Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie

Entwurf

(Covid-19-Gesetz) vom ...

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 68 Absatz 1, 69 Absatz 2, 92, 93, 101 Absatz 2, 102, 114 Absatz 1, 117 Absatz 1, 118 Absatz 2 Buchstabe b, 121 Absatz 1, 122 und 123 der Bundesverfassung (BV)1, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 12. August 2020 2, beschliesst:

Art. 1

Gegenstand und Grundsätze

Dieses Gesetz regelt besondere Befugnisse des Bundesrates zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie und zur Bewältigung der Auswirkungen der Bekämpfungsmassnahmen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Behörden.

1

Der Bundesrat macht von diesen Befugnissen nur so weit Gebrauch, als dies zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie notwendig ist.

2

Er bezieht die Kantone bei der Erarbeitung von Massnahmen ein, die ihre Zuständigkeit betreffen.

3

Art. 2

Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung

Der Bundesrat kann Hersteller, Vertreiber, Laboratorien sowie Gesundheitseinrichtungen und weitere Einrichtungen der Kantone verpflichten, ihren Bestand an Heilmitteln, Schutzausrüstungen und weiteren für die Gesundheitsversorgung wichtigen medizinischen Gütern (wichtige medizinische Güter) zu melden.

1

Er kann zur Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen medizinischen Gütern: 2

SR ...

1 SR 101 2 BBl 2020 6563 2020-2070

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a.

Ausnahmen von den Bestimmungen über die Einfuhr von wichtigen medizinischen Gütern vorsehen;

b.

Ausnahmen von der Bewilligungspflicht für Tätigkeiten im Zusammenhang mit wichtigen medizinischen Gütern vorsehen oder die Bewilligungsvoraussetzungen anpassen;

c.

Ausnahmen von der Zulassungspflicht für Arzneimittel vorsehen oder die Zulassungsvoraussetzungen und das Zulassungsverfahren anpassen;

d.

Ausnahmen von den Bestimmungen über die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten sowie von den Bestimmungen über das Konformitätsbewertungsverfahren und das Inverkehrbringen von Schutzausrüstungen vorsehen;

e.

wichtige medizinische Güter selber beschaffen; er regelt in diesem Fall die Finanzierung der Beschaffung sowie die Rückvergütung der Kosten durch die Kantone und Einrichtungen, denen die Güter abgegeben werden;

f.

die Zuteilung, Lieferung und Verteilung von wichtigen medizinischen Gütern vorsehen;

g.

die Direktvermarktung von wichtigen medizinischen Gütern vorsehen;

h.

die Einziehung von wichtigen medizinischen Gütern gegen Entschädigung anordnen;

i.

die Hersteller verpflichten, wichtige medizinische Güter herzustellen, die Produktion solcher Güter zu priorisieren oder die Produktionsmengen zu erhöhen; der Bund entschädigt die Hersteller, sofern sie infolge der Produktionsumstellung finanzielle Nachteile erleiden.

Er trifft die Massnahmen nach Absatz 2 Buchstaben e, f, h und i nur, soweit die Versorgung nicht allein durch die Kantone und Private sichergestellt werden kann.

3

Er kann die Kantone ermächtigen, zur Sicherstellung der Kapazitäten, die für die Behandlung von Covid-19-Erkrankungen und für weitere medizinisch dringend angezeigte Untersuchungen und Behandlungen erforderlich sind: 4

5

a.

medizinische Tätigkeiten zu verbieten oder einzuschränken;

b.

weitere zur Sicherstellung der Kapazitäten erforderliche Massnahmen zu treffen.

Er kann die Übernahme der Kosten von Covid-19-Analysen regeln.

Art. 3

Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes

Der Bundesrat kann Massnahmen zum Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern anordnen und insbesondere Arbeitgebern diesbezügliche Pflichten auferlegen.

1

Ergreift er Massnahmen nach Absatz 1, so sieht er vor, dass der Vollzug den Durchführungsorganen des Arbeitsgesetzes vom 13. März 19643 sowie der Schwei2

3

SR 822.11

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zerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obliegt und dass die dafür anfallenden Vollzugskosten aus dem Zuschlag für die Kosten der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten nach Artikel 87 des Bundesgesetzes vom 20. März 19814 über die Unfallversicherung finanziert werden.

Art. 4

Massnahmen im Ausländer- und Asylbereich

Der Bundesrat kann vom Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16. Dezember 20055 (AIG) und vom Asylgesetz vom 26. Juni 19986 abweichende Bestimmungen erlassen über: a.

die Einschränkung der Einreise von Ausländerinnen und Ausländern und über deren Zulassung zu einem Aufenthalt in der Schweiz;

b.

die Erstreckung gesetzlicher Fristen für: 1. den Familiennachzug (Art. 47 AIG), 2. das Erlöschen der Kurzaufenthalts-, Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung (Art. 61 AIG), 3. die Erneuerung der biometrischen Daten bei Ausweisen (Art. 59b und 102a AIG);

c.

die Unterbringung von Asylsuchenden in Zentren des Bundes und zur Durchführung von Asyl- und Wegweisungsverfahren; er trägt dabei dem Schutz der Gesundheit angemessen Rechnung.

Art. 5

Justizielle und verfahrensrechtliche Massnahmen

Der Bundesrat kann zur Gewährleistung des Justizbetriebs und der verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien von den Bestimmungen der Verfahrensgesetze des Bundes in Zivil- und Verwaltungssachen abweichende Bestimmungen in den folgenden Bereichen erlassen:

4 5 6

a.

Stillstand oder Wiederherstellung gesetzlicher Fristen und Termine;

b.

Einsatz technischer Instrumente oder Hilfsmittel wie Video- und Telefonkonferenzen bei Verfahrenshandlungen mit Teilnahme von Parteien, Zeuginnen und Zeugen oder Dritten, namentlich Verhandlungen und Einvernahmen;

c.

Form und Zustellung von Eingaben, Mitteilungen und Entscheiden sowie Einsatz von Online-Versteigerungsplattformen im Betreibungs- und Konkursverfahren.

SR 832.20 SR 142.20 SR 142.31

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Art. 6

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Massnahmen im Bereich von Versammlungen von Gesellschaften

Der Bundesrat kann, soweit dies zur Ausübung der Rechte bei Versammlungen von Gesellschaften erforderlich ist, vom Zivilgesetzbuch 7 und vom Obligationenrecht8 abweichende Bestimmungen erlassen über die Ausübung der Rechte: a.

auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form;

b.

durch eine unabhängige Stimmrechtsvertreterin oder einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter.

Art. 7

Insolvenzrechtliche Massnahmen

Der Bundesrat kann, soweit dies zur Verhinderung von Massenkonkursen und zur Stabilisierung der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich ist, vom Bundesgesetz vom 11. April 18899 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) abweichende Bestimmungen erlassen über: a.

den Nachlassvertrag (Art. 293 ff. SchKG);

b.

die Voraussetzungen, die Wirkungen und das Verfahren einer besonderen Stundung.

Art. 8

Massnahmen im Kulturbereich

Der Bund kann Kulturunternehmen, Kulturschaffende sowie Kulturvereine im Laienbereich mit Finanzhilfen unterstützen.

1

Zur Unterstützung der Kulturunternehmen kann das Bundesamt für Kultur (BAK) mit einem oder mehreren Kantonen Leistungsvereinbarungen in der Höhe von insgesamt höchstens 80 Millionen Franken abschliessen. Die Beiträge werden den Kulturunternehmen auf Gesuch als Ausfallentschädigungen und für Transformationsprojekte ausgerichtet.

2

Der Bund beteiligt sich im Rahmen der bewilligten Kredite zur Hälfte an der Finanzierung von Ausfallentschädigungen und Transformationsprojekten, welche die Kantone gestützt auf die Leistungsvereinbarungen umsetzen.

3

Kulturschaffende erhalten auf Gesuch vom Verein Suisseculture Sociale nicht rückzahlbare Geldleistungen zur Deckung der unmittelbaren Lebenshaltungskosten, sofern sie diese nicht selber bestreiten können. Der Bund stellt Suisseculture Sociale auf der Grundlage einer Leistungsvereinbarung für die Ausrichtung der Geldleistungen höchstens 20 Millionen Franken für das Jahr 2021 zur Verfügung.

4

Das BAK entschädigt Suisseculture Sociale auf der Grundlage der Leistungsvereinbarung für ihren administrativen Aufwand für die Ausrichtung der Geldleistungen nach Absatz 4.

5

7 8 9

SR 210 SR 220 SR 281.1

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Die Modalitäten für die Ausrichtung der Geldleistungen und die Regeln für deren Berechnung richten sich nach dem Beitragsreglement von Suisseculture Sociale. Das Beitragsreglement bedarf der Genehmigung durch das BAK.

6

Kulturvereine im Laienbereich erhalten auf Gesuch von den Dachverbänden, die vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkannt sind, eine Entschädigung für den mit der reduzierten Durchführung von Veranstaltungen verbundenen finanziellen Schaden. Die Entschädigung beträgt höchstens 10 000 Franken pro Kulturverein. Der Bund stellt den Dachverbänden auf der Grundlage von Leistungsvereinbarungen die für die Entschädigungen notwendigen Finanzmittel in der Höhe von höchstens 10 Millionen Franken für das Jahr 2021 zur Verfügung.

7

Das BAK entschädigt die Dachverbände auf der Grundlage der Leistungsvereinbarung für ihren administrativen Aufwand für die Ausrichtung der Entschädigungen nach Absatz 7.

8

Die Modalitäten für die Ausrichtung der Entschädigungen an die Kulturvereine und die Regeln für deren Berechnung werden in den Leistungsvereinbarungen zwischen dem BAK und den Dachverbänden festgelegt.

9

Gesuche gemäss Absätze 2, 4 und 7 können spätestens einen Monat vor dem Ausserkrafttreten dieses Gesetzes eingereicht werden. Gesuche, die nach diesem Termin eingehen, werden nicht mehr berücksichtigt.

10

Der Bundesrat bestimmt die Kulturbereiche, die mit Finanzhilfen unterstützt werden, in einer Verordnung und regelt darin die Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen. Er legt die Beitragskriterien und die Bemessungsgrundlagen für die Finanzhilfen fest und regelt, in wie vielen Tranchen die Auszahlung der Beiträge gemäss Absatz 2 erfolgt.

11

Art. 9 1

Massnahmen im Medienbereich

Der Bundesrat ergreift im Medienbereich die folgenden Massnahmen:

10 11

a.

Der Bund trägt die vollen Kosten für die Tageszustellung von abonnierten Tages- und Wochenzeitungen der Regional- und Lokalpresse (Art. 16 Abs. 4 Bst. a des Postgesetzes vom 17. Dez. 201010) durch die Schweizerische Post im Umfang der am 1. Juni 2020 geltenden Tarife.

b.

Er beteiligt sich an den Kosten für die Tageszustellung von abonnierten Tages- und Wochenzeitungen der überregionalen und nationalen Presse durch die Schweizerische Post mit 27 Rappen pro Exemplar.

c.

Die Abonnementskosten der Basisdienste Text der Nachrichtenagentur Keystone-SDA werden in Bezug auf die Nutzungsrechte für elektronische Medien im Umfang der am 1. Juni 2020 geltenden Tarife aus bisher nicht verwendetem Ertrag aus der Abgabe für Radio und Fernsehen getragen; das bestehende Kostendach von 10 Millionen Franken ist einzuhalten (Art. 4 Abs. 4 der Covid-19-Verordnung elektronische Medien vom 20. Mai 202011).

SR 783.0 SR 784.402

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Er hebt die Massnahmen spätestens beim Inkrafttreten eines Bundesgesetzes im Sinne des Entwurfs vom 29. April 202012 zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien auf.

2

Er regelt die Fördervoraussetzungen und das Verfahren für die Berechnung und Auszahlung der Ermässigungen nach Absatz 1 Buchstaben a und b sowie für die Übernahme der Abonnementskosten nach Absatz 1 Buchstabe c.

3

Die Gewährung der Ermässigungen nach Absatz 1 Buchstaben a und b setzt voraus, dass sich die Herausgeberin gegenüber dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) schriftlich verpflichtet, für das entsprechende Geschäftsjahr keine Dividende auszuschütten.

4

Das BAKOM vergütet die Abonnementskosten der Basisdienste Text der Nachrichtenagentur Keystone-SDA direkt der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Diese reduziert die Rechnungen an die Abnehmerinnen in diesem Umfang.

5

Art. 10

Massnahmen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls

Der Bundesrat kann die Ausrichtung von Entschädigungen des Erwerbsausfalls bei Personen vorsehen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgrund von Massnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19-Epidemie unterbrechen müssen.

1

2

Er kann hierzu Bestimmungen erlassen über: a.

den Beginn und das Ende des Anspruchs auf Entschädigung;

b.

die Höchstmenge an Taggeldern;

c.

die Höhe und die Bemessung der Entschädigung;

d.

das Verfahren.

Art. 11

Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung

Der Bundesrat kann vom Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 13 (AVIG) abweichende Bestimmungen erlassen über:

12 13

a.

den Anspruch und die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner, die sich um Lernende kümmern;

b.

die Nichtberücksichtigung der Abrechnungsperioden, für die der Arbeitsausfall 85 Prozent der betrieblichen Arbeitszeit (Art. 35 Abs. 1bis AVIG) im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. August 2020 überschritten hat;

c.

die Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug und für die Beitragszeit für Versicherte, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. August 2020 Anspruch auf maximal 120 zusätzliche Taggelder gehabt haben;

BBl 2020 4541 SR 837.0

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d.

Art. 12

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den Ablauf des Verfahrens zur Voranmeldung von Kurzarbeit und zur Ausrichtung der Kurzarbeitsentschädigung sowie die Form von deren Auszahlung.

Strafbestimmungen

Mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Massnahmen zuwiderhandelt, die der Bundesrat gestützt auf Artikel 2 oder 3 anordnet und deren Zuwiderhandlung er gestützt auf die vorliegende Bestimmung für strafbar erklärt.

1

Der Bundesrat kann festlegen, dass bestimmte Widerhandlungen nach Absatz 1 durch Ordnungsbusse von höchstens 300 Franken zu ahnden sind, und er bestimmt dafür die Höhe des Bussenbetrags.

2

Art. 13

Vollzug

Der Bundesrat regelt den Vollzug der Massnahmen nach diesem Gesetz.

Art. 14

Referendum, Inkrafttreten und Geltungsdauer

Dieses Gesetz wird dringlich erklärt (Art. 165 Abs. 1 BV). Es untersteht dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. b BV).

1

Es tritt am ... [Tag nach der Verabschiedung] in Kraft14 und gilt unter Vorbehalt von Absatz 3 bis zum 31. Dezember 2021.

2

3

Die Artikel 1 und 11 Buchstaben a­c gelten bis zum 31. Dezember 2022.

14

Dringliche Veröffentlichung vom ... im Sinne von Art. 7 Abs. 3 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 (SR 170.512).

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