19.081 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister) vom 6. Dezember 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Zivilgesetzbuchs (Änderung des Geschlechts im Personenstandregister).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. Dezember 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-1666

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Übersicht Der vorliegende Entwurf will Menschen mit Transidentität und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung die Änderung ihres Geschlechts und ihres Vornamens im Personenstandsregister erleichtern. Anstelle der heutigen Verfahren sollen sie dafür ohne vorgängige medizinische Eingriffe oder andere Vorbedingungen eine Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten abgeben können.

Ausgangslage Jedes Kind muss innert dreier Tage nach der Geburt mit seinen Familien- und Vornamen, seiner Abstammung und seinem Geschlecht dem Zivilstandsamt gemeldet werden. In der Praxis wird diese Frist flexibel angewandt, wenn das medizinische Fachpersonal nicht in der Lage ist, das Geschlecht eines Neugeborenen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung zu bestimmen. Für die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens muss gemäss den geltenden Bestimmungen jedoch ein formelles Bereinigungsverfahren durchlaufen werden.

Auch Menschen mit Transidentität sind mit Schwierigkeiten konfrontiert. Bis vor wenigen Jahren konnten sie die Angaben zum Geschlecht im Personenstandsregister erst nach Durchführung einer chirurgischen Sterilisation und einer operativen Angleichung ihrer Geschlechtsorgane ändern lassen. Waren sie verheiratet, mussten sie sich zusätzlich vorher scheiden lassen. Heute wird von solchen Anforderungen zwar abgesehen. Da jedoch keine klare gesetzliche Regelung besteht, müssen Transmenschen weiterhin grosse Hürden überwinden: Gemäss der Rechtsprechung muss die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsänderung in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt werden. Diese Verfahren sind uneinheitlich und werden als ungebührend langwierig und teuer empfunden.

Inhalt der Vorlage Die Vereinfachung des Verfahrens zur Änderung des Geschlechts und des Vornamens stiess in der Vernehmlassung zum Vorentwurf auf breite Zustimmung. Entsprechend hält die Vorlage an den Grundsätzen des Vorentwurfs fest. Insbesondere soll weiterhin die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte zuständig sein, obschon ein Teil der Kantone ein Verfahren analog demjenigen der Namensänderung (vgl. Art. 30 ZGB) bevorzugt hätte.

Der Revisionsvorschlag basiert auf dem Prinzip der Selbstbestimmung der einzelnen Person, was auch im Vernehmlassungsverfahren begrüsst wurde. Betreffend das Erfordernis
der Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters wurde zwar Kritik geäussert, namentlich wenn es um urteilsfähige Minderjährige geht. Im vorliegenden Entwurf wird jedoch am Erfordernis festgehalten, um diesen besonders verletzlichen Personen einen angemessenen Schutz zu gewährleisten.

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Die Vorlage belässt die familienrechtlichen Verhältnisse unverändert (bestehende Ehe oder eingetragene Partnerschaft, Elternschaft und Kindesverhältnis) und stellt die binäre Geschlechterordnung (männlich/weiblich) nicht in Frage. Insbesondere wird keine dritte Geschlechtskategorie eingeführt (diese Thematik ist Gegenstand der Postulate Arslan 17.4121 und Ruiz 17.4185, die vom Bundesrat in einem separaten Bericht behandelt werden). Missbräuchliche oder leichtsinnige Erklärungen zur Änderung des Geschlechts können abgelehnt werden. Sie zeitigen keine Rechtswirkungen und sind strafbar.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Ausgangslage 1.1 Kinder und Erwachsene mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung 1.2 Transmenschen

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Grundzüge der Vorlage

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Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 3.1 Zuständige Behörde 3.2 Beibehaltung der binären Geschlechterordnung (männlich/weiblich) 3.3 Sterilisationsgesetz 3.4 Ausweisgesetz

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Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 4.1 Internationales Recht 4.1.1 Vereinte Nationen (UNO) 4.1.2 Internationale Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC) 4.2 Verhältnis zum europäischen Recht 4.2.1 Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte 4.2.2 Arbeiten des Europarats 4.2.3 Europäische Union 4.3 Rechtsvergleich 4.3.1 Malta 4.3.2 Deutschland 4.3.3 Österreich 4.3.4 Frankreich 4.3.5 Italien 4.3.6 Luxemburg

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Umsetzung

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Parlamentarische Vorstösse

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Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 8.1 Änderungen des Zivilgesetzbuchs: Art. 30b E-ZGB 8.1.1 Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten (Abs. 1) 8.1.2 Wahl der neuen Vornamen bei der Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags (Abs. 2)

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8.1.3

8.2 9

Beibehaltung der familienrechtlichen Verhältnisse (Abs. 3) 8.1.4 Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters (Abs. 4) Änderungen des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht: Art. 40a E-IPRG

Auswirkungen 9.1 Auswirkungen auf den Bund 9.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 9.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Volkswirtschaft 9.4 Auswirkungen aus Sicht der Gleichstellung von Frau und Mann 9.5 Auswirkungen auf die Informatikinfrastruktur

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10 Verhältnis zur Legislaturplanung

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11 Rechtliche Aspekte 11.1 Verfassungsmässigkeit 11.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 11.3 Erlassform 11.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 11.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 11.6 Datenschutz

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12 Bibliographie

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Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister) (Entwurf)

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Botschaft 1

Ausgangslage

Mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs1 (ZGB) soll der amtliche Geschlechts- und Namenseintrag im Personenstandsregister einfacher geändert werden können. Die Revision soll primär die Situation von Transmenschen vereinfachen. Sie hilft aber auch Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung.

1.1

Kinder und Erwachsene mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung

In der Schweiz werden jedes Jahr rund vierzig Kinder geboren, deren Geschlecht nicht eindeutig bestimmt werden kann. Je nach Definition fällt die Anzahl der Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung mehr oder weniger hoch aus.2

1 2

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SR 210 Diese Zahl erscheint in der Medienmitteilung des Bundesrates vom 6. Juli 2016 «Menschen mit uneindeutigem Geschlecht ­ Sensibilität fördern». In den Jahren 2006­2010 wurden im Durchschnitt 30 Kindern pro Jahr medizinische Massnahmen wegen Intersexualität durch die IV vergütet (Stellungnahme des Bundesrates vom 6. Juni 2011 zur Ip. Kiener Nellen 11.3265 «Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung» vom 18. März 2011, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 11.3265). Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) geht von 20­100 Neugeborenen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung pro Jahr aus (Teilstudie 3: LGBTI ­ Juristische Analyse, S. 55, abrufbar unter www.skmr.ch > Geschlechterpolitik > Publikationen > Studie «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen»). Im Jahr 2010 wurden in der Schweiz 80 290 Kinder geboren; 2017 waren es 87 381 (Bundesamt für Statistik, Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2019, S. 44). Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung machen somit einen Anteil zwischen 1/800 und 1/4400 aus; gemäss der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK; siehe ihre Stellungnahme «Zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, Ethische Fragen zur », Ziff. 1.1, abrufbar unter www.nek-cne.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 20/2012) soll die Prävalenz zwischen 1/3000 und 1/5000 betragen. Gemäss dem Dokument zum Thema Menschenrechte und intersexuelle Menschen (Droits de l'homme et personnes intersexes), das 2015 vom Kommissar für Menschenrechte des Europarates veröffentlicht wurde (abrufbar unter www.coe.int > Explorer > Commissaire aux droits de l'homme > Documents > Publications), beträgt die Quote zwischen 1/1500 und 1/2000. Einschliesslich subtilerer Varianten der Intersexualität, auf die in diesem Dokument hingewiesen wird, wird der Anteil der intersexuell geborenen Kinder insgesamt auf rund 1,7 Promille geschätzt (S. 16 f.). Andere Quellen gehen von einem Anteil zwischen 0,05 und 4 Prozent aus; siehe Büchler/Cottier, Legal Gender Studies, Rechtliche Geschlechterstudien, Eine kommentierte Quellensammlung, Zürich / St. Gallen 2012, S. 395. Gemäss einer Erhebung des Eidgenössischen Amts für das Zivilstandswesen (EAZW) im zweiten Halbjahr 2018 bei den betroffenen Organisationen, beim medizinischen Personal und bei den Zivilstandsbehörden werden diesen jedes Jahr 8 bis 10 Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gemeldet.

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Als «intersexuell»3 bzw. «intergeschlechtlich» oder «zwischengeschlechtlich» werden Personen bezeichnet, die Chromosomen, gonadale oder hormonelle Merkmale aufweisen, die nicht eindeutig den medizinisch anerkannten Kategorien «männlich» oder «weiblich» zugeordnet werden können. Diese Begriffe werden heute anstelle der im 18. und 19. Jahrhundert in der Medizin gängigen Bezeichnung als «Hermaphroditen» verwendet. Derartige Varianten der Geschlechtsentwicklung können vor oder nach der Geburt, in der Pubertät oder erst später im Erwachsenenalter vorkommen. In der heutigen Medizin wird der Begriff «Variante der Geschlechtsentwicklung»4 als Oberbegriff für eine Vielzahl von Diagnosen mit unterschiedlichen Ursachen, Erscheinungsbildern und Entwicklungsverläufen verwendet.5 Nach der Geburt muss jedes Kind innert dreier Tage mit seiner vollständigen Identität, das heisst insbesondere mit Familiennamen, Vornamen, Abstammung und Geschlecht, zur Eintragung in das Personenstandsregister gemeldet werden.6 Das Schweizer Recht basiert auf einem binären Geschlechtermodell.7 Jedem Neugeborenen muss aufgrund der ärztlichen Feststellungen8 das weibliche oder männliche Geschlecht zugewiesen werden. Wie die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) in ihrer Stellungnahme von 20129 ­ die der Bundesrat aufgrund der parlamentarischen Interpellationen Kiener Nellen und Glanzmann 201110 in Auftrag gegeben hatte ­ dargelegt hat, wurden als Folge davon bis in die jüngste 3

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5

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10

Der Ausdruck «intersexuell» wird insbesondere von der Europäischen Kommission verwendet, so in der deutschen Fassung der Studie Trans- und intersexuellen [sic] Menschen, Diskriminierung von trans- und intersexuellen Menschen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks, Luxemburg 2012, abrufbar unter www.publications.europa.eu > EU-Veröffentlichungen.

Die NEK zieht diesen Ausdruck jenem der «Störung der Geschlechtsentwicklung» oder «disorder of sex development» (DSD) vor, der für die Betroffenen stigmatisierend sein kann. Siehe ebenfalls Werlen/Shaha/Streuli, Unterstützung der Eltern nach IVG bei Geschlechtsvarianten (DSD/VSD ­ ), in: Jusletter 29. August 2016, S. 5.

NEK, Zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, Ethische Fragen zur «Intersexualität», Ziff. 1.1, abrufbar unter www.nek-cne.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 20/2012. Siehe ebenfalls «La discrimination fondée sur l'orientation sexuelle et l'identité de genre en Europe», Kommissar für Menschenrechte des Europarates (Hrsg.), 2011, S. 141 f., abrufbar unter www.coe.int > Explorer > Commissaire aux droits de l'homme > Documents > Publications.

Art. 39 ZGB sowie Art. 8, 35 und 91 der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 (ZStV; SR 211.112.2).

Thomas Geiser, Amtliches Geschlecht, Die Natur ist bunter als das Recht, in: NZZ vom 11. September 2015, S. 10.

Bis heute liegt in der Schweiz keine Empfehlung zur Bestimmung des Geschlechts vor. Es wird somit von der Ärztin oder vom Arzt im eigenen Ermessen und nach eigenen Erfahrungswerten festgelegt. In ihrer Stellungnahme zu «Varianten der Geschlechtsentwicklung» vom 16. Dezember 2016 (abrufbar unter www.samw.ch > Publikationen > Stellungnahmen) erachtete es die Zentrale Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften nicht als sinnvoll, medizinisch-ethische Richtlinien zu diesem Themenbereich abzugeben.

«Zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung», Ethische Fragen zur «Intersexualität», S. 20 (Empfehlung 11), abrufbar unter www.nek-cne.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 20/2012.

Ip. Kiener Nellen 11.3265 «Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung» vom 18. März 2011, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 11.3265, und Ip. Glanzmann 11.3286 «Kosmetische
Genitaloperationen bei Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen» vom 18. März 2011, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 11.3286.

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Vergangenheit bei Säuglingen und Kleinkindern, die an sich gesund waren, teilweise geschlechtsbestimmende Operationen durchgeführt.

Auf rechtlicher Ebene hat die NEK empfohlen, dass die Zivilstandsbehörden die Angaben zum Geschlecht in der Geburtsurkunde unbürokratisch ändern können sollen. In diesem Sinn hat das Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen (EAZW) am 1. Februar 2014 eine Amtliche Mitteilung11 in Kraft gesetzt, in der die Zivilstandsbehörden angehalten werden, die Berichtigung dieser Angaben gestützt auf eine ärztliche Bescheinigung zu erleichtern. Dabei ist zu beachten, dass die Amtliche Mitteilung Behörden ausserhalb des Zivilstandswesens und Dritte nicht bindet. Nach geltendem Recht unterliegt die Änderung des Geschlechtseintrags einem administrativen oder gerichtlichen Berichtigungsverfahren.12 Die Amtliche Mitteilung hat die Situation der Betroffenen zwar erleichtert. 13 Namentlich das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) hält sie in seiner im Juli 2015 veröffentlichten Studie «Der Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen» aber für ungenügend.14 In seiner Studie legt das SKMR den Akzent auf die Grundrechte der Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, insbesondere auf ihr Recht auf Achtung der Menschenwürde und auf körperliche Unversehrtheit sowie auf ihren Schutz vor Diskriminierung.15 Das SKMR teilt die Ansichten der NEK und verurteilt insbesondere übereilte chirurgische Eingriffe. Es weist auch auf die Notwendigkeit hin, das im Personenstandsregister eingetragene Geburtsgeschlecht unbürokratisch ändern zu 11

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«Intersexualität: Eintragung und Änderung des Geschlechts und der Vornamen im Personenstandsregister», Amtliche Mitteilungen EAZW Nr. 140.15 vom 1. Februar 2014, abrufbar unter www.eazw.admin.ch > Weisungen > Amtliche Mitteilungen EAZW.

Stellt sich heraus, dass bei der Geburt das falsche Geschlecht zugeteilt worden ist, müssen die Angaben zum Geschlecht im Personenstandsregister bereinigt werden. Beruht der Fehler auf einem offensichtlichen Versehen oder einem Irrtum, so beheben die Zivilstandsbehörden diesen von Amtes wegen (Art. 43 ZGB). Andernfalls wird die Änderung des Geschlechtseintrags auf Klage der betroffenen Person oder gegebenenfalls deren Eltern oder gesetzlichen Vertretung vom Gericht angeordnet. Die kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandsdienst sind ebenfalls klageberechtigt (Art. 42 ZGB).

Der Gerichtsentscheid wird anschliessend im Personenstandsregister eingetragen und der Geschlechtseintrag wird entsprechend geändert.

Im Verlauf des zweiten Halbjahrs 2018 hat das EAZW in einer Erhebung bei den betroffenen Organisationen, beim medizinischen Personal und bei den Zivilstandsbehörden abgeklärt, ob allenfalls ein Bedarf besteht, die infolge der Amtlichen Mitteilung vom 1. Februar 2014 geltende Regelung anzupassen. Daraus ging hervor, dass die Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten pragmatische Lösungen für die Eintragung der Geburt der jährlich 8 bis 10 Kinder mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung finden.

Siehe Ziff. 3.4­3.7, abrufbar unter www.skmr.ch > Geschlechterpolitik > Publikationen > Studie «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen». Siehe ebenfalls die spezifische Teilstudie 3: LGBTI ­ Juristische Analyse, S. 25 ff. und 54 f. (unter der gleichen Adresse), sowie die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften zu «Varianten der Geschlechtsentwicklung» vom 16. Dezember 2016 (abrufbar unter www.samw.ch > Publikationen > Stellungnahmen) sowie Balzaretti, Les opérations non consenties d'assignation sexuelle sur les enfants intersexes: enjeux actuels en droit suisse, in: Le consentement en droit, Schulthess éditions romandes, Genf 2018, S. 135 ff., und Werlen, Persönlichkeitsschutz und höchstpersönliche Rechte bei Kindern mit einer Geschlechtsvariante (DSD), in: Jusletter 24.

August 2015, S. 15 ff.

Art. 7, 8 Abs. 2 und 10 Abs. 2 BV.

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können. Für die Beurteilung des Geschlechts sollen dabei in erster Linie die Selbsteinschätzung der betroffenen Person und erst in zweiter Linie die körperlichen Merkmale des Geschlechts ausschlaggebend sein. Das SKMR erwähnt im Übrigen die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag eine gewisse Zeit lang offenzulassen.

Der Bundesrat hat diese Studie in seinem Bericht vom 25. Mai 2016 in Erfüllung des Postulats Naef 12.354316 zur Kenntnis genommen und sich bereit erklärt, die Empfehlungen vertieft zu prüfen.17 Im Sinn dieser Empfehlungen soll die vorliegende Revision die Änderung des Geschlechts und der Vornamen im Personenstandsregister von Kindern und Erwachsenen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung unbürokratischer gestalten.

1.2

Transmenschen

Als Transmenschen oder Menschen mit Transidentität werden Personen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität sich vom Geschlecht unterscheidet, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.18 Gemäss Hochrechnungen, die sich auf Daten in der Fachliteratur stützen, leben in der Schweiz zwischen 100 und 200 Menschen mit Transidentität, die bereits operiert wurden oder bei denen eine Operation in Betracht gezogen wird.19 Der Anteil der operierten Transmenschen, die vom männlichen Geschlecht zum weiblichen übergegangen sind, beläuft sich auf etwa 1 Person pro 30 000, der Anteil jener, die vom weiblichen zum männlichen Geschlecht gewechselt haben, auf 1 Person pro 100 000. Der Bevölkerungsanteil der Transmenschen fällt insgesamt allerdings höher20 aus, denn in den erwähnten Zahlen nicht enthalten sind die Personen, bei denen namentlich aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands keine Operation durchgeführt werden kann.21

16 17 18

19

20

21

Ziff. 2.3 und 2.3.2, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 12.3543.

Ziff. 4.3.7 und 5.

Für eine umfassende Definition siehe «La discrimination fondée sur l'orientation sexuelle et l'identité de genre en Europe», Kommissar für Menschenrechte des Europarates (Hrsg.), 2011, S. 142 f., abrufbar unter www.coe.int > Explorer > Commissaire aux droits de l'homme > Documents > Publications.

Stellungnahme des Bundesrates zur Ip. Kiener Nellen 11.3265 «Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung», abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 11.3265. In ihrer Stellungnahme vom 25. September 2018 bedauert die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF), dass in der Schweiz keine verlässliche Statistik besteht. Aus ihrer Sicht liegt die vom Bundesrat in seiner Stellungnahme genannte Zahl von 100­200 Transmenschen um mindestens den Faktor 10 zu tief.

Die EKF weist darauf hin, dass eine spezialisierte Praxis in Zürich alleine 500 Transmenschen betreut, wovon die Hälfte eine Änderung des Personenstands in Bezug auf das Geschlecht und mindestens 80 Prozent eine operative Anpassung des Geschlechts vorgenommen hat.

«Protection des droits de l'homme des personnes transgenres, Petit guide sur la reconnaissance juridique du genre », Éditions du Conseil de l'Europe 2016, S. 5, Fussnote 2, abrufbar unter sur www.coe.int > Droits de l'homme > Orientation sexuelle et identité de genre - LGBT > Ressources > Publications.

Gemäss US-amerikanischen Studien machen Transmenschen ein bis zwei Prozent der Bevölkerung aus; Le Temps, États-Unis, Les transgenres au coeur de la bataille des toilettes, 22. Dezember 2016, abrufbar unter www.letemps.ch.

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In diesem Bereich ist in den letzten Jahren ein grundlegender Mentalitäts- und Wahrnehmungswandel zu beobachten. Derzeit findet eine Entpathologisierung statt, die sich darin äussert, dass die Klassifizierung der Transsexualität als psychische Störung in Frage gestellt wird.22 Auf rechtlicher Ebene wurde für die Anerkennung der Geschlechtsänderung von den betroffenen Personen bis vor Kurzem noch verlangt, nicht verheiratet zu sein und sich mit einem chirurgischen Eingriff sterilisieren und eine Angleichung der Geschlechtsorgane an das gewünschte Geschlecht vornehmen zu lassen. Heute gilt dies als Verletzung der Grundrechte der Betroffenen sowie ihrer Angehörigen.

In einem Grundsatzentscheid vom 1. Februar 2011 ist das Obergericht des Kantons Zürich vom Erfordernis eines chirurgischen Eingriffs für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsänderung abgerückt. 23 Entsprechend diesen Entwicklungen hat das EAZW per 1. Februar 2012 eine Rechtsauskunft24 an die kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandswesen erstellt. Die Behörden wurden darin angewiesen, die mit Klagen zur Feststellung einer Geschlechtsänderung befassten Gerichte darüber zu informieren, dass auf die genannten Erfordernisse zu verzichten ist und gegenteilige Gerichtsentscheide zu melden sind, damit sie das Bundesamt für Justiz (BJ) gegebenenfalls gerichtlich überprüfen lassen kann.25 Erfreulicherweise ist festzustel-

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Siehe «La discrimination à l'encontre des personnes transgenres en Europe», Resolution 2048 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Ziff. 6.3.3 (abrufbar unter www.assembly.coe.int > FR > Travaux > Documents > Textes adoptés > 2048), die Broschüre «La discrimination fondée sur l'orientation sexuelle et l'identité de genre en Europe», Kommissar für Menschenrechte des Europarates (Hrsg.), 2011, S. 25 (abrufbar unter sur www.coe.int > Explorer > Commissaire aux droits de l'homme > Documents > Publications) sowie Recher/Garcia Nuñez, Frau, Mann ­ Individuum, Die neuen medizinischen Empfehlungen zur Begleitung von Transmenschen und ihre Auswirkungen auf die Leistungspflicht nach KVG, in: Jusletter 18. August 2014, S. 5 und 7. Zu den Entwicklungen bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), siehe Ziff. 4.1.1.

Der Entscheid Nr. NC090012 ist abrufbar unter www.gerichte-zh.ch > Entscheide. Er ist in der Zeitschrift für Kindes- und Erwachsenenschutz 2012, S. 55 ff. abgedruckt. Zitiert und in Auszügen wiedergegeben wird er ausserdem in Büchler/Cottier, Legal Gender Studies, Rechtliche Geschlechterstudien, Eine kommentierte Quellensammlung, Zürich/St. Gallen 2012, S. 405 ff.

Transsexualität, Rechtsauskunft vom 1. Februar 2012, abrufbar unter www.eazw.admin.ch > Dokumentation > Aus der Praxis des EAZW.

Art. 42 und 45 Abs. 3 ZGB sowie Art. 90 ZStV.

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len, dass die Gerichte diese Praxisänderung generell nachvollzogen haben.26 Dies ist anhand der steigenden Anzahl der Entscheide ersichtlich, die seit 2011 ergangen sind und zur Eintragung in das Personenstandsregister gemeldet wurden.27 Wie die Amtliche Mitteilung zur Intersexualität (siehe Ziff. 1.1) ist die Rechtsauskunft über die Transsexualität28 für Behörden ausserhalb des Zivilstandswesens und für Dritte nicht bindend. Insbesondere ändert die Rechtsauskunft nichts am Grundsatz, wonach die Geschlechtsänderung von einem Gericht festgestellt werden

26

27

28

Siehe unter anderem den Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 2. Februar 2017, veröffentlicht in: FamPra.ch 2017, S. 526 ff., und zusammengefasst in: Fountoulakis, Entretien de l'enfant et prévoyance professionnelle, Genf 2018, S. 233 f., Entscheid des Regionalgerichts Bern vom 22. August 2016, veröffentlicht in: FamPra.ch 2017, S. 286 ff., und zusammengefasst in: Fountoulakis, Entretien de l'enfant et prévoyance professionnelle, Genf 2018, S. 233; Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 25. Juli 2016, veröffentlicht in: FamPra.ch 2017, S. 289 ff., und zusammengefasst in: Fountoulakis, Entretien de l'enfant et prévoyance professionnelle, Genf 2018, S. 233; Entscheid des Zivilgerichts des Kantons Waadt, vom 13. Juli 2015, veröffentlicht in JdT 2015 III 237, mit Kommentar von Piotet; Entscheid des Zivilgerichts des Kantons BaselStadt vom 16. Februar 2015, veröffentlicht in FamPra.ch 2015, S. 671 ff. Siehe ferner die in Büchler, Reproduktive Autonomie und Selbstbestimmung, Dimensionen, Umfang und Grenzen an den Anfängen menschlichen Lebens, Basel 2017, S. 39, Fussnote 142 zitierten Urteile sowie die zitierten Urteile in den folgenden Beiträgen: Bertholet/Sheybani, Quels droits pour les personnes transgenres en 2019, in: Revue de l'avocat 2019, S.

203 ff., Papaux van Delden, Mariage, partenariat enregistré, concubinage: évolutions récentes en matière de conclusion et validité, in: FamPra.ch 2017, S. 913 ff. (Fussnote 29), und Patry, L'impact en Suisse de l'arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme « Y. Y. c. Turquie » sur la question de la stérilisation prévue par le régime suisse actuel en matière de reconnaissance officielle de changement de sexe», in: L'influence du droit de l'Union européenne et de la Convention européenne des droits de l'homme sur le droit suisse, Genf 2016, S. 89 ff. (S. 104 f.).

Gemäss den Informationen der Aufsichtsbehörden im Zivilstandsdienst an das EAZW ist ein Anstieg der Anzahl Geschlechtsänderungen festzustellen. Dieser ist wahrscheinlich zumindest teilweise auf die Aufhebung der Anforderung der Sterilisation zurückzuführen.

2011 wurden im elektronischen Personenstandsregister (System Infostar) 25 Geschlechtsänderungen eingetragen. Die Zahlen beliefen sich auf 52 im Jahr 2012, 39 im Jahr 2013, 89 im Jahr 2014, 75 im Jahr 2015, 92 im Jahr 2016,
131 im Jahr 2017 und 173 im Jahr 2018. Die Zahlen umfassen nicht nur die Entscheide der Schweizer Gerichte während des betreffenden Jahres, sondern auch die im Ausland vorgenommenen Geschlechtsänderungen von Schweizerinnen und Schweizern. Diese Fälle werden zuweilen erst mehrere Monate oder Jahre nach dem Entscheid im Ausland in der Schweiz gemeldet und eingetragen.

Der Verein Transgender Network Switzerland schlägt vor, anstelle dieses medizinisch konnotierten Begriffs jenen der «Transidentität» zu verwenden; siehe Trans*, Eine Informationsbroschüre von Transmenschen für Transmenschen und alle anderen, 2016/2017, S. 7 und 74, abrufbar unter www.transgender-network.ch/de/ > Information.

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muss.29 Obwohl die Rechtsauskunft als Schritt in die richtige Richtung gewertet wird, genügt sie nicht. In der im Juli 2015 veröffentlichten Studie «Der Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen»30 verweist das SKMR auf die Grundrechte der Transmenschen, konkret auf ihr Recht auf Schutz vor Diskriminierung, ihr Recht auf Achtung ihrer körperlichen Unversehrtheit sowie ihr Recht auf Selbstbestimmung als Bestandteil des Schutzes der Privatsphäre.31 Das SKMR begrüsst die Neuerung, wonach für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsänderung nunmehr keine medizinischen Eingriffe und keine Scheidung mehr verlangt werden. Es fordert jedoch die gesetzliche Verankerung eines Verfahrens für die Änderung des Geschlechtseintrags, das auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht und sowohl einfacher und rascher als auch kostengünstiger ist. Es regt des Weiteren an, die Einführung einer dritten Geschlechtskategorie zu prüfen.

Wie unter Ziff. 1.1 erwähnt, hat sich der Bundesrat in seinem Bericht vom 25. Mai 2016 in Erfüllung des Postulats Naef 12.354332 bereit erklärt, eine entsprechende Reform zu prüfen.

2

Grundzüge der Vorlage

Ziel der Revision ist es, ein einfaches, auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhendes Verfahren zur Änderung des Eintrags von Geschlecht und Vornamen im Personenstandsregister gesetzlich zu verankern.

Nebst der Vereinfachung des Verfahrens verfolgt die Revision drei Stossrichtungen: ­

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31 32

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Beibehaltung der Grundsätze für die Eintragung des Geschlechts bei der Geburt; BGE 143 III 284, 119 II 264 und 92 II 128. Gemäss dieser Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt die Klage auf Feststellung einer Geschlechtsänderung eine Statusklage sui generis dar. Die jüngere Rechtsprechung stützt sich zudem auf den seit dem Jahr 2000 in Kraft stehenden Art. 42 ZGB. Im Unterschied zu anderen Ländern (wie Deutschland, siehe Ziff. 4.3.2) hat die Schweiz in diesem Bereich noch kein Gesetz verabschiedet (Bohnet, Actions civiles, Volume I: CC et LP personnes, famille, successions, droits réels, poursuite pour dettes et faillite, 2. Aufl., Basel 2019, § 8 Changement de sexe et rectification de l'état civil, S. 105 ff.; Kuzniar/Savary, Änderung von Namen und amtlichen Geschlecht bei Transmenschen in der Schweiz, Der lange Weg zur staatlichen Anerkennung, in: ex/ante 1/2017, S. 40; Graf-Gaiser/Montini, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2018, Art. 42 N 4; Montini, Commentaire romand, Code civil I, Basel 2010, Art. 42 N 5; Recher, Rechte von Transmenschen, in: Ziegler/Montini/Ayse Copur (Hrsg.), LGBT-Recht, Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der Schweiz, Basel 2015, S. 128 und 141). Der Geschlechtseintrag und dessen Änderung im Personenstandsregister finden einzig in der Zivilstandsverordnung Erwähnung (Art. 7 Abs. 2 Bst. o, 8 Bst. d, 20 Abs. 3, 20a Abs. 5, 40 Abs. 1 Bst. j, 55 Abs. 2 Bst. c, 64 Abs. 2 Bst. b, 75c Abs. 1 Bst. b und 98 Abs. 1 Bst. h und Abs. 2 Bst. c ZStV).

Siehe Ziff. 3.4­3.7, abrufbar unter www.skmr.ch > Geschlechterpolitik > Publikationen > Studie «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen». Siehe ebenfalls die spezifische Teilstudie 3: LGBTI ­ Juristische Analyse, S. 25 ff. und 54 f. (unter der gleichen Adresse).

Art. 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 und 13 BV.

Siehe Ziff. 2.3, 2.3.2, 4.3.7 und 5, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 12.3543.

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Beibehaltung der binären Geschlechterordnung;

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Berücksichtigung der Interessen der Angehörigen und der spezifischen Situation von Kindern.

Die beantragte Neuregelung kann wie folgt zusammengefasst werden: Das Zivilgesetzbuch und seine Ausführungsbestimmungen sollen dergestalt angepasst werden, dass Personen, die innerlich fest davon überzeugt sind, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören, den Eintrag durch eine Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten ändern lassen können. Bei dieser Gelegenheit wählt die betroffene Person einen oder mehrere Vornamen, die dem neuen Geschlecht entsprechen. Falls ihr Familienname dem Geschlecht folgt (beispielsweise bei slawischen Familiennamen 33), wird dieser ebenfalls geschlechtsspezifisch angepasst. Bei der Wahl des neuen Vornamens gelten dieselben Grundsätze wie bei der Namensgebung durch die Eltern anlässlich der Geburt (siehe Ziff. 8.1.1.2). Die Namensänderung als solche wird nicht liberalisiert. Insbesondere ist das geltende Verfahren nach Artikel 30 ZGB unverändert anwendbar, wenn der Familienname zum Schutz einer Person, die wegen ihrer Geschlechtsidentität belästigt wird, geändert werden soll.34 Eine allfällige Ehe einer Person, die das Geschlecht ändert, bleibt bestehen. Eine Scheidung dieser Ehe ist in der Folge jederzeit gemäss den unverändert geltenden Gesetzesbestimmungen möglich. Dies gilt sinngemäss für Personen, die im Zeitpunkt der Geschlechtsänderung in eingetragener Partnerschaft leben. Kindesverhältnisse bleiben ebenfalls unverändert bestehen.

Die vorliegende Revision hält an der Eintragung des Geschlechts gemäss dem binären Geschlechtermodell (männlich/weiblich) fest.35 Sie schlägt sodann weder die Einführung eines dritten Geschlechts noch den gänzlichen Verzicht auf die Eintragung des Geschlechts in das Personenstandsregister vor. Diese Fragen sind Gegen-

33

34

35

BGE 131 III 201. Um der Geschlechtsidentität des Betroffenen Rechnung zu tragen, hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, mit der beantragt wurde, den Sohn einer unverheirateten Mutter nicht mit deren weiblichen polnischen Familiennamen «Dzieglewska», sondern mit der männlichen Form «Dzieglewski» einzutragen.

In der Vernehmlassung zum Vorentwurf hat eine Vereinigung gewünscht, dass in diesem Fall ebenfalls eine Erklärung beim Zivilstandsamt abgegeben werden kann, um den Familiennamen zu ändern.

Da es auch Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gibt, wird das binäre Geschlechtsmodell in Frage gestellt und bisweilen als soziales Konstrukt erachtet, siehe Werlen, Persönlichkeitsschutz des Kindes, höchstpersönliche Rechte und Grenzen elterlicher Sorge im Rahmen medizinischer Praxis, Das Beispiel von Varianten der Geschlechtsentwicklung und DSD, Bern 2014, S. 19, 100 ff. und 515 f. Siehe sodann Büchler/Cottier, Legal Gender Studies, Rechtliche Geschlechterstudien, Eine kommentierte Quellensammlung, Zürich/St. Gallen 2012, S. 394 ff.; Montini, Garçon ou fille?

Tertium non datur? ­ Ce que la loi dit lorsque le sexe d'une personne est ambivalent.

Développements récents en Suisse et à l'étranger, in: Brennpunkt Familienrecht, Festschrift für Thomas Geiser zum 65. Geburtstag, Zürich/St. Gallen 2017, S. 403 ff., und Geiser, Amtliches Geschlecht, Die Natur ist bunter als das Recht, in: NZZ vom 11. September 2015, S. 10.

811

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stand der drei Postulate Arslan (17.4121), Ruiz (17.4185) und Flach (18.3690),36 die den Bundesrat beauftragen, in einem Bericht zu prüfen, welche Anpassungen im elektronischen Personenstandsregister für die Einführung einer dritten Geschlechtskategorie notwendig sind. Der Nationalrat hat die beiden ersten Postulate am 17. September 2018 angenommen und das dritte am 13. Juni 2019 abgelehnt. Mit Letzterem wäre der Bundesrat beauftragt worden, zu untersuchen, welche Anpassungen des Schweizer Rechts erforderlich wären, um sämtliche Regelungen zu beseitigen, die allein an das Geschlecht anknüpfen, wobei dieses Kriterium durch andere relevante Unterschiede (beispielsweise die Schwangerschaft) ersetzt werden könnte.

Das Bundesgesetz vom 18. Dezember 198737 über das Internationale Privatrecht (IPRG) wird mit einem Verweis auf die Bestimmungen zum Namen ergänzt (siehe Ziff. 8.2). Darüber hinaus werden keine weiteren Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Namentlich wird auf Änderungen des Sterilisationsgesetzes vom 17. Dezember 200438 und des Ausweisgesetzes vom 22. Juni 200139 (AwG) verzichtet (siehe Ziff. 3.3 und 3.4).

Es ist denkbar, dass der Geschlechtseintrag im Verlauf eines Lebens mehr als einmal geändert werden muss.40 Bei Varianten der Geschlechtsentwicklung werden die Angaben zum Geschlecht in der Regel bei der Geburt provisorisch festgehalten. Je nach Situation müssen sie im Kleinkindalter aber geändert werden, bevor sie in der Pubertät oder im Erwachsenenalter definitiv festgelegt werden.

Die Änderung des Geschlechtseintrags soll Personen vorbehalten sein, die innerlich fest davon überzeugt sind, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören. Unwahre Erklärungen können mit den bestehenden Mitteln bekämpft werden. Die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte muss die Entgegennahme leichtsinniger Erklärungen verweigern. Sie oder er prüft im Rahmen der Berufspflichten, ob sie oder er zuständig ist, ob die Identität der beteiligten Personen nachgewiesen ist und ob diese handlungsfähig sind (siehe Ziff. 8.1.1). Die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte veranlasst, sofern erforderlich, zusätzliche Abklärungen und kann verlangen, dass die Beteiligten mitwirken. 41 Die Abgabe der Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags erfolgt persönlich vor 36

37 38 39 40

41

812

Po. Arslan 17.4121 «Drittes Geschlecht im Personenstandsregister» vom 13. Dezember 2017, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 17.4121; Po. Ruiz 17.4185 «Einführung einer dritten Geschlechtsidentität. Folgen für die Rechtsordnung und für Infostar» vom 14. Dezember 2017, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 17.4185; Po. Flach 18.3690 «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Rechtliche Anknüpfungen an das Geschlecht abschaffen» vom 15. Juni 2018, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 18.3690.

SR 291 SR 211.111.1 SR 143.1 In der Vernehmlassung zum Vorentwurf haben zwei Parteien gefordert, dass der Geschlechtseintrag nur einmal durch Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten geändert werden können sollte. Demgegenüber hat es die NEK ausdrücklich begrüsst, dass der Geschlechtseintrag mehr als einmal geändert werden kann. Da diese Möglichkeit, die im Übrigen nicht kritisiert wurde, insbesondere den Kindern dient, wird sie beibehalten.

Art. 16 Abs. 1 und 5 ZStV.

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der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten. Bei Zweifeln, insbesondere bezüglich der Urteilsfähigkeit, sind zusätzliche Abklärungen vorzunehmen und kann beispielsweise ein ärztliches Zeugnis verlangt werden. Bleiben Zweifel bestehen, so ist die Entgegennahme der Erklärung zu verweigern. Gegen diese Verfügung kann Beschwerde erhoben werden.42 Die Abgabe der Erklärung durch Minderjährige oder Personen unter umfassender Beistandschaft erfordert überdies die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters (siehe Ziff. 8.1.4).

Im Einklang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie des Rechtsmissbrauchsverbotes43 werden die zuständigen Behörden einer missbräuchlichen Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags jegliche Rechtswirkungen versagen. So sehen die Sozialversicherungsbehörden bei der Überprüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Rente namentlich davon ab, die erwarteten Leistungen zu gewähren, wenn sich herausstellt, dass mit der Erklärung zur Geschlechtsänderung allein der Zweck verfolgt werden soll, eine Altersrente früher zu beziehen. Militärbehörden werden eine solche Erklärung nicht berücksichtigen, wenn damit einzig der Zweck verfolgt wird, sich der Militärdienstpflicht zu entziehen. Zur Gewährleistung der Kohärenz innerhalb der schweizerischen Rechtsordnung erstatten die zuständigen Behörden den Zivilstandsbehörden Meldung, damit diese die Berichtigung eines bereits erfolgten Eintrags im Personenstandsregister von Amtes wegen veranlassen und vornehmen können. Solange dessen Unrichtigkeit nicht nachgewiesen ist, erbringt der Eintrag im Personenstandsregister jedoch den vollen Beweis (Art. 9 ZGB) und ist für die Behörden und Privaten verbindlich (siehe Ziff. 3.1).

Strafrechtlich kann ein solches Verhalten als Erschleichung einer falschen Beurkundung eingestuft werden.44 Die Zivilstandsbehörde ist gehalten, den zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörden die bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellten Straftaten anzuzeigen.45

3

Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

3.1

Zuständige Behörde

Für die Entgegennahme der Erklärung zur Änderung des Eintrags von Geschlecht und Vornamen kommt ausser der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten keine andere Behörde ernsthaft in Betracht. Die Zivilstandsbehörden sind gemäss ihrer Zuständigkeit auf die Durchführung solcher Verfahren spezialisiert.46 Da es sich um die Entgegennahme und Beurkundung einer Erklärung handelt, die ohne Vorbedingungen (wie z. B. ein chirurgischer Eingriff oder eine Scheidung, siehe Ziff. 8.1) abgegeben werden kann, ist es insbesondere nicht angezeigt, die Gerichte als dafür zuständig zu bezeichnen.

42 43 44 45 46

Art. 90 ZStV Art. 5 Abs. 3 BV und Art. 2 Abs. 2 ZGB.

Art. 253 StGB; BGE 101 Ib 9 Art. 43a Abs. 3bis ZGB und Art. 16 Abs. 7 ZStV.

Art. 44 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB und Art. 37c ZStV.

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In der Vernehmlassung zum Vorentwurf haben mit Ausnahme von zwei Parteien, die sich gegen jegliche Änderung aussprachen, alle Parteien diese Einschätzung unterstützt. Das Verfahren der Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten wurde auch von der überwiegenden Mehrheit der Organisationen begrüsst, insbesondere vom Schweizerischen Verband für das Zivilstandswesen und von den Verbänden, welche die Interessen der LGBTI-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle) vertreten.

Die Kantone stimmten der Revision und der Übertragung der Zuständigkeit von den Gerichten auf die Verwaltung zwar zu, äusserten sich jedoch unterschiedlich hinsichtlich der hierfür zuständigen Stelle. Einige von ihnen sowie die Konferenz der kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandsdienst hätten es bevorzugt, ähnlich wie im bestehenden Verfahren zur Namensänderung (vgl. Art. 30 ZGB), die Aufsichtsbehörden mit dem Verfahren zu betrauen. Als Argument gegen die Zuständigkeit der Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten wurde eine angebliche Schwächung der Beweiskraft des Personenstandsregisters angeführt.

Dieser Einwand erscheint nicht stichhaltig: Grundsätzlich sind die Einträge im Personenstandsregister, und damit auch die Angaben zum Geschlecht, für alle Behörden und Privaten verbindlich. Sie geniessen die erhöhte Beweiskraft nach Artikel 9 ZGB. Wird ein Eintrag bestritten, so muss gegebenenfalls eine formelle Berichtigung angeordnet werden.

Der Bundesrat ist weiterhin davon überzeugt, dass die Lösung des Vorentwurfs, die Zivilstandsbeamtin oder den Zivilstandsbeamten mit der Entgegennahme der Erklärung über die Änderung des Geschlechts zu betrauen, den Vorteil bietet, jene Behörde für zuständig zu erklären, die für die Führung des Personenstandsregisters verantwortlich und die Entgegennahme von Erklärungen in diesem Bereich spezialisiert ist.

Im Unterschied zu einem Verfahren der Geschlechtsänderung nach Artikel 30 ZGB ermöglicht die vorgeschlagene Lösung ferner die schweizweite Vereinheitlichung des Verfahrens und der Gebühren. Denn nach Artikel 30 ZGB ist zwar die «Regierung des Wohnsitzkantons» zuständig. In der Praxis wird die Aufgabe jedoch an unterschiedliche kantonale Stellen delegiert, die ihre eigenen Tarifbestimmungen anwenden. Im Übrigen findet das Verfahren
nach Artikel 30 ZGB in der Regel schriftlich statt, sodass die zuständigen Stellen nicht zwingend über entsprechend Räumlichkeiten verfügen, um die Betroffenen persönlich empfangen zu können (siehe Ziff. 8.1.1: Persönliches Erscheinen der erklärenden Person).

3.2

Beibehaltung der binären Geschlechterordnung (männlich/weiblich)

Der Bundesrat schlägt vor, am binären Geschlechtermodell (männlich/weiblich) festzuhalten. Dabei stützt er sich auf jüngere Stellungnahmen verschiedener schweizerischer Gremien von Expertinnen und Experten.

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Das SKMR hat 2015 in der Studie «Der Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen»47 angeregt, zu prüfen, ob die Eintragung des Geschlechts in das Personenstandsregister bei der Geburtsbeurkundung eine gewisse Zeit lang aufgeschoben werden könne. Zu Diskussionen Anlass gab ferner die Möglichkeit der Einführung eines dritten Geschlechts (siehe Ziff. 1.1 f.). Die Zentrale Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) empfahl in einer Stellungnahme von 2016, die Frist für die Eintragung des Geschlechts im Personenstandsregister bei unklaren Fällen auf dreissig Tage zu verlängern. 48 Die NEK hatte in ihrer Stellungnahme von 2012 ebenfalls die Möglichkeit erwähnt, eine dritte Geschlechtskategorie einzuführen oder im Geburtsregister auf den Eintrag des Geschlechts gänzlich zu verzichten.49 Die NEK empfahl schliesslich, die beiden bestehenden Kategorien (männlich/weiblich) beizubehalten, weil sie gesellschaftlich und kulturell tief verankert sind.

Auch wenn in der Vernehmlassung zum Vorentwurf mehrere Teilnehmende dafür eingetreten sind, verzichtet der Bundesrat im Rahmen dieser Revision darauf, eine dritte Geschlechtskategorie einzuführen oder von jeglichen amtlichen Angaben zum Geschlecht abzusehen. Er tut dies einerseits vor dem Hintergrund, dass die eidgenössischen Räte der 2012 eingereichten Petition «Einführung eines dritten Geschlechts. Intersexualität»50 keine Folge gegeben haben. Andererseits sind im Nationalrat am 17. September 2018 die Postulate Arslan (17.4121) und Ruiz (17.4185) angenommen worden. Mit diesen wird der Bundesrat beauftragt, in einem Bericht zu prüfen, welche gesetzlichen Änderungen und welche Anpassungen im elektronischen Personenstandsregister im Falle der Einführung einer dritten Geschlechtskategorie oder eines Verzichts auf Angaben zum Geschlecht im Personenstandsregister erforderlich wären. Der Bundesrat möchte den Ergebnissen dieses Prüfauftrags mit der vorliegenden Revision nicht vorgreifen.

3.3

Sterilisationsgesetz

Das Sterilisationsgesetz muss nicht angepasst werden. Dieses regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Sterilisation zu Verhütungszwecken zulässig ist, sowie das anwendbare Verfahren (Art. 1). Insbesondere darf eine Sterilisation nur vorgenom-

47

48 49

50

Siehe Ziff. 3.4­3.7, abrufbar unter www.skmr.ch > Geschlechterpolitik > Publikationen > «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen». Siehe ebenfalls die spezifische «Teilstudie 3: LGBTI ­ Juristische Analyse», S. 25 ff. und 54 f.

(unter der gleichen Adresse).

Siehe ebenfalls die Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften zu «Varianten der Geschlechtsentwicklung» vom 16. Dezember 2016, abrufbar unter www.samw.ch > Publikationen > Stellungnahmen, sowie Werlen, Persönlichkeitsschutz und höchstpersönliche Rechte bei Kindern mit einer Geschlechtsvariante (DSD), in: Jusletter 24. August 2015, S. 15 ff.

Abrufbar unter www.samw.ch > Publikationen > Stellungnahmen.

NEK, Zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, Ethische Fragen zur «Intersexualität», S. 15 ff., abrufbar unter www.nek-cne.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 20/2012.

Petition 12.2018 «Einführung eines dritten Geschlechts. Intersexualität».

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men werden, wenn die betroffene Person über den Eingriff umfassend informiert worden ist und diesem frei und schriftlich zugestimmt hat (Art. 5).

Nach der vorliegenden Revision soll eine Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags keinen Vorbedingungen, insbesondere nicht derjenigen einer vorgängigen Sterilisation, unterliegen (siehe Ziff. 8.1.1).

3.4

Ausweisgesetz

Auch das Ausweisgesetz muss nicht angepasst werden. Gemäss diesem Gesetz muss jeder Ausweis insbesondere die Namen und Vornamen sowie das Geschlecht seiner Inhaberin oder seines Inhabers aufführen.51 Diese drei Angaben sowie das Geburtsdatum, die Nationalität und die Grösse sind auch in maschinenlesbarer Form auf dem Ausweis enthalten.52 Auf Verlangen kann der Ausweis andere Namen, wie den Allianz- oder den Partnerschaftsnamen, enthalten.53 Laut Ausweisverordnung werden die Daten zum Geschlecht sowie andere Daten aus dem elektronischen Personenstandsregister übernommen.54 Die Verordnung präzisiert, dass die Einträge im Informationssystem Ausweisschriften (ISA) bei Namensänderungen infolge von Adoption oder Geschlechtsumwandlung anders als bei reinen Namensänderungen nicht zusammengeführt werden.55 Daraus folgt, dass die Ausstellung eines neuen Ausweises nach einer Änderung des Geschlechtseintrags gewährleistet ist. Es ist keine Gesetzesänderung notwendig.

4

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

4.1

Internationales Recht

4.1.1

Vereinte Nationen (UNO)

In seinem Bericht vom 4. Mai 201556 weist das Hochkommissariat für Menschenrechte der UNO darauf hin, dass die UNO-Instrumente die Staaten verpflichten, das Geschlecht, mit dem sich Transmenschen identifizieren, ohne unverhältnismässige Voraussetzungen wie Sterilisation, obligatorische medizinische Behandlungen oder Ehescheidung (Ziff. 17) rechtlich anzuerkennen. Das Hochkommissariat spricht diesbezüglich eine ausdrückliche Empfehlung aus (Ziff. 79 Bst. i). Im Bericht wird begrüsst, dass die Betroffenen in einigen Rechtsordnungen die Geschlechtsidentität rechtlich selbstbestimmt anerkennen lassen können und dass einige Staaten 51 52 53 54 55 56

816

Art. 2 Abs. 1 AwG Art. 2 Abs. 2 AwG Art. 2 Abs. 4 AwG Art. 10 und 14 VAwG Art. 35 Abs. 2 und 3 VAwG «Discrimination et violence à l'encontre de personnes en raison de leur orientation sexuelle ou de leur identité de genre», abrufbar unter www.un.org > Français > Documents > Recherche > A/HRC/29/23.

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die Kategorie eines dritten oder unbestimmten Geschlechts eingeführt haben (Ziff. 73).57 Bereits in einem Bericht vom 17. November 201158 hatte die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte die Staaten angehalten, die rechtliche Anerkennung desjenigen Geschlechts zu erleichtern, mit dem sich Transmenschen identifizieren (Ziff. 84 Bst. h). Zur Definition der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität (Ziff. 7) wird in diesem Bericht auf die Yogyakarta-Prinzipien59 verwiesen.

Diese umfassen unter anderem den Anspruch auf rechtliche Anerkennung und auf vollumfängliche Achtung der Geschlechtsidentität (Prinzipien 3 und 31).

Anlässlich der Präsentation des vierten periodischen Berichts zur Umsetzung des Internationalen Paktes über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte60 vom Oktober 2018 wurde die Schweiz unter anderem gebeten, die Massnahmen zu nennen, die sie zur Gewährleistung der Selbstbestimmung und Wahlfreiheit der intersexuellen Menschen getroffen hat, und über die Wirkung der konkreten Massnahmen gegen die Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität zu informieren.

An der Generalversammlung vom Mai 2019 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die internationale Klassifikation der Krankheiten überarbeitet. Im Zuge dessen wurde der Begriff Transsexualismus («transsexualism»), der bis anhin den Persönlichkeitsstörungen («mental health and disorders») zugeordnet wurde, neu als Geschlechtsinkongruenz («gender incongruence») bezeichnet. Diese ist künftig unter einer neuen Rubrik zur sexuellen Gesundheit («conditions related to sexual health») zu verorten.61 Der UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes, der das Übereinkommen vom 20. November 198962 über die Rechte des Kindes überwacht, empfiehlt der Schweiz in einem Bericht vom 4. Februar 2015, sich an den Empfehlungen der NEK auszurichten.63

57 58 59

60 61

62 63

Siehe diesbezüglich ebenfalls Ziff. 3.2. Zu den entsprechenden Entwicklungen in Malta, Deutschland, Österreich und Frankreich, siehe die Ziff. 4.3.1­4.3.4.

Abrufbar unter www.un.org > Français > Documents > Recherche > A/HRC/19/41.

Grundsätze über die Anwendung der völkerrechtlich kodifizierten Menschenrechte in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, abrufbar unter www.yogyakartaprinciples.org > Français > Version officielle (PDF).

SR 0.103.1; abrufbar unter www.un.org > Français > Documents > Recherche > E/C.12/CHE/Q4.

Siehe die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), deren Liste auf der Website der WHO veröffentlicht wird, abrufbar unter www.who.int > Health Topics > C > Classifications. Siehe ebenfalls den Artikel Ensuring an inclusive global health agenda for transgender people, in: Bulletin of the World Health Organization 2017/95, S. 154, abrufbar unter www.who.int > Programmes > Bulletin of the World Health Organization > Part Issues > Volume 95, 2017.

SR 0.107 Convention relative aux droits de l'enfant, Observations finales concernant les deuxième à quatrième rapports périodiques de la Suisse (zusammen in einem Dokument unterbreitet), 2015, abrufbar unter www.un.org > Français > Documents > Recherche > CRC/C/CHE/CO/2­4; siehe ebenfalls Ziff. 1.1.

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Der UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, der die Umsetzung des Übereinkommens vom 18. Dezember 197964 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau überwacht, empfiehlt der Schweiz, für eine Änderung der Gerichtspraxis zu sorgen, aufgrund derer Transmenschen verpflichtet werden, sich einem chirurgischen Eingriff oder einer Hormonbehandlung zu unterziehen, bevor sie die Änderung ihres Geschlechts amtlich anerkennen lassen können.65 Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), eine Sonderorganisation der UNO, hat bereits vor längerer Zeit Normen über die Identitätsausweise erlassen.

Diese sehen die Möglichkeit einer dritten Geschlechtskategorie («unspecified gender» mit der Abkürzung «X») vor (siehe Ziff. 3.2).66

4.1.2

Internationale Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC)

Die CIEC ist eine zwischenstaatliche Organisation67 mit dem Ziel, die internationale Zusammenarbeit im Zivilstandswesen zu fördern. Zur Transsexualität oder Transidentität68 hat die CIEC ein Übereinkommen (Nr. 29) über die Anerkennung von Entscheiden über die Feststellung einer Geschlechtsänderung erarbeitet, das am 12. September 2000 in Wien zur Unterzeichnung aufgelegt wurde. 69 Überdies wurden verschiedene Berichte veröffentlicht, zum Teil in Zusammenarbeit mit dem Europarat.70 Die CIEC hat ein Übereinkommen (Nr. 16) über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Zivilstandsregistern verabschiedet, das am 8. September 1976 in Wien 64 65

66

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69 70

818

SR 0.108 Convention sur l'élimination de toutes les formes de discrimination à l'égard des femmes, Observations finales concernant les quatrième et cinquième rapports périodiques de la Suisse (zusammen in einem Dokument unterbreitet), 2016, Empfehlung Nr. 39 d, abrufbar unter www.un.org > Français > Documents > Recherche > CEDAW/C/CHE/ CO/4­5).

Siehe «Documents de voyage lisibles à la machine », 7. Aufl., 2015, 4. Abteilung, S. 15, Ziff. 11/II, abrufbar unter www.icao.int > Sources d'information > Publications > Séries des documents > Doc 9303 > Part 4.

Sie wurde 1948 gegründet. Informationen zur CIEC können auf der Website unter www.ciec1.org abgerufen werden.

Der Verein Transgender Network Switzerland schlägt vor, anstelle des medizinisch konnotierten Begriffs «Transsexualität» jenen der «Transidentität» zu verwenden; siehe Trans*, Eine Informationsbroschüre von Transmenschen für Transmenschen und alle anderen, 2016/2017, S. 7 und 74, abrufbar unter www.transgender-network.ch/de > Information.

Das Übereinkommen ist am 1. März 2011 für Spanien und die Niederlande in Kraft getreten. Es ist abrufbar unter www.ciec1.org > Conventions > 29.

«Les conséquences juridiques du changement de sexe en droit comparé» und «Aspects internationaux des questions liées au transsexualisme», in: Transsexualisme, médecine et droit, Actes du XXIIIe colloque de droit européen, Vrije Universiteit Amsterdam, 14­16 avril 1993, Éditions du Conseil de l'Europe, 1995; «Transsexualisme, état civil, vie privée et familiale dans les États de la CIEC», in: Revue Droit de la Famille, Éditions Juris-Classeur, Paris 1998, Nr. 12, S. 3­9; «Le transsexualisme en Europe», Éditions du Conseil de l'Europe, Juni 2000.

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abgeschlossen worden ist.71 Gemäss dessen Artikel 5 ist ausschliesslich die Eintragung des männlichen oder weiblichen Geschlechts vorgesehen (Zeichen M und F).

Die Formulare gemäss dem neuen Übereinkommen (Nr. 34) über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Zivilstandsregistern, das am 14. März 2014 in Strassburg unterzeichnet wurde,72 stellen die binäre Geschlechterordnung nicht in Frage.

Ist das Geschlecht bei einer Person jedoch unbestimmt, so können die Kästchen mit der Geschlechtsangabe «männlich» oder «weiblich» leer gelassen werden (Anhang 3, Ziff. 12 c).73 Auf diese Übereinkommen der CIEC verweist insbesondere die Verordnung (EU) 2016/119174. Sie führt verschiedene mehrsprachige Formulare ein, die als Hilfe bei der Übersetzung von nationalen oder auf Grundlage der CIECÜbereinkommen ausgestellten Auszügen aus den Zivilstandsregistern dienen (siehe Ziff. 3.2 und 4.2.3).

4.2

Verhältnis zum europäischen Recht

4.2.1

Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

In seiner Rechtsprechung zu Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Konvention vom 4. November 195075 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) anerkennt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Anspruch von Transmenschen, ihrem neuen Geschlecht entsprechende Zivilstandsdokumente zu erhalten.76 Der Gerichtshof erachtet es ferner nach Massgabe dieser Bestimmung sowie von Artikel 6 Absatz 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) als unverhältnismässig, einer Person die Beweislast für das Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung im Bereich einer der intimsten Angelegenheiten des Privatlebens aufzuerlegen.77 In einem jüngeren Urteil schloss der Gerichtshof auf eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privatlebens, weil die nationalen Gerichte es einem Transmenschen versagt hatten, sein Geschlecht oder seinen Vornamen ohne vorgängige Sterilisation

71 72

73 74

75 76

77

SR 0.211.112.112. Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 18. April 1990 in Kraft getreten; es ist zurzeit für 24 Staaten verbindlich.

Das Übereinkommen wurde von fünf Staaten unterzeichnet, darunter auch die Schweiz. Es ist noch nicht in Kraft getreten. Es ist abrufbar unter www.ciec1.org > Conventions > 34.

Zur Frage einer dritten Geschlechterkategorie siehe ebenfalls Ziff. 3.2.

Verordnung (EU) 2016/1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, ABl. L 200 vom 26. Juli 2016.

SR 0.101 Urteile B. gegen Frankreich, Beschwerde Nr. 13343/87 (1992), sowie Goodwin gegen Vereinigtes Königreich und I. gegen Vereinigtes Königreich, Beschwerden Nr. 28957/95 und 25680/94 (2002).

Urteil Van Kück gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 35968/97 (2003).

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zu ändern.78 Der Gerichtshof verurteilte ebenso, dass die Anerkennung der geschlechtlichen Identität von Transmenschen von einer Operation oder einer Sterilisation abhängig gemacht wird, zu der sie nicht bereit sind. Dies laufe darauf hinaus, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens nur dann uneingeschränkt ausgeübt werden könne, wenn letztlich auf die uneingeschränkte Ausübung des Rechts auf Achtung der körperlichen Unversehrtheit verzichtet werde. Des Weiteren stufte er eine nationale Regelung als unvereinbar mit den Garantien der EMRK ein, weil sie nicht hinreichend klar war und damit kein rasches, transparentes und zugängliches Verfahren zur Änderung des Geschlechts geschaffen wurde, wie dies in der 2015 vom Europarat verabschiedeten Resolution 2048 über die Diskriminierung von Transmenschen in Europa gefordert wird (siehe Ziff. 4.2.2).79 In einem anderen Fall erachtete es der Gerichtshof nicht als unverhältnismässig, wenn die Umwandlung einer Ehe in eine eingetragene Partnerschaft Voraussetzung dafür ist, dass das weibliche Geschlecht einer Transfrau anerkannt wird, da die beiden Rechtsinstitute im betreffenden Staat fast identisch ausgestaltet seien.80

4.2.2

Arbeiten des Europarats

Die Empfehlung CM/Rec(2010)5 des Ministerkomitees vom 31. März 2010 über Massnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität81 hält die Mitgliedstaaten an, das Element der vorgängigen Erfüllung von Voraussetzungen für die rechtliche Anerkennung einer Geschlechtsänderung zu überprüfen. Auf missbräuchliche Anforderungen, einschliesslich der Voraussetzung körperlicher Veränderungen, sei zu verzichten. Die Mitgliedstaaten sollen angemessene Massnahmen ergreifen, um die volle rechtliche Anerkennung einer neuen Geschlechtsidentität zu garantieren, insbesondere durch die rasche Ausstellung neuer amtlicher Dokumente. Sie sollen ferner Massnahmen treffen, mit denen der betroffenen Person das Recht garantiert wird, eine Person des anderen Geschlechts zu heiraten, sobald eine Geschlechtsänderung vorgenommen und rechtlich anerkannt ist (Ziff. 20­22). In einer Absichtserklärung, die am 14. Mai 2014 in Valletta verabschiedet worden ist, wird der Schutz ausdrücklich auf Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung ausgeweitet und ihnen insbe-

78

79

80 81

820

Urteile Y. Y. gegen die Türkei, Beschwerde Nr. 14793/08 (2015) und S. V. gegen Italien, Beschwerde Nr. 55216/08 (2018). Siehe ebenfalls Patry, L'impact en Suisse de l'arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme sur la question de la stérilisation prévue par le régime suisse actuel en matière de reconnaissance officielle de changement de sexe, in: L'influence du droit de l'Union européenne et de la Convention européenne des droits de l'homme sur le droit suisse, Genf 2016, S. 89 ff.

Urteile A. P., Garçon und Nicot gegen Frankreich, Beschwerde Nr. 79885/12 (2017), und X gegen die ehemalige jugoslawische Republik von Mazedonien, Beschwerde Nr. 29683/16 (2019).

Urteil Hämäläinen gegen Finnland, Beschwerde Nr. 37359/09 (2014).

Abrufbar unter www.coe.int > Explorer > Comité des Ministres > Documents > Textes adoptés > Recommandations du Comité des Ministres aux États membres > Générales > CM/Rec(2010)5.

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sondere die volle Anerkennung der Geschlechtsidentität gewährleistet (Ziff. 6 und 7). Der Bundesrat hat diese Absichtserklärung am 29. April 2015 genehmigt. 82 Die Resolution 2048 über die Diskriminierung von Transmenschen in Europa83, die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 22. April 2015 verabschiedet worden ist, fordert die Mitgliedstaaten auf, die Diskriminierung von Transmenschen zu bekämpfen (Ziff. 6.1 ff.), ihnen den erforderlichen Zugang zu notwendigen Gesundheitsleistungen zu gewährleisten (Ziff. 6.3 ff.) und die Öffentlichkeit und interessierte Kreise zu sensibilisieren (Ziff. 6.4 ff.). In der Resolution wird unter Verweis auf die Gesetzgebung Maltas84, die am 14. April 2015 verabschiedet worden ist, begrüsst, dass das Recht auf eine Geschlechtsidentität neu anerkannt wird (Ziff. 5). Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, rasche, transparente und zugängliche Verfahren zur Änderung des Namens und des Geschlechts einzuführen, die auf einer selbstbestimmten Entscheidung der Betroffenen beruhen und allen Personen unabhängig von ihrem Alter, ihrem Gesundheitszustand, ihrer finanziellen Lage oder einer aktuellen oder früheren Inhaftierung offenstehen. Gemäss der Resolution sollen zudem Bestimmungen aufgehoben werden, die das Recht von Transmenschen, verheiratet zu bleiben, einschränken. Abgeschafft werden sollen im Weiteren die Erfordernisse der Sterilisation sowie jeglicher medizinischen Massnahmen oder psychiatrischer Diagnosen als Voraussetzungen für die Anerkennung der Geschlechtsidentität. Gemäss der Resolution sollen die Mitgliedsstaaten ferner die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass Personen, die dies wünschen, in ihren Ausweisen ein drittes Geschlecht wählen können. Es wird überdies in Erinnerung gerufen, dass bei Entscheiden betreffend Kinder dem Kindeswohl stets höchste Beachtung zu schenken ist (Ziff. 6.2 ff.). Auch die am 12. Oktober 2017 verabschiedete Resolution 2191 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Förderung der Menschenrechte und Beseitigung der Diskriminierung von intersexuellen Personen sieht in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Resolution 2048 eine Vereinfachung der Verfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts vor (Ziff. 7.3 ff.).85 Diese Empfehlungen werden vom Kommissar für Menschenrechte des Europarates in verschiedenen Themenpapieren präzisiert.86

82 83 84 85 86

Siehe die Medienmitteilung vom 29. April 2015, abrufbar unter www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen.

Abrufbar unter www.assembly.coe.int > FR > Travaux > Documents > Textes adoptés > 2048.

Gender Identity, Gender Expression and Sex Characteristics Act (siehe Ziff. 4.3.1).

Abrufbar unter www.assembly.coe.int > FR > Travaux > Documents > Textes adoptés > 2191.

«La discrimination fondée sur l'orientation sexuelle et l'identité de genre en Europe», Kommissar für Menschenrechte des Europarates (Hrsg.), 2011, S. 13 f., Ziff. 5.1­5.4, abrufbar unter www.coe.int > Explorer > Commissaire aux droits de l'homme > Documents > Publications; Droits de l'homme et personnes intersexes, Kommissar für Menschenrechte des Europarates (Hrsg.), 2015, S. 39 ff., abrufbar unter www.coe.int > Explorer > Commissaire aux droits de l'homme > Documents > Publications; Protection des droits de l'homme des personnes transgenres, Petit guide sur la reconnaissance juridique du genre, Europarat (Hrsg.), 2016, abrufbar unter www.coe.int > Droits de l'homme > Orientation sexuelle et identité de genre - LGBT > Ressources > Publications.

821

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4.2.3

Europäische Union

Im materiellen Familienrecht hat die EU keine eigenen Kompetenzen. Sie kann jedoch geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen, etwa aus Gründen des Geschlechts, zu bekämpfen.87 Gleichwohl haben im Jahr 2016 das Europäische Parlament und der Rat der EU zur Gewährleistung des freien Verkehrs von öffentlichen Urkunden die Verordnung (EU) 2016/1191 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern durch die Vereinfachung der Anforderungen an die Vorlage bestimmter öffentlicher Urkunden innerhalb der Europäischen Union erlassen. Mit der Verordnung wurden namentlich Formulare eingeführt, die als Hilfe bei der Übersetzung von nationalen oder auf Grundlage der CIEC-Übereinkommen ausgestellten Auszügen aus den Zivilstandsregistern dienen sollen.88

4.3

Rechtsvergleich

4.3.1

Malta

Das am 14. April 2015 verabschiedete maltesische Gesetz «Gender Identity, Gender Expression and Sex Characteristics Act»89 garantiert den Bürgerinnen und Bürgern Maltas und den Flüchtlingen unter Wahrung der körperlichen Integrität und der Familien- und Eheverhältnisse der betroffenen Personen ohne vorgängige medizinische Behandlung oder Untersuchung das Recht auf Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität (Art. 3 und 4 Abs. 8). Die Änderung des Geschlechts erfolgt durch Erklärung vor einer Notarin oder einem Notar, gestützt auf die von der Person selbst empfundene Geschlechtsidentität (Art. 4). Die Notarin oder der Notar darf keine medizinischen Zeugnisse oder psychiatrischen oder psychologischen Bescheinigungen verlangen (Art. 5 Abs. 2). Die Angaben zu Namen und Geschlecht Minderjähriger können auf Antrag der Inhaberin oder des Inhabers der elterlichen Sorge oder der Beiständin oder des Beistandes in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geändert werden. Das Gericht trifft seinen Entscheid unter Berücksichtigung des Kindeswohls (Art. 7).

Im Ausland rechtskräftig ergangene Entscheide zur Geschlechtsidentität werden in Malta anerkannt. Dies gilt auch für Entscheide, in denen ein anderes Geschlecht als das männliche oder weibliche oder gar kein Geschlecht festgestellt wird (Art. 9).

Am 24. Februar 2017 hat die maltesische Regierung angekündigt, dass Identitätsdo87

88 89

822

Art. 19 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Gemäss der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU (EuGH) kann die Diskriminierung von Transmenschen einer Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts gleichkommen (siehe Europäische Kommission, Trans- und intersexuellen [sic] Menschen, Diskriminierung von trans- und intersexuellen Menschen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks, Luxemburg, 2012, S. 5 ff., abrufbar unter www.publications.europa.eu > EU-Veröffentlichungen). In diesem Zusammenhang hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2013 eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer LGBT-Erhebung in der EU veröffentlicht; abrufbar unter www.fra.europa.eu/de > Publikationen & Materialien > Publikationen (Suche : «LGBT-Erhebung in der EU») Siehe Ziff. 4.1.2.

Siehe Ziff. 4.2.2.

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kumente mit der dritten Geschlechtskategorie «X» ausgestellt werden können.90 Identitätskarten und andere amtliche Dokumente werden innert kurzer Frist angepasst (Art. 10). Verstösse gegen das Gesetz sind mit Strafe bedroht (Art. 11). Im Weiteren wird auf die datenschutzrechtlichen Bestimmungen verwiesen (Art. 12).

Schliesslich verbietet das maltesische Gesetz allgemein jegliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder der geschlechtlichen Merkmale und verpflichtet die staatlichen Behörden zur Förderung der Chancengleichheit (Art. 13). Es garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 14) und Zugang zu notwendigen Gesundheitsleistungen (Art. 15).

4.3.2

Deutschland

Aus historischer Sicht ist interessant, dass das «Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten» von 1794, welches bis am 31. Dezember 1899 in Kraft war, Bestimmungen zu zweigeschlechtigen Kindern («Zwittern») enthielt. Danach wurde das Kind unter dem von den Eltern bestimmten Geschlecht aufgezogen. Mit achtzehn Jahren konnte es dann sein Geschlecht selbst wählen. Vorbehalten blieben die Rechte Dritter: Sie konnten die Meinung einer sachverständigen Person einholen, deren Befund gegebenenfalls Vorrang vor dem Entscheid des betroffenen Kindes oder seiner Eltern hatte.91 Seit November 2013 sieht § 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes vor, dass im Rahmen einer Geburtsbeurkundung die Eintragung in das Register ohne Angaben zum Geschlecht erfolgt, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Aufgrund einer am 18. Dezember 2018 verabschiedeten Reform, die infolge eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2017 vorgenommen wurde, bietet das Gesetz neu zusätzlich die Möglichkeit, bei der Geburt einer Person mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung im Geburtenregister im Feld zum Geschlecht «divers» einzutragen, statt das Feld leer zu lassen. Das Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung muss ärztlich bescheinigt werden (§ 45b Abs. 3 des Personenstandsgesetzes). Ausnahmsweise kann der Nachweis an Stelle einer ärztlichen Bescheinigung durch eidesstattliche Versicherung geführt werden. Die Beurkundungen sind folglich nur bei medi90

91

Siehe die Nachricht « gender option to be added to passports and ID cards» vom 24. Februar 2017, abrufbar unter www.timesofmalta.com. Zur Frage einer dritten Geschlechtskategorie siehe ebenfalls Ziff. 3.2.

Die Bestimmungen lauteten wie folgt: Ǥ 19. Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die Aeltern [d. h. Eltern], zu welchem Geschlechte sie erzogen werden sollen.

§ 20. Jedoch steht einem solchen Menschen, nach zurückgelegtem achzehnten Jahre, die Wahl frey, zu welchem Geschlecht er sich halten wolle. [...] § 22. Sind aber Rechte eines Dritten von dem Geschlecht eines vermeintlichen Zwitters abhängig, so kann ersterer auf Untersuchung durch Sachverständige antragen. § 23. Der Befund der Sachverständigen entscheidet, auch gegen die Wahl des Zwitters, und seiner Aeltern.» Das Bayrische Gesetzbuch von 1756 enthielt ähnliche Bestimmungen; siehe Recher, Rechte von Transmenschen, in: Ziegler/Montini/Ayse Copur (Hrsg.), LGBT-Recht, Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der Schweiz, Basel 2015, S. 113, und Reithofer, Fehlende Angabe eines Geschlechtes in der Geburtsanzeige (Intersexualität), in: Österreichisches Standesamt 5/2016, S. 72.

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zinischen und biologischen Varianten der Intersexualität möglich und nicht bei psychosozialen Fragen in Verbindung mit der Geschlechtsidentität. Das Gesetz regelt die Folgen der Beurkundungen einer Person mit der Angabe «divers» oder ohne Angaben zum Geschlecht nicht, insbesondere was die Ehe oder die Elternschaft dieser Person betrifft. Es sind weitere Reformen geplant. So soll das Kindesrecht umfassend revidiert werden und die genannten Personen einbeziehen.92 Mit dem am 10. September 1980 verabschiedeten Gesetz über die Änderung der Vornamen und des Geschlechts der Transsexuellen93 sind zwei Verfahren eingeführt worden: eines zur Änderung des Vornamens («kleine Lösung») und eines zur Änderung des Vornamens und des Geschlechts («grosse Lösung»). Verschiedene Bestimmungen dieses Gesetzes wurden vom Bundesverfassungsgericht in der Folge als grundgesetzwidrig beurteilt. So ist mit Beschluss vom 16. März 1982 (BVerfGE 60, 123) die ursprünglich bei 25 Jahren festgelegte Altersgrenze aufgehoben worden, und der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass Handlungen handlungsunfähiger Personen von ihren gesetzlichen Vertreterinnen und Vertretern vorgenommen werden. Dies sind bei Minderjährigen in der Regel die Eltern. Seit einem Urteil vom 27. Mai 2008 (1 BvL 10/05), das zur Aufhebung von § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes geführt hat, ist es für die rechtliche Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit nicht mehr erforderlich, dass die betroffene Person nicht verheiratet ist respektive sich scheiden lässt. Infolge eines Urteils vom 11. Januar 2011 (1 BvR 3295/07) sind auch die Vorschriften betreffend die dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit und die Eingriffe zur Geschlechtsangleichung nach § 8 Absatz 1 Nummern 3 und 4 des Gesetzes nicht mehr anwendbar. Nach derzeitiger Rechtslage besteht für beide Verfahren (Änderung des Geschlechts und des Vornamens oder alleinige Vornamensänderung) jeweils die gleiche Voraussetzung: Zwei Gutachten müssen den ernsthaften und dauerhaften Wunsch bestätigen, im Gegengeschlecht zu leben. Überarbeitungen sind geplant: Kritisiert wird vor allem das Begutachtungsverfahren, welches als langwie92

93

824

§ 22 Abs. 3 des Personenstandsgesetzes lautet wie folgt: «Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.» Siehe den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/16) betreffend die Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22.6.2016 (XII ZB 52/15), in: Das Standesamt 9/2016, S. 269 f., sowie in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, 18/2016, S. 1580 ff. Siehe ebenfalls das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) zum Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 10.4.2019, Az. VIII20103/27#17, publiziert in: Das Standesamt 5/2019, S. 151. Ferner Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Ein Handbuch zum deutschen und internationalen Privatrecht, 3. Aufl., Frankfurt am Main/Berlin 2019, S. 433 ff. und 664 ff.; Dutta/Helms, Geschlechtseintrag im Geburtenregister? Stellungnahme für den Wissenschaftlichen Beirat des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, in: Das Standesamt 4/2017, S. 98 ff.; Theilen, Intersexualität bleibt unsichtbar: Kritische Anmerkungen zum Beschluss des Bundesgerichtshofs zu nicht-binären Eintragungen im Personenstandsrecht, in: Das Standesamt 10/2016, S. 295 ff. Siehe schliesslich die Broschüre «Situation von trans- und intersexuellen Menschen im Fokus», im Oktober 2016 veröffentlicht vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 25, abrufbar unter www.bmfsfj.de > Aktuelles > Alle Meldungen > 26. Oktober 2016.

Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen, kurz Transsexuellengesetz oder TSG.

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rig, teuer und in die Intimsphäre eingreifend bezeichnet wird. Überdies sei es wenig vereinbar mit der Achtung der Menschenwürde und der zunehmenden Entpathologisierung der Transsexualität, und schliesslich wird deren Beurteilung durch Dritte zugunsten des Selbstbestimmungsrechts in Frage gestellt.94

4.3.3

Österreich

Nach österreichischem Recht ist das Kind mit den Angaben zum Geschlecht sowie mit Namen und Vornamen im Personenstandsregister einzutragen. In der Regel obliegt es der Leitung der Krankenanstalt, dem Arzt oder der Hebamme, die Geburt einschliesslich des Geschlechts des Neugeborenen der Personenstandsbehörde anzuzeigen.95 Das Geschlecht wird folglich medizinisch festgestellt. Die Eintragung begründet den vollen Beweis und unterliegt der Vermutung der Richtigkeit. 96 Das Standesamt ist an die Angabe des Geschlechts in der Geburtsanzeige gebunden und muss sie so in das Personenstandsregister eintragen. 97 Das Feld zum Geschlecht kann auch leer gelassen werden.98 Eine Berichtigung oder Änderung des Eintrags ist vorzunehmen, wenn die Angaben zur Zeit der Eintragung unrichtig gewesen sind oder wenn der Eintrag nachträglich unrichtig geworden ist.99 Die Situation von Kindern mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung wird vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Hinsichtlich der Wahl des Vornamens, der für die Individualisierung einer Person innerhalb einer Familie von grundlegender Bedeutung ist, wurde in der Lehre vorgeschlagen, dass die Eltern einen oder meh-

94

95 96 97 98 99

Siehe «Situation von trans- und intersexuellen Menschen im Fokus», publiziert im Oktober 2016 durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 13, 26 und Anlage 4, abrufbar unter www.bmfsfj.de > Aktuelles > Alle Meldungen > 26. Oktober 2016. Siehe ebenfalls Dutta, The legal status of transsexual and transgender persons in Germany, in: The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, Cambridge 2015, S. 207 ff.; Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, Ein Handbuch zum deutschen und internationalen Privatrecht, 3. Aufl., Frankfurt am Main / Berlin 2019, S. 664 ff.; Theile, Transsexualität im Familienrecht, Eine vergleichende Untersuchung der rechtlichen Anerkennung des Geschlechtswechsels und ihrer Rechtsfolgen insbesondere auf die Ehe und Lebenspartnerschaft im deutschen, englischen und französischen Recht, Regensburg 2013, S. 83 ff., 103 f., 117 ff. und 185 ff., und Wiggerich, Rechtsvergleichende Impulse zur Reform des Transsexuellengesetzes ­ Zugleich Besprechung von Scherpe (Hrsg.), The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, in: Das Standesamt 1/2017, S. 8 ff. Siehe ebenfalls den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Februar 2017, in: FamRz 2017, Nr. 14, S. 1185 ff., sowie den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofs vom 6. September 2017, in: Das Standesamt 12/2017, S. 369 ff. Gemäss diesem Beschluss ist ein Transmensch, der ein Kind geboren hat, im Geburtenregister auch dann als Mutter des Kindes einzutragen, wenn ihm vorher personenstandsrechtlich das männliche Geschlecht zuerkannt worden ist.

§ 2 Abs. 2 Ziff. 3, § 9 und § 11 Abs. 1 des Personenstandsgesetzes.

§ 40 Abs. 3 des Personenstandsgesetzes.

Kutscher/Wildpert, Das österreichische Personenstandsrecht, 2. Aufl., Wien 2018, Kommentare zu § 2 PStG 2013, N 7.

§ 9 Abs. 3 i. V. m. § 40 Abs. 1 zweiter Satz des Personenstandsgesetzes.

§§ 41 f. des Personenstandsgesetzes.

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rere geschlechtsneutrale Vornamen wählen.100 Gemäss der bis in die jüngste Zeit befolgten Praxis musste eine Eintragung in die eine oder andere Geschlechtskategorie erfolgen, wenn das Geschlecht eines Kindes nicht als männlich oder weiblich bestimmt werden konnte. Diese Praxis musste jedoch revidiert werden. Denn nach dem Personenstandsgesetz gibt es nicht ausschliesslich das männliche oder das weibliche Geschlecht, und es ist nicht vorgesehen, dass die Eintragung lediglich anhand einer dieser beiden Kategorien erfolgen darf. Vielmehr wird das Geschlecht nach dem Gesetz als Merkmal betrachtet, dessen Eintrag im Personenstandsregister richtig oder unrichtig sein kann, ohne dass die Eintragung das (rechtliche) Geschlecht (konstitutiv) bestimmt.101 Entsprechend befand der Verfassungsgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 15. Juni 2018, dass der Staat das Recht, aber nicht die Pflicht hat, das Geschlecht einzutragen, und dass er im Fall einer Eintragung Artikel 8 EMRK beachten muss.

Diese Bestimmung räumt Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung auch das Recht auf Anerkennung einer eigenständigen geschlechtlichen Identität ein, die von den Geschlechtskategorien männlich und weiblich abweicht. Die Norm schützt insbesondere Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung. Gemäss dem Gerichtshof ist der im österreichischen Personenstandsgesetz verwendete Geschlechtsbegriff so allgemein gefasst, dass er einer verfassungskonformen Interpretation, die auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschliesst, nicht entgegen steht.102 Dabei ist eine Geschlechtsbezeichnung zu verwenden, die der sozialen Realität der Betroffenen entspricht, wobei neben «männlich» und «weiblich» insbesondere «divers», «inter» oder «offen» angegeben werden kann. Der Verfassungsgerichtshof hat ferner das Recht der Kinder anerkannt, die Zuordnung zu einem Geschlecht so lange offen zu lassen, bis sie eine solche Zuordnung ihrer Geschlechtsidentität selbst bestimmen können.

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verfassungsgerichtshofs so ausgelegt, dass die Möglichkeit der Angabe der dritten Option (jenseits von «männlich», «weiblich» oder «offen») ausschliesslich intersexuellen Personen zusteht, d. h. Personen, deren biologisches Geschlecht weder
männlich noch weiblich ist.103 Im Dezember 2018 hat das Bundesministerium für Inneres die Standesämter angehalten, dass beim Geschlecht der Neugeborenen ausschliesslich «männlich», «weiblich» oder (wenn eine medizinische Zuordnung des Geschlechts nicht möglich ist) «offen» einzutragen sei. Lediglich auf Antrag der Betroffenen und auf Basis eines interdisziplinären Gutachtens, welches das Vorliegen einer Variante der Ge-

100

Reithofer, Fehlende Angabe eines Geschlechtes in der Geburtsanzeige (Intersexualität), in: Österreichisches Standesamt 5/2016, S. 72.

101 Urteile des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 8. Juni 2006 (V4/06) und vom 22. Juni 1983 (B578/80).

102 Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Juni 2018 (E2918/2016).

Siehe Kieck, Das Erkenntnis des österreichischen VfGH zur personenstandsrechtlichen Erfassung des Geschlechts, in: Das Standesamt 10/2018, S. 302 ff. und 318 ff.

103 Urteil des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2018 (Ro 2018/01/0015).

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schlechtsentwicklung bestätigt, darf als dritte Geschlechtskategorie «divers» verwendet werden.104 Das Gesetz regelt auch die Transsexualität nicht ausdrücklich. Der Geschlechtseintrag wird von den Standesämtern in einem Verwaltungsverfahren geändert. In der Praxis wird von der betroffenen Person vorgängig weder ein operativer Eingriff noch die Scheidung verlangt.105

4.3.4

Frankreich

In Frankreich enthält die Geburtsurkunde eine ausdrückliche Angabe zum Geschlecht des Neugeborenen.106 Die französische Zivilstandspraxis lässt dafür ausschliesslich das männliche oder weibliche Geschlecht zu. In einem Fall betreffend eine Person, der bei der Geburt kein eindeutiges Geschlecht zugewiesen werden konnte, hat das französische Kassationsgericht mit Urteil Nr. 531 vom 4. Mai 2017 bestätigt, dass es das französische Recht entgegen einem Kreisschreiben des Justizministeriums vom 28. Oktober 2011 nicht erlaubt, in den Zivilstandsurkunden ein anderes Geschlecht als das männliche oder das weibliche auszuweisen.107 Die Änderung des Geschlechtseintrags ist aufgrund des Gesetzes Nr. 2016­1547 vom 18. November 2016 über die Modernisierung der Justiz des 21. Jahrhunderts nunmehr in den Artikeln 61­5 bis 61­8 des französischen Zivilgesetzbuchs geregelt.

Jede volljährige oder als handlungsfähig erklärte minderjährige Person kann vor Gericht auf Änderung des Geschlechtseintrags in den Zivilstandsurkunden klagen, wenn sie den Nachweis erbringt, dass dieser nicht dem Geschlecht entspricht, mit dem sie sich nach aussen zeigt und unter dem sie bekannt ist. Ihre Klage darf nicht wegen der Weigerung, sich einer medizinischen Behandlung, Operation oder Sterilisation zu unterziehen, abgewiesen werden. Änderungen von Vornamen als Folge eines Entscheids zur Geschlechtsänderung erscheinen in Zivilstandsurkunden der Ehepartnerin oder des Ehepartners und der Kinder ausschliesslich mit Zustimmung der davon Betroffenen oder deren gesetzlichen Vertretung. Im Übrigen hat die Änderung des Geschlechtseintrags keine Auswirkungen auf gegenüber Dritten

104

Rundschreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 20. Dezember 2018, BMI-VA1300/0528-III/4/b/2018.

105 Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 8. Juni 2006 (V4/06) und Urteil des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2009 (2008/17/0054).

106 Art. 57 und 62 des französischen Zivilgesetzbuchs.

107 Der Entscheid ist abrufbar unter www.courdecassation.fr. Siehe auch Libération, Ni XX ni XY, La cour d'appel d'Orléans opposée au «sexe neutre», 22. März 2016, und «Sexe neutre» pour l'état civil devant la Cour de cassation, 21. März 2017, abrufbar unter www.liberation.fr, und Le Monde, , la question du sexe neutre pour l'état civil devant la Cour de cassation, 22. März 2017, abrufbar unter www.lemonde.fr.

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eingegangene Verpflichtungen oder auf vor der Änderung entstandene Kindesverhältnisse.108 Die neuen Bestimmungen haben auch die Änderung des Vornamens vereinfacht.

Nach Artikel 60 des französischen Zivilgesetzbuchs kann nunmehr jede Person ein entsprechendes Gesuch stellen, und zwar nicht mehr vor Gericht, sondern vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten. Für Minderjährige oder bevormundete Volljährige reicht die gesetzliche Vertreterin oder der gesetzliche Vertreter das entsprechende Gesuch ein. Ist das Kind älter als dreizehn, so ist seine persönliche Zustimmung erforderlich. Erachtet die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte, dass dem Gesuch kein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt, insbesondere wenn es gegen die Interessen des Kindes verstösst oder die Ansprüche Dritter auf Schutz ihres Familiennamens verletzt, so meldet sie oder er dies unverzüglich der Staatsanwaltschaft und informiert die gesuchstellende Person darüber. Lehnt die Staatsanwaltschaft die Namensänderung ab, kann die gesuchstellende Person oder deren gesetzliche Vertretung das Familiengericht anrufen.

4.3.5

Italien

In Italien wird das Kind mit Geschlecht und Vornamen, die miteinander übereinstimmen müssen, im Geburtenregister eingetragen.109 Das Gesetz Nr. 164110 vom 14. April 1982 ermöglicht die Registerbereinigung bei Transsexualität, das heisst, wenn die Geschlechtsmerkmale verändert worden sind.

Die Berichtigung der Einträge im Fall von Varianten der Geschlechtsentwicklung war bereits vor Erlass dieses Gesetzes nach den allgemeinen Bestimmungen zum Zivilstandwesen möglich.

Das Gesetz Nr. 164 führt nicht aus, ob diese Veränderungen das Ergebnis eines chirurgischen Eingriffs zur Geschlechtsänderung, einer Hormonbehandlung oder einer natürlichen Entwicklung sein müssen. Gemäss der ständigen Rechtsprechung111 ist ein chirurgischer Eingriff denn auch keine Voraussetzung für die recht108

Der Status einer Person, die nach ihrer Geschlechtsänderung ein Kind gezeugt hat, war Gegenstand des Urteils des Berufungsgerichts Montpellier (Nr. 16/06059) vom 14. November 2018. Gemäss dem Gericht war es mit Blick auf das Kindeswohl geboten, dass der Transmensch, der sein Geschlecht von männlich auf weiblich hatte ändern lassen, ohne die Attribute seines Geburtsgeschlechts zu verlieren, in der Geburtsurkunde des Kindes als «leiblicher Elternteil» («parent biologique») bezeichnet wird anstatt als «nicht austragende Mutter» («mère non gestatrice»).

Das Urteil wird wiedergegeben und kommentiert in: Actualité Juridique Famille, Dezember 2018, S. 684 f.

109 Dekret Nr. 396/2000 des Präsidenten der Republik über das Zivilstandswesen (Regolamento per la revisione e la semplificazione dell'ordinamento dello stato civile) vom 3. November 2000, Art. 29 und 35.

110 Legge 14 aprile 1982, n. 164, Norme in materia di rettificazione di attribuzione di sesso.

Siehe ebenfalls La nuova giurisprudenza civile commentata 2012, I, 253 con nota Schuster, Identità di genere: tutela della persona o difesa dell'ordinamento?, in: Famiglia e Diritto 2012, insbesondere S. 260.

111 Urteil Nr. 15138 des Kassationsgerichts, Zivilabteilung I, 21. Mai­20. Juli 2015; siehe ebenfalls das Urteil Nr. 5896 des Zivilgerichts von Rom vom 22. März 2011 und im selben Sinn das Urteil 221/2015 des Verfassungsgerichts.

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liche Anerkennung der Geschlechtsänderung. Für Personen, die sich einem chirurgischen Eingriff unterzogen haben und die Berichtigung ihres Personenstands verlangen, wird allerdings ein spezifisches Verfahren vorgesehen.112 Minderjährige werden durch ihre Eltern bzw. eine Beiständin oder einen Beistand vertreten, die oder der von der Vormundschaftsrichterin oder vom Vormundschaftsrichter («Giudice tutelare») ernannt wird.113 Durch das Gesetz Nr. 76 vom 20. Mai 2016114 wird Paaren im Zusammenhang mit einer Änderung des Geschlechts der Ehepartnerin oder des Ehepartners ausserdem die Möglichkeit geboten, die Ehe in eine eingetragene Partnerschaft umzuwandeln.

Demgegenüber ist es nicht möglich, die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. In diesem Fall wird die eingetragene Partnerschaft aufgelöst und es kann in der Folge eine Ehe geschlossen werden.

4.3.6

Luxemburg

Das luxemburgische Parlament hat am 10. August 2018 das Gesetz über die Änderung der Angaben zu Geschlecht und Vornamen im Zivilstandsregister und zur Änderung des Zivilgesetzbuchs angenommen. Mit der Revision wurde das laufende Gerichtsverfahren115 durch ein rasches, einfach zugängliches und auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhendes Verwaltungsverfahren ersetzt. Jede volljährige geschäftsfähige Person ist nun befugt, beim Justizminister die Änderung der Angaben zu Geschlecht und Vornamen zu beantragen, wenn sie anhand hinreichender Tatsachen nachweisen kann, dass die Angaben nicht dem Geschlecht entsprechen, unter dem sie sich vorstellt und bekannt ist. Diese Möglichkeit steht den Bürgerinnen und Bürgern Luxemburgs sowie den Ausländerinnen und Ausländern offen, die 112

La nuova giurisprudenza civile commentata 2012, I, 253 con nota Schuster, Identità di genere: tutela della persona o difesa dell'ordinamento?, in: Famiglia e Diritto 2012, 184 con nota Trimarchi, L'attribuzione di una nuova identità sessuale in mancanza di intervento chirurgico; «Le transsexualisme en Europe», Éditions du Conseil de l'Europe, 2000, S. 49 f.

113 Cubeddu Wiedemann, The legal status of transsexual and transgender persons in Italy, in: The Legal Status of Transsexual and Transgender Persons, Cambridge 2015, S. 249 ff., Ziff. 2.1.2.

114 Legge 20 maggio 2016, n. 76, Regolamentazione delle unioni civili tra persone dello stesso sesso e disciplina delle convivenze. Im Vorfeld hatte das Verfassungsgericht zwei Bestimmungen des Gesetzes von 1982 als nicht verfassungskonform erklärt: Gemäss der damaligen Regelung zog ein Urteil, mit dem die Geschlechtsänderung eines Ehegatten festgestellt wurde, die Scheidung nach sich. Die Bestimmungen sahen jedoch nicht vor, dass die Partner auf Grundlage dieses Urteils anstelle der Ehe eine andere rechtlich geregelte Form der Partnerschaft eingehen könnten, sofern beide Partner dies wünschen (Urteil Nr. 170 vom 10. Juni 2014).

115 Gemäss der früheren Praxis erlaubte Art. 99 des luxemburgischen Zivilgesetzbuchs, der die Berichtigung der Zivilstandsurkunde regelt, die Änderung des Geschlechtseintrags und damit zusammenhängend des Vornamens oder der Vornamen in einem Gerichtsverfahren vor dem zuständigen Bezirksgericht. Das Gericht entschied auf Antrag der Staatsanwaltschaft. Dieses Verfahren galt sowohl für Transmenschen als auch für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Infolge Fehlens von Gesetzesbestimmungen hatte die Rechtsprechung die Voraussetzungen und Kriterien für die Änderung des Geschlechtseintrags festgelegt.

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seit mindestens einem Jahr vor der Einreichung des Gesuchs in Luxemburg wohnhaft sind, die staatenlos sind oder die über den Flüchtlingsstatus oder einen ähnlichen Status verfügen (Art. 1, 5 und 7). Das Gesuch kann nicht mit der Begründung abgewiesen werden, dass sich die betroffene Person keiner medizinischen Behandlung, chirurgischen Operation oder Sterilisation unterzogen hat (Art. 2). Die Person muss in ihrem Gesuch bestätigen, dass sie der Änderung des Geschlechts nach hinreichender Aufklärung frei zustimmt, und den oder die gewünschten neuen Vornamen angeben. Der Ehegattin bzw. dem Ehegatten oder der Partnerin bzw. dem Partner muss vorgängig mitgeteilt werden, dass die Absicht besteht, die Angaben zum Geschlecht ändern zu lassen (Art. 17). Bei Vormundschaft oder Beistandschaft wird das Gesuch von der Vormundin oder dem Vormund bzw. der Beiständin oder dem Beistand beim Bezirksgericht eingereicht (Art. 8). Bei Minderjährigen ab dem vollendeten fünften Altersjahr wird das Gesuch um Änderung der Angaben zum Geschlecht und der Vornamen zuhanden des Justizministeriums von den Sorgeberechtigten oder der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter eingereicht. Dem Gesuch ist ihre Zustimmung beizulegen. Wenn die minderjährige Person das zwölfte Altersjahr vollendet hat, ist ihre Zustimmung erforderlich. Bei Uneinigkeit ruft der zuerst handelnde Elternteil das Bezirksgericht an, das mit Blick auf das Kindeswohl entscheidet. Vor dem Alter von fünf Jahren entscheidet immer das Bezirksgericht im Interesse des Kindeswohls (Art. 3 und 4).

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Umsetzung

Die Umsetzung der Revision erfordert gestützt auf Artikel 48 ZGB eine Änderung der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004116 (ZStV) und der Verordnung vom 27. Oktober 1999117 über die Gebühren im Zivilstandswesen (ZStGV) sowie allenfalls eine Änderung der Verordnung vom 20. September 2002118 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige (Ausweisverordnung; VAwG) und der Verordnung des EJPD vom 16. Februar 2010119 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige (siehe Ziff. 3.4). Auch das elektronische Personenstandsregister (siehe Ziff. 9.5)120 sowie die geltenden Formulare und Weisungen des EAZW121 und des Bundesamtes für Polizei122 müssen angepasst werden.

Die Möglichkeit der Änderung des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts besteht seit Jahrzehnten. Die vorliegende Revision verfolgt lediglich das Ziel, das anwendbare Verfahren zu vereinfachen.

116 117 118 119 120 121 122

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SR 211.112.2 SR 172.042.110 SR 143.11 SR 143.111 Art. 39, 45a ZBG und 76 ff. ZStV.

Art. 6 und 84 ZStV.

Art. 41 VAwG

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Parlamentarische Vorstösse

Das Thema der Eintragung des Geschlechts von Transmenschen und von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung in das Personenstandsregister war Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse: 1997 wurde der Bundesrat im Postulat Sandoz123 aufgefordert, zu prüfen, ob die juristischen Folgen einer Geschlechtsumwandlung während einer bestehenden Ehe durch einen Gesetzesentwurf oder eine Änderung des Zivilgesetzbuches zu regeln sind.

2011 wurden in den Interpellationen Kiener Nellen und Glanzmann124 Fragen zum medizinischen und administrativen Umgang mit Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen aufgeworfen. Der Bundesrat sah sich dadurch veranlasst, eine Stellungnahme der NEK einzuholen (siehe Ziff. 1.1). In seiner Medienmitteilung vom 6. Juli 2016125 hielt der Bundesrat fest, dass die meisten Empfehlungen der NEK bereits umgesetzt sind oder sich in Umsetzung befinden, insbesondere die Vereinfachung der Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister.

Die Frage der Umsetzung der Empfehlungen der NEK wurde 2016 in der Interpellation Maury Pasquier126 aufgenommen. 2013 wurde der Bundesrat in der Frage John-Calame127 aufgefordert, Massnahmen zur Verringerung des administrativen Aufwands zu ergreifen und die Zivilstandsbehörden zu sensibilisieren. Im Februar 2014 wurde diesem Anliegen mit dem Erlass einer Amtlichen Mitteilung EAZW nachgekommen (siehe Ziff. 1.1).

In Erfüllung des Postulats Naef128 von 2012, das sich namentlich auf die Diskriminierung wegen Trans- und Intersexualität bezog, verabschiedete der Bundesrat am 25. Mai 2016 einen Bericht, wonach nebst anderen Massnahmen geprüft werden soll, ob auf Gesetzesstufe ein einfaches Verfahren für die Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister eingeführt werden soll (siehe Ziff. 1.1 f.).129 Im Postulat

123 124

125 126

127

128 129

Po. Sandoz 97.3570 «Ehe und Geschlechtsumwandlung» vom 4. Dezember 1997, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 97.3570.

Ip. Kiener Nellen 11.3265 «Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung» vom 18. März 2011, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 11.3265, und Ip. Glanzmann 11.3286 «Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen» vom 18. März 2011, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 11.3286.

«Menschen mit uneindeutigem Geschlecht ­ Sensibilität fördern», abrufbar unter www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > 6. Juli 2016.

Ip. Maury Pasquier 16.3148 «Intersexuelle Menschen. Das Zwischenspiel dauert schon zu lange» vom 17. März 2016, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 16.3148.

Qst. John-Calame 13.5300 «Intersexualität. Stigmatisierung verhindern» vom 10. September 2013, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 13.5300.

Po. Naef 12.3543 «Bericht zum Recht auf Schutz vor Diskriminierung» vom 14. Juni 2012, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 12.3543.

Ziff. 4.3.7, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 12.3543.

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Reynard130 von 2016 wird dieser Bericht aufgenommen und der Bundesrat beauftragt, Möglichkeiten zu prüfen, wie Daten über Diskriminierungen im Bereich LGBTI131 erhoben werden können.

2014 wurde der Bundesrat in der Interpellation Trede132 angefragt, was er zur Umsetzung des Berichts der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) zu tun gedenkt, insbesondere hinsichtlich einer Aufhebung der Pflicht von Transmenschen, sich für die Namens- und Personenstandsänderung medizinischen Massnahmen zu unterziehen. 2015 wurde der Bundesrat mit der Interpellation Fiala133 aufgefordert, die Lücken der Schweizer Gesetzgebung und Praxis im Lichte der im gleichen Jahr vom Europarat verabschiedeten Resolution über die Diskriminierung von Transmenschen in Europa zu füllen (siehe Ziff. 1.2 und 4.2.2). Die Umsetzung dieser Resolution sowie der Bericht des Bundesrates in Erfüllung des oben aufgeführten Postulats Naef wurden in der Interpellation Maury Pasquier134 von 2017 erneut thematisiert. In seiner Stellungnahme vom 10. Mai 2017 erklärte der Bundesrat, dass er zunächst die Vorschläge des EJPD abwarten wolle. Das EJPD solle die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für ein einfaches Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister prüfen. Im Dezember 2017 forderte die Interpellation Ruiz135 die Umsetzung der Empfehlungen der NEK.

Im Nationalrat sind am 17. September 2018 ferner die Postulate Arslan136 und Ruiz137 angenommen worden, mit denen der Bundesrat beauftragt wird, in einem Bericht zu prüfen, welche gesetzlichen Änderungen und welche Anpassungen im elektronischen Personenstandsregister im Falle der Einführung einer dritten Geschlechtskategorie oder des Verzichts auf jegliche Angaben zum Geschlecht im Personenstandsregister erforderlich wären. Schliesslich hat der Nationalrat am

130

131 132

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136

137

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Po. Reynard 16.3961 «Datenerhebung zu Diskriminierungen, die auf sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität beruhen, mit Augenmerk auf Mehrfachdiskriminierungen» vom 8. Dezember 2016, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 16.3961. Siehe in diesem Zusammenhang ebenfalls die Interpellation der Sozialdemokratischen Fraktion 16.3679 «Was unternimmt der Bund, um Mehrfachdiskriminierungen wirksam zu bekämpfen?» vom 21. September 2016, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 16.3679.

Akronym für Lesben, Gays, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle.

Ip. Trede 14.4159 «Kritikpunkte im ECRI-Bericht zur Rechtslage von LGBTI-Menschen in der Schweiz» vom 11. Dezember 2014, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 14.4159.

Ip. Fiala 15.3521 «Transgender People. Kohärenz der Schweizer Gesetzgebung und Praxis mit der Resolution 13742 des Europarates» vom 4. Juni 2015, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 15.3521, siehe Ziff. 4.2.2.

Ip. Maury Pasquier 17.3032 «Die Rechte von Transmenschen garantieren» vom 28. Februar 2017, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 17.3032, siehe Ziff. 4.2.2.

Ip. Ruiz 17.4183 «Intersexuelle Personen. Kinderschutz, Statistiken und Informationen für das medizinische Personal und die Eltern» vom 14. Dezember 2017, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 17.4183.

Po. Arslan 17.4121 «Drittes Geschlecht im Personenstandsregister» vom 13. Dezember 2017, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 17.4121.

Siehe ebenfalls Ziff. 3.2.

Po. Ruiz 17.4185 «Einführung einer dritten Geschlechtsidentität. Folgen für die Rechtsordnung und für Infostar» vom 14. Dezember 2017, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 17.4185. Siehe ebenfalls Ziff. 3.2.

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13. Juni 2019 das Postulat Flach138 abgelehnt. Die am selben Tag eingereichte Motion Herzog139 wurde im Rat noch nicht behandelt.

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Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung zum Vorentwurf wurde vom 23. Mai bis zum 30. September 2018 durchgeführt. Die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Wirtschaft sowie die weiteren interessierten Organisationen wurden zur Stellungnahme eingeladen. 140 Mit Ausnahme einiger Parteien und Organisationen ist die Revision von den Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern ­ die den Bedarf nach einer einfacheren Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister anerkennen ­ gut aufgenommen worden.

Was die Zuständigkeit der Zivilstandsämter für die Entgegennahme der Erklärungen über die Geschlechtsänderung anbelangt, gehen die Meinungen allerdings auseinander (siehe Ziff. 3.1 und 8.1.1).

Gemäss einigen Kantonen und Parteien sowie mehreren Organisationen sollten urteilsfähige Minderjährige die Erklärungen ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters abgeben können (siehe Ziff. 8.1.4).

Einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer beantragten sodann, die Änderung des Vornamens und des Familiennamens generell liberaler zu regeln, damit alle, unabhängig von einer Geschlechtsänderung, von der Revision profitieren könnten.

138

Po. Flach 18.3690 «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Rechtliche Anknüpfungen an das Geschlecht abschaffen» vom 15. Juni 2018, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 18.3690. Siehe ebenfalls Ziff. 3.2.

139 Mo. Herzog 18.3696 «Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister. Orientierung an Fakten» vom 15. Juni 2018, abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 18.3696.

140 Die Stellungnahmen sind einsehbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EJPD.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

8.1

Änderungen des Zivilgesetzbuchs: Art. 30b E-ZGB

8.1.1

Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten (Abs. 1)

Einführung eines auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhenden Verfahrens zur Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten In Einklang mit der Stellungnahme der NEK141, den Empfehlungen des SKMR142 sowie den Resolutionen des Europarats von 2015 und 2017143 wird vorgeschlagen, ein einfaches, rasches und auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruhendes Verfahren zur Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister einzuführen. Inskünftig soll eine Person, die innerlich fest davon überzeugt ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlecht zuzugehören, gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten eine Erklärung zur Änderung des eingetragenen Geschlechts abgeben können.

141

«Zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, Ethische Fragen zur «Intersexualität»», S. 20 (Empfehlung Nr. 11), abrufbar unter www.nek-cne.ch > Publikationen > Stellungnahmen > Nr. 20/2012. Siehe ebenfalls Ziff. 1.1.

142 «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen», Juli 2015, Ziff. 3.4­3.7, abrufbar unter www.skmr.ch > Geschlechterpolitik > Publikationen > Studie «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen». Siehe dort ebenfalls abrufbar die spezifische Teilstudie 3: LGBTI ­ Juristische Analyse, S. 25 ff. und S. 54 f. Siehe ferner Ziff. 1.1 f.

143 «La discrimination à l'encontre des personnes transgenres en Europe», Resolution 2048 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Ziff. 3 und 6.2.1 ff., sowie Promouvoir les droits humains et éliminer les discriminations à l'égard des personnes intersexes, Resolution 2191, Ziff. 5 und 7.3.1 ff.; Texte abrufbar unter www.assembly.coe.int > FR > Travaux > Documents > Textes adoptés > 2048 bzw. 2191.

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Die Erklärung beruht auf dem Prinzip der Selbstbestimmung der betroffenen Person, das heisst auf ihrer innersten Selbstwahrnehmung. Sie muss zudem der festen und damit dauerhaften Überzeugung sein, dass sie das Geschlecht ändern möchte. 144 Obschon sich einige Kantone dagegen aussprachen, stiess die Zuständigkeit der Zivilstandsbeamtin oder des Zivilstandsbeamten in der Vernehmlassung zum Vorentwurf auf breite Unterstützung. Die vorliegende Revision hält daher an der Variante fest, welche in die Vernehmlassung geschickt wurde (für die Einzelheiten siehe Ziff. 3.1). Die Änderung des Geschlechtseintrags wird unmittelbar im Personenstandsregister beurkundet und muss den mitteilungsberechtigten Verwaltungsstellen gemeldet werden.145 Die betroffene Person kann sich in der Folge ­ wie von der erwähnten Europarats-Resolution des Jahres 2015 gefordert146 ­ direkt Auszüge aus dem Personenstandsregister, einen Identitätsausweis oder Reisepass mit dem neu eingetragenen Geschlecht ausstellen lassen und die Anpassung von Diplomen und ähnlichen Dokumenten verlangen. Diese Punkte erfordern keine explizite Regelung im Zivilgesetzbuch, in welchem bereits der Grundsatz der erhöhten Beweiskraft öffentlicher Register verankert ist (Art. 9) und das Bestimmungen zur Änderung der Angaben im Personenstandsregister (Art. 42 f.) und zum Persönlichkeitsschutz

144

In der Vernehmlassung zum Vorentwurf hat ein Kanton vorgeschlagen, vor der Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten noch eine weitere schriftliche Erklärung einreichen zu lassen, anhand der die innere Überzeugung der betroffenen Person eingeschätzt werden könnte. Ein anderer Kanton hat vorgeschlagen, eine Bedenkfrist von z. B. sechs Monaten einzuräumen, welche es erlaubt, zu überprüfen, ob der Wunsch nach der Geschlechtsänderung fest besteht. Diese Vorschläge entsprechen nicht dem Ziel, die Verfahren zu vereinfachen und abzukürzen und werden deshalb abgelehnt, zumal die Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister den finalen Schritt eines unter Umständen langwierigen Identitätsfindungsprozesses bildet. Ein dritter Kanton hat vorgeschlagen, auf die Formulierung «innerlich überzeugt» zu verzichten und einen klareren Ausdruck zu verwenden. Dieser Vorschlag wird ebenfalls verworfen. Denn die Kombination der Ausdrücke «innerlich überzeugt» und «fest» erfordert keine weitere Verdeutlichung: Die gewählte Formulierung weist konkret auf die persönliche Wahrnehmung der erklärenden Person als subjektives Element hin. Die Tatsache, dass die Überzeugung «fest» und damit dauerhaft sein muss, erlaubt eine gewisse Objektivierung dieser persönlichen Wahrnehmung. Im Vernehmlassungsverfahren haben zwei Organisationen überdies vorgeschlagen, «innerliche Überzeugung» durch den Begriff «Geschlechtsidentität» zu ersetzen. Dieser sollte auch in den Wortlaut des Randtitels aufgenommen werden, indem «IV. In Bezug auf die Geschlechtsidentität» anstatt «IV. In Bezug auf das Geschlecht» verwendet wird. Der Vorschlag wurde nicht berücksichtigt, da die Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten bewirkt, dass der Eintrag zum Geschlecht im Personenstandsregister geändert wird, in welchem der Begriff der Geschlechtsidentität nicht bekannt ist (siehe Art. 8 Bst. d ZStV).

145 In der Vernehmlassung zum Vorentwurf betonten der Verband Schweizerischer Einwohnerdienste und der Schweizerische Städteverband die Wichtigkeit der Informierung der verschiedenen Verwaltungsstellen wie der Einwohnerdienste über die im elektronischen Personenstandsregister registrierten Geschlechts- und Namensänderungen unter Wahrung der Rechte der betroffenen Personen.

146 «La discrimination à
l'encontre des personnes transgenres en Europe», Resolution 2048 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Ziff. 6.2.1, abrufbar unter www.assembly.coe.int > FR > Travaux > Documents > Textes adoptés > 2048.

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(Art. 27 ff.) enthält.147 Gemäss dem ausdrücklichen Wunsch von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern werden entsprechende Bestimmungen in den Ausführungsbestimmungen festgelegt, insbesondere in der Zivilstandsverordnung und in den Verwaltungsweisungen. Ein in der Vernehmlassung zum Vorentwurf vorgebrachter Punkt sei hier geklärt: Die nach der Geschlechtsänderung ausgestellten Zivilstandsdokumente enthalten je nach Vorgaben zum betreffenden Dokument die neu eingetragene Identität (z. B. Geburtsurkunde) oder die Identität, die zum Zeitpunkt des Zivilstandsereignisses galt (z. B. Eheschliessungsurkunde), das der Eintragung zugrunde liegt (vgl. Art. 98 ZStV). Bei Bedarf kann die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte eine Bescheinigung über die Änderung des Geschlechts und des Vornamens bzw. der Vornamen ausstellen. Die betroffene Person kann eine solche Bescheinigung beispielsweise verlangen, um Privaten, wie Banken oder Versicherungen, die geänderte Identität zu bestätigen.

Voraussetzungen für die Entgegennahme der Erklärung über die Änderung des Geschlechts Grundsätzlich ist die Entgegennahme einer Erklärung über die Änderung des Geschlechts an keinerlei Vorbedingungen geknüpft. Untersagt sind namentlich Voraussetzungen in Bezug auf das Alter und die Gesundheit, die Vornahme chirurgischer Eingriffe (insbesondere die Sterilisation und andere medizinische Behandlungen, die Diagnose einer psychischen Erkrankung148) oder die Scheidung. Demzufolge darf auch nicht systematisch ein Arztzeugnis verlangt werden, wie das von zwei Vernehmlassungsteilnehmern gefordert wurde. Bestehen hingegen Zweifel hinsichtlich der Urteilsfähigkeit ­ die zwar vermutet wird, die aber wie die Identität von Amtes wegen überprüft werden muss ­, so sind zusätzliche Abklärungen gemäss Artikel 16 ZStV vorzunehmen. Dabei kann die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte die betroffene Person zur Mitwirkung anhalten und die Beibringung eines Arztzeugnisses verlangen, welches bestätigt, dass die Person über die erforderlichen Fähigkeiten für die Abgabe der Erklärung über die Geschlechtsänderung verfügt. Im Vernehmlassungsverfahren hat der Schweizerische Verband für Zivilstandswesen hervorgehoben, dass die Zivilstandsbeamtinnen und -beamten nicht verpflichtet werden dürfen, über diese Norm hinausgehende
Abklärungen zu treffen. Er hält zutreffend fest, dass es nicht den Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten obliege, den Willen der erklärenden Person zu überprüfen.

In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Artikel 2 ZGB wird die Aufrichtigkeit der Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister vermutet. Offensichtlich missbräuchliche Erklärungen (Art. 2 Abs. 2 ZGB; siehe ebenfalls Ziff. 2) oder die Abgabe der 147

Unter Vorbehalt einer nachträglichen Berichtigung sind die Einträge im Personenstandsregister einschliesslich des Geschlechts für die Privaten und Behörden verbindlich.

Die Vorschriften zum Schutz der Persönlichkeit verlangen insbesondere von den Schulen und Arbeitgebern, auf Antrag neue Diplome und Arbeitszeugnisse mit dem geänderten Geschlechtseintrag auszustellen.

148 Im gleichen Sinn hat auch ein Verband in der Vernehmlassung zum Vorentwurf darauf hingewiesen, dass die internationale Klassifikation der WHO (siehe Ziff. 4.1.1) angepasst wurde, und gefordert, dass auf die psychologisch-psychiatrische Begutachtung von Transmenschen verzichtet wird.

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Erklärung durch eine urteilsunfähige Person muss die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte zurückweisen. Wie bereits erwähnt, ist die Urteilsfähigkeit von Amtes wegen zu überprüfen (siehe ebenfalls Ziff. 8.1.4). Die Rechtssicherheit und der Verkehrsschutz sind durch die allgemeinen zivil-, verwaltungs- und strafrechtlichen Bestimmungen garantiert. Diese bieten wirksame Instrumente gegen Missbrauch, namentlich die Möglichkeit, eine missbräuchliche Erklärung abzuweisen und nicht wahrheitsgetreu erwirkte Einträge zu berichtigen (vgl. Ziff. 2).

Persönliches Erscheinen der erklärenden Person In der Vernehmlassung zum Vorentwurf hat der zuständige Fachverband den Grundsatz, wonach die Erklärung über die Änderung des Geschlechts gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten persönlich abzugeben ist, ausdrücklich begrüsst. Andere Vernehmlassungsteilnehmer haben vorgeschlagen, die Erklärung zudem in schriftlicher Form zuzulassen, damit das Verfahren insbesondere auch Menschen mit einer Behinderung zugänglich ist.

Aus Gründen der Rechtssicherheit soll nicht auf das persönliche Erscheinen verzichtet werden. Nur so kann die Identität der betroffenen Personen und deren Urteilsfähigkeit beurteilt werden. Die Ausführungsbestimmungen werden jedoch erforderlichenfalls so angepasst, dass jede Person ihr Recht auf Änderung ihres Geschlechtseintrags im Personenstandsregister wirksam ausüben kann. Gemäss den bereits geltenden Bestimmungen wird beispielsweise Gehörlosen für die Abgabe von Erklärungen kostenlos eine sprachliche Vermittlung zur Verfügung gestellt (siehe Art. 3 Abs. 2 ZStV). Wenn eine unterschriftsbereite Person ausserstande ist zu unterschreiben, wird dies von der zuständigen Amtsperson mit einer Begründung schriftlich festgehalten (siehe Art. 18 Abs. 2 ZStV).

Frist für die Bearbeitung der Erklärungen über die Geschlechtsänderung Einzelne Teilnehmende der Vernehmlassung zum Vorentwurf haben für die Bearbeitung von Gesuchen zur Geschlechtsänderung eine Maximalfrist (acht Tage bzw.

einen Monat) gefordert. Es ist weder angemessen noch notwendig, eine derartige Frist festzulegen. Die Bearbeitung des Dossiers durch die Zivilstandsbeamtin oder den Zivilstandsbeamten hängt in der Praxis davon ab, ob die für die Vornahme der Beurkundung erforderlichen Dokumente beigebracht wurden. Dies
betrifft insbesondere Zivilstandsurkunden von Personen, die noch nicht im elektronischen Personenstandsregister aufgenommen wurden, d. h. in der Regel ausländische Personen149 (siehe Art. 15a ZStV). Die Erklärung über die Änderung des Geschlechts ist unverzüglich zu beurkunden, sobald sie von der Zivilstandsbeamtin oder vom Zivilstandsbeamten entgegengenommen wurde (Art. 19 ZStV).

149

Das Vorliegen eines früheren Eintrags im Personenstandsregister ist allerdings nicht eine Voraussetzung dafür, dass die Schweizer Zivilstandsbeamtin oder der Schweizer Zivilstandsbeamte zuständig ist. Die Zuständigkeit ist bei Wohnsitz in der Schweiz oder Schweizer Staatsangehörigkeit begründet (Art. 37 IPRG i. V. m. Art. 40a E-IPRG; siehe Ziff. 8.2).

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Ausbildung der Zivilstandsbeamtinnen und -beamten Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer haben darauf bestanden, dass die Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten angemessen geschult werden müssen. Entsprechend der gängigen Praxis wird das EAZW vor Inkrafttreten der Revision die erforderlichen Weisungen erlassen und die Kantone über die Neuerungen instruieren. Die Kantone haben für die Aus- und Weiterbildung ihres Personals zu sorgen (siehe Art. 45 Abs. 2 Ziff. 5 ZGB). Gemäss dem Entwurf können die Erklärungen über die Geschlechtsänderung ausschliesslich von einer Zivilstandsbeamtin oder einem Zivilstandsbeamten entgegengenommen werden, d. h. einer Amtsperson, die vertiefte theoretische und praktische Fachkenntnisse erworben hat und einen entsprechenden eidgenössischen Fachausweis besitzt (vgl. Art. 4 ZStV).150 Örtliche Zuständigkeit für die Entgegennahme der Erklärungen über die Geschlechtsänderung Betreffend die örtliche Zuständigkeit (Zuständigkeit ratione loci) ist die Zivilstandsverordnung dahingehend anzupassen, dass die Erklärungen über die Geschlechtsänderung von jeder Zivilstandsbeamtin und jedem Zivilstandsbeamten in der Schweiz und auf entsprechende Anweisung der innerstaatlichen Zivilstandsbehörden von jeder Vertretung der Schweiz im Ausland entgegengenommen werden können (vgl. Art. 13, 13a und 14a ZStV). Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu Artikel 40a E-IPRG verwiesen (Ziff. 8.2).

Gesetzessystematische Einordnung und intertemporale Regelungen Es wäre denkbar gewesen, die Thematik statt im Zivilgesetzbuch in einem neu geschaffenen Spezialgesetz zu regeln. Diese Alternative wurde jedoch verworfen, weil sie der Kohärenz des Systems und der Rechtsanwendung abträglich gewesen wäre.151 Abgesehen vom IPRG (siehe Ziff. 8.2) müssen keine Gesetze geändert werden. Insbesondere ist keine Anpassung des Sterilisationsgesetzes152 erforderlich.

Ebenso wenig müssen besondere Übergangsbestimmungen erlassen werden. Die neuen Regelungen entfalten gemäss den allgemeinen übergangsrechtlichen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches (Art. 1 ff. SchlT ZGB) keine Rückwirkung. Ab deren Inkrafttreten sind die betroffenen Personen berechtigt, gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten eine Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags abzugeben. Gegebenenfalls können unter Geltung des
alten Rechts eröffnete Verfahren zur Änderung oder Berichtigung des Geschlechts als gegenstandslos abgeschrieben werden.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2 verwiesen.

150

Die Entgegennahme einer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags durch eine Vertretung im Ausland bildet hier keine Ausnahme, da sie gemäss den Anweisungen der nationalen Zivilstandsbehörden erfolgt.

151 In der Vernehmlassung zum Vorentwurf wurde diese Wahl von der NEK sowie von einem Kanton, einer Partei und einem Verband ausdrücklich begrüsst.

152 Siehe Ziff. 3.3.

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8.1.2

Wahl der neuen Vornamen bei der Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags (Abs. 2)

Der Vorname weist oft auf das Geschlecht seines Trägers oder seiner Trägerin hin.

Anlässlich einer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags kann die erklärende Person daher einen oder mehrere neue Vornamen wählen, die neu im Personenstandsregister eingetragen werden. Bezugnehmend auf die in der Vernehmlassung zum Vorentwurf aufgeworfenen Fragen ist festzuhalten, dass es bei Kindern mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegebenenfalls angezeigt ist, bereits anlässlich der Geburt einen geschlechtsneutralen Vornamen zu wählen, der für beide Geschlechter verwendet werden kann.153 Die Wahl eines solchen Namens ist selbstverständlich auch bei der Abgabe einer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags weiterhin möglich. Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung steht diese Möglichkeit nicht nur Kindern mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung offen, sondern auch Transmenschen mit einer ambivalenten Geschlechtsidentität, welche auf nicht rein biologischen Gründen basiert. Diese Lösung entspricht im Übrigen der aktuellen Praxis der Gerichte und der mit Namensänderungen befassten Behörden.

Die Wahl des Vornamens steht allerdings nicht im Belieben der berechtigten Person.

Insbesondere muss die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte die Eintragung von Vornamen ablehnen, welche die Interessen eines Kindes offensichtlich verletzen, so wie dies bei jeder Meldung des Vornamens anlässlich der Geburt eines Kindes gilt.154 Entgegen dem von einer Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer eingebrachten Vorschlag zum Vorentwurf, ist für die Änderung des Vornamens per se, das heisst unabhängig von einer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags, weiterhin das Verfahren nach Artikel 30 ZGB anwendbar.

Diese Bestimmung bleibt unverändert.155 Es ist allgemein anerkannt, dass Transsexualität oder Transidentität156 einen achtenswerten Grund für eine Namensänderung gemäss Artikel 30 ZGB darstellt. 157 Wird eine Person wegen ihrer Geschlechtsiden153

154 155

156

157

«Intersexualität: Eintragung und Änderung des Geschlechts und der Vornamen im Personenstandsregister», Amtliche Mitteilungen EAZW Nr. 140.15 vom 1. Februar 2014, abrufbar unter www.eazw.admin.ch > Weisungen > Amtliche Mitteilungen EAZW.

Art. 37c Abs. 3 ZStV In der Vernehmlassung zum Vorentwurf wünschte eine Partei, das Verfahren zur Namensänderung allgemein zu vereinfachen. Dieser Vorschlag geht weit über das Ziel der vorliegenden Revision hinaus und kann in diesem Rahmen nicht weiterverfolgt werden. Gegebenenfalls müsste dafür eine neue Revision angestossen werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Namensänderung bereits mit der am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Änderung von Art. 30 ZGB gelockert worden sind.

Der Verein Transgender Network Switzerland schlägt vor, anstelle des medizinisch konnotierten Begriffs «Transsexualität» jenen der «Transidentität» zu verwenden; siehe Trans*, Eine Informationsbroschüre von Transmenschen für Transmenschen und alle anderen, 2016/2017, S. 7 und 74, abrufbar unter www.transgender-network.ch/de > Information.

Büchler/Cottier, Transsexualität und Namensänderung, in: Zeitschrift für Zivilstandswesen 2006, S. 2 ff. m. w. H.; siehe ebenfalls Bühler, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, Art. 270­270b, N 41; Recher, Rechte von Transmenschen, in: Ziegler/Montini/Ayse Copur (Hrsg.), LGBT-Recht, Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der Schweiz, Basel 2015, S. 135 ff.

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tität belästigt, so kann sie unter Berufung auf Artikel 30 ZGB auch ihren Familiennamen zu ihrem Schutz ändern lassen.158 Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2 verwiesen.

8.1.3

Beibehaltung der familienrechtlichen Verhältnisse (Abs. 3)

Im Einklang mit internationalen Standards (siehe Ziff. 1.2, 4.2.1 und 4.2.2) soll eine bestehende Ehe oder eingetragene Partnerschaft kein Hindernis mehr für die Änderung des Geschlechts eines Ehegatten oder eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin im Personenstandsregister darstellen. Folglich bleibt der vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten geschlossene rechtliche Bund trotz Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags eines Ehegatten oder eines eingetragenen Partners bzw. einer eingetragenen Partnerin bestehen. Eine allfällige Umwandlung der Ehe in eine eingetragene Partnerschaft ­ oder umgekehrt ­ vor der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten ist im Rahmen der vorliegenden Revision nicht vorgesehen. Für die Umwandlung des Rechtsinstituts ist weiterhin das für die Scheidung der Ehe159 bzw. für die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft160 zuständige Gericht anzurufen. Durch das Gerichtsverfahren wird im Übrigen sichergestellt, dass insbesondere die vermögensrechtlichen 161 Nebenfolgen des Wechsels des Rechtsinstituts unter umfassender Wahrung der Interessen beider Ehegatten bzw. Partnerinnen oder Partner geregelt werden können.

Eine entsprechende Überarbeitung oder Ergänzung der hier vorgeschlagenen Bestimmung ist nicht erforderlich.

Diese Lösung wurde in der Vernehmlassung zum Vorentwurf breit unterstützt. Die Frage der Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe vor den Zivilstandsbehörden ist Gegenstand der Änderung des Zivilgesetzbuchs betreffend die 158

In der Vernehmlassung zum Vorentwurf hat eine Organisation gewünscht, dass in einem solchen Fall auch zur Änderung des Familiennamens eine Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten abgegeben werden kann. Dieser Vorschlag wird aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Konstellationen, die eine Änderung des Familiennamens rechtfertigen können, verworfen.

159 Art. 111 ff. ZGB 160 Art. 29 f. PartG 161 Die Wirkungen der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft unterscheiden sich diesbezüglich deutlich. Diese Unterschiede entfalten ihre Wirkung vor allem im Zeitpunkt der Scheidung bzw. Auflösung der Partnerschaft. Die Ehe ist eher durch das Solidaritätsprinzip geprägt, während sich die eingetragene Partnerschaft eher an der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Partnerinnen oder Partner orientiert. So ist der Anspruch auf Unterhalt für die Ex-Partnerinnen oder -Partner eingeschränkter; siehe diesbezüglich Art. 130 ff. ZGB und 34 PartG, das gemäss dem seit 1. Januar 2018 geltenden Wortlaut in weiterem Umfang auf die Bestimmungen des ZGB verweist. Die Eheleute unterstehen ausserdem dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Durch einen öffentlich beurkundeten Ehevertrag können sie sich für den Güterstand der Gütertrennung oder der Gütergemeinschaft entscheiden (Art. 181 ff., 221 ff. und 247 ff. ZGB). Letzteres ist für die eingetragenen Partnerinnen oder Partner nicht möglich; für sie gilt eine vermögensrechtliche Regelung, die der Gütertrennung entspricht. Sie können in einem öffentlich beurkundeten Vermögensvertrag jedoch den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung vereinbaren (Art. 18 und 25 PartG).

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Ehe für alle (13.468)162. Gemäss dem Entwurf der Rechtskommission des Nationalrates vom 30. August 2019 ist vorgesehen, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet und das Institut der eingetragenen Partnerschaft aufgehoben wird.

Die bereits eingetragenen Partnerinnen oder Partner sollen auf dem Zivilstandsamt erklären können, dass sie ihre Partnerschaft in eine Ehe umwandeln wollen. Sobald beide Partnerinnen oder Partner die entsprechende Umwandlungserklärung abgegeben haben, gelten sie als Eheleute. Die Dauer der vorangegangenen eingetragenen Partnerschaft soll an die Ehe angerechnet werden. Bei Fehlen eines Ehe- oder Vermögensvertrags soll ab dem Zeitpunkt der Umwandlung der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gelten. Bei Annahme der Revision wird es möglich sein, die eingetragene Partnerschaft unabhängig vom geänderten Geschlecht der betroffenen Personen durch eine gemeinsame Erklärung der Partnerinnen und Partner vor dem Zivilstandsamt in eine Ehe (aber nicht umgekehrt) umzuwandeln (vgl. Art. 35 und 35a VE-PartG).

Das (infolge der abgegebenen Erklärung über die Geschlechtsänderung gleichgeschlechtliche) Ehepaar kann sich weiterhin jederzeit nach dem derzeit geltenden Recht trennen oder scheiden lassen. Die Trennung kann einvernehmlich vereinbart oder vom Gericht im Rahmen von Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft angeordnet werden.163 Eine Scheidung kann auf gemeinsames Begehren hin ausgesprochen werden.164 Sie kann sodann auf Klage eines Ehegatten erfolgen, sofern das Paar mindestens zwei Jahre getrennt gelebt hat165, oder ohne solche Frist, wenn dem klagenden Ehegatten die Fortsetzung der Ehe aus schwerwiegenden, ihm nicht zurechenbaren Gründen nicht mehr zugemutet werden kann166. Die Regelungen zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft sind ähnlich ausgestaltet.

Allerdings ist keine fristlose Auflösung der Partnerschaft aus schwerwiegenden Gründen vorgesehen und kann eine Partnerin oder ein Partner bereits nach einem Jahr des Getrenntlebens die Auflösung der Partnerschaft verlangen.167 Das geltende Recht, welches durch die Revision unberührt bleibt, trägt mithin auch den Interessen von Personen angemessen Rechnung, die nach der amtlichen Änderung des Geschlechts ihrer Ehegattin oder ihres Ehegatten bzw. ihrer Partnerin oder ihres Partners keine Möglichkeit
mehr sehen, die Lebensgemeinschaft weiterzuführen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags keine Auswirkungen auf eine allfällig bestehende eheliche Beziehung respektive bestehende eingetragene Partnerschaft sowie auf andere familienrechtliche Verhältnisse wie die Verwandtschaft 168 und Kindesverhältnisse169 zeitigt.

In den amtlichen Dokumenten des Kindes einer Person, die ihr Geschlecht im Personenstandsregister geändert hat, steht das Geschlecht dieser Person (Elternteil), das 162 163 164 165 166 167

Abrufbar unter www.parlament.ch, Curia Vista Geschäft Nr. 13.468 Art. 172 ff. ZGB Art. 111 f. ZGB Art. 114 ZGB Art. 115 ZGB Art. 29 f. PartG. Die eingetragene Partnerschaft kennt keinen dem Eheschutz vergleichbaren Mechanismus. Wenn die Partnerinnen oder Partner nicht mehr zusammenleben, werden die nötigen Massnahmen zu ihrem Schutz aber im Rahmen eines analogen Verfahrens angeordnet (Art. 171 ff. ZGB, 17 PartG und 271 ff. und 305 f. ZPO).

168 Art. 20 f. ZGB 169 Art. 270 ff. ZGB, worauf im Übrigen Art. 27a PartG verweist.

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bei der Geburt des Kindes aktuell war. In der Vernehmlassung zum Vorentwurf haben einige Organisationen vorgeschlagen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der erfolgten Geschlechtsänderung das aktuelle Geschlecht des betreffenden Elternteils einzutragen oder auf jegliche Erwähnung des Geschlechts der Eltern zu verzichten. An sich ist es nicht ausgeschlossen, Zivilstandsdokumente mit dem neuen Geschlecht eines Elternteils auszustellen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.

Allerdings entsteht das Kindesverhältnis immer noch auf gleiche Weise: Die Person, die das Kind geboren hat, wird als seine Mutter eingetragen und bleibt trotz Geschlechtsänderung seine Mutter, während deren Ehemann aufgrund der Vaterschaftsvermutung als Vater gilt und dies auch nach einer Geschlechtsänderung bleibt (Art. 252 und 255 ZGB).

8.1.4

Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters (Abs. 4)

Die Fähigkeit, den Geschlechtseintrag durch Erklärung gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten ändern zu lassen, wird jeder urteilsfähigen Person zuerkannt. Gemäss dem Entwurf müssen allerdings minderjährige Personen sowie Personen unter umfassender Beistandschaft die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters einholen (Ziff. 1 und 2). Die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung ist ferner erforderlich, wenn die Erwachsenenschutzbehörde dies angeordnet hat (Ziff. 3). In der Vernehmlassung zum Vorentwurf wurde diese Bestimmung von der Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterstützt. Einige haben vorgeschlagen, auf die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bei Minderjährigen oder allgemein bei urteilsfähigen Personen zu verzichten, und zwar unabhängig vom Vorliegen einer Massnahme der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Von verschiedenen Seiten wurde diesbezüglich ein Mindestalter vorgeschlagen (zwölf bzw. sechzehn Jahre). Diese Vorschläge unterstreichen den höchstpersönlichen Charakter der Erklärung über die Änderung des Geschlechts, für welche eine Vertretung ausgeschlossen ist.170 Der Bundesrat ist demgegenüber der Auffassung, dass im hier vorgeschlagenen vereinfachten Verfahren nicht auf die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters verzichtet werden darf. Diese erscheint zum Schutz der besonders verletzlichen Personen, insbesondere der Minderjährigen, gegen leichtsinnige oder unter dem Einfluss Dritter abgegebener Erklärungen erforderlich.

Gemäss der Resolution 2048 des Europarates über die Diskriminierung von Transmenschen in Europa (Ziff. 6.2 ff.) ist dem Kindeswohl stets höchste Beachtung beizumessen. In dieser Resolution wird die Gesetzgebung Maltas, die für Minderjährige ein besonderes Verfahren vorsieht, als Beispiel angeführt (siehe Ziff. 4.3.1). In der noch jüngeren Gesetzgebung Luxemburgs (siehe Ziff. 4.3.6) wurde ebenfalls eine Regelung eingeführt, welche die Minderjährigen und die Personen unter Vormundschaft besonders schützt. Sonderbestimmungen sind sodann in Deutschland, Frankreich und Italien bekannt, wo ein Gerichtsverfahren beibehalten wurde (siehe Ziff. 4.3.2­4.3.4).

170

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Art. 19c Abs. 2 ZGB

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Die vorgeschlagene Lösung ist dem geltenden Artikel 260 ZGB (Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters bei Kindesanerkennung) nachgebildet. Sie gewährleistet einerseits, dass die betroffene Person selbstbestimmt handeln kann, andererseits aber auch, dass sie angemessen vor unbedachten Erklärungen geschützt ist. Derartige Mechanismen sind in der Praxis der Zivilstandsbehörden bekannt: Die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte nimmt bereits heute die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters des Anerkennenden anlässlich der Kindesanerkennung entgegen (Art. 260 Abs. 2 ZGB i. V. m. Art. 11 Abs. 4 ZStV). Analog soll sie oder er in Zukunft auch bei Erklärungen über die Änderung des Geschlechtseintrags Minderjähriger die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters entgegennehmen.

Die Praxis im Rahmen der Kindesanerkennung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bei einer gesetzlichen Vertretung in Form einer Vormundschaft oder einer Beistandschaft kann gegen die Verweigerung der Zustimmung die KESB angerufen werden.171 Verweigert ein Elternteil des Anerkennungswilligen die Zustimmung, ist keine Beschwerde möglich. Die KESB kann den Elternteil jedoch an seine Pflichten erinnern172 und ihn gegebenenfalls ersuchen, auf seinen Entscheid zurückzukommen. Verweigert der Elternteil die Zustimmung weiterhin, ist eine Vaterschaftsklage anzustrengen. Das betreffende Verfahren wird dabei von der Beiständin oder vom Beistand eingeleitet, die oder der von der KESB ernannt wird, 173 ausser die betroffene Person ist urteilsfähig und kann selbst klagen. Ist der Anerkennungswillige urteilsunfähig, so ist immer eine Vaterschaftsklage erforderlich, da die Anerkennungserklärung ein höchstpersönliches Recht ist, welches jede Vertretung ausschliesst (Art. 19c Abs. 2 ZGB). Die Zustimmung der Vertretung vermag die mangelnde Urteilsfähigkeit nicht zu beheben.174 In Zukunft sollen diese Grundsätze sinngemäss auf die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags angewandt werden. Falls die Voraussetzungen einer Erklärung nicht gegeben sind, weil die erforderliche Zustimmung nicht vorliegt oder weil die betroffene Person nicht urteilsfähig ist (wobei auch hier die Abgabe der Erklärung durch die gesetzliche Vertreterin oder den
gesetzlichen Vertreter ausgeschlossen ist), muss nach den geltenden allgemeinen Bestimmungen vorgegangen werden.

Demnach ist entweder ein Gerichtsverfahren einzuleiten oder eine Berichtigung des im Register geführten Geschlechtseintrags durch die Verwaltung zu beantragen.

Nach Massgabe der Amtlichen Mitteilung EAZW Nr. 140.15 «Intersexualität: Eintragung und Änderung des Geschlechts und der Vornamen im Personenstandsregister» können die Zivilstandsbehörden in beschränktem Rahmen die Beurkundung 171 172 173 174

Art. 297 f., 298b, 311, 327a, 327c und 419 ZGB.

Art. 307 ZGB Art. 306, 308 und 408 ZGB.

Siehe Fountoulakis/Affolter-Fringeli/Biderbost/Steck, Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, Expertenwissen für die Praxis, Zürich 2016, Ziff. 11.41 f.

und 11.61 ff.; Guillod, Commentaire romand, Code civil I, Basel 2010, Art. 260, N 8 ff.; Meier/Stettler, Droit de la filiation, 6. Aufl., 2019, Ziff. 107 ff., 895 und 943; Schwenzer/Cottier, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, Art. 260, N 6 ff.; Stettler, Le droit suisse de la filiation, Traité de droit privé suisse, vol. III, tome II, 1, Fribourg 1987, S. 39 ff.

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der Geburt auf Vorlage einer berichtigten Geburtsmeldung des medizinischen Fachpersonals bereinigen (Art. 43 ZGB). In den anderen Fällen ist weiterhin ein Gerichtsverfahren erforderlich (Art. 42 ZGB).175 Konkret bedeuten diese Grundsätze, dass sich die betroffene, erklärungswillige Person, sofern sie urteilsfähig ist, immer an die KESB wenden kann, wenn ihre gesetzliche Vertretung die Zustimmung verweigert.

Wenn die Zustimmung von der Beiständin oder vom Beistand bzw. von der Vormundin oder vom Vormund verweigert wird, kann die erklärungswillige Person bei der KESB eine Beschwerde gegen die Verweigerung der Zustimmung einreichen.

Auf diesem Weg kann sie den Entscheid aufheben lassen und die gesetzliche Vertreterin oder den gesetzlichen Vertreter zur Erteilung der erforderlichen Zustimmung zur Erklärung über die Änderung des Geschlechts verpflichten lassen. Nach dem geltenden Verfahrensrecht kann die betreffende Verfügung der KESB bis ans Bundesgericht angefochten werden.

Wenn die Zustimmung einem Kind unter elterlicher Sorge verweigert wird, kann dieses die KESB darum ersuchen, den Elternteil oder die Eltern zur Erteilung der fehlenden Zustimmung aufzufordern. Kann die Zustimmung auch auf diesem Weg (also via die KESB) nicht eingeholt werden, so steht dem Kind weiterhin die Möglichkeit offen, die Änderung oder Berichtigung des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts persönlich beim Gericht zu beantragen. Bei Bedarf wird ad hoc eine Beiständin oder ein Beistand bezeichnet.176 Dank der vorliegenden Revision wird in Zukunft somit jede urteilsfähige Person ihr Geschlecht in einem vereinfachten Verfahren ändern lassen können. Die minderjährigen und die unter umfassender Beistandschaft stehenden Personen werden dabei besonders geschützt. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, persönlich das zuständige Gericht anzurufen, wenn die gesetzliche Vertreterin oder der gesetzliche Vertreter die Zustimmung verweigert. Das damit befasste Gericht trägt insbesondere dem Kindeswohl Rechnung. Entsprechend der bereits geltenden Praxis hängt die Aktivlegitimation für eine Klage auf Geschlechtsänderung (wie bei Klagen auf eine Namensänderung) nicht von der Volljährigkeit, sondern von der Urteilsfähigkeit ab. 177 Das Gesetz legt kein Alter fest, ab welchem von der Urteilsfähigkeit Minderjähriger ausgegangen wird. Ob das Kind zu vernunftgemässem Handeln im Sinn des Gesetzes fähig ist, muss im konkreten Einzelfall beurteilt werden. 178 Analog zu Arti-

175

Siehe Ziff. 1.1 f. Siehe ebenfalls Recher, Änderung von Name und amtlichem Geschlecht: einfach zum rechtskonformen Entscheid, in: FamPra.ch 2015, S. 623 ff., Ziff. III, 3.

176 Art. 308 ZGB 177 BGE 140 III 577 und Urteil des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau vom 27. März 2018 (CIV 18 504 KAS / BOD), siehe ebenfalls Recher, Änderung von Name und amtlichem Geschlecht: einfach zum rechtskonformen Entscheid, in: FamPra.ch 2015, S. 623 ff., Ziff. III, 3.

178 BGE 134 II 235

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kel 270b ZGB179 kann die Urteilsfähigkeit ab dem zwölften Altersjahr des Kindes vermutet werden. Gegebenenfalls kann sie auch in einem früheren Alter angenommen werden, zumal sich das Kind oft bereits beim Kindergarten- oder Schuleintritt bewusst ist, ob es ein Knabe oder ein Mädchen ist.180 Krankheiten, insbesondere psychische Beeinträchtigungen, schränken die Urteilsfähigkeit nicht zwingend ein.

Auch in diesem Fall muss die Behörde einzelfallweise beurteilen, ob die betroffene Person mit Bezug auf die konkrete Fragestellung und unter Berücksichtigung der dafür erforderlichen Fähigkeit zur Willensbildung urteilsfähig ist, um die Erklärung mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandbeamten abzugeben bzw. eine Klage einzureichen oder ein Berichtigungsbegehren zu stellen.181 Bei Zweifeln trifft die Behörde die nötigen Abklärungen. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht der betroffenen Person kann sie etwa die Beurteilung einer medizinischen Fachperson einholen.182

8.2

Änderungen des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht: Art. 40a E-IPRG

Die Revision erfordert die Anpassung des IPRG. Aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungsgegenstände sieht Artikel 40a E-IPRG die sinngemässe Anwendung der Artikel 37­40 IPRG über den Namen vor. Mit diesem Verweis kann auf die Hinzufügung weiterer Gesetzesartikel verzichtet werden.

Gestützt auf Artikel 33 IPRG sind nach der heutigen Praxis die schweizerischen Gerichte für die Feststellung einer Geschlechtsänderung zuständig. Ausländische

179

Diese Bestimmung ist unter dem Titel zu den Wirkungen des Kindesverhältnisses eingereiht und betrifft die Zuweisung des Familiennamens der Eltern. Es herrscht jedoch die Auffassung, dass sie auch auf Namensänderungen aufgrund eines behördlichen Entscheids analog anwendbar sein muss (BGE 140 III 577 E. 3.1.2 m. w. H.; siehe ebenfalls Geiser, Das neue Namensrecht, Referat an einer Konferenz vom 27. April 2012 in Luzern, Ziff. 3.24 ff., abrufbar auf der Website der Konferenz der kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandsdienst unter www.kaz-zivilstandswesen.ch > Publikationen).

180 Siehe Nehmiz, Aus Paul wird Paula, in: Ostschweiz am Sonntag vom 19. November 2017, und Zürcher, Vaud et Genève se mobilisent pour les jeunes transgenres. Brochure pour le personnel scolaire, groupes pour les parents... La prise de conscience est générale, avec plusieurs projets, in: 24 heures vom 15. November 2017. Die Fondation Agnodice weist darauf hin, dass sich Kinder bereits ab drei Jahren ihrer Transidentität bewusst werden können, dass dies bei vielen im Alter von fünf Jahren und im Durchschnitt mit acht Jahren der Fall ist; siehe Elèves transgenres, Guides de bonnes pratiques lors d'une transition de genre dans un établissement scolaire et de formation, 2017, abrufbar unter www.agnodice.ch/fr > Portail Enfants Adolescents Proches. Der Verein Transgender Network Switzerland geht von einem Alter zwischen drei und vier Jahren aus; siehe Trans*, Eine Informationsbroschüre von Transmenschen für Transmenschen und alle , 2016/2017, S. 37, abrufbar unter www.transgender-network.ch > Information.

Siehe ebenfalls Recher, Änderung von Name und amtlichem Geschlecht: einfach zum rechtskonformen Entscheid, in: FamPra.ch 2015, S. 623 ff., Ziff. I.

181 BGE 98 Ia 324 und 88 IV 111.

182 Zu den Zivilstandsbehörden siehe Art. 16 ZStV (siehe Ziff. 8.1.1). Zum Gerichtsverfahren siehe Art. 160 ZPO, gemäss dem unter anderem Urkunden wie ein Arztzeugnis herauszugeben sind oder ein Augenschein an einer Person durch Sachverständige zu dulden ist.

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Entscheidungen werden nach Massgabe von Artikel 32 IPRG anerkannt.183 Schweizerinnen und Schweizer mit Wohnsitz im Ausland können sich gemäss Artikel 3 IPRG auf die Notzuständigkeit schweizerischer Gerichte berufen.184 Durch den Verweis auf die Artikel 37­40 IPRG sollen inskünftig für die Bestimmung des Geschlechts bei der Geburt wie auch für die nachträgliche Änderung des Geschlechtseintrags die Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung ausländischer Entscheidungen und Urkunden in diesem Bereich geregelt werden.

Liegt eine Zuständigkeit der Schweizer Behörden vor, so erfolgt die Aufnahme einer Person im schweizerischen Personenstandsregister unter Angabe ihres Geschlechts, Vornamens und der übrigen Daten durch die schweizerischen Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten.185 Bei Personen mit Wohnsitz in der Schweiz untersteht die Bestimmung des Geschlechts grundsätzlich schweizerischem Recht.186 Bei Personen mit Wohnsitz im Ausland ist das Recht anwendbar, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist.187 In beiden Fällen ist auch die Wahl des Heimatrechts zulässig. Konkret ist diese Frage in Bezug auf die Eintragung eines dritten Geschlechts relevant ­ eine Möglichkeit, die zurzeit nur einzelne Staaten wie etwa Deutschland und Österreich kennen (siehe Ziff. 3.2, 4.3.2 und 4.3.3).188 Was die Änderung des Geschlechtseintrags in der Schweiz angeht, sieht die Revision vor, dass eine Erklärung gegenüber der schweizerischen Zivilstandsbeamtin oder dem schweizerischen Zivilstandsbeamten abgegeben wird. Bei Urteilsunfähigen oder wenn die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters fehlt, ist ein Gerichtsverfahren oder eine Berichtigung durch die Verwaltung notwendig (siehe Ziff. 8.1.4). Im internationalen Verhältnis liegt die Zuständigkeit hierfür bei der Behörde am Wohnsitz der betroffenen Person.189 Schweizer Bürgerinnen und Bürger ohne Wohnsitz in der Schweiz (einschliesslich Personen, welche nebst dem Schweizer Bürgerrecht weitere Staatsangehörigkeiten besitzen) können die Erklärung gegenüber einer Zivilstandsbeamtin oder einem Zivilstandsbeamten in der Schweiz abgeben (es ist vorgesehen, dass die Erklärung bei jedem Zivilstandsamt abgegeben werden kann; siehe Ziff. 8.1.1) bzw. bei den zuständigen Behörden des Heimatkantons Klage einreichen
oder die Berichtigung des Registereintrags beantragen.190 Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung zum Vorentwurf ist an dieser Stelle zu präzisieren, dass die Erklärung auch bei einer Schweizer Vertretung im Ausland abgegeben werden kann (siehe Ziff. 8.1.1). Im Übrigen muss nicht bereits ein Eintrag im schweizerischen Personenstandsregister bestehen, damit die Schweizer Behörden für die Entgegennahme der Erklärung zuständig sind. Für 183 184

185 186 187 188

189 190

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Bucher, Commentaire romand, Loi sur le droit international privé / Convention de Lugano, Basel 2011, Art. 33, N 4.

BGE 143 III 284 E. 5.3 und 119 II 264 E. 7. Im BGE 143 zitiert das Bundesgericht einen Teil der Lehre und regt auch an, sich in Bezug auf die direkte Zuständigkeit an die Art. 39­42 IPRG anzulehnen.

Art. 8 Bst. d, 9, 15, 15a, 20, 20b und 37c ZStV.

Art. 37 Abs. 1 IPRG erster Fall i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

Art. 37 Abs. 1 IPRG zweiter Fall i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

Gemäss den geltenden schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung (Art. 40 IPRG) kann ein drittes Geschlecht in der Schweiz nicht in das Personenstandsregister eingetragen werden.

Art. 38 Abs. 2 IPRG i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

Art. 38 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 1 IPRG i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

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ausländische Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sind diese folglich selbst dann zuständig, wenn die betreffenden Personen noch nicht im schweizerischen Personenstandsregister aufgenommen worden sind. Für die Aufnahme ins Register sind jedoch die erforderlichen ausländischen Zivilstandsdokumente vorzulegen (Art. 15a ZStV; siehe Ziff. 8.1.1). Gemäss den geltenden Vorschriften obliegt es ferner den betroffenen Personen, die Personendaten in den ausländischen Registern und amtlichen Dokumenten anpassen zu lassen (insbesondere im Pass und in der Identitätskarte). Bei der Ausstellung von Ausländerausweisen ist zu beachten, dass der Name und Vorname der Inhaberin oder des Inhabers gemäss dem heimatlichen Reisedokument aufzuführen ist. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass das elektronische Personenstandsregister der Schweiz gemäss der aktuellen Gestaltung, die in Zukunft angepasst werden könnte, auf der binären Geschlechterordnung basiert. So wird jede Person zwingend mit dem Geschlecht «männlich» oder «weiblich» eingetragen, eine andere Angabe ist nicht möglich. Weder kann das Feld «Geschlecht» leer gelassen werden, noch kann eine dritte Geschlechtskategorie beurkundet werden. Folglich kann im schweizerischen Personenstandsregister heute kein Zivilstand abgebildet werden, der zwar in einer ausländischen, nicht aber in der schweizerischen Rechtsordnung existiert. Durch den Verweis auf die Normen zum Namen unterstehen die Bestimmung des Geschlechts, dessen Änderung im Personenstandsregister sowie die Voraussetzungen und Wirkungen dieser Änderung dem schweizerischen Recht. 191 Gemäss den neuen Gesetzesbestimmungen ist die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags an keine Voraussetzungen mehr gebunden (siehe Ziff. 8.1.1).

Die Geschlechtsänderung hat keine Auswirkungen auf die bestehenden Kindesverhältnisse, die elterliche Sorge oder die elterliche Obhut. Diese Verhältnisse richten sich weiterhin nach dem in der Sache anwendbaren Recht.192 Eine im Ausland erfolgte Änderung der Angaben zum Geschlecht wird in der Schweiz (im Rahmen der hier bekannten Geschlechterkategorien) anerkannt, wenn sie im Wohnsitz- oder im Heimatstaat der betroffenen Person gültig ist. 193 Die neue Regelung betrifft ausschliesslich die Anerkennung der Änderung des Geschlechtseintrags. Allfällige Nebenfolgen eines
ausländischen Entscheids, wie die Scheidung einer bestehenden Ehe oder die Auflösung einer bestehenden Partnerschaft gleichzeitig mit der Geschlechtsänderung, bleiben davon unberührt. Für deren Anerkennung gelten weiterhin die dafür einschlägigen Bestimmungen.194 Die Nachbeurkundung des Geschlechts im schweizerischen Personenstandsregister erfolgt nach schweizerischen Grundsätzen zur Registerführung.195 Der Verweis auf Artikel 40 IPRG bildet die Rechtsgrundlage für die Eintragung des Geschlechts nach den schweizerischen Grundsätzen über die Registerführung. Gemäss der gängigen Praxis zur Eintragung des Namens gilt Folgendes: Er muss zwingend in lateinischen Buchstaben (gemäss dem Zeichensatz nach ISO 8859-15) und in einer der vorgesehenen Kategorien, d. h. Familiennamen, Vornamen und andere amtliche Namen (Art. 24 und 80 ZStV), eingetragen werden. Durch den Verweis von Artikel 40a auf 191 192 193 194 195

Art. 38 Abs. 3 IPRG i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

Art. 66 ff. und 85 IPRG.

Art. 39 IPRG i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

Art. 32, 45a, 65 und 65d IPRG Art. 40 IPRG i. V. m. Art. 40a E-IPRG.

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Artikel 40 IPRG gelangen die schweizerischen Grundsätze über die Registerführung zur Anwendung. Dadurch wird vermieden, dass eine Geschlechterkategorie nachbeurkundet werden muss, die der schweizerischen Rechtsordnung unbekannt ist. Die Geschlechterordnung im Schweizer Recht ist binär (männlich/weiblich); es ist im Entwurf nicht vorgesehen, eine dritte Geschlechterkategorie einzuführen. Denkbar ist jedoch, dass das Personenstandsregister und die Zivilstandsformulare ­ gleich wie die Systeme der Einwohnerkontrollen ­ in Zukunft dergestalt angepasst werden, dass ausländische Personen, namentlich aus Deutschland oder Österreich, deren Geschlecht weder als männlich noch als weiblich definiert ist, ohne Angaben zum Geschlecht ins Register aufgenommen werden können (siehe Ziff. 3.2, 4.3.2 und 4.3.3). Die entsprechende, im Wesentlichen technische Anpassung erfordert gegebenenfalls die Änderung von Ausführungsbestimmungen. Dadurch können Diskrepanzen zwischen dem Eintrag in der Schweiz und jenem im Herkunftsstaat der betroffenen Person vermieden werden. Zusätzlich ist diese Lösung auch ein Mittel gegen eine mögliche Vielfalt von Geschlechtseinträgen, die den westlichen Auffassungen gänzlich fremd sind. In der Tat kennen einige Kulturen auch mehr als drei Geschlechter. Falls solche Geschlechtskategorien der Gesetzgebung eines ausländischen Staates bekannt sind, ist entscheidend, dass deren Nachbeurkundung im schweizerischen Personenstandsregister auf der Grundlage einer Bestimmung auf Gesetzesebene abgelehnt werden kann.

9

Auswirkungen

9.1

Auswirkungen auf den Bund

Abgesehen von Anpassungen der Ausführungsbestimmungen im Zivilstandswesen und gegebenenfalls im Bereich der Identitätsausweise (siehe Ziff. 5) sowie vom Erlass entsprechender Weisungen und der Bereitstellung von weiterem Informationsmaterial hat die Einführung einer Erklärung über die Änderung des Geschlechts gegenüber den Zivilstandsbehörden mit gleichzeitiger Wahl von Vorname bzw.

Vornamen keine Auswirkungen auf den Bund. Diese Arbeiten werden mit den bestehenden Ressourcen bewältigt.

9.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Für die Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten wird sich mit der Umsetzung der vorgeschlagenen Lösungen in der Führung des elektronischen Personenstandsregisters (Infostar; siehe Ziff. 3.5) nur wenig ändern. Bereits heute müssen Gerichtsurteile betreffend Geschlechts- und Vornamensänderung im Personenstandsregister sowie in den in Papierform geführten Zivilstandsregistern (Art. 98 Abs. 1 Bst. g und h ZStV) beurkundet werden. Die Gerichte ihrerseits erfahren insofern eine Entlastung, als inskünftig in der Regel die Zivilstandsbeamtinnen und Zivilstandsbeamten für die Entgegennahme der Erklärungen zuständig sein werden. Die Beratungspflicht der Zivilstandsbeamtinnen und -beamten wird auf Zivilstandsvorgänge beschränkt sein, die namentlich mit dem Verfahren zur Entgegennahme der Erklä848

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rung über die Änderung des Geschlechtseintrags zusammenhängen. Für alle übrigen Fragen werden die Betroffenen an die Fachinstitutionen und -organisationen verwiesen.196 Soweit die zivilstandsamtliche Tätigkeit durch angemessene Gebühren abgegolten wird, dürfte die Revision kostenneutral ausfallen. In der Vernehmlassung zum Vorentwurf haben verschiedene Organisationen gefordert, zumindest bei Minderjährigen, keine oder tiefere Gebühren für die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags zu erheben. Sie haben insbesondere vorgebracht, dass der Zugang zu diesem Institut gewährleistet sein sollte und dass sich die oft arbeitslosen Betroffenen in einer prekären Lage befinden würden. Gemäss einem lokalen Fachverband sollen die betreffenden Personen aber immerhin für den Aufwand für die Berichtigung missbräuchlicher Erklärungen über die Geschlechtsänderung aufkommen.

Entsprechend dem Auftrag des Gesetzgebers unterliegen die Gebühren im Zivilstandswesen dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip.197 Nicht alle Betroffenen sind bedürftig. Es erscheint auch nicht gerechtfertigt, die Gebühren systematisch zu senken. Aus Gründen der Gleichbehandlung soll die Höhe der Gebühren gleich ausfallen wie für die Namens- oder Vaterschaftserklärungen.198 Diese Gebühren wurden so festgelegt, dass die Betroffenen ihre Rechte effektiv ausüben können.

Gemäss der geltenden Praxis kann das Zivilstandsamt bedürftigen Personen die Gebühr ermässigen oder erlassen.199 Im Übrigen gehen die Kosten zulasten der Person, die ein Verschulden trifft, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde eine Beschwerde abweisen muss, nachdem eine Zivilstandsbeamtin oder ein Zivilstandsbeamter eine missbräuchliche Erklärung nicht entgegennehmen wollte, oder wenn die Behörde eine erschlichene (falsche) Beurkundung berichtigen muss. 200 Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die Entgegennahme von Erklärungen über die Änderung des Geschlechts.

196

197

198

199 200

In der Vernehmlassung zum Vorentwurf hat der Schweizerische Verband für Zivilstandswesen darauf hingewiesen, dass die Bearbeitung einer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags dem Vorgehen bei einer Namenserklärung nach Auflösung der Ehe entsprechen sollte (Art. 119 ZGB und 13 ZStV), ohne Beratungspflicht des Zivilstandsamts. Eine solche Pflicht zur Beratung durch die Zivilstandsbehörden besteht tatsächlich (vgl. Art. 16 Abs. 5 ZStV). Diese beschränkt sich jedoch auf deren eigenen Aufgabenbereich, welcher unmittelbar mit ihrer Tätigkeit verbunden ist und nicht auf den sozialen oder rechtlichen Kontext im Allgemeinen.

Siehe die Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Personenstand, Eheschliessung, Scheidung, Kindesrecht, Verwandtenunterstützungspflicht, Heimstätten, Vormundschaft und Ehevermittlung; BBl 1996 I 1), Ziff. 213.12.

Entsprechend dem bei Namenserklärungen und Erklärungen über die Anerkennung eines Kindes geltenden Gebührentarif würden Gebühren in der Höhe von 75 Franken für die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags und von 30 Franken für die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters erhoben (siehe Anhang 1 Ziff. 4 ff. und 5 ff. ZStGV).

Art. 13 ZStGV Anhang 2 Ziff. 2 und 6 ZStGV.

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9.3

Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Volkswirtschaft

Die Revision verbessert die Situation von Transmenschen und von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Die Änderung ihres Personenstands (Angaben zu Geschlecht und Vornamen) wird in Zukunft einfacher und rascher möglich sein.

Im Übrigen wird die binäre Geschlechterordnung (männlich/weiblich) durch die vorliegende Revision nicht in Frage gestellt. Im Interesse der Rechtssicherheit wird mit verschiedenen Vorbehalten sichergestellt, dass ein Eintrag von Amtes wegen bereinigt wird und Missbräuche bekämpft werden (siehe Ziff. 2).

9.4

Auswirkungen aus Sicht der Gleichstellung von Frau und Mann

Mit der vorliegenden Revision soll die Änderung des Geschlechts- und des Vornamenseintrags im Personenstandsregister erleichtert werden. Die Revision dient Frauen und Männern gleichermassen und bezweckt insbesondere den Schutz von Personen, die sich nicht mit ihrem registrierten Geschlecht identifizieren und den entsprechenden Rollenbildern und Verhaltenserwartungen nicht nachleben.201

9.5

Auswirkungen auf die Informatikinfrastruktur

Die Revision hat keine unmittelbaren zwingenden Auswirkungen auf die Informatikinfrastruktur.

Heute werden die von den Gerichten festgestellten Geschlechtsänderungen den Zivilstandsbehörden gemeldet und im Personenstandsregister bzw. im Geburtsregister beurkundet. Angesichts der verhältnismässig geringen Anzahl Fälle wäre es durchaus möglich, das elektronisch geführte Personenstandsregister nicht anzupassen und bei der Eintragung einer Geschlechtsänderung inskünftig gleich wie heute zu verfahren. Das heutige Verfahren ist allerdings ziemlich aufwendig: Die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte muss, insbesondere wenn die von einer Geschlechtsänderung betroffene Person verheiratet ist oder Kinder hat, in mehreren Schritten vorgehen. Deshalb sind mögliche Vereinfachungen geplant.

201

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Siehe den Leitfaden zur Folgenabschätzung für die Gleichstellung von Frau und Mann in Gesetzgebungsprojekten des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, S. 17, abrufbar unter www.ebg.admin.ch > Themen > Recht > Gleichstellungsfolgenabschätzung.

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Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016202 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016203 über die Legislaturplanung 2015­2019 enthalten. Jedoch muss entsprechend dem Leitfaden des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann zur Folgenabschätzung für die Gleichstellung von Frau und Mann in Gesetzgebungsprojekten die Situation von Transmenschen und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung stets sorgfältig mitbedacht werden.204

11

Rechtliche Aspekte

11.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf stützt sich auf Artikel 122 der Bundesverfassung205 (BV), der dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts einräumt.

Dem Auftrag von Artikel 35 BV Folge leistend, gewährleistet die Vorlage die Verwirklichung verschiedener Grundrechte (Recht auf Achtung der Menschenwürde und auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmungsrecht als Teil des Schutzes der Privatsphäre, Diskriminierungsverbot)206. Für nähere Ausführungen siehe Ziffern 1.1, 1.2, 3.3, 4.1.1, 4.2.1 und 4.2.2.

Der Gesetzgeber kann sich insbesondere auf seine Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Zivilrechts stützen, um die Aufrechterhaltung einer Ehe nach der Geschlechtsänderung eines Ehegatten vorzusehen. Die Aufrechterhaltung der Ehe steht nicht im Widerspruch zur Gewährleistung des Rechts auf Ehe gemäss Artikel 14 BV.

11.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist in allen Punkten mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar (siehe Ziff. 4.1­4.2.2).

202 203 204

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 S. 8, abrufbar unter www.ebg.admin.ch > Themen > Recht > Gleichstellungsfolgenabschätzung.

205 SR 101 206 Art. 7, 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 und 13 BV

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11.3

Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Diese regeln Rechte und Pflichten von Personen sowie Aufgaben und Zuständigkeiten von Behörden. Sie begründen zudem Verpflichtungen der Kantone bei der Umsetzung und beim Vollzug von Bundesrecht. Solche Bestimmungen sind in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV).

11.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

11.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Das geltende Recht umfasst Bestimmungen zur Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen, die den Bundesrat zum Erlass von Verordnungsrecht verpflichten (Art. 43a, 45a und 48 ZGB; siehe Ziff. 5, 8.1.1 und 11.6).

11.6

Datenschutz

Die Vorlage entspricht den datenschutzrechtlichen Vorgaben. Nach Artikel 43a Absätze 1­3 ZGB regelt der Bundesrat auf dem Gebiet der Beurkundung des Personenstands den Datenschutz und die Datenbekanntgabe.207 Die notwendigen Bestimmungen zum Schutz der Personendaten von Transmenschen und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung sowie ihrer Angehörigen werden in die Zivilstandsverordnung aufgenommen, in der auch das Amtsgeheimnis der Zivilstandsbehörden sowie ein stark eingeschränktes Recht auf Zugang zu Personendaten des Zivilstandswesens verankert sind.208 Verschiedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vernehmlassung zum Vorentwurf haben verlangt, dass die Offenbarung der Geschlechtsänderung an Dritte formell verboten wird. Das entspricht bereits dem geltenden Recht. Entsprechend der Forderung der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen werden die Ausführungsbestimmungen im Übrigen dahingehend ergänzt, dass die Erklärung über die Änderung des Geschlechts aus Diskretionsgründen in einem separaten Raum des Zivilstandsamts entgegenzunehmen ist.

207

Das Datenschutzrecht wird zurzeit revidiert (siehe die Botschaft vom 15. September 2017 zum Bundesgesetz über die Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz, BBl 2017 6941).

208 Siehe 6. Kapitel der ZStV (Art. 44­61).

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