20.083 Botschaft zum Bundesbeschluss über den Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung des zivilen Gesundheitswesens im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der zweiten Welle der Covid-19-Epidemie vom 18. November 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf des Bundesbeschlusses über den Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung des zivilen Gesundheitswesens im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der zweiten Welle der Covid-19Epidemie, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. November 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-3325

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Übersicht In Anbetracht der epidemiologischen Lage und ihrer vorhersehbaren Entwicklung hat der Bundesrat am 4. November 2020 einen Assistenzdienst von maximal 2500 Armeeangehörigen zur Unterstützung des zivilen Gesundheitswesens bis längstens zum 31. März 2021 beschlossen. Der Bundesrat stellt den Antrag auf Genehmigung dieses Armeeeinsatzes im Assistenzdienst.

Ausgangslage Ende Oktober 2020 ersuchten mehrere Kantone den Bund um Unterstützung in der Form eines Assistenzdienstes der Armee zugunsten ihrer Gesundheitsversorgung.

Aufgrund des seit Ende September anhaltenden massiven Anstiegs der Covid-19Fallzahlen und der Zunahme der Anzahl Patientinnen und Patienten auf den Intensivpflegestationen (IPS) hat der Bundesrat am 4. November 2020 das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) beauftragt, zur Unterstützung des zivilen Gesundheitswesens erneut die Armee im Assistenzdienst einzusetzen.

Inhalt der Vorlage Das vom Bundesrat beschlossene Truppenaufgebot umfasst maximal 2500 Armeeangehörige und steht längstens bis zum 31. März 2021 im Einsatz. Die Aufgabe der Armee besteht insbesondere darin, die zivilen Spitaleinrichtungen bei der Grundund Behandlungspflege zu unterstützen, den kantonalen Spitälern bei der Erweiterung der Kapazitäten ihrer IPS zu helfen und infektiöse Patientinnen und Patienten zu transportieren. Die Unterstützungsleistungen der Armee werden von Durchdienern und Freiwilligen sowie im Dienst stehenden oder dazu aufgebotenen Truppenkörpern und Einheiten erbracht.

Die Erfahrungen aus dem ersten Assistenzdienst der Armee im Rahmen der Bekämpfung der ersten Welle der Epidemie haben gezeigt, dass die zur Verfügung gestellten militärischen Mittel den effektiven Bedarf der Gesundheitseinrichtungen teilweise überstiegen. Obschon der Einsatz der Armee anerkannt und von den Betroffenen geschätzt wurde, entstand der Eindruck, dass die Armee angefordert wurde, obwohl andere Ressourcen wie Zivilschutz, Zivildienst und private Anbieter als mögliche Leistungserbringer nicht genügend berücksichtigt wurden. Um die Einhaltung der Subsidiarität zu gewährleisten, hat der Bundesrat mit seinem Beschluss vom 4. November 2020 auch Kriterien festgelegt, die die gesuchstellenden Behörden stets erfüllen müssen, um Unterstützung durch die Armee zu erhalten. Diese
Kriterien bilden die Grundlage für die Leistungsvereinbarungen, die zwischen der unterstützten Gesundheitseinrichtung und der Kommandantin oder dem Kommandanten der eingesetzten Truppe abgeschlossen werden. Die von den Armeeangehörigen erbrachte Unterstützung kann reduziert oder unterbrochen werden, wenn sie der Leistungsvereinbarung nicht mehr entspricht.

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Der Einsatz der Armee führt in einzelnen Bereichen zu Mehrausgaben, die voraussichtlich innerhalb des bewilligten Budgets des VBS aufgefangen werden können. Ist dies nicht der Fall, so wird das VBS einen Nachtragskredit beantragen.

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Botschaft 1

Ausgangslage

Am 4. November 2020 hat der Bundesrat auf Gesuch mehrerer Kantone einen zweiten Assistenzdienst der Armee beschlossen, um das zivile Gesundheitswesen im Rahmen der Covid-19-Epidemie zu unterstützen. Seit Beginn der zweiten Welle, Ende September, sind die Covid-19-Fallzahlen dramatisch angestiegen und mit ihnen auch die Hospitalisationen und die Anzahl Patientinnen und Patienten auf Intensivpflegestationen (IPS). Anfang November rechnete die Swiss National Covid19 Science Task Force damit, dass die IPS in weniger als drei Wochen überlastet sein würden. Die hohe Positivitätsrate von damals annähernd 25 Prozent und die Verdoppelung der Fallzahlen alle sechs Tage (in gewissen Kantonen alle vier Tage) zeigten die Dramatik der Situation. Mit der Überlastung der Kontaktnachverfolgung (Contact Tracing) in vielen Kantonen und danach auch der Testkapazitäten (Knappheit an Tests und Personal für das Screening einer steigenden Anzahl Kandidatinnen und Kandidaten) war die Kontrolle der Situation nicht mehr zu gewährleisten. Ausserdem war davon auszugehen, dass die Fallzahlen in den kommenden Wochen weiter steigen würden, da die von den Kantonen und dem Bundesrat beschlossenen Massnahmen frühestens nach zwei Wochen greifen würden.

Die Romandie wies damals gesamtschweizerisch betrachtet eine besonders hohe Inzidenz auf. Mit einer Inzidenz von 1140 Fällen pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner in der letzten Oktoberwoche wies der Kanton Freiburg, der als erster Kanton um Armeeunterstützung ersuchte, nach den Kantonen Jura und Wallis die dritthöchsten Fallzahlen in der Schweiz auf. Auf den IPS waren im Kanton Freiburg noch 2 von insgesamt 24 Betten frei. Für die weiteren Kantone der Romandie und den Kanton Bern sahen die Zahlen wie folgt aus: Bern 35/112, Genf 29/73, Neuenburg 8/20, Jura 2/8, Waadt 20/112 und Wallis 13/33. Gesamtschweizerisch waren 400 von 1131 IPS-Betten frei.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 stellte der Staatsrat des Kantons Freiburg an die Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ein Gesuch um Unterstützung durch die Armee, um die Betriebskapazitäten des Freiburger Spitalnetzes Hôpital fribourgeois (HFR) sicherzustellen. Die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) bestätigte die Subsidiarität gleichentags.
In den darauffolgenden Tagen reichten auch die Kantone Jura und Genf (28. Oktober), Wallis und Bern (30. Oktober) sowie Waadt und Tessin (12. November) Gesuche um Unterstützung durch den Bund in Form eines Assistenzdienstes der Armee zugunsten ihrer zivilen Gesundheitsversorgung ein. Diese Leistungsgesuche sind alle teilweise oder vollständig genehmigt worden (Stand 12. November 2020).

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2

Subsidiäre Unterstützung der Armee zugunsten des zivilen Gesundheitswesens

2.1

Erfahrungen aus dem Armeeeinsatz während der ersten Welle der Epidemie

Am 6. März 2020 beschloss der Bundesrat erstmals, das zivile Gesundheitswesen mit Mitteln der Armee zu unterstützen. Angesichts der dramatischen Entwicklungen in Europa und der ansteigenden Zahl von Erkrankungen an Covid-19 beschloss er kurz darauf am 16. März 2020, das ursprüngliche Aufgebot von maximal 800 auf 8000 Armeeangehörige zu erweitern. Gemäss dem damaligen Kenntnisstand und den damals verfügbaren Informationen war es angezeigt, alle verfügbaren und geeigneten militärischen Ressourcen unverzüglich aufzubieten und nach Massgabe der stetig steigenden Anzahl an Gesuchen möglichst ohne Verzug in den Einsatz zu bringen. Des Weiteren waren im Frühjahr die Leistungen der Armee nicht nur auf das Gesundheitswesen beschränkt, sondern betrafen auch den Sicherheitsbereich (Unterstützung der kantonalen Polizeikorps beim Schutz von ausländischen Vertretungen und Unterstützung der Eidgenössischen Zollverwaltung).

Die mit dem Verlauf der Epidemie verbundene Unsicherheit hat die zuständigen Behörden dazu veranlasst, bei ihrer Planung Vorsicht walten zu lassen und die Unterstützung grosser Armeekontingente anzufordern. Im Kontext der vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen, die zu einer Abflachung der Infektionsratenkurve führten, hatte dieses grosse Aufgebot zur Folge, dass die verfügbaren Ressourcen der Armee den effektiven Bedarf des Gesundheitswesens teilweise überstiegen haben, was zu Kritik führte. Obschon der Einsatz der Armee als notwendig anerkannt und von den Betroffenen geschätzt wurde, entstand auch der Eindruck, dass die Armee angefordert wurde, obwohl andere Ressourcen wie Zivilschutz, Zivildienst und private Anbieter als mögliche Leistungserbringer nicht genügend berücksichtigt wurden. Mit Unverständnis reagierte die Öffentlichkeit auch auf Berichte, wonach einzelne Spitäler von Unterstützung durch die Armee profitierten, während ihr reguläres Personal gleichzeitig in Kurzarbeit war.

Aufgrund dieser Erfahrung wird die Subsidiarität der Gesuche nun von den Organen des Bundes nach genauen Kriterien geprüft (vgl. Ziff. 2.5).

2.2

Auftrag des Bundesrates an die Armee

Aufgrund der Gesundheitslage und ihrer absehbaren Entwicklung sowie der Anzahl kantonaler Gesuche an den Bund hat der Bundesrat am 4. November 2020 das VBS beauftragt, die Armee mit einem Truppenaufgebot von maximal 2500 Armeeangehörigen erneut und längstens bis zum 31. März 2021 im Assistenzdienst zur Unterstützung des zivilen Gesundheitswesens einzusetzen. Dieser Maximalbestand umfasst auch rund 600 Angehörige der Armee, welche die Durchführung des Einsatzes (inkl. Mobilmachung) in der Führung und Logistik unterstützen. Dazu gehören auch Leistungen zugunsten der eingesetzten Truppen, wie etwa Verpflegung, Transporte oder Unterbringung.

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Bei diesem Personalbestand handelt es sich um eine Obergrenze, innerhalb derer der Einsatz der Armee erfolgen muss. Die Anzahl effektiv eingesetzter Armeeangehöriger wird aufgrund der Unterstützungsleistungen bestimmt, um die die Kantone ersuchen. Die Leistungen werden unter der Voraussetzung erbracht, dass gewisse Bedingungen erfüllt sind und das Prinzip der Subsidiarität eingehalten wird (vgl.

Ziff. 2.5).

Der Bundesrat hat präzisiert, dass die sanitätsdienstlichen Leistungen der Armee folgende Bereiche umfassen können: a.

personelle Unterstützung in den zivilen Spitaleinrichtungen im Bereich der allgemeinen Grund- und Behandlungspflege (Betreuung von sog. «Lowlevel-care-Patientinnen und -Patienten»), in der Vordiagnose, dem Screening von Covid-19-Verdachtsfällen und bei der Durchführung von Testabstrichen;

b.

personelle und materielle Unterstützung der kantonalen Gesundheitseinrichtungen bei der Erweiterung der Intensivpflegekapazitäten (z. B. Beatmungsgeräte und Monitoring); besonders geeignetes Sanitätspersonal kann nach einer kurzen Ausbildung zur Unterstützung der Intensivpflege eingesetzt werden (z. B. Lagerungsteams);

c.

Unterstützung von Transporten infektiöser Patientinnen und Patienten durch Sanitätstransportfahrzeuge sowie Fahrerinnen und Fahrer.

Diese Leistungen erfordern besonders ausgebildetes Personal und Spezialmaterial, das nur begrenzt verfügbar ist. Dies bedingt Priorisierungen und Schwergewichtsbildungen. Konkret geht es darum, die militärischen Mittel dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden, und die Dauer ihrer Zuteilung an die gesuchstellenden Organe festzulegen. Diese Aufgabe obliegt dem Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB), in der aktuellen epidemischen Lage unter dem Vorsitz des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Die Unterstützungsleistungen der Armee werden von Durchdienern und Freiwilligen sowie im Dienst stehenden oder speziell für diesen Einsatz aufgebotenen Truppenkörpern und Einheiten erbracht. Bei Bedarf kann die Armee Milizformationen mit hoher Bereitschaft aufbieten, die innerhalb von 96 Stunden ab Auslösung (Alarmierung per SMS) eingesetzt werden können.

Die Armee erbringt im Rahmen ihres Grundauftrages weiterhin Leistungen zugunsten der Kantone mit der Armeeapotheke und der Sanitätslogistik (z. B. medizinisches Material oder Desinfektionsmittel).

Der Einsatz der Armee erfolgt zugunsten und auf Antrag des Eidgenössischen Departements des Innern. Die Einsatzverantwortung liegt bei den zivilen Behörden.

Diese erteilen der zugewiesenen Truppe in Absprache mit dem VBS den Auftrag.

Die Führungsverantwortung für die eingesetzten Armeekräfte liegt bei der Armee.

Die zivilen Behörden haben die Aufgabe, während der Dauer des Einsatzes die Bevölkerung über Aufgaben und Tätigkeiten der zu ihren Gunsten eingesetzten Truppen zu informieren.

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2.3

Dauer des Einsatzes und Anrechenbarkeit der Diensttage

Der Einsatz der Armee ist bis 31. März 2021 befristet. Ob darüber hinaus die Unterstützung der Armee erforderlich sein wird, ist derzeit nicht abzusehen. Gegebenenfalls wird der Bundesrat rechtzeitig eine Verlängerung des Einsatzes beschliessen und dazu dem Parlament eine neue Botschaft zur Genehmigung vorlegen. Da der Assistenzdienst länger als drei Wochen dauert und mehr als 2000 Armeeangehörige umfasst, muss ihn die Bundesversammlung gemäss Artikel 70 Absatz 2 des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995 (MG) 1 genehmigen.

Artikel 65a Absatz 3 MG gibt dem Bundesrat die Kompetenz, zu beschliessen, dass im Assistenzdienst maximal die Dauer eines ordentlichen Wiederholungskurses (19 Tage) angerechnet wird, den die Armeeangehörigen im laufenden Jahr in jedem Fall zu leisten hätten. Angesichts der besonderen Belastungen, denen die eingesetzte Truppe bereits während des Einsatzes in der ersten Welle der Covid-19-Epidemie ausgesetzt war, hatte der Bundesrat im April 2020 beschlossen, dass den Armeeangehörigen, die im Assistenzdienst mehr Diensttage leisten, als ein ordentlicher Wiederholungskurs umfasst, maximal ein Wiederholungskurs darüber hinaus angerechnet wird (38 Tage). Für den erneuten Assistenzdiensteinsatz der Armee im Rahmen der zweiten Welle der Covid-19-Epidemie hat der Bundesrat beschlossen, dass wiederum maximal 38 Diensttage anrechenbar sein sollen, unabhängig davon, wie viele Einsatztage bereits im Assistenzdiensteinsatz im Rahmen der ersten Welle der Covid-19-Epidemie angerechnet wurden.

2.4

Behandlung der Gesuche und Zuweisung der Mittel an die Gesuchsteller

Nach Ansicht des Bundesrates wäre es nicht zweckmässig, dem Bundesrat jedes Gesuch eines Kantons an den Bund zur Beschlussfassung vorzulegen. Dies könnte deren Behandlung verzögern. Zudem haben die Erfahrungen gezeigt, dass der Truppeneinsatz nicht immer die Voraussetzungen der Subsidiarität zu erfüllen schien.

Deshalb hat der Bundesrat beschlossen, dass die Gesuche künftig durch die zuständigen Gremien des Bundes beurteilt und behandelt werden sollen.

Demzufolge hat der Bundesrat folgende Zuständigkeiten und Abläufe festgelegt: Der BSTB, beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) im VBS angegliedert und in der aktuellen Epidemielage unter dem Vorsitz des BAG, führt eine Plausibilitätsprüfung durch, ob die Gesuche der Kantone die Voraussetzungen gemäss den Kriterien in Ziffer 2.5 erfüllen. Der Vorsitz des BSTB tut das in Absprache mit dem Ressourcenmanagement Bund (ResMaB), das ebenfalls dem BABS angegliedert ist.

Das ResMaB, das auch Vertreterinnen und Vertreter der GDK einschliesst, überprüft, ob gewisse angeforderte Leistungen von privaten Leistungserbringern, dem Zivilschutz, Zivildienstleistenden oder Freiwilligen übernommen werden können, und beantwortet anschliessend formell die Gesuche der Kantone. Es ist möglich, dass nicht allen Gesuchen im vollen Umfang entsprochen werden kann, zumal die 1

SR 510.10

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Gesamtlage und die erwartete Lageentwicklung berücksichtigt werden müssen. Die Priorisierung und Zuteilung der Mittel der Armee und die Festlegung des Umfangs und der Dauer der militärischen Leistungen obliegen dem BABS. Im BABS ist ein ständiger Ausschuss, das Sanitätsdienstliche Koordinationsgremium (SANKO), das vom Beauftragten des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst geleitet wird, dafür zuständig.

2.5

Sicherstellung der Einhaltung der Subsidiarität

Aufgrund der Erfahrungen aus der ersten Welle der Epidemie (Ziff. 2.1) und um zu gewährleisten, dass das Subsidiaritätserfordernis erfüllt ist, hat der Bundesrat ausserdem beschlossen, dass die Kantone, die Unterstützung des Bundes erhalten, während der gesamten Dauer der Unterstützung durch die Armee sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und Instrumente, sowohl auf kantonaler Ebene als auch im Rahmen der interkantonalen Zusammenarbeit, ausgeschöpft haben müssen. Die gesuchstellenden Kantone müssen demzufolge die Mittel von Zivilschutz, Zivildienst und Feuerwehr wie auch aus dem Privatsektor ausgeschöpft haben. Die Kantone, die ein Gesuch um Unterstützung durch die Armee stellen, müssen die folgenden Bedingungen erfüllen: a.

eine kurze Beschreibung der aktuellen Situation der kantonalen Organisation des Gesundheitswesens (Anzahl Stellen und aktueller Personalbestand) liegt bei;

b.

die Möglichkeit, dass der Privatsektor Leistungen zur Unterstützung des Gesundheitswesens und der Spitäler erbringt, wurde ausgeschöpft;

c.

die Möglichkeiten der Rekrutierung von zusätzlichem Personal auf dem zivilen Arbeitsmarkt wurden ausgeschöpft;

d.

die Möglichkeit, arbeitslose Personen anzustellen, wurde in Koordination mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren ausgeschöpft;

e.

die Ressourcen des Zivilschutzes und der Feuerwehr sind quantitativ und qualitativ nicht ausreichend für eine angemessene Unterstützung des Gesundheitswesens und der Spitäler;

f.

der Zivildienst wurde um Unterstützung angefragt und hat die verfügbaren Zivildienstleistenden eingesetzt;

g.

Studierende der Medizin sind angefragt worden und sind nicht mehr verfügbar;

h.

Freiwillige (Malteser, Samariter) sind angefragt worden und sind nicht mehr verfügbar;

i.

andere Kantone können keine Patientinnen und Patienten übernehmen;

j.

medizinisch nicht dringende Eingriffe sind verschoben, soweit dadurch nützliche Kapazitäten frei werden;

k.

findet ein Armeeeinsatz in einem Spital oder einem Kanton statt, so darf nicht gleichzeitig Kurzarbeitsentschädigung beansprucht werden;

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l.

die zur Verfügung gestellten Armeeangehörigen werden ausschliesslich für die im Gesuch des Kantons erwähnten Aufgaben eingesetzt, für die sie geschult wurden;

m. sobald ihre Unterstützung nicht mehr nötig ist oder ihre Aufgaben von anderen Organisationen oder Leistungserbringern im Privatsektor übernommen werden können, werden die Armeeangehörigen zu ihren Kommandantinnen und Kommandanten zurückbeordert.

Falls der BSTB zum Schluss kommt, dass diese Kriterien erfüllt sind, kann die SANKO auf das Gesuch eintreten und die Zuteilung der Mittel an den gesuchstellenden Kanton festlegen (Ziff. 2.4). Zudem soll vor Einsatzbeginn die Kommandantin oder der Kommandant der Truppe mit der Leiterin oder dem Leiter der unterstützten Institution in einer Vereinbarung die zu erbringenden militärischen Leistungen genau festlegen. Die Erfüllung der oben aufgeführten Kriterien bildet die Grundlage für die Leistungsvereinbarung. Die Kommandantin bzw. der Kommandant ist gehalten, auf Antrag beim SANKO die Unterstützung zu reduzieren oder zu unterbrechen, wenn sie der spezifischen Leistungsvereinbarung nicht mehr entspricht. Dadurch können Kräfte für Unterstützungsleistungen anderswo freigespielt werden.

Die angefragten Armeeleistungen, die erbracht werden können und vom SANKO bewilligt sind, werden auf der Grundlage der Leistungsvereinbarungen mit den Gesundheitseinrichtungen laufend durch die Sanitätsdienste der Armee kontrolliert.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Der Einsatz der Armee führt einerseits in einzelnen Bereichen zu Mehrausgaben, so zum Beispiel bei den Truppenausgaben für die zusätzlichen, mit dem Assistenzdienst verbundenen Diensttage. Die genauen Kosten hängen vom Umfang des Assistenzdienstes ab, also insbesondere davon, wie viele Armeeangehörige aufgeboten werden müssen und wie lange ihr Einsatz dauern wird. Andererseits fallen auch gewisse Minderausgaben oder Verschiebungen von Ausgaben an (z. B. weniger Dienstreisen, ausgesetzte Wiederholungskurse). Der durch den Einsatz anfallende Mehraufwand wird nach Möglichkeit innerhalb des bewilligten Budgets des VBS aufgefangen. Zusätzlich wird mit einem höheren Personalaufwand im VBS gerechnet (z. B. befristete Erhöhungen des Beschäftigungsgrads, befristete Anstellungen von Spezialistinnen und Spezialisten, Überstunden). Nach aktuellem Stand scheint es, dass der Mehraufwand für 2020 innerhalb des Budgets des VBS kompensiert werden kann. Bei Bedarf wird das VBS für 2021 einen Nachtragskredit beantragen.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Nach dem Subsidiaritätsprinzip sind die Kantone für den Einsatz der ihnen vom Bund zur Verfügung gestellten Armeemittel zuständig. Dank diesen zusätzlichen 8813

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Mitteln sind sie besser in der Lage, die durch die Covid-19-Epidemie verursachte Überlastungsphase zu überstehen.

Da die Kosten für den Assistenzdiensteinsatz der Armee vom Bund getragen werden, hat der laufende Einsatz keine finanziellen Folgen für die Kantone.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage wurde weder in der Botschaft vom 29. Januar 20202 zur Legislaturplanung 2019­2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 20203 über die Legislaturplanung 2019­2023 angekündigt. Der vorliegende Bundesbeschluss entspricht jedoch dem Ziel 15 der Botschaft zur Legislaturplanung («Die Schweiz kennt die Bedrohungen ihrer Sicherheit und verfügt über die notwendigen Instrumente, um diesen wirksam entgegenzutreten»)4. Er soll die Verlängerung des subsidiären Einsatzes der Armee im Assistenzdienst zugunsten der zivilen Behörden der Kantone und des Bundes genehmigen, der vom Bundesrat am 16. März 2020 im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie beschlossen wurde.

5

Vernehmlassungsverfahren

Die Vorlage war nicht Gegenstand eines Vernehmlassungsverfahrens im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben d und e des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20055 (VlG). Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Standpunkte der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere, weil über den Gegenstand der Vorlage bereits eine Vernehmlassung durchgeführt wurde. Vor seinem Beschluss vom 4. November 2020 hat sich der Bundesrat mit den Kantonen informell ausgetauscht. Zudem führt er mit diesen im Rahmen der zuvor erwähnten Organe (Ziff. 2.4) einen ständigen Dialog.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Laut Artikel 58 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)6 dient die Armee «der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen». Artikel 1 Absatz 2 MG präzisiert, dass die Armee die zivilen Behörden im Inland unterstützt, 2 3 4 5 6

BBl 2020 1777 BBl 2020 8385 BBl 2020 1777, hier 1859 SR 172.061 SR 101

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wenn deren Mittel nicht mehr ausreichen. Nach der gleichen Bestimmung kann diese Unterstützung insbesondere für folgende Zwecke gewährt werden: zur Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit (Bst. a), zur Bewältigung von Katastrophen und anderen ausserordentlichen Lagen (Bst. b) und zur Bewältigung von Spitzenbelastungen oder von Aufgaben, die die Behörden mangels geeigneter Personen oder Mittel nicht bewältigen können (Bst. e).

Die vorliegende Botschaft betrifft den subsidiären Einsatz im Assistenzdienst zur Unterstützung der zivilen Behörden im Inland nach Artikel 67 Absatz 1 Buchstabe d MG. Die Unterstützung erfolgt auf Gesuch der zivilen Behörden der Kantone, jedoch nur soweit der Einsatz im öffentlichen Interesse liegt und die zivilen Behörden die Aufgabe in personeller, materieller oder zeitlicher Hinsicht nur mit einem unverhältnismässigen Einsatz von Mitteln erfüllen könnten. Gemäss Artikel 67 Absatz 4 MG bestimmt der Bundesrat, welche Bewaffnung der Truppe für den Schutz der eingesetzten Personen und Truppen sowie für die Erfüllung ihres Auftrags erforderlich ist.

Die Mobilmachung von Armeeangehörigen zu bestimmten Einsätzen im Sinne von Artikel 67 MG ist in der Verordnung vom 22. November 20177 über die Mobilmachung zu bestimmten Assistenz- und Aktivdiensten geregelt.

Die rechtliche Grundlage für die Nichtanrechnung von Diensttagen ist Artikel 65a Absatz 3 MG. Aufgrund dieser Bestimmung kann der Bundesrat bei einem grösseren Truppenaufgebot oder bei länger dauernden Einsätzen anordnen, dass der Assistenzdienst nicht oder nur teilweise an die Ausbildungsdienstpflicht angerechnet wird.

Gestützt auf Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe a MG ist der Bundesrat für das Aufgebot der Truppen und deren Zuweisung an die zivilen Behörden zuständig. Da mehr als 2000 Angehörige der Armee aufgeboten werden und der Einsatz länger als drei Wochen dauert, muss die Bundesversammlung gemäss Artikel 70 Absatz 2 MG den Einsatz in der nächsten Session genehmigen. Es war dringend notwendig, mit dem Einsatz im November 2020 zu beginnen.

6.2

Subsidiarität

Artikel 67 Absatz 1 MG sieht verschiedene Situationen vor, in welchen die Armee einen Assistenzdienst zur Unterstützung ziviler Behörden leisten kann. Zu diesen Situationen zählen: die Bewältigung ausserordentlicher Lagen (Bst. a), die Bewältigung von Katastrophen, Spitzenbelastungen oder von Aufgaben, die die Behörden mangels geeigneter Personen oder Mittel nicht bewältigen können (Bst. d), die Erfüllung anderer Aufgaben von nationaler oder internationaler Bedeutung (Bst. e).

Der Assistenzdienst sollte nicht als normale Hilfe dienen. Die zivilen Behörden sind verpflichtet, zuerst mögliche wirtschaftlich vertretbare Alternativen zum Armeeeinsatz zu prüfen und gegebenenfalls diese umzusetzen. Nur wenn diese nicht ausreichen, kann die Armee als Verstärkung zum Einsatz gerufen werden. Hinsichtlich 7

SR 519.2

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ausserordentlicher Lagen (Bst. a) stellt die Botschaft des Bundesrates vom 3. September 20148 zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Weiterentwicklung der Armee klar, dass nur besondere, schwerwiegende Umstände eine ausserordentliche Lage (z. B. Naturkatastrophen und Notlagen) ergeben. Gemäss Artikel 67 Absatz 2 MG erfolgt die Unterstützung auf Gesuch der zivilen Behörden der Kantone und des Bundes nur, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Aufgabe liegt im öffentlichen Interesse (Bst. a) und die zivilen Behörden könnten die Aufgabe in personeller, materieller oder zeitlicher Hinsicht nur mit einem unverhältnismässigen Einsatz von Mitteln erfüllen (Bst. b). Die Leistungen der Armee werden ersucht, wenn sie von den Kantonen nicht erbracht werden können, sei es, weil die Anfangsleistung oder die Durchhaltefähigkeit in personeller, materieller oder finanzieller Hinsicht nicht gewährleistet ist oder weil die Kantone nicht über das notwendige Personal verfügen.

Die Fähigkeit des Gesundheitssystems, angemessen auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren, liegt zweifellos im öffentlichen Interesse. Es ist unerlässlich, dass Patientinnen und Patienten in Gesundheitseinrichtungen vor der unkontrollierten Ausbreitung von Covid-19 geschützt werden und im Falle einer Infektion angemessen behandelt und versorgt werden können.

Das erste dem Bundesrat vom Kanton Freiburg im Einvernehmen mit der GDK vorgelegte und einstimmig durch den Vorstand der GDK genehmigte Gesuch erfüllt die Bedingungen für den Assistenzdiensteinsatz der Armee zugunsten der zivilen Behörden (denn die Kantone waren nicht in der Lage, dem Kanton Freiburg oder irgendeinem anderen Kanton genügend Mittel zur Verfügung zu stellen).

6.3

Erlassform

Der vorliegende Bundesbeschluss ist ein in einem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehener Einzelakt, über welchen die Bundesversammlung entscheidet (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV). Artikel 70 Absatz 2 MG sieht vor, dass für einen Einsatz von mehr als 2000 Armeeangehörigen oder einer Einsatzdauer von mehr als drei Wochen die Genehmigung der Bundesversammlung erforderlich ist. Bundesbeschlüsse unterstehen dem Referendum, soweit Verfassung oder Gesetz dies vorsehen (Art. 141 Abs. 1 Bst. c BV). Da im vorliegenden Fall weder die Verfassung noch das Gesetz das Referendum vorsehen, wird der Bundesbeschluss in die Form eines einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV).

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BBl 2014 6955, hier 7013

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