zu 17.412 Parlamentarische Initiative Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vom 13. Februar 2020 Stellungnahme des Bundesrates vom 13. Mai 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur vom 13. Februar 20201 betreffend die parlamentarische Initiative 17.412 «Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Mai 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

1

BBl 2020 3605

2020-1018

4663

BBl 2020

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 13. März 2017 reichte Nationalrat Matthias Aebischer die parlamentarische Initiative 17.412 «Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter» ein, mit der die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung stärker in der Schweizer Bildungspolitik verankert werden sollen. Der Initiant schlägt vor, über das Kinder- und Jugendförderungsgesetz vom 30. September 20112 (KJFG) Kinder ab Geburt und nicht erst ab dem Kindergartenalter zu fördern. Hiermit sollen die Chancengerechtigkeit von Kindern beim Kindergarteneintritt erhöht und die Voraussetzungen für einen gelingenden Bildungsverlauf geschaffen werden.

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBKNR) hat am 16. August 2019 einen Vorentwurf zur Änderung des KJFG sowie einen Vorentwurf zu einem Bundesbeschluss über Finanzhilfen für kantonale Programme im Bereich Weiterentwicklung der Politik der frühen Kindheit verabschiedet. Damit sollen die Kantone mittels befristeter Anschubfinanzierung darin unterstützt werden, ein bedarfsgerechtes Angebot im Bereich der Politik der frühen Kindheit aufzubauen, sowie die Koordination und Vernetzung zwischen den staatlichen und privaten Akteuren gefördert werden. Die Vernehmlassung dauerte vom 29. August bis zum 29. November 2019.

An ihrer Sitzung vom 13. Februar 2020 hat die WBK-NR die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis genommen und beschlossen, ihrem Rat den Gesetzesentwurf sowie den Entwurf des Bundesbeschlusses zu unterbreiten, ohne materielle Änderungen an den Vorentwürfen vorzunehmen. Eine Minderheit beantragt, die Kantone für die Entwicklung dieser Massnahmenpakete nicht mit 100 000 Franken pro Jahr zu unterstützen, sondern mit 150 000 Franken. Eine weitere Minderheit spricht sich gegen die Vorlage aus.

Der Bundesrat wurde mit Schreiben vom 4. März 2020 zur Stellungnahme eingeladen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Beurteilung des Entwurfs

Die WBK-NR möchte der Politik der frühen Kindheit zusätzliche Impulse geben, indem der Bund die Kantone bei der Umsetzung von strategiegebundenen Massnahmenpaketen im Bereich der frühen Kindheit unterstützt. Konzeptionell sollen sich die Finanzhilfen an die befristete Anschubfinanzierung zugunsten der Kantone zum Aufbau und zur Weiterentwicklung ihrer Kinder- und Jugendpolitik anlehnen (Art. 26 KJFG) und auf zehn Jahre befristet werden.

2

SR 446.1

4664

BBl 2020

Der Bundesrat teilt zwar die Einschätzung der WBK-NR und der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, dass eine im umfassenden Sinne verstandene frühe Förderung, in deren Zentrum die Bereitstellung eines anregungsreichen Lernumfelds inner- und ausserhalb der Familie steht, zur Förderung der Chancengerechtigkeit beim Eintritt in die Schule beitragen kann. Das Lernpotenzial ist in der frühen Kindheit besonders gross, deshalb sind die ersten Lebensjahre entscheidend für den späteren Bildungsverlauf.

Die Ausgestaltung und die Durchführung von Massnahmen im Bereich der Politik der frühen Kindheit liegen hingegen in der Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden, welche über eine grössere Nähe zu den örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen verfügen. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Minderheit der Kommission, dass die Gemeinden und Kantone heute schon vielerorts über ein bedarfsgerechtes Angebot verfügen. So existieren in vielen Gemeinden Angebote wie beispielsweise Eltern-Kind-Turnen, Eltern-Kind-Sprachkurse, Kindertagesstätten und Spielgruppen. Die im Rahmen des Nationalen Programms zur Bekämpfung von Armut 2014­ 2018 erarbeiteten Grundlagen haben zudem gezeigt, dass in den letzten Jahren im Bereich der frühen Kindheit zahlreiche Projekte und Angebote initiiert und Strukturen aufgebaut wurden.3 Der Bundesrat lehnt daher die von der Kommission vorgeschlagene Änderung des KJFG ab, mit welcher eine befristete Anschubfinanzierung zugunsten der Kantone für die Weiterentwicklung ihrer Politik der frühen Kindheit eingeführt werden soll.

3

Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten und die Entwürfe abzulehnen.

3

Ergebnisse Nationales Programm Prävention und Bekämpfung von Armut 2014­2018.

Bericht des Bundesrates vom 18. April 2018 zum Nationalen Programm sowie in Erfüllung der Motion 14.3890 Sozialdemokratische Fraktion vom 25.09.2014. Der Bericht ist abrufbar unter: www.parlament.ch > 14.3890 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

4665

BBl 2020

4666