19.084 Botschaft zur Genehmigung des Vertrages zwischen der Schweiz und Indonesien über Rechtshilfe in Strafsachen vom 13. Dezember 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Vertrags vom 4. Februar 2019 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indonesien über Rechtshilfe in Strafsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Dezember 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Der Vertrag soll die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit Indonesien verbessern. Er leistet einen Beitrag zur wirksameren Bekämpfung der internationalen Kriminalität. Die Schweiz baut damit im Interesse verstärkter Sicherheit das weltweite Vertragsnetz im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen weiter aus.

Ausgangslage Immer häufiger ist eine gute Zusammenarbeit mit ausländischen Justizbehörden unabdingbar, um Verbrechen erfolgreich bekämpfen zu können. Dies gilt insbesondere für Straftaten mit grenzüberschreitendem Bezug, mit denen die Behörden im Zuge fortgeschrittener Globalisierung vermehrt konfrontiert sind. Um solche Straftaten mit Erfolg bekämpfen zu können, ist der einzelne Staat oftmals auf die Unterstützung anderer Staaten angewiesen. Rechtshilfeverträge wie der vorliegende schaffen die staatsvertragliche Grundlage für eine entsprechende Unterstützung.

Gleichzeitig soll er dazu beitragen, Unklarheiten und Mängel, die sich in der Praxis in der bisherigen bilateralen Zusammenarbeit ergeben und sie beeinträchtigt haben, zu beseitigen.

Die Schweiz hat in der Vergangenheit bereits mit zahlreichen aussereuropäischen Staaten entsprechende Verträge abgeschlossen. Nun konnte sie sich mit einem weiteren Staat auf ein derartiges Instrument einigen. Delikte wie etwa Geldwäscherei oder Korruption sollen damit wirksamer bekämpft werden können.

Inhalt der Vorlage Der Vertrag schafft eine völkerrechtliche Grundlage, damit die Justizbehörden der Schweiz und Indonesiens bei der Aufdeckung und Verfolgung strafbarer Handlungen zusammenarbeiten können. Er liegt auf der Linie der von der Schweiz bisher abgeschlossenen Rechtshilfeverträge. Wie diese übernimmt er die wichtigsten Grundsätze des schweizerischen Rechtshilfegesetzes und des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, dem in der Materie massgeblichen multilateralen Instrument des Europarats, und ergänzt sie durch Bestimmungen weiterer rechtshilferelevanter internationaler Instrumente.

Die Vertragsparteien verpflichten sich nach Massgabe des Vertrags zu einer möglichst weitgehenden Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang zählt der Vertrag in Frage kommende Unterstützungshandlungen auf und legt die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit sowie die Modalitäten der praktischen Durchführung fest. Er verschafft
Klarheit über die Anforderungen an ein Rechtshilfeersuchen und führt abschliessend die Gründe auf, aus denen die Zusammenarbeit abgelehnt werden kann. Im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bezeichnet er in beiden Staaten eine zuständige Zentralbehörde und schafft unnötige Formalitäten ab. Erstmals wurde eine spezifische Datenschutzbestimmung in einen Rechtshilfevertrag aufgenommen.

Der Vertrag erfordert keine Änderungen des geltenden Rechts.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Indonesien waren bisher vor allem im Wirtschafts- und Aussenhandelsbereich ausgeprägt, wie dies unter anderem die Unterzeichnung des umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens vom 16. Dezember 20181 zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien illustriert. Nun möchten die Schweiz und Indonesien auch bei der Verbrechensbekämpfung enger zusammenarbeiten. Beide Staaten haben ein Interesse an einer effizienteren Zusammenarbeit in diesem Bereich. Aus heutiger Sicht steht dabei namentlich der Kampf gegen Wirtschaftsdelikte, Geldwäscherei und Korruption im Vordergrund. Neben dem Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Verfolgung und Ahndung von Straftaten im Interesse verstärkter Sicherheit soll dabei auch mit Blick auf die Bemühungen im Zusammenhang mit der Integrität des Finanzplatzes Schweiz verhindert werden, dass die schweizerischen Finanzinstitute für kriminelle Zwecke missbraucht werden können und die Reputation des Finanzplatzes Schaden nimmt. Ein Bedürfnis für eine wirksamere zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich der Verbrechensbekämpfung besteht darüber hinaus aber generell für alle strafbaren Handlungen. Angesichts einer stetig voranschreitenden Globalisierung und immer modernerer Technologien etwa im Bereich von Kommunikation und Datenübermittlung sieht sich der einzelne Staat nämlich mehr und mehr mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten konfrontiert, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen.

Um derartige Straftaten erfolgreich bekämpfen zu können, ist er daher oftmals auf die Unterstützung ausländischer Partnerbehörden angewiesen. Dafür braucht es die entsprechenden rechtlichen Grundlagen.

Die Zusammenarbeit mit Indonesien im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen hat sich in der Vergangenheit teilweise als problematisch erwiesen. Die indonesischen Ersuchen entsprechen nicht immer dem im internationalen Rechtshilfeverkehr gängigen Standard. Zudem hat sich in der Praxis gezeigt, dass es auf indonesischer Seite immer wieder zu Missverständnissen kommt über die Voraussetzungen für die Leistung der Rechtshilfe durch die Schweiz. Namentlich bei grossen, für den anderen Staat aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen wichtigen Straffällen, wie sie in jüngerer Vergangenheit Anlass für verschiedene indonesische Rechtshilfeersuchen
an die Schweiz waren, können derartige Missverständnisse und daraus resultierende Erwartungshaltungen Frustrationen erzeugen. Diese haben unter Umständen das Potenzial, über den Einzelfall hinaus schädliche Auswirkungen auf die gesamten bilateralen Beziehungen zu zeitigen. Auch dies war mit ein Grund, weshalb sich die Schweiz, nachdem Indonesien schon seit Längerem auf den Abschluss eines Rechtshilfevertrags gedrängt hatte, mit der Aufnahme von Verhandlungen über einen solchen Vertrag einverstanden erklärte.

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Ein zeitgemässer Rechtshilfevertrag soll dazu beitragen, bestehende Mängel im bilateralen Rechtshilfeverkehr zu beheben. Zu diesem Zweck regelt er ausführlich die Voraussetzungen, die an ein Rechtshilfeersuchen gestellt werden, listet die möglichen Verweigerungsgründe auf und beschreibt das zu befolgende Verfahren.

Die vorliegende staatsvertragliche Grundlage gewährleistet ­ über einzelfallbezogene Konsultationen zwischen den betroffenen Behörden hinaus ­ die notwendige Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die künftigen zwischenstaatlichen Beziehungen.

1.2

Geprüfte Alternativen

Das Rechtshilfegesetz vom 20. März 19812 (IRSG) ermöglicht der Schweiz zwar bereits heute eine umfassende Zusammenarbeit mit anderen Staaten, auch ohne entsprechende Verträge. Auf der Gegenseite ist dies aber nicht immer der Fall.

Zudem begründet das innerstaatliche Recht keine Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Damit die Schweiz auch als ersuchender Staat von einer umfassenden, für den anderen Staat verpflichtenden Zusammenarbeit profitieren kann, ist ­ wie vorliegend ­ der Abschluss eines Vertrags notwendig.

1.3

Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnis

Im April 2015 fand eine erste Verhandlungsrunde statt. Dabei gelang es, die Verhandlungen auf der Grundlage eines Textes nach dem Vorbild der bisher von der Schweiz abgeschlossenen bilateralen Rechtshilfeverträge durchzuführen. Dies ist als Erfolg zu werten, hatte Indonesien der Schweiz vorgängig doch einen eigenen Entwurf unterbreitet, der sich teilweise vom schweizerischen unterschied. Nachdem anlässlich der ersten Verhandlungsrunde in verschiedenen Punkten, etwa im Bereich der Fiskalrechtshilfe oder des Datenschutzes, keine Einigung erzielt werden konnte und die entsprechenden Fragen durch die beiden Staaten vertieft abgeklärt werden mussten, wurde im August 2017 eine zweite Runde abgehalten. Dabei konnten für die bis dahin bestehenden Divergenzen Lösungen gefunden werden. Im Bereich der Fiskalrechtshilfe akzeptierte Indonesien die von der Schweiz vorgeschlagene Kompromisslösung, wonach sich die beiden Vertragsparteien im Rahmen des jeweiligen innerstaatlichen Rechts zu einer möglichst weitgehenden Zusammenarbeit auch für Fiskaldelikte verpflichten. Dieser Aspekt ist in den bisherigen Rechtshilfeverträgen nicht verpflichtend, sondern als fakultativer Verweigerungsgrund konzipiert. Auch beim Datenschutz konnte eine Lösung erreicht werden. Den Menschenrechten wurde bei der Aushandlung des Vertrags von Schweizer Seite besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dies schlägt sich im Vertragstext bereits in der Präambel nieder, die ausdrücklich den Willen der beiden Vertragsparteien festhält, den Vertrag im Lichte der einschlägigen Menschenrechtsinstrumente anzuwenden und im Hinblick auf die Förderung der Menschenrechte zusammenzuarbeiten. Es zeigt sich in der 2

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Folge auch im Rahmen der möglichen Gründe für die Ablehnung der Rechtshilfe (Art. 4 Abs. 1 Bst. c, e-g). Auch in anderen Punkten machte die indonesische Seite, die in der Schlussphase namentlich aus innenpolitischen Gründen an einem schnellen Vertragsabschluss interessiert war, Zugeständnisse, mit der Folge, dass die Verhandlungen am 31. August 2017 abgeschlossen werden konnten.

Mit dem vorliegenden Vertrag ist es gelungen, ein Instrument auszuhandeln, das auf den Grundsätzen des schweizerischen Rechtshilferechts beruht und auf der Linie der bestehenden Rechtshilfeverträge der Schweiz liegt. Bestimmungen, die sich bereits heute im IRSG finden, konnten in den Vertrag übernommen und auf diese Weise auf eine völkerrechtliche Grundlage gestellt werden, die für beide Vertragsparteien gleichermassen gilt. Verschiedene Regelungen ermöglichen dabei die Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens. Mit dem Vertrag wird ein modernes, griffiges Instrument geschaffen, das den Bedürfnissen der Praxis Rechnung trägt und das Fundament für eine wirksamere Bekämpfung grenzüberschreitend begangener Straftaten legt.

Der Bundesrat genehmigte den Vertrag am 14. September 2018. Am 4. Februar 2019 wurde er von Bundesrätin Keller-Sutter und dem indonesischen Justizminister Laoly in Bern unterzeichnet.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 20163 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 20164 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

Sie ist im Zusammenhang mit der schweizerischen Politik zu sehen, das Vertragsnetz im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen im Interesse der effizienteren Verbrechensbekämpfung weltweit gezielt auszubauen. Damit ordnet sie sich ein in die Strategie des Bundesrates, durch vermehrte Kooperation die Sicherheit zu gewährleisten ­ seit jeher ein zentraler Bestandteil der schweizerischen Politik (vgl. Bericht des Bundesrates «Sicherheit durch Kooperation» vom 7. Juni 19995). Dadurch, dass die vereinbarte engere Zusammenarbeit es verunmöglichen soll, dass schweizerische Finanzinstitute für kriminelle Zwecke missbraucht werden können, trägt die Vorlage zudem zu den vom Bundesrat unternommenen Anstrengungen zur Sicherstellung eines integren Finanzplatzes Schweiz bei.

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Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20056 (VlG) muss ein Vernehmlassungsverfahren stattfinden bei der Vorbereitung von völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung7 (BV) dem Referendum unterliegen. Dies ist vorliegend der Fall.

Gemäss Artikel 3a VlG kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist (Abs. 1 Bst. b). Vorliegend wurde gestützt auf diese Bestimmung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Der Vertrag reiht sich in die langjährige Politik des Bundesrates ein, das Vertragsnetz im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen weltweit auszubauen.

Sein Inhalt stimmt weitestgehend mit demjenigen von der Schweiz bereits abgeschlossener Rechtshilfeverträge überein. Die neue Bestimmung über den Datenschutz übernimmt Vorgaben des europäischen Datenschutzrechts. Soweit diese nicht bereits zuvor durch entsprechende Regelungen im schweizerischen Rechtshilferecht erfüllt waren, wurden sie namentlich aufgrund der Richtlinie (EU) 2016/6808 nach durchlaufener Vernehmlassung9 im IRSG neu umgesetzt10. Neue Erkenntnisse wären damit von der Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens nicht zu erwarten gewesen.

Anlässlich einer informellen Konsultation der kantonalen Staatsanwaltschaften über die Staatsvertragsstrategie des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen im Jahr 2012 wurden die Kantone über das Vorhaben informiert und haben in diesem Rahmen Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Aus Sicht der Strafverfolgung wurde dabei unter anderem mit Blick auf die Bekämpfung der Geldwäscherei ein Interesse an der prioritären Erarbeitung eines Rechtshilfevertrags mit Indonesien bekundet.

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SR 172.061 SR 101 Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89.

Vernehmlassung vom 21. Dezember 2016 bis zum 4. April 2017 zum Vorentwurf für das Bundesgesetz über die Totalrevision des Datenschutzgesetzes und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz. Zusammenfassung der Ergebnisse abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2016 > EJPD.

Kapitel 1b IRSG, eingefügt im Rahmen des Bundesgesetzes vom 28. September 2018 über die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, AS 2019 625.

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Grundzüge des Vertrags

Der Rechtshilfevertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Indonesien bei der Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung strafbarer Handlungen.

Die Vertragsstaaten verpflichten sich, einander in diesem Bereich weitestgehende Rechtshilfe zu leisten.

Wie die bisher von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträge führt der Vertrag die Massnahmen auf, die zur Unterstützung eines Strafverfahrens im anderen Staat ergriffen werden können; er nennt die Voraussetzungen für die Leistung von Rechtshilfe, schreibt die Informationen vor, die ein Ersuchen enthalten muss, damit es vom ersuchten Staat behandelt werden kann und regelt die Modalitäten im Zusammenhang mit der Durchführung des Ersuchens. Er statuiert für die Schweiz wichtige Grundsätze wie das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit oder das Spezialitätsprinzip, also die Beschränkung der Verwendung von Informationen oder Beweismitteln. Eine abschliessende Aufzählung legt die Gründe fest, bei deren Vorliegen die Rechtshilfe abgelehnt werden kann. Neu im Vergleich zu den bisherigen Rechtshilfeverträgen ist eine Bestimmung über den Datenschutz.

Der Vertrag erfordert keine gesetzgeberische Umsetzung in der Schweiz. Er beruht auf den Grundsätzen des bestehenden schweizerischen Rechtshilferechts. Seine Bestimmungen sind genügend detailliert formuliert und können als direkt anwendbar erachtet werden.

In deutscher, englischer und indonesischer Sprache abgeschlossen, sind alle Sprachversionen des Vertrags gleichermassen verbindlich, wobei bei sich widersprechenden Auslegungen die englische Fassung massgeblich ist.

4 Art. 1

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Vertrags Verpflichtung zur Rechtshilfe in Strafsachen

Der Vertrag schafft eine völkerrechtliche Verpflichtung beider Staaten zur Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen. Die Zusammenarbeit hat dabei im Einklang mit den vertraglich vorgesehenen Bestimmungen im grösstmöglichen Umfang zu erfolgen.

Einem Ersuchen um Rechtshilfe ist im Rahmen des Vertrags Folge zu leisten, soweit keine Ausschluss- oder Ablehnungsgründe nach den Artikeln 3 und 4 vorliegen und auch die sonstigen im Vertrag vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, wie etwa die doppelte Strafbarkeit im Falle der Durchführung von Unterstützungshandlungen, die Zwangsmassnahmen erfordern (Art. 6).

Art. 2

Umfang der Rechtshilfe

Absatz 1 führt die Rechtshilfemassnahmen auf, die zugunsten des anderen Staates ergriffen werden können. Es handelt sich dabei um gängige Massnahmen, die im schweizerischen Rechtshilferecht bereits bekannt sind. Eine Auffangklausel (Bst. k) sieht vor, dass auch andere als die ausdrücklich erwähnten Massnahmen angeordnet werden können. Voraussetzung dafür ist aber, dass die entsprechende Massnahme 867

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mit den Zielen des Vertrags und dem Recht des ersuchten Staates vereinbar ist. Die Bestimmung ermöglicht Flexibilität im Einzelfall und erlaubt, speziellen Bedürfnissen und künftigen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Die auf Verlangen Indonesiens eingefügte Präzisierung in Absatz 2, wonach der Vertrag auch auf Ersuchen im Zusammenhang mit Straftaten angewendet werden kann, die vor seinem Inkrafttreten begangen worden sind, entspricht einem dem schweizerischen Rechtshilferecht bekannten Grundsatz. Explizit findet er sich bereits in den mit den USA11 und Australien12 abgeschlossenen Rechtshilfeverträgen.

Auf bereits abgeschlossene Rechtshilfeverfahren beziehungsweise im konkreten Fall definitiv abgewiesene Rechtshilfeersuchen findet die Bestimmung aber keine Anwendung.

Die Rechtshilfe in Fiskalsachen hat für Indonesien einen grossen Stellenwert. Von entsprechender Bedeutung war daher die Stipulierung einer Verpflichtung in Absatz 3, im Einklang mit dem jeweiligen innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates auch in Fiskalsachen eine möglichst weitgehende Rechtshilfe zu gewähren. Nach der bisherigen Konzeption schweizerischer Rechtshilfeverträge stellte das Vorliegen von Fiskaldelikten hingegen einen fakultativen Grund für die Ablehnung der Rechtshilfe dar. Weil aber für die Schweiz weiterhin das IRSG massgebend ist, kommt Absatz 3 in der Praxis für die Schweiz in dem Sinne keine eigenständige Bedeutung zu, als er nicht über das hinausgeht, was aufgrund des IRSG zum jeweiligen Zeitpunkt zulässig ist (gemäss geltendem Recht Art. 3 Abs. 3 IRSG). Von den praktischen Auswirkungen her besteht demnach kein Unterschied zu der in den bisherigen Rechtshilfeverträgen üblicherweise gewählten Formulierung.

Art. 3

Unanwendbarkeit

Wie alle bisher von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträge beschränkt sich der Vertrag mit Indonesien auf die akzessorische Rechtshilfe in Strafsachen.

Die anderen Bereiche der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, nämlich die Fahndung nach Personen zum Zweck der Auslieferung und die Verhaftung und Inhaftierung zu diesem Zweck, die Vollstreckung von Strafurteilen, darunter die Überstellung verurteilter Personen zur Verbüssung ihrer Strafe, sowie die Übertragung der Strafverfolgung, sind von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen.

Die in Artikel 15 vorgesehene Herausgabe von Vermögenswerten, die in der Regel gestützt auf ein Urteil des ersuchenden Staates erfolgt, stellt keinen vertraglich ausgeschlossenen Anwendungsfall von Buchstabe b dar.

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Staatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.933.6); Art. 41 Abs. 2.

Rechtshilfevertrag vom 25. November 1991 in Strafsachen zwischen der Schweiz und Australien (SR 0.351.915.8); Art. 22 Abs. 2.

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Art. 4

Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub der Rechtshilfe

Absatz 1 enthält eine abschliessende Aufzählung von Gründen, bei deren Vorliegen die Rechtshilfe abgelehnt werden kann. Es handelt sich dabei um die für die Schweiz üblichen Ablehnungsgründe, wie sie sich bereits in den früheren Rechtshilfeverträgen finden. Sie betreffen politische und militärische Straftaten (Bst. a und b), Fälle, in denen die Ausführung des Ersuchens die Souveränität, Sicherheit, öffentliche Ordnung oder andere Landesinteressen beeinträchtigen würde (Bst. c), gerichtlich bereits rechtskräftig beurteilte Handlungen (Bst. d) sowie verschiedene menschenrechtsrelevante Konstellationen (Bst. e-g).

Liegt in einem konkreten Fall ein derartiger Ablehnungsgrund vor, so ist das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates massgeblich für den Entscheid, ob die Rechtshilfe zu verweigern ist. Für die Schweiz gelangen in diesem Zusammenhang vor allem die Artikel 1a, 2, 3 und 5 IRSG zu Anwendung. Bei Vorliegen eines dieser Gründe muss die Rechtshilfe abgelehnt werden. Der Begriff der «öffentlichen Ordnung» (vgl. Bst. c) schliesst nach schweizerischer Rechtsauffassung auch die Beachtung der Grundrechte ein. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie die grundlegenden Verfahrensgarantien, wie sie sich auf universeller Ebene namentlich im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 196613 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) finden. Die explizite Nennung der menschenrechtsrelevanten Verweigerungsgründe gemäss den Buchstaben e-f erhöht die Rechtssicherheit und verstärkt zusätzlich die Bedeutung, die der Beachtung der Menschenrechte zugemessen wird. Da Indonesien für gewisse Straftaten noch die Todesstrafe kennt, wurde mit Blick auf mit der Todesstrafe bedrohte Straftaten in Buchstabe g eine Bestimmung eingefügt, wonach der ersuchende Staat ­ hier konkret Indonesien ­ eine ausreichende Garantie abgeben muss, dass die Todesstrafe im konkreten Fall weder beantragt, verhängt noch vollzogen wird.

Ähnliche Bestimmungen finden sich in früheren Rechtshilfeverträgen, die mit Partnern abgeschlossen wurden, welche die Todesstrafe zwar abgeschafft hatten, wo eine entsprechende Klausel aber namentlich als Absicherung mit Blick auf mögliche künftige Entwicklungen aufgenommen wurde. Dies betrifft Hongkong14, Mexiko15 und Kolumbien16.

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SR 0.103.2 Abkommen vom 15. März 1999 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Besonderen Verwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.941.6); Art. 3 Abs. 2 Bst. c.

Vertrag vom 11. November 2005 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Mexikanischen Staaten über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.956.3); Art. 3 Abs. 1 Bst. h.

Vertrag vom 27. Januar 2011 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kolumbien über Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.926.3); Art. 4 Abs. 1 Bst. h.

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Art. 5

Anwendbares Recht

Grundsätzlich ist für die Durchführung von Rechtshilfeersuchen das Recht des ersuchten Staates massgebend (Abs. 1). In der Schweiz ist dies das IRSG sowie ergänzend namentlich die Strafprozessordnung17 (StPO).

Absatz 2 ermöglicht eine Abweichung von diesem Grundsatz. Auf ausdrücklichen Wunsch des ersuchenden Staates kann ein Verfahren nach dessen Bestimmungen durchgeführt werden, wenn das Recht des ersuchten Staates dem nicht entgegensteht. Damit soll vermieden werden, dass die Verwendung rechtshilfeweise erhaltener Informationen als Beweismittel im Strafverfahren des ersuchenden Staates scheitert oder unverhältnismässig erschwert wird, weil ein nach seinem Recht vorgeschriebenes Verfahren nicht beachtet wurde. Ähnliche Regelungen finden sich in Artikel 65 IRSG und Artikel 8 des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. November 200118 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (Zweites Zusatzprotokoll zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen).

Art. 6

Doppelte Strafbarkeit und Zwangsmassnahmen

Erfordert der Vollzug eines Rechtshilfeersuchens die Durchführung von Zwangsmassnahmen, muss die dem Ersuchen zugrundeliegende Tat nicht nur nach dem Recht des ersuchenden, sondern auch des ersuchten Staates strafbar sein (Abs. 1).

Entscheidend ist dabei, dass die objektiven Tatbestandsmerkmale einer in beiden Staaten strafbaren Handlung vorliegen, nicht hingegen die Übereinstimmung der Bezeichnung der betreffenden Tat oder die Zuordnung zu einer gleichen Kategorie von Straftaten (Abs. 2). Das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit für die Anordnung von Zwangsmassnahmen gehört zu den Eckpfeilern des schweizerischen Rechtshilferechts. Es ist in Artikel 6419 IRSG und in der Erklärung der Schweiz zu Artikel 5 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 195920 über die Rechtshilfe in Strafsachen (Europäisches Rechtshilfeübereinkommen) verankert.

Absatz 4 präzisiert, dass für Ersuchen, deren Vollzug keine Zwangsmassnahmen erfordert, also etwa bei Ersuchen um Zustellung von Verfahrensurkunden, die doppelte Strafbarkeit nicht vorausgesetzt ist.

Art. 7

Vorläufige Massnahmen

Diese in der Praxis wichtige Bestimmung, die Artikel 18 Absatz 1 IRSG nachempfunden ist und sich als Grundsatz auch in Artikel 24 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen findet, ermöglicht auf Verlangen des ersuchenden Staates die Anordnung vorläufiger Massnahmen zur Sicherung von Beweisen, zur Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustandes oder zum Schutz bedrohter rechtlicher Interessen. Die zuständige Behörde des ersuchten Staates ord17 18 19

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SR 312.0 SR 0.351.12 Art. 64 Abs. 2 IRSG führt dabei zwei Ausnahmen auf, bei deren Vorliegen auch ohne beidseitige Strafbarkeit Zwangsmassnahmen angeordnet werden können. Dies betrifft Massnahmen zur Entlastung der verfolgten Person sowie zur Verfolgung von Taten, die sexuelle Handlungen mit Unmündigen darstellen.

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net die entsprechenden Massnahmen wie etwa eine Kontensperre an, soweit keine offensichtlichen Gründe vorliegen, die im konkreten Fall gegen die Leistung von Rechtshilfe sprechen.

Art. 8

Beschränkte Verwendung von Auskünften, Schriftstücken und Gegenständen

Das für die Schweiz wichtige Spezialitätsprinzip beschränkt die Verwendung der rechtshilfeweise übermittelten Informationen und Unterlagen durch den ersuchenden Staat und unterstellt sie der Kontrolle durch die Zentralbehörde des ersuchten Staates (Abs. 1). Absatz 2 definiert enge Ausnahmen, bei deren Vorliegen keine vorgängige Zustimmung der Zentralbehörde notwendig ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich das ausländische Strafverfahren gegen andere Personen richtet, die an der strafbaren Handlung teilgenommen haben (Bst. a), oder wenn das entsprechende Material für eine Untersuchung oder ein Verfahren bezüglich der Leistung von Schadenersatz im Zusammenhang mit einem Verfahren verwendet wird, für das bereits Rechtshilfe gewährt wurde (Bst. b).

Art. 9

Personenbezogene Daten

Erstmals wurde mit Artikel 9 eine Bestimmung zum Schutz der personenbezogenen Daten, die aufgrund des Vertrags übermittelt werden, in einen schweizerischen Strafrechtshilfevertrag aufgenommen. Dies ist eine Folge der neusten europäischen, namentlich der EU-Datenschutzgesetzgebung im Bereich der polizeilichen und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (vgl. Richtlinie [EU] 2016/680), zu deren Beachtung sich die Schweiz im Rahmen ihrer Assoziation an die Schengener Zusammenarbeit verpflichtet hat. Diese Datenschutzgesetzgebung macht gewisse Vorgaben, unter anderem auch mit Blick auf die Bearbeitung, Übermittlung und Verwendung personenbezogener Daten im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Die Richtlinie (EU) 2016/680 enthält verschiedene Bestimmungen, die im Rahmen der Übermittlung personenbezogener Daten an Drittstaaten oder internationale Organisationen zu berücksichtigen sind (insbesondere Art. 35 und 37).

Artikel 11f IRSG setzt diese Vorgaben um. Er sieht etwa vor, dass ein angemessener Schutz der personenbezogenen Daten unter anderem durch einen internationalen Vertrag gewährleistet werden kann (Art. 11f Abs. 2 Bst. b IRSG). Entsprechend statuiert Artikel 9 allgemeine, auch für den Bereich der Strafrechtshilfe relevante Grundsätze und verpflichtet die Vertragsparteien zum Schutz der im Rahmen der Rechtshilfe bearbeiteten Daten sowie zur Gewährung der Rechte, die den von der Datenübermittlung betroffenen Personen im Zusammenhang mit ihren Daten zustehen. Die Bestimmungen haben in der Schweiz bereits heute Geltung 21. In der vorliegenden vertraglichen Form dient die Bestimmung namentlich dazu, dass auch Indonesien den entsprechenden Grundsätzen nachkommt. Dass eine derartige Be21

Vgl. u.a. die relevanten Bestimmungen des Schengen-Datenschutzgesetzes vom 28. Sept. 2018 (SR 235.3) in Verbindung mit dem Ersten Teil, Kapitel 1b, des IRSG; ferner die bereits früher bestehenden Art. 11a IRSG betreffend das elektronische Personen-, Akten- und Geschäftsverwaltungssystem des Bundesamtes für Justiz in Verbindung mit der gleichnamigen Verordnung vom 23. Sept. 2016 (SR 351.12), Art. 80b IRSG (Teilnahme am Verfahren und Akteneinsicht) und Art. 80e ff. IRSG (Rechtsmittel).

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stimmung ausgehandelt werden konnte, ist aus schweizerischer Sicht als Erfolg zu werten.

Im Einzelnen verdienen folgende Punkte besondere Erwähnung: Das in Absatz 1 statuierte Prinzip der Zweckgebundenheit stellt die datenschutzrechtliche Seite der in Artikel 8 festgelegten Verwendungsbeschränkung aus rechtshilfeimmanenten Gründen dar. Der ersuchte Staat kann die Verwendung der übermittelten Unterlagen an gewisse Bedingungen knüpfen. Diese müssen vom ersuchenden Staat eingehalten werden. Will der Empfängerstaat die Daten auch für andere Zwecke verwenden, muss er vorgängig die Genehmigung des übermittelnden Staates einholen. In den in Artikel 8 Absatz 2 Buchstaben a und b vorgesehenen Fällen ist dies nicht notwendig.

Gemäss Absatz 2 Buchstabe a werden auf dem Weg der Rechtshilfe nur Daten übermittelt, die einen Bezug zum Ersuchen haben. Auch andere in Absatz 2 aufgestellte datenschutzrechtliche Grundsätze wie die Berichtigung falscher Daten oder die Nachvollziehbarkeit der Datenübermittlung, welche etwa durch eine entsprechende Dokumentierung im relevanten Geschäftsverwaltungssystem gewährleistet werden kann (Bst. d), entsprechen geltendem schweizerischem Recht. Dies gilt auch für die Verpflichtung, die Daten vor Verlust, Vernichtung, Veränderung, unbefugtem Zugriff oder unbefugter Nutzung zu schützen (Abs. 3), was namentlich durch technische Voreinstellungen sichergestellt wird.

Gemäss Absatz 4 müssen die Vertragsparteien die Rechte der von der Datenübermittlung betroffenen Personen hinsichtlich Auskunft, Löschung oder Berichtigung von Daten oder Einschränkung der Verarbeitung gewährleisten. Diese Rechte können unter gebührender Berücksichtigung der Grundrechte des Einzelnen eingeschränkt oder ihre Geltendmachung kann aufgeschoben werden, wenn dies aus berechtigten Interessen, namentlich zum Schutz der öffentlichen und nationalen Sicherheit, im Interesse der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist (Abs. 5). Die Artikel 15 und 16 der Richtlinie (EU) 2016/680 sehen identische Gründe für die Einschränkung der Rechte der von der Datenübermittlung betroffenen Person vor. In der Schweiz sind die Artikel 11b, 11d und 80b IRSG massgebend, ergänzt durch die einschlägigen Bestimmungen betreffend das Rechtsmittelverfahren gemäss Artikel 80e ff. IRSG.

Art. 10

Anwesenheit von Personen, die am Verfahren teilnehmen

Die Bestimmung erlaubt Personen, die am ausländischen Verfahren beteiligt sind (z. B. Untersuchungsrichter, Staatsanwälte, Strafverteidiger usw.), bei entsprechender Genehmigung durch den ersuchten Staat beim Vollzug des Rechtshilfeersuchens anwesend zu sein. Für die Umsetzung der Bestimmung ist Artikel 65a IRSG massgebend, wenn die Schweiz ersuchter Staat ist. Die ausländischen Personen dürfen weder aktiv in das Verfahren eingreifen, das zu jeder Zeit unter der Verfahrensleitung der zuständigen schweizerischen Rechtshilfebehörde steht, noch dürfen sie vorzeitig Kenntnis von Tatsachen aus dem Geheimbereich erhalten. Die zuständige Behörde muss sicherstellen, dass die Personen nicht auf rechtlich geschützte Informationen, wie zum Beispiel Bankbelege zugreifen können, deren Herausgabe noch 872

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nicht rechtskräftig bewilligt worden ist. Andernfalls würde die Anwesenheit ausländischer Verfahrensbeteiligter faktisch zu einer Umgehung des Rechtshilfeverfahrens führen.

Art. 11

Zeugenaussagen im ersuchten Staat

Die Bestimmung umschreibt das Verfahren, wenn eine Person im ersuchten Staat als Zeugin oder Zeuge einvernommen werden muss. Die Einvernahme erfolgt nach dem Recht des ersuchten Staates. Mit Bezug auf das Zeugnisverweigerungsrecht kann sich die betroffene Person aber ebenfalls auf das Recht des ersuchenden Staates berufen (Abs. 1). Macht sie ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht geltend, müssen die Behörden des ersuchenden Staates dem ersuchten Staat mitteilen, ob die Aussageverweigerung gemäss ihrem Recht zulässig ist (Abs. 2). Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht darf in keinem Fall rechtliche Sanktionen nach sich ziehen (Abs. 3).

Art. 12­14

Übermittlung von Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweismitteln; Gerichts- oder Untersuchungsakten; Strafregister und Austausch von Strafnachrichten

Artikel 12 befasst sich mit einem Hauptelement der Rechtshilfe, der Herausgabe von Schriftstücken, Akten, Beweismitteln und Gegenständen, die der ersuchende Staat für sein Strafverfahren verlangt hat. Die Modalitäten der Herausgabe entsprechen sinngemäss der Regelung in Artikel 74 IRSG. Artikel 13 präzisiert, dass unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls Gerichts- und Untersuchungsakten herauszugeben sind. Diese müssen grundsätzlich ein abgeschlossenes Verfahren betreffen.

Über die Herausgabe von Akten aus einem laufenden Verfahren entscheidet die zuständige Behörde des ersuchten Staates. Artikel 14 sieht nach Massgabe des jeweiligen nationalen Rechts auch die Herausgabe von Strafregisterauszügen vor.

Grundlage dafür ist zurzeit in der Schweiz die Verordnung über das Strafregister vom 29. September 200622. Angesichts des derzeitigen umfassenden Umbaus des Strafregisters ermöglicht der Verweis auf das nationale Recht die erforderliche Flexibilität für die Zukunft. Aktuell gilt für die Herausgabe der Standard von Artikel 13 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens, wie er sich in bestehenden Rechtshilfeverträgen findet.

Art. 15

Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten

Diese Bestimmung stellt einen weiteren wichtigen Pfeiler der Rechtshilfe dar, der die Übermittlung der Beweismittel gemäss Artikel 12 ff. ergänzt und von grosser praktischer Bedeutung ist. Die Regelung steht im Einklang mit Artikel 74a IRSG.

Absatz 1 schafft die Grundlage dafür, dass beschlagnahmte Gegenstände oder Vermögenswerte, die aus einer strafbaren Handlung stammen, dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einziehung oder die Herausgabe an die berechtigte Person übergeben werden können. Die Bestimmung erfasst sowohl Tatwerkzeuge als auch den Ertrag einer Straftat, das Deliktsgut, wozu auch allfällige Ersatzwerte gehören.

22

SR 331

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Vor der Herausgabe müssen allfällige Ansprüche gutgläubiger Drittpersonen befriedigt worden sein. In der Praxis wird es sich meist um Ersuchen um Rückgabe von Geldern handeln, die auf Ersuchen rechtshilfeweise beschlagnahmt worden sind.

Nach Absatz 2 ist für die Herausgabe im Regelfall ein rechtskräftiger Einziehungsbeschluss des ersuchenden Staates notwendig. In Ausnahmefällen können die Gegenstände oder Vermögenswerte gestützt auf innerstaatliches Recht aber auch schon zu einem früheren Zeitpunkt herausgegeben werden. Die vorzeitige Herausgabe kann zum Tragen kommen, wenn es klare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte deliktisch erworben worden sind und einwandfrei einer bestimmten Person oder Personengruppe zugeordnet werden können. In einem solchen Fall ist es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht angezeigt, dass die Schweiz dem ersuchenden Staat das Deliktsgut bis zum Abschluss des Strafverfahrens vorenthält23.

Art. 16

Teilung eingezogener Vermögenswerte

Mehr und mehr wird die Teilung eingezogener Vermögenswerte als Mittel anerkannt, um die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Dadurch, dass der Staat, der durch seine Kooperation einen Beitrag zum Erfolg eines Einziehungsverfahrens leistet, finanziell an diesem Erfolg teilhaben kann, soll er ermutigt werden, auch künftig eine wirkungsvolle Zusammenarbeit sicherzustellen.

Absatz 1 statuiert den Grundsatz der Teilung eingezogener Vermögenswerte. Für den konkreten Einzelfall muss eine Teilungsvereinbarung abgeschlossen werden, worin sich die Vertragsparteien über die konkreten Modalitäten wie Voraussetzungen oder Verteilschlüssel einigen (Abs. 2). Ist die Schweiz einziehender Staat, ist das Bundesgesetz vom 19. März 200424 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte massgebend.

Art. 17

Kontrollierte Lieferung

Bei der kontrollierten Lieferung handelt es sich um eine Ermittlungsmethode, die sich unter anderem bereits im Zweiten Zusatzprotokoll zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen findet und die sich bei der Bekämpfung des Drogenhandels wie auch anderer Formen schwerer Kriminalität als sehr effizient erwiesen hat. Auf behördliche Anweisung kann etwa eine unerlaubte oder verdächtige Sendung abgefangen und ihre Weitersendung an einen anderen Staat mit oder ohne ihren ursprünglichen Inhalt oder mit ganz oder teilweise ersetztem Inhalt genehmigt werden.

Dieses Instrument hilft den zuständigen Behörden, die Urheber einer Straftat schneller zu eruieren. Die kontrollierte Lieferung setzt ein Rechtshilfeersuchen voraus und untersteht den Rechtsvorschriften des ersuchten Staates.

Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auf Ersuchen hin kontrollierte Lieferungen auf ihrem Hoheitsgebiet genehmigt werden können. Die aufzuklärenden Straftaten müssen dabei auslieferungsfähig und damit von einer gewissen Schwere sein. Nach schweizerischem Recht sind dies 23 24

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BGE 131 II 169 E. 6 (Rechtshilfe an Nigeria) SR 312.4 (Art. 11­13)

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Straftaten, die nach dem Recht beider Staaten mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmass von mindestens einem Jahr bedroht sind25. Aus der Bestimmung kann aber keine Pflicht zur Bewilligung einer kontrollierten Lieferung abgeleitet werden. Der ersuchte Staat trifft diesen Entscheid im konkreten Fall im Rahmen seines innerstaatlichen Rechts (Abs. 2). Seine Behörden sind für die Durchführung zuständig (Abs. 3).

Art. 18­21

Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen; Erscheinen von Zeugen, Zeuginnen und Sachverständigen im ersuchenden Staat

Diese Bestimmungen decken sich weitestgehend mit der Regelung im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (Art. 7­10 und Art. 12). Eine Abweichung besteht mit Bezug auf das in Artikel 21 statuierte freie Geleit vorgeladener Personen im ersuchenden Staat. Dieses sieht für vorgeladene Zeugen und Sachverständige betreffend vor der Abreise aus dem ersuchten Staat begangene Straftaten oder Verurteilungen eine 30-tägige Schutzfrist vor Verfolgung und Freiheitsbeschränkung vor; für vorgeladene Angeschuldigte besteht eine entsprechende Schutzfrist mit Bezug auf nicht in der Vorladung aufgeführte Handlungen oder Verurteilungen (Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Abs. 4). Die Frist von 30 Tagen ist länger als die im Verkehr mit europäischen Staaten vorgesehene 15-tägige Frist. Sie ist im Verhältnis zu aussereuropäischen Staaten üblich und findet sich entsprechend in diversen von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeverträgen.

Wie schon in früheren Rechtshilfeverträgen wurde die Regelung über das freie Geleit zum Schutz der vorgeladenen Person ergänzt: Ohne ihre schriftliche Zustimmung ist eine Befragung dieser Person ausserhalb des Verfahrens, das dem Rechtshilfeersuchen zu Grunde liegt, nicht zulässig (Abs. 3).

Art. 22

Umfang der Zeugenaussage im ersuchenden Staat

Artikel 22 verdeutlicht, dass eine als Zeuge oder Zeugin im ersuchenden Staat vorgeladene Person zu einer Zeugenaussage oder auch zur Herausgabe von Beweismitteln verpflichtet werden kann, sofern sie weder nach dem Recht des ersuchenden noch dem Recht des ersuchten Staates ein Zeugnisverweigerungsrecht hat (Abs. 1).

Art. 23

Vorübergehende Überführung inhaftierter Personen

Die aus der Überführung in den ersuchenden Staat resultierende Haft muss an die Dauer der Freiheitsstrafe, welche die betroffene Person im ersuchten Staat zu verbüssen hat, angerechnet werden (Abs. 4). Diese Bestimmung, die sich bereits in früheren Rechtshilfeverträgen findet, ergänzt die übrige, Artikel 11 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens nachgebildete Regelung.

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Vgl. Art. 35 Abs. 1 Bst. a IRSG

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Art. 24

Einvernahme per Videokonferenz

Die Bestimmung übernimmt die Grundsätze von Artikel 9 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen. Wie bereits in früheren Rechtshilfeverträgen mit aussereuropäischen Staaten regelt sie die Voraussetzungen und Modalitäten, unter denen eine Person im ersuchten Staat über eine direkte Videoverbindung einvernommen werden kann, sich also nicht in den ersuchenden Staat begeben muss. Zum Tragen kommt die Bestimmung dann, wenn ein persönliches Erscheinen im ersuchenden Staat nicht zweckmässig oder nicht möglich ist (Abs. 1). Alter und Gesundheitszustand der betroffenen Person können dabei ebenso für eine Einvernahme per Videokonferenz sprechen wie Überlegungen des Zeugenschutzes oder Flucht- oder Kollusionsgefahr. Weitere denkbare Anwendungsfälle sind etwa Situationen, in denen sich die betroffene Person ins Ausland abgesetzt hat, weil sie im ersuchenden Staat eine Strafverfolgung riskiert, oder Fälle, in denen ihre Anwesenheit im ersuchten Staat für ein anderes Verfahren notwendig ist oder in denen ein Auslieferungsverfahren zugunsten eines Drittstaates läuft. In Anbetracht grosser Distanzen, wie sie vorliegend zwischen der Schweiz und Indonesien bestehen, können sich überdies Fragen hinsichtlich der Verhältnismässigkeit des persönlichen Erscheinens am anderen Ort stellen.

Sind die Voraussetzungen für die Durchführung einer Videokonferenz gegeben, ist sie vom ersuchten Staat zu bewilligen, wenn deren Einsatz seinen Grundprinzipien nicht zuwiderläuft (Abs. 2). Für die Schweiz bedeutet dies insbesondere, dass der Einsatz der Videokonferenz nicht zu einer Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozess führen darf. Die innerstaatliche Grundlage für die Durchführung von Videokonferenzen findet sich in Artikel 144 Absatz 1 StPO.

Zu den wichtigsten Verfahrensregeln gehört, dass bei der Einvernahme, die von einem Vertreter des ersuchenden Staates durchgeführt wird, die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates gewährleistet sein muss (Abs. 4 Bst. a). Ist die Schweiz ersuchter Staat, so hat die anwesende schweizerische Justizbehörde insbesondere dann einzuschreiten, wenn die ersuchende ausländische Justizbehörde während der Einvernahme zu unredlichen oder unkorrekten Mitteln zur Beeinflussung der Einvernahme greift.

Das nach Absatz 5 vorgeschriebene
Protokoll beschränkt sich auf die Umstände der Einvernahme (Ort, Datum, beteiligte Personen, etc.). Der Wortlaut der Aussage muss nicht wiedergegeben werden.

Auch einer Straftat verdächtige oder beschuldigte Personen können grundsätzlich per Videokonferenz einvernommen werden, jedoch nur mit ihrer Einwilligung. Dem ersuchten Staat steht es frei, ob er einem solchen Ersuchen entsprechen will (Abs. 7).

Art. 25­31

Verfahren: Zentralbehörde; Form des Ersuchens und Übermittlungswege; Inhalt und Ausführung des Ersuchens; Beglaubigung; Sprache; Ausführungskosten

Die Regelung für das eigentliche Rechtshilfeverfahren entspricht weitestgehend derjenigen in den bisherigen Rechtshilfeverträgen. Sie geht auf Bestimmungen im Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (Art. 14­17 und Art. 20) und in dessen

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Zweitem Zusatzprotokoll (Art. 4 und 5) zurück. Besondere Erwähnung verdienen folgende Bestimmungen: Art. 25 und 28 Zentralbehörde; Ausführung des Ersuchens Eine wichtige Funktion im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens kommt den Zentralbehörden zu, die als Anlaufstelle für die Übermittlung und Entgegennahme von Rechtshilfeersuchen dienen (Art. 25 Abs. 2). Im Rahmen der Behandlung der Ersuchen sind sie für deren Vorprüfung und, soweit sie diese nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht selber behandeln, für ihre Weiterleitung an die zuständigen nationalen Behörden zuständig, wobei sie die Koordination der Ausführung beibehalten (Art. 25 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 2). Ergibt sich aus der summarischen Vorprüfung, dass ein Ersuchen Mängel aufweist, verlangt die Zentralbehörde eine entsprechende Nachbesserung (Art. 28 Abs. 1). Nach dem Vollzug des Ersuchens durch die zuständige Rechtshilfebehörde kontrolliert die Zentralbehörde, ob das Ersuchen vollständig und ordnungsgemäss ausgeführt wurde, bevor sie die rechtshilfeweise erhobenen Informationen und Beweismittel an die Zentralbehörde des ersuchenden Staates übermittelt (Art. 28 Abs. 3). Generell nehmen die Zentralbehörden zudem eine Vermittlungsfunktion ein, wenn zwischen ersuchender und ersuchter Behörde Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit entstehen.

Schweizerische Zentralbehörde ist das Bundesamt für Justiz (Art. 25 Abs. 1), dem gemäss IRSG die erwähnten Prüfungs-, Übermittlungs- und Kontrollfunktionen zukommen (z. B. Art. 17 Abs. 2­4, 29, 78 und 79 IRSG). Während die Übertragung des Vollzugs ausländischer Rechtshilfeersuchen an die zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaften oder Behörden des Bundes, etwa die Bundesanwaltschaft oder die Eidgenössische Zollverwaltung, dabei den Regelfall darstellt, kann das Bundesamt für Justiz im Rahmen von Artikel 79a IRSG in gewissen Fällen auch selber über die Ausführung eines Ersuchens entscheiden.

Art. 27

Inhalt des Ersuchens

Diese Bestimmung führt die Angaben, die in einem Rechtshilfeersuchen enthalten sein müssen, detailliert auf. Ihre Bedeutung in der Praxis ist nicht zu unterschätzen.

Im Interesse zusätzlicher Transparenz und Klarheit ist die Auflistung im Vergleich zu früheren Rechtshilfeverträgen ausführlicher ausgefallen. Die Liste soll dazu beitragen, die zeitraubende Rückweisung von Ersuchen an den ersuchenden Staat zur Ergänzung oder Verbesserung möglichst zu vermeiden.

Art. 29

Befreiung von jeder Beglaubigung, Echtheitsbestätigung und anderen Formerfordernissen

Die Befreiung von der Beglaubigungspflicht, wie sie zwischen den Vertragsstaaten des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens schon lange selbstverständlich ist, stellt im Verkehr mit aussereuropäischen Staaten einen wichtigen Fortschritt dar, da diese Länder prozessualen Formalitäten oftmals einen grossen Wert beimessen.

Durch das Bundesamt für Justiz als Zentralstelle übermittelte Beweismittel werden in Indonesien ohne zusätzliche Erklärung oder Beglaubigungsnachweise zum Be-

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weis zugelassen, was zur Vereinfachung und Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens beiträgt.

Art. 32

Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen und Beweismitteln

Im Laufe eigener Ermittlungen und Strafverfolgungen können die Behörden eines Staates zu Informationen gelangen, die möglicherweise auch für die Justizbehörden eines anderen Staates von Bedeutung sind. In derartigen Fällen liegt es im Interesse der Strafverfolgung, dass die entsprechenden Informationen dem anderen Staat unter bestimmten Voraussetzungen übergeben werden können, noch bevor ein Rechtshilfeersuchen gestellt wurde. Ein frühzeitiger und rascher Informationsaustausch kann im Kampf gegen die Kriminalität nämlich eine entscheidende Rolle spielen.

Die Bestimmung lehnt sich an Artikel 11 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen an und findet sich bereits in früheren Rechtshilfeverträgen der Schweiz26. Vorläufer für diese Regelung ist Artikel 10 des Übereinkommens vom 8. November 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten27.

Ziel einer solchen unaufgeforderten Übermittlung von Informationen und Beweismitteln ist, dass der andere Staat gestützt darauf ein Rechtshilfeersuchen stellen oder ein Strafverfahren einleiten kann oder dass die Durchführung einer laufenden Strafuntersuchung erleichtert wird (Abs. 1). Der Informationsaustausch muss über die Zentralbehörden und im Rahmen des innerstaatlichen Rechts erfolgen. Artikel 67a IRSG ist für den Fall massgebend, dass schweizerische Behörden auf diese Weise Informationen und Beweismittel an den anderen Staat übermitteln wollen. Da es sich um eine Kann-Vorschrift handelt, sind die Vertragsparteien jedoch nicht verpflichtet, die Bestimmung anzuwenden.

Die übermittelnde Behörde kann die Verwendung der Informationen und Beweismittel nach Massgabe ihres innerstaatlichen Rechts an Bedingungen knüpfen, die vom Empfängerstaat einzuhalten sind (Abs. 2).

Art. 33

Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung oder der Einziehung

Ziel der Anzeige zum Zweck der Strafverfolgung ist es, dass Straftaten, die eine Vertragspartei nicht selber verfolgen kann, nicht ohne Folge bleiben. Die Bestimmung ermöglicht es einer Vertragspartei, der anderen Vertragspartei eine Straftat, für deren Vorliegen sie konkrete Hinweise hat, anzuzeigen und ihr allfällig vorhandene Beweismittel zu liefern. Dieses Vorgehen kann angezeigt sein, wenn eine Vertragspartei nicht zuständig ist, selber ein Strafverfahren einzuleiten, weil sie keine Strafhoheit hat.

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Vgl. etwa die entsprechenden Verträge mit Brasilien (SR 0.351.919.81; Art. 29), Mexiko (SR 0.351.956.3; Art. 30), Chile (SR 0.351.924.5; Art. 32) und Argentinien (SR 0.351.915.4; Art. 30).

SR 0.311.53

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Die Bestimmung ist auch dann anwendbar, wenn eine Vertragspartei Anhaltspunkte hat, dass sich im anderen Staat Vermögenswerte oder Gegenstände befinden, die aus einer strafbaren Handlung stammen.

Entsprechende Anzeigen sind über die Zentralbehörden der Vertragsparteien vorzunehmen.

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Auswirkungen

5.1

Finanzielle, personelle und andere Auswirkungen auf den Bund

Der Vertrag begründet für die Schweiz neue Verpflichtungen. Dies gilt in besonderem Mass für das Bundesamt für Justiz, das als Zentralbehörde den Rechtshilfeverkehr von und nach Indonesien sicherzustellen hat. Ebenfalls betroffen sind etwa die Bundesanwaltschaft sowie das Bundesamt für Polizei, welches mit Vollzugshandlungen betraut werden kann.

Das Ausmass des Arbeitsanfalls, der zusätzlich auf die genannten Behörden zukommt, hängt von der Anzahl und der Komplexität der Rechtshilfefälle ab. Eine genaue Quantifizierung ist nicht möglich. Aufgrund der heutigen Einschätzung ist aber davon auszugehen, dass der Vertrag auf Bundesebene keinen finanziellen Mehraufwand oder zusätzlichen Personalbedarf zur Folge haben wird, zumal bereits heute gestützt auf das IRSG Rechtshilfe möglich ist und auch geleistet wird. Der Vertrag hat auch keine anderen Auswirkungen auf Bundesebene, etwa in organisatorischer Hinsicht oder mit Bezug auf die Informatik.

5.2

Auswirkungen auf die Kantone

Je nach Umfang der Ersuchen und dem mit deren Erledigung verbundenen Aufwand kann eine Mehrbelastung einzelner kantonaler Rechtshilfebehörden nicht völlig ausgeschlossen werden. Wie bereits unter Ziffer 5.1 für die Bundesbehörden dargelegt, ist aber auch hier zu berücksichtigen, dass schon heute Rechtshilfe geleistet wird.

Es ist offensichtlich, dass die Vorlage keine spezifischen Auswirkungen auf Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete hat. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht.

5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, die Gesellschaft, die Umwelt und andere Auswirkungen

Auch in den Bereichen Volkswirtschaft, Gesellschaft oder Umwelt ist es offensichtlich, dass keine Auswirkungen zu erwarten sind; die entsprechenden Fragen wurden daher nicht geprüft.

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Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200228 [ParlG]; Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 29). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist vereinbar mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz. In der Präambel und dann namentlich in Form von Verweigerungsgründen für die Zusammenarbeit verschafft sie den Menschenrechten Nachachtung, darunter den grundlegenden Verfahrensgarantien, zu deren Einhaltung sich die Schweiz in internationalen Menschenrechtsübereinkommen wie der Konvention des Europarats vom 4. November 195030 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder dem UNO-Pakt II verpflichtet hat. Die in Artikel 1 vorgesehene Verpflichtung zur möglichst weitgehenden Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen widerspiegelt Verpflichtungen, welche die Schweiz im Rahmen internationaler Strafrechtsinstrumente wie etwa im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 200031 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität oder im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 32 gegen Korruption eingegangen ist. Im Bereich des Datenschutzes trägt die Vorlage Vorgaben der EU, die von der Schweiz aufgrund ihrer Assoziierung an die Schengener Zusammenarbeit gemäss der Richtlinie (EU) 2016/680 im Verhältnis zu Drittstaaten zu berücksichtigen sind, Rechnung.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene 28 29 30 31 32

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SR 171.10 SR 172.010 SR 0.101 SR 0.311.54 SR 0.311.56

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Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Der vorliegende völkerrechtliche Vertrag enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Er begründet für die Vertragsparteien die Verpflichtung, einander eine möglichst umfassende Rechtshilfe zu gewähren. Diese Verpflichtung hat Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen. Diese Bestimmungen sind als wichtig anzusehen, da sie ­ wenn sie auf nationaler Ebene erlassen würden ­ nach Artikel 164 Absatz 1 BV nur in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden könnten.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

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