19.475 Parlamentarische Initiative Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats vom 3. Juli 2020

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Chemikaliengesetzes, des Landwirtschaftsgesetzes sowie des Gewässerschutzgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

3. Juli 2020

Im Namen der Kommission Der Präsident: Christian Levrat

2020-2134

6523

Übersicht Analysen der Wasserqualität in kleinen und mittleren Fliessgewässern weisen für Pestizide oft Überschreitungen ökotoxikologischer Grenzwerte nach, die unter anderem auf deren Anwendung in der Landwirtschaft zurückzuführen sind. Diese Überschreitungen können negative Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen und damit auf die Biodiversität haben. Auch die Qualität des Grundwassers ist beeinträchtigt, insbesondere durch Nitrat und durch Abbauprodukte von Pestiziden. Betroffen sind vor allem die Grundwasservorkommen im intensiv landwirtschaftlich genutzten und dicht besiedelten Mittelland. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf will die Kommission diese wichtigen umwelt- und landwirtschaftspolitischen Themen verbindlich adressieren.

Die vorgeschlagene Neuregelung orientiert sich inhaltlich am Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundesrates und an dessen Fahrplan zur Risikoreduktion beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die im Aktionsplan anvisierten Reduktionsziele sollen gesetzlich verankert werden, womit die Verbindlichkeit in der Umsetzung der Vorgaben deutlich erhöht wird: Bis 2027 sollen die mit Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume und als Trinkwasser genutztes Grundwasser um 50 Prozent reduziert werden ­ falls Risiken weiterhin nicht annehmbar bleiben, kann der Bundesrat den weiteren Absenkpfad festlegen.

Als biologisch aktive Wirkstoffe werden Pestizide nicht nur in Pflanzenschutzmitteln, sondern auch in Biozidprodukten angewendet. Dementsprechend sollen auch die Risiken, die mit dem Einsatz von Biozidprodukten verbunden sind, vermindert werden.

Um sowohl Trinkwasser als auch Grundwasser ausreichend zu schützen, sieht die Kommission weiter vor, dass bei Grenzwertüberschreitungen die entsprechenden Zulassungen zu überprüfen sind; zudem will sie die Zuströmbereiche von Trinkwasserfassungen stärker schützen.

Der Gesetzesentwurf schafft die hierfür erforderlichen Grundlagen im Landwirtschafts- respektive im Chemikalien- und im Gewässerschutzgesetz. Die Neuregelung schliesst sämtliche Anwendungsbereiche ein, neben der Landwirtschaft also auch den Pestizideinsatz der öffentlichen Hand und Privater.

Die Kommission ist der Ansicht, mit ihrer Vorlage den Einsatz von Pestiziden restriktiver regeln und die beifolgenden Risiken für Mensch,
Tier und Umwelt deutlich reduzieren zu können. Sie will damit einen Beitrag leisten für eine weiterhin uneingeschränkte Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Trinkwasser sowie für einen besseren Schutz der Artenvielfalt in aquatischen Lebensräumen und der Biodiversität als Ganzes.

6524

BBl 2020

Inhaltsverzeichnis Übersicht

6524

1

Entstehungsgeschichte

6526

2

Ausgangslage 2.1 Geltendes Recht 2.1.1 Inverkehrbringen 2.1.2 Rechtliche Anforderungen bezüglich Rückständen in Oberflächengewässern, Grund- und Trinkwasser 2.1.3 Anwendung 2.2 Agrarpolitik des Bundes 2.2.1 Aktionsplan Pflanzenschutzmittel 2.2.2 Agrarpolitik ab 2022 2.2.3 Monitoring 2.3 Handlungsbedarf und Ziele: Erwägungen der Kommission 2.4 Vernehmlassungsverfahren 2.5 Änderungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

6526 6526 6528

3

Grundzüge der Vorlage

6543

4

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

6546

5

Auswirkungen 5.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 5.2 Finanzielle und personelle Auswirkungen für die Kantone 5.3 Vollzugstauglichkeit

6552 6552 6553 6553

6

Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Verhältnis zum internationalen Recht 6.3 Erlassform 6.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

6554 6554 6554 6555 6555

Bundesgesetz über die Verminderung der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden (Änderung des Chemikaliengesetzes, des Landwirtschaftsgesetzes und des Gewässerschutzgesetzes) (Entwurf)

6529 6530 6531 6532 6533 6534 6539 6541 6543

6557

6525

BBl 2020

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Im dritten Quartal 2019 nahm die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) die Beratung der beiden Volksinitiativen «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung ­ Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Trinkwasserinitiative) bzw. «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (Pestizidverbotsinitiative) auf und befasste sich dabei unter anderem eingehend mit den Risiken beim Einsatz von Pestiziden1.

Vor diesem Hintergrund verabschiedete die Kommission an ihrer Sitzung vom 30. August 2019 mit 11 zu 2 Stimmen die parlamentarische Initiative 19.475, Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren. Sie verlangt damit die gesetzliche Verankerung eines Absenkpfads mit Zielwerten für das Risiko beim Einsatz von Pestiziden. Die WAK des Nationalrates stimmte dem Beschluss ihrer Schwesterkommission an ihrer Sitzung vom 7. Oktober 2019 oppositionslos zu.

An ihrer Sitzung vom 17. Oktober 2019 definierte die WAK-S die Eckwerte der Vorlage und beschloss mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, das Sekretariat und die Verwaltung auf dieser Grundlage mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorentwurfs und eines erläuternden Berichts zu beauftragen.

Diesen Vorentwurf prüfte die WAK-S am 21. Januar 2020 und nahm ihn in der Gesamtabstimmung einstimmig an. Gleichzeitig beschloss die Kommission die Eröffnung einer Vernehmlassung; diese dauerte vom 10. Februar bis zum 17. Mai 2020.

Die WAK-S nahm den Bericht mit den Ergebnissen der Vernehmlassung am 3. Juli 2020 zur Kenntnis. Daraufhin nahm sie am Text verschiedene Präzisierungen, Verschärfungen und Ergänzungen vor und stimmte dem Entwurf schliesslich in der Gesamtabstimmung einstimmig zu. Zu einzelnen Bestimmungen liegen Minderheitsanträge vor (s. Ziff. 4).

2

Ausgangslage

2.1

Geltendes Recht

Mehrere Bundesgesetze regeln direkt und indirekt den Bereich der Pestizide bzw.

bilden die Grundlage für weitere, daraus abgeleitete Rechtserlasse:

1 2 3

­

Bundesgesetz über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikaliengesetz, ChemG)2

­

Bundesgesetz über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG) 3 Der Begriff «Pestizid» umfasst sowohl Pflanzenschutzmittel als auch Biozidprodukte.

SR 813.1 SR 910.1

6526

BBl 2020

­

Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG)4

­

Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG)5

­

Bundesgesetz über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG) 6

­

Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG)7

­

Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG)8

Pestizide sind biologisch hochwirksame chemische Substanzen, die als Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln (PSM) und in Biozidprodukten (BP) zur Anwendung gelangen. Definiert ist der Begriff in der Verordnung des EDI über die Höchstgehalte für Pestizidrückstände in oder auf Erzeugnissen pflanzlicher und tierischer Herkunft (VPRH)9. Bestimmte Pestizidwirkstoffe werden sowohl in PSM wie auch in BP eingesetzt ­ von ca. 300 PSM- und ca. 250 BP-Wirkstoffen sind 38 in beiden Kategorien zugelassen10.

PSM schützen Pflanzen und Erntegüter vor Schadorganismen oder regulieren deren Wachstum, während BP ein sehr breites Anwendungsspektrum haben, das von Desinfektionsmitteln über Mittel zum Materialschutz (z. B. Schutz von Hölzern oder anderen Konstruktionsmaterialien, Konservierungsmittel etc.) bis hin zu Schädlingsbekämpfungsmitteln reicht. Im Bereich BP ist der Kreis derjenigen, die sie in Verkehr bringen bzw. verwenden, deshalb wesentlich heterogener als im Bereich PSM.

Ausser bei sehr spezifischen Anwendungen wie z. B. zur Regulierung von Mückenpopulationen (u. a. der Tigermücke) werden BP nicht grossflächig ausgebracht. Sie können aber z. B. von Fassaden oder Bootsanstrichen ausgewaschen werden oder durch die Verwendung in Wasch- und Reinigungsmitteln bzw. bei nicht korrekter Handhabung in die Gewässer gelangen. Eine Unterscheidung von PSM- und BPWirkstoffen ist aufgrund von Kenntnissen über Anwendungsmuster, Zulassungsstatus und Einzugsgebiet des Gewässers sowie beobachteten Eintragsmustern in kleinen Gewässern teilweise möglich. In grösseren Gewässern hingegen ist die Unterscheidung zwischen PSM- und BP-Wirkstoffen aufgrund der Heterogenität der Einzugsgebiete und möglichen Eintragspfade grundsätzlich schwierig.

Nachfolgend werden die wichtigsten geltenden Vorgaben bezüglich PSM und BP sowie die mit der AP 22+ geplanten Massnahmen betreffend PSM kurz erläutert.

4 5 6 7 8 9 10

SR 817.0 SR 822.11 SR 814.01 SR 814.20 SR 451 SR 817.021.23 Zahlen basieren auf Wirkstoffen mit CAS-Nummern, ohne Organismen und in situ generierte Wirkstoffe.

6527

BBl 2020

2.1.1

Inverkehrbringen

PSM und BP müssen ein Bewilligungsverfahren durchlaufen, bevor sie in Verkehr gebracht werden können. Dabei werden die Risiken für Mensch und Umwelt geprüft und die Bedingungen für eine Verwendung ohne unannehmbares Risiko festgelegt (Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln [PSMV]11 und Verordnung über das Inverkehrbringen von und den Umgang mit Biozidprodukten [VBP]12). Die Anwendungsvorschriften von zugelassenen PSM entsprechen dem jeweiligen Wissensstand und den daraus abgeleiteten Anforderungen zum Zeitpunkt der Zulassung.

Basierend auf den Fortschritten der Wissenschaft wurden die Anforderungen an eine Bewilligung für PSM in den letzten Jahren verschärft. Um zu gewährleisten, dass bereits zugelassene Produkte weiterhin den aktuellen Anforderungen entsprechen, wurde 2010 das Verfahren zur Überprüfung der Bewilligungen eingeführt. Seither wurden über 800 Produkte mit fast 100 Wirkstoffen überprüft. Zeigt die Überprüfung, dass die Risiken zu hoch sind, werden die Anwendungsvorschriften verschärft oder die Bewilligung widerrufen. Zudem werden Wirkstoffe, welche in der EU zurückgezogen werden, auch in der Schweiz zurückgezogen. Bis heute sind 160 Wirkstoffe davon betroffen.

Der Steuerungsausschuss Chemikalien und Pflanzenschutzmittel des Bundes hat 2017 beschlossen, das Zulassungsverfahren von PSM evaluieren zu lassen13. Der Evaluationsbericht hält fest, dass die aktuellen gesetzlichen Grundlagen ausreichen und die Prozesse grundsätzlich ressourcenoptimiert aufgebaut sind. Die Prozesse für die Zulassung von PSM entsprechen den Anforderungen des geltenden Rechts, welches ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gewährleisten und die landwirtschaftliche Produktion verbessern soll. In den Zulassungsprozess sind qualifizierte und erfahrene Mitarbeitende involviert.

Allerdings besteht dem Bericht zufolge in verschiedenen Bereichen Verbesserungspotential. So sollten die strategische Führung gestärkt und die Transparenz sowie die Kommunikation verbessert werden. Zudem wird eine Überprüfung der Organisation und der Zuordnung der Aufgaben und Ressourcen der involvierten Bundesstellen empfohlen.

Eine vom Steuerungsausschuss eingesetzte Arbeitsgruppe wird nun die Resultate vertieft prüfen und bis im Frühling 2020 ein Konzept zur Optimierung
des Zulassungsverfahrens ausarbeiten. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung hat zudem Anfang Oktober 2019 von der WAK-N den Auftrag erhalten, bis im März 2020 einen Bericht zur Optimierung des Schweizer Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel vorzulegen. Diese beiden Aufträge werden koordiniert umgesetzt.

Das 2005 in Kraft getretene Schweizer Biozidprodukterecht befindet sich noch in einem Übergangsregime und hat seine Wirksamkeit daher noch nicht in vollem 11 12 13

SR 916.161 SR 813.12 Vgl. dazu «Bericht zur Evaluation des Zulassungsverfahrens von Pflanzenschutzmitteln», abrufbar unter www.anmeldestelle.admin.ch > Themen > Chemikalienrecht und Wegleitungen > Evaluation des Zulassungsverfahrens von Pflanzenschutzmitteln.

6528

BBl 2020

Umfang entfaltet. Gestützt auf das Abkommen mit der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement [MRA], SR 0.946.526.81) ist die Schweiz vollständig in den harmonisierten Zulassungsprozess der EU für BP integriert. Das im Jahr 2012 vollumfänglich revidierte EU-Biozidrecht beruht auf einem Vorsorgeprinzip und soll ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gewährleisten. Die Umsetzung dieser Regelungen wird dazu führen, dass nach Ablauf des Übergangsregimes (ca. 2025, wenn alle notifizierten bioziden Wirkstoffe von den Behörden der EU im Hinblick auf ihre Verwendung in BP geprüft sein werden) nur noch BP zur Verwendung in der Schweiz zugelassen sind, die hinsichtlich ihrer Umwelt- und Gesundheitsrisiken sowie ihrer Wirksamkeit umfassend beurteilt und für sicher befunden wurden. Das EU-Recht verlangt überdies, die Wirkung der Regulation hinsichtlich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes periodisch zu überprüfen. Alle fünf Jahre muss hierfür ein Bericht erstellt werden, u. a. mit allen Informationen über schädliche Umweltauswirkungen durch den Einsatz von Biozidprodukten.

Damit sollen Massnahmen abgeleitet werden können, um künftige Auswirkungen zu minimieren oder zu verhindern. Jeder Mitgliedstaat und die Schweiz müssen der Europäischen Kommission diesbezüglich Bericht erstatten. Basierend darauf erstellt die Kommission einen zusammenfassenden Bericht, welcher dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament vorgelegt wird. Der erste zusammenfassende Bericht muss spätestens am 30. Juni 2021 vorgelegt werden.

2.1.2

Rechtliche Anforderungen bezüglich Rückständen in Oberflächengewässern, Grund- und Trinkwasser

Die PSMV und die VBP definieren die Anforderungen, die PSM und BP erfüllen müssen, damit sie zugelassen werden können. Diese Anforderungen entsprechen denjenigen der EU-Gesetzgebung. Im Rahmen des Zulassungsprozesses für PSM und BP wird von der Zulassungsbehörde für jeden Wirkstoff ein toxikologisch akzeptabler Wert für Oberflächengewässer definiert, welcher nicht überschritten werden darf14. Für das als Trinkwasser genutzte Grundwasser sowie für Oberflächengewässer, welche der Trinkwassernutzung dienen oder dafür vorgesehen sind, gelten die Anforderungen der Gewässerschutzverordnung (GSchV)15 von maximal 0,1 µg/l für organische Pestizide (PSM- und BP-Wirkstoffe). Bei den Metaboliten (Abbauprodukte) wird aufgrund einer toxikologischen Beurteilung zwischen relevanten und nicht relevanten Metaboliten unterschieden. Für relevante Metaboliten gilt der gleiche Höchstwert von 0,1 µg/L wie für Wirkstoffe, für nicht relevante Metaboliten gibt es keine rechtlichen Anforderungen.

In der GSchV werden die Anforderungen an die Wasserqualität der ober- und unterirdischen Gewässer aufgeführt. Danach dürfen in Oberflächengewässern organische PSM- und BP-Wirkstoffe die Konzentration von 0,1 µg/l nicht überschreiten. Bis 14

15

Die Werte für PSM-Wirkstoffe (RAC) sind auf der Homepage des BLW publiziert: www.blw.admin.ch > Nachhaltige Produktion > Pflanzenschutzmittel > Nachhaltige Anwendung und Risikoreduktion > Schutz der Oberflächengewässer und Biotope > Regulatorisch akzeptable Konzentrationen (RAC) für PSM in Oberflächengewässern.

SR 814.201

6529

BBl 2020

Ende 2015 enthielt diese numerische Anforderung den Hinweis, im Rahmen des Zulassungsverfahrens könnten aufgrund von Einzelstoffbewertungen anstelle von 0,1 µg/l andere Werte festgelegt werden. Dieser Hinweis wurde 2016 aufgehoben, weil die Absicht besteht, in der GSchV stoffspezifische Werte zu definieren16. Dazu soll die Methode der EU zur Herleitung von Umweltqualitätsnormen im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verwendet werden. Die WRRL sieht vor, für prioritäre Fremdstoffe unabhängig von Verwendungszweck und Zulassungsverfahren die gleichen ökotoxikologischen Beurteilungsmassstäbe anzusetzen, unbeschadet der Anforderungen für die Zulassung von PSM und BP. Entsprechende Werte für verschiedene organische Pestizide liegen vor. Per 1. April 2020 hat das UVEK diese Werte für 19 Pestizide in die GschV aufgenommen. Für einige Pestizidwirkstoffe sind diese stoffspezifischen Werte strenger als die bisherige undifferenzierte numerische Anforderung von 0,1 µg/l, für einen grossen Teil der Stoffe sind sie jedoch weniger streng. Für das Grundwasser definiert die GSchV eine maximal zulässige Konzentration von 0,1 µg/l für organische PSM- und Biozid-Wirkstoffe. Durch einen Verweis auf die TBDV (s. u.) gilt 0,1 µg/l (bzw. 0,5 µg/l für die Summe) auch für relevante Metaboliten im als Trinkwasser genutzten oder dafür vorgesehenen Grundwasser.

Die Verordnung des EDI über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen (TBDV)17 führt die Anforderungen an die Trinkwasserqualität auf. Für Trinkwasser gilt ein Höchstwert von 0,1 µg/l für Pestizidwirkstoffe und deren für das Trinkwasser relevante Metaboliten (0,5 µg/l für die Summe von Wirkstoffen und für das Trinkwasser relevanten Metaboliten).

2.1.3

Anwendung

Wer beruflich oder gewerblich PSM oder bestimmte BP einsetzen will, braucht dafür gemäss Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV18) eine Fachbewilligung und muss die nötigen Fachkenntnisse nachweisen. Für den Erwerb einer Fachbewilligung müssen in einer Prüfung die für die betroffene Tätigkeit notwendigen Fachkenntnisse nachgewiesen werden. Für die Prüfungen sind bestimmte Trägerschaften und Prüfungsstellen oder anerkannte Schulen oder Berufsbildungseinrichtungen zuständig. Mehrere Verordnungen des UVEK und des EDI regeln die Anforderungen19. Die Fachbewilligungen sollen eine sichere, sorgfältige und umweltschonende Handhabung der Pestizide in den betroffenen Anwendungsbereichen gewährleisten. Betroffen sind unter anderem die Verwendung von PSM in der Landwirtschaft, im Gartenbau und in der Waldwirtschaft, im Fall von BP die Verwendung von Holzschutzmitteln (im Auftrag Dritter), die Schädlingsbekämpfung

16 17 18 19

Für identische Wirkstoffe in PSM, BP oder z. T. auch Arzneimitteln sind die Zulassungsverfahren und die damit verbundenen Beurteilungskriterien unterschiedlich.

SR 817.022.11 SR 814.81 SR 814.812.34, SR 814.812.35, SR 814.812.36, SR 814.812.37, SR 814.812.38, SR 814.812.31, SR 814.812.32, SR 814.812.33.

6530

BBl 2020

sowie die Desinfektion des Badewassers in Gemeinschaftsbädern20. Die Fachbewilligung für die Anwendung von PSM wird im Rahmen des Aktionsplans PSM 21 auf fünf Jahre befristet; zudem wird eine Weiterbildungspflicht eingeführt. Die Rechtsetzungsarbeiten hierzu sind bereits weit fortgeschritten. Die Fachbewilligungen für die Anwendung von BP sind von dieser Anpassung nicht betroffen.

PSM und BP können auch durch private Personen angewendet werden, allerdings ist die Produktauswahl eingeschränkt. Im Rahmen des Aktionsplans PSM22 wird die Produktauswahl von PSM für private Anwender mit strengeren Zulassungskriterien zusätzlich eingeschränkt. Ein totales Anwendungsverbot aller PSM ist nicht vorgesehen. Dies wäre nicht verhältnismässig und in Anbetracht der für andere Chemikalien schon heute weniger strengen Anforderungen kaum zu rechtfertigen.

2.2

Agrarpolitik des Bundes

Um das Risiko für die menschliche Gesundheit sowie für die Umwelt möglichst gering zu halten, hat der Bund bereits bisher entsprechende Rahmenbedingungen definiert und verschiedene Massnahmen ergriffen. PSM und BP müssen beispielsweise ein Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen. Dabei werden die Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sorgfältig nach internationalen Standards bewertet und Vorschriften für eine sichere Anwendung festgelegt.

Im Rahmen der Direktzahlungen werden zusätzliche Bedingungen für die Anwendung von PSM gestellt. So müssen Landwirtinnen und Landwirte, die Direktzahlungen erhalten, die Anforderungen des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) gemäss Artikel 70a Absatz 1 Buchstabe b LwG erfüllen. Dieser ist nach den Prinzipien des Integrierten Pflanzenschutzes aufgebaut mit dem Ziel, nur so viel PSM wie nötig auszubringen. Er beinhaltet z. B. konkrete Anforderungen zur ausgewogenen Düngung, zur Fruchtfolge und zur Anwendung nützlingsschonender PSM (Art. 70a Abs. 2 LwG). 98 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werden heute nach den Anforderungen des ÖLN bewirtschaftet, insbesondere im Rebbau gibt es jedoch kleine Parzellen, die nicht nach diesen Vorgaben bewirtschaftet werden.

Im Rahmen der Direktzahlungen fördert der Bund ausserdem Alternativen zum Einsatz von PSM sowie präventive Massnahmen, damit deren Einsatz gemindert oder damit ganz darauf verzichtet wird. So wird etwa der Anbau von Getreide, Raps, Sonnenblumen, Eiweisserbsen und Ackerbohnen ohne Insektizid- und FungizidBehandlungen gefördert. Über 50 Prozent des Getreides werden in der Schweiz nach diesem Programm produziert. Schliesslich wird auch der biologische Landbau gefördert, in dem der Einsatz von Herbiziden nicht erlaubt ist und nur für den biolo20

21 22

Informationen zu den Fachbewilligungen sind auf der Homepage Bundesamtes für Umwelt zu finden. Abrufbar unter www.bafu.admin.ch > Themen > Chemikalien > Fachinformationen > Fachbewilligungen.

Aktionsplan PSM: Weiterbildungspflicht für die berufliche Anwendung von PSM, Massnahme 6.3.1.1.

Aktionsplan PSM: Strengere Kriterien für die Zulassung von PSM für die nichtberufliche Verwendung, Massnahme 6.2.2.4.

6531

BBl 2020

gischen Landbau bewilligte Fungizide und Insektizide eingesetzt werden dürfen. Gut 15 Prozent der Landwirtschaftsfläche werden gemäss den Regeln des biologischen Landbaus bewirtschaftet, die Mehrheit davon in Produktionszweigen mit ohnehin geringem Einsatz von PSM (insbesondere Nutztierhaltung).

2.2.1

Aktionsplan Pflanzenschutzmittel

Im September 2017 verabschiedete der Bundesrat den Aktionsplan PSM23. Dieser Plan dient als Instrument zur Festlegung von gemeinsamen und breit abgestützten Zielen für eine nachhaltige Anwendung von PSM. Dabei werden drei Anforderungen berücksichtigt, nämlich der Schutz des Menschen, der Schutz der Umwelt und der Schutz der Kulturen. Mit der Umsetzung des Aktionsplans sollen die Risiken halbiert werden. Dieses Ziel ist nicht terminiert, es wird aber durch klar definierte Ziele bis 2027 (Referenzbasis 2012­2015) für die Reduktion sowohl der Anwendungen als auch der Einträge in die Umwelt (Emissionen) konkretisiert. Der Aktionsplan enthält zudem weitere Ziele für die verschiedenen Schutzbereiche, die sich, wo es sinnvoll ist, am Ziel einer Risikohalbierung orientieren. So soll etwa zum Schutz der Gewässer die Länge der Abschnitte des Schweizer Fliessgewässernetzes, wo die numerischen Anforderungen überschritten werden, bis 2027 halbiert werden.

Ausserdem soll das Risikopotenzial für aquatische Lebewesen, berechnet mit einem geeigneten Risikoindikator, halbiert werden; auch die Belastung des als Trinkwasser genutzten Grundwassers mit als nicht relevant eingestuften PSM-Metaboliten soll deutlich reduziert werden.

Damit die Ziele des Aktionsplans PSM erreicht werden können, wurden insgesamt 51 Massnahmen definiert. Die folgenden dieser Massnahmen zur Reduktion der Risiken wurden im Zusammenhang mit der Bewilligung und der Anwendung von PSM (in der PSMV) bereits verbindlich oder als Anreizprogramm (in der Verordnung über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft [DZV]24) eingeführt:

23 24

­

Im Rahmen der Zulassung wurden zusätzliche Anwendungsvorschriften zur Reduktion der Abschwemmung in Oberflächengewässer eingeführt. Die betroffenen PSM werden überprüft, falls erforderlich werden strengere Anwendungsvorschriften verfügt.

­

Die Ausrüstung der Pflanzenschutzgeräte mit einer automatischen Innenreinigung und der Bau von Waschplätzen werden finanziell unterstützt, um die Einträge in Gewässer aus Punktquellen (z. B. Waschplätze) zu reduzieren.

­

Neue Kontrollpunkte zum Gewässerschutz wurden erarbeitet (z. B. Waschplatz, PSM-Lagerung) und sollen gemäss Empfehlung der Konferenz der Vorsteherinnen und Vorsteher der Umweltämter (KVU) von den Kantonen z. B. im Rahmen der ÖLN-Kontrollen umgesetzt werden.

­

In den pflanzenschutzintensiven Kulturen Obst, Reben und Zuckerrüben wurden als Anreiz zur Reduktion von PSM neue Beiträge eingeführt.

Der Aktionsplan PSM ist auf der Homepage des BLW zu finden, abrufbar unter www.blw.admin.ch > Nachhaltige Produktion > Aktionsplan Pflanzenschutzmittel.

SR 910.13

6532

BBl 2020

­

Neue Beiträge zum (Teil-)Verzicht auf Herbizide auf offenen Ackerflächen wurden eingeführt.

­

Regionale Projekte zur Reduktion der Risiken von PSM wurden gestartet.

­

Agroscope hat einen Forschungsschwerpunkt auf die Entwicklung eines nachhaltigen Pflanzenschutzes gesetzt.

2.2.2

Agrarpolitik ab 2022

Der Bundesrat hat am 12. Februar 2020 die Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) verabschiedet. Die Botschaft enthält auch ein Massnahmenpaket als Alternative zur Trinkwasserinitiative, welches zentrale Anliegen sowohl der Trinkwasser- als auch der Pestizidverbotsinitiative aufnimmt.

Mit der AP22+ sind zur Reduktion der Risiken von PSM folgende Massnahmen vorgesehen: ­

Erweiterung der Anforderungen im Rahmen des ÖLN als Voraussetzung für Direktzahlungen: ­ Die Belastung der Oberflächengewässer und naturnaher Lebensräume ist zu verringern. Dazu sollen beim Befüllen, Spülen und bei der Reinigung der Spritzgeräte Einträge in die Gewässer verhindert werden. Erreicht werden soll dies mit Innenreinigungssystemen für die effiziente Reinigung auf dem Feld und mit der Sammlung und Aufbereitung des anfallenden Waschwassers auf dem Betrieb. Vorausgesetzt wird zudem die gemäss Gewässerschutzanforderung korrekte Entwässerung von Plätzen, auf denen Spritzgeräte befüllt oder gereinigt werden oder auf denen Hof- und Recyclingdünger anfallen oder umgeschlagen werden.

­ Zudem soll die Reduktion der Abdrift und der Abschwemmung von PSM gefordert werden. In den «Weisungen des BLW betreffend die Massnahmen zur Reduktion der Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln» sind alle entsprechenden Massnahmen ausgewiesen.

Die Betriebe sollen verpflichtet werden, aus diesen geeignete Massnahmen zu wählen, damit die unerwünschten Emissionen von PSM um mindestens 75 Prozent reduziert werden können.

­ PSM mit einem unannehmbaren Umweltrisiko werden im Rahmen der Überprüfung der Bewilligung aus dem Markt zurückgezogen. Zum Schutz der Umwelt sollen die verbleibenden bewilligten Produkte abgestuft nach Risiken für Grundwasser, Oberflächengewässer und Bienen in ihrer Anwendung weiter eingeschränkt werden. So sollen Produkte mit einem höheren durch solche mit einem tieferen Risiko ersetzt werden, sofern solche zur Verfügung stehen. Diese Massnahme erlaubt es u. a., die Einträge von Metaboliten im Grundwasser deutlich zu reduzieren und damit in Zukunft das wiederholte und verbreitete Auftreten von Konzentrationen über 0,1 µg/l auch für nicht relevante Metaboliten zu verhindern.

6533

BBl 2020

­ ­

Verstösse gegen bestimmte Vorgaben der Gewässerschutzgesetzgebung werden direkt mit Kürzungen der Direktzahlungen (Landwirtschaftsgesetz) sanktioniert.

Um die Wirksamkeit der Kontrollen beim PSM-Einsatz zu erhöhen, wird ein risikobasiertes Kontrollsystem mit Laboranalysen von Pflanzenproben eingeführt.

­

Ergänzend dazu wird in allen Kulturen mit Produktionssystembeiträgen die Produktion ohne oder mit reduziertem PSM-Einsatz gefördert.

­

Die Vorgaben des ÖLN im Bereich Pflanzenschutz sollen regional gezielt verschärft werden, wenn die umweltrechtlichen Anforderungen aufgrund von Einträgen aus der Landwirtschaft nicht erreicht werden. Zudem soll mit Beiträgen für eine standortangepasste Landwirtschaft die Förderung von regionsspezifischen Massnahmen zur Verbesserung des Ressourcenschutzes ermöglicht werden.

Im Rahmen der Erarbeitung der Vorlage zur AP22+ wurde auch die Möglichkeit geprüft, den Einsatz von PSM mittels Lenkungsabgaben weiter zu regulieren. Dabei wurden deren Vor- und Nachteile wie z. B. verursachergerechte Besteuerung und Schaffung, Unterhalt und Wirkung eines neuen administrativen Einnahmesystems gegeneinander abgewogen. Da sich aus heutiger Sicht andere Instrumente gleich gut oder besser eignen, soll die Entwicklung einer solchen Lenkungsabgabe mit der AP22+ derzeit nicht weiterverfolgt werden. Im Rahmen des ÖLN wird die Verwendung von Produkten, von denen ein erhöhtes Risiko für die Umwelt ausgeht, eingeschränkt, womit das gleiche Ziel erreicht wird wie mit einer Lenkungsabgabe, nämlich die Verringerung des Einsatzes dieser Produkte. Die ÖLN-Lösung hat dabei den Vorteil, dass die Wirkung erreicht wird, ohne dass ein neues administratives Einnahmesystem geschaffen und unterhalten werden muss.

2.2.3

Monitoring

Um zu prüfen, ob die Anforderungen der Lebensmittel- und Umweltgesetzgebung eingehalten sind, und um sicherzustellen, dass Mensch und Umwelt keinen unannehmbaren Risiken durch Pestizide (Wirkstoffe in PSM und BP) ausgesetzt sind, werden in verschiedenen Bereichen Monitorings von Pestizidrückständen durchgeführt und teilweise im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans für PSM auf- und ausgebaut. In der folgenden Tabelle sind die Monitorings aufgeführt: Bereich

Monitoring

Oberflächengewässer (aquatische Nichtzielorganismen)

Die EAWAG hat 2012, 2015 und 2017 im Auftrag des BAFU an jeweils 5 Fliessgewässern Messungen der Pestizidbelastung durchgeführt. 2012 wurden kleine und mittlere Fliessgewässer mit Einzugsgebieten in landwirt-

6534

BBl 2020

Bereich

Monitoring

schaftlichen Gebieten und Siedlungsgebieten25 beprobt.

2015 und 2017 wurden kleine Fliessgewässer mit grösstenteils landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebieten beprobt26.

Seit 2019 werden Pestizide in kleinen bis mittelgrossen Fliessgewässern jährlich an 21 fixen Messstellen gemessen. 2020 sollen 5 zusätzliche Messstellen in Betrieb genommen werden27.

Vor allem in kleinen und mittleren Fliessgewässern kommt es zu Überschreitungen ökotoxikologisch relevanter Konzentrationen für bestimmte Wirkstoffe28.

Naturnahe Lebensräume (terrestrische Nichtzielorganismen)

Heute werden die Rückstände von Pestiziden in naturnahen Lebensräumen nicht systematisch gemessen. Im Rahmen des Aktionsplans PSM sind Monitorings in Entwicklung.

Das Risiko, naturnahe Lebensräume zu beeinträchtigen, ist insbesondere wegen der Abdrift bei PSMAnwendungen vorhanden. Die Risiken sind abhängig vom Abstand zur Kultur und von der Art und Vernetzung der Lebensräume29.

Grundwasser als Trinkwasser genutzt

25 26

27

28 29 30

Im Rahmen der nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA werden seit 2002 in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen knapp 500 über die ganze Schweiz verteilte Messstellen betrieben. Das Grundwasser wird im Hinblick auf eine breite Palette an PSM-Wirkstoffen und einige PSM-Metaboliten sowie seit 2005 auch auf BPWirkstoffe beprobt30. Bei den Metaboliten wird aufgrund einer toxikologischen Beurteilung zwischen relevanten und nicht relevanten Metaboliten unterschieden.

Aqua&Gas N°3 2014: Über 100 Pestizide in Fliessgewässern, abrufbar unter www.centreecotox.ch > News&Publikationen > Weitere Publikationen.

Aqua&Gas N°4 2019: Hohe PSM-Belastung in Schweizer Bächen - NAWA-SPEZKampagne untersucht Bäche in Gebieten intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und Aqua&Gas N°4 2017 Hohe ökotoxikologische Risiken in Bächen - NAWA SPEZ untersucht Bäche in Gebieten intensiver landwirtschaftlicher Nutzung, jeweils abrufbar unter www.centreecotox.ch > News&Publikationen > Weitere Publikationen.

Vgl. dazu Bericht «Umsetzung Aktionsplan Pflanzenschutzmittel Stand August 2019», abrufbar unter www.blw.admin.ch > Nachhaltige Produktion > Aktionsplan Pflanzenschutzmittel.

Vgl. dazu Aktionsplan PSM, S. 14.

Vgl. dazu Aktionsplan PSM, S. 19.

Vgl. dazu www.bafu.admin.ch > Wasser > Fachinformation > Zustand der Gewässer > Grundwasser > Nationale Grundwasserbeobachtung NAQUA > Module TREND und SPEZ.

6535

BBl 2020

Bereich

Monitoring

Für relevante Metaboliten gilt der gleiche Höchstwert von 0,1 µg/L wie für Wirkstoffe. Für nicht relevante Metaboliten gibt es keine rechtlichen Anforderungen.

Die gesetzlichen Qualitätsanforderungen an das als Trinkwasser genutzte Grundwasser werden bezüglich Wirkstoffen und relevanten Metaboliten in den allermeisten Fällen eingehalten (Ausnahme Chlorothalonil31).

Einige nicht relevante Metaboliten werden verbreitet in erhöhten Konzentrationen gefunden, deshalb soll die Belastung des als Trinkwasser genutzten Grundwassers mit Metaboliten reduziert werden32.

Boden

PSM gelangen entweder direkt bei der Anwendung oder bei einem nachfolgenden Regenereignis auf den Boden.

Dort werden sie in unterschiedlichen Anteilen abgebaut, gebunden oder weitertransportiert. Die im Boden verbleibenden PSM liegen gelöst oder gebunden vor. Gebundene PSM-Rückstände sind heute messbar, wenn auch teilweise mit grösserem Aufwand. Insgesamt führt diese Ausgangslage dazu, dass heute die Rückstände von Pestiziden im Boden mit Ausnahme von Kupfer nicht systematisch gemessen werden. Ein Monitoring für PSM-Wirkstoffe im Boden ist im Rahmen des Aktionsplans PSM in Entwicklung33. Das Monitoring von PSM-Substanzen und deren Abbauprodukten soll im Rahmen der Nationalen Bodenbeobachtung NABO ab 2025 routinemässig etabliert sein.

Im Zulassungsprozess für PSM wie auch für BP wird aufgrund von Modellen beurteilt, welche Risiken eine PSM- oder BP-Anwendung für den Boden darstellt. Es fehlt ein Monitoring im Boden, um zu überprüfen, ob die Risikobeurteilung der Zulassung die Realität ausreichend deckt34. Im Fall von BP sind die Einträge in den Böden eher von untergeordneter Bedeutung.

Luft

31

32 33 34

Die Belastung der Luft mit Pestiziden wird nicht systematisch gemessen.

Bei der Überprüfung des Wirkstoffs Chlorothalonil hat sich gezeigt, dass einige seiner Metaboliten als relevant betrachtet werden müssen, womit für diese Metaboliten neu der Anforderungswert von 0,1 µg/l gilt. Damit erfüllt Chlorothalonil die Zulassungsanforderungen nicht mehr. Deshalb wurde die Bewilligung zurückgezogen.

Vgl. dazu Aktionsplan PSM, Massnahme 6.1.2.1.

Vgl. dazu Aktionsplan PSM, Massnahme 6.3.3.7.

Vgl. dazu Aktionsplan PSM, S. 57.

6536

BBl 2020

Bereich

Monitoring

Im Rahmen der Zulassung von PSM wie auch von BP wird mittels chemischer Parameter beurteilt, ob ein Wirkstoff das Potenzial hat, in die Atmosphäre zu gelangen.

Die meisten PSM sind kaum flüchtig. Die höchsten Emissionen von PSM sind durch die Abdrift zu erwarten.

Im Fall von BP sind die Emissionen in die Aussenluft von untergeordneter Bedeutung.

Konsumentinnen und Konsumenten

Daten zu Pestizidrückständen in Lebensmitteln werden von den Kantonen sowie vom Zoll erhoben und dem Bund zur Verfügung gestellt35. Die Anforderungen an Rückstände in Lebensmitteln sind in der Verordnung des EDI über die Höchstgehalte für Pestizidrückstände in oder auf Erzeugnissen pflanzlicher und tierischer Herkunft (VPRH)36 festgelegt. Die Probenahmen erfolgen risikobasiert. Die erhobenen Daten sind daher für ein Monitoring ungeeignet.

Seit 2019 beteiligt sich die Schweiz am Europäischen Monitoring von Pestizidrückständen. Hierzu erhebt der Bund für ausgewählte Lebensmittel Pestizidrückstandsdaten, welche in das Europäische Monitoringprogramm einfliessen.

Die Risiken für Konsumentinnen und Konsumenten durch Pestizidrückstände auf Lebensmitteln aus der Schweiz und der EU sind heute gering. Bei importierten Lebensmitteln aus Asien ist die Beanstandungsquote hingegen um ein Vielfaches höher37.

Anwenderinnen und Anwender

35

36 37

38

Risiken für Anwenderinnen und Anwender bestehen primär beim Nichteinhalten der vorgeschriebenen Schutzmassnahmen38. Das Einhalten der vorgeschriebenen Schutzmassnahmen bei der Anwendung von PSM und BP wird nicht systematisch überwacht und es besteht auch kein Monitoring dazu.

Vgl. dazu Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (Hrsg.) (2018) «Überblick amtliche Kontrollen 2017» abrufbar unterwww.blv.admin.ch > Lebensmittel und Ernährung > Lebensmittelsicherheit > Verantwortung > Nationale Kontrollprogramme.

SR 817.021.23 Vgl. dazu Bericht «Pestizide in frischen Gemüsen und Gewürzen aus Asien 2012­2015» (2016), abrufbar unter www.blv.admin.ch > Lebensmittel und Ernährung > Lebensmittelsicherheit > Stoffe im Fokus > Pflanzenschutzmittel.

Vgl. dazu Aktionsplan PSM, S. 45.

6537

BBl 2020

Bereich

Monitoring

Verkaufszahlen

Es werden jährlich die Mengen aller in Verkehr gebrachten PSM erfasst. In welchen Sektor die PSM verkauft werden, wird dabei nicht erfasst. Daten sind zurück bis 2008 publiziert39. Die in Verkehr gebrachte Menge BP wird momentan nicht erfasst.

Anwendungszahlen

Berufliche Anwender und Anwenderinnen von PSM müssen alle PSM-Anwendungen dokumentieren40. Diese Dokumentation ist jedoch weder kantonal noch national systematisch erfasst. Im Rahmen der ÖLN-Kontrollen werden diese Angaben stichprobenweise durch die Kantone kontrolliert.

Im Rahmen der zentralen Auswertung von Agrarumweltindikatoren (ZA-AUI) werden die Anwendungszahlen von rund 300 freiwillig mitmachenden Betrieben jährlich erhoben und ausgewertet. Nichtlandwirtschaftliche Anwendungen werden nicht erfasst. Die Abschätzung der schweizweiten Anwendung von PSM mittels den Anwendungszahlen aus der ZA-AUI ist mit einer gewissen Unschärfe behaftet, da mit den 300 Betrieben nicht alle Produktionsbereiche ausreichend erfasst werden. Insbesondere für den Gemüsebau und den biologischen Landbau fehlen Daten. Aus diesem Grund werden diese Erhebungen im Rahmen des Aktionsplans PSM bis 2022 verbessert und unter anderem auch auf den Gemüsebau und den biologischen Landbau ausgedehnt41.

Für BP wurde 201342 und 201643 auf Grundlage von Befragungen eine Mengenabschätzung von BP in Schutzmitteln und für die Hygiene im Veterinärbereich gemacht. Ein systematisches Monitoring der Verwendung von BP über deren gesamtes Anwendungsspektrum (Desinfektionsmittel, Schutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel) gibt es nicht.

39

40 41 42

43

Vgl. dazu Bundesamt für Umwelt (Hrsg.): Verkaufsmenge der PflanzenschutzmittelWirkstoffe, abrufbar unter www.blw.admin.ch > Nachhaltige Produktion > Pflanzenschutz > Pflanzenschutzmittel.

PSMV, Art. 62 (SR 916.161) Vgl. dazu Aktionsplan PSM, Massnahme 6.3.3.8.

Vgl. dazu «Mengenabschätzung von Bioziden in Schutzmitteln in der Schweiz» HSR Hochschule für Technik Rapperswil (2013) (Hrsg.), abrufbar unter www.admin.ch > Dokumentation > Studien und «Biozid-Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich» Berner Fachhochschule (2013) (Hrsg.) abrufbar unter www.agrammon.ch > Downloads > Weitere Informationen. www.agrammon.ch/assets/Downloads/Further-Information/ Biozide-fuer-Hygiene-Veterinaerbereich.pdf Aqua&Gas N°4 2016 «Biozidprodukte ­ Eintrag in Gewässer», abrufbar unter www.comleam.ch > Downloads.

6538

BBl 2020

2.3

Handlungsbedarf und Ziele: Erwägungen der Kommission

Aktuell haben zwei Volksinitiativen den Einsatz von Pestiziden zum Gegenstand: Die am 18. Januar 2018 eingereichte Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung ­ keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz»44 sowie die am 25. Mai 2018 eingereichte Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide»45. Zwar beziehen sich die beiden Volksinitiativen auf unterschiedliche Artikel der Bundesverfassung (Art. 74 bzw. Art. 104 BV), beide verlangen aber neue Vorgaben für den Pestizideinsatz. Während die Pestizidverbotsinitiative ein allgemeines Verbot für synthetische Pestizide fordert, verlangt die Trinkwasserinitiative eine generell pestizidfreie Produktion für Betriebe im Direktzahlungssystem. Diese Volksinitiativen bildeten den Ausgangspunkt der Diskussion in der Kommission.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die beiden Volksinitiativen wichtige umweltund landwirtschaftspolitische Themen adressieren, die von politischer Seite einer verbindlichen Antwort bedürfen. Gleich wie die Initianten möchte auch die Kommission die dem Pestizideinsatz geschuldeten Umweltbelastungen reduzieren. Weder einen ausschliesslichen Fokus auf die Landwirtschaftspraxis noch ein generelles Verbot synthetischer oder nichtsynthetischer Pestizide hält sie indes für zielführend.

Sie weist darauf hin, dass die Verwendung von PSM in der Landwirtschaft primär dem Schutz der Kulturen vor Krankheiten und Schädlingen sowie vor der Konkurrenz durch Unkräuter dient. PSM leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Erträge und zur Qualität der Erntegüter. Allerdings können die darin enthaltenen biologisch wirksamen Stoffe unerwünschte Auswirkungen auf Mensch und Nichtzielorganismen ausüben. Dessen ist sich die Kommission bewusst. Sie nimmt denn auch besorgt zur Kenntnis, dass Analysen der Wasserqualität in kleinen und mittleren Fliessgewässern oft Überschreitungen ökotoxikologischer Grenzwerte nachweisen, die auf die Anwendung von PSM vor allem in der Landwirtschaft zurückzuführen sind. Diese Überschreitungen können negative Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen und damit auf die Biodiversität haben46. Gemäss dem im August 2019 publizierten Bericht der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA47 wird 44

45

46

47

Die Trinkwasserinitiative verlangt, dass nur noch diejenigen Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen unterstützt werden, die keine Pestizide einsetzen, ohne prophylaktischen Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung auskommen und deren Tierbestand mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann. Zudem fordert sie die Erhaltung der Biodiversität als Teil des ÖLN.

Die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» verlangt, dass der Einsatz von synthetischen Pestiziden in der landwirtschaftlichen Produktion, in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landwirtschaftspflege verboten wird. Auch die Einfuhr von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind, soll verboten werden.

Vgl. dazu BAFU (Hrsg.) 2008: Ökologie und Pflanzenschutz. Grundlagen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Thema Chemikalien > Publikationen und Studien > Ökologie und Pflanzenschutz.

BAFU (Hrsg.) 2019: Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz. Ergebnisse der Nationalen Grundwasserbeobachtung NAQUA, Stand 2016 Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Zustand Nr. 1901: 138 S.

6539

BBl 2020

auch die Grundwasserqualität insbesondere durch Nitrat und durch Abbauprodukte von PSM beeinträchtigt. Betroffen sind vor allem die Grundwasservorkommen im intensiv landwirtschaftlich genutzten und dicht besiedelten Mittelland.

Um dieser Problematik entgegenzuwirken, hat der Bundesrat in jüngster Zeit verschiedene Massnahmen eingeleitet und teilweise bereits umgesetzt. Die Kommission anerkennt und begrüsst diese Massnahmen, die derzeit insbesondere den Aktionsplan PSM und das im Rahmen der AP22+ geplante Massnahmenpaket zur Trinkwasserinitiative umfassen, ausdrücklich. Sie stellt jedoch auch fest, dass es der Politik in der Vergangenheit nicht gelungen ist, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Herausforderungen im Bereich Gewässerschutz von politischer Seite ernstgenommen und mit der nötigen Sorgfalt angegangen werden. In der Tat konnten etwa die «Umweltziele Landwirtschaft», die das Bundesamt für Umwelt und das Bundesamt für Landwirtschaft 2008 auf der Grundlage des geltenden Rechts hergeleitet und gemeinsam veröffentlicht hatten, bisher nicht erreicht werden, obwohl auch heute schon umweltrechtliche Anforderungen gelten und die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaftsbetriebe an einen ÖLN gebunden ist.

Umweltthemen sind in der Öffentlichkeit stark präsent und die Sensibilität in der Schweizer Bevölkerung gegenüber Umweltbelastungen durch Pestizideinsatz ist gestiegen. Angesichts der potentiellen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit sowie angesichts von Rückständen in Lebensmitteln sind breite Bevölkerungskreise der Anwendung von Pestiziden gegenüber kritisch eingestellt. Die Kommission möchte mit ihrer Vorlage ein deutliches Signal dafür senden, dass die Politik verbindliche Wege zur Lösung der Probleme vorgeben will.

Der Entwurf der Kommission knüpft inhaltlich an den Aktionsplan PSM des Bundesrates und den dort vorgesehenen Fahrplan zur Risikoreduktion beim Pestizideinsatz an und will nun einen Absenkpfad auf Gesetzesstufe verankern. Dieser soll quantifizierte Ziele für die Reduktion der Risiken beim Einsatz von Pestiziden enthalten und so die Verbindlichkeit der Vorgaben deutlich erhöhen. Die Kommission folgt dabei dem Aktionsplan und legt eine 50-prozentige Reduktion der Risiken bis 2027 fest. Falls dannzumal weiterhin nicht annehmbare Risiken bestehen,
kann der Bundesrat den ab diesem Zeitpunkt geltenden Absenkpfad festlegen. Der vorgegebene Absenkpfad soll dabei ausdrücklich nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für sämtliche Anwendungsbereiche gelten, also auch für den Pestizideinsatz der öffentlichen Hand und Privater.

Damit die Zielerreichung gemessen werden kann, verlangt die Kommission ein Monitoring des Pestizideinsatzes und die Entwicklung von Risikoindikatoren. Diese sollen möglichst auf alle Risikobereiche gelegt werden können: die Anwenderinnen und Anwender, die Konsumentinnen und Konsumenten, die terrestrischen und aquatischen Nichtzielorganismen, das Grundwasser, das Trinkwasser, Boden und Luft. Die Indikatoren sollen vom Bundesrat definiert werden; sie müssen der Toxizität und dem Einsatz der verschiedenen PSM Rechnung tragen. Die Kommission sieht ausserdem vor, dass der Bund ein zentrales Informationssystem zur Verwendung von PSM und BP betreibt, in welchem sämtliche beruflichen oder gewerblichen Anwendungen dieser Produkte erfasst werden. Dieses System dient als Basis zur Festlegung der Indikatoren.

6540

BBl 2020

Weil die gleichen Wirkstoffe in unterschiedlichen Branchen eingesetzt werden können, ist es kaum möglich, die jeweilige Herkunft der Pestizide und von deren Abbauprodukten zu bestimmen. Die Kommission legt deshalb Wert darauf, dass die Branchen die Massnahmen in erster Linie selber definieren und sie auch planen, quantifizieren und publizieren. Der Bund soll sie dabei nur subsidiär unterstützen, beispielsweise mit Direktzahlungsanreizen an die Produzenten.

Werden die Ziele und Zwischenziele nicht erreicht, soll der Bundesrat weiterführende Massnahmen umsetzen, die die Zielerreichung gewährleisten. Dabei denkt die Kommission insbesondere an den Widerruf der Genehmigung besonders risikoreicher Wirkstoffe oder an Lenkungsabgaben auf Pestiziden, gewichtet nach Toxizität.

Möglich wäre aber auch eine zusätzliche Förderung pestizidfreier Landbausysteme, ein Verbot der Privatanwendung oder eine Anpassung der Zulassung.

Gerade im Hinblick auf die beiden eingangs genannten Volksinitiativen ist es der Kommission wichtig, Gewässer ­ sowohl solche, die der Trinkwasserversorgung dienen, als auch Oberflächengewässer ­ ausreichend und wirksam zu schützen, wenn bestimmte Grenzwerte für PSM, BP oder deren Abbauprodukte wiederholt und verbreitet überschritten werden. In solchen Fällen soll die entsprechende Zulassung überprüft werden. Trinkwasserfassungen sollen zudem vorsorglich geschützt werden, indem PSM dort nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn ihre Verwendung im Grundwasser keine zu hohen Konzentrationen von Wirkstoffen und Abbauprodukten zur Folge hat.

Die Kommission ist überzeugt, mit ihrer Vorlage den Einsatz von Pestiziden restriktiver regeln und die beifolgenden Risiken deutlich reduzieren zu können. Ihre Vorlage setzt die Kernanliegen der Trinkwasser- und der Pestizidverbotsinitiative um, und sie bildet insbesondere die Grundlage für die auf Verordnungsstufe notwendigen Präzisierungen und für eine verbindliche Umsetzung der definierten Ziele.

Damit will die Kommission einen Beitrag für eine weiterhin uneingeschränkte Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Trinkwasser sowie für einen besseren Schutz der Artenvielfalt in aquatischen Lebensräumen und der Biodiversität als Ganzes leisten.48

2.4

Vernehmlassungsverfahren

Vom 10. Februar bis zum 17. Mai 2020 führte die Kommission eine Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf durch. Insgesamt wurden 145 Adressaten zur Stellungnahme eingeladen. Geantwortet haben sämtliche Kantone, sieben Parteien (CVP, EVP, FDP, GPS, GLP, SVP und SPS), die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie die folgenden gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft: economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband (SGV), Schweizer Bauernverband (SBV) sowie Schweizerischer Gewerkschaftsbund. Weitere 106 Stellungnahmen wurden von Umwelt-, Branchen- und Konsu-

48

Die Minderheitsanträge werden unter den Erläuterungen zu den entsprechenden Artikeln in Kapitel 4 begründet.

6541

BBl 2020

mentenschutzorganisationen, von Verbänden und Instituten sowie von mehreren Unternehmen abgegeben49.

Grundsätzlich begrüsst eine deutliche Mehrheit der Kantone, Parteien und Organisationen die Stossrichtung der Vorlage. Anklang findet insbesondere, dass alle Anwendungsbereiche, also nicht nur die Landwirtschaft, und auch die BP berücksichtigt werden. Was die Reduktionsziele angeht, so fordern verschiedene Teilnehmende weitergehende Reduktionsziele, als die Vorlage sie vorsieht, während andere wiederum weitergehende Ziele zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen und die Meinung vertreten, konkrete Zielvorgaben seien erst dann festzulegen, wenn die Methoden zur Risikobeurteilung bekannt seien und genügend zuverlässige und repräsentative Monitoringdaten vorlägen. Die Mehrheit unterstreicht die Wichtigkeit einer raschen Erarbeitung geeigneter Risikoindikatoren.

Mehrere Kantone und landwirtschaftliche Organisationen weisen darauf hin, eine Reduktion des Risikos um 50 Prozent bis 2027 stelle für die Landwirtschaft eine grosse Herausforderung dar, müsse doch der Schutz der Kulturen gewährleistet sein und müssten die Ernten gesichert werden können, damit es nicht einfach zu einer Verlagerung ins Ausland komme. Verschiedene Teilnehmende fordern eine starke Ausrichtung der Forschung auf alternative Pflanzenschutzmethoden, um der Praxis eine Risikoreduktion zu ermöglichen.

Teilweise werden zusätzliche Massnahmen zum Schutz des Trinkwassers gefordert.

So müssten der Zulassungsentscheid und die Kennzeichnung von PSM beinhalten, ob ein Produkt im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen eingesetzt werden dürfe oder nicht. Zudem solle bei der Zulassung der private Gebrauch stärker eingeschränkt werden. Für das Monitoring werden im Hinblick auf ein sinnvolles Gesamtkonzept einheitliche Anforderungen bezüglich Rückstände in Oberflächengewässern, Grund- und Trinkwasser und eine klare Regelung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantone verlangt.

Die Offenlegungspflicht sowie das geplante zentrale Informationssystem für PSM und BP werden in den meisten Stellungnahmen begrüsst, teilweise wird eine Erfassung der Anwendungen wegen hohen administrativen Aufwands und geringen Nutzens jedoch abgelehnt.

Dass in erster Linie die Branchen für die Definition von Massnahmen zur Risikoreduktion verantwortlich sein sollen, stösst auf
grosse Zustimmung, wobei in verschiedenen Stellungnahmen gefordert wird, es sollten auch Label- und Produzentenorganisationen in die Verantwortung genommen werden.

In zahlreichen Stellungnahmen wird eine Konkretisierung der Massnahmen gefordert, die der Bundesrat bei einer Zielverfehlung ergreifen wird; für die meisten gehört auch die Einführung einer Lenkungsabgabe auf PSM dazu.

49

Ergebnisbericht und eingegangene Stellungnahmen unter folgendem Link: www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2020.html#PK

6542

BBl 2020

2.5

Änderungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

Angesichts der breiten grundsätzlichen Zustimmung zur Stossrichtung der Vorlage zur Umsetzung ihrer parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» sieht sich die Kommission in ihrem Willen bestärkt, griffige Massnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der Wasserqualität, der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt zu ergreifen. Sie hat aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung einige Präzisierungen und Ergänzungen an ihrem Text vorgenommen. Im Chemikaliengesetz soll ergänzt werden, dass der Bundesrat die risikoreichen Bereiche wie auch Werte zur Reduktion der nicht annehmbaren Risiken in diesen Bereichen festlegen soll, und zwar bis 2023. Im Landwirtschaftsgesetz soll in Artikel 6b Absatz 1 insbesondere festgeschrieben werden, dass der Bundesrat im Fall unannehmbarer Risiken einen über 2027 hinaus gehenden Absenkpfad festlegen kann; er soll zudem Indikatoren zur Messung der Zielerreichung definieren. Die Verantwortung für die Definition der Massnahmen zur Risikoreduktion bleibt bei den Branchen, im Sinn einer breiteren Abdeckung wird neu jedoch auf «Branchen- und Produzentenorganisationen sowie weitere Organisationen» und nicht mehr nur auf «Branchenorganisationen» verwiesen. Damit entspricht die Kommission der Forderung nach einer Präzisierung der Adressaten. Artikel 6b Absatz 7 soll in dem Sinn verschärft und präzisiert werden, dass der Bundesrat, wenn die vorgegebenen Reduktionsziele nicht erreicht werden, unter anderem auch Lenkungsabgaben einführen kann.

Ergänzend zu den neuen Bestimmungen im Chemikalien- und im Landwirtschaftsgesetz sieht die Kommission zusätzlich zwei Änderungen im Gewässerschutzgesetz vor: Artikel 9 soll in dem Sinn ergänzt werden, dass eine Zulassung überprüft werden muss, wenn in Gewässern, die der Trinkwassernutzung dienen, oder in Oberflächengewässern Grenzwerte für PSM oder BP wiederholt und verbreitet überschritten werden. Zudem soll Artikel 27 Absatz 2 so angepasst werden, dass im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen nur PSM eingesetzt werden dürfen, deren Verwendung im Grundwasser keine zu hohen Konzentrationen von Wirkstoffen und Abbauprodukten zur Folge haben.

3

Grundzüge der Vorlage

In Umsetzung der von der Kommission festgelegten Eckpunkte (s. Ziff. 2.3) und des aktuellen Kenntnisstandes bezüglich Monitoring (s. Tabelle in Ziff. 2.2.3) soll im Landwirtschaftsgesetz und im Chemikaliengesetz für PSM und BP ein Ziel zur Reduktion der Risiken für Mensch, Tier und Umwelt verankert werden. Dies in Ergänzung zu den bestehenden und den mit der AP22+ geplanten Massnahmen bezüglich PSM sowie zum Bericht über die Umsetzung der Regulierung für BP (s.

Ziff. 2.1.1). Ausserdem soll die Zulassung von PSM und BP überprüft werden, wenn in Gewässern, die der Trinkwassernutzung dienen, oder in Oberflächengewässern Grenzwerte für PSM oder BP oder für deren Abbauprodukte wiederholt und verbreitet überschritten werden. Zudem sollen im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen nur noch PSM eingesetzt werden dürfen, deren Verwendung im Grundwasser 6543

BBl 2020

keine zu hohen Konzentrationen von Wirkstoffen und Abbauprodukten zur Folge haben.

Als biologisch aktive Wirkstoffe kommen Pestizide sowohl in PSM als auch in BP zur Anwendung. Obschon PSM und BP zum Teil also gleiche Wirkstoffe enthalten, muss im Hinblick auf die gesetzliche Verankerung von Absenkpfaden zwischen PSM und BP differenziert werden. Für die PSM wurden bereits mit dem Aktionsplan PSM Reduktionsziele festgelegt; sie sind das Ergebnis vertiefter Reflexionen aller beteiligten Stakeholder und werden mit dem Entwurf der Kommission auf Gesetzesstufe gehoben. Für die BP gibt es hingegen noch keinen vergleichbaren Prozess zur Ableitung allfälliger Reduktionsziele. Auch verfügt der Bund aktuell über keine Informationen zu den Verkaufszahlen von BP in der Schweiz. Dementsprechend können für BP derzeit keine konkreten Zielwerte festgelegt werden, da die notwendigen Datengrundlagen noch fehlen. Daher gilt es erst abzuklären, in welchen Bereichen relevante Umwelt- und Gesundheitsbelastungen durch deren Anwendung vorliegen. Mit der hier vorgeschlagenen Neuregelung erhält der Bundesrat die Kompetenz, bis 2023 die notwendige Datengrundlage zu schaffen, weitere Risikoreduktionsziele im Anwendungsbereich der BP festzulegen und geeignete Instrumente zur Berechnung und Prüfung der Zielwerte zu entwickeln.

Für PSM ist die Datenlage wesentlich besser. Für diesen Bereich soll deshalb festgelegt werden, dass die Risiken des PSM-Einsatzes für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume und als Trinkwasser genutztes Grundwasser bis 2027 um 50 Prozent reduziert werden müssen, wobei die Referenzjahre ­ 2012­2015 ­ die gleichen sind wie im Aktionsplan PSM. Wenn die Risiken nach Erreichung der Reduktion um 50 Prozent weiterhin nicht annehmbar sind, kann der Bundesrat einen ab 2027 geltenden Absenkpfad festlegen. Der Bundesrat legt fest, mit welchen Indikatoren die Erreichung dieser Zielwerte berechnet wird und mit welchen Instrumenten die dafür notwendigen Daten erhoben werden. Er erhält zudem die Kompetenz, falls unannehmbare Risiken vorliegen für weitere Bereiche wie z. B. für Anwenderinnen und Anwender, Konsumentinnen und Konsumenten oder für die Umweltkompartimente Boden und Luft konkrete Reduktionsziele festzulegen.

Mit dem Entwurf werden Organisationen, die am Nutzen von PSM bzw. an den mit dem Einsatz
verbundenen Risiken beteiligt sind, in die Pflicht genommen: Die jeweiligen Organisationen können selbst festlegen, welche Massnahmen sie umsetzen, um das Ziel zu erreichen. Weiter sollen sie die vereinbarten Massnahmen auch selber publizieren und ihre Einhaltung kontrollieren. Der Bundesrat kann die Organisationen bestimmen. Die Branchen werden vom Bund subsidiär unterstützt. Ist absehbar, dass die gesetzlich vorgegebenen Ziele nicht erreicht werden, ergreift der Bundesrat korrigierende Massnahmen.

Geplante Konkretisierungen Um die Erreichung der Reduktionsziele berechnen zu können, müssen Risikoindikatoren entwickelt werden. Diese wiederum müssen sich auf Monitorings stützen, die mindestens seit 2012 bestehen, damit ein Ausgangswert (Mittelwert 2012­2015) ermittelt werden kann. Die Monitorings sollen schweizweit möglichst alle zugelassenen PSM und BP sowie alle Anwendungsbereiche (öffentliche Hand, Landwirtschaft, Privatanwendung) umfassen und jährlich durchgeführt werden.

6544

BBl 2020

Die Risiken, die durch den Einsatz von PSM und BP für Mensch, Tier und Umwelt entstehen, werden vereinfacht ausgedrückt durch drei Faktoren bestimmt: Menge x Toxizität x Exposition.

Die Menge zeigt, wie viel von einem Wirkstoff ausgebracht wird; sie kann für PSM anhand der schweizweiten Verkaufszahlen abgebildet werden. Anhand der durchschnittlichen Aufwandmenge kann die Grösse der behandelten Fläche berechnet werden. Die Menge bzw. die behandelte Fläche und somit das Risiko kann insbesondere durch den Einsatz alternativer Schutzmethoden wie z. B. die mechanische Unkrautbekämpfung reduziert werden.

Die Toxizität zeigt das Potenzial eines Wirkstoffs, eine negative Wirkung beim Menschen oder anderen Lebewesen zu verursachen. Die Toxizität und somit das Risiko kann über die Auswahl der Produkte beeinflusst werden. Toxischere Produkte können durch weniger toxische ersetzt werden.

Die Exposition ist das Ausmass, in dem Lebewesen oder Umweltkompartimente wie Oberflächengewässer mit dem jeweiligen Wirkstoff in Kontakt kommen. Die Exposition und somit das Risiko kann über die Art und Weise der Anwendung beeinflusst werden. So können als Ergebnis der Überprüfung bereits zugelassener Wirkstoffe z. B. zusätzliche Anwendungsvorschriften verfügt werden, um die Exposition für bestimmte Bereiche zu senken (z. B. Abstand zu Oberflächengewässern oder Biotopen).

Die Indikatoren sollen die Risiken der Anwendung von PSM für bestimmte Umweltkompartimente oder Bereiche erfassen, z. B. für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume oder das Grundwasser. Sie sollen ausserdem die Entwicklung der Risiken durch die Veränderung der eingesetzten Menge, die Wahl von weniger toxischen Wirkstoffen oder nichtchemischen Alternativen sowie die Umsetzung von weiteren risikoreduzierenden Massnahmen (z. B. Anwendungsauflagen) abbilden können. Mit dem «pesticide load indicator»50 setzt Dänemark seit 2010 einen Indikator ein, der auf der eingesetzten Menge von PSM und deren Toxizität basiert. Die Exposition wird dort jedoch nicht berücksichtigt.

Ein Indikator für Schweizer Verhältnisse muss umfassender sein und auch die Exposition berücksichtigen, damit er Massnahmen wie diejenigen des Aktionsplans PSM (s. Ziff. 2.2.1) und der AP 22+ (s. Ziff. 2.2.2) zur Reduktion der Einträge in die Umwelt mitabbildet. Mit den aktuell zur Verfügung
stehenden Daten lässt sich auf Basis der jährlich erhobenen und schweizweit verfügbaren Verkaufszahlen für PSM, der Toxizität der Wirkstoffe und der Massnahmen zur Reduktion der Exposition ein Indikator entwickeln, der das potenzielle Risiko von PSM abbildet. Die Verkaufszahlen für PSM werden seit 2008 bei den Bewilligungsinhaberinnen und Importeurinnen erfasst; sie erlauben, einen Ausgangswert für die Jahre 2012­2015 zu definieren. Auf diese Weise lässt sich das gesamte Risikoreduktionspotential für die Schweiz aufzeigen und dementsprechend die Erreichung des Reduktionsziels ausweisen. Für Biozidprodukte sollen die in Verkehr gebrachten Mengen ebenfalls erhoben werden.

50

Vgl. dazu Land Use Policy (2018) Volume 70, SS. 384­393, «Pesticide Load -- A new Danish pesticide risk indicator with multiple applications», abrufbar unter www.sciencedirect.com.

6545

BBl 2020

Die heute bei den Bewilligungsinhaberinnen und Importeurinnen erfassten PSMVerkaufszahlen enthalten keine Informationen über den Einsatz in den verschiedenen Anwendungsbereichen sowie den Zeitpunkt und den Ort der Anwendungen.

Eine solche Datenbasis muss erst noch geschaffen werden. Sie ist Voraussetzung dafür, dass der Bundesrat seine Massnahmen bereichsspezifisch ausrichten und risikobasiert korrigierend eingreifen kann, falls die gesetzlich vorgegebenen Risikoreduktionsziele nicht erreicht werden sollten.

Bis 2025 wird für die Einführung der obligatorischen Weiterbildung im Rahmen der Fachbewilligung eine Datenbank entwickelt. Jede berufliche oder gewerbliche Anwenderin bzw. jeder Anwender wird mit der Fachbewilligung erfasst. Die Verkaufsstellen werden Zugriff auf diese Datenbank haben, damit sie kontrollieren können, ob der Käufer oder die Käuferin eine gültige Fachbewilligung hat. Mit dieser Datenbank sollen die Verkäufe an den Endverkaufsstellen (z. B. Landi) erfasst werden. Somit wird bekannt sein, an welche Personen die PSM verkauft werden. Auf dieser Grundlage lässt sich der Einsatz von PSM in den verschiedenen Anwendungsbereichen (z. B. Landwirtschaft, nichtberufliche Anwendung, öffentliche Hand) differenziert ausweisen. Es muss abgeklärt werden, inwieweit eine solche Erhebung bei den Endverkaufsstellen für BP möglich und sinnvoll ist.

Um detaillierte Informationen über die Anwendung zu erhalten (etwa Ort und Zeitpunkt des Einsatzes), muss der Bund ein Informationssystem zur Erfassung der Verwendung von BP und PSM erstellen und betreiben. Alle beruflichen und gewerblichen Anwenderinnen und Anwender müssen Anwendungen von BP und PSM in diesem Informationssystem eingeben; erfasst werden soll, welche Wirkstoffe in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt an welchen Orten oder Flächen und auf welchen Objekten oder Pflanzen ausgebracht werden. Für BP soll die Erfassung auf risikoreiche Bereiche beschränkt werden. Auf dieser Grundlage lässt sich in Zukunft der Einsatz von PSM und BP in den verschiedenen Anwendungsbereichen differenziert ausweisen. Die in Oberflächengewässern, im Trinkwasser und im Grundwasser vorgenommenen Messungen von PSM und BP bzw. deren Abbauprodukten erlauben schliesslich eine Plausibilisierung der anhand des Indikators berechneten Risikoreduktion, wobei im Grundwasser eine
Reduktion der Einträge oft erst Jahre später gemessen werden kann. Aus diesem Grund ist ein weiterer Ausbau der Monitorings gemäss Aktionsplan PSM vorgesehen (s. Ziff. 2.2.3).

4

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Art. 10a ChemG Das ChemG enthält im 2. Kapitel Bestimmungen zur Anmeldung und Zulassung von bestimmten Stoffen und Zubereitungen. Die neue Bestimmung zur Offenlegungspflicht für BP wird nach den Bestimmungen zur Zulassung von BP eingeordnet.

Damit sich die Zielerreichung überprüfen lässt, wird ein Indikator basierend auf Verkaufszahlen erarbeitet werden müssen. Zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht der Bund deshalb Daten, die er bearbeiten wird. Mit Artikel 10a ChemG wird neu 6546

BBl 2020

eine explizite gesetzliche Grundlage für Datenbearbeitungen für BP geschaffen (eine entsprechende Bestimmung für Datenbearbeitungen bei PSM wird im LwG eingefügt; vgl. die Erläuterungen zu Art. 164b LwG).

Art. 10b ChemG Die neue Bestimmung, welche das Informationssystem für BP betrifft, wird systematisch nach den Bestimmungen zur Zulassung von BP respektive nach der neuen Bestimmung zur Offenlegungspflicht von BP im ChemG eingeordnet (die gesetzliche Grundlage für das Informationssystem betreffend die Verwendung von PSM wird hingegen im LwG geschaffen; vgl. die Erläuterungen zu Art. 165f bis und Art. 165g LwG).

Damit der Bundesrat seine Massnahmen bereichsspezifisch ausrichten und korrigierend eingreifen kann, falls die gesetzlich vorgegebenen Risikoreduktionsziele nicht erreicht werden, müssen die Anwendungen von BP bei den Anwendern erhoben werden. Hierfür muss der Bund ein neues Informationssystem schaffen. Artikel 10b ChemG bildet die gesetzliche Grundlage, damit der Bund ein solches Informationssystem betreiben und die Daten darin bearbeiten darf.

Nach Absatz 2 müssen alle Anwender, die BP beruflich oder gewerblich anwenden, Anwendungen in risikoreichen Bereichen im Informationssystem eingeben. Der Bundesrat legt die risikoreichen Bereiche fest. Anwendungen in geschlossenen Systemen etwa sind als wenig risikoreiche Bereiche anzusehen, da eine Kontamination in die Umwelt unwahrscheinlich ist. Ein Beispiel für einen risikoreichen Bereich sind Antifouling-Produkte zur Bekämpfung des Wachstums von Organismen an Wasserfahrzeugen, an Ausrüstung für die Aquakultur und an anderen im Wasser eingesetzten Bauten. Erfasst werden soll, welche Wirkstoffe in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt an welchen Orten oder Flächen und auf welchen Objekten ausgebracht werden.

Absatz 3 regelt, welche Stellen und Personen Zugriff auf die Daten im Informationssystem haben.

Art. 11 Abs. 1 ChemG Gemäss Artikel 4 der Pflanzenschutzmittelverordnung dürfen PSM und deren Wirkstoffe keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dies stützt sich auf die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in Artikel 28 des Umweltschutzgesetzes ab. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung soll auch im Chemikaliengesetz klar zum Ausdruck gebracht werden, dass ein PSM nur dann zugelassen wird, wenn es bei der vorgesehenen Verwendung
keine unannehmbaren Nebenwirkungen auf die Umwelt hat.

Art. 25a ChemG Das 3. Kapitel im ChemG enthält besondere Bestimmungen über den Umgang mit Stoffen und Zubereitungen. Der neue Artikel 25a wird in dieses Kapitel eingefügt.

Er regelt das Vorgehen zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt vor den Risiken durch den Einsatz von BP. Damit erhält der Bundesrat die Kompetenz, bis 2023 6547

BBl 2020

Risikobereiche, Werte zur Verminderung nicht annehmbarer Risiken und die Methode zur Zielerreichung zu bestimmen. Die Verringerung des Risikos kann sich unverhältnismässig stark auf die Möglichkeit der Verwendung von BP auswirken, mit negativen Folgen zum Beispiel im Bereich der Hygiene. Dem Konzept des «annehmbaren Risikos» liegt das Verhältnismässigkeitsprinzip zu Grunde, nach dem die Verwendung von BP möglich sein soll, sofern der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt gewährleistet ist. Der Begriff «nicht annehmbare Risiken» stammt aus dem bestehenden Chemikalienrecht.

Art. 6b LwG Zahlreiche Bestimmungen des LwG und Massnahmen des Aktionsplans PSM haben einen Einfluss auf die Anwendung von PSM, weshalb der neue Artikel zu den Reduktionszielen im Bereich PSM in den ersten Titel des LwG aufgenommen wird.

Die in Absatz 1 unter anderem genannten naturnahen Lebensräume sind Flächen, die durch ihre Heterogenität für diverse Organismen eine Lebensgrundlage bilden können. Landwirtschaftliche Flächen, die in erster Linie für die Produktion von Lebensmitteln genutzt werden, zählen nicht zu den naturnahen Lebensräumen, sie grenzen aber oft an solche an. In solchen Lebensräumen wie auch in Oberflächengewässern müssen die Risiken und im Grundwasser die Belastung bis 2027 um 50 Prozent reduziert werden. Wenn die Risiken nach Erreichung der Reduktion um 50 Prozent weiterhin nicht annehmbar sind, kann der Bundesrat einen ab 2027 geltenden Absenkpfad festlegen. Die Verringerung des Risikos kann sich unverhältnismässig stark auf die Möglichkeit der Verwendung von PSM gegen Schadorganismen auswirken, mit negativen Folgen für die Nahrungsmittelproduktion. Alternativen wie z. B. die Freisetzung von Organismen oder die mechanische Unkrautbekämpfung bergen ebenfalls Risiken. Dem Konzept des «annehmbaren Risikos» liegt das Verhältnismässigkeitsprinzip zu Grunde, nach dem die Verwendung von PSM möglich sein soll, sofern der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt gewährleistet ist. Der Begriff «nicht annehmbare Risiken» stammt aus dem bestehenden Chemikalienrecht.

Nach Absatz 2 legt der Bundesrat fest, mit welchen Indikatoren die Zielerreichung überprüft wird.

Werden für weitere Risikobereiche nicht annehmbare Risiken festgestellt, soll der Bundesrat gemäss Absatz 3 für diese Risikobereiche
Reduktionsziele definieren können. Unter Risikobereichen werden insbesondere die Bereiche gemäss der Tabelle in Ziffer 2.2.3 verstanden.

Mit der Bestimmung in Absatz 4 sollen die Organisationen die Verantwortung übernehmen können und selber Massnahmen ergreifen, die zur Zielerreichung gemäss Absatz 1 beitragen. Zu diesen Organisationen zählen zum einen die Branchen-, Produzenten- und Labelorganisationen in der Land- und Ernährungswirtschaft. Es gibt jedoch auch Organisationen ausserhalb der Lebensmittel-Wertschöpfungskette, wo PSM eingesetzt werden. Um die Zielvorgaben möglichst effizient zu erfüllen, sollen Massnahmen insbesondere dort ergriffen werden, wo die Risiken am höchsten sind. Die jeweiligen Organisationen sind frei in der Wahl der Massnahmen zur Risikoreduktion. Sie sollen die Einhaltung der Massnahmen selber 6548

BBl 2020

kontrollieren, die Umsetzung und Wirkung der Massnahmen eigenständig publizieren sowie ggf. die Massnahmen auch in ihre Mehrwertstrategien einbauen können.

PSM und BP werden in verschiedenen Branchen angewendet, in denen mehrere Organisationen aktiv sind, zum Beispiel: ­

Land- und Ernährungswirtschaft mit verschiedenen Organisationen wie z. B.

Schweizer Bauernverband Verband Schweizer Gemüseproduzenten, Schweizer Obstverband, Vitiswiss, Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten, Labelorganisationen (z. B. IP-Suisse, Bio Suisse

­

Garten- und Landschaftsbau, Zierpflanzenproduktion, Golf- und Sportplätze mit den Organisationen wie z. B. Jardin Suisse, Schweizerischer Fachverband der Hauswarte

­

Wald- und Holzschutz mit den Organisationen Schweizer Verband der Sägeund Holzindustrie, Verband der Waldeigentümer

­

Öffentlicher Verkehr mit der Organisation Verband öffentlicher Verkehr

­

Öffentlicher Unterhalt mit den Organisationen Schweizerischer Gemeindebzw. Schweizerischer Städteverband

­

Private Anwender mit der Organisation Schweizer Familiengärtner-Verband

­

Schädlingsbekämpfung und Hygiene mit der Organisation Verband Schweizerischer Schädlingsbekämpfer

­

Bau- und Fassadenschutz, Gebäudeunterhalt mit der Organisation Schweizerischer Baumeisterverband

­

Bootsanstriche und Holzschutzmittel mit der Organisation Schweizerischer Bootbauer-Verband

Nach Absatz 5 kann der Bundesrat die Organisationen auf Verordnungsstufe näher bestimmen.

Mit Absatz 6 erhält der Bund die Möglichkeit, einzelne Aufgaben wie die Überprüfung von Massnahmen zur Risikoreduktion, das Monitoring der Ergebnisse oder die Beratung einer privatwirtschaftlichen Agentur delegieren und deren Tätigkeit finanziell zu unterstützen.

Ist absehbar, dass das Reduktionsziel bis 2027 nicht erreicht wird, so muss der Bundesrat gemäss Absatz 7 spätestens 2 Jahre vor Ablauf der Frist, also 2025, weitere Massnahmen zur Zielerreichung ergreifen. Insbesondere kann er die Genehmigung besonders risikoreicher Wirkstoffe widerrufen und/oder Lenkungsabgaben einführen. Der Bundesrat verfügt bei den meisten agrarpolitischen Massnahmen über einen grossen Handlungsspielraum, den er in diesem Fall gezielt nutzen kann.

So könnte er beispielsweise im Rahmen des ÖLN die Bestimmungen zur PSMAnwendung weiter verschärfen, indem er die Anzahl erlaubter PSM noch weiter eingeschränkt, er könnte die Vorgaben des ÖLN im Bereich Pflanzenschutz regional gezielt verschärfen oder auch Änderungen an der Ausgestaltung ökologischer Anreizprogramme vornehmen, um den Verzicht auf Einsatz von PSM stärker zu fördern.

6549

BBl 2020

Art. 6b Abs. 7 LwG Minderheit (Germann, Engler, Hegglin Peter, Kuprecht) Die Lenkungsabgaben sollen im Gesetz nicht explizit genannt werden. Solche Abgaben würden die Inlandproduktion verteuern und es käme zu einer Verlagerung ins Ausland.

Art. 164b LwG Die Offenlegungspflicht für PSM wird im 4. Kapitel des 7. Titels des LwG (Produktionsmittel) eingefügt.

Damit sich überprüfen lässt, ob die in Artikel 6b LwG statuierten Werte erreicht werden, werden Indikatoren erarbeitet werden müssen, die auf Daten basiert. Zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht der Bund deshalb Daten (insbesondere Verkaufszahlen), die er bearbeiten wird.

Artikel 62 der PSMV verpflichtet Bewilligungsinhaberinnen und Importeurinnen von PSM bereits heute, jährlich umfangreiche Aufzeichnungen über PSM zu führen, die der Zulassungsstelle auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden müssen. Mit 164b LwG wird neu eine explizite gesetzliche Grundlage für diese und weitere Datenbearbeitungen für PSM geschaffen (z. B. für das Monitoring oder im Rahmen der Prüfung allfälliger weiterer Massnahmen nach Art. 6b Abs. 6 LwG).

Art. 165f bis und 165g LwG Die Artikel 165c ff. im 3. Kapitel von Titel 7a des LwG bilden die Rechtsgrundlage für die Informationssysteme des BLW. Die neue Bestimmung zum Informationssystem betreffend die Verwendung von PSM wird in dieses Kapitel eingeordnet.

Damit der Bundesrat seine Massnahmen bereichsspezifisch ausrichten und korrigierend eingreifen kann, falls die gesetzlich vorgegebenen Risikoreduktionsziele nicht erreicht werden, müssen die Anwendungen von PSM bei den Anwendern erhoben werden. Hierfür muss der Bund ein neues Informationssystem schaffen. Artikel 165f bis LwG bildet die gesetzliche Grundlage, damit der Bund ein solches Informationssystem betreiben und die Daten darin bearbeiten darf.

Nach Absatz 2 müssen alle Anwender, die PSM beruflich oder gewerblich anwenden, deren Anwendungen im Informationssystem eingeben. Explizit genannt wird auch die öffentliche Hand. Erfasst werden soll, welche Wirkstoffe in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt an welchen Orten oder Flächen und auf welchen Objekten oder Pflanzen ausgebracht werden.

Absatz 3 regelt, welche Stellen und Personen Zugriff auf Daten im Informationssystem haben.

Artikel 165g LwG gibt dem Bundesrat die Kompetenz, für die Informationssysteme nach den Artikeln 165c­165f Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Weil auch für das neue Informationssystem zur Verwendung von PSM nach Artikel 165f bis ent-

6550

BBl 2020

sprechende Ausführungsbestimmungen notwendig sind, muss die Kompetenznorm für den Bundesrat auf das neue Informationssystem erweitert werden.

Art. 9 Abs. 3­5 GSchG In den neuen Absätzen 3­5 wird geregelt, dass der Bund bei wiederholten und verbreiteten Überschreitungen der Grenzwerte in Grund- und Oberflächengewässern die entsprechenden Zulassungen für PSM und BP überprüfen muss. Die Zulassung von PSM ist in der PSMV, die Zulassung von BP in der VBP geregelt.

Absatz 3 regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Zulassung aufgrund der Monitoringergebnisse überprüft werden muss. Ziel ist, auf Stufe der Bewilligung zu agieren, wenn Überschreitungen wiederholt und verbreitet festgestellt werden. Als wiederholt und verbreitet gilt, wenn diese Überschreitungen regelmässig grosse Teile der Schweiz (mehrere Kantone) betreffen.

Buchstabe a regelt die Bedingungen für das Grundwasser: Werden PestizidWirkstoffe und deren Abbauprodukte dort wiederholt und verbreitet in einer Konzentration von mehr als 0,1 µg/l gefunden, muss die Zulassung überprüft werden.

Bisher galt dieser Grenzwert für Wirkstoffe und relevante Metaboliten, neu soll die Zulassung auch überprüft werden, wenn nicht relevante Metaboliten in Konzentrationen von über 0,1 µg/l gemessen werden. Dafür waren bisher keine Grenzwerte festgelegt, weil sie toxikologisch unbedenklich sind.

Buchstabe b regelt die Bedingungen für Oberflächengewässer. Werden in Oberflächengewässern wiederholt und verbreitet ökotoxikologisch begründete Grenzwerte überschritten, muss die Zulassung überprüft werden. Die ökotoxikologisch begründeten Grenzwerte sind durch den Bundesrat festzulegen. Dies ermöglicht ihm, ein Konzept zu entwickeln, in dem die unterschiedlichen ökotoxikologisch begründeten Grenzwerte, die einerseits bei der Zulassung von PSM und andererseits beim Monitoring von Oberflächengewässern angewendet werden (s. Ziff. 2.1.2), angemessen berücksichtigt werden.

Der neue Zulassungsentscheid muss sicherstellen, dass die obigen Kriterien eingehalten werden. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, wird die Zulassung entzogen.

Art. 9 Abs. 3 Bst. b GSchG Minderheit (Zanetti Roberto, Levrat, Noser, Rechsteiner, Thorens Goumaz) Es ist wichtig, die Wasserlebewesen zu schützen, entsprechend sollen die gewässerschutzrechtlich festgelegten und ökotoxikologisch
begründeten Werte unmittelbar und ohne weitere Präzisierung durch den Bundesrat angewandt werden.

Art. 27 Abs. 2 GSchG PSM-Wirkstoffe oder deren relevante Metaboliten, die Konzentrationen von 0,1 µg/l im Grundwasser übersteigen können, dürfen nach derzeit geltendem Recht nicht zugelassen werden. Mit Absatz 2 wird neu zusätzlich die Anwendung von PSM im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen verboten, wenn die Risikobeurteilung im 6551

BBl 2020

Rahmen der Zulassung zeigt, dass auch nicht relevante Metaboliten in Konzentrationen über 0,1 µg/l im Grundwasser auftreten können. Damit dieses Verbot umgesetzt werden kann, müssen die Kantone die Zuströmbereiche ausscheiden.

Minderheit (Hegglin Peter, Germann) Mit dieser Bestimmung könnten besonders im Mittelland sehr weitreichende Gebiete von einem Verbot von PSM betroffen sein. Das ist zu vermeiden, denn die Gemeinden können Trinkwasserfassungen einfach abhängen, wenn Grenzwerte überschritten werden.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Für die Entwicklung eines Indikators und die Erfassung der Datengrundlagen, die fachliche Betreuung der Datenerfassung und die Datenpflege sowie die periodische Berechnung des Indikators zur Überprüfung der Zielerreichung sind zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen erforderlich.

Die Fachbewilligungs-Datenbank für berufliche oder gewerbliche Anwenderinnen und Anwender soll ausgebaut werden, sodass die PSM-Käufe registriert und mit den unterschiedlichen Anwendungsbereichen verknüpft werden können. Für diesen Ausbau sowie den Aufbau eines neuen Informationssystems zur Erfassung der Anwendungen von PSM und BP, den mit der Datenerhebung verbundenen administrativen Aufwand, den Unterhalt des Systems sowie die Schulung und Begleitung der Anwenderinnen und Anwender im Zusammenhang mit der Eingabe ihrer Daten in das Informationssystem sind zusätzliche finanzielle Mittel und personelle Ressourcen erforderlich. Deren Umfang hängt von der vorgeschlagenen Konkretisierung ab und kann zum heutigen Zeitpunkt nicht abschliessend beziffert werden. Für den Bereich Landwirtschaft werden zum heutigen Zeitpunkt für die Entwicklung eines entsprechenden Informationssystems einmalig 1 Million Franken und für den Betrieb des Systems jährlich 500 000 Franken sowie zwei permanente Bundesstellen geschätzt.

Die Erfassung der Anwendungen von PSM und BP nach Anwendungsmenge, zeitpunkt und -ort bedeutet für die beruflichen und gewerblichen Anwenderinnen und Anwender einen zusätzlichen administrativen Aufwand.

Für die Organisationen erfordern die Entwicklung von Massnahmenplänen (soweit noch nicht vorhanden), die Koordination und Kontrolle der Umsetzung sowie die regelmässige Berichterstattung über die getroffenen Massnahmen und deren geschätzte Wirkung einen hohen administrativen, personellen und finanziellen Aufwand.

Koordination und Begleitung der Aktivitäten der Organisationen (u. a. Prüfung der Massnahmenpläne und der Berichterstattung, Auswertung der Wirkung der getroffe-

6552

BBl 2020

nen Massnahmen) sind mit weiteren hohen administrativen, personellen und finanziellen Aufwänden für die zuständigen Bundesstellen verbunden.

Für einen allfälligen Ausbau bestehender Monitorings (s. Ziff. 2.2.3) oder den Aufbau zusätzlicher Bereiche (z. B. Anwenderinnen und Anwender) sind weitere finanzielle und personelle Mittel erforderlich.

5.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen für die Kantone

Damit Artikel 27 Absatz 2 GSchG umgesetzt werden kann, müssen die Kantone für alle Trinkwasserfassungen die Zuströmbereiche ausscheiden. Der Zuströmbereich soll bei Trinkwasserfassungen von öffentlichem Interesse einen umfassenden und gezielten Schutz der Wasserqualität gewährleisten. Die Kantone haben ihn einerseits dann festzulegen, wenn das Grundwasser durch Stoffe verunreinigt ist, die nicht genügend abgebaut oder zurückgehalten werden (kurativer Gewässerschutz), andererseits auch, wenn die konkrete Gefahr einer solchen Verunreinigung besteht (präventiver Grundwasserschutz).

Bisher sind für die wenigsten Trinkwasserfassungen Zuströmbereiche ausgeschieden. Die Bezeichnung der Zuströmbereiche wird somit für die Kantone einigen Aufwand mit sich bringen, der sich jedoch nicht beziffern lässt.

5.3

Vollzugstauglichkeit

Gemäss den Erwägungen der Kommission (s. Ziff. 2.3) definieren und publizieren die Branchen die Massnahmen, die sie ergreifen, um die Zielwerte erreichen zu können, in erster Linie selber. Damit dies so umgesetzt werden kann, müssen die betroffenen Organisationen definiert werden. Die unter Ziffer 4 aufgeführte Liste ist nicht abschliessend und dient der Veranschaulichung. Bei der Festlegung, wie eine Branche erfasst werden soll, kann unterschiedlich stark differenziert werden. So kann man beispielsweise von der Landwirtschaftsbranche sprechen und in diese Definition alle Produzenten, Verarbeiter und den Handel einschliessen. Es ist aber auch möglich, innerhalb einer Produzentenbranche weiter zu differenzieren und zum Beispiel zwischen den Teilbranchen Acker-, Obst- oder Gemüseanbau zu unterscheiden. Je nach Umsetzbarkeit der Bestimmung werden die Zuordnung und die Beschreibung der Branche unterschiedliche Formen annehmen müssen. Um diese Problematik zu entschärfen, soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, bei Bedarf die Organisationen auf Verordnungsstufe näher zu bestimmen.

Dennoch bleibt die Schwierigkeit, dass definierte Organisationen mit den von ihnen getroffenen Massnahmen nur dann einen wesentlichen Beitrag zur Zielerreichung leisten können, wenn sich eine hohe Anzahl von Mitgliedern an kollektiv beschlossenen Massnahmen beteiligt. Aufgrund der möglichen Heterogenität der Organisationen ist mit einer unterschiedlichen Anzahl an Mitgliedern zu rechnen. Ausserdem ist unklar, wie weit Mitglieder zur Umsetzung geplanter Massnahmen verpflichtet werden können.

6553

BBl 2020

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Änderungen stützen sich auf die Artikel 74, 76, 104 und 104a BV. Diese räumen dem Bund weitgehende Befugnisse und Aufgaben in den Bereichen Umweltschutz und Agrarpolitik ein.

6.2

Verhältnis zum internationalen Recht

Bilaterale Verträge mit der Europäischen Union Die EU-Mitgliedstaaten sind gemäss der Richtlinie 2009/128/EG aufgefordert, Nationale Aktionspläne zu erlassen. Aufgrund der Artikel 5­15 sollen sie Massnahmen zur Unterstützung einer nachhaltigen Verwendung von Pestiziden ergreifen. In den Aktionsplänen haben die Mitgliedstaaten quantitative Vorgaben, Ziele und Massnahmen sowie Zeitpläne zur Verringerung der Risiken und der Auswirkungen des Einsatzes von Pestiziden auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit festzulegen. Die Aktionspläne sollen ferner Indikatoren zur Überwachung der Verwendung von Pestiziden umfassen und sind mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen. In den Aktionsplänen haben die Mitgliedländer zu beschreiben, wie sie die Massnahmen umsetzen, die nötig sind, um die Ziele zu erreichen.

Die Zielvorgaben in den Aktionsplänen können verschiedene Themenbereiche betreffen, beispielsweise den Umweltschutz oder den Einsatz bestimmter Techniken oder die Verwendung für bestimmte Kulturpflanzen. Die quantitativen Vorgaben variieren teilweise je nach Mitgliedstaat, etwa was die maximal zulässigen Rückstände im Trinkwasser und die ökologischen Anforderungen an die Gewässerqualität angeht. Die Richtlinie sieht zwar die Entwicklung harmonisierter Risikoindikatoren vor, lässt den Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, nationale Indikatoren zu entwickeln.

Die Mitgliedstaaten sollten Sanktionen für Verstösse gegen die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie festlegen und gewährleisten, dass sie angewandt werden. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein.

Die Anforderungen der EU und der Schweiz gehen in die gleiche Richtung. Mit den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen erfährt das Verhältnis zum bilateralen Recht zwischen der Schweiz und der EU keine Änderung, insbesondere auch, da der Bereich PSM vom bilateralen Agrarabkommen Schweiz-EU nicht gedeckt, sondern Gegenstand der noch laufenden Verhandlungen über die gesamte Lebensmittelkette ist.

Für die Zulassung von BP mit genehmigten Wirkstoffen ist die VBP mit der EU Biozidprodukteregulierung (BPR) weitgehend harmonisiert. Die Basis dafür ist das Kapitel 18 über BP des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA). Des Weiteren regelt die VBP das Inverkehrbrin6554

BBl 2020

gen von BP während der Übergangsperiode, d. h. in der Phase, in der die Wirkstoffe notifiziert, aber noch nicht genehmigt sind. Die Übergangszulassungen unterliegen daher nicht dem Geltungsbereich des MRA und werden spezifisch für die Schweiz geregelt. Die Anforderungen für die Übergangsperiode sind in jedem EU-Land unterschiedlich geregelt.

WTO-Recht Die geforderten Massnahmen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. Die Massnahmen zielen darauf ab, die Risiken von PSM und BP zu vermindern sowie durch die Offenlegungspflicht zur Transparenz beizutragen. Dabei werden ausländische PSM und BP sowie Waren, die mit diesen Produkten produziert wurden, nicht ungünstiger behandelt als gleichwerte inländische Produkte. Allfällige pflanzenschutzrechtliche Massnahmen müssten gemäss den Vorgaben des WTO-Abkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen (SPSAbkommen) notifiziert werden.

6.3

Erlassform

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

6.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit Artikel 6b LwG sowie Artikel 25a Absatz 2 ChemG werden neue Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert, insbesondere bezüglich der Festlegung von Reduktionszielen für weitere Risikobereiche. Zusätzlich werden mit Artikel 10a Absatz 2 ChemG sowie den Artikeln 164b und 165g LwG Rechtsetzungsbefugnisse insbesondere bezüglich der Erfassung bzw. der Meldung von Daten an den Bundesrat delegiert.

6555

BBl 2020

6556