20.046 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Vergütung des Pflegematerials) vom 27. Mai 2020

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2019

M 18.3710

MiGeL-Produkte. Inrechnungstellung durch Erbringer von Pflegeleistungen (N 6.7.18, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats; N 19.9.18; S 20.6.19)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Mai 2020

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2020-0293

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Übersicht Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) soll bei der Vergütung die Unterscheidung zwischen Pflegematerial, das von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet wird, und Material zur Verwendung durch Pflegefachpersonen entfallen. Ziel ist es, die Vergütung dieses Materials durch die Einführung einer einheitlichen Vergütung zu vereinfachen und den Zugang zum Pflegematerial zu gewährleisten.

Ausgangslage Seit dem Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 werden Pflegeleistungen, die in einem Pflegeheim oder von Leistungserbringern der ambulanten Pflege erbracht werden, von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), der versicherten Person und dem Kanton übernommen.

Nach mehreren Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen bestätigte das Bundesverwaltungsgericht 2017 die Position des Bundesrates, wonach die Vergütung des von den Pflegefachpersonen verwendeten Pflegematerials nicht separat, sondern nach dem Verteilschlüssel der Pflegefinanzierung durch die drei Kostenträger (OKP, Kantone und Versicherte) zu erfolgen habe. Auf Initiative des Bundesamts für Gesundheit wurden im April 2018 die Diskussionen, die 2014 gestartet und wegen der Gerichtsverfahren unterbrochen worden waren, mit den involvierten Akteuren wieder aufgenommen. Für die Mehrheit der Diskussionsteilnehmer sollte in der künftigen Regelung nicht mehr zwischen der Verwendung des Pflegematerials durch die Versicherten selbst und der Verwendung durch Pflegefachpersonen unterschieden werden.

Inhalt der Vorlage Mit einer Änderung der Artikel 25a und 52 KVG soll die Vergütung des Pflegematerials vereinfacht werden: Durch Pflegefachpersonen verwendete Mittel und Gegenstände, die der Untersuchung oder Behandlung einer Krankheit dienen und in der Liste der Mittel und Gegenstände (MiGeL) aufgeführt sind, sowie Mittel und Gegenstände, die nicht von der versicherten Person selbst oder von einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet werden können, sollen nicht mehr über die Pflegefinanzierung, sondern separat gemäss dem Prinzip der MiGeL von der OKP vergütet werden. Für die Akut- und Übergangspflege soll das Material nicht mehr von der OKP und den Kantonen, sondern nur noch
von der OKP bezahlt werden. In der MiGeL aufgeführtes Material, das von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet wird, soll weiterhin von der OKP übernommen werden.

Die vorgeschlagene Änderung ermöglicht dem Eidgenössischen Departement des Innern zudem, die ausschliesslich von der OKP übernommenen Mittel und Gegenstände zu bezeichnen, für die ein Tarif mittels Vereinbarung zwischen Krankenversicherern und Pflegeheimen oder Leistungserbringern der ambulanten Pflege festge-

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setzt werden kann. Artikel 52 Absatz 3 zweiter Satz KVG gibt dem Bundesrat die Kompetenz zur Bezeichnung der Analysen, für die ein Tarif nach den Artikeln 46 und 48 KVG festgesetzt werden kann. Damit die Kohärenz des Gesetzes gewährleistet bleibt, soll diese Kompetenz dem Departement übertragen werden.

Einfache Verbrauchsmaterialien mit direktem Bezug zu den Pflegeleistungen (z. B.

Handschuhe) und Material und Gegenstände zum Mehrfachgebrauch für verschiedene Patientinnen und Patienten (z. B. Fieberthermometer) sollen weiterhin nach den Regeln der Pflegefinanzierung vergütet werden. Für die Akut- und Übergangspflege soll die Vergütung dieses Materials in den Pflegeleistungspauschalen enthalten bleiben.

Verschiedene Kantone oder Gemeinden haben die zur Deckung der Pflegematerialkosten unerlässliche Restfinanzierung nicht gewährleistet. Mit der Einführung einer schweizweit einheitlichen Vergütung des Pflegematerials durch die OKP soll der Zugang zu den ambulant und im Pflegeheim erbrachten Pflegeleistungen sichergestellt werden.

Schliesslich wird die Gesetzesänderung die finanzielle Belastung der Kantone und Gemeinden um schätzungsweise 65 Millionen Franken pro Jahr verringern. Der Entwurf sieht vor, dass dieser Betrag zukünftig von der OKP getragen wird. Die Erhöhung der Bruttokosten in der OKP im Umfang von 65 Millionen Franken hat automatisch eine Erhöhung des Bundesbeitrags an die Prämienverbilligung in der Höhe von 4,9 Millionen Franken zur Folge, was dem festgelegten Beitrag von 7,5 Prozent der OKP-Bruttokosten entspricht.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Seit Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung am 1. Januar 2011 werden die Pflegeleistungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), der versicherten Person und dem Kanton übernommen (Art. 25a Abs. 1, 4 und 5 des Bundesgesetzes vom 18. März 19941 über die Krankenversicherung [KVG]).

Die OKP bezahlt einen festgelegten Beitrag je nach Pflegebedarf. Der versicherten Person dürfen höchstens 20 Prozent des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Beitrages überwälzt werden. Die Kantone regeln die Restfinanzierung.

Nach der Einführung der Neuordnung der Pflegefinanzierung zeigte sich, dass die rechtlichen Bestimmungen über die Vergütung des von den Pflegefachpersonen verwendeten Pflegematerials unterschiedlich interpretiert wurden. Aus Sicht der Krankenversicherer war dieses Material Bestandteil der Pflegeleistungen und durfte ihnen nicht zusätzlich verrechnet werden. Die Leistungserbringer hingegen hielten eine separate Verrechnung für möglich. 2014 und 2015 führte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) deshalb Diskussionsrunden mit den Kantonen, den Leistungserbringern und den Krankenversicherern zu diesem Problem durch. Nachdem im Jahr 2015 einige Krankenversicherer Beschwerden gegen kantonale Entscheide eingereicht hatten, in denen die Vergütung für Pflegematerial zur Verwendung durch Pflegefachpersonen festgelegt wurde, wurden diese Diskussionsrunden vorerst eingestellt.

In seiner Stellungnahme zur Motion Humbel 14.4292 «Praxistaugliche Zulassung der Pflegeheime als Leistungserbringer» hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass zu unterscheiden sei zwischen Material, das in den Geltungsbereich von Anhang 2 der Krankenpflege-Leistungsverordnung vom 29. September 19952 (KLV) (Liste der Mittel und Gegenstände [MiGeL]) fällt, und Material, das für die Erbringung der Pflegeleistungen notwendig ist. Für Letzteres sehe die Gesetzgebung keine separate Verrechnung vor. Das Material, das für die Erbringung der Leistungen nach Artikel 7 Absatz 2 KLV notwendig ist, stelle ­ unabhängig davon, ob es auf der MiGeL gelistet ist oder nicht ­ einen integralen Bestandteil der Pflegeleistungen dar. Der Bundesrat erinnerte unter Hinweis auf Artikel 20 KLV auch daran, dass die MiGeL einzig für die Vergütung der Mittel und Gegenstände vorgesehen ist, die auf ärztliche Anordnung von einer Abgabestelle
abgegeben werden und von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich an der Untersuchung oder der Behandlung mitwirkenden Person angewendet werden.

In seinen Urteilen C-3322/2015 vom 1. September 20173 und C-1970/20154 vom 7. November 2017 zu den erwähnten Rechtsstreitigkeiten bestätigte das Bundesver1 2 3 4

SR 832.10 SR 832.112.31 BVGE 2017 V/6 Nicht publiziert.

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waltungsgericht, dass das von den Pflegefachpersonen verwendete Pflegematerial integraler Bestandteil der Pflegeleistungen sei. Die Vergütung habe deshalb nicht separat, sondern nach dem Verteilschlüssel der Pflegefinanzierung durch die drei Kostenträger (OKP, Kantone bzw. Gemeinden und Versicherte) zu erfolgen.

Nach diesen Urteilen haben seit April 2018 auf Initiative des BAG weitere Diskussionen mit den involvierten Akteuren stattgefunden. Sie ermöglichten es unter anderem, die Kosten des Pflegematerials bei einem Pflegeheimaufenthalt oder bei ambulanter Pflege zu schätzen (rund 55 Mio. Fr. bzw. 10 Mio. Fr.). Für die Mehrheit der Teilnehmenden dieser Diskussionsrunden sollte in der künftigen Regelung keine Unterscheidung zwischen der Verwendung des Pflegematerials durch die Versicherten selbst und der Verwendung durch Pflegefachpersonen mehr vorgenommen werden.

1.2

Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Die Vorlage will bei der Vergütung von Pflegematerial nicht mehr unterscheiden zwischen Material, das von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet wird, und Material zur Verwendung durch Pflegefachpersonen. Dazu soll neu festgelegt werden, dass auch das Material, das für Pflegeleistungen nach Artikel 25a Absätze 1 und 2 KVG verwendet wird, zu den zur Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenständen gehört, die von der OKP separat vergütet werden. Bei den Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause sowie bei den selbstständig tätigen Pflegefachpersonen wird das Material zu einem grossen Teil ohnehin sowohl von den Versicherten selbst als auch durch Pflegefachpersonen verwendet.

Das Material soll in folgende drei Hauptkategorien gegliedert werden: Kategorie A: Einfache Verbrauchsmaterialien mit direktem Bezug zu den Pflegeleistungen (z. B. Handschuhe, Gaze, Desinfektionsmittel, Maske und Schutzkleidung) sowie Material und Gegenstände zum Mehrfachgebrauch für verschiedene Patientinnen und Patienten (z. B.

Blutdruckmessgeräte, Stethoskope, Fieberthermometer, spezielle ergonomische Kissen, wiederverwendbare Instrumente wie Scheren und Pinzetten).

Kategorie B: Mittel und Gegenstände für die Untersuchung oder Behandlung einer Krankheit gemäss MiGeL (z. B. Inkontinenzhilfen, Verbandmaterial, Inhalationsgeräte, Stomaartikel, Kompressionstherapiemittel, Tracheostoma-Hilfsmittel), die von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich an der Untersuchung oder der Behandlung mitwirkenden Person oder auch durch Pflegefachpersonen verwendet werden.

Kategorie C: Mittel und Gegenstände, die nicht von der versicherten Person selbst oder durch eine nichtberuflich mitwirkende Person verwendet werden können (z. B. Wund-Vakuum-Therapiesystem, Heimventilation).

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Material der Kategorie A soll auch künftig nicht separat, sondern entsprechend der Neuordnung der Pflegefinanzierung vergütet werden. Die Verwendung dieser Art von Materialien ist als Bestandteil der ärztlich angeordneten Pflegeleistungen anzusehen.

Wird die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Personen, welche das Pflegematerial verwenden, aufgehoben, so muss sichergestellt werden, dass der gleiche Kostenträger für die Finanzierung zuständig ist. Die Vergütung des in der MiGeL aufgeführten Materials, das von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet wird, durch die OKP wird nicht in Frage gestellt. Deshalb soll auch die Vergütung des von Pflegefachpersonen verwendeten Materials über die OKP erfolgen. Entsprechend soll Material der Kategorien B und C, das auf ärztliche Anordnung von einer Abgabestelle, welche die Voraussetzungen nach Artikel 55 der Verordnung vom 27. Juni 19955 über die Krankenversicherung (KVV) erfüllt, abgegeben wird, ausschliesslich von der OKP vergütet werden. Dabei sollen die in der MiGeL oder in den Tarifverträgen zwischen Krankenversicherern und Pflegeheimen, Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause oder selbstständig tätigen Pflegefachpersonen festgelegten Regeln gelten.

Der Bundesrat hat die Idee einer Finanzierung des Pflegematerials über eine Erhöhung der Beiträge an die Pflegeleistungen verworfen. Eine solche Finanzierung würde nicht alle Situationen abdecken, insbesondere nicht, wenn Material der Kategorie C verwendet wird. Es wäre durchaus möglich, dass in bestimmten Situationen nach wie vor besonders kostspieliges oder sehr spezifisches Material verwendet würde, dessen Kosten durch diese Erhöhung nicht abgedeckt werden könnten.

Deshalb wurde in der Vorlage ein umfassenderer und differenzierterer Ansatz gewählt, der diesen Situationen Rechnung trägt ­ eine individuelle Finanzierung gemäss dem MiGeL-System oder gemäss einem Pauschalsystem über Vereinbarungen zwischen Krankenversicherern und Pflegeheimen oder Leistungserbringern der ambulanten Pflege. Dieser Ansatz ist für eine Reihe von Materialien vorgesehen, die vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) bezeichnet werden.

Die Frage der Finanzierung des Pflegematerials ist auch für die Leistungen der Akut- und Übergangspflege wichtig
(Art. 25a Abs. 2 KVG). Diese können im Anschluss an einen Spitalaufenthalt für maximal zwei Wochen im Spital ärztlich angeordnet werden. Diese Leistungen unterscheiden sich nicht von den Pflegeleistungen nach Artikel 25a Absatz 1 KVG (und Art. 7 Abs. 3 KLV). Anders verhält es sich heute bei ihrer Finanzierung. Die Leistungen der Akut- und Übergangspflege werden nach dem Finanzierungsschlüssel der Spitalfinanzierung vergütet (Art. 49a KVG und Art. 7b KLV). Die Kantone und die Versicherer decken ausschliesslich die Pflegekosten. Die Aufenthaltskosten (Hotellerie und Betreuung) gehen zulasten der versicherten Person. Die Versicherer und die Leistungserbringer vereinbaren vertraglich Pauschalen für die Leistungen der Akut- und Übergangspflege. Gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umfassen diese Leistungen gegenwärtig auch das durch Pflegefachpersonen verwendete Material. Für die künftige Finanzierung des Pflegematerials wären mehrere Möglichkeiten denkbar. Da es sich 5

SR 832.102

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um Pflegeleistungen handelt, die für eine kurze, befristete Dauer erbracht werden und vom Gesetzgeber für die besondere Situation im Anschluss an einen Spitalaufenthalt vorgesehen wurden, und im Interesse einer Vereinfachung, soll die gleiche Regelung gelten, wie sie für die Pflegeleistungen nach Artikel 25a Absatz 1 KVG vorgeschlagen wird. So soll das im Rahmen der Leistungen der Akut- und Übergangspflege verwendete Material der Kategorien B und C durch die OKP separat vergütet werden, gemäss den Regeln der MiGeL oder der Tarifverträge zwischen Krankenversicherern und Pflegeheimen, Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause oder Pflegefachpersonen. Material der Kategorie A soll Bestandteil der vereinbarten Pauschalen für die Pflege sein

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 29. Januar 20206 zur Legislaturplanung 2019­ 2023 angekündigt.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) 18.3710 «MiGeL-Produkte. Inrechnungstellung durch Erbringer von Pflegeleistungen» Mit dieser am 6. Juli 2018 eingereichten Motion wurde der Bundesrat beauftragt, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Erbringer für Pflegeleistungen nach Artikel 25a KVG die in der MiGeL aufgeführten Produkte sowohl für die Verwendung durch die Versicherten selbst als auch für die Verwendung durch eine Pflegefachperson in Rechnung stellen können.

Obwohl der Bundesrat am 5. September 2018 die Ablehnung dieser Motion beantragt hatte, wurde sie am 19. September 2018 vom Nationalrat angenommen. Bundesrat Alain Berset erklärte im Ständerat an der Sitzung vom 20. Juni 2019, dass der Bundesrat die Motion aus formellen Gründen weiterhin zur Ablehnung empfehle.

Sollte die Motion jedoch angenommen werden, stände sie in Einklang mit den Arbeiten, die das BAG bereits aufgenommen habe. Der Ständerat nahm die Motion an dieser Sitzung an.

Mit dieser Vorlage wird die Motion erfüllt.

6

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2

Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Am 6. Dezember 2019 schickte der Bundesrat seinen Entwurf zur Änderung des KVG gemäss dem Vernehmlassungsgesetz vom 18. März 20057 in die Vernehmlassung.8 Diese endete nach Ablauf der verkürzten Vernehmlassungsfrist am 6. Februar 2020. Insgesamt gingen 126 Stellungnahmen ein. Teilgenommen haben alle Kantone und sechs in der Bundesversammlung vertretene politische Parteien (Parteien aller Fraktionen mit Ausnahme der Grünen Fraktion).

Sämtliche Kantone und die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und Gesundheitsdirektoren (GDK) äusserten ihre Unterstützung für die Absicht, dass bei der Vergütung von Pflegematerial nicht mehr unterschieden werden soll zwischen Material, das von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet wird, und Material zur Verwendung durch Pflegefachpersonen.

Die Leistungserbringer und deren Verbände oder Organisationen stellten sich fast einhellig hinter die vorgeschlagene Lösung. Ebenso unterstützten SP, GLP, EVP, CVP und FDP die Gesamtvorlage, wenn auch teilweise mit Vorbehalten. So äusserten einige Parteien Bedenken und Befürchtungen, vornehmlich zur Kostenverlagerung in die OKP. Die SVP hingegen vertrat die Ansicht, dass die Gesetzesänderung eine Mengenausweitung ohne qualitative Verbesserungen der Pflegeleistungen zur Folge haben könnte und lehnte die Vorlage als Ganzes ab.

Auch die Versichererverbände lehnten die Vorlage ab. Santésuisse beantragte, dass zur Vergütung von Pflegematerial von Einzelvergütungen abzusehen und eine Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern als obligatorisch vorzusehen ­ anders als der Vorentwurf, der dafür nur die Möglichkeit schafft. Die weiter von den Versicherern und ihren Verbänden vorgebrachte Kritik bezog sich auf die geschätzte Verlagerung von Kosten durch die Vorlage im Umfang von rund 65 Millionen Franken zulasten der OKP, welche von Seiten der Versicherer als weitaus höher veranschlagt werden.

Für die Patientenorganisationen, die sich geäussert haben, geht die Vorlage in die richtige Richtung und die meisten von ihnen begrüssten die vorgeschlagene Regelung ausdrücklich in der in der Vernehmlassung unterbreiteten Form.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Die beantragte Neuregelung

Im KVG sind in den Artikeln 25­31 die Leistungen zulasten der OKP definiert.

Artikel 34 KVG sieht vor, dass die Krankenversicherer keine anderen als die vorgesehenen Leistungen übernehmen dürfen. Weil das durch Pflegefachpersonen ver7 8

SR 172.061 Die Vernehmlassungsunterlagen und der Vernehmlassungsbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > EDI.

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wendete Material grundsätzlich integraler Bestandteil von deren Leistungen ist, war diese Vergütung bisher den Regeln der Pflegefinanzierung unterstellt. Gegenwärtig werden nur diejenigen der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände, die durch die versicherte Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet werden, von der OKP separat vergütet, sofern sie in der MiGeL aufgeführt sind. Für die Versicherer ist es vielfach sehr schwierig oder gar unmöglich, eine Unterscheidung zwischen der Verwendung des Pflegematerials durch die versicherte Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person und der Verwendung durch Pflegefachpersonen vorzunehmen, beispielsweise wenn das Material von einer Apotheke oder einer anderen Abgabestelle auf ärztliche Anordnung abgegeben wird. Das Problem stellt sich insbesondere für Inkontinenzhilfen oder Verbandmaterial. Diese werden zwar durch Pflegefachpersonen appliziert und kontrolliert, ansonsten aber von den Versicherten selbst verwendet.

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll die Vergütung des Pflegematerials vereinfacht werden. Das Material der Kategorie A soll weiter nach den Regeln der Pflegefinanzierung vergütet werden. Separat soll nur das Material der Kategorien B und C vergütet werden, und dies ausschliesslich durch die OKP und unabhängig von der Person, die das Material effektiv verwendet (versicherte Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person oder Pflegefachpersonen). Im Rahmen der Akut- und Übergangspflege soll das Material der Kategorien B und C nicht mehr durch die OKP und die Kantone, sondern ausschliesslich durch die OKP finanziert werden.

Der Entwurf unterscheidet sich vom in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf lediglich bei den in Artikel 52 Absatz 3 KVG vorgesehenen Delegationen von Rechtssetzungsbefugnissen. Die ursprünglich geplante Änderung sollte dem Bundesrat die Kompetenz erteilen, diejenigen Mittel und Gegenstände zu bezeichnen, für die in einem Vertrag zwischen Krankenversicherern einerseits und Pflegeheimen oder Leistungserbringern der ambulanten Pflege andererseits eine pauschale Vergütung vorgesehen werden kann. Um die Kohärenz des Gesetzes zu garantieren, soll diese Kompetenz nunmehr direkt dem EDI zukommen, weil dieses nach Artikel
52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 3 KVG bereits Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung bei Mitteln und Gegenständen, die der Untersuchung oder Behandlung dienen, erlassen kann. Gleichzeitig, und ebenfalls aus Gründen der Kohärenz innerhalb des KVG, soll die heute in Artikel 52 Absatz 3 zweiter Satz KVG vorgesehene Kompetenz des Bundesrates zur Bezeichnung von Analysen, für die ein Tarif nach den Artikeln 46 und 48 KVG festgesetzt werden kann, direkt dem EDI übertragen werden.

Des Weiteren hat der Bundesrat Vorschläge aus den Stellungnahmen zur Umsetzung und bezüglich späterer Verordnungsänderungen aufgenommen. So nimmt er den Vorschlag vieler Kantone auf, dass neu auch für Material der Kategorie B, das Leistungserbringer der ambulanten Pflege verwenden, ein Abschlag vom Höchstvergütungsbetrag vorzusehen ist. Im Zusammenhang mit der vielfach von Leistungserbringerseite vorgebrachten Befürchtung, zwischen den Materialkategorien könne es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, hat sich der Bundesrat entschieden, auf eine explizite Bezeichnung des Materials der Kategorie A zu verzichten.

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Pflegematerial der Kategorie A soll demzufolge sein, was weder unter Kategorie B noch unter Kategorie C fällt.

3.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der Vorlage kann eine schweizweit einheitliche Vergütung für das Pflegematerial eingeführt werden, unabhängig davon, von wem es verwendet wird. Wie vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, erfolgt die Finanzierung des Pflegematerials heute durch die OKP, die versicherte Person und die Kantone oder Gemeinden. Die Beiträge der OKP sind fix, diejenigen der Versicherten und die Restfinanzierung der Kantone sind indessen je nach Kanton unterschiedlich. Dies kann das Risiko mit sich bringen, dass die Versicherten keinen Zugang zum benötigten Pflegematerial mehr haben, weil die Kosten nicht mehr gedeckt sind. Für die Krankenversicherer ist es zudem schwierig oder gar unmöglich zu überprüfen, ob das gemäss den Regeln der MiGeL in Rechnung gestellte Material nur von der versicherten Person selbst oder einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet wird ­ dies ist Voraussetzung für die Erstattung durch die OKP. Dieses Problem stellt sich beispielsweise dann, wenn das Material ­ insbesondere Inkontinenzhilfen oder Verbandmaterial ­ von einer Apotheke oder einer anderen Abgabestelle auf ärztliche Anordnung hin abgegeben wird. Dieses Material wird zwar durch Pflegefachpersonen appliziert und kontrolliert, ansonsten aber von den Versicherten selbst verwendet. Die Unterscheidung zwischen den beiden Verwendungsarten ist auch dann nicht möglich, wenn die Vorbereitung eines bestimmten Materials durch Pflegefachpersonen, ihre tägliche Anwendung hingegen durch die versicherte Person selbst erfolgt (z. B. Heimventilation). Da nunmehr die Materialien der Kategorien B und C ausschliesslich von der OKP vergütet werden sollen, lassen sich Doppelspurigkeiten zwischen Krankenversicherern und Kantonen vermeiden und die Rechnungskontrolle wird effizienter.

3.3

Umsetzungsfragen

Mit der Neuregelung übernimmt die OKP die Kosten für die der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände, die von Pflegefachpersonen für Pflegeleistungen verwendet werden, zusätzlich zu den Beiträgen nach Artikel 25a Absatz 1 KVG und den Pauschalen nach Artikel 25a Absatz 2 KVG. Die Ausführungsbestimmungen zu den der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände befinden sich in der KVV und der KLV, einschliesslich deren Anhang 2, der MiGeL.

Gegenwärtig leistet die OKP gemäss Artikel 20 KLV nur dann eine Vergütung an die der Behandlung oder Untersuchung dienenden Mittel und Gegenstände, wenn sie von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet werden. Damit die OKP auch von Pflegefachpersonen verwendete Mittel und Gegenstände vergüten kann, wird das EDI die KLV ändern müssen. Es wird ausserdem die Kostenübernahme für die Kategorien B und C regeln müssen.

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Die MiGeL soll neu in einen Teil für das Material der Kategorie B und einen Teil für das Material der Kategorie C gegliedert werden.

Die Materialien der Kategorie B entsprechen den aktuell in der MiGeL aufgeführten Mitteln und Gegenständen. Sie können von der versicherten Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person verwendet werden. Die Aufnahme weiterer Mittel und Gegenstände der Kategorie B erfolgt nach dem üblichen Verfahren auf Antrag zuhanden der Eidgenössischen Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK).9 Der Antrag muss sämtliche Angaben umfassen, die für die Beurteilung der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit erforderlich sind (WZW-Kriterien gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG). Die EAMGK prüft den Antrag und gibt eine Empfehlung zuhanden des EDI ab. Dieses entscheidet abschliessend über die Aufnahme oder die Ablehnung. Die Kategorie C betrifft Mittel und Gegenstände, die ausschliesslich durch Pflegefachpersonen angewendet oder appliziert werden können. Sie wird schrittweise mit Materialien erstellt, die die EAMGK auf Antrag der Leistungserbringer beurteilt und das EDI gegebenenfalls zulasten der OKP zulässt. Es ist nicht vorgesehen, eine Liste für das Material der Kategorie A zu erstellen.

Wenn die Abgabe von Mitteln und Gegenständen der Kategorie B durch Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause oder durch Pflegefachpersonen oder beim Aufenthalt der versicherten Person im Pflegeheim erfolgt, wird der Höchstvergütungsbetrag gemäss MiGeL reduziert. Diese Reduktion ist erforderlich, weil die Höchstvergütungsbeträge der MiGeL für die Abgabe an Einzelpersonen bestimmt sind, nicht den Grosshandelspreisen entsprechen und ebenfalls den Aufwand für die Anwendungsberatung decken. Tatsächlich haben die Pflegeheime, die Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause und die Pflegefachpersonen die Möglichkeit, gemeinsame Materialbestände zu führen, die eine effiziente Bewirtschaftung ermöglichen. Auch benötigen sie keine individuelle Beratung zur Anwendung der Produkte. Die Reduktion der Höchstvergütungsbeträge wird so festgesetzt, dass einerseits eine kostendeckende Vergütung der Materialien erfolgt. Andererseits sollen die Leistungserbringer mit der Abgabe der Materialien keinen Gewinn erzielen, damit keine ungewollten Anreize
entstehen, mehr Materialien abzugeben, als effektiv erforderlich ist.

Das Material der Kategorie C wird für die Leistungserbringer der Pflege nach einem Höchstvergütungsbetrag gemäss MiGeL vergütet, den das EDI festsetzen wird. Weil diese Mittel und Gegenstände ausschliesslich durch Pflegefachpersonen appliziert werden können, wird dieser Höchstvergütungsbetrag allein für die Anwendung durch die Leistungserbringer der Pflege festgesetzt, namentlich ohne Berücksichtigung der Kosten der individuellen Beratung zur Anwendung der Produkte. Die allfällige Beratung von Patientinnen und Patienten im Umgang mit den Produkten ist Teil der Pflegeleistungen nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 2 KLV und wird über die Regeln der Pflegefinanzierung abgegolten.

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Die Unterlagen zum Antragsprozess sind abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Versicherungen > Krankenversicherung> Bezeichnung der Leistungen > Antragsprozesse > Antragsprozesse Mittel und Gegenständeliste.

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Wie für Materialien, die die versicherte Person selbst oder mit Hilfe einer nichtberuflich mitwirkenden Person anwendet, braucht es auch für den Bezug von im Rahmen der Krankenpflege angewendeten Materialien eine ärztliche Anordnung. Auch die Leistungserbringer der Pflege müssen sich als im Rahmen des KVG zugelassene Leistungserbringer in ihren Leistungen ­ und daher auch in Bezug auf das Pflegematerial ­ auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist (Art. 56 KVG). Zudem soll auch die Reduktion des Höchstvergütungsbeitrags dazu dienen, die Anreize zur Mengenausweitung bei der Abgabe von Materialien zulasten der OKP durch diese Leistungserbringer zu minimieren. Die Tarifpartner sind jedenfalls frei, Tarifverträge zur pauschalen Vergütung der vom EDI bezeichneten Pflegematerialien abzuschliessen, namentlich um den direkten Effekt der Mengen auf die Vergütung auszuschliessen.

Das EDI kann die Mittel und Gegenstände bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 KVG vereinbart werden kann. Es kann dies auch pauschal für ganze Kategorien von Mittel und Gegenständen oder Teile davon tun.

4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Ersatz eines Ausdrucks Rein formale Änderung im französischen Text aus Gründen der terminologischen Einheitlichkeit im KVG («assuré» statt «personne assurée»).

Art. 25a Abs. 1 zweiter Satz und 2 dritter Satz Mit den Ergänzungen in diesen beiden Absätzen wird transparent gemacht, dass die Beiträge nach Artikel 25a Absatz 1 KVG und die Pauschalen nach Artikel 25a Absatz 2 KVG die Leistungen der OKP nicht vollständig abdecken. Die OKP kann damit Kosten für die der Behandlung oder Untersuchung dienenden Mittel und Gegenstände über die Beiträge und Pauschalen hinaus übernehmen.

Art. 52 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3 Die Zuständigkeit des EDI zum Erlass von Bestimmungen über die Leistungspflicht und den Umfang der Vergütung bei ärztlich angeordneten, der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mitteln und Gegenständen wird ausgedehnt. Sie umfasst neu auch die Mittel und Gegenstände, die bei der Erbringung von Pflegeleistungen in Pflegeheimen und ambulanten Krankenpflege sowie in der Akut- und Übergangspflege verwendet werden.

Art. 52 Abs. 3 zweiter und dritter Satz Das EDI kann die Mittel und Gegenstände bezeichnen, für die ein Tarif nach Artikel 46 ­ beispielsweise als pauschale Vergütung ­ vereinbart werden kann. Es kann dies auch pauschal für ganze Kategorien von Mittel und Gegenständen oder Teile davon tun.

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Nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 KVG erlässt das EDI die Liste der Analysen mit Tarif. Im Sinne der Kohärenz der Gesetzgebung wird daher vorgeschlagen, die heute nach Artikel 52 Absatz 3 dritter Satz KVG vorgesehene Kompetenz des Bundesrates zur Bezeichnung von Analysen, für welche ein Tarif nach den Artikeln 46 und 48 KVG festgesetzt werden kann, ebenfalls dem EDI zu übertragen.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat eine Mehrbelastung des Bundes zur Folge, da sich mit der vorgesehenen Ausweitung der Kostenübernahme durch die OKP die Bruttokosten der OKP erhöhen (vgl. Ziff. 5.3). Damit steigt automatisch auch der Bundesbeitrag an die Prämienverbilligung nach Artikel 65 KVG durch die Kantone, denn dieser Beitrag beträgt nach Artikel 66 Absatz 2 KVG 7,5 Prozent der OKP-Bruttokosten. Bei Mehrkosten zulasten der OKP von schätzungsweise 65 Millionen Franken erhöht sich der Bundesbeitrag an die Prämienverbilligung somit um jährlich 4,9 Millionen Franken.

Die Annahme der Vorlage hat keine personellen Auswirkungen auf den Bund.

5.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Das heutige Recht erlaubt keine über die Regelung der Pflegefinanzierung hinausgehende Vergütung durch die OKP von Pflegematerial, das von Pflegefachpersonen verwendet wird. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Folglich sind die Pflegematerialkosten, die nicht durch den Pflegebeitrag der OKP und den Versichertenbeitrag gedeckt sind, durch Kantone und Gemeinden zu übernehmen.

Gemäss den von den Akteuren des Gesundheitswesens zur Verfügung gestellten Zahlen belaufen sich die Kosten des in der MiGeL aufgeführten Materials, das von den Pflegeheimen verrechnet wurde, 2017 auf schätzungsweise 58 Millionen Franken. Der Anteil des von den Versicherten selbst verwendeten Pflegematerials wird auf 5 Prozent geschätzt. Somit dürften die Kosten des in der MiGeL aufgeführten Materials, das von Pflegefachpersonen verwendet wurde, bei rund 55 Millionen Franken liegen. Für die Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause und die selbstständig tätigen Pflegefachpersonen belaufen sich die Gesamtkosten des gemäss Regeln der MiGeL abgerechneten Materials 2017 auf schätzungsweise rund 10 Millionen Franken. Nicht bekannt ist, wie hoch hier der Anteil des von den Versicherten selbst verwendeten Materials ist. Die Gesamtkosten des in der MiGeL aufgeführten Materials zulasten der Kantone und Gemeinden betragen somit rund 65 Millionen Franken jährlich. Diese Schätzung beruht auf den Daten, die bei den Arbeiten zur Verbesserung der Transparenz im Pflegematerialbereich erhoben worden waren. Die Schätzung selbst lässt keine Aussagen über die Entwicklung dieser Kosten zu. Die Zahl entspricht der finanziellen Entlastung der Kantone und 4837

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Gemeinden, welche die Gesetzesänderung mit sich bringen wird. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der bei der Leistungserbringung verwendeten Mittel und Gegenstände nicht in der MiGeL aufgeführt ist (z. B. Wund-VakuumTherapiesystem) und keine Schätzung dieser Kosten existiert.

5.3

Finanzielle Auswirkungen auf die Krankenpflegeversicherung

Die Vorlage ermöglicht eine spezifische Vergütung des im Rahmen von Pflegeleistungen verwendeten Pflegematerials der Kategorien B und C durch die OKP. Die finanzielle Mehrbelastung der OKP (65 Mio. Fr. pro Jahr) entspricht der Einsparung für die Kantone und Gemeinden. Sie macht 0,2 Prozent der OKP-Gesamtkosten aus (32 318 Mio. Fr. im Jahr 2017).

Die Bruttokosten der zulasten der OKP verrechneten MiGeL-Produkte betrugen 2017 720 Millionen Franken und entsprachen damit 2,2 Prozent der OKP-Gesamtkosten. Die finanziellen Auswirkungen der Vorlage auf die Krankenversicherungsprämien dürften relativ gering sein. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die erwähnten Kosten von 65 Millionen Franken pro Jahr vor den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2017 grösstenteils von der OKP übernommen wurden und insofern einen Teil der 2017 verrechneten MiGeL-Kosten ausmachten.

5.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Umsetzung der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts birgt die Gefahr, dass Versicherte keinen Zugang zum benötigten Pflegematerial mehr haben, da verschiedene Kantone oder Gemeinden die zur Deckung der Pflegematerialkosten unerlässliche Restfinanzierung nicht gewährleistet haben. Mit der Vorlage wird der Zugang zu den ambulant und im Pflegeheim erbrachten Pflegeleistungen sichergestellt. Gleichzeitig wird verhindert, dass Kosten im Zusammenhang mit den Pflegeleistungen unzulässigerweise auf die Betreuungs- und Pensionskosten im Pflegeheim überwälzt werden.

5.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Vorlage hat zweifelsohne keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt.

5.6

Andere Auswirkungen

Die Vorlage dürfte keine weiteren Auswirkungen als die bereits erwähnten haben.

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6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage beruht auf Artikel 117 der Bundesverfassung (BV)10, der dem Bund eine umfassende Kompetenz in Bezug auf die Organisation der Krankenversicherung erteilt.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der Bereich der Krankenversicherung ist national und liegt im EU-Recht in der Zuständigkeit der Staaten. Die vorgesehenen Änderungen betreffen ausschliesslich Akteure in der Schweiz (Kantone, Krankenversicherer, Leistungserbringer und Versicherte). Die allgemeinen Bestimmungen des KVG über die Beitrittspflicht oder die Zulassung der Leistungserbringer sind von diesen Bestimmungen nicht betroffen. Zudem ermöglicht Artikel 34 Absatz 2 KVG dem Bundesrat nicht, eine Kostenübernahme der im Ausland erbrachten Leistungen nach Artikel 25a KVG durch die OKP vorzusehen. Die vorgesehenen Änderungen haben somit keine Auswirkungen ausserhalb der Schweiz. Sie sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz und insbesondere mit dem Abkommen vom 21. Juni 1999 11 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) und dem Übereinkommen vom 4. Januar 196012 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) kompatibel. Gemäss Anhang II zum FZA und Anhang K Anlage 2 zum EFTA-Übereinkommen ist im Verhältnis zu den EU- oder EFTA-Staaten das Koordinationsrecht der EU betreffend die Systeme der sozialen Sicherheit anwendbar. Dieses Recht bezweckt im Hinblick auf die Garantie der Personenfreizügigkeit keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit: Die Mitgliedstaaten können über die konkrete Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation der Systeme der sozialen Sicherheit weitgehend frei bestimmen. Sie müssen jedoch die Koordinationsgrundsätze wie zum Beispiel das Diskriminierungsverbot, die Anrechnung der Versicherungszeiten und die grenzüberschreitende Leistungserbringung beachten, die in der Verordnung (EG) Nr. 883/200413 und in der entsprechen-

10 11 12 13

SR 101 SR 0.142.112.681 SR 0.632.31 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (mit Anhängen), ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1; eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1.

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den Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/200914 geregelt sind. Diese Rechte werden durch diese Vorlage nicht beschränkt.

6.3

Erlassform

Nach Artikel 164 BV und Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200215 erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes. Diesem Erfordernis wird der Erlass des vorliegenden Gesetzes gerecht. Bundesgesetze unterliegen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV dem fakultativen Referendum. Die hier erläuterte Vorlage sieht explizit das fakultative Referendum vor.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV müssen Subventionsbestimmungen der Ausgabenbremse unterstellt werden, wenn sie neue, einmalige Bundesausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue, wiederkehrende Bundesausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen. Der Ausgabenbremse zu unterstellen sind dabei nicht nur die grundlegenden Subventionsbestimmungen, sondern auch Bestimmungen, die einen Einfluss auf die Höhe der Subvention haben. Bei Mehrkosten der OKP von schätzungsweise 65 Millionen Franken erhöht sich der Bundesbeitrag an die Prämienverbilligung somit um jährlich 4,9 Millionen Franken (vgl.

Ziff. 5.1). Da die Änderungen der Artikel 25a und 52 KVG für den Bund eine wiederkehrende, jährliche Mehrbelastung von 4,9 Millionen Franken pro Jahr zur Folge haben, sind die Artikel der Ausgabenbremse zu unterstellen.

6.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 96 KVG räumt dem Bundesrat die generelle Kompetenz ein, Ausführungsbestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung zu erlassen. Der vorliegende Entwurf ermächtigt zudem das EDI zum Erlass von Bestimmungen in folgenden Bereichen: ­

14

15

Bezeichnung der durch Pflegefachpersonen in Pflegeheimen oder bei ambulanter Pflege verwendeten, der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände, die zusätzlich zur Pflegefinanzierung vergütet werden können;

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (mit Anhängen), ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1; eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11.

SR 171.10

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­

Bezeichnung der Mittel und Gegenstände, die im Rahmen der Akut- und Übergangspflege durch Pflegefachpersonen in Pflegeheimen oder bei ambulanter Pflege verwendet werden und die zusätzlich zu den Pflegepauschalen vergütet werden können;

­

Vorsehen der Möglichkeit für die Krankenversicherer und die Pflegeheime oder Leistungserbringer der ambulanten Pflege, für bestimmte der Untersuchung oder Behandlung dienenden Mittel und Gegenstände, ganze Kategorien von Mitteln und Gegenständen oder Teile davon eine pauschale Vergütung zu vereinbaren;

­

Bezeichnung der im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen, für die ein Tarif nach den Artikeln 46 und 48 KVG festgesetzt werden kann.

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