20.459 Parlamentarische Initiative Verlängerung der Übergangsregelung der Tabakprodukte des Lebensmittelgesetzes Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 8. Oktober 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Lebensmittelgesetzes vom 20. Juni 2014 (LMG)1 zur Verlängerung der Übergangsfrist nach Artikel 73 LMG. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

8. Oktober 2020

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Ruth Humbel

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SR 817.0

2020-3153

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BBl 2020

Bericht 1

Ausgangslage und Entstehungsgeschichte dieses Entwurfs

Die Tabakprodukte sind seit 1955 in der Lebensmittelgesetzgebung geregelt. Das Lebensmittelgesetz vom 9. Oktober 19922 wurde einer Totalrevision unterzogen.

Das am 1. Mai 2017 in Kraft getretene, totalrevidierte LMG nimmt Tabakprodukte von seinem Geltungsbereich aus. Gemäss einer Übergangsbestimmung gelten für Tabakprodukte aber bis zum Erlass eines entsprechenden besonderen Bundesgesetzes die Bestimmungen des früheren LMG, jedoch längstens bis vier Jahre nach dem Inkrafttreten des LMG (vgl. Art. 73 LMG). Um eine Regelungslücke zu vermeiden müsste ein neues Tabakproduktegesetz somit spätestens am 1. Mai 2021 in Kraft treten. Mit der Rückweisung des ersten Entwurfs für ein Tabakproduktegesetz (TabPG) an den Bundesrat im Jahr 2016 und dem aktuellen Stand der Beratungen des zweiten Entwurfs ist absehbar, dass bis zum Ablauf der Übergangsfrist am 1. Mai 2021 kein neues besonderes Gesetz vorliegen wird.

Am 30. November 2018 unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten seine zweite Botschaft und den Entwurf zu einem «Bundesgesetz über Tabakprodukte» (15.075 s). In diesem Entwurf hat der Bundesrat vorgeschlagen, die Übergangsfrist nach Artikel 73 LMG von vier auf sechs Jahre bis am 1. Mai 2023 zu verlängern.

Der Ständerat hat als Erstrat das TabPG am 17. und 26. September 2019 beraten.

Die Beratung im Nationalrat ist frühestens für das vierte Quartal 2020 vorgesehen.

Die Verabschiedung der Vorlage ist voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu erwarten. Im Anschluss daran wird der Bundesrat eine Vernehmlassung zum Verordnungsrecht durchführen, dieses anschliessend verabschieden und zusammen mit dem Gesetz in Kraft setzen. Es ist demzufolge bereits zum jetzigen Zeitpunkt klar, dass das TabPG und damit die Verlängerung der Übergangfrist im Lebensmittelgesetz nicht rechtzeitig per 1. Mai 2021 in Kraft treten werden.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) beschloss an ihrer Sitzung vom 28. August 2020 mit 16 gegen 9 Stimmen, die vorliegende parlamentarische Initiative auszuarbeiten. Damit will die Kommission die drohende vorübergehende Rechtslücke vermeiden, indem die Übergangsfrist nach Artikel 73 LMG unabhängig vom Tabakproduktegesetz frühzeitig angepasst wird.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S)
stimmte dem Beschluss ihrer Schwesterkommission am 2. September 2020 einstimmig zu.

In ihrer Sitzung vom 8. Oktober 2020 beschloss die SGK-N, die Initiative gemäss dem eingereichten Text umzusetzen. Sie hiess den vorliegenden Entwurf mit 19 Stimmen zu 2 bei 1 Enthaltung und den erläuternden Bericht mit 21 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut.

2

AS 1995 1469, 1996 1725, 1998 3033, 2001 2790, 2002 775, 2003 4803, 2005 971 5449, 2006 2197 2363, 2008 785, 2011 5227, 2013 3095. Vgl. Art. 3 Abs. 3

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Um eine rechtzeitige Inkraftsetzung dieser Übergangsbestimmung vor Ablauf der geltenden Übergangsfrist sicherzustellen, muss die parlamentarische Initiative ­ unter Beachtung der Referendumsfrist ­ spätestens in der Wintersession 2020 durch das Parlament verabschiedet werden.

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Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren

Bei der Vorbereitung von Gesetzesvorlagen ist nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Vernehmlassungsgesetz (VlG)3 grundsätzlich ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Auf dieses kann jedoch verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist (vgl. Art. 3a Abs. 1 Bst. b VlG).

Im vom 8. Dezember 2017 bis 23. März 2018 durchgeführten Vernehmlassungsverfahren zum Tabakproduktegesetz war die Verlängerung der Übergangsfrist unbestritten. Die vorliegende Anpassung der Übergangsfrist dient lediglich dazu, durch die Verlängerung der Anwendbarkeit der geltenden Bestimmungen eine Rechtslücke vor Inkrafttreten eines neuen Tabakproduktegesetzes zu verhindern und hat keine materiellen Änderungen zur Folge. Im Rahmen einer erneuten Vernehmlassung zur Anpassung der Übergangsfrist wären mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, auch bei einer Verlängerung auf neu acht statt sechs Jahre, keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte daher auf die Durchführung einer Vernehmlassung zur Anpassung der Übergangsfrist verzichtet werden.

3

Grundzüge der Vorlage

Der Vorschlag der Kommission zur Anpassung der Übergangsfrist orientiert sich am Entwurf des TabPG. Sie beantragt einen neuen Absatz 2 zur Übergangsbestimmung in Artikel 73 LMG einzufügen um die Übergangsfrist von Artikel 73 LMG zu verlängern. Im Unterschied zum Vorschlag des Bundesrates, der eine Verlängerung von zwei Jahren vorschlug, bevorzugt die Kommission nun eine Verlängerung gleich um vier Jahre. So soll verhindert werden, dass diese Frist ein weiteres Mal angepasst werden muss.

Die Vorlage enthält keine neuen gesetzlichen Bestimmungen, die zu neuen Vollzugsaufgaben führen werden.

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SR 172.061

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 73 Abs. 2 Mit der am 1. Mai 2017 in Kraft getretenen Totalrevision nimmt das LMG die Tabakprodukte von seinem Geltungsbereich aus. Für die Erarbeitung des spezifischen Gesetzes für Tabakprodukte war ursprünglich eine Übergangsfrist von vier Jahren vorgesehen. Aufgrund der Verzögerungen, die einerseits aus der Rückweisung der ersten Vorlage an den Bundesrat und andererseits aus der Mehrbelastung des Parlaments im Zusammenhang mit der Bewältigung der Coronavirus-Pandemie resultiert sind, soll diese Frist nun verlängert werden.

Es wird vorgeschlagen, dass die Frist gleich um vier auf insgesamt acht Jahre verlängert wird. Die im Entwurf des TabPG vorgesehene Verlängerung von vier auf sechs Jahre erscheint aus heutiger Sicht als knapp. Mit der neu achtjährigen Übergangsfrist muss das neue TabPG bis spätestens am 1. Mai 2025 in Kraft treten. So verbleibt genügend Zeit für den parlamentarischen Prozess und die anschliessende Erstellung der Verordnung.

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Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Dank dieser Anpassung der Übergangsfrist können Tabakprodukte nach wie vor in der Schweiz frei hergestellt, gehandelt und verkauft werden und die entsprechenden Arbeitsplätze bleiben erhalten. Würde die Frist nicht rechtzeitig angepasst, droht ein ungeregelter Zustand, der zu einem Problem aufgrund des Bundesgesetzes vom 12. Juni 20094 über die Produktesicherheit (PrSG) führen könnte. Tabakprodukte müssten allenfalls vom Markt genommen werden, da sie die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen nach Artikel 5 PrSG nicht erfüllen.

5.2

Auswirkungen in weiteren Bereichen

Es ist offensichtlich, dass für den Bund, die Kantone und Gemeinden sowie in den Bereichen Gesellschaft und Umwelt keine Auswirkungen zu erwarten sind: die entsprechenden Fragen wurden daher nicht geprüft.

6

Verhältnis zum europäischen Recht

Dieser Erlass hat keine Auswirkungen auf das Verhältnis zum europäischen Recht.

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SR 930.11

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Rechtliche Grundlagen

7.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Nach Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe a der Bundesverfassung (BV)5 erlässt der Bund Vorschriften über «den Umgang mit Lebensmitteln sowie mit Heilmitteln, Betäubungsmitteln, Organismen, Chemikalien und Gegenständen, welche die Gesundheit gefährden können». Der Bund hat in diesem Bereich eine umfassende Gesetzgebungskompetenz.

Diese Verfassungsbestimmung bezweckt, die Konsumentinnen und Konsumenten im Verkehr mit gewissen Produkten vor Gesundheitsschädigungen zu schützen. In sachlicher Hinsicht umfasst die Norm den Umgang mit Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit diese die Gesundheit gefährden können. Die in Buchstabe a enthaltene Aufzählung hat nicht abschliessenden Charakter.6 Erfasst sind grundsätzlich alle namentlich genannten Waren und Gegenstände, welche die Gesundheit gefährden können, wobei die im Alltag wichtigsten genannt werden (Lebensmittel, Heilmittel, Chemikalien etc.).

Tabakprodukte und E-Zigaretten gelten unzweifelhaft als Gegenstände, welche die Gesundheit der Bevölkerung gefährden können.

7.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Dieser Aspekt ist für die vorliegende Anpassung nicht von Bedeutung.

7.3

Erlassform

Die Regelung zur Verlängerung der Übergangsfrist im geltenden Lebensmittelgesetz (Art. 73 LMG), bis zu welcher ein neues Tabakproduktegesetz vorliegen muss, betrifft alle Bestimmungen des Tabakrechts und damit die Rechte und Pflichten der betroffenen Tabakbranche, ihrer Zulieferer und Abnehmer. Solche Bestimmungen sind zwingend in einem Bundesgesetz zu erlassen (Art. 164 BV).

5 6

SR 101 Poledna T., Art. 118, in: Ehrenzeller B., Mastronardi P., Schweizer R.J., Vallender K.A. (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar.

3. Aufl. Zürich 2014, Rz. 9.

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