17.060 Botschaft zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» vom 15. September 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. September 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2017-1107

6335

Übersicht Mit der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» soll der Bund gesetzliche Massnahmen treffen, damit die Wirtschaft die Menschenrechte und den Umweltschutz auch im Ausland respektiert. Der Bundesrat empfiehlt die Initiative zur Ablehnung.

Ausgangslage Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» wurde am 10. Oktober 2016 in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfs mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Inhalt der Vorlage Die Initiative verlangt vom Bund, gesetzliche Massnahmen zu treffen, welche Unternehmen zu einer umfassenden risikobasierten Sorgfaltsprüfung im Hinblick auf die Einhaltung international anerkannter Menschenrechte und Umweltstandards verpflichten. Diese Pflicht soll auch in Bezug auf die von Schweizer Unternehmen kontrollierten Unternehmen im Ausland und auf sämtliche Geschäftsbeziehungen der Unternehmen gelten. Dabei soll Rücksicht auf kleinere und mittlere Unternehmen genommen werden. Die betroffenen Unternehmen müssen zudem über das Ergebnis der Sorgfaltsprüfung Bericht erstatten. Sofern den Unternehmen der Sorgfaltsnachweis nicht gelingt, müssen sie gemäss Initiative auch für Schäden haften, die von den durch sie kontrollierten Unternehmen im Ausland aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten und internationalen Umweltstandards verursacht werden. Im Bereich Menschenrechte will die Initiative in der Schweiz unter anderem Elemente der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNO-Leitprinzipien) aus dem Jahr 2011 rechtlich verbindlich umsetzen.

Vorzüge und Mängel der Initiative Der Bundesrat räumt der Einhaltung der Menschenrechte und dem Schutz der Umwelt einen hohen Stellenwert ein. Es gehört zum verfassungsmässigen Auftrag des Bundesrates, sich aktiv in diesen Bereichen zu engagieren. Damit anerkennt er die Kernanliegen der Initiative und einen Handlungsbedarf in den Bereichen Wirtschaft, Menschenrechte und Umweltschutz, nicht aber die vorgeschlagene Umsetzung. Von den in der Schweiz ansässigen Unternehmen erwartet der Bundesrat, dass sie ihre Verantwortung im Bereich der Menschenrechte und der Umwelt bei allen ihren Aktivitäten auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung wahrnehmen.

Er anerkennt aber auch das bereits
bestehende freiwillige Engagement der Wirtschaft in diesen Bereichen.Die Initiative geht jedoch insofern zu weit, als dass sie erstens nebst der Berichterstattungspflicht eine ausdrückliche Sorgfaltsprüfungspflicht enthält, die sich auch auf sämtliche von den Schweizer Unternehmen kontrollierten Unternehmen im Ausland und auf sämtliche Geschäftsbeziehungen der Unternehmen erstreckt. Eine solche menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltsprü-

6336

fung der gesamten Lieferkette wäre in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten und Umsetzungsproblemen verbunden. Zweitens sind die geforderten Haftungsregeln strenger als in allen anderen Rechtsordnungen, soweit diese überhaupt entsprechende Haftungsregeln kennen. Eine Regulierung im Sinne der Initiative wäre international nicht koordiniert und würde den Wirtschaftsstandort Schweiz benachteiligen. Der Bundesrat setzt daher auf ein international abgestimmtes Vorgehen und rechtlich nicht verbindliche Massnahmen. So fördert er die Ausarbeitung von internationalen Standards zur verantwortungsvollen Unternehmensführung und setzt diese in der Schweiz konsequent um. Zudem trägt die Schweiz mit Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit auch auf internationaler Ebene zur Umsetzung der Kernanliegen der Initiative bei. Schliesslich verweist der Bundesrat insbesondere auf erst kürzlich beschlossene Aktionspläne: Im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte handelt es sich um den «Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» vom 9. Dezember 2016 (inkl. Aktionsplan). Im Bereich der verantwortungsvollen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility, CSR) ist der Bericht «Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt» vom 1. April 2015 zu nennen. Dieser Bericht behandelt u. a. die Menschenrechte und die Umwelt.

Weiter wird der Umweltschutz von Schweizer Unternehmen im Ausland im Bericht «Grüne Wirtschaft. Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz» vom 20. April 2016 oder Aktionsplan Grüne Wirtschaft 2013 thematisiert. Mit diesen Instrumenten werden die zentralen Anliegen der Initiative bereits weitgehend aufgenommen. Der Bundesrat überprüft die Umsetzung der erwähnten Aktionspläne regelmässig. Bei Bedarf wird er die Instrumente entsprechend anpassen. Sollten die bestehenden Massnahmen der Unternehmen aber hinter den Erwartungen des Bundesrates zurück bleiben, behält sich der Bundesrat vor, weitere Massnahmen bis hin zu rechtlich bindenden Instrumenten in Erwägung zu ziehen.

Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die Volksinitiative «Für
verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

6337

BBl 2017

Inhaltsverzeichnis Übersicht

6336

1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative 1.1 Wortlaut der Initiative 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

6340 6340 6341 6341

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative 2.1 Menschenrechte und Umweltrisiken: Kontext und Herausforderungen 2.2 Internationale Entwicklung 2.2.1 Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung 2.2.2 UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2.2.3 OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen 2.2.4 IAO-Instrumente und Politiken 2.2.5 UN Global Compact 2000 2.2.6 ISO-Standards 2.2.7 Global-Reporting-Initiative (GRI) 2.2.8 Nachhaltigkeitsberichterstattung nach EU-Richtlinie 2.2.9 Europarat 2.3 Entwicklungen in der Schweiz 2.3.1 «Bericht Sorgfaltsprüfung» 2.3.2 «CSR-Positionspapier und -Aktionsplan» 2.3.3 «Eine Ruggie-Strategie für die Schweiz» 2.3.4 «Mehr Transparenz im Schweizer Rohstoffsektor» 2.3.5 «Zugang zu Wiedergutmachung» 2.3.6 «Goldhandel und Verletzung der Menschenrechte» 2.3.7 «Grüne Wirtschaft. Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz» 2.4 Die Politik der Schweiz im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte 2.5 Die Politik der Schweiz im Bereich Wirtschaft und Umwelt 2.6 Fazit

6342

Ziele und Inhalt der Initiative 3.1 Ziele der Initiative 3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung 3.3 Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes 3.3.1 Allgemeiner Grundsatz 3.3.2 Räumlich-persönlicher Geltungsbereich 3.3.3 Respektierungspflichten

6353 6353 6353 6355 6355 6355 6356

3

6338

6342 6343 6344 6344 6344 6345 6345 6346 6346 6346 6347 6348 6348 6348 6349 6349 6350 6350 6351 6351 6352 6353

BBl 2017

3.3.4 3.3.5 3.3.6 4

Kontrollierte Unternehmen Sorgfaltsprüfungspflicht Haftungsregelung

6357 6359 6359

Würdigung der Initiative 4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative 4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme 4.2.1 Umsetzung auf Gesetzesstufe 4.2.2 Sorgfaltsprüfung der Unternehmen 4.2.3 Haftung auch für kontrollierte Unternehmen im Ausland 4.3 Vorzüge der Initiative 4.3.1 Wichtige Kernanliegen der Initiative 4.3.2 Vorreiterrolle 4.4 Mängel der Initiative 4.4.1 Fehlende internationale Abstimmung und Wettbewerbsnachteile 4.4.2 Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen 4.4.3 Eingriff in die Souveränität anderer Länder 4.4.4 Schwierige Beweiserhebung und geringer Sachverhaltsbezug zur Schweiz 4.4.5 Kostenfolgen 4.5 Freiwilliges Engagement der Wirtschaft

6360 6360 6362 6362 6362 6364 6365 6365 6365 6365

Antwort auf die Initiative 5.1 Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) 5.1.1 Instrumenten-Mix 5.1.2 Verantwortung von Unternehmen 5.1.3 Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte 5.1.4 Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen 5.1.5 Zugang zu Abhilfe oder zu Wiedergutmachung 5.1.6 Umsetzung, Überprüfung und Aktualisierung des NAP 5.2 Aktionsplan Grüne Wirtschaft 5.3 CSR-Positionspapier und -Aktionsplan des Bundesrates 5.4 Subsidiäre Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit

6370

6

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

6378

7

Schlussfolgerungen

6378

5

Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» (Entwurf)

6365 6366 6366 6367 6367 6369

6370 6371 6371 6371 6372 6373 6374 6374 6375 6376

6379

6339

BBl 2017

Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» hat den folgenden Wortlaut: I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 101a

Verantwortung von Unternehmen

Der Bund trifft Massnahmen zur Stärkung der Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft.

1

Das Gesetz regelt die Pflichten der Unternehmen mit satzungsmässigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz nach folgenden Grundsätzen: 2

a.

Die Unternehmen haben auch im Ausland die international anerkannten Menschenrechte sowie die internationalen Umweltstandards zu respektieren; sie haben dafür zu sorgen, dass die international anerkannten Menschenrechte und die internationalen Umweltstandards auch von den durch sie kontrollierten Unternehmen respektiert werden; ob ein Unternehmen ein anderes kontrolliert, bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen; eine Kontrolle kann faktisch auch durch wirtschaftliche Machtausübung erfolgen;

b.

Die Unternehmen sind zu einer angemessenen Sorgfaltsprüfung verpflichtet; sie sind namentlich verpflichtet, die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen auf die international anerkannten Menschenrechte und die Umwelt zu ermitteln, geeignete Massnahmen zur Verhütung von Verletzungen international anerkannter Menschenrechte und internationaler Umweltstandards zu ergreifen, bestehende Verletzungen zu beenden und Rechenschaft über ergriffene Massnahmen abzulegen; diese Pflichten gelten in Bezug auf kontrollierte Unternehmen sowie auf sämtliche Geschäftsbeziehungen; der Umfang dieser Sorgfaltsprüfungen ist abhängig von den Risiken in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt; bei der Regelung der Sorgfaltsprüfungspflicht nimmt der Gesetzgeber Rücksicht auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen, die geringe derartige Risiken aufweisen;

c.

Die Unternehmen haften auch für den Schaden, den durch sie kontrollierte Unternehmen aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten oder internationalen Umweltstandards in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtung verursacht haben; sie haften dann nicht nach dieser Bestimmung, wenn sie beweisen, dass sie alle gebotene Sorgfalt gemäss

6340

BBl 2017

Buchstabe b angewendet haben, um den Schaden zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre; d.

Die gestützt auf die Grundsätze nach den Buchstaben a­c erlassenen Bestimmungen gelten unabhängig vom durch das internationale Privatrecht bezeichneten Recht.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» wurde am 7. April 2015 von der Bundeskanzlei vorgeprüft1 und am 10. Oktober 2016 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 1. November 2016 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 120 418 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.2 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.

Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes3 (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 10. Oktober 2017 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 10. April 2019 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Sie kann die Behandlungsfrist um ein Jahr verlängern, wenn die Voraussetzungen gemäss Artikel 105 ParlG erfüllt sind.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 Bundesverfassung (BV):

1 2 3

a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

BBl 2015 3245 BBl 2016 8107 SR 171.10

6341

BBl 2017

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Menschenrechte und Umweltrisiken: Kontext und Herausforderungen

Seit den 1980er-Jahren haben ausländische Direktinvestitionen aufgrund von Massnahmen zur Marktliberalisierung kontinuierlich zugenommen. Gemäss dem World Investment Report 2012 «Towards a New Generation of Investment Policies» der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) stieg der relative Anteil von ausländischen Direktinvestitionen am Bruttoinlandprodukt von 10 Prozent im Jahr 1990 auf 27 Prozent im Jahr 2005.4 Dieser Zuwachs geht einher mit einer wachsenden Anzahl und einer steigenden Bedeutung der multinationalen Unternehmen im globalen Wirtschaftsgeschehen. Diese Entwicklung ist für unser Land besonders bedeutsam, da die Schweiz Hauptsitz vieler multinationaler Unternehmen ist. Als multinationale Unternehmen gelten Unternehmen mit Hauptsitz in einem bestimmten Land, die Produktionsstätten und Niederlassungen in mehreren Staaten kontrollieren, einen mehr oder weniger grossen Teil ihrer Umsätze im Ausland tätigen und ihre strategische Unternehmensplanung weltweit ausrichten.

Wie sich die Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen und der von ihnen kontrollierten Unternehmen (typischerweise Tochtergesellschaften) auf Menschenrechte, Umwelt und Regierungsführung auswirkt, ist seit Jahren Gegenstand intensiver Debatten. Einerseits wird ins Feld geführt, dass multinationale Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zum Aufbau von Infrastruktur, zum Wissens- und Technologietransfer, zur Versorgung mit Investitions- und Konsumgütern sowie generell zur Wertschöpfung in Entwicklungsländern beitragen. Andererseits wird die Geschäftstätigkeit von multinationalen Unternehmen in Ländern ohne ausgebauten oder lückenhaft funktionierenden Rechtsstaat in Zusammenhang mit schlechten Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschäden und unrechtmässigen Enteignungen gebracht. Herausforderungen für staatliche Institutionen und multinationale Unternehmen ergeben sich im Zusammenhang mit Korruptionspraktiken, Geldwäscherei und Steuerfragen. Wie bei den Menschenrechtsfragen sind auch im Umweltbereich die Herausforderungen gross. Sie können von lokal begrenzten Verschmutzungen durch Abfälle und Emissionen bis zur grossflächigen Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch und Tier reichen (z. B. Böden, Wasser, Luft, Wald).

Vieles weist schliesslich darauf hin, dass die tatsächlichen
Auswirkungen der Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen und ihrer Tochtergesellschaften im Einzelnen letztlich von den spezifischen Konstellationen in den jeweiligen Ländern abhängen.5 Zur Bewältigung der Herausforderungen stehen unterschiedliche Strategien und Instrumente zur Verfügung. Sie reichen von rechtlichen Verpflichtungen, die sich in der Unternehmensführung durchsetzen lassen, bis hin zu freiwilliger Selbstbindung von Unternehmen im Rahmen branchenweiter Vereinbarungen. Aktuell wird 4 5

UNCTAD-Report 2012, S. 2 ff. > abrufbar unter: http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/wir2012_embargoed_en.pdf Giuliani Elisa / Macchi Chiara, Multinational corporations' economic and human rights impacts on developing countries: a review and research agenda, Cambridge Journal of Economics 2014 (38), S. 480.

6342

BBl 2017

schliesslich eine Mischung von Instrumenten unterschiedlicher Verbindlichkeit debattiert (vgl. Ziff. 5.1.1).

In diesem Zusammenhang stellt sich schliesslich auch die Frage, welchen rechtlichen Verpflichtungen Unternehmen überhaupt unterworfen sind. Massgebend ist hierfür das Völkerrecht. Menschenrechte werden seit geraumer Zeit nicht mehr nur als Rechte des Einzelnen verstanden, sich gegen illegitime Eingriffe des Staates zu wehren. Vielmehr verpflichtet das Völkerrecht Staaten darüber hinaus dazu, aktiv Vorkehrungen zum Schutz von Menschenrechten zu treffen, einschliesslich des Schutzes von Personen vor Menschenrechtsverletzungen durch andere Private.

Zudem hat der Staat die Pflicht, die rechtlichen, institutionellen und verfahrensmässigen Voraussetzungen zu gewährleisten, dass Menschenrechte realisiert werden können. Aufgrund der Tatsache, dass viele multinationale Unternehmen in Entwicklungsländern mit tieferen Sozial- und Umweltschutzstandards tätig sind, stellt sich deshalb die Frage, inwiefern für den Heimatstaat derartiger Unternehmen eine Pflicht zum Schutz von Menschen und Umwelt auf fremdem Staatsgebiet besteht. In der internationalen Fachdiskussion wird die Pflicht der Staaten, Menschenrechte und Umwelt auch ausserhalb ihres Territoriums zu achten, zu schützen und soweit möglich zu gewährleisten, zunehmend akzeptiert.6

2.2

Internationale Entwicklung

Zahlreiche internationale Organisationen oder Gremien (UNO, OECD, Internationale Arbeitsorganisation IAO, G-7, Europarat und Europäisches Parlament) betonen die Wichtigkeit und Notwendigkeit, die Verantwortung der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zu fördern.

Festzustellen ist international ein Trend, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen einzuführen.7 Namentlich setzen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in diesem Bereich die im 2014 erlassene Richtlinie (RL 2014/95/EU) um (siehe Ziff. 2.2.8).

Die Schweiz engagiert sich auf internationaler Ebene für die Menschenrechte und den Umweltschutz aus der Überzeugung, dass die Verwirklichung der Menschenrechte und der internationalen Umweltstandards eine unerlässliche Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung zum Wohl jedes Einzelnen ist. Sie ist in den wichtigen internationalen Gremien vertreten und an der Entwicklung sowie Weiterentwicklung von internationalen Standards beteiligt.

Nachfolgend werden kurz einige zentrale, die Schweiz direkt oder indirekt betreffende internationale Entwicklungen in den Bereichen Wirtschaft und Menschenrechte sowie Umweltschutz dargestellt.

6

7

Umsetzung der Menschenrechte in der Schweiz, Eine Bestandesaufnahme im Bereich Menschenrechte und Wirtschaft, Studie des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte SKMR, 2013, S. 3, 11 f. und 51 f.

Stephan Hirschi / Raphael Rutishauser, Nachhaltigkeitsberichterstattung im Trend, Expert Focus 2016/9.

6343

BBl 2017

2.2.1

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 verpflichteten sich die UNO-Mitgliedstaaten bis 2030, die nachhaltige Entwicklung zu fördern. Ein Kernstück der Agenda 2030 bilden die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UNO; diese gliedern sich in 17 Ziele und 169 Unterziele. SIe umfassen namentlich die Bereiche Geschlechtergleichheit, menschenwürdige Arbeit, Wirtschaftswachstum und Massnahmen zum Klimaschutz. Die Ziele sollen bis 2030 global und von allen UNO-Mitgliedstaaten erreicht werden. Damit ist auch die Schweiz aufgefordert, diese national umzusetzen und international zu unterstützen.8

2.2.2

UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte

Am 16. Juni 2011 wurden mit der Annahme der Resolution 17/4 die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte9 gutgeheissen. Dabei handelt es sich nicht um eine Resolution der UN-Vollversammlung, sondern des UN-Menschenrechtsrats.

Die UNO-Leitprinzipien beruhen auf drei Pfeilern: der Pflicht des Staates, die Menschenrechte zu schützen, der Verantwortung der Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und dem Recht auf Wiedergutmachung. Gemäss den UNO-Leitprinzipien sollen die Staaten eine «intelligente Mischung nationaler und internationaler, bindender und freiwilliger Massnahmen» implementieren, um die Achtung der Menschenrechte durch die Unternehmen zu fördern und die Vorgaben der UNOLeitprinzipien umzusetzen.

2.2.3

OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen

Im Rahmen der Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Jahre 2011 (Verhaltenskodex für Unternehmen)10 wurde ein neues Kapitel zu den Menschenrechten sowie ein neues Konzept der Sorgfaltsprüfung und des verantwortungsvollen Managements der Zulieferkette eingefügt. Dieses basiert inhaltlich auf den UNO-Leitprinzipien (siehe Ziff. 2.2.2). Analoge Regelungen im Bereich des Umweltschutzes gibt es noch nicht. Allerdings enthalten die OECD-Leitsätze ein Kapitel über den Umweltschutz. Zur Umsetzung der OECD-Leitsätze und in Bezug auf die Sorgfaltsprüfung in der Wertschöpfungskette hat die OECD Leitfäden für gewisse Branchen (z. B. Mineralien, Landwirtschaft, Finanzsektor, Textilien) erarbeitet.11

8 9 10 11

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung des EDA, abrufbar unter www.eda.admin.ch > Agenda 2030 > 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (Deutsche Fassung), abrufbar unter www.skmr.ch/cms/upload/pdf/140522_leitprinzipien_wirtschaft_und_menschenrechte.pdf.

OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen Ausgabe 2011, abrufbar unter www.oecd.org > corporate.

OECD sectoral guidelines > abrufbar unter: http://mneguidelines.oecd.org/sectors/.

6344

BBl 2017

Die Leitfäden bestehen aus rechtlich nicht verbindlichen Empfehlungen von Regierungen an Unternehmen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die OECD-Leitsätze zu fördern und einen nationalen Kontaktpunkt (NKP) einzurichten. Dieser ist in der Schweiz beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) angesiedelt.12 Einzelpersonen oder Interessengruppen können beim NKP beanstanden, dass ein Unternehmen die OECD-Leitsätze nicht einhält. Der NKP bietet eine Plattform zur Mediation zwischen den beteiligten Parteien an, um diese bei der Lösung des Konflikts zu unterstützen.

2.2.4

IAO-Instrumente und Politiken

Die IAO-Deklaration über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (MNEDeklaration) von 1977 unterstützt die Unternehmen dabei, soziale Massnahmen und nachhaltige Geschäftspraktiken umzusetzen. Die in der Deklaration enthaltenen Prinzipien bezüglich Beschäftigung, Ausbildung, Arbeits- und Lebensbedingungen sowie Geschäftsbeziehungen richten sich nicht nur an die multinationalen Konzerne, sondern auch an die Regierungen und Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmerverbände in der ganzen Welt. Damit ist die MNE-Deklaration das einzige Instrument in diesem Bereich mit einer weltweiten dreifachen Tragweite. Die Deklaration wurde durch den IAO-Verwaltungsrat im März 2017 in ihrer Gesamtheit überprüft. In diesem Zusammenhang hat sich der Verwaltungsrat dafür ausgesprochen, die MNEDeklaration auf nationaler Ebene durch dreigliedrige Kontaktpunkte zu fördern. Die Schweiz wird die Durchführbarkeit des Vorschlages des Verwaltungsrates in Absprache mit der IAO prüfen.

Im Jahr 2016 hat die IAO-Konferenz eine Diskussion zu menschenwürdiger Arbeit in globalen Lieferketten geführt. Sie hat dabei den Beschluss gefasst, diejenigen IAO-Programme der Entwicklungszusammenarbeit zu erweitern, welche die Einhaltung von Arbeitsstandards und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten fördern.13 Die Schweiz unterstützt diese Programme bereits im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit.

2.2.5

UN Global Compact 2000

Beim UN Global Compact handelt es sich um eine von der UNO initiierte, als Netzwerk konzipierte Plattform von Unternehmen und Organisationen, die die Selbstverpflichtung im Bereich der verantwortlichen Unternehmensführung unterstützt. In der Schweiz existiert dazu die offizielle Plattform «Global Compact Network Switzer-

12

13

Verordnung vom 1. Mai 2013 über die Organisation des Nationalen Kontaktpunktes für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und über seinen Beirat (SR 946.15, NKPV-OECD), abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Systematische Rechtssammlung.

Beschluss der Internationalen Arbeitskonferenz vom 10. Juni 2016 zu menschenwürdiger Arbeit in globalen Lieferketten, abrufbar unter www.ilo.org > Meetings and events > International Labour Conference > 105th Session, 2016.

6345

BBl 2017

land».14 Teilnehmende Unternehmen sind verpflichtet, jährlich einen Bericht über ihre Fortschritte bei der Umsetzung der Grundsätze zu veröffentlichen.

2.2.6

ISO-Standards

Eine ISO-Norm ist eine von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) publizierte Norm. Normung bezeichnet die Formulierung, Herausgabe und Anwendung von Regeln, Leitlinien oder Merkmalen durch eine anerkannte Organisation und deren Normengremien. Im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes bestehen namentlich der Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung ISO 26000:201115 (nicht zertifizierbar) sowie die ISO-Standards 1400016 im Bereich des Umweltmanagements, der Treibhausgas-Erfassung sowie des Reportings und zum Öko-Design.

2.2.7

Global-Reporting-Initiative (GRI)17

Die Global-Reporting-Initiative hat Richtlinien für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt und stellt sie Grossunternehmen, kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur Verfügung. Sie umfassen Grundsätze und Indikatoren, anhand deren Unternehmen und andere Akteure ihre ökonomische, ökologische und soziale Leistung messen können.

Eine zunehmende Anzahl von Schweizer Unternehmen verfasst Nachhaltigkeitsberichte in Anlehnung an diese Richtlinien.18

2.2.8

Nachhaltigkeitsberichterstattung nach EU-Richtlinie

Gemäss der Richtlinie vom 22. Oktober 2014 über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (RL 2014/95/EU) müssen grosse Unternehmen, die «von öffentlichem Interesse sind und am Bilanzstichtag (...) mehr als 500 Mitarbeiter»19 beschäftigen, eine nichtfinanzielle Erklärung in den Lagebericht aufnehmen. Grosse Unternehmen20 sind Unternehmen, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei folgenden Grössenmerkmale überschreiten: a) Bilanzsumme: 20 000 000 EUR; b) Nettoumsatzerlöse: 40 000 000 EUR; c) durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: 250. Aus dieser Gruppe der grossen Unternehmen werden nur diejenigen erfasst, die an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen 14 15 16 17

18 19 20

Abrufbar unter: www.globalcompact.ch/ ISO 26000 ­ Social responsibility, abrufbar unter www.iso.org > Standards.

ISO 14000 ­ Environmental management, abrufbar unter www.iso.org > Standards.

Global Reporting Initiative (GRI), abrufbar unter www.globalreporting.org; Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung GRI, abrufbar unter www.globalreporting.org > Resource Library.

Siehe Fn 71.

Vgl. die durch die Richtlinie 2014/95/EU in die Richtlinie 2013/34/EU eingefügten Art. 19a und 29a.

Verstanden im Sinne der Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013: Siehe Art. 3 Ziff. (4).

6346

BBl 2017

im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Beschäftigte haben. Muss das Unternehmen eine konsolidierte Jahresrechnung erstellen, so hat es auch einen konsolidierten Bericht über nicht finanzielle Informationen zu verfassen, das heisst die kontrollierten Tochterunternehmen sind Bestandteil des konsolidierten Berichts, müssen aber keinen eigenen Bericht erstellen. Falls relevant und verhältnismässig, müssen die Unternehmen auch in Bezug auf die Lieferkette Bericht erstatten. Der Bericht muss Angaben enthalten über den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis, die Lage des Unternehmens sowie die Auswirkungen seiner Tätigkeit. Die nichtfinanzielle Erklärung hat sich mindestens auf Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelange, auf die Achtung der Menschenrechte und auf die Bekämpfung von Korruption und Bestechung zu beziehen. Die EU-Richtlinie sieht eine Möglichkeit für die betroffenen Unternehmen vor, auf die Berichterstattung über einzelne Belange zu verzichten, sofern sie erklären, warum dies der Fall ist.

Die Richtlinie ist auch für Schweizer Konzerne relevant, deren Tochtergesellschaften in der EU tätig sind und in den Anwendungsbereich des Erlasses fallen, insbesondere für Unternehmen von öffentlichem Interesse wie Banken und Versicherungen.

Die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie ist am 6. Dezember 2016 abgelaufen. Es haben aber noch nicht alle Mitgliedstaaten der EU diese Richtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt.21 Deutschland beispielsweise hat am 17. Oktober 2016 einen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten vorgelegt (CSR-RichtlinieUmsetzungsgesetz).22 Frankreich ist noch weiter gegangen und hat am 27. März 2017 den Entwurf eines Gesetzes verabschiedet, das eine ausdrückliche Sorgfaltsprüfungspflicht sowie eine Haftungsregelung für multinationale Konzerne enthält.23 Im Gegensatz zur vorliegenden Volksinitiative enthält die in der EU eingeführte Richtlinie jedoch keine ausdrückliche Sorgfaltsprüfungspflicht und Haftungsregelung, sondern beschränkt sich in erster Linie auf die Pflicht zur Berichterstattung.

2.2.9

Europarat

Das Ministerkomitee des Europarates hat am 2. März 2016 eine Empfehlung zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet.24 Ziel der Empfehlung ist es, den Mitgliedstaaten des Europarates Leitlinien für die Umsetzung der UNO-Leit21

22 23 24

Gutachten Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (SIR), Lausanne, vom 30. April 2017, Umsetzung der Richtlinie 2014/95/EU (CSR-Richtlinie), verfügbar unter www.isdc.ch > Dienstleistungen > Informationen zum ausländischen Recht online.

Der Stand der Umsetzung der Richtline 2014/95/EU ist abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu > Nationale Umsetzung.

Richtlinie 2014/95/EU vom 22. Oktober 2014.

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung vom 17.10.2016 > abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/099/1809982.pdf.

LOI no 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d'ordre.

Recommendation CM/Rec(2016)3 of the Committee of Ministers to member States on human rights and business.

6347

BBl 2017

prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (siehe Ziff. 2.2.2) zu geben und die Lücken in der Umsetzung auf europäischer Ebene zu schliessen. Der Akzent der Empfehlung liegt beim Zugang zu Rechtsbehelfen.

2.3

Entwicklungen in der Schweiz

Auf nationaler Ebene haben die UNO-Leitprinzipien die Petition 12.2042 «Recht ohne Grenzen» vom 13. Juni 2012, die von zahlreichen NGO unterstützt wurde, und der Aktionsplans Grüne Wirtschaft 2013 die politische Entwicklung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte oder Umwelt vorangetrieben. Zwar hat der Nationalrat der Petition keine Folge gegeben, doch sie führte zu weiteren Arbeiten im Rahmen von parlamentarischen Vorstössen und Berichten des Bundesrates, namentlich den folgenden:

2.3.1

«Bericht Sorgfaltsprüfung»

Der Bundesrat hat am 2. Mai 2014 einen Bericht «Rechtsvergleichender Bericht.

Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechten und Umwelt im Zusammenhang mit den Auslandaktivitäten von Schweizer Konzernen» verabschiedet. Dieser basiert unter anderem auf einem Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung (SIR).25 Mit dem Bericht wurde das Postulat 12.3980 der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK-N) vom 30. Oktober 2012 erfüllt.26 Die in diesem Zusammenhang stehende und darauf folgende Motion 14.3671 der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N) vom 1. September 2014 mit dem Titel «Umsetzung des rechtsvergleichenden Berichtes des Bundesrates über die Verantwortung von Unternehmen bezüglich Menschenrechten und Umwelt» wurde am 11. März 2015 im Nationalrat abgelehnt.27

2.3.2

«CSR28-Positionspapier und -Aktionsplan»

Am 1. April 2015 hat der Bundesrat den Bericht «Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt» (CSR-Positionspapier und

25 26 27

28

Bericht des BR und Gutachten des SIR als Beilage zur Medienmitteilung des BR vom 28. Mai 2014, verfügbar unter www.ejpd.admin.ch > Aktuell > News > 2014.

Postulat Nr. 12.3980: Rechtsvergleichender Bericht. Sorgfaltsprüfung, abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista.

Motion Nr. 14.3671 abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista; Wortprotokoll Nationalrat vom 11. März 2015 zur Motion Nr. 14.3671, abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Amtliches Bulletin; Wortprotokoll Nationalrat vom 11. März 2015 zur Motion Nr. 14.3671 (Rückkommensantrag), abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Amtliches Bulletin.

Steht für «Corporate Social Responsibility».

6348

BBl 2017

-Aktionsplan) verabschiedet (siehe Ziff. 5.3).29 Darin legt der Bundesrat dar, dass er von den in der Schweiz ansässigen Unternehmen bei ihrer gesamten Tätigkeit auch im Ausland u. a. die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt erwartet.

2.3.3

«Eine Ruggie-Strategie für die Schweiz»

Der Bundesrat hat am 9. Dezember 2016 den «Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte», inklusive einem Aktionsplan (NAP, siehe Ziff. 5.1) genehmigt. 30 Mit diesem Bericht erfüllte der Bundesrat das von Nationalrat Alec von Graffenried eingereichte Postulat 12.3503 «Eine Ruggie-Strategie für die Schweiz» vom 14. Dezember 2012 (siehe Ziff. 2.2.2).31

2.3.4

«Mehr Transparenz im Schweizer Rohstoffsektor»

Das Postulat 13.3365 der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N) mit dem Titel «Mehr Transparenz im Schweizer Rohstoffsektor» datiert vom 29. April 2013.32 Es beauftragte den Bundesrat zu prüfen, ob in die Vernehmlassungsvorlage für Transparenzvorschriften betreffend Zahlungen von Rohstoffunternehmen an staatliche Stellen der gesamte Schweizer Rohstoffsektor einbezogen werden kann, d. h. sowohl börsenkotierte als auch nicht börsenkotierte Rohstofffirmen und sowohl Förder- als auch physische Handelsaktivitäten. Der Bundesrat hat am 16. Mai 2014 in Erfüllung dieses Postulats sowie der Empfehlung 8 des Grundlagenberichts Rohstoffe einen entsprechenden Bericht verabschiedet.33 Am 4. Dezember 2015 hat der Bundesrat die Ergebnisse aus der Vernehmlassung zur Aktienrechtsrevision zur Kenntnis genommen. In die Vorlage der Aktienrechtsrevision wurden in Anlehnung an bestehende Transparenzbestimmungen in wichtigen Referenzrechtsordnungen und auf multilateraler Ebene (EU Accounting and Transparency Directives,34 «Dodd-Frank 1504»,35 revidierte EITI-Regeln36 etc.)

auch Transparenzbestimmungen für Rohstoffunternehmen bezüglich Zahlungen an staatliche Stellen eingefügt.. Die Bestimmungen wurden systematisch in das Rechnungslegungsrecht integriert. Die Regelung soll ausschliesslich für Unternehmen 29

30 31 32 33 34 35 36

CSR-Positionspapier als Beilage zur Medienmitteilung des BR 01.04.2015, abrufbar unter www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Gesellschaftsrechtliche Verantwortung der Unternehmen (CSR) > Positionspapier und Aktionsplan.

Bericht als Beilage zur Medienmitteilung des BR vom 9. Dezember 2016, abrufbar unter www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen.

Abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista.

Abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista.

Bericht des BR als Medienmitteilung des BR vom 25.06.2014, abrufbar unter www.ejpd.admin.ch > Aktuell > News > 2014.

Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013; Richtlinie 2013/50/EU vom 22. Oktober 2013.

Dodd-Frank Act, abrufbar unter www.congress.gov > Legislation.

www.eiti.org > documents (EITI Standard 2016).

6349

BBl 2017

gelten, die von Gesetzes wegen zu einer ordentlichen Revision ihrer Jahresrechnung verpflichtet und im Bereich der Rohstoffgewinnung tätig sind. Damit werden nur börsenkotierte und grosse Unternehmen erfasst. Diese Unternehmen sollen in einem elektronisch zu veröffentlichenden Bericht Zahlungen von mindestens 100 000 Franken pro Geschäftsjahr offenlegen, die sie an staatliche Stellen geleistet haben.

Zudem sollen Strafbestimmungen die Verletzung der Vorschriften sanktionieren.

Am 23. November 2016 hat der Bundesrat die Botschaft zur Aktienrechtsrevision verabschiedet, inkl. Transparenzbestimmungen im Rohstoffsektor. 37

2.3.5

«Zugang zu Wiedergutmachung»

Das Postulat 14.3663 der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats (APK-S) vom 11. August 2014 trägt den Titel «Zugang zu Wiedergutmachung». Der Bundesrat erklärte sich am 5. November 2014 bereit, in einem Bericht zu analysieren, welche gerichtlichen und nichtgerichtlichen Massnahmen in anderen Staaten umgesetzt werden, um Personen, deren Menschenrechte durch ein Unternehmen in einem Gaststaat verletzt wurden, einen effektiven Zugang zu Wiedergutmachung im Heimatstaat der Unternehmen zu ermöglichen. Der Auftrag beinhaltet auch die Prüfung eines entsprechenden Zugangs zu Wiedergutmachungsmechanismen in der Schweiz (siehe Ziff. 5.1.5).

Der Ständerat hat das Postulat am 26. November 2014 angenommen. 38 Gestützt auf diese Analyse, die 2017 abgeschlossen werden sollte, wird der Bundesrat die Umsetzung allfälliger Massnahmen im Schweizer Kontext prüfen.

2.3.6

«Goldhandel und Verletzung der Menschenrechte»

Gemäss dem am 21. September 2015 von Ständerat Luc Recordon eingereichten und am 1. Dezember 2015 vom Ständerat gutgeheissenen Postulat 15.3877 wurde der Bundesrat beauftragt, einen Bericht vorzulegen, in dem ­ soweit die Schweiz betroffen ist ­ Bilanz über den Handel mit Gold gezogen wird, das unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen abgebaut wird.39 Es soll ausserdem untersucht werden, welche Massnahmen in der Schweiz getroffen werden könnten, um dieser Situation ein Ende zu bereiten. Bis Ende 2017 soll ein entsprechender Bericht vorliegen.

37 38 39

Gesetzesentwurf und Botschaft als Beilage zur Medienmitteilung des BR vom 23.11.2016, abrufbar unter www.ejpd.admin.ch > Aktuell > 2016.

Abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista ; Debatte SR vom 26.11.2014.

Abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista.

6350

BBl 2017

2.3.7

«Grüne Wirtschaft. Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz»

Der Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016 mit dem Titel «Grüne Wirtschaft.

Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz» zeigt die Weiterentwicklung des Aktionsplans Grüne Wirtschaft 2013 auf. Darin wird dem Engagement der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft eine zentrale Rolle zugewiesen, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen. Ziel ist es, die ökologische Transparenz laufend zu verbessern. Dazu tragen namentlich bei die Weiterentwicklung der methodischen Grundlagen für die ökologische Bewertung, die Unterstützung freiwilliger Initiativen der Wirtschaft sowie die Förderung der ökologischen Verantwortung der Unternehmen.40

2.4

Die Politik der Schweiz im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte

Die Menschenrechte stehen im Zentrum der Rechts- und Werteordnung der Schweiz und ihres politischen Modells. Das internationale Engagement der Schweiz zugunsten der Menschenrechte beruht auf der Überzeugung, dass die Verwirklichung dieser Rechte eine unerlässliche Voraussetzung für eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist. Demnach ist für die Schweiz ­ auch als Sitzstaat des Hochkommissariats für Menschenrechte und des UN-Menschrechtsrates ­ die Förderung der Menschenrechte ein grundlegender Pfeiler ihrer Aussenpolitik. Die Einhaltung der Menschenrechte im Ausland ist zudem ein wichtiger Faktor zur Förderung des Friedens, der Sicherheit und der Stabilität eines Staats. Sie kann damit auch Migrationsbewegungen vorbeugen. Wenn Menschenrechte auch im Ausland respektiert werden, liegt dies somit auch im ureigenen Interesse der Schweiz.

Die Schweiz engagiert sich für die weltweite Respektierung der Menschenrechte und ihre effektive Umsetzung. Artikel 54 der Bundesverfassung verpflichtet den Bund, im auswärtigen Bereich zur «Achtung der Menschenrechte» beizutragen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Menschenrechtsstrategie 2016­2019 des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hinzuweisen.

Als Standort einiger der wichtigsten multinationalen Unternehmen und Sportverbände der Welt sieht es die Schweiz als ihre Pflicht an, sich besonders für die Achtung der Menschenrechte durch die Privatwirtschaft einzusetzen. Mit Bezug auf die Einbindung der Zivilgesellschaft, des Privatsektors (z. B. multinationale Konzerne) sowie anderer nicht-staatlicher Akteure in die Menschenrechtsthematik kann die Schweiz mit ihrem Engagement eine glaubhafte Vorreiterrolle einnehmen. In diesem Sinne hat sich der Bundesrat in seiner aussenpolitischen Strategie und der Legislaturplanung bis 2019 die Förderung der weltweiten Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte als ständiges und prioritäres Ziel gesetzt. Er unterstützt dabei tatkräftig unter anderem die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien.41 40 41

Abrufbar unter www.bafu.admin.ch > Themen > Thema Wirtschaft und Konsum > Fachinformationen > Grüne Wirtschaft.

Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­2019, abrufbar unter www.eda.admin.ch > Dienstleistungen und Publikationen > Menschenrechtsstrategie EDA 2016­2019.

6351

BBl 2017

Das Engagement des Bundesrates im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte geht insbesondere aus dem Bericht des Bundesrates vom 9. Dezember 2016 über die «Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» hervor (siehe Ziff. 5.1). Der Bericht enthält einen Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte. Dessen Ziel ist die Verbesserung des Menschenrechtsschutzes im Kontext der wirtschaftlichen Aktivitäten. Der Aktionsplan dient dazu, die Erwartungen des Bundesrates an die Unternehmen im Bereich Menschenrechte zu kommunizieren und die Koordination der staatlichen Aktivitäten zu verbessern. Die Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien konzentriert sich auf die Verantwortung des Staates. In diese Verantwortung fallen namentlich der Schutz der Menschenrechte und der Zugang zu Wiedergutmachung.

Der Aktionsplan enthält 50 Politikinstrumente. Diese dienen der Umsetzung der UNO-Leitprinzipien. Die Schweiz gehört zu den ersten Ländern, die über eine solche Strategie zur Förderung der Kohärenz zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten und Menschenrechten verfügen.

Auch wirkt der Bund aktiv an der Erarbeitung, Weiterentwicklung und Umsetzung von international breit abgestützten Initiativen, Leitlinien und Instrumenten v. a. im Rahmen der UNO, OECD und der IAO mit. Er unterstützt beispielsweise die Umsetzung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen durch spezifische OECD-Leitfäden zur Durchführung von Sorgfaltsprüfungen und zur Stärkung der Transparenz sowie zur Sicherung des Zugangs zur Justiz, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu vermeiden. Unter anderem auch im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit internationaler Akteure fördert die Schweiz mit Entwicklungsprojekten insbesondere den Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten zum Schutz der Menschenrechte. Sie hilft damit, Kernanliegen der Initiative umzusetzen (siehe Ziff. 5.4).

2.5

Die Politik der Schweiz im Bereich Wirtschaft und Umwelt

Die Initiative verlangt von den Unternehmen, die internationalen Umweltstandards zu respektieren (siehe Ziff. 3.3.3). Der Bund ist gemäss Verfassung verpflichtet, die nachhaltige Entwicklung und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu fördern.42 Angestrebt werden soll demnach eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der heutigen Generationen befriedigt, ohne diejenigen von künftigen Generationen zu gefährden. Ähnliche Ziele verfolgt die Aussenpolitische Strategie 2016­2019 des Bundesrates. Diese definiert die nachhaltige Entwicklung als einen von vier strategischen Schwerpunkten.

Weiter soll gemäss der Aussenpolitischen Strategie 2017­2019 des Bundesrates die internationale Positionierung der Schweizer Unternehmen als verantwortungsvolle und wettbewerbsfähige Akteure langfristig gestärkt werden. Die Schweiz hat ein Interesse daran, ihren Unternehmen auch künftig den Zugang zu den natürlichen Ressourcen in anderen Ländern zu gewährleisten. Sie setzt sich aber auch für die 42

Art. 2, 54 und 73 Bundesverfassung, SR 101.

6352

BBl 2017

weltweite Umsetzung von Umweltstandards ein. Entsprechend hat der Bundesrat den Unternehmen gegenüber wiederholt die Erwartung geäussert, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung, namentlich auch die ökologische, wahrnehmen und zwar sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland. Dabei sollen gemäss der Aussenpolitischen Strategie 2017­2019 des Bundesrates auf internationaler Ebene für alle Unternehmen die gleichen, fairen Rahmen- oder Wettbewerbsbedingungen gelten.

Aus diesem Grund engagiert sich die Schweiz auf internationaler Ebene im Bereich des Umweltschutzes (). Weiter setzt sich die Schweiz auch in Erfüllung des politischen Auftrags für eine «Grüne Wirtschaft» stark für den Umweltschutz und den schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen im In- und Ausland ein (siehe Ziff. 2.3.7 und 5.2).

2.6

Fazit

Wie die vorangehenden Ausführungen zeigen, ist die Schweiz im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes bereits auf verschiedenen Ebenen aktiv geworden. Allerdings besteht ein Handlungsbedarf in den Bereichen in Wirtschaft und Menschenrechte sowie Umweltschutz sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. Um dem Handlungsbedarf nachzukommen, setzt der Bundesrat auf ein international abgestimmtes Vorgehen und auf die bereits existierenden Instrumente (namentlich den NAP und das CSR-Positionspapier).

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Gemäss der Initiative sollen die Schweizer Unternehmen die Menschenrechte und den Umweltschutz weltweit, insbesondere auch in Staaten mit mangelhafter Rechtsstaatlichkeit und geringem Menschenrechtsschutz respektieren. Im Bereich Menschenrechte möchte damit die Initiative die UNO-Leitprinzipien durch Schweizer Akteure weltweit umsetzen.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiative formuliert in Absatz 1 einen sehr weit gefassten Grundsatz. Im Absatz 2 verpflichtet sie den Gesetzgeber, die einzelnen Aspekte zu regeln.

Die Initiative verlangt wie erwähnt von den in der Schweiz ansässigen Unternehmen die Einhaltung der international anerkannten Menschenrechte sowie der internationalen Umweltstandards auch im Ausland. Diese Unternehmen sollen verpflichtet werden, eine Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechte und Umweltschutz durchzuführen, die alle von ihnen kontrollierten Unternehmen und die gesamte Lieferkette umfasst. Dabei soll Rücksicht auf die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) genommen werden. Die Erleichterungen für KMU werden allerdings nicht weiter konkretisiert. Der Umfang der Sorgfaltsprüfung soll von den Risiken der Unterneh6353

BBl 2017

men abhängen. Sofern den Unternehmen der Sorgfaltsnachweis nicht gelingt, sollen sie auch für den Schaden haften, den sie durch von ihnen kontrollierte Unternehmen aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten und internationalen Umweltstandards in Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit verursacht haben.

Die Initiative hält in Artikel 101a Entwurf Bundesverfassung (E-BV) zunächst den Grundsatz fest, wonach der Bund Massnahmen zur Stärkung und Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft treffen soll (Abs. 1). Diese Massnahmen sollen gemäss Absatz 2 auf Gesetzesstufe wie folgt konkretisiert werden: 1.

Respektierung der international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards von Unternehmen mit satzungsmässigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in der Schweiz auch im Ausland. Respektierung derselben auch durch die von ihnen kontrollierten Unternehmen (Abs. 2 Bst. a).

2.

Verpflichtung zur Durchführung einer Sorgfaltsprüfung («due diligence»; Abs. 2 Bst. b): ­ Ermittlung der Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten auf Menschenrechte und Umwelt, ­ Ergreifung von Massnahmen zur Verhütung oder Beendigung von Verletzungen und ­ Rechenschaftsablage (Berichterstattung).

Die Pflichten gelten auch für die durch sie kontrollierten Unternehmen und sämtliche Geschäftsbeziehungen in der Wertschöpfungskette. Der Sorgfaltsprüfungsumfang ist abhängig von den Risiken. Auf die Bedürfnisse der KMU mit geringen Risiken ist besondere Rücksicht zu nehmen.

3.

Regelung der Haftung von Unternehmen für die von ihnen kontrollierten Unternehmen mit der Möglichkeit eines Entlastungsbeweises (Abs. 2 Bst. c.).

4.

Die gestützt auf die Grundsätze nach den vorangehenden Punkten erlassenen Bestimmungen gelten unabhängig von dem durch das Internationale Privatrecht bezeichneten Recht (Abs. 2 Bst. d).

6354

BBl 2017

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes43

3.3.1

Allgemeiner Grundsatz

Die Bestimmung von Artikel 101a Absatz 1 E-BV hat programmatischen Charakter.

Der Bund muss sich bereits gestützt auf Artikel 54 Absatz 2 der BV zur Linderung von Not und Armut in der Welt für die Achtung der Menschenrechte sowie für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen. Gemäss Artikel 35 Absatz 3 BV haben die Behörden dafür zu sorgen, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden.

Selbstständige Bedeutung dürfte Artikel 101a Absatz 1 E-BV der Initiative angesichts der bestehenden Verfassungsnormen nur insofern zukommen, als der Auftrag an den Bund, Massnahmen zur Stärkung der Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt zu treffen, sich ausdrücklich auf den Bereich der Wirtschaft bezieht.

3.3.2

Räumlich-persönlicher Geltungsbereich

Artikel 101a Absatz 2 E-BV regelt den räumlich-persönlichen Geltungsbereich.

Erfasst werden im Sinne der UNO-Leitprinzipien Unternehmen. Unter «Unternehmen» können sämtliche Akteure oder Rechtsträger verstanden werden, die einen wirtschaftlichen Zweck oder Erwerbszweck verfolgen und vor den Schweizer (Zivil-)Gerichten eingeklagt werden können. Im Vordergrund stehen juristische Personen (z. B. AG, GmbH). Das Rechtskleid des Unternehmens spielt aber grundsätzlich keine Rolle.

Die Unternehmen müssen ihren «satzungsmässigen Sitz», ihre «Hauptverwaltung» oder ihre «Hauptniederlassung» in der Schweiz haben. Mit dem «satzungsmässigen Sitz» ist der in den Statuten (Satzungen) festgeschriebene Sitz, d. h. die darin aufgeführte politische Gemeinde (in der Schweiz) gemeint (statutarischer Sitz). Bei der «Hauptverwaltung» handelt es sich um denjenigen Ort, an welchem die Willensbildung oder die unternehmerische Leitung des Unternehmens erfolgt. Namentlich bei Domizilgesellschaften weicht der satzungsmässige Sitz von der Hauptverwaltung ab.

Die Hauptniederlassung befindet sich an demjenigen Ort, an dem ein erkennbarer, tatsächlicher Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit liegt (z. B. Hauptproduktionsstandort). Falls mehrere Geschäftsschwerpunkte vorhanden sind, können auch mehrere Hauptniederlassungen existieren.

Nach Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe a E-BV haben die Unternehmen die Menschenrechte und den Umweltschutz «auch im Ausland» zu beachten. Damit sind die Auslandsaktivitäten der Schweizer Unternehmen gemeint, d. h. ihre gesamten, weltweiten Geschäftstätigkeiten.

43

Wenn nicht anders vermerkt, handelt es sich nachführend um die Erläuterungen und Auslegungshilfen der Initianten (Abrufbar unter: http://konzern-initiative.ch > Konzernverantwortungsinitiative > Der Initiativtext mit Erklärungen) oder von Gregor Geisser, Ausservertragliche Haftung privat tätiger Unternehmen für «Menschenrechtsverletzungen» bei internationalen Sachverhalten, Diss. Zürich 2013, S. 488 ff.

6355

BBl 2017

Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung soll eine Gesetzesnorm erlassen werden, gemäss der die Auslandsaktivitäten der Schweizer Unternehmen ausdrücklich nach bestimmten materiellen Menschenrechts- und Umweltstandards beurteilt werden.

Das soll unabhängig davon gelten, welches materielle Recht gemäss dem Internationalen Privatrecht auf den Sachverhalt mit Auslandbezug anwendbar ist (s. Art. 101a Abs. 2 Bst. d E-BV).

3.3.3

Respektierungspflichten

Die Unternehmen haben gemäss Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe a E-BV sowohl die international anerkannten Menschenrechte als auch die internationalen Umweltstandards «zu respektieren». Im Folgenden werden die beiden Respektierungspflichten näher erläutert.

International anerkannte Menschenrechte Zu respektieren sind die «international anerkannten Menschenrechte» (Art. 101a Abs. 2 Bst. a E-BV). Die UNO-Leitprinzipien (Prinzip 12) und die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (Menschenrechte, Ziff. 39) verweisen hierzu namentlich auf die Internationale Menschenrechtscharta.44 Diese umfasst die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und ihre beiden wichtigsten Umsetzungsinstrumente, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I)45 und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II).46 Dieser Grundstock des universellen Menschenrechtsschutzes wird auf UNO-Ebene durch eine Reihe weiterer Kern-Menschenrechtsübereinkommen und ihren Zusatzprotokollen ergänzt, von denen die meisten für die Schweiz verbindlich sind.47 Nicht ratifiziert hat die Schweiz bislang das Übereinkommen zum Schutz der Wanderarbeiter (ICRMW). Von Relevanz sind in diesem Kontext ferner die acht Kernübereinkommen der International Labour Orga-

44 45 46 47

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 > abrufbar unter: www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/aemr/text/.

SR 0.103.1 SR 0.103.2 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD, SR 0.104), Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW, SR 0.108), Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT, SR 0.105), Übereinkommen über die Rechte des Kindes 1989 (CRC, SR 0.107), Übereinkommen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD, SR 0.109), Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwinden lassen (CED, SR 0.103.3).

6356

BBl 2017

nization (ILO)48 und auf regionaler Ebene die einschlägigen Übereinkommen des Europarates, namentlich die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).49 Schliesslich sollten Unternehmen in bewaffneten Konflikten die Standards des humanitären Völkerrechts einhalten.50 Internationale Umweltstandards Zu respektieren sind ferner die «internationalen Umweltstandards» (s. Art. 101a Abs. 2 Bst. a E-BV). Darunter können Standards verstanden werden, die das Völkerrecht (z. B. die Klimakonvention der Vereinten Nationen, das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht, die Immissionsgrenzwerte der Weltgesundheitsorganisation [WHO] usw.) vorsieht oder nichtstaatliche Organisationen erlassen haben (z. B. technische Normierungen oder Standards der International Organization for Standardization [ISO-Standards]).

Die Umwelt oder deren Schutz ist dann betroffen, wenn es um die natürlichen Lebensgrundlagen geht. Darunter fallen namentlich der (fruchtbare) Boden, die (reine) Luft, das (saubere) Wasser und das Funktionieren des Ökosystems an sich.

3.3.4

Kontrollierte Unternehmen

Der Begriff «kontrollierte Unternehmen» kommt bei den Respektierungspflichten (Art. 101a Abs. 2 Bst. a E-BV), bei der Sorgfaltsprüfungspflicht (Art. 101a Abs. 2 Bst. b E-BV) wie auch bei der Haftungsregelung (Art. 101a Abs. 2 Bst. c E-BV) vor. Die Respektierungs- und Sorgfaltsprüfungspflichten sowie die Haftungsregelung gelten demnach nicht nur für die betroffenen Unternehmen in der Schweiz, sondern auch in Bezug auf die durch diese Unternehmen kontrollierten Unternehmen im Ausland. Ob ein Unternehmen ein anderes kontrolliert, bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Eine Kontrolle kann auch faktisch, durch wirtschaftliche Machtausübung erfolgen.

In diesem Zusammenhang ist auf den Begriff des «Konzerns» im Schweizer Recht hinzuweisen. Die Schweizer Rechtsordnung kennt kein in sich geschlossenes, kodifiziertes Konzernrecht.51 Gesetzliche Regelungen zum Konzern finden sich nur in einzelnen Bereichen.52 Konzerne kommen in der Praxis aber häufig vor. An einem 48

49 50 51 52

Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit (SR 0.822.713.9). Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (SR 0.822.719.7). Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (SR 0.822.719.9). Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (SR 0.822.720.0). Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit (SR 0.822.720.5). Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (SR 0.822.721.1). Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (SR 0.822.723.8). Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Massnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (SR 0.822.728.2).

SR 0.101 UNO-Leitprinzip 12 ff.

Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2009, § 11, N 1 f.

Peter V. Kunz, Grundlagen zum Konzernrecht der Schweiz, Bern 2016, S. 26 ff.

6357

BBl 2017

Konzern sind mindestens zwei (rechtlich) selbstständige Unternehmungen beteiligt.

Die Unternehmen sind durch ein hierarchisches Verhältnis (Beherrschungsverhältnis) verbunden, namentlich durch stimmenmässige Allein- oder Mehrheitsbeteiligung oder (seltener) durch Vertrag. Somit besteht ein Konzern aus einer herrschenden Obergesellschaft und einer oder mehreren wirtschaftlich abhängigen Untergesellschaft/en.53 Für das Vorliegen eines Konzerns ist schliesslich noch eine einheitliche Leitung erforderlich.54 Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene, neue Rechnungslegungsrecht (s. Art. 963 Abs. 2 OR55) verlangt für das Vorliegen eines Konzerns und damit für eine Konsolidierungspflicht keine tatsächliche Beherrschung der Untergesellschaften durch die Obergesellschaft, mithin keine einheitliche Leitung. Vielmehr genügt nach dieser Bestimmung bereits die Möglichkeit einer Beherrschung, z. B. das direkte oder indirekte Halten der Stimmenmehrheit ( Kontrollprinzip).56 Das Bundesgesetz vom 27. September 201357 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) enthält in Artikel 5 eine Definition der «Kontrolle eines Unternehmens», die sich auf den erwähnten Konzernbegriff des Rechnungslegungsrechts abstützt.

Der Kontrollbegriff der Initiative basiert ferner auf den Grundsätzen der Lehre und Rechtsprechung zur ausservertraglichen Haftung des Geschäftsherrn für Hilfspersonen aus unerlaubter Handlung (Geschäftsherrenhaftung, Art. 55 OR). Die Konzernrechtslehre hat diese Grundsätze weiterentwickelt. Die Kontrolle über andere Unternehmen richtet sich gemäss Wortlaut der Initiative nach den «tatsächlichen» Verhältnissen. Die rechtlichen Strukturen sind demnach unbeachtlich. Gemäss Initiative kann die Kontrolle sogar durch rein «wirtschaftliche Machtausübung» erfolgen. Solche Kontrollverhältnisse führen oft dazu, dass die kontrollierten Unternehmen vom kontrollierenden Unternehmen wirtschaftlich abhängig sind. Derartige wirtschaftliche Abhängigkeiten können sich namentlich ergeben aus dem Abschluss von Alleinbezugsverträgen (in Fällen, in denen ein Unternehmen praktisch ausschliesslich Ware für einen Dritten produziert) oder von Alleinvertriebsverträgen (in Fällen, in denen ein Unternehmen seine Existenz praktisch ausschliesslich dem Vertrieb eines Drittprodukts verdankt). Zu nennen sind
ferner Darlehens- oder Sicherungsverträge wie Pfandbestellung, Bürgschaft oder Garantie (in Fällen, in denen ein Unternehmen in wirtschaftliche Abhängigkeit gerät, weil es sich bei Dritten in hohem Umfang verschuldet hat).58

53 54 55 56

57 58

Peter V. Kunz, Grundlagen zum Konzernrecht der Schweiz, Bern 2016, S. 40, 75 ff. und 84 ff.

Peter V. Kunz, Grundlagen zum Konzernrecht der Schweiz, Bern 2016, S. 11, 49, 55.

Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht); SR 220.

Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und Kommanditgesellschaft, im GmbHRecht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht) vom 21. Dezember 2007, BBl 2008 1589, S. 1723; Peter V. Kunz, Grundlagen zum Konzernrecht der Schweiz, Bern 2016, S. 11 f.

SR 935.41 Roland von Büren, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/6, Der Konzern, 2. Auflage, Basel 2005, S. 81.

6358

BBl 2017

3.3.5

Sorgfaltsprüfungspflicht

Die Sorgfaltsprüfungspflicht gemäss Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe b E-BV ist ein zentrales Anliegen der Initiative. Sie verlangt gestützt auf die UNO-Leitprinzipien (UNO-Leitprinzip 17 ff.) und die OECD-Leitsätze von den Unternehmen, dass sie die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt identifizieren, zur Verhütung der Verletzung von Menschenrechts- und Umweltstandards geeignete Massnahmen ergreifen oder bestehende Verletzungen beenden sowie darüber Bericht erstatten.

Die Sorgfaltsprüfung soll risikobasiert erfolgen und auch die kontrollierten Unternehmen sowie sämtliche Geschäftsbeziehungen im Ausland mitumfassen. Auf die KMU mit geringen Risiken soll Rücksicht genommen werden. Die konkretere Ausgestaltung der Sorgfaltsprüfungspflicht wird unter Ziffer 4.2.2 behandelt.

3.3.6

Haftungsregelung

Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe c E-BV will für die Haftung eines Unternehmens für das Verhalten eines anderen Unternehmens eine besondere Zurechnungsnorm schaffen. Diese lehnt sich an die bestehende Geschäftsherrenhaftung gemäss Artikel 55 OR an. Sie sieht auch einen Befreiungsbeweis (Sorgfaltsbeweis) vor.

Analogie zur Geschäftsherrenhaftung Nach Artikel 55 des OR haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den seine Hilfspersonen in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht beweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt aufgewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre (Art. 55 Abs. 1 OR).

Die Haftungsregelung der Initiative lehnt sich wie erwähnt an die Geschäftsherrenhaftung an. Demnach sollen die Unternehmen «auch für den Schaden [haften], den durch sie kontrollierte Unternehmen aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten oder internationalen Umweltstandards in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtung verursacht haben; sie haften dann nicht nach dieser Bestimmung, wenn sie beweisen, dass sie alle gebotene Sorgfalt gemäss Buchstabe b angewendet haben, um den Schaden zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.» An die Stelle des Geschäftsherrn und der Hilfsperson bei der Geschäftsherrenhaftung treten somit nach dem Konzept der Initiative das kontrollierende Unternehmen im Inland sowie das kontrollierte Unternehmen, das sich typischerweise im Ausland befindet.

Haftungsvoraussetzungen Voraussetzungen für eine Haftung sind laut Initiative das Vorliegen eines Kontrollverhältnisses zwischen zwei Unternehmen (eine blosse Geschäftsbeziehung genügt nicht), die Verletzung international anerkannter Menschenrechte und/oder internationaler Umweltstandards und ein daraus (d. h. kausal) entstandener Schaden, der in

6359

BBl 2017

Ausübung einer geschäftlichen Verrichtung eingetreten ist (funktioneller Zusammenhang) und das Misslingen des Sorgfaltsbeweises.

Sorgfaltsbeweis Wie erwähnt sollen die Unternehmen laut Initiative (nur) dann nicht haften, wenn sie beweisen können, dass sie alle gebotene Sorgfalt nach Buchstabe b angewendet haben, um den Schaden zu verhüten. Demnach hat nicht der Geschädigte oder das Opfer den Nachweis des Verschuldens zu erbringen. Vielmehr muss das Unternehmen den Sorgfaltsbeweis gemäss Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe b E-BV erbringen.

Bei der Geschäftsherrenhaftung gelingt der Sorgfaltsbeweis, wenn der Geschäftsherr die Anwendung genügender Sorgfalt bei der Auswahl, Instruktion und Beaufsichtigung nachweisen kann. Bei der Haftung gemäss Initiative, d. h. im Verhältnis zwischen kontrollierenden und kontrollierten Unternehmen, stehen vor allem die (genügende) Beaufsichtigung und Überwachung im Zentrum.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Würdigung der Anliegen der Initiative

Der Bundesrat räumt der Einhaltung der Menschenrechte und dem Schutz der Umwelt einen sehr hohen Stellenwert ein. Daher hat er in seiner Legislaturplanung 2016­2019 beide Themenbereiche als ständige und prioritäre Ziele definiert. Die Menschenrechtsaussenpolitik wird in der Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­ 201959 ausgeführt.

Die Unterzeichnung von internationalen Abkommen oder Standards und die Ausgestaltung des nationalen Rechtsrahmens im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz obliegen den jeweiligen Staaten. Staaten mitnichtdemokratischen Regierungsformen, Entwicklungs- und Schwellenländer, sowie gehäuft rohstoffexportierende Länder, zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass sie hinsichtlich des Menschenrechtsschutzes und der Umweltstandards, der Qualität der Regierungsführung sowie der Leistungsfähigkeit ihrer öffentlichen Institutionen oftmals andere, von jenen der Schweiz abweichende Standards kennen. Hinzu kommen häufig wenig stabile volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen inklusive einer wenig wirksamen Wirtschaftspolitik. Die international tätigen Unternehmen tragen eine besondere Verantwortung dafür, diese Umstände nicht für ihr Gewinnstreben auszunützen.

So können der Zugang zu strategisch wichtigen volkswirtschaftlichen Ressourcen wie fossile und mineralische Rohstoffe, Land und Wasser, die Arbeitsbedingungen oder die Praktiken zur Ressourcenausbeutung erhebliche Auswirkungen auf den Zustand der natürlichen Lebensgrundlagen und die Lebensperspektiven betroffener Menschen haben. Diese wiederum sind eine wichtige Voraussetzung für die politische und soziale Stabilität einer Region oder eines Landes, deren Fehlen unter anderem Migrationsbewegungen mitbegünstigen kann.

59

Vgl. Fn 49.

6360

BBl 2017

Die Schweiz setzt sich dafür ein, Missstände möglichst zu verhindern. Dabei strebt der Bundesrat eine optimale Mischung von internationalen und nationalen Massnahmen und Instrumenten verschiedener Verbindlichkeit an. Rechtsverbindliche Massnahmen und eigenverantwortliches Unternehmensverhalten sollten nicht Alternativen darstellen, sondern zusammenwirkende Ansätze, mit denen Synergien genutzt werden können. Gleichzeitig verzichtet der Bund auf Alleingänge und achtet darauf, dass mögliche Regelungen in diesem Bereich international breit abgestützt sind, um eine Benachteiligung des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu verhindern. Auf dieser Grundlage unterstützt der Bundesrat im Kern die Anliegen der Initiative und setzt sich mit gezielten Massnahmen im Bereich der Wirtschaft und Menschenrechte sowie des Umweltschutzes für die Anliegen der Initiative ein.

Der Bundesrat hat ein CSR-Positionspapier samt Aktionsplan, einen Aktionsplan «Grüne Wirtschaft» sowie einen Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) gutgeheissen (siehe Ziff. 5.1­5.3). Diese Instrumente bezwecken unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wirtschaftsfreiheit und der Verhältnismässigkeit insbesondere den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt.

Hinzuweisen ist namentlich auf das Bundesgesetz vom 27. September 201360 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) (NAPPolitikinstrument 2). Die Schweiz hat mit diesem Erlass auf direkte Weise Auslandsaktivitäten von Schweizer Unternehmen reguliert. Darin werden private Sicherheitsdienstleister verpflichtet, den internationalen Verhaltenskodex bezüglich Menschenrechten einzuhalten.61 Ferner hat der Bundesrat dem Parlament kürzlich einen Entwurf einer Regelung unterbreitet, welche die Transparenz der Finanzströme in der Rohstoffbranche erhöhen soll und die sich an der entsprechenden EURegulierung orientiert (NAP-Politikinstrument 15).62 Schliesslich bekämpft die Schweiz dezidiert den Menschenhandel. Sie betreibt seit 2003 beim Bundesamt für Polizei (fedpol) eine nationale Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM) und erfüllt damit internationale Standards. Dabei unterstützt die Schweiz auch den Politikdialog der UNO Sonderberichterstatterin gegen Menschenhandel zur Prävention von Menschenhandel in
Wertschöpfungsketten (NAP-Politikinstrument 42).

Analoge Instrumente zur Sicherstellung der Einhaltung internationaler Umweltstandards durch die schweizerischen Unternehmen in ihren Auslandtätigkeiten kennt die Schweiz bisher noch nicht.

Der Bundesrat erwartet, dass die Unternehmen bei ihren unternehmerischen Aktivitäten und bei denen ihrer Wertschöpfungskette auch potenzielle (negative) Auswirkungen beispielsweise auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kundinnen und Kunden, das gesellschaftliche Umfeld und die Umwelt berücksichtigen sowie die Menschenrechte achten (siehe Ziff. 5.1 und 5.3). Die Erwartungen an die Wirtschaft sind hoch und stellen für sie eine Herausforderung dar. Der Bund anerkennt dabei 60 61 62

SR 935.01 International Code of Conduct Association ICoCA > abrufbar unter: www.icoca.ch/.

Bericht des BR als Medienmitteilung des BR vom 25.06.2014, abrufbar unter www.ejpd.admin.ch > Aktuell > News > 2014.

Gesetzesentwurf und Botschaft als Beilage zur Medienmitteilung des BR vom 23.11.2016, abrufbar unter www.ejpd.admin.ch > Aktuell > 2016.

6361

BBl 2017

das bereits bestehende Engagement der Unternehmen in diesem Bereich. Bedeutende Wirtschaftsverbände haben sich mehrfach zur Einhaltung der Menschenrechte und zum Schutz der Umwelt bekannt.63

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

4.2.1

Umsetzung auf Gesetzesstufe

Bei der Annahme der Initiative müsste deren Inhalt auf Gesetzesstufe umgesetzt werden. Die Initiative gibt vergleichsweise detaillierte Eckwerte für den Gesetzgeber vor. Diese würden eine gute Basis für die Umsetzung auf Gesetzesstufe bilden.

Die Umsetzung könnte in einem Spezialgesetz, im ausservertraglichen Haftpflichtrecht, im Gesellschaftsrecht oder im Rechnungslegungsrecht des Obligationenrechts erfolgen. Zu erweitern wären dabei auch die Berichterstattungspflichten im Rahmen der Jahresrechnung bzw. des Lageberichts. Bei der Umsetzung der Initiative müsste der Gesetzgeber den Anwendungsbereich klar umschreiben. Insbesondere hätte er ­ z. B. mittels Schwellenwerten ­ festzulegen, welche Unternehmen als KMU gelten würden und damit von der Sorgfaltsprüfungspflicht gemäss Initiative ausgenommen wären (es könnten beispielsweise die Schwellenwerte von Art. 727 Abs. 1 Ziff. 2 OR übernommen werden, welche die ordentliche von der eingeschränkten Revision abgrenzen). Die Ausnahmen kämen aber nur zur Anwendung, wenn die Tätigkeit eines Unternehmens nicht mit hohen Risiken im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes verbunden ist. Denkbar wäre auch, die KMU der Regelung im Grundsatz zu unterstellen, ihnen aber zu erlauben, auf die Einhaltung der Vorgaben zu verzichten, falls ihre Tätigkeit keine oder nur geringfügige Risiken aufweist. In diesem Bereich der Umsetzung hätte der Gesetzgeber somit einen gewissen Spielraum.

4.2.2

Sorgfaltsprüfung der Unternehmen

Die Sorgfaltsprüfung gemäss Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe b E-BV verlangt von den Unternehmen, die negativen Auswirkungen zu identifizieren, Massnahmen dagegen zu ergreifen und darüber Bericht zu erstatten. Nachstehend werden diese Pflichten näher beschrieben. Ausserdem wird kurz auf den Umfang der Sorgfaltsprüfung eingegangen.

Identifizieren der negativen Auswirkungen Die möglichen negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt sind laut Initiative umfassend zu prüfen. Zu untersuchen sind die Auswirkungen, die durch die eigene Tätigkeit verursacht werden oder zu denen das Unternehmen beitragen kann oder die mit seiner Geschäftstätigkeit, seinen Produkten oder Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind.

63

www.economiesuisse.ch > dossierpolitik > # 10 / 2016 vom 08.10.2016 Lösungen statt Gerichtsprozesse > Chapter 4 von 7 und 5 von 7.

6362

BBl 2017

Ergreifung von Massnahmen Die Unternehmen haben gemäss Initiative präventiv angemessene Massnahmen zu ergreifen, um Verletzungen zu vermeiden oder zu mildern. Sie müssen tatsächlich eingetretene Verletzungen von Menschenrechts- und Umweltstandards beenden und wiedergutmachen. Die Angemessenheit der Massnahme hängt vom Einflussvermögen des Unternehmens und davon ab, ob das Unternehmen die nachteiligen Auswirkungen selber verursacht oder dazu beigetragen hat oder daran beteiligt war. Zur Sorgfaltsprüfungspflicht gehört ferner die Durchführung einer Wirksamkeitskontrolle hinsichtlich der getroffenen Massnahmen.

Berichterstattungspflicht Die betroffenen Unternehmen müssen am Ende des Prozesses Rechenschaft über ergriffene Massnahmen ablegen. Die Berichterstattung sollte in einer Form erfolgen, welche für die vorgesehenen Zielgruppen verständlich ist. Der Zugang zum Bericht ist zu gewährleisten (z. B. durch Veröffentlichung auf der Homepage). Ausserdem sollte der Bericht überprüfbar sein und mit anderen Berichten verglichen werden können.

Umfang der Sorgfaltsprüfung Der Umfang der Sorgfaltsprüfung ist abhängig von den Risiken. Diese müssen von den Unternehmen priorisiert werden. Die risikobasierte Sorgfaltsprüfung soll frühzeitig, d. h. bereits zu Beginn einer neuen Tätigkeit oder Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung durchgeführt werden. Dies deshalb, weil menschenrechtliche Risiken bei der Vertragsgestaltung gesteigert oder gemildert werden können. Im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen oder -übernahmen besteht die Gefahr einer Übernahme solcher Risiken. Die Unternehmen haben zudem den menschenrechtlichen Kontext zu bewerten. Sie müssen namentlich mögliche betroffene Personenkreise identifizieren (z. B. verletzliche oder marginalisierte Bevölkerungsteile) und die bekannten Menschenrechtsprobleme katalogisieren. Schliesslich haben sie zu prognostizieren, wie sich geplante Aktivitäten auf die Menschenrechte und die Umwelt nachteilig auswirken könnten.

Bei der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung ist auf internes oder externes unabhängiges Fachwissen zurückzugreifen (z. B. eigenes Personal, externe Gutachterinnen und Gutachter, internationale Organisationen, Staaten, Nichtregierungsorganisationen, Medien usw.). Potenziell von Verletzungen betroffene Gruppen und andere Stakeholder sind im Rahmen
der Sorgfaltsprüfung zu konsultieren.

Die Sorgfaltsprüfung erstreckt sich gemäss internationalem Standard (neben den kontrollierten Unternehmen) auch auf sämtliche Geschäftsbeziehungen der betroffenen Unternehmen, also auch auf die gesamte, weltweite Wertschöpfungs- oder Lieferkette. So müsste beispielsweise ein Schweizer Modeunternehmen prüfen, ob die ausländischen Textilverarbeitungsbetriebe (Lieferanten) sowie deren Zulieferer von textilen Stoffen und Verarbeiter von Baumwolle (Unterlieferanten) Menschenrechts- und Umweltverletzungen begangen haben. Zusätzlich müssten, falls möglich, entsprechende Massnahmen ergriffen werden und das Unternehmen hätte darüber Bericht zu erstatten. Bei den Geschäftsbeziehungen sind namentlich die Zahl der Zulieferer, die Struktur und die Komplexität der Lieferkette, die Marktstellung des 6363

BBl 2017

betroffenen Unternehmens im Verhältnis zu seinen Zulieferern und die konkrete Ausgestaltung der Lieferverträge zwischen den betroffenen Unternehmen zu berücksichtigten.

4.2.3

Haftung auch für kontrollierte Unternehmen im Ausland

Bei Annahme der Initiative müsste das Parlament im Gesetz ausdrücklich einen neuen Tatbestand für eine Konzernhaftung verankern oder das bestehende Haftungsregime entsprechend erweitern. Demnach müssten Schweizer Unternehmen zivilrechtlich auch für finanzielle Schäden haften, die durch von ihnen kontrollierte Unternehmen im Ausland aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten und internationalen Umweltstandards verursacht wurden, falls ihnen der Sorgfaltsnachweis nicht gelingt. Das folgende Beispiel soll dies illustrieren: Ausgangspunkt ist ein Lieferverhältnis mit drei beteiligten Unternehmen. Ein Schweizer Unternehmen importiert und verkauft im Ausland hergestellte Mobiltelefone, welche es beim ausländischen Produzenten, einer Tochtergesellschaft des Schweizer Unternehmens (Muttergesellschaft), bezieht. Dieser Produzent verwendet für die Herstellung ein kostengünstiges, jedoch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hochgiftiges Lösungsmittel.. Dieses Lösungsmittel wird von einer Unterlieferantin der Mobiltelefonproduzentin hergestellt. Sowohl die Herstellung der Mobiltelefone wie auch des Lösungsmittels verursachen schwerste gesundheitliche Probleme, die teilweise sogar zum Tod führen. Mit dieser Produktionsmethode könnten sowohl die Mobiltelefonproduzentin als auch die Unterlieferantin internationale Menschenrechtsstandards verletzen. Dies vorausgesetzt, müsste die Schweizer Muttergesellschaft für den Schaden der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. ihrer Angehörigen haften, den die ausländische Tochtergesellschaft bei der Herstellung der Mobiltelefone verursacht hat. Die Schweizer Muttergesellschaft haftet dann nicht,, wenn sie beweisen kann, dass sie alle gebotene Sorgfalt gemäss den Vorgaben der Initiative angewendet hat, um den Schaden zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.

Die Haftungsregelung beschränkt sich somit (im Gegensatz zur Sorgfaltsprüfungspflicht) nur auf kontrollierte Unternehmen. Sie bezieht sich jedoch grundsätzlich nicht auf die Geschäftsbeziehungen bzw. die Lieferkette. So würde die Schweizer Mobiltelefonverkäuferin im vorliegenden Fallbeispiel für vom ausländischen Lösungsmittelhersteller (Unterlieferanten) begangene Menschenrechtsverletzungen nicht haften, da zwischen den beiden kein Kontrollverhältnis im Sinne der Initiative vorliegt.

6364

BBl 2017

4.3

Vorzüge der Initiative

4.3.1

Wichtige Kernanliegen der Initiative

Die Initiative möchte die weltweite Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards durch Schweizer Unternehmen sicherstellen und unter anderem Elemente der UNO-Leitprinzipien rechtlich verbindlich umsetzen. Sie verfolgt somit gesellschaftlich bedeutende Anliegen, die auch der Bundesrat und die Wirtschaft im Kern unterstützen (siehe Ziff. 4.1). Der Bundesrat möchte jedoch die Begehren der Initiantinnen und Initianten nicht mit den Instrumenten der Initiative umsetzen, sondern mittels verschiedener, bereits verabschiedeter Aktionspläne und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft (siehe Ziff. 5).

4.3.2

Vorreiterrolle

Die Schweiz könnte eine Vorbild- und Vorreiterrolle im Bereich des internationalen Menschenrechts- und Umweltschutzes einnehmen und neue Regulierungsstandards setzen. Diese könnten von den Schweizer Unternehmen als Gütesiegel für die Unternehmensverantwortung, die sogenannte Compliance, verwendet werden (mit dem Begriff «Compliance» ist die Befolgung oder Einhaltung der rechtlichen Vorgaben einer Rechtsordnung gemeint). Bei den grösseren Schweizer Unternehmen könnten die Standards als neues Führungsinstrument in die bestehenden Strukturen (Compliance-Abteilungen) integriert werden.

4.4

Mängel der Initiative

4.4.1

Fehlende internationale Abstimmung und Wettbewerbsnachteile

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mögliche Regelungen in diesem Bereich international breit abgestützt sein sollen, um eine Benachteiligung des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu verhindern. Die Massnahmen, welche die Initiative einführen will, sind aber nicht international abgestimmt. Das betrifft insbesondere die verlangte ausdrückliche Sorgfaltsprüfungspflicht und die strenge Haftungsregelung. Weltweit kennt soweit ersichtlich keine andere Rechtsordnung solche umfassenden Massnahmen mit einer vergleichbar strengen Haftungsregelung. Die Umsetzung der Initiative in der Schweiz dürfte für die betroffenen Unternehmen mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen verbunden sein. Ein solcher Alleingang würde den Wirtschaftsstandort Schweiz gefährden.

Die Initiative will eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erwirken, damit das Unternehmen auch für Verletzungen von Menschenrechts- und Umweltstandards haftet, die von ihm kontrollierte Unternehmen oder Konzernuntergesellschaften im Ausland begehen. Damit würde die bestehende Haftung für Konzernuntergesellschaften nach Schweizer Recht erheblich erweitert. Dies könnte Wettbewerbsnachteile für die betroffenen Unternehmen zur Folge haben. Namentlich könnten Schweizer Unternehmen deswegen ins Ausland wegziehen, was zum Verlust von 6365

BBl 2017

Arbeitsplätzen führen würde. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf den seit längerer Zeit starken Franken sowie die Unsicherheiten, mit denen die Schweizer Unternehmen derzeit konfrontiert sind (abgelehnte Unternehmenssteuerreform III, bilaterale EU etc.). Die negativen Folgen wären gross: Rund ein Drittel der Arbeitsplätze, der Steuereinnahmen und des Bruttoinlandprodukts entfallen in der Schweiz auf international tätige Konzerne. Die Wettbewerbsnachteile könnten auch dazu führen, dass weniger Unternehmen in die Schweiz ziehen oder hier gegründet werden.

Ein Schweizer Alleingang würde zudem dazu führen, dass die Wirkungen der Initiative leicht umgangen werden könnten: Die betroffenen Unternehmen könnten ihren Sitz ins Ausland verlegen, was bei Domizilgesellschaften problemlos möglich ist.

Auch ganze Produktionsbetriebe werden von international tätigen Unternehmen regelmässig ins Ausland verlagert, wenn die dortigen Rahmenbedingungen für sie günstiger sind. Die Annahme der Initiative könnte zu solchen Verlagerungen der Produktionsstätten ins Ausland führen. Die Unternehmen könnten sich somit der vorgeschlagenen Regelung entziehen. Sofern nicht gleichzeitig weltweit vergleichbare Haftungsnormen eingeführt werden, würde die Initiative den Geschädigten nur wenig bis gar nicht helfen.

4.4.2

Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen

Bei der Sorgfaltsprüfungspflicht sieht die Initiative zwar Erleichterungen für KMU vor, die geringen Risiken aufweisen. Die Wirtschaft befürchtet allerdings, dass in der Praxis die multinationalen Unternehmen die neuen Pflichten der Initiative, die sie selbst einhalten müssten, mittels «Back-to-back»-Verträgen auf ihre Zulieferer im Ausland und in der Schweiz weiterübertrügen, um damit ihr eigenes Haftungsrisiko zu reduzieren. Dies würde dazu führen, dass faktisch insbesondere auch KMU, die Zulieferer internationaler Unternehmen sind, unter die Sorgfaltsprüfungspflicht der Initiative fielen. Diesen Befürchtungen ist entgegenzuhalten, dass der Initiativtext dem Gesetzgeber bei der Umschreibung der Ausnahmen von der Sorgfaltsprüfungspflicht für KMU explizit einen Ermessenspielraum einräumt, um den besonderen Bedürfnissen dieser Unternehmen Rechnung zu tragen.

4.4.3

Eingriff in die Souveränität anderer Länder

Die Unternehmen haften gemäss Initiative auch für den Schaden, den durch sie kontrollierte Unternehmen aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten oder internationalen Umweltstandards in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtung verursacht haben. Dies obgleich der Handlungsort, d. h. der Ort, wo die internationalen Menschenrechte und Umweltstandards verletzt wurden, sich im Ausland befunden hat und auch dort der Schaden eingetreten ist. Nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts sind für Klagen aus unerlaubter Handlung die Gerichte am Wohnsitz des Beklagten oder die Gerichte am Handlungsbzw. Erfolgsort zuständig. Die Initiative will eine Verschiebung der Zuständigkeit 6366

BBl 2017

auf Schweizer Gerichte herbeiführen. Damit fallen die örtliche Zuständigkeit des Gerichts und der Schadensort auseinander. Es besteht die Gefahr, mit einer solchen Regelung einem ausländischen Staat zu signalisieren, sein Recht sei «unzureichend» und dessen Gerichte seien «inkompetent». Das könnte als indirekter Eingriff in die Souveränität des ausländischen Staats aufgefasst werden und allenfalls zu politischen und wirtschaftlichen Problemen der Schweiz mit den betroffenen Staaten führen.

4.4.4

Schwierige Beweiserhebung und geringer Sachverhaltsbezug zur Schweiz

Im Falle der Annahme der Initiative müssten Schweizer Gerichte vermehrt ausländische Sachverhalte (Verletzung internationaler Menschenrechts- oder Umweltstandards, Eintritt und Höhe des Schadens) beurteilen, die sich auch ausserhalb der Schweiz abgespielt haben. Die Durchführung von Amtshandlungen auf fremden Territorien ist grundsätzlich verboten. Die bereits heute aufwendige Erhebung von Beweismitteln bei grenzüberschreitenden Sachverhalten durch die Schweizer Gerichte auf dem Weg der Rechtshilfe in Zivilsachen würde bei einer Annahme der Initiative wohl zunehmen.

Gemäss der Initiative wird nicht das Recht angewendet, mit dem der Sachverhalt am engsten zusammenhängt (Recht des Handlungs- oder Erfolgsortes) oder welches die Parteien gewählt haben, sondern immer das Schweizer Recht. Dies stellt einen Eingriff in die Parteiautonomie dar und bricht mit anerkannten Grundsätzen des Internationalen Privatrechts. Des Weiteren ist ­ insbesondere bei Domizilgesellschaften, die nur über geringe Vermögenswerte in der Schweiz verfügen ­ fraglich, ob allfällige Schweizer Urteile im Ausland überhaupt durchgesetzt werden könnten.

Es besteht die Gefahr, dass ein Verfahren in der Schweiz den Geschädigten letztlich nicht weiterhilft.

4.4.5

Kostenfolgen

Die Umsetzung der Initiative wäre mit zusätzlichen Kosten für die von der Sorgfaltsprüfungs- und Berichterstattungspflicht betroffenen Unternehmen verbunden.

Namentlich die administrative Durchführung der Sorgfaltsprüfung in allen kontrollierten Unternehmen und in der gesamten Lieferkette würde zu Mehrkosten führen.

Wie hoch diese ausfallen würden, lässt sich wegen der Länge der Lieferkette nicht sagen.

KMU sind von der Sorgfaltsprüfungspflicht ebenfalls erfasst, sofern sie erhebliche Risiken aufweisen. Wie viele Unternehmen von den derzeit 576 559 laut Bundesamt für Statistik in der Schweiz existierenden KMU (99,73 % aller 578 121 Unternehmen in der Schweiz)64 von der Sorgfaltsprüfungspflicht betroffen wären und zusätz64

Firmen und Beschäftigte, abrufbar unter www.kmu.admin.ch > KMU Politik > Die Schweizer KMU-Politik: Zahlen und Fakten > KMU in Zahlen: Firmen und Beschäftigte.

6367

BBl 2017

liche Kosten zu tragen hätten, kann nicht verlässlich abgeschätzt werden, da dies wie erwähnt von den Risiken der Unternehmen im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes abhängt. Solche Risiken könnten sich insbesondere in der Rohstoff-, Finanz-, Landwirtschafts-/Lebensmittel- und Textilbranche manifestieren. Ein wohl erhebliches Kostenrisiko hätte die Umsetzung der strengen Haftungsnorm mit Beweislastumkehr zur Folge, weil vor den Schweizer Gerichten auch Schadenersatz für von kontrollierten Unternehmen im Ausland begangenen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschutzverstössen eingeklagt werden könnte. Die betroffenen Unternehmen würden vermutlich versuchen, die Haftungsrisiken, soweit möglich, zu versichern, was ebenfalls mit finanziellem Aufwand verbunden wäre.

Relativierend ist zu ergänzen, dass schon nach geltendem Recht die «Compliance» sowie die «Corporate Social Responsibility» zu den unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats der Aktiengesellschaft (Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 OR) gehören. Die Beachtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes kann bereits als von der Sorgfalts- und Treuepflicht des Verwaltungsrats erfasst gelten (Art. 717 Abs. 1 OR).

Das trifft namentlich auf die Organe international tätiger Unternehmen zu. Schliesslich verlangt das geltende Rechnungslegungsrecht (Art. 957 ff. OR) von grösseren Unternehmen, die von Gesetzes wegen zur ordentlichen Revision der Jahresrechnung (Art. 727 ff. OR) verpflichtet sind, u. a. die Erstellung eines jährlichen Lageberichts (Art. 961 Ziff. 3 OR). Darin müssen namentlich der Geschäftsverlauf und die wirtschaftliche Lage dargelegt werden; ferner muss dieser Aufschluss über die Durchführung einer Risikobeurteilung geben (Art. 961c Abs. 2 Ziff. 2 OR). Zu den zu prüfenden Risiken gehören auch die Konsequenzen, die sich aus Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschutzverstössen und unterlassenen Massnahmen zu deren Beseitigung ergeben können. Ferner fallen auch Reputationsrisiken darunter.

Ein Reputationsschaden kann sich stark negativ auf die finanzielle Situation (Gewinn, Börsenkurs usw.) der betroffenen Unternehmen auswirken. Rechtskosten und Reputationsschäden dürften im Falle einer Verletzung menschenrechtlicher und umweltbezogener Mindeststandards um ein Vielfaches höher sein als die Kosten der Einführung eines CSR-Systems
und dessen Einhaltung.65 Die Kosten der Einhaltung von freiwilligen CSR-Standards sowie einer entsprechenden Berichterstattung variieren je nach methodischem Ansatz und Firmengrösse. Der Status quo ist also auch nicht frei von Kostenrisiken.

Mangels konkreter Gerichtsentscheide offen ist schliesslich die Frage, ob ein Unternehmen, das vorgibt, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen, dies aber in Wirklichkeit nicht tut, unlauteren Wettbewerb gemäss Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb66 (UWG) begeht.67

65

66 67

Discussion Paper: Costs if you do, costs if you don't. Promoting responsible business & reporting ­ challenges for policy makers. ECDPM Discussion Paper No. 176. May 2015.

Author: Bruce Byiers and Justin Bessems.

SR 241 Siehe dazu Kathrin Betz / Mark Pieth, Globale Finanzflüsse und nachhaltige Entwicklung: Auch eine Folge von «Panama»?. In: ZSR, Band 135 (2016) I Heft, 4, S. 369.

6368

BBl 2017

4.5

Freiwilliges Engagement der Wirtschaft

Die Schweizer Wirtschaft anerkennt und achtet als Grundstein für das moderne Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen (siehe Ziff. 5.3) die UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte, die Aktualisierung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sowie die daraus abgeleiteten Strategien auf nationaler Ebene.68 Dazu gehören insbesondere der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP siehe Ziff. 5.1) und das CSRPositionspapier (siehe Ziff. 5.3). Die Wirtschaft verlangt aber im Bereich der Einhaltung der Menschenrechte und Umweltstandards eine international abgestimmte Vorgehensweise. Demnach verschliesst sich die Wirtschaft nicht dem internationalen Trend nach mehr Transparenz. Massgebend sind diesbezüglich insbesondere die Entwicklungen in der EU im Zuge der Umsetzung ihrer Richtlinie (RL 2014/95/EU) betreffend nicht-finanzieller Berichterstattung.

Des Weiteren ist auf das Vernehmlassungsverfahren hinzuweisen, das die SIX Exchange Regulation im Mai 2016 zur Frage der Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung durchgeführt hat.69 Sie wird voraussichtlich in diesem Jahr über das weitere Vorgehen im Bereich der Offenlegung nichtfinanzieller Informationen entscheiden. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung dürfte in das Regulatorium der SIX Exchange Regulation aufgenommen werden, jedoch grundsätzlich freiwillig bleiben. Entschliesst sich ein kotiertes Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, hätte diese aber zwingend einem von der Börse anerkannten, internationalen Standard zu entsprechen. Damit wäre die Qualität der veröffentlichten Nachhaltigkeitsberichte sichergestellt.70 Zahlreiche grosse Unternehmen setzen bereits freiwillige Massnahmen um. Sie berichten nicht nur über die Finanzkennzahlen, sondern auch über die Nachhaltigkeit oder die unternehmerische Verantwortung und die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Gesellschaft und Umwelt.71 Dabei betonen sie auch ihre Anstrengungen zugunsten der Mitarbeitenden, der Umwelt und der Menschenrechte. Diese nichtfinanziellen Informationen werden entweder in die jährlichen Geschäftsberichte integriert oder in separaten Nachhaltigkeitsberichten festgehalten. Immer mehr Unternehmen wenden bei der Erstellung ihrer freiwilligen Nachhaltigkeitsberichte den Leitfaden der «Global Reporting Initiative»
(GRI, siehe Ziff. 2.2.7) oder andere international anerkannte Standards an. Teilweise werden die Berichte zusätzlich von unabhängigen Revisionsunternehmen überprüft.

Der Bundesrat anerkennt das Engagement der Schweizer Wirtschaft. Sollten die bestehenden Massnahmen der Unternehmen aber hinter den Erwartungen des Bundesrates zurück bleiben (siehe Ziff. 2.5, 4.1, 5.1.2 und 5.2), behält sich der Bundes68 69 70 71

Siehe Fn. 62.

SIX Exchange Regulation; Vernehmlassung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vom 13. Mai 2016; Vernehmlassungen.

Von SIX Exchange Regulation anerkannte internationale Standards / Regelwerke zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Beispiele für Nachhaltigkeitsberichte: Swisscom Nachhaltigkeitsbericht 2016; Novartis Geschäftsbericht 2016; Credit Suisse Group: Unternehmerische Verantwortung Bericht 2016; Nestlé in society Creating Shared Value and meeting our commitments 2016; Swatch Group Geschäftsbericht 2016; Geberit Geschäftsbericht 2016 etc.

6369

BBl 2017

rat vor, weitere Massnahmen bis hin zu rechtlich bindenden Instrumenten in Erwägung zu ziehen.

5

Antwort auf die Initiative

Der Bundesrat lehnt die Initiative aufgrund der oben erwähnten Nachteile ab (Ziff. 4.4), obgleich er deren Kernanliegen unterstützt. Zur Verwirklichung der Anliegen der Initiative setzt er insbesondere auf die folgenden Instrumente: ­

den am 9. Dezember 2016 gutgeheissenen «Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte», inklusive des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (siehe Ziff. 5.1);

­

den am 8. März 2013 verabschiedeten Bericht «Grüne Wirtschaft: Berichterstattung und Aktionsplan»; darauffolgend verabschiedete der Bundesrat am 20. April 2016 den Bericht «Grüne Wirtschaft ­ Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz» (siehe Ziff. 5.2) sowie

­

den Bericht «Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt» vom 1. April 2015 (siehe Ziff. 5.3).

­

Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit, mit welchen die Kernanliegen der Initiative in Partnerländern der Schweiz gefördert werden (siehe Ziff. 5.4)

5.1

Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)

Am 9. Dezember 2016 hat der Bundesrat den «Bericht über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» gutgeheissen.72 Darin enthalten ist auch ein Nationaler Aktionsplan (NAP). Dieser basiert auf einem Mix von 50 rechtlich verbindlichen und nicht verbindlichen Politikinstrumenten (Pi) zur Förderung der Einhaltung der Menschenrechte durch Schweizer Unternehmen als Mitverantwortungsträger.

Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale des NAP (siehe Ziff. 5.1.1 und 5.1.2) sowie die im Zusammenhang mit der Initiative relevanten Politikinstrumente kurz dargestellt (siehe Ziff. 5.1.3 ff.).

Ein analoger Aktionsplan zur Sicherstellung der Einhaltung internationaler Umweltstandards durch die schweizerischen Unternehmen bei ihren Auslandtätigkeiten kennt die Schweiz bisher noch nicht.

72

Bericht als Beilage zur Medienmitteilung des BR vom 9. Dezember 2016, abrufbar unter www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen.

6370

BBl 2017

5.1.1

Instrumenten-Mix

Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Wirtschaftsfreiheit73 und nach Massgabe des Verhältnismässigkeitsprinzips74 setzt der Bund im NAP seine Schutzpflicht mit Hilfe eines Mix von rechtlich verbindlichen und nicht verbindlichen Massnahmen um. Die Gesamtheit der Massnahmen soll bei einer möglichst geringen Belastung der Unternehmen einen wirkungsvollen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch in der Schweiz ansässige oder tätige Unternehmen gewährleisten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mögliche Regelungen in diesem Bereich international breit abgestützt sein sollen, um eine Benachteiligung des Wirtschaftsstandorts Schweiz zu verhindern (level playing field). Demgegenüber müsste die Initiative auf Gesetzesstufe (fast) ausschliesslich in verbindliches Recht umgesetzt werden. Dies entspräche nicht den Vorstellungen des Bundesrates, wie eine intelligente Mischung aus rechtlich verbindlichen und nichtverbindlichen Massnehmen für die Schweiz zusammengesetzt werden sollte (Ziff. 2.2.2).

5.1.2

Verantwortung von Unternehmen

Gemäss NAP erwartet der Bundesrat von den Unternehmen, dass sie in der Schweiz und überall, wo sie tätig sind, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nachkommen. Sie sollen demnach bei ihren unternehmerischen Aktivitäten und jenen ihrer Zulieferer auch mögliche negative Effekte beispielsweise auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kundinnen und Kunden, und die Öffentlichkeit berücksichtigen.

Diese Haltung des Bundesrates deckt sich auch mit der in Artikel 101a Absatz 2 Buchstabe a E-BV verankerten Respektierung der international anerkannten Menschenrechte und internationalen Umweltstandards der Unternehmen.

In Übereinstimmung mit den UNO-Leitprinzipien obliegt gemäss NAP die Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte grundsätzlich allen Unternehmen.75 Ihre Grösse, der Sektor, dem sie angehören, ihr operatives Umfeld, ihre Eigentumsverhältnisse oder ihre Struktur sind dabei unerheblich.

5.1.3

Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte

Die Stossrichtung, die der Bundesrat hinsichtlich einer Sorgfaltsprüfung der Unternehmen im Bereich Menschenrechte verfolgt, lässt sich direkt insbesondere aus dem Politikinstrument 1 («Sorgfaltsprüfung im Bereich der Menschenrechte») des Nationalen Aktionsplans entnehmen.76 Demnach unterstützt der Bundesrat das Anliegen der Initiantinnen und Initianten bezüglich der Sorgfaltsprüfung grundsätzlich. Er erwartet von den Unternehmen, dass sie auch ohne gesetzliche Verpflichtung eine 73 74 75 76

Art. 27 BV Art. 5 BV Zu den KMU siehe Ziff. 3.2, 3.3.6, 4.2.1, 4.3.4, 4.3.9 und 5.3.

Weiter wird die Sorgfaltsprüfung im NAP auch direkt unter Pi 8, Pi 12, Pi 13, Pi 17, Pi 18, Pi 19, Pi 20, Pi 22, sowie Pi 25 behandelt und indirekt in Pi 2, Pi 6, Pi 9, Pi 11, Pi 16, Pi 23, Pi 24, Pi 36, Pi 42 und Pi 48.

6371

BBl 2017

Sorgfaltsprüfung gemäss den UNO-Leitprinzipien durchführen. Eine solche Sorgfaltsprüfung ermöglicht es den Unternehmen, ihre menschenrechtliche Verantwortung gebührend wahrzunehmen. Sie sollen ihre Selbstverpflichtung zur Achtung der Menschenrechte auch kommunizieren.

Mögliche Regelungen imBereich Sorgfaltsprüfung müssten international breit abgestützt werden, um eine Benachteiligung des Wirtschaftsstandortes Schweiz zu verhindern und die Effizienz solcher Regelungen sicherzustellen.

5.1.4

Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder die Rechenschaftsablage wird im NAP unter dem Politikinstrument 13 («Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen») behandelt.77 Diesem Politikinstrument zufolge empfiehlt der Bundesrat den Unternehmen, die menschenrechtlichen Risiken, die sie beispielsweise im Rahmen ihrer Sorgfaltsprüfung identifiziert haben, in die Nachhaltigkeitsberichte aufzunehmen. Er setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Förderung und Harmonisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ein (Politikinstrument 12).

Der Bundesrat verfolgt die Entwicklungen bezüglich der EU-Richtlinie 2014/95/EU in Bezug auf die rechtsverbindliche Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen aufmerksam. Er ist bereit, allfällige Massnahmen in diesem Bereich möglichst im Einklang mit internationalen Regulierungen zu prüfen und beabsichtigt eine Vernehmlassungsvorlage zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuarbeiten, die sich an der Regelung in der EU orientiert. Eine allfällige Vernehmlassungsvorlage soll erst ausgearbeitet werden, wenn bessere Kenntnis über die Umsetzungsmassnahmen in den EU-Mitgliedstaaten besteht.78 Ferner sei darauf hingewiesen, dass das Rechnungslegungsrecht von sämtlichen Unternehmen, die der ordentlichen Revision der Jahresrechnung gemäss Artikel 727 OR unterliegen, als Teil ihres Lageberichts eine generelle Risikobeurteilung verlangt. Dies schliesst gegebenenfalls Menschenrechtsrisiken ein. Börsenkotierte Unternehmen sind zudem nach Artikel 53 des Kotierungsreglements zur Berichterstattung über menschenrechtliche Belange verpflichtet, sofern diese Auswirkungen auf den Aktienkurs haben. Der Bundesrat empfiehlt, die Risiken im Bereich Menschenrechte und Umwelt, die Unternehmen beispielsweise im Rahmen ihrer Sorgfaltsprüfung identifiziert haben, in die Nachhaltigkeitsberichte aufzunehmen.

Der Bundesrat verfolgt ausserdem die internationalen Entwicklungen zu Transparenzvorschriften im Bereich des Handels mit Mineralien aus Konfliktgebieten, insbesondere in der EU und beobachtet deren Auswirkungen auf die Schweizer Wirt77 78

Weiter wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung indirekt auch unter Pi 6, Pi 8, Pi 11, Pi 12 Pi 15, Pi 22, Pi 25, Pi 36, und Pi 43 behandelt.

Gutachten Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung (SIR), Lausanne, vom ..., Zwischenberichte 1 und 2 sowie Schlussbericht, verfügbar unter ...

Der Stand der Umsetzung der Richtline 2014/95/EU ist abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu > Nationale Umsetzung.

6372

BBl 2017

schaft.79 Sollte die EU ein Zertifizierungssystem oder Offenlegungspflichten für Unternehmen einführen, hätte der Bundesrat zu erwägen, darauf abgestimmte geeignete Vorschläge für eine Schweizer Lösung zu unterbreiten (vgl. Politikinstrument 25 «Vorschriften zu Transparenz und Sorgfaltsprüfungen betreffend Mineralien aus Konfliktgebieten»).

5.1.5

Zugang zu Abhilfe oder zu Wiedergutmachung

Der Zugang zu Abhilfe oder Wiedergutmachung wird im Nationalen Aktionsplan insbesondere direkt unter dem Politikinstrument 45 («Abklärungen zum Zugang zu Schweizer Gerichten und Abbau praktischer und verfahrensmässiger Schranken») behandelt.80 Der Bundesrat bekennt sich im NAP in Übereinstimmung mit dem Leitprinzip 25 der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zur Pflicht, den Zugang zu Abhilfe für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen sicherzustellen, die sich im Hoheitsgebiet der Schweiz oder unter der schweizerischen Jurisdiktion ereignet haben. Er verlässt sich dabei auf das gut funktionierende Schweizer Justizsystem und auf alternative, nicht-gerichtliche Mechanismen zur Streitbeilegung, namentlich den Nationalen Kontaktpunkt (NKP) (siehe Ziff. 2.2.3).

Ein weiteres Thema ist die Frage des Zugangs zu den schweizerischen Gerichten bei Menschenrechtsverletzungen im Ausland, um Wiedergutmachung zu erhalten. Der Bund hat bereits entsprechende Studien und Analysen dazu in Auftrag gegeben. So sind derzeit das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) und das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung (SIR) daran, einen entsprechenden Bericht zu erstellen. Dieser erfüllt u. a. einen Teil des Auftrags des Postulats 14.3663 «Zugang zu Wiedergutmachung». Gestützt auf die Analyseergebnisse wird der Bundesrat in Erfüllung des Postulats prüfen, ob allfällige weitere Massnahmen im Bereich des Zugangs zu den Gerichten zu treffen sind.

Ein Wiedergutmachungsmechanismus in Form einer Haftungsregelung, wie sie in der Initiative enthalten ist, geht dem Bundesrat zu weit. Dies deshalb, weil eine solche Haftung strenger wäre, als in allen anderen Rechtsordnungen, soweit diese überhaupt entsprechende Haftungsnormen kennen. Die Einführung einer der Initiative entsprechenden Haftungsregelung im Alleingang würde den Wirtschaftsstandort Schweiz gefährden und es den Unternehmen ermöglichen, den Regelungen durch Wegzug ins Ausland zu entgehen.

79 80

Conflict minerals: MEPs secure due diligence obligations for importers; Press release 16.03.2017.

Weiter werden der Zugang zu Abhilfe oder Wiedergutmachung direkt unter Pi 41, Pi 46 sowie Pi 48 behandelt und indirekt in Pi 6, Pi 8, Pi 11, Pi 22, Pi 36, Pi 43 Pi 47, Pi 49 und Pi 50.

6373

BBl 2017

5.1.6

Umsetzung, Überprüfung und Aktualisierung des NAP

Der Bundesrat setzt den NAP rasch und effizient um. Er wird die Umsetzung des NAP regelmässig prüfen und darüber Bericht erstatten. Nach Ansicht des Bundesrates ist es gerechtfertigt, dass der NAP neu alle zwei Jahre überprüft und, wenn nötig, aktualisiert wird. Ein Kernelement der Aktualisierung und Basis für die Überarbeitung des Nationalen Aktionsplans wird eine bundesextern durchzuführende Analyse des Schweizer Kontexts im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte sowie die Identifizierung allfälliger Lücken bei der Umsetzung der UNO-Leitprinzipien durch die Schweiz bilden (vgl. Antwort des Bundesrates auf die Interpellation 16.4092, eingereicht von Anne Seydoux-Christe am 15. Dezember 2016, mit dem Titel «Bericht über den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte. Wirksamkeit freiwilliger Massnahmen»81). Im Rahmen der regelmässigen Überprüfung der Umsetzung des NAP des Bundesrates ist es möglich, einen Ausbau der bestehenden Politikinstrumente in Gebieten zu erwägen, welche die Kernanliegen der Initiative aufnehmen, zum Beispiel im Bereich der Förderung von Sorgfaltsprüfungen oder Umsetzungs- und Rechenschaftsablagemechanismen.

5.2

Aktionsplan Grüne Wirtschaft

Basierend auf Artikel 73 BV streben Bund und Kantone ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen anderseits an. In diesem Rahmen wurde am 8. März 2013 vom Bundesrat der Aktionsplan Grüne Wirtschaft verabschiedet.

Er soll in erster Linie das freiwillige Engagement der angesprochenen Akteure unterstützen und die Potenziale zur Ressourceneffizienz und -schonung ausschöpfen.

Gemeint ist damit ein Verhalten, das die Knappheit begrenzter Ressourcen und die Regenerationsfähigkeit erneuerbarer Ressourcen berücksichtigt, aber auch die Ressourceneffizienz verbessert und damit die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und die Wohlfahrt insgesamt stärkt. Zur Förderung und Umsetzung der «Grünen Wirtschaft» hat der Bundesrat im Aktionsplan diverse Massnahmen vorgesehen, welche insbesondere folgende Umsetzungsschwerpunkte umfassen: ­

Konsum und Produktion,

­

Abfälle und Rohstoffe sowie

­

übergreifende Instrumente.

Der letztgenannte Schwerpunkt ist im Zusammenhang mit der Initiative besonders erwähnenswert. In den übergreifenden Instrumenten bringt der Bundesrat zum Ausdruck, dass er von der Schweizer Wirtschaft erwartet, dass sie sich international verstärkt in Sachen Umweltschutz engagiert. Weil ein Grossteil der Schweizer Gesamtumweltbelastung im Ausland verursacht wird, kommt der internationalen Dimension von Massnahmen zur Reduktion des Verbrauchs natürlicher Ressourcen eine zentrale Bedeutung zu.

81

Abrufbar unter www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista.

6374

BBl 2017

Mit dem am 20. April 2016 verabschiedeten Bericht «Grüne Wirtschaft ­ Massnahmen des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz» (siehe Ziff. 2.3.7) zieht der Bundesrat Bilanz über die Umsetzung des vorerwähnten Aktionsplans Grüne Wirtschaft» 2013. Der Bund hat im Aktionsplan gezielte Massnahmen vorgeschlagen, um die Grundlagen für eine grüne Wirtschaft zu verbessern. Die bereits laufenden Massnahmen sollen gemäss dem Bericht weitergeführt, weiterentwickelt und abgeschlossen werden. Seit 2013 sind neue Massnahmen hinzugekommen. Der Bund möchte insbesondere in den Bereichen nachhaltige öffentliche Beschaffung und Abfallvermeidung zusätzliche Anstrengungen unternehmen. Er unterstützt aber auch das Engagement der Unternehmen und der Gesellschaft. Zudem zeigt der Bericht die Weiterentwicklung der grünen Wirtschaft basierend auf den bestehenden gesetzlichen Grundlagen auf. Die vorgesehenen Massnahmen 2016­2019 sollen in erster Linie das freiwillige Engagement der angesprochenen Akteure unterstützen. Zudem bezwecken sie, die Potenziale zur Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung besser auszuschöpfen. Sie sind richtungsweisend für das Engagement des Bundes für eine ressourcenschonende, zukunftsfähige Schweiz.

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) oder das Bundesamt für Umwelt (BAFU) wird alle vier Jahre Bericht erstatten über den Stand der Umsetzung der Massnahmen, die erreichten Fortschritte sowie über die Weiterentwicklung, das nächste Mal Ende 2019.

5.3

CSR-Positionspapier und -Aktionsplan des Bundesrates

Am 1. April 2015 hat der Bundesrat den Bericht «Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, Positionspapier und Aktionsplan des Bundesrates zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt» (CSR-Positionspapier) verabschiedet.82 Auch dieser Bericht enthält einen Aktionsplan, der die Anliegen der Initiative teilweise berücksichtigt.

Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen («Corporate Social Responsibility», CSR) wird im CSR-Positionspapier definiert als die Verantwortung der Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Gesellschaft und Umwelt. Der Bundesrat versteht CSR als «Beitrag der Unternehmen zur nachhaltigen Entwicklung». Anders als im Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (siehe Ziff. 5.1.) umfasst die im CSR-Positionspapier behandelte gesellschaftliche Verantwortung ein breiteres Spektrum von Themen. Dazu gehören neben den Menschenrechten auch der Umweltschutz, die Arbeitsbedingungen (inkl. Gesundheitsschutz), die Korruptionsprävention, der faire Wettbewerb, der Schutz der Verbraucherinteressen, die Besteuerung sowie die Förderung der Transparenz in der Nachhaltigkeit.

82

CSR-Positionspapier als Beilage zur Medienmitteilung des BR 01.04.2015, abrufbar unter www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Gesellschaftsrechtliche Verantwortung der Unternehmen (CSR) > Positionspapier und Aktionsplan.

6375

BBl 2017

Der Bundesrat erwartet auch hier von den Unternehmen, dass sie in der Schweiz und im Ausland ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Sie sollen demnach bei allen ihren unternehmerischen Aktivitäten und jenen ihrer Zulieferer mögliche (negative) Effekte beispielsweise auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kundinnen und Kunden, die Öffentlichkeit und die Umwelt berücksichtigen. Die Umsetzung der CSR soll aber nicht zu unverhältnismässigen administrativen Belastungen und Kosten führen, insbesondere für KMU. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, achtet der Bundesrat darauf, CSR-Initiativen international breit abgestützt umzusetzen.

Zur Förderung der CSR verfolgt der Bund vier strategische Stossrichtungen: ­

Mitgestalten der CSR-Rahmenbedingungen

­

Sensibilisierung und Unterstützung der Schweizer Unternehmen

­

Fördern der CSR in Entwicklungs-und Transitionsländern

­

Fördern der Transparenz

Die Stossrichtungen des CSR-Positionspapiers werden wie beim NAP durch einen Aktionsplan konkretisiert. Dieser zeigt konkrete Massnahmen sowie laufende und künftige Aktivitäten zur Umsetzung auf. Am 21. Juni 2017 hat der Bundesrat über die Umsetzung des Aktionsplans für die Berichtsperiode vom 1. April 2015 bis 31. März 2017 berichtet.83 Mit der Stossrichtung «Förderung der Transparenz» hilft der Bundesrat mit, den weltweiten Trend zur Anwendung der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf nationaler und internationaler Ebene zu unterstützen und zu harmonisieren. Gemäss der Massnahme nach Ziffer D.1.1 des CSR-Positionspapiers beabsichtigt der Bundesrat, eine Vernehmlassungsvorlage zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuarbeiten, die sich an der Regelung in der EU orientiert und damit nicht zu einer Benachteiligung des Wirtschaftsstandortes Schweiz führt. Diese Massnahme stimmt mit dem Politikinstrument 13 («Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen») des NAP überein (siehe Ziff. 5.1.4).

Während das CSR-Positionspapier auf das breitere Verständnis der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen fokussiert, behandelt der NAP die menschenrechtlichen Aspekte. Die beiden Dokumente sind somit komplementär und einander weder über- noch untergeordnet.

5.4

Subsidiäre Massnahmen der internationalen Zusammenarbeit

Die internationale Zusammenarbeit leistet ebenfalls wichtige Beiträge im Sinne der Zielsetzungen der Initiative. Im Rahmen globaler Prozesse, meist in enger Zusammenarbeit mit international tätigen Institutionen und Organisationen, aber auch in 83

Bericht zum Stand der Umsetzung (1.4.2015­31.3.2017) und Medienmitteilung vom 21.6.2017, abrufbar unter ww.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Corporate Social Responsibility (CSR).

6376

BBl 2017

der bilateralen Zusammenarbeit auf Länderebene, trägt die Schweiz in den Partnerländern zum Ausbau von Sorgfaltspflichten und zur Stärkung der Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungsketten, zu mehr Transparenz sowie zur Sicherung des Zugangs zur Justiz zwecks Vermeidung oder Minderung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung bei.

Im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit internationaler Akteure fördern die DEZA und das SECO die Entwicklung von globalen Politikstandards und deren Umsetzung. Im Bereich von Landbesitz-Fragen etwa spielt das von der Schweiz stark mitgeprägte internationale Leitdokument «Freiwillige Leitlinien für verantwortungsvolle Landgouvernanz» eine wichtige Rolle.84 Dieses deckt unter anderem Themen wie illegale Zwangsvertreibung, Rechtsschutz für indigene Bevölkerungen oder die Förderung eines Öffentlichkeitsprinzips der Investitionen mit einem Klagemechanismus ab. Daneben leistet die Schweiz auch Beiträge zur Lösung konkreter Probleme vor Ort, sei dies in der Mekong-Region, in Myanmar oder in Westafrika.

Die Zielsetzungen der Initiative werden teilweise auch im Rohstoff-Engagement der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz verfolgt, so mit der Unterstützung entsprechend ausgerichteter Organisationen wie der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) durch das SECO oder dem «Natural Resource Governance Institute».85 Mit der «Better Gold Initiative for Artisanal and Small-Scale Mining» (ASM)86 hat das SECO ein Pioniermodell zur Schaffung von Transparenz und Verantwortung in der Goldwertschöpfungskette entwickelt, welches in Peru, Kolumbien und Bolivien umgesetzt wird und eine direkte Umsetzung der OECD «Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from ConflictAffected and High-Risk Areas»87 ermöglicht. Einzelne DEZA-Länderprogramme beinhalten Komponenten, die auf verbesserte Transparenz und Rechenschaftsablage in Abbau und Handel von Öl, Gas und Mineralien abzielen (so etwa in Mozambik und Tansania), und weitere Massnahmen sind in Abklärung (etwa für Westafrika).

Weitere DEZA-Aktivitäten gelten mehr einer ökologischen, menschenrechtskonformen und fairen Nutzung natürlicher Lebensgrundlagen (wie Wasserressourcen und Wälder), etwa durch die Unterstützung des «Water Integrity Network». 88 Die Schweiz engagiert sich international
auch für die Stärkung und die Demokratisierung des Justizsektors. Insbesondere unterstützt sie Massnahmen zur Förderung des Zugangs zur Justiz in Partnerländern und stärkt entsprechende Institutionen und Akteure. Auch hier stehen Menschenrechts- und Landrechtsfragen im Zentrum.

84 85 86

87

88

www.admin.ch > Themen > Landwirtschaft und Ernährungssicherheit > Landgouvernanz.

Natural Resource Governance Institute > abrufbar unter: www.resourcegovernance.org/.

Artisanal and Small-Scale Mining (ASM) > abrufbar unter: http://mneguidelines.oecd.org/artisanal-small-scale-miner-hub.htm; Artisanal and Small-Scale Mining (ASM) Gold Resources > abrufbar unter: www.conflictfreesourcing.org/additional-training-and-resources/ complementary-programs/artisanal-and-small-scale-mining-(asm)-gold-resources/.

OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas > abrufbar unter: www.oecd.org/corporate/mne/mining.htm.

Water Integrity Network > abrufbar unter: www.waterintegritynetwork.net/.

6377

BBl 2017

6

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz grundsätzlich vereinbar. Dazu gehören insbesondere die Verpflichtungen, die sich aus der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen oder aus den bilateralen und multilateralen Verträgen ergeben, namentlich aus den Abkommen vom 21. Juni 1999 und vom 26. Oktober 2004 mit der EU («Bilaterale I und II»), der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK oder den UNO-Pakten I und II.

7

Schlussfolgerungen

Der Bundesrat unterstützt die Kernanliegen der Initiative. Er lehnt die Initiative aber ab, weil sie zu weit geht: Sie verpflichtet die Unternehmen, nebst der Berichterstattung auch ausdrücklich dazu, eine umfassende Sorgfaltsprüfung durchzuführen.

Diese erstreckt sich auf sämtliche von einem Unternehmen kontrollierte Unternehmen im Ausland und auf sämtliche Geschäftsbeziehungen der Unternehmen. Von den Pflichten sind auch KMU erfasst, wenn sie erhebliche Risiken aufweisen. Zudem sind die geforderten Haftungsregeln strenger als in allen anderen Rechtsordnungen, soweit diese überhaupt entsprechende Haftungsregeln kennen. Eine Regulierung im Sinne der Initiative würde de facto einen Alleingang der Schweiz bedeuten und den Wirtschaftsstandort Schweiz schwächen. Die Unternehmen könnten die Regelung umgehen, indem sie ihren Sitz ins Ausland verlegen. Der Bundesrat setzt daher auf ein international abgestimmtes Vorgehen und auf rechtlich nicht verbindliche Massnahmen, wie sie in den Aktionsplänen (NAP, CSR-Positionspapier, Grüne Wirtschaft 2013) vorgesehen sind. Er erwartet von den Unternehmen, dass sie ihre Verantwortung in diesen Bereichen auch ohne gesetzliche Verpflichtung wahrnehmen. Dabei anerkennt der Bundesrat das bereits bestehende Engagement der Wirtschaft im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz. Die Unternehmen sollen weiterhin die Möglichkeit haben, freiwillige Massnahmen in den Bereichen Menschenrechte und Umweltschutz in die Tat umzusetzen. Der Bundesrat beobachtet laufend die internationalen Entwicklungen im Bereich der Regulierung und rechtlich nicht verbindlicher Standards betreffend Menschenrechte und Umweltschutz. Er prüft die Umsetzung der Aktionspläne sowie die Entwicklung bestehender Massnahmen regelmässig. Bei Bedarf wird der Bundesrat die Instrumente entsprechend aktualisieren. Sollten die bestehenden Massnahmen der Unternehmen aber hinter den Erwartungen des Bundesrates zurück bleiben, behält sich der Bundesrat vor, weitere Massnahmen bis hin zu rechtlich bindenden Instrumenten in Erwägung zu ziehen.

Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen ­ zum Schutz von Mensch und Umwelt» ab und beantragt den eidgenössischen Räten, die Initiative Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Volksinitiative abzulehnen.

6378