch im Entwurf des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung 201920236 angekündigt.

Die Vorlage ergibt sich aus der Dringlichkeit, die negativen Folgen der Covid-19Krise für den öffentlichen Verkehr und den Schienengüterverkehr zu mildern.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Vorlage werden die Aufträge aus der Motion 20.3151 der KVF-N, «Ertragsausfälle im öV ­ der Bund steht in der Pflicht» erfüllt.

2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1

Allgemeine Vorverfahren

Die in der Motion 20.3151 geforderte Zusammenarbeit mit Kantonen und TU bei der Ausarbeitung erfolgte im Rahmen von konsultativen Besprechungen mit Vertreterinnen und Vertretern von Kantonen, Städten, TU und Verbänden. Beteiligt waren die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs, der Schweizerische Städteverband, der Verband öffentlicher Verkehr, der Verband der verladenden Wirtschaft, der Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr, die Alliance SwissPass, die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV sowie die SBB, die Rhätische Bahn RhB, das Unternehmen PostAuto und der Zürcher Verkehrsverbund ZVV.

5 6

BBl 2020 1777 BBl 2020 1907

6726

BBl 2020

Die mit dieser Botschaft unterbreiteten Massnahmen werden durch die in den Vorverfahren konsultierten Kreise weitgehend unterstützt. Teilweise wurden weitergehende Massnahmen wie der Einbezug des Ortsverkehrs (in Höhe von bis zur Hälfte der Ertragsausfälle) und die finanzielle Unterstützung des touristischen Verkehrs gefordert. Auch wurde kritisiert, dass seitens der Unternehmen alle finanziellen Reserven eingesetzt werden sollen. Zudem wurde verlangt, dass im Schienengüterverkehr bei der Ausgestaltung der Massnahmen auch die Verlader berücksichtigt werden.

2.2

Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung zum dringlichen Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise wurde vom 2. Juli 2020 bis zum 22. Juli 2020 durchgeführt. Zur Stellungnahme eingeladen waren die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die Dachverbände der Wirtschaft und weitere interessierte Kreise. Insgesamt sind 77 Stellungnahmen eingegangen. Der vollständige Ergebnisbericht kann im Internet konsultiert werden.7 Im Rahmen der Vernehmlassung wurden die mit der Vorlage gesetzten Ziele sowie die vorgeschlagenen Massnahmen mehrheitlich begrüsst. Kantone und Branchenakteure des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs begrüssen in grosser Mehrheit die Inhalte der Vorlage. Von den Kantonen lehnt allein der Kanton Zug die Vorlage ab. Von den politischen Parteien lehnt die SVP die Vorlage in ihrer Ausgestaltung ab. Die FDP lehnt die Vorlage ab, da aus ihrer Sicht die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den öV und den Schienengüterverkehr zum jetzigen Zeitpunkt zu wenig klar sind. Die anderen Parteien begrüssen die verschiedenen Massnahmen, wünschen aber teilweise eine Ausweitung auf den touristischen Verkehr und auch den Fernverkehr. Die Dachverbände unterstützen mehrheitlich die Inhalte der Vorlage.

2.3

Anpassungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

Aufgrund der in der Vernehmlassung eingegangenen Stellungnahmen, die mehrheitlich die vorgeschlagenen Massnahmen unterstützen, ergibt sich kein grundlegender Anpassungsbedarf bei den vorgeschlagenen Massnahmen.

Gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf enthält die Vorlage keine Massnahmen des Bundes im Bereich des Ortsverkehrs und anderer bestellter Leistungen im Personenverkehr. Bereits mit der Eröffnung der Vernehmlassung hatte der Bundesrat festgehalten, dass er die Unterstützung für den Ortsverkehr aus Kompetenzgründen ablehnt. Zur Wahrung der fiskalischen Äquivalenz und zur Vermeidung von Präju7

Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2020 > UVEK.

6727

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dizen verzichtet der Bundesrat auf die Unterbreitung von Massnahmen im Bereich des Ortsverkehrs und weiterer bestellter Leistungen, auch wenn verschiedene politische Parteien, die Mehrheit der Kantone und eine Vielzahl an Transportunternehmen in der Vernehmlassung eine finanzielle Unterstützung des Ortsverkehrs durch den Bund unterstützen.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Gemäss Artikel 107 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)8 sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen der EU-Mitgliedstaaten, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, grundsätzlich verboten, sofern sie zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen können. Das EU-Recht sieht bestimmte Ausnahmen vom Beihilfenverbot vor.

Staatliche Beihilfen sind in der EU mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie der Beseitigung von Schäden dienen, die durch aussergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, (Art. 107 Abs. 2 Bst. b AEUV). Die Europäische Kommission hat die Covid-19-Pandemie als ein aussergewöhnliches Ereignis im Sinne dieser Bestimmung bezeichnet. Staatliche Beihilfen können zudem als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie ausgerichtet werden zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats (Art. 107 Abs. 3 Bst. b AEUV). Während der Covid-19-Pandemie gelten in der EU zudem besondere Voraussetzungen für die Gewährung staatlicher Beihilfen, auch für den Bereich des Landverkehrs.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Das mit dieser Botschaft unterbreitete Massnahmenpaket zur Unterstützung von öV und Schienengüterverkehr lässt sich unterteilen in Massnahmen für den regionalen Personenverkehr, für den Schienengüterverkehr und für die Finanzierung der Bahninfrastruktur. Die Massnahmen ermöglichen die Aufrechterhaltung und Weiterführung bestehender Transportangebote. Die Anpassung der Bestimmungen über die Bahninfrastrukturfinanzierung soll sicherstellen, dass Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur in der bestehenden Form weitergeführt werden können.

Die vom Bundesrat beantragten Regelungen sind alle befristet und verstehen sich als Überbrückungsregelungen.

8

ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 1.

6728

BBl 2020

4.1.1

Regionaler Personenverkehr

Grundsätze der Lösung im regionalen Personenverkehr Das Abwenden eines nachhaltigen Schadens für das flächendeckende Angebot im schweizerischen RPV ist nur möglich, wenn zusätzlich zu den bestehenden Finanzierungen durch Bund und Kantone die im Zuge der Covid-19-Pandemie entstandenen Mehrkosten und Ertragsausfälle gedeckt werden. Eine erhöhte Finanzierung durch die Nutzerinnen und Nutzer ist kurzfristig ausgeschlossen, da dies massive Preissteigerungen zur Folge hätte, die die Attraktivität des Angebots im RPV in Mitleidenschaft ziehen würde.

Die für den RPV beantragte Lösung richtet sich nach dem Grundsatz, dass den TU die durch die Covid-19-Krise verursachten Mehrkosten, beispielsweise für die Schutzkonzepte, sowie die sich aus der krisenbedingt tieferen Nachfrage ergebenden Ertragsausfälle abgegolten werden. Dabei ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der TU gebührend zu berücksichtigen.

Zu den Angeboten des RPV zählen neben regionalen Bahn- und Buslinien auch S-Bahnen in den Agglomerationen sowie Luft- und Standseilbahnen, die Ortschaften mit einer ständigen Wohnbevölkerung von mehr als 100 Personen erschliessen.

Diese Angebote werden gemäss den geltenden rechtlichen Bestimmungen von Bund und Kantonen gemeinsam bestellt und finanziert, wobei der Bund schweizweit im Durchschnitt 50 Prozent der Abgeltungen finanziert. Der Anteil der Kantone variiert je nach Bevölkerungsdichte zwischen 20 (Graubünden) und 73 Prozent (Basel-Stadt).

Die TU unterbreiten unter «normalen» Umständen den Bestellern jeweils für zwei Fahrplanjahre Offerten, worin sie pro Linie die geplanten Kosten sowie die erwarteten Erträge aus Fahrausweisverkäufen ausweisen. Die Besteller gelten die ungedeckten Kosten gemäss Offerten ab. Ergeben sich Abweichungen von den geplanten Kosten und Erträgen, so sind allfällige Überschüsse gemäss Artikel 36 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 20099 (PBG) mindestens zu zwei Dritteln in einer zweckgebundenen Reserve zu verbuchen. Diese sogenannte Spezialreserve darf nur für die Deckung zukünftiger Verluste verwendet werden.

Defizitdeckung und Rückzahlung der Darlehen Der Bundesrat beantragt, für den Abschluss des Jahres 2020 ausnahmsweise auf das bis 1995 angewendete System der Defizitdeckung zurückzugreifen und diese Defizite abzugelten. Konkret soll die auf 2020 beschränkte
Defizitdeckung nach folgendem Verfahren erfolgen: Im Jahr 2021 reichen die TU dem Bund ihre Jahresrechnungen für das Jahr 2020 ein. Es ist davon auszugehen, dass die allermeisten TU trotz Massnahmen zur Kostenreduktion wie beispielsweise Kurzarbeit oder wegfallende Trassenpreise hohe Verluste ausweisen werden.

Die Spartenrechnung 2020 mit den effektiven Ergebnissen dient als Bemessungsgrundlage für die Unterstützung. Dabei ist die nach Artikel 36 PBG gebildete zweckgebundene Spezialreserve zur Deckung der Verluste aufzulösen. Daneben 9

SR 745.1

6729

BBl 2020

sind allfällige vorhandene stille Reserven aufzulösen. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob weitere aus Überschüssen der Sparte RPV gebildete Reserven ebenfalls zur Deckung des Verlustes verwendet werden können.

Bund und Kantone müssen die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, um die 2020 entstandenen Verluste abzudecken. Das PBG muss vorübergehend um Bestimmungen ergänzt werden, die dem Bund die Defizitdeckung erlauben. Zudem müssen die Voranschlagskredite um die zur Defizitdeckung erforderlichen Mittel erhöht werden.

Ausgestaltung Konkret sind folgende Anpassungen des Verfahrens vorgesehen: ­

Die TU weisen mit der Jahresrechnung 2020 die Verluste aufgrund der tieferen Erträge und möglicher Kosteneinsparungen transparent aus.

­

Diese Verluste sind durch Auflösung der zweckgebundenen Reserven nach Artikel 36 PBG und weiterer Reserven der TU zu decken.

­

Verbleibende Verluste werden im Rahmen eines Nachtrags zur Angebotsvereinbarung 2020/2021 durch die Besteller ­ Bund und Kantone ­ gemäss den Kantonsbeteiligungen abgegolten, die in Anhang 2 der Verordnung vom 11. November 200910 über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs vorgesehen sind.

Die Verluste werden anteilsmässig durch die einzelnen Besteller getragen. Die linienweisen Verteilschlüssel des RPV zwischen den einzelnen Kantonen sowie zwischen den Kantonen und dem Bund stellen sicher, dass jeder Besteller seinen Anteil trägt.

Mit diesen zusätzlichen Abgeltungen der Besteller sollte es den TU möglich sein, allfällige als Überbrückungshilfe aufgenommene Bankkredite umgehend zurückzuzahlen.

Sollte die Nachfrage sich bis Ende 2020 nicht erholen und 2021 unter den Erwartungen liegen, so ergeben sich bei den TU aufgrund der bereits abgeschlossenen zweijährigen Vereinbarungen für 2020/2021 weitere Verluste. Der Bund sieht vor, die Angebotsvereinbarungen für 2021 nötigenfalls anzupassen und die Abgeltungen gemeinsam mit den mitbestellenden Kantonen zu erhöhen. Dazu sind die Zahlungskredite im Budget 2021 des Bundes entsprechend anzupassen.

Es wird erwartet, dass nach 2021 die Folgen der Covid-19-Krise aufgefangen werden können und keine weiteren Sonderabgeltungen oder Sonderzahlungen notwendig sein werden.

Als begleitende Massnahme soll den TU für die Jahresrechnungen 2020 und 2021 die Zahlung von Dividenden untersagt werden.

Sicherung der Liquidität Bis zur Auszahlung der zusätzlichen Abgeltungen muss die erforderliche Liquidität durch die TU sichergestellt werden. Der Bundesrat geht davon aus, dass spätestens 10

SR 745.16

6730

BBl 2020

mit dem Inkrafttreten des dringlichen Bundesgesetzes die TU Überbrückungsdarlehen bei den Banken beschaffen können. Diese Darlehen sollen mit der Defizitdeckung im Jahr 2021 zurückbezahlt werden können. Die anfallenden Zinskosten werden von den Bestellern abgegolten. Die Dringlichkeit der Vorlage ist unter anderem durch das Ziel begründet, den TU die Rechtssicherheit zu geben, dass sie diese Darlehen aufnehmen und zurückzahlen können. In begründeten Einzelfällen sind im Rahmen der verfügbaren Mittel für den RPV auch Erhöhungen der Abgeltungen in Form von Nachträgen zu den Angebotsvereinbarungen 2020 denkbar. Für die SBB hat der Bundesrat bereits eine Aufstockung der jährlichen Kreditlimite für Tresoreriedarlehen des Bundes bewilligt und somit die Liquidität der SBB gesichert.

Finanzieller Umfang der Massnahme Die Schätzungen gehen für den RPV von zusätzlichen Abgeltungen im Rahmen der Defizitdeckung für 2020 in der Höhe von rund 350 Millionen Franken aus sowie von 230 Millionen Franken Mehrabgeltungen für 2021.

Die Höhe der gesamten Verluste 2020 ist von der Frage abhängig, ob die TU Kurzarbeitsentschädigungen in Anspruch nehmen können. Dies konnte bis zur Verabschiedung der Botschaft nicht geklärt werden. Der geschätzte finanzielle Umfang umfasst somit Maximalbeträge, die geringer ausfallen, wenn an die Unternehmen des öV Kurzarbeitsentschädigungen ausgerichtet werden. Zudem hängt die Höhe davon ab, wie lange die Krise dauert und wie rasch sich die Nachfrage im RPV erholt. Offen ist insbesondere, wie lange besondere Schutzmassnahmen aufrechterhalten werden müssen und wie sich die Akzeptanz des öV bei den Kundinnen und Kunden unter diesen Umständen verändert.

Für die Schätzung des finanziellen Umfangs der Massnahme wurde von einem Umsatzverlust von rund 35 Prozent für das gesamte Jahr 2020 ausgegangen. Bei ursprünglich prognostizierten Einnahmen im RPV für 2020 in Höhe von rund 2,25 Milliarden Franken wird der Umsatzverlust so auf 800 Millionen Franken geschätzt. Für das Jahr 2021 ist davon auszugehen, dass das Umsatzniveau vor der Covid-19-Krise nicht wieder erreicht werden kann und mit einem Umsatzverlust von 10 Prozent oder ungefähr 230 Millionen Franken zu rechnen ist.

Auf der Kostenseite wurden die TU durch die Besteller aufgefordert, ihre Ausgaben zu begrenzen. Angesichts der hohen Fixkosten,
der Unsicherheiten hinsichtlich der Kurzarbeit und der zusätzlichen Kosten aufgrund der Schutzkonzepte konnten lediglich Einsparungen in Höhe von rund 5 Prozent der jährlichen Kosten realisiert werden. Bezogen auf die ursprünglich geplanten Kosten bedeutet dies eine Kostenersparnis von rund 230 Millionen Franken. Die Höhe der aufzulösenden Spezialreserven nach Artikel 36 PBG beläuft sich auf Grundlage der Jahresabschlüsse 2018 auf rund 220 Millionen Franken.

Die Abgeltungen werden zu je 50 % von Bund und Kantonen getragen. Dies erfordert von Seiten des Bundes zusätzliche Mittel in Höhe von etwa 175 Millionen Franken für das Jahr 2020 und rund 115 Millionen Franken für das Jahr 2021.

6731

BBl 2020

Verluste und Massnahmen im RPV in den Jahren 2020 und 2021 (geschätzte Beträge in Mio. Fr.)

2020

2021

Umsatzverluste RPV

800

230

Kosteneinsparungen

­230

Zusätzliche ungedeckte Kosten

570

Auflösung der Spezialreserven

­220

230

Finanzierungsbedarf

350

230

Bundesanteil (50 %)

175

115

Die notwendigen Mittel werden mit dem Voranschlag 2021 (Sammel-Nachmeldung zum Voranschlag 2021) beantragt. Die zusätzlichen Mittel werden als separater Kredit zusätzlich zum Kredit Regionaler Personenverkehr (A231.0290) geführt.

4.1.2

Schienengüterverkehr

Aussetzen des Abbaus bei den Abgeltungen für den alpenquerenden kombinierten Verkehr Um die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die Verlagerungspolitik zu mildern, soll der Abbau bei den Abgeltungen für den alpenquerenden kombinierten Verkehr ausgesetzt werden. Eine teilweise Kompensation der Erlöseinbussen infolge des Nachfragerückgangs ist nur erreichbar, wenn die vom Bund pro Zug und Sendung entrichteten Abgeltungen im Vergleich zum Vorjahr erhöht werden können. Dies ist nur möglich, wenn die Vorgabe, dass die Höhe der durchschnittlichen Abgeltung pro transportierter Sendung von Jahr zu Jahr abzunehmen hat (Art. 8 Abs. 2 GVVG), nicht bindend ist. Dies soll für den Zeitraum gelten, für den der Aufholprozess hin zum Niveau vor der Coronakrise relevant ist. Als Neuregelung schlägt der Bundesrat eine Anpassung von Artikel 8 Absatz 2 GVVG vor. Für das Jahr 2021 soll der Kredit für die Abgeltungen des alpenquerenden kombinierten Verkehrs gegenüber 2020 unverändert bei 121,5 Millionen Franken belassen werden. Dies entspricht auch dem Anliegen der Motion 20.3465 «Ausschöpfung der budgetierten Beiträge zur Stützung des kombinierten Güterverkehrs in der Covid-19-Krise» der KVF-N.

Ausgestaltung Die Abgeltungen werden weiterhin zu grossen Teilen auf Basis der effektiv gefahrenen Züge und Sendungen an die Operateure im kombinierten Verkehr entrichtet.

Wie bei früheren ausserordentlichen Ereignissen (z. B. Rastatt 2017) erhält jeder Operateur eine zusätzliche Abgeltung je gefahrenen Zug. Dies setzt unmittelbar Anreize bei den Operateuren, Angebote trotz schlechterer Auslastung aufrechtzuerhalten, und gilt auch einen Teil der höheren Produktionskosten im Zuge der Covid-19-Krise ab.

6732

BBl 2020

Um negative Effekte abzufedern und die Auswirkungen auf die Verlagerungspolitik zu reduzieren, sollen 2021 bei geringeren Mengen gleich viele Fördermittel gesprochen werden. Dies hat zur Folge, dass in dieser Ausnahmesituation die durchschnittliche Abgeltung je Sendung steigt.

Gemäss Artikel 15 der Gütertransportverordnung vom 25. Mai 201611 kann der Bund auch die ungedeckten Kosten der Eisenbahnverkehrsunternehmen abgelten.

Damit die zusätzlichen Abgeltungen direkt die Unternehmen mit hohen Fixkosten erreichen, ist vorgesehen, dass ein Teil der Abgeltungen an die im alpenquerenden Verkehr tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) entrichtet werden. Von dieser Massnahme sollen die EVU nach Möglichkeit bereits im Jahr 2020 profitieren.

Ausserordentliche finanzielle Unterstützung der Eisenbahnverkehrsunternehmen im Schienengüterverkehr zur Sicherstellung eines nachhaltigen Angebots Die Erlösausfälle bei im schweizerischen Schienengüterverkehr tätigen EVU infolge der Coronakrise können dazu führen, dass die EVU ihrem Auftrag als versorgungsrelevante Unternehmen nicht mehr gerecht werden, und verhindern, dass sie auch zukünftig ein nachhaltiges, an den Bedürfnissen der verladenden Wirtschaft ausgerichtetes Angebot erstellen. Mit der Aufnahme einer Sonderbestimmung in das Gütertransportgesetz vom 25. September 201512 (GüTG), mit welcher bei Krisen und ausserordentlichen Ereignissen der Bund Beiträge an EVU oder Dritte entrichten kann, um das Angebot aufrechtzuerhalten, könnte der Erlösausfall bei den Unternehmen des Schienengüterverkehrs zum Teil kompensiert werden.

Der Markt für den Schienengüterverkehr ist wettbewerblich ausgestaltet. In Verbindung mit der intensiven intermodalen Konkurrenz zur Strasse haben die in der Schweiz tätigen EVU nicht die Möglichkeit, finanzielle Reserven oder finanzielle Vorkehrungen für Krisensituationen wie die Covid-19-Krise zu treffen. Die Zahl der in der Schweiz im Schienengüterverkehr tätigen Unternehmen ist zudem sehr klein.

Der Ausfall eines Unternehmens kann deshalb zu starken Einschränkungen im Angebot führen.

Daher sind A-fonds-perdu-Mittel für diese Massnahme vorgesehen. Es kann aufgrund des Rückgangs der Transportvolumina in Höhe von 1520 Prozent von einem Ertragsausfall von etwa 40 Millionen Franken bei den verschiedenen EVU ausgegangen werden. Da der
Bund gerade in politisch und wirtschaftlich schwierigen Situationen der Schweizer Wirtschaft ein stabiles und zuverlässiges Güterverkehrsangebot zur Verfügung stellen will, rechtfertigt es sich, insbesondere die ungedeckten Bereitstellungskosten für das Systemangebot im WLV von SBB Cargo, aber auch vergleichbare Kosten bei anderen EVU zu übernehmen. Mit dieser Massnahme ist der schweizerische Schienengüterverkehr weiterhin in der Lage, seine Versorgungsfunktion in der Schweiz langfristig wahrzunehmen.

Der Bundesrat erwartet, dass im Zuge der finanziellen Unterstützung die EVU die bestehenden Angebote in den kommenden Jahren weiterführen und für 2020 und 2021 auf Preiserhöhungen verzichten, sodass im Gegenzug zur Kompensation eines 11 12

SR 742.411 SR 742.41

6733

BBl 2020

Teils der Erlösausfälle die verladende Wirtschaft eine grössere Planungssicherheit erhält.

Ausgestaltung Auf Antrag können den EVU Beiträge entrichtet werden, die den Ausfall der ursprünglich budgetierten Erlöse teilweise kompensieren. Auf Basis der geplanten Transportmengen (Wagen oder Tonnen) wird an in der Schweiz verkehrende EVU eine Abgeltung für das ursprünglich geplante Verkehrsangebot entrichtet werden.

Der Verteilschlüssel richtet sich somit nach den Marktanteilen der tätigen EVU, das heisst nach den Anteilen an Zügen oder Tonnen. Die Beiträge werden einmalig entrichtet. Vorausgesetzt wird, dass die Unternehmen bereit sind, Reserven aufzulösen und auf die Zahlung von Dividenden zu verzichten.

Ausserordentliche finanzielle Unterstützung des Angebots der Rollenden Landstrasse Die Erlösausfälle bei der Rollenden Landstrasse aufgrund der Beschränkung der Zahl der Chauffeure in einem Begleitwagen führen beim Betreiber der Rollenden Landstrasse (RAlpin AG) zu einem erheblichen Kapitalverzehr und zu Liquiditätsproblemen. Mit einem einmaligen Sanierungsbeitrag in Höhe der Erlösausfälle von rund 10 Millionen Franken kann das Angebot der Rollenden Landstrasse innerhalb der bisherigen finanziellen Rahmenbedingungen auch in den kommenden Jahren weitergeführt und so eine namhafte Zahl an Lastwagenfahrten von der Strasse auf die Schiene verlagert werden.

Es ist vorgesehen, dass der Bundesrat mit dem Verlagerungsbericht 2021 eine Gesamtschau zur Frage der Fortführung der Rollenden Landstrasse nach 2023 vorlegen wird.

Finanzieller Umfang der Massnahmen Für das Jahr 2021 wird ein einmaliger Kredit für die ausserordentliche finanzielle Unterstützung der EVU im Schienengüterverkehr in Höhe von 70 Millionen Franken geschaffen. Hiervon werden voraussichtlich rund 20 Millionen Franken für höhere Abgeltungen im alpenquerenden kombinierten Verkehr im Jahr 2021 eingesetzt. Die restlichen 40 Millionen Franken werden vor allem zur Abdeckung der Bereitstellungskosten an die schweizerischen EVU im Güterverkehr ausgerichtet. Maximal 10 Millionen Franken werden zugunsten der Rollenden Landstrasse eingesetzt.

Die Mittel werden mit dem Voranschlag 2021 (Sammel-Nachmeldung zum Voranschlag 2021) beantragt.

4.1.3

Finanzierung der Bahninfrastruktur

Durch die Covid-19-Krise ist die Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur mit Mindereinlagen im BIF in Höhe von 1,4 Milliarden Franken in den Jahren 2020 bis 2023 und finanziellen Verlusten, vor allem infolge tieferer Trassenerlöse der ISB, in Höhe von 330 Millionen Franken in den Jahren 2020 und 2021 konfrontiert. Die notwendige Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur kann auch bei vollständiger Auflösung 6734

BBl 2020

der BIF-Reserven nur über eine gesetzliche Anpassung zur einjährigen Sistierung der Rückzahlung der Bevorschussung ­ bei gleichzeitiger Erhöhung der LSVAEinlage in den BIF und Inanspruchnahme der Möglichkeit der Verschuldung des BIF ­ so weit als möglich sichergestellt werden.

Dringliche Massnahmen zur Sanierung des BIF infolge der Covid-19-Krise Das BIFG sieht in Artikel 7 ein generelles Verschuldungsverbot (Abs. 1) sowie die Bildung einer angemessenen Reserve ab dem 1. Januar 2020 (Abs. 2) vor. Als angemessene Reserve gelten 300 bis 500 Millionen Franken. Der BIF kann sich gemäss Übergangsbestimmung (Art. 12) noch bis Ende 2020 mit bis zu 150 Millionen Franken zulasten der Bilanz des Bundes verschulden. Weiter hat der BIF die unter dem FinöV-Fonds gebildete Bevorschussung nach Artikel 11 ab dem 1. Januar 2019 geregelt abzubauen, indem 50 Prozent der zweckgebundenen Einlagen aus der LSVA sowie die Mineralölsteuermittel hierfür eingesetzt werden.

Der BIF konnte bis heute diese Bestimmungen einhalten. Er hat bis Ende 2019 eine Reserve von 300 Millionen Franken aufgebaut und die Bevorschussung seit 2017 um 1,6 Milliarden Franken reduziert, das sind 1,1 Milliarden Franken mehr als gesetzlich vorgeschrieben. Zudem hat der BIF zur Entlastung des Bundeshaushalts seit 2016 auf LSVA-Einlagen in der Höhe von gut 760 Millionen Franken verzichtet.

Da in den Vorjahren über die gesetzliche Pflicht hinaus Rückzahlungen im Umfang von ca. 1,1 Milliarden Franken geleistet wurden, wird durch die vorgeschlagenen Massnahmen die gesetzliche Rückzahlungsverpflichtung der BIF-Bevorschussung nicht gefährdet. Auch beim BIF zahlt sich die umsichtige Finanzpolitik der letzten Jahre aus und ermöglicht es, die finanziellen Folgen der Covid-19-Krise aufzufangen.

Um die durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufene ausserordentliche Lage bei der Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur ohne negative Auswirkungen auf Unterhalt, Betrieb und Ausbau der Bahninfrastruktur bewältigen zu können, ist für das Jahr 2020 das gesetzlich vorgegebene Fondsreglement im BIFG anzupassen und um weitere Massnahmen zur Detailsteuerung des BIFG zu ergänzen. Es werden zur Sanierung des BIF folgende Elemente vorgeschlagen: ­

Sistierung des geregelten Abbaus der FinöV-Bevorschussung für das Jahr 2020. Dies hat zur Folge, dass die Einlagen aus Mitteln der LSVA und der Mineralölsteuer in Höhe von rund 690 Millionen Franken im Jahr 2020 im BIF verbleiben.

­

Erhöhung der LSVA-Einlage auf das verfassungsmässig vorgeschriebene Maximum von zwei Dritteln des LSVA-Reinertrags. Auf diesem Weg werden dem BIF im Jahr 2020 zusätzliche Mittel in Höhe von 221 Millionen Franken zugeführt.

­

Inanspruchnahme der Möglichkeit der zusätzlichen Verschuldung des BIF.

Gemäss Artikel 12 Absatz 1 BIFG können dem BIF letztmals im Jahr 2020 Vorschüsse zulasten der Bilanz des Bundes im Gesamtbetrag von höchstens 150 Millionen Franken gewährt werden. Dies erweitert den finanziellen Spielraum des BIF zusätzlich.

6735

BBl 2020

Die Sistierung des geregelten Abbaus der BIF-Bevorschussung für das Jahr 2020 bedingt eine befristete Anpassung des BIFG. Die Erhöhung der LSVA-Einlage und die Inanspruchnahme der Möglichkeit der zusätzlichen Verschuldung des BIF erfolgen innerhalb der geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Gemäss Artikel 8 BIFG unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung die Fondsrechnung zur Genehmigung.

Mit diesen drei Elementen können die finanzielle Ausstattung des BIF massiv verbessert und die durch die Covid-19-Krise bedingten Ausfälle zu grossen Teilen kompensiert werden. Durch die höheren Einlagen, die ausgesetzte Rückzahlung der Bevorschussung und die Inanspruchnahme der Möglichkeit der Verschuldung kann der BIF im Jahr 2020 ein positives Ergebnis erzielen. Damit werden Reserven geäufnet, die die Möglichkeit eröffnen, in den Folgejahren die Mindereinlagen in den BIF teilweise zu kompensieren.

Entwicklung des BIF in den Jahren 20202023 bei Umsetzung der dringlichen Massnahmen zur Sanierung des BIF (geschätzte Beträge in Mio. Fr.)

Ergebnis des BIF vor Rückzahlung der Bevorschussung Erhöhung der LSVA-Einlage

2020

2021

2022

2023

­ 77

136

386

559

221

­

­

­

0

645

650

649

Neuverschuldung

150

­

­

­

Ergebnis des BIF nach den Massnahmen

294

­509

­264

­ 90

­

509

85

­

294

­

­

­

594 (300 + 294)

85

Fehlende Mittel des BIF pro Jahr

­179

­ 90

Fehlende Mittel des BIF kumuliert

­179

­269

Rückzahlung der Bevorschussung

Auflösung von Reserven Bildung von Reserven Reserven des BIF

Die verschiedenen dringlichen Massnahmen zur Sanierung des BIF ermöglichen für die Jahre 2020 und 2021 eine Entwicklung des BIF, die kurzfristig keine Einschränkungen beim Substanzerhalt oder Ausbau der Bahninfrastruktur erforderlich macht.

Für die Jahre 2022 und 2023 wird sich nach aktueller Einschätzung der Entwicklung im BIF ein Fehlbetrag von rund 270 Millionen Franken einstellen. Dieser muss aus Sicht des Bundesrats jedoch in Kauf genommen werden und kann über die Detailsteuerung der Ausbauprojekte kompensiert werden. Im Vordergrund steht eine angepasste Etappierung des Ausbaus.

6736

BBl 2020

Kompensation der Ertragsausfälle der Infrastrukturbetreiberinnen Damit die Mittel und die Liquidität der ISB gewährleistet sind und so Unterhalt und Betrieb der Bahninfrastruktur ohne Abstriche an Umfang, Qualität und Sicherheitsniveau sichergestellt sind, müssen die Mindereinnahmen der ISB finanziell kompensiert werden. Für das Jahr 2020 sind die den ursprünglichen Offerten zu den Leistungsvereinbarungen mit den ISB hinterlegten Einnahmen aus dem Trassenverkauf den tatsächlichen Einnahmen gegenüberzustellen. Zusätzliche, im Zuge der Covid-19-Krise entstandene oder allenfalls vermiedene Kosten (insbes. unproduktive Personal- und Maschinenstunden sowie hängenbleibende Fixkosten aufgrund von zwischenzeitlichen Baustellenschliessungen) werden in Betracht gezogen. Eine Abgeltung soll ausgerichtet werden, soweit die Spezialreserve für künftige Fehlbeträge der Sparte Infrastruktur gemäss Artikel 67 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 195713 nicht ausreicht, um die erwarteten Verluste auszugleichen. Auf dieser Basis erfolgt die Entrichtung zusätzlicher Mittel an die ISB (als Nachtrag zu den einzelnen Leistungsvereinbarungen mit den ISB) noch im Jahr 2020.

Sollte sich die Nachfrage im Personen- und im Güterverkehr bis Ende 2020 nicht erholen und 2021 unter den Erwartungen liegen, so ergeben sich für die Ende 2020 abzuschliessenden Leistungsvereinbarungen für 2021 geringere Planerlöse, welche zu einem erhöhten Abgeltungsbedarf führen können.

Ausgestaltung Die ISB werden dem BAV im November 2020 aktualisierte Planrechnungen einreichen, aus denen die Mindereinnahmen bei den Trassenpreisen und die Einsparungen und Mehrkosten aus anderen Massnahmen (Baustellenschliessungen u. Ä.) ersichtlich sind. Auf dieser Basis werden nach Abzug der Spezialreserve mit den ISB Nachträge für die Leistungsvereinbarungen abgeschlossen.

Finanzieller Umfang der Massnahme Im Jahr 2020 erfolgt keine Rückzahlung der Bevorschussung aus dem BIF. Ursprünglich war eine Rückzahlung in Höhe von jährlich 600 Millionen Franken vorgesehen. Die Rückzahlung erfolgt zwar, aber um ein Jahr verschoben. Zugleich wird die LSVA-Einlage in den BIF einmalig um 221 Millionen Franken erhöht. Der BIF verschuldet sich 2020 zusätzlich um 150 Millionen Franken.

Die Kompensation der Ertragsausfälle bei den ISB erfordert eine Aufstockung der Mittel für
die Leistungsvereinbarungen in Höhe von rund 250 Millionen Franken für das Jahr 2020 und rund 80 Millionen Franken für das Jahr 2021. Die Mittel für 2020 werden im Rahmen eines Nachtragskredits für das Jahr 2020 beantragt; die Mittel für 2021 werden im Rahmen des ordentlichen Voranschlags für 2021 beantragt.

13

SR 742.101

6737

BBl 2020

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen: Zusätzliche Voranschlagskredite für den öffentlichen Verkehr in der Covid-19-Krise

Die rasche Umsetzung der Massnahmen verlangt, dass die dafür nötigen finanziellen Mittel mit dem Jahr 2021 und im Bereich Infrastruktur teilweise bereits für 2020 zur Verfügung stehen. Mit Verabschiedung dieser Botschaft nimmt der Bundesrat daher zusätzliche Voranschlagskredite zur Finanzierung der Massnahmen in den Voranschlag für das Jahr 2021 auf. Diese werden dem Parlament zusammen mit dem Voranschlag für das Jahr 2021 vorgelegt.

Folgende zusätzliche Kredite werden beantragt: Verwaltungseinheit

Kreditbezeichnung

802

BAV

Covid: Abgeltung Schienengüterverkehr

802

BAV

Covid: Abgeltung Regionaler Personenverkehr

Betrag (Mio. Fr.)

70,0 290,0

Im Bereich Bahninfrastruktur für das Jahr 2020 wird mit der Botschaft zum Nachtrag IIb zum Voranschlag 2020 eine Erhöhung der Entnahmen aus dem BIF für den Betrieb der Bahninfrastruktur um 250 Millionen Franken beantragt. Zugleich wird mit dem Nachtrag IIb auch ein Nachtragskredit im Umfang von 221 Millionen Franken auf dem Voranschlagskredit A236.0110 Einlage Bahninfrastrukturfonds zur Erhöhung der LSVA-Einlage auf das verfassungsmässige Maximum beantragt.

Für das Jahr 2021 wird mit dem Voranschlag 2021 eine Erhöhung der Entnahmen aus dem BIF für den Betrieb der Bahninfrastruktur um 80 Millionen Franken (gegenüber den ursprünglich geplanten Entnahmen) unterbreitet.

4.3

Umsetzungsfragen

Die im Rahmen dieser Vorlage unterbreiteten Gesetzesanpassungen sind abschliessend. Es ergeben sich daraus keine Anpassungen in Ausführungsverordnungen.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1

Güterverkehrsverlagerungsgesetz vom 19. Dezember 2008

Art. 8 Abs. 2 zweiter Satz Die bisherige Vorgabe, dass im alpenquerenden kombinierten Verkehr die Höhe der durchschnittlichen Abgeltung pro transportierter Sendung von Jahr zu Jahr abzunehmen hat, findet für die Jahre 2020 und 2021 keine Anwendung.

6738

BBl 2020

5.2

Bahninfrastrukturfondsgesetz vom 21. Juni 2013

Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz Neu wird der 1. Januar 2022 anstelle des 1. Januar 2020 als Startdatum für die Bildung einer angemessenen Reserve für den BIF gesetzt.

Art. 11 Abs. 1 zweiter Satz Die Verwendung von mindestens 50 Prozent der Einlagen aus LSVA und Mineralölsteuer für die Tilgung der Bevorschussung wird für das Jahr 2020 ausgesetzt.

5.3 Art. 9a

Gütertransportgesetz vom 25. September 2015 Beiträge zur Milderung der Auswirkungen der Covid-19-Krise

Mit dieser Bestimmung wird in das Gütertransportgesetz ein neuer Fördertatbestand eingefügt, der es dem Bund ermöglicht, Verluste der im Gütertransport auf der Schiene tätigen Unternehmen zu übernehmen, damit bestehende Angebote im Schienengüterverkehr auch zukünftig aufrechterhalten werden können.

5.4

Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009

Art. 28 Abs. 1bis Mit Absatz 1bis wird das Vorgehen zum Ausgleich der mit der Covid-19-Krise erlittenen finanziellen Verluste der Unternehmen im RPV festgelegt. Basis für die zusätzliche Abgeltung im Jahr 2020 sind die linienweisen Ergebnisse der Jahresrechnungen der Unternehmen. Die Auflösung der Spezialreserve zur Deckung künftiger Fehlbeträge abgeltungsberechtigter Verkehrssparten ist hierfür Voraussetzung.

Art. 36 Abs. 2bis Mit Absatz 2bis wird sichergestellt, dass Unternehmen, die von den einmaligen Subventionen gemäss Artikel 28 Absätze 1bis profitieren, für die Geschäftsjahre 2020 und 2021 keine Dividenden ausschütten.

6

Auswirkungen

Die mit dieser Botschaft beantragten Massnahmen sind mit einer Verteilung der finanziellen Lasten auf Bund, Kantone und Gemeinden verbunden. Einen Teil der Verluste tragen die TU selber, indem Reserven aufgelöst und die Dividendenausschüttung an die Eigentümer verhindert werden. Die Ausfälle im Fernverkehr wer6739

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den vollumfänglich durch die SBB getragen. Da die SBB ein bundeseigenes Unternehmen sind, geht dies zulasten des Bundes.

Bei der Verbundaufgabe RPV erfolgt eine Lastenteilung zwischen Bund und Kantonen.

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die finanziellen Auswirkungen auf Bund, Kantone und Unternehmen: Massnahme

Bund

Kantone

Unternehmen Finanzielle Belastung (in Mio. Fr.)

Regionaler Personenverkehr Schienengüterverkehr

290

Bahninfrastruktur

330

Total (ohne Fernverkehr)

690

6.1

290

70

220 nicht bekannt 140

­

360

Auswirkungen auf den Bund

Insgesamt führt die Vorlage zu Mehrausgaben für den Bundeshaushalt von voraussichtlich rund 700 Millionen Franken Mit der Erhöhung der LSVA-Einlage um 221 Millionen und mit einer zusätzlichen Verschuldung über 150 Millionen erhält der BIF zudem zusätzlichen finanziellen Spielraum in Höhe von 371 Millionen.

Hinzu kommt die Deckung der Verluste im Fernverkehr (inkl. internationaler Schienenpersonenverkehr) in Höhe von 400 Millionen Franken durch die Auflösung von Reserven in der Bilanz der SBB.

Die administrative Umsetzung der Massnahmen wird mit den vorhandenen personellen Ressourcen bewältigt.

6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Bestellung und Abgeltung des RPV sind eine Verbundaufgabe von Bund und Kantonen. Die Kantone tragen daher die Defizitdeckung im RPV anteilig mit.

Würden keine finanziellen Unterstützungsmassnahmen im öV und im Schienengüterverkehr getroffen, so würde dies die Unternehmen finanziell stark treffen. Da die TU im bestellten Verkehr keine Möglichkeit haben, eine Unterbilanz mit zukünftigen Gewinnen aufzufangen, könnten viele Unternehmen substanziell gefährdet werden, was die zukünftige Leistungserbringung gefährdet. Gerade im Busbereich erbringen viele private kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Leistungen im öV. Sie wären aufgrund der Überschuldung zu Sanierungsmassnahmen gezwungen.

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Sind die Eigentümer nicht bereit, die finanziellen Mittel aufzubringen, so bleibt nur der Konkurs des Unternehmens.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Mit den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sollen die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die Volkswirtschaft in den Bereichen öV und Schienengüterverkehr abgefedert werden. Beide Bereiche können mit einer Weiterführung und Entwicklung marktgerechter Angebote auch in Zukunft ihre bedeutenden Aufgaben in nationaler und internationaler Arbeitsteilung wahrnehmen und somit auch künftig zur hohen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz beitragen.

Die Massnahmen im Bereich der Finanzierung der Bahninfrastruktur ermöglichen es, dass bei Unterhalt, Betrieb und Ausbau der Schieneninfrastruktur Investitionen weitgehend im ursprünglich geplanten Ausmass zum Tragen kommen, die die infolge der Covid-19-Krise voraussichtlich schwache Konjunktur grundsätzlich stützen.

Müssten die Investitionsprogramme reduziert werden, so müssten die ISB ihre Aufträge an die Bauwirtschaft und die Industrie reduzieren, was den Bestand einiger spezialisierter Firmen gefährden könnte. Die Wirtschaftstätigkeit der Schweiz würde zusätzlich geschwächt.

In der Summe helfen die beantragten Unterstützungsmassnahmen somit als Teil einer antizyklischen Wirtschaftspolitik, die Volkswirtschaft der Schweiz zu stabilisieren.

6.4

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Unterstützungsmassnahmen stellen sicher, dass der öffentliche Verkehr sowie der Schienengüterverkehr ihre positiven Wirkungen auf Umwelt und Klima weiterhin beibehalten können.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die beantragten Gesetzesänderungen stützen sich auf die jeweiligen Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung (BV)14.

14

SR 101

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7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die mit dieser Botschaft beantragten Unterstützungsmassnahmen sind mit dem EURecht und den bilateralen Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der EU vereinbar.

Im Rahmen des Abkommens vom 21. Juni 199915 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen) hat sich die Schweiz nicht zur Übernahme des EU-Beihilfenrechts im Schienenverkehr verpflichtet. Die unter Ziffer 3 ausgeführten Vorgaben des EU-Rechts sind daher für die Schweiz grundsätzlich nicht verbindlich. Im Bereich des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs finden sich im Landverkehrsabkommen nur vereinzelte Bestimmungen, die die staatlichen Beihilfen betreffen. Diese sind vorliegend nicht tangiert. Die Vorlage steht daher den internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht entgegen.

7.3

Erlassform

Damit das Massnahmenpaket für die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs umgesetzt werden kann, müssen vier Bundesgesetze geändert werden, die nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV dem fakultativen Referendum unterstehen. Das vorliegende Gesetz fasst diese in einem sogenannten Mantelerlass zusammen. Dieser ist in die Form eines Bundesgesetzes gekleidet.

Damit die Massnahmen ihre Wirkung noch im Jahr 2020 entfalten können, müssen die rechtlichen Grundlagen in der Herbstsession 2020 behandelt werden. Damit ist die Anwendung des Sonderverfahrens im Interesse einer wirksamen Politik unabdingbar. Aus den genannten Gründen soll das befristete Bundesgesetz als dringlich erklärt werden (Art. 165 Abs. 1 BV). Als dringliches Bundesgesetz, dessen Geltungsdauer ein Jahr übersteigt, untersteht es nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe b BV dem fakultativen Referendum.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Ausgabenbremse dient der Disziplinierung des Bundes in seiner Ausgabenpolitik. Die Bundesversammlung muss Ausgaben ab einer gewissen Höhe mit qualifiziertem Mehr beschliessen. Gemäss Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV ist die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte erforderlich für Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen.

Von den im dringlichen Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise enthaltenen Bestimmungen haben die Förderbestimmungen in Artikel 9a GüTG (Beiträge zur Milderung der Auswirkungen der Covid-19-Krise) und in Artikel 28 Absätze 1bis und 2bis PBG neue Ausgaben zur 15

SR 0.740.72

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Folge. Auch die Anpassung des GVVG und das Aussetzen des Abbaupfads bei den Abgeltungen im alpenquerenden kombinierten Verkehr können als neue Ausgabe interpretiert werden. Diese drei Artikel unterstehen deshalb der Ausgabenbremse.

Die Anpassungen des BIFG betreffen keine Subventionsbestimmungen und müssen folglich der Ausgabenbremse nicht unterstellt werden.

7.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Bei der Aufteilung der finanziellen Lasten zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden wurde die fiskalische Äquivalenz im Rahmen der Verhältnismässigkeit berücksichtigt.

7.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die Umsetzung der Massnahmen erfolgt innerhalb bestehender oder neugeschaffener spezialgesetzlicher Bestimmungen. Die Vorgaben des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199016 werden eingehalten.

7.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Es sind keine Rechtsetzungsdelegationen an den Bundesrat vorgesehen.

7.8

Datenschutz

Die Vorlage berücksichtigt die Vorgaben der Datenschutzgesetzgebung.

16

SR 616.1

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