19.073 Botschaft zur Ergänzung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (SR 193.9) für die Schaffung einer Nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI) vom 13. Dezember 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Ergänzung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Dezember 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-3290

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Übersicht Ziel der Vorlage ist die Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution (NMRI), die den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in der Schweiz stärkt. Die Institution soll in der Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft errichtet und im bestehenden Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte verankert werden.

Ausgangslage Die Schaffung einer NMRI für die Schweiz entspricht einer innenpolitisch breit getragenen Forderung und steht seit langem auf der politischen Agenda. Auch in internationalen Gremien erhält die Schweiz regelmässig Empfehlungen in diesem Sinne. Über 120 Staaten, darunter fast alle Mitglieder der EU, kennen eine solche Einrichtung.

Die 1993 von der UNO-Generalversammlung verabschiedete Resolution 48/134 Nationale Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte («Pariser Prinzipien») fordert die Mitgliedstaaten auf, NMRI zu schaffen. Charakteristisch für eine NMRI ist ihre Unabhängigkeit und besondere Stellung zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Dies ermöglicht es ihr, mit Behörden auf allen Staatsebenen, aber auch mit Nichtregierungsorganisationen, der Privatwirtschaft, der Forschung und internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten und deren Aktivitäten im Hinblick auf die Förderung und den Schutz der Menschenrechte zu unterstützen. Mit der NMRI soll somit eine institutionelle Lücke geschlossen werden.

In der Schweiz besteht mit dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) seit 2011 ein befristetes Pilotprojekt für eine NMRI. Es handelt sich um ein universitäres Netzwerk, bei dem der Bund Leistungen im Umfang von 1 Million Schweizerfranken pro Jahr einkauft. Eine externe Evaluation des Pilotprojekts hat den Nutzen einer NMRI für die Schweiz und die Nachfrage nach Leistungen einer solchen Institution bestätigt.

Inhalt der Vorlage Mit der Vorlage soll das Pilotprojekt durch eine dauerhafte, gesetzlich verankerte NMRI in der Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft abgelöst werden. Mit diesem Modell wird den Ergebnissen der Vernehmlassung und den internationalen Vorgaben Rechnung getragen.

Diese Institution trägt zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte bei.

Neben innerstaatlichen Menschenrechtsfragen enthält ihr Mandat auch Fragen in Bezug auf die Umsetzung
internationaler Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte in der Schweiz. Ihre Aufgaben umfassen Information und Dokumentation, Forschung, Beratung sowie Menschenrechtsbildung und Sensibilisierung. Sie fördert ferner die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren und kann mit internationalen Organisationen und ausländischen Menschen-

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rechtsinstitutionen zusammenarbeiten. Die NMRI behandelt jedoch keine Einzelfälle, und ihre Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich.

Im Unterschied zum SKMR verfügt die in das Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte integrierte NMRI über eine eigene Rechtspersönlichkeit und über die notwendige Unabhängigkeit. Dies bedeutet unter anderem, dass sie ihre Tätigkeiten im Rahmen ihres Mandats selber bestimmen und rasch auf aktuelle Entwicklungen reagieren kann. Vertreterinnen und Vertreter von Bund und Kantonen sind in der Institution als Beisitzende ohne Stimmrecht vertreten.

Wie beim Pilotprojekt ist vorgesehen, dass der Bund die NMRI mit einer Finanzhilfe von 1 Million. Schweizerfranken pro Jahr unterstützt. Diese Kosten werden intern kompensiert. Angestrebt wird zudem die Beibehaltung der universitären Verankerung, d. h. die NMRI soll an einer oder mehreren Universitäten ihren Standort haben. Die Verankerung soll so ausgestaltet werden, dass die Kantone im Sinne einer Partnerschaft weiterhin für die Kosten der Infrastruktur der NMRI aufkommen.

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Kontext

Nationale Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) sind unabhängige, staatlich finanzierte Institutionen mit dem Auftrag, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern. Sie wirken insbesondere durch Forschung, Monitoring, Politikberatung, Menschenrechtsbildung und Sensibilisierung. Charakterisiert werden NMRI durch ihre besondere Stellung; sie sind vom Staat unabhängig und gehören nicht der Zivilgesellschaft (insbesondere Nichtregierungsorganisationen, Interessengruppen, religiösen Gemeinschaften, akademischen Kreisen und Medien) an. Diese Stellung ermöglicht es ihnen, mit den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren ­ Behörden auf allen Staatsebenen, Nichtregierungsorganisationen, Verbänden, Gewerkschaften, Privatwirtschaft, Akademie und internationalen Organisationen ­ zusammenzuarbeiten und den Austausch zu fördern.

Die 1993 von der UNO-Generalversammlung verabschiedete Resolution 48/134 Nationale Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte1 («Pariser Prinzipien») fordert die Mitgliedstaaten auf, NMRI zu schaffen. Die Pariser Prinzipien lassen den Staaten einen weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der NMRI sowohl bezüglich Rechtsform und Organisation als auch bezüglich Mandat, Grösse und Tätigkeitsschwerpunkten. NMRI sollten insbesondere folgende Kriterien erfüllen: ­

Verankerung in der Verfassung oder im Gesetz;

­

Umfassendes Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte;

­

Institutionelle Unabhängigkeit von Regierung und Parlament;

­

Pluralistische Zusammensetzung;

­

Ausreichende Grundfinanzierung und Infrastruktur;

­

Befugnis zur Abgabe und zur Veröffentlichung von Stellungnahmen und Empfehlungen;

­

Direkter Zugang zur Öffentlichkeit und Austausch mit anderen Institutionen.

Die 123 bestehenden NMRI haben sich zur Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI) zusammengeschlossen. Die 79 mit dem A-Status akkreditierten NMRI sind Mitglieder, die 34 Organisationen mit B-Status sind Beobachter. Die zehn Institutionen mit C-Status haben keinerlei offizielle Funktion.

Konstituiert als Verein nach schweizerischem Recht mit Sitz in Genf, wurde die GANHRI anlässlich einer internationalen Konferenz 1993 in Tunis gegründet. Sie hat zur Aufgabe, die Aktivitäten der NMRI auf internationaler Ebene zu koordinieren. Ein Subkomitee ist zuständig für die Akkreditierung der NMRI und die Vergabe des Status gemäss den Pariser Prinzipien.

1

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www.undocs.org/en/A/RES/48/134

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1.1.1

Pilotprojekt

In Erfüllung des Postulats der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates vom 30. September 2002 (02.3394 «Eidgenössische Kommission für Menschenrechte») verabschiedete der Bundesrat am 1. Juli 2009 den Bericht «Schaffung einer Eidgenössischen Kommission für Menschenrechte: Möglichkeiten, Zweckmässigkeit und Alternativen»2. Darin stellte er fest, dass bei den interessierten Kreisen ein Bedarf an zusätzlicher Unterstützung und zusätzlichen Dienstleistungen im Bereich der Menschenrechte besteht. Angesichts unterschiedlicher Meinungen sei es jedoch verfrüht, eine NMRI zu schaffen.

Der Bundesrat beschloss deshalb, ein fünfjähriges Pilotprojekt durchzuführen, bei welchem der Bund bei einem universitären Zentrum, genannt «Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenrechte» (SKMR), Leistungen in einem Umfang von einer Million Franken pro Jahr einkauft. Anhand der Evaluation des Projekts sollte die Frage nach der Opportunität der Schaffung einer dauerhaften Institution geklärt werden. Das SKMR sollte als Dienstleistungszentrum dazu beitragen, die Kapazitäten von Behörden auf allen Ebenen, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft für die Umsetzung internationaler Menschenrechtsverpflichtungen in der Schweiz zu stärken.

Das Pilotprojekt wurde bei allen schweizerischen Universitäten ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt die Offerte der Universitäten Bern, Freiburg und Neuenburg, in Zusammenarbeit mit dem Institut Kurt Bösch in Sitten, der Pädagogischen Hochschule Luzern und dem Verein Humanrights.ch; die Universität Zürich schloss sich dem Projekt nachträglich an. Das SKMR nahm seine Tätigkeit im Frühjahr 2011 auf.

Die Funktionen und Aufgaben des SKMR wurden im Rahmenvertrag zwischen der Eidgenossenschaft (vertreten durch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten [EDA] und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement [EJPD]) und dem SKMR wie folgt umschrieben:

2

­

Bereitstellung praxisorientierter Fachkompetenz im Bereich der Menschenrechte;

­

Untersuchungen und Evaluationen zur Tragweite und zur konkreten Umsetzung menschenrechtlicher Normen in der Praxis;

­

Dokumentation und Analyse der Menschenrechtssituation in der Schweiz, namentlich technische, methodologische und inhaltliche Unterstützung der Behörden bei der Sammlung von Informationen und der Erstellung von Berichten;

­

Förderung eines systematischen Austauschs von Know-how und Anbieten einer Dialogplattform; Bundesrat (2009): Schaffung einer Eidgenössischen Kommission für Menschenrechte: Möglichkeiten, Zweckmässigkeit und Alternativen. Bericht des Bundesrates zum Postulat 02.3394 des Ständerates vom 3. Oktober 2002 (Bern, 1. Juli 2009). Abrufbar unter: www.biblio.parlament.ch/e-docs/344946.pdf.

517

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­

Vorbereitung von Sensibilisierungsinstrumenten im Bereich der Menschenrechte und Durchführung von Ausbildungsveranstaltungen.

Zusätzlich zu den Leistungen im Rahmen der Leistungsvereinbarungen erbringt das SKMR Dienstleistungen für Behörden des Bundes und der Kantone sowie für andere Auftraggeber, insbesondere für Nichtregierungsorganisationen und für die Privatwirtschaft, die separat vergütet werden.

1.1.2

Evaluation des Pilotprojekts

Das Pilotprojekt wurde wie geplant nach vier Jahren im Frühjahr 2015 evaluiert. Die Qualität der Leistungen des SKMR wurde als gut bis sehr gut beurteilt. Die externe Evaluation bestätigte, dass eine Nachfrage nach Dienstleistungen einer NMRI besteht. Eine grosse Mehrheit der befragten Personen befürwortete die Schaffung einer Nachfolgeinstitution im Sinn einer ständigen Einrichtung. Gleichzeitig wurde die fehlende formelle Unabhängigkeit des SKMR als die grösste Problematik des Pilotprojekts identifiziert. Als wichtig eingestuft wurden insbesondere die Möglichkeit, aktuelle Themen selber aufzugreifen, die Praxisnähe und die Wissenschaftlichkeit der Produkte sowie die Möglichkeit, Projekte vertraulich zu bearbeiten.

1.1.3

Optionen für eine dauerhafte Regelung

Am 1. Juli 2015 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Evaluation Kenntnis und verlängerte die im Rahmen des Pilotprojekts praktizierte Lösung für eine Dauer von fünf Jahren oder längstens bis zur Errichtung einer Nachfolgeinstitution.

Gleichzeitig beauftragte er die federführenden Departemente (EDA und EJPD), ihm verschiedene Optionen für eine dauerhafte Regelung zu unterbreiten.

Am 29. Juni 2016 nahm der Bundesrat ein Aussprachepapier zur Kenntnis, in dem ihm verschiedene Optionen zur Errichtung einer NMRI dargelegt wurden. Der Bundesrat entschied, eine NMRI gemäss der Option einer Weiterentwicklung der im Rahmen des Pilotprojekts praktizierten Lösung (Option «Status Quo +») einzurichten, und beauftragte das EDA und das EJPD mit der Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzesvorentwurfs. Bei dieser Lösung sollten die Aufgaben einer NMRI weiterhin von einem universitären Zentrum wahrgenommen werden, das vom Bund mit einer Finanzhilfe im Sinne des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 3 unterstützt würde. In der Folge ging ein entsprechender Vorentwurf vom 28. Juni 2017 bis zum 31. Oktober 2017 in die Vernehmlassung (vgl. Ziff. 2).

3

518

SR 616.1

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1.2

Gewählte Lösung

1.2.1

Modell

Angesichts der Ergebnisse der Vernehmlassung hat das EDA verschiedene Aspekte und Modelle einer NMRI für die Schweiz vertieft geprüft und mit den Lösungen anderer Länder verglichen (siehe Ziff. 3). Das Ziel dieser Analyse war es, den Entwurf so anzupassen, dass er der geäusserten Kritik Rechnung trägt, den Pariser Prinzipien möglichst entspricht und sich zugleich in den Schweizer Kontext einfügt.

Dabei ging es insbesondere um die Klärung der Rechtsform und um die gesetzliche Verankerung.

Im Ergebnis soll die NMRI in der Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Verein) errichtet werden. Im Gegensatz zur Subventionslösung der Vernehmlassungsvorlage entspricht die unmittelbare Verankerung der Institution im Gesetz den Vorgaben der Pariser Prinzipien. Die gewählte Rechtsform bietet zudem einen breiten Gestaltungsspielraum für die Einbindung der relevanten Akteurinnen und Akteure im Sinne dieser Prinzipien. Zugleich ermöglicht sie den Einbezug von Bund und Kantonen in einer Weise, welche die Unabhängigkeit der NMRI wahrt. Als eine zweite Neuerung im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage verankert die Vorlage die NMRI im bestehenden Bundesgesetz vom 19. Dezember 20034 über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte.

Das Modell sieht wie die Vernehmlassungsvorlage weiter vor, dass der Bund der NMRI jährliche Finanzhilfen von 1 Million Schweizerfranken gewährt. Angestrebt wird zudem die Beibehaltung der universitären Verankerung, d. h. die NMRI soll ihren Standort an einer oder mehreren Universitäten haben. Diese Lösung ermöglicht die Nutzung von Synergien, ohne dass damit eine Einschränkung ihrer Unabhängigkeit verbunden wäre. Im Unterschied zum Pilotprojekt ist die NMRI hingegen nicht ein universitäres Netzwerk, sondern eine eigenständige Institution. Die universitäre Verankerung soll so ausgestaltet werden, dass die Kantone im Sinne einer Partnerschaft weiterhin für die Infrastrukturkosten aufkommen. Dies soll in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen festgehalten werden. Mit der gewählten Lösung wird auch der bewährte Dienstleistungscharakter beibehalten, was ebenfalls ein wichtiges Anliegen der Kantone ist.

1.2.2

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt haben bestätigt, dass eine NMRI in der Schweiz zweckmässig und eine dauerhafte Lösung anzustreben ist: Die Grund- und die Menschenrechte sind zentrale Werte der Schweiz und ihres politischen Modells. Sie stellen Vorgaben für das staatliche Handeln dar und spielen zunehmend auch in anderen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere in der Privatwirtschaft, eine wichtige Rolle. Eine NMRI kann die Tragweite menschenrechtlicher 4

SR 193.9

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Normen und deren Anwendung untersuchen und analysieren. Das gilt vor allem für die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis.

Viele Behörden, namentlich auf kantonaler und kommunaler Ebene, aber auch private Unternehmen haben nicht genügend Ressourcen, um sich das notwendige Wissen über menschenrechtliche Standards zu verschaffen und Grundlagen für geeignete Umsetzungsmassnahmen zu entwickeln. Eine NMRI kann Fachwissen sammeln sowie die Behörden auf allen Ebenen des Bundesstaats, das Parlament, die Privatwirtschaft, Organisationen der Zivilgesellschaft und internationale Organisationen beraten. Gleichzeitig kann sie dazu beitragen, dass Menschenrechtsfragen in allen Politikbereichen berücksichtigt werden (Mainstreaming). Angesichts ihrer Unabhängigkeit und ihrer besonderen Stellung zwischen Zivilgesellschaft und Staat ist sie dazu besonders geeignet und verfügt über die notwendige Glaubwürdigkeit.

Durch die Stärkung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Staatsebenen (Bund, Kantone, Gemeinden), der Zivilgesellschaft und des Privatsektors kann eine NMRI namentlich zu einer besseren Abstimmung bestehender Massnahmen im Menschenrechtsbereich beitragen und deren Wirksamkeit durch die Vermittlung bewährter Vorgehensweisen (Best Practices) und die Bereitstellung von Fachkompetenz verstärken. Eine NMRI bietet eine einzigartige Austauschplattform und erleichtert damit die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren in Bezug auf relevante menschenrechtliche Fragestellungen. Die NMRI kann dadurch auch die Verankerung der Menschenrechte in der Gesellschaft stärken und zur demokratischen Diskussion dieser Themen beitragen.

Dank ihrem Überblick über die Menschenrechtssituation in der Schweiz sowie ihrer Vernetzung im Inland und auf internationaler Ebene ist sie in der Lage, neue Herausforderungen in Recht und Praxis zu identifizieren und in geeignetem Rahmen zu thematisieren. Bei erkannten Schwachstellen kann sie gezielte Massnahmen vorschlagen und zur Sensibilisierung beitragen. Ihre Praxisnähe und ihre breitgefächerte akademische Expertise befähigen eine NMRI zudem in besonderem Masse, Menschenrechtsbildung zu betreiben.

Die Evaluation des Pilotprojekts hat den Praxisnutzen der Arbeiten des SKMR und den Nutzen
des Projekts für die Schweiz bestätigt. Die Aktivitäten des SKMR sind in verschiedenen Bereichen in die Praxis eingeflossen. So führten etwa Studien des SKMR zur Überarbeitung der Hausordnungen von Strafanstalten, zur Anpassung von betrieblichen Abläufen und zu baulichen Massnahmen in einer psychiatrischen Klinik oder zur Anpassung der internen Richtlinien einer Universität an die Bedürfnisse von Transgender-Personen.

Weil eine NMRI die Glaubwürdigkeit der Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz stärkt, ist die Vorlage auch aussenpolitisch relevant (vgl. Ziff. 6.6). Im Bereich der Berichtsverfahren vor Gremien der UNO oder des Europarats kann eine NMRI zudem die zuständigen Stellen beim Bund und den Kantonen fachlich und methodisch unterstützen.

Der Bundesrat hat sich für die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Verein) entschieden, da diese die pluralistische Vertretung gesellschaftlicher Kräfte im Sinne der Pariser Prinzipien gewährleistet. Das Modell baut auf den Stärken des 520

BBl 2020

Pilotprojektes auf. Der NMRI Deutschlands, die ebenfalls als öffentlich-rechtliche Körperschaft konzipiert ist, wurde der A-Status verliehen.

1.2.3

Mehrwert gegenüber der bestehenden Menschenrechtsinfrastruktur

Die Besonderheit einer NMRI besteht in erster Linie in ihrem breiten Mandat, das sämtliche Menschenrechtsfragen einschliesst. Damit kann sich die NMRI einen Überblick über die Situation der Menschenrechte in der Schweiz verschaffen, allfällige Mängel erkennen und aktuelle und zukünftige Trends identifizieren bzw. vorwegnehmen. Damit bietet eine NMRI einen Mehrwert, den in dieser Form keine andere Stelle oder Organisation bereitstellen kann. Eine NMRI kann sachgerechte Beratung und Expertise sowie eine Plattform für den systematischen Informationsund Erfahrungsaustausch anbieten. Weiter kann sie gezielte, praxisorientierte Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen durchführen. Ohne eine Nachfolgeinstitution zum SKMR könnten diese Aufgaben nur noch beschränkt wahrgenommen werden. Wie die Beispiele in vielen anderen Ländern zeigen, ist eine NMRI in einem gut funktionierenden Rechtsstaat nicht überflüssig; sie ist vielmehr Ausdruck eines solchen.

Die bestehenden Institutionen, namentlich ausserparlamentarische Kommissionen (insb. die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus, die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, die Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen und die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen) oder die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF), vertreten je eine eigene, fachspezifische Perspektive. Ihr Mandat ist von Gesetzes wegen auf gewisse Bereiche beschränkt und bezieht sich meist nicht explizit auf den menschenrechtlichen Rahmen.

Die NMRI hingegen wird jedes für die Schweiz relevante Menschenrechtsthema ohne Einschränkung aufnehmen können.

Mit der NMRI werden die bestehenden Strukturen nicht verdoppelt; die NMRI soll vielmehr die bestehenden Institutionen in ihrer Tätigkeit unterstützen und sie bei Bedarf ergänzen. Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass das Zusammenspiel zwischen der NMRI und anderen Institutionen in der Praxis funktioniert: das SKMR hat zum Beispiel Studien durchgeführt, die von der NKVF als Grundlage für ihre Tätigkeiten verwendet wurden. Es gehört zum Mandat der NMRI, ihre Aktivitäten auf diejenigen der genannten Kommissionen sowie der staatlichen Institutionen, Hochschulen oder anderen Institutionen des Hochschulbereichs, der NGO und der Unternehmen abzustimmen.

Die Vorlage bietet auch im Vergleich mit dem Pilotprojekt
einen Mehrwert, ohne die Vorteile des bewährten Modells in Frage zu stellen. Der Unabhängigkeit der Institution, die dem Pilotprojekt fehlte, wurde sowohl in der Vernehmlassung als auch in der Evaluation des SKMR grosse Bedeutung beigemessen. Bei der künftigen NMRI wird die Unabhängigkeit deshalb im Sinne der Pariser Prinzipien gewährleistet.

Mit der vorgeschlagenen Regelung kann zudem eine langfristige Lösung geschaffen werden, ohne dass eine periodische Neuausschreibung erforderlich ist. Das war beim 521

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Pilotprojekt anders: Seine Grundfinanzierung war an den Einkauf von Leistungen gebunden und unterstand somit grundsätzlich den Regeln über das öffentliche Beschaffungswesen. Die künftige NMRI soll somit die institutionelle Stabilität und Planungssicherheit erhalten, die für ihre Unabhängigkeit und für die langfristige Planung ihrer Aktivitäten notwendig sind. Dies ist eine wichtige Bedingung dafür, dass die Institution ihre Fachkompetenz entwickeln, sich in ihrer Funktion etablieren und das Vertrauen der interessierten Kreise gewinnen kann. Dadurch wird auch ihre Attraktivität als Dienstleistungserbringerin gesteigert und die Entwicklung eines Geschäftsplans gefördert, in dem externen Aufträgen von Behörden aller bundesstaatlichen Ebenen, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.

Im Rahmen der Vernehmlassung forderten verschiedene Teilnehmende, dass eine Ombudsstelle für Kinderrechte in die NMRI integriert werden soll; andere Teilnehmende haben sich ausdrücklich gegen eine solche Lösung ausgesprochen (vgl. Ziff. 2). Der Bundesrat hat im Rahmen der Schaffung einer NMRI das Modell einer Ombudsstelle mehrfach geprüft und als nicht geeignet verworfen. In der Schweiz ist der individuelle Rechtsschutz von Kindern mit der Möglichkeit der Ernennung eines Beistands und einer unentgeltlichen Rechtsvertretung stark ausgebaut. Zudem gibt es verschiedene Beratungs- und Informationsangebote. Weiter wäre die Errichtung einer Ombudsstelle auf Bundesebene mit dem Umstand nicht kohärent, dass für die Umsetzung der Kinderrechte zum grössten Teil die Kantone zuständig sind. Dem Anliegen der Integration einer Ombudsstelle für Kinderrechte in die NMRI kann deshalb nicht entsprochen werden.

1.3

Verlängerung des Pilotprojekts als Übergangslösung

Im Jahr 2015 hat der Bundesrat die im Rahmen des Pilotprojekts praktizierte Lösung für eine Dauer von fünf Jahren oder längstens bis zur Errichtung einer Nachfolgeinstitution verlängert (siehe Ziff. 1.1.3). Mit der vorliegenden Gesetzesvorlage soll eine Nachfolgeinstitution für das SKMR geschaffen werden. Um zwischen dem bis Ende 2020 befristeten Pilotprojekt und der Nachfolgeinstitution keine Lücke entstehen zu lassen und einen umfassenden Wissenstransfer sicherzustellen, ist eine Verlängerung des Pilotprojekts um weitere zwei Jahre vorgesehen.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Der Auftrag des Bundesrates zur Ausarbeitung einer gesetzlichen Grundlage für die NMRI geht auf den Beschluss des Bundesrates vom 29. Juni 20165 zurück (vgl. Ziff.

1.1.3). Die Vorlage konnte daher weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016 über

5

522

www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-62431.html

BBl 2020

die Legislaturplanung 2015­20196 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016 über die Legislaturplanung 2015­20197 aufgenommen werden.

2

Vernehmlassungsverfahren

Vom 28. Juni 2017 bis zum 31. Oktober 2017 wurde eine Vernehmlassung zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Unterstützung der nationalen Menschenrechtsinstitution durchgeführt. Mit dem damaligen Modell «Status quo +» (vgl. Ziff.

1.1.3) sollten die bewährten Vorteile des SKMR für eine künftige NMRI beibehalten und die Schwachstellen korrigiert werden. Das Ergebnis der Vernehmlassung zeigte, dass die Schaffung einer NMRI zwar von der grossen Mehrheit begrüsst wurde, aber zur konkreten Ausgestaltung Vorbehalte von gewichtigen Vernehmlassungsteilnehmenden vorlagen.

Stellungnahmen gingen von insgesamt 116 Teilnehmenden ein; darunter 22 Kantone, 7 politische Parteien sowie 87 Organisationen und weitere Teilnehmende. Mit Ausnahme eines Kantons, zweier politischen Parteien und dreier Organisationen befürworteten die Teilnehmenden die Vorlage im Grundsatz. Zahlreiche Teilnehmende sprachen sich für eine NMRI aus, welche von der GANHRI mit dem AStatus akkreditiert werden könnte.

Breit hervorgehoben wurde in der Vernehmlassung, dass dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte in der Schweiz eine grosse Bedeutung zukomme. Mit der Schaffung einer NMRI könne eine institutionelle Lücke geschlossen werden. Zudem habe das Pilotprojekt die Notwendigkeit bzw. den Nutzen einer NMRI aufzeigen können.

Die Gegner der Vorlage hielten fest, dass die Notwendigkeit einer NMRI nicht ausgewiesen sei. Aufgrund ausgebauter rechtsstaatlicher Strukturen und Institutionen sei die Einhaltung der Menschenrechte in der Schweiz besser als anderswo garantiert, und finanzpolitisch sei die Schaffung einer NMRI nicht gerechtfertigt.

Zahlreiche Teilnehmende, welche die Schaffung einer NMRI im Grundsatz begrüssten, äusserten Anpassungsbedarf. Sie zweifelten die Wahl des Modells «Status Quo +» an und sprachen sich zum Teil explizit für eine NMRI nach dem Modell eines unabhängigen Instituts aus, das von der GANHRI mit Status A akkreditiert werden könnte. Weitere Anpassungen wurden zudem in Bezug auf die Höhe des Richtwerts für die Finanzhilfe des Bundes, die Anbindung der Institution an eine oder mehrere Institutionen des Hochschulbereichs, ihre Aufgaben, die Regelung ihrer Organisation und ihre Ausstattung mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit gefordert.

Die wichtigsten Bemerkungen zur Vorlage lassen sich wie folgt zusammenfassen: ­

6 7

Ausrichtung einer Finanzhilfe: Die Ausrichtung einer Finanzhilfe wird von zahlreichen Teilnehmenden begrüsst oder zumindest für einen gangbaren Weg gehalten.

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

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BBl 2020

­

Höhe der Finanzhilfe: Während verschiedene Teilnehmende den Richtwert von einer Million Franken als angemessen erachten, beurteilen ihn andere Teilnehmende als zu tief.

­

Trägerschaft: Die universitäre Trägerschaft der NMRI wird von verschiedenen Teilnehmenden begrüsst. Zahlreiche Teilnehmende äussern jedoch grundsätzliche Bedenken gegenüber dem vorgeschlagenen Modell; die Funktion einer NMRI könne mit den Aufgaben der Trägerinstitutionen in Konflikt geraten. Teilweise sprechen sich diese Teilnehmenden für eine NMRI nach dem Modell eines unabhängigen Instituts aus.

­

Aufgabenbereich: Zahlreiche Teilnehmende schlagen vor, dass der Aufgabenbereich der NMRI sowohl die Innen- als auch die Aussenpolitik im Bereich der Menschenrechte umfassen soll.

­

Aufgaben: Mehrere Teilnehmende schlagen vor, dass der vorgelegte Aufgabenkatalog nicht abschliessend umschrieben werden soll. Im Aufgabenkatalog der NMRI seien weiter die Politikberatung, das Monitoring der Rechtslage in der Schweiz und die Förderung des Zugangs zur Justiz aufzunehmen.

­

Pluralistische Vertretung gesellschaftlicher Kräfte: Einige Teilnehmende fordern, neben den beteiligten Hochschulen und anderen Institutionen des Hochschulbereichs sei auch den Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft eine effektive Mitwirkung zu gewährleisten.

­

Organisation: Zahlreiche Teilnehmende sind der Auffassung, die Organisation der NMRI solle im Gesetz oder in einer Verordnung ausführlicher geregelt werden.

­

Rechtsform: Zahlreiche Teilnehmende fordern, die Unabhängigkeit der NMRI sei dadurch abzusichern, dass ihr ­ als Stiftung oder Verein ­ eine eigene Rechtspersönlichkeit zukomme.

­

Ombudsstelle für Kinderrechte (siehe Ziff. 1.2.3.): Verschiedene Teilnehmende fordern, dass in die NMRI eine Ombudsstelle für Kinderrechte integriert werden soll. Diese solle einerseits Leistungen im Bereich Beratung, Expertise und Monitoring erbringen und andererseits Kindern als Anlaufstelle für Individualbeschwerden dienen. Andere Teilnehmende sprechen sich für eine Beratungstätigkeit im Bereich der Kinderrechte ohne eigentliche Ombudsfunktion aus, oder lehnen die Behandlung von Einzelfällen durch die NMRI grundsätzlich ab.

3

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Über 120 Staaten haben eine NMRI. Auch in Europa sind sie verbreitet: Fast alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Liechtenstein, Norwegen und verschiedene Staaten Osteuropas kennen NMRI. Anhand der folgenden Beispiele wird aufgezeigt, wie Staaten vorgegangen sind, die von ihrer Rechtstradition, ihrem Staatsaufbau oder ihrer Bevölkerung her mit der Schweiz vergleichbar sind.

524

BBl 2020

Deutschland Das «Deutsche Institut für Menschenrechte» ist als Verein konstituiert. Die Mitgliederversammlung berät über die Leitlinien der Arbeit des Instituts. Die inhaltlichen Richtlinien werden von einem Kuratorium festgelegt, das sich aus 13 unabhängigen Vertreterinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, den Medien und der Politik mit Stimmrecht, sowie 5 Vertreterinnen und Vertretern der Regierung ohne Stimmrecht zusammensetzt. Dem Institut wurde von der GANHRI der A-Status zuerkannt.

Das Mandat des Instituts umfasst die Information und Dokumentation, die Forschung im Bereich der und die Qualifizierung der Menschenrechtsarbeit, die Beratung von Politik und Wirtschaft, die menschenrechtsbezogene Bildungsarbeit, die internationale Zusammenarbeit mit anderen NMRI sowie die Förderung von Dialog und Zusammenarbeit über Menschenrechtsfragen in Deutschland.

Frankreich Die «Commission nationale consultative des droits de l'homme» (CNCDH) ist eine unabhängige Verwaltungsbehörde; als solche ist sie nicht weisungsgebunden und keinem Ministerium unterstellt. Der Kommission wurde von der GANHRI der AStatus zuerkannt.

Die CNCDH besteht aus 61 Vertreterinnen und Vertretern von NGO, Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften sowie unabhängigen Menschenrechtsexpertinnen und -experten und Regierungsvertreterinnen und -vertretern ohne Stimmrecht. Die CNCDH wird von einem dreiköpfigen Büro geleitet; sie verfügt über einen Koordinationsausschuss und ein Generalsekretariat.

Das Mandat der CNCDH umfasst die Einhaltung institutioneller und internationaler Verpflichtungen Frankreichs, die Beratung der Regierung und des Parlaments bei Gesetzgebungsprojekten, die Förderung des Dialogs zwischen Behörden und Zivilgesellschaft, die Menschenrechtsbildung, öffentliche Stellungnahmen und die Sensibilisierung.

Österreich Die österreichische Volksanwaltschaft (VAW) ist eine unabhängige Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Drei Volksanwältinnen und -anwälte werden vom Nationalrat gewählt, wobei die 3 mandatsstärksten Parteien des Rats je ein Mitglied vorschlagen. Als beratendes Organ steht der VAW ein Beirat zur Seite. Die VAW verfügt über 6 regionale Kommissionen mit nebenberuflich tätigen Mitgliedern, welche die Einrichtungen des Freiheitsentzugs, Pflegeheime und ähnliche Einrichtungen
kontrollieren. Insgesamt zählt die VAW 90 Mitarbeitende sowie 48 nebenberuflich tätige Kommissionsmitglieder. Von der GANHRI wurde der VAW der B-Status zuerkannt.

Bei der VAW handelt es sich um eine umfassende Ombudsstelle. Auf Beschwerde oder von Amtes wegen kann sie Handlungen der öffentlichen Verwaltung auf Bundes- oder auf Länderebene überprüfen. Die Behörden sind der VAW gegenüber zur Amtshilfe verpflichtet. Die Empfehlungen der VAW sind für die betroffenen Behörden nicht verbindlich. Die VAW nimmt zudem zu Gesetzesentwürfen Stellung und 525

BBl 2020

macht die Gesetzgeber auf Bundes- und Länderebene auf strukturelle Probleme aufmerksam. Weiter übt sie die Funktion des nationalen Präventionsmechanismus gemäss dem Fakultativprotokoll vom 18. Dezember 20028 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe (OP-CAT) und diejenige der Monitoringstelle gemäss dem Übereinkommen vom 13. Dezember 20069 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus.

Norwegen Gestützt auf ein königliches Dekret wurde 2001 das «Norwegian Centre for Human Rights» (NCHR) gegründet. Es handelt sich um ein multidisziplinäres Forschungszentrum für Menschenrechte, das an der juristischen Fakultät der Universität Oslo angesiedelt ist. Als Abteilung des NCHR wurde eine NMRI eingerichtet. Diese verfügte weder über eine eigene Rechtspersönlichkeit noch über einen eigenständigen, vom NCHR losgelösten Aussenauftritt. Im Jahr 2006 erhielt das Institut zunächst den A-Status zugesprochen. Im Hinblick auf die periodische Überprüfung des Status wurde im Jahr 2011 eine Evaluation des Instituts durchgeführt. Darin wurde hervorgehoben, dass eine Universität für die Funktion einer NMRI nicht geeignet sei. Entsprechend wurde das Zentrum im selben Jahr in den B-Status zurückgestuft.

2015 wurde die gesetzliche Grundlage für die «Norwegen National Institution for Human Rights» (NIM) verabschiedet. Die NIM ist dem Parlament unterstellt und verfügt über eine unabhängige Struktur. Geleitet wird sie von einer Direktorin oder einem Direktor; ein fünfköpfiger Ausschuss bestimmt die Strategie und überwacht die Wirksamkeit der Institution. Die Direktorin oder der Direktor und die Mitglieder des Ausschusses werden vom Parlament gewählt. Ein Beirat, der aus 10 bis 15 Fachpersonen und Vertreterinnen und Vertretern von Ombudsstellen und NGO besteht, berät die Institution. Die NIM wurde 2017 mit dem A-Status akkreditiert.

Die NIM verfügt über ein breites Mandat zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte. Im Vordergrund stehen die Überwachung der Menschenrechtssituation, die Beratung, die Wissensvermittlung und die Zusammenarbeit mit anderen Akteurinnen und Akteuren. Um Überschneidungen mit dem Mandat verschiedener anderer Ombudsstellen zu verhindern, behandelt sie keine individuellen Beschwerden.

Liechtenstein 2016
wurde im Fürstentum Liechtenstein eine NMRI mit dem Namen «Verein für Menschenrechte» (VMR) gegründet. Mitglieder des Vereins können natürliche und juristische Personen sein, die sich beruflich oder ehrenamtlich für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Liechtenstein einsetzen. Der pluralistisch zusammengesetzte Vorstand besteht aus sieben Expertinnen und Experten.

Das Mandat des VMR umfasst die Beratung von Behörden und Privaten in Menschenrechtsfragen, die Unterstützung von Opfern von Menschenrechtsverletzungen (Ombudsfunktion), die Information der Öffentlichkeit über Menschenrechtsfragen im Inland, das Durchführen von Untersuchungen, die Abgabe von Stellungnahmen 8 9

526

SR 0.105.1 SR 0.109

BBl 2020

zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen und zur Ratifikation internationaler Abkommen sowie die Förderung des Dialogs und der nationalen und internationalen Zusammenarbeit mit menschenrechtsrelevanten Stellen.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Als Schweizer NMRI wird eine auf Dauer angelegte und gesetzlich verankerte Institution geschaffen. Das Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte wird um drei neue Artikel ergänzt, welche die wichtigsten Merkmale der NMRI festlegen. Ferner sollen insbesondere der Ingress und Artikel 1 des erwähnten Bundesgesetzes angepasst werden, um dem erweiterten Gegenstand des Gesetzes Rechnung zu tragen.

Die NMRI soll in der Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft errichtet werden. Mit dieser Rechtsform kann ein hohes Mass an Unabhängigkeit gewährleistet werden. Mitglieder der Institution können natürliche und juristische Personen sein, deren Tätigkeit einen Bezug zu den Menschenrechten aufweist. Das Mandat der NMRI richtet sich nach den Vorgaben der Pariser Prinzipien und baut auf den Aufgaben des Pilotprojekts auf.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der Vorlage werden die positiven Erfahrungen des Pilotprojekts in eine dauerhafte Lösung überführt. Damit die NMRI ihre Unabhängigkeit wahren kann, darf sie für die Erfüllung ihrer Kernaufgaben nicht auf Auftraggeber angewiesen sein. Der Bundesrat leistet dafür jährliche Finanzhilfen von 1 Million Schweizerfranken.

Dieser Kostenumfang entspricht jenem im Rahmen des Pilotprojekts SKMR. Dafür wird eine eigene Budgetlinie eröffnet. Die Mittel werden über den Kredit A231.0338 Massnahmen der zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte (EDA) kompensiert.

Angestrebt wird zudem die Beibehaltung der universitären Verankerung, d. h. die NMRI soll ihren Standort an einer oder mehreren Universitäten haben. Die universitäre Verankerung soll so ausgestaltet werden, dass die Kantone im Sinne einer Partnerschaft weiterhin für die Infrastrukturkosten aufkommen. Dies soll in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen festgehalten werden.

Die NMRI kann über die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen für Behörden und Private zusätzliche Mittel generieren.

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4.3

Umsetzungsfragen

4.3.1

Ausführungsbestimmungen

Die neuen Artikel 10a-c des Bundesgesetzes über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte zur Schaffung der NMRI können in einer Ausführungsverordnung präzisiert werden.

4.3.2

Konstituierung der NMRI

Vorgesehen ist, dass eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern von Bund und Kantonen, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft die notwendigen Vorbereitungsarbeiten zur Schaffung der NMRI vornehmen wird. Die Arbeitsgruppe wird insbesondere einen Entwurf für die Statuten der NMRI erarbeiten und die Gründungsversammlung einberufen. Sie wird eine breite Teilnahme der am Schutz und der Förderung der Menschenrechte beteiligten Kräfte aus allen Sprachregionen der Schweiz an der Gründungsversammlung ermöglichen.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Das Bundesgesetz über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte wird wie folgt geändert: Ingress Der Ingress verweist bisher ausschliesslich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung10 (Allgemeine Zuständigkeit des Bundes im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten). Neu wird das Gesetz zusätzlich auf Artikel 173 Absatz 2 der Bundesverfassung (inhärente Zuständigkeit des Bundes aus der Existenz und der Natur der Eidgenossenschaft) abgestützt. Dies ist notwendig, da sich die Aufgaben der NMRI auf den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in der Schweiz beziehen und somit nicht der Aussenpolitik zugerechnet werden können (vgl. Ziff. 7.1).

1. Abschnitt: Gegenstand Art. 1 Der erste Absatz beschränkt den Gegenstand des Gesetzes auf aussenpolitische Massnahmen des Bundes zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte. Artikel 1 muss deswegen um einen Absatz 3 ergänzt werden, wonach das Gesetz auch den Status, die Finanzierung, die Aufgaben und die Organisation der NMRI regelt.

10

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SR 101

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2. Abschnitt: Aussenpolitische zivile Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte Art. 2­10 In den Artikeln 2­10 sind kleine Anpassungen notwendig um zu verdeutlichen, dass sich diese Artikel nur auf die aussenpolitischen Massnahmen nach Artikel 3 dieses Gesetzes beziehen, jedoch nicht auf die NMRI.

3. Abschnitt: Nationale Menschenrechtsinstitution Art. 10a (neu) Form und Finanzierung Absatz 1 stellt klar, dass es sich bei der neuen Institution um die NMRI der Schweiz im Sinne der Pariser Prinzipien handelt. Der explizite Verweis auf die Pariser Prinzipien wurde in der Vernehmlassung von zahlreichen Teilnehmenden begrüsst. Die Bestimmung regelt zudem die Rechtsform der Institution, die als öffentlichrechtliche Körperschaft errichtet wird.

Die Finanzhilfen des Bundes gemäss Absatz 2 sollen es der NMRI ermöglichen, ihre Funktion in wirksamer Weise wahrzunehmen. Die NMRI muss insbesondere in der Lage sein, die Umsetzung der Menschenrechte in umfassender Weise zu beobachten und im Rahmen ihres Mandats fundierte fachliche Analysen vorzunehmen, um auf deren Grundlage qualitativ hochstehende Beratungen durchzuführen. Damit sie ihre Unabhängigkeit wahren kann, darf sie für einen wesentlichen Teil ihrer Aufgaben nicht auf Auftraggeber angewiesen sein. Der Bundesrat gewährt der NMRI jährliche Finanzhilfen von 1 Million Schweizerfranken. Angestrebt wird, dass die NMRI ihren Standort an einer oder mehreren Universitäten hat. Die universitäre Verankerung soll so ausgestaltet werden, dass die Kantone im Sinne einer Partnerschaft für die Infrastrukturkosten (insbesondere Räumlichkeiten und Informatik) aufkommen.

Dies soll in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen festgehalten werden.

Gemäss Absatz 3 erstellt die NMRI einen öffentlichen Jahresbericht über ihre Aktivitäten und bringt diesen dem Bundesrat und dem Parlament zur Kenntnis.

Art. 10b (neu) Aufgaben Absatz 1 umschreibt die Aufgaben der NMRI. Mit ihren Tätigkeiten soll die NMRI zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte in der Schweiz beitragen. Dementsprechend wichtig ist eine enge Zusammenarbeit mit den Kantonen. Die Aufgaben der NMRI beziehen sich auf die gesamte Menschenrechtslage. Die Institution soll sich mit bürgerlichen und politischen, aber auch mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten befassen und auch die Rechte spezifischer Gruppen behandeln, namentlich Frauen, ältere Menschen, Personen mit Behinderungen und Kinder.

Ebenfalls soll die NMRI die Minderheitenrechte behandeln, einschliesslich des Schutzes und der Förderung der sprachlichen Minderheiten gemäss dem Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten. Neben inner529

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staatlichen Menschenrechtsfragen umfasst ihr Mandat auch Fragen in Bezug auf die Umsetzung internationaler Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte in der Schweiz.

Die Aufgaben der NMRI bauen grundsätzlich auf denjenigen des Pilotprojekts SKMR auf, die sich bewährt haben. Es bestehen jedoch auch Unterschiede. Das Pilotprojekt konnte im Rahmen der Grundfinanzierung nur auf der Grundlage von Aufträgen tätig werden, die in jährlichen Leistungsvereinbarungen festgelegt wurden. Mit der vorgeschlagenen Regelung kann und soll die NMRI hingegen von sich aus tätig werden und ihre Aktivitäten und Prioritäten unter Berücksichtigung der Aktualität und anderer Umstände selbständig bestimmen. Dies umfasst auch die Befugnis, eigenständig zu Themen ihrer Wahl zu kommunizieren.

Die NMRI soll folgende Aufgaben wahrnehmen: a.

Information und Dokumentation: Die NMRI beobachtet und dokumentiert die Menschenrechtslage in der Schweiz. Sie soll die Fachpersonen und die Öffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen und über spezifische Themen im Bereich der Menschenrechte von sich aus und auf Anfrage informieren.

b.

Forschung: Die NMRI soll die Tragweite menschenrechtlicher Normen und deren Anwendung, namentlich in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, untersuchen und analysieren.

c.

Beratung: Die NMRI berät von sich aus und auf Anfrage Behörden auf allen Ebenen des Bundesstaates, Organisationen der Zivilgesellschaft, Privatunternehmen und internationale Organisationen in Menschenrechtsfragen. Sie kann Berichte, Stellungnahmen und Schattenberichte zuhanden internationaler Gremien verfassen. In ihrer Beratungstätigkeit kann sie im Rahmen ihrer Unabhängigkeit ihre Ansichten und Empfehlungen zu den jeweiligen Themen äussern.

d.

Förderung von Dialog und Zusammenarbeit: Durch die Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit, insbesondere zwischen den Behörden auf allen Ebenen des Bundesstaates, nichtstaatlichen Organisationen, Privatunternehmen und Wissenschaft, soll die NMRI zu einer besseren Abstimmung bestehender Massnahmen beitragen und deren Wirksamkeit verstärken. Zudem sollen dadurch Fachwissen und bewährte Vorgehensweisen (Best Practices) vermittelt werden. Dabei kann sich die NMRI auch mit der Frage der Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsgrundlagen und der Praxis der Behörden mit den für die Schweiz verbindlichen Menschenrechtsübereinkommen befassen und deren wirksame Anwendung fördern.

e.

Menschenrechtsbildung und Sensibilisierung: Die NMRI soll Menschenrechtsbildung betreiben; diese kann auf allen Aus- und Weiterbildungsstufen angesiedelt sein. Sie soll zur Wissensverbreitung und zur Sensibilisierung spezifischer Zielgruppen und der Öffentlichkeit beitragen.

f.

Internationaler Austausch: Die NMRI arbeitet auf internationaler und regionaler Ebene mit den NMRI anderer Staaten und internationalen Organisationen, insbesondere der GANHRI, zusammen.

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Im Rahmen der Vernehmlassung wurde zum Teil gefordert, zusätzlich zu den genannten Aufgaben das Monitoring in den Aufgabenkatalog der NMRI aufzunehmen.

Der Begriff ist mehrdeutig und kann u. a. eine Beobachtungsfunktion oder einen Überwachungsmechanismus bezeichnen. Die Beobachtung der Menschenrechtslage bildet die Grundlage sämtlicher genannter Aufgaben der NMRI und ist somit im Aufgabenkatalog implizit enthalten. Ein eigentlicher Überwachungsmechanismus soll mit der Vorlage nicht geschaffen werden. Der Bundesrat verzichtet deshalb darauf, das Monitoring in den Aufgabenkatalog der NMRI aufzunehmen.

In der Vernehmlassung wurde weiter vorgeschlagen, die Förderung des Zugangs zur Justiz in das Mandat zu integrieren. Der Vorschlag deckte u. a. die Behandlung von Einzelfällen ab. Mit der Auswahl des vorgeschlagenen Modells hat sich der Bundesrat für eine Option entschieden, mit der die Behandlung von Einzelfällen nicht vereinbar ist. Dieser Entscheid entspricht den Ergebnissen der Evaluation des Pilotprojekts; er wird durch eine Gewichtung der Ergebnisse der Vernehmlassung bestätigt. Die Förderung des Zugangs zur Justiz wird deshalb nicht als Aufgabe der NMRI aufgezählt.

Schliesslich kann die NMRI auch nicht als Ombudsstelle für Kinderrechte fungieren, wie es von einigen Vernehmlassungsteilnehmenden gefordert wurde (siehe Ziff 1.2.3. und 2). Die NMRI kann und soll hingegen sämtliche Menschenrechtsbereiche abdecken einschliesslich der Kinderrechte.

Absatz 2 hält fest, dass die NMRI im Rahmen ihres Mandats Dienstleistungen für Behörden und Private erbringen kann. Dem Dienstleistungscharakter der Institution wurde in der Evaluation des Pilotprojekts und in der Vernehmlassung grosse Bedeutung beigemessen. Die NMRI kann dadurch auch zusätzliche Mittel generieren.

Absatz 3 gewährleistet die Unabhängigkeit, die eine wesentliche Eigenschaft einer NMRI im Sinne der Pariser Prinzipien darstellt. Darunter fällt insbesondere die Befugnis, sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens selbständig zu organisieren und eigenständig zu bestimmen, wie sie ihre Aufgaben erfüllt und ihre Mittel einsetzt.

Die NMRI kann somit in eigener Initiative handeln und ist nicht weisungsgebunden.

Bei der Konkretisierung ihrer Aktivitäten steht es der NMRI frei, aus strategischen und finanziellen Gründen gewisse Aufgaben zu
priorisieren. Die NMRI nimmt jedoch keine Verwaltungsaufgaben wahr. Damit sind alle Aufgaben gemeint, die dem Bund, den Kantonen oder den Gemeinden durch Verfassung oder Gesetz zur Erfüllung bzw. zum Vollzug zugewiesen sind. Sie hat insbesondere keine Ombudsfunktion und auch keine quasi-gerichtliche Zuständigkeit für die Behandlung von Einzelfällen. Mit dieser Bestimmung wird weiter die Anwendbarkeit des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 195811 ausgeschlossen.

Art. 10c (neu) Organisation Die Organe der NMRI bestehen wie bei einem privatrechtlichen Verein aus der Mitgliederversammlung, dem Vorstand und der Revisionsstelle.

Mitglieder der NMRI können natürliche und juristische Personen sein, deren Tätigkeit einen Bezug zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte aufweist.

11

SR 170.32

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Dabei kann es sich um eine haupt- oder um eine nebenberufliche Tätigkeit handeln.

Über die Aufnahme entscheidet die Mitgliederversammlung auf Empfehlung des Vorstands. Der Mitgliederversammlung gehören zudem Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone als Beisitzende ohne Stimmrecht an; diese werden von den jeweiligen Gemeinwesen bestimmt. Die Mitgliedschaft kann nur ausnahmsweise verweigert oder aufgehoben werden, wenn eine Unvereinbarkeit mit den Statuten, insbesondere mit der Ausrichtung der Institution an den Pariser Prinzipien, besteht. Im Anschluss an die Ergebnisse der Vernehmlassung und im Sinne der Pariser Prinzipien soll eine breite gesellschaftliche Vielfalt in der NMRI vertreten sein. Die Mitgliedschaft steht insbesondere Vertreterinnen und Vertretern aus Forschung und Lehre, von religiösen Gemeinschaften, Sozialpartnern, Wirtschafts- und Berufsverbänden (z. B. Anwaltsverband, Ärzteverband, Journalistinnen und Journalisten), NGO, weiteren Bereichen der Zivilgesellschaft sowie unabhängigen Expertinnen und Experten offen.

Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung gewählt. Auch hier ist auf eine pluralistische Vertretung der am Schutz und der Förderung der Menschenrechte beteiligten Kräfte zu achten sowie auf eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter. Eine Wiederwahl ist möglich. Dem Vorstand können Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone als Beisitzende ohne Stimmrecht angehören. Diese werden von den jeweiligen Gemeinwesen bestimmt.

Für die Revisionsstelle sind die Bestimmungen des Obligationenrechts12 über die Revisionsstelle bei Aktiengesellschaften sinngemäss anwendbar. Es ist vorgesehen, dass der Vorstand eine Geschäftsstelle mit der operativen Führung der Arbeiten betraut. Sie wird von einem vollamtlichen Direktor oder einer vollamtlichen Direktorin geleitet. Für die Besetzung dieser Funktion nimmt der Vorstand eine Ausschreibung vor.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf den Bund

Die finanziellen Auswirkungen der Vorlage für den Bund beschränken sich auf den Betrag der Finanzhilfe in der Höhe von 1 Million Schweizerfranken pro Jahr, der im Budget des EDA kompensiert wird. Damit handelt es sich um eine kostengünstige Option für die Schaffung einer NMRI. Die Vorlage hat keine personellen Auswirkungen auf die Bundesverwaltung.

12

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SR 220

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6.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Angestrebt wird, dass die NMRI ihren Standort an einer oder mehreren Universitäten hat. Die universitäre Verankerung soll so ausgestaltet werden, dass die Kantone im Sinne einer Partnerschaft weiterhin für die Infrastrukturkosten (insbesondere Räumlichkeiten und Informatik) aufkommen. Dies soll in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen festgehalten werden.

6.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Achtung der Menschenrechte trägt allgemein zum Wohlstand und zur Stabilität in der Schweiz bei.

6.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Errichtung einer NMRI entspricht einer langjährigen Forderung von Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und weiterer an der Umsetzung der Menschenrechte beteiligten gesellschaftlichen Kräfte.

Eine NMRI dient der menschenrechtspolitischen Kohärenz; dies kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn es darum geht, internationale Verpflichtungen auf nationaler Ebene umzusetzen. Die Fachkompetenz und die Legitimität einer solchen Institution können auch dem Image der Schweiz als Gaststaat zahlreicher internationaler Organisationen (u. a. des UNO-Menschenrechtsrats) zuträglich sein.

6.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die NMRI hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt.

6.6

Andere Auswirkungen

Die Vorlage ist aussenpolitisch relevant. Sie stärkt die Glaubwürdigkeit der Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz. Mit der Schaffung einer NMRI erfüllt die Schweiz eine langjährige Forderung, die insbesondere durch die UNO-Vertragsorgane und im Rahmen der Allgemeinen regelmässigen Überprüfung (Universal Periodic Review) vor dem UNO-Menschenrechtsrat wiederholt an sie herangetragen worden ist. Die Schweiz als Gaststaat zahlreicher internationaler Organisationen würde im internationalen Kontext an Ansehen und Glaubwürdigkeit verlieren, wenn nach Abschluss des Pilotprojekts keine Nachfolgeinstitution errichtet würde. Die Schaffung der NMRI erlaubt es ferner, dass die Schweiz in relevanten Gremien, insbesondere in der GANHRI, vertreten ist.

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7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Der Ingress des Gesetzes verweist bisher allein auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (allgemeine Zuständigkeit des Bundes im Bereich der Menschenrechte).

Die Aufgaben der NMRI können jedoch nicht allein der Aussenpolitik zugerechnet werden. Neu wird das Gesetz deshalb zusätzlich auf die inhärente Zuständigkeit des Bundes abgestützt, wie sie sich aus der Existenz und der Natur der Eidgenossenschaft ergibt. Eine solche inhärente Zuständigkeit wird dort angenommen, wo die Regelung einer Materie wesensgemäss dem Bund zusteht, weshalb in diesem Zusammenhang auch von einer Zuständigkeit kraft föderativen Staatsaufbaus gesprochen wird. Im Ingress von Erlassen wird als Platzhalter für diese inhärente Kompetenz Artikel 173 Absatz 2 BV als Verfassungsgrundlage angeführt. Die Tätigkeit und das Wirkungsfeld der NMRI sind derart eng mit dem föderalen Aufbau der Schweiz verbunden, dass daraus eine Zuständigkeit des Bundes zur Errichtung einer solchen Institution abgeleitet werden kann. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich umso mehr, als die Institution weder verbindliche Anordnungen treffen noch Einzelfälle behandeln kann. Ihre Tätigkeit greift somit nicht in kantonale Zuständigkeiten bei der Umsetzung menschenrechtlicher Vorgaben ein.

Die Abstützung des Gesetzes auf Artikel 54 Absatz 1 BV ist auch für die NMRI von einer gewissen Relevanz. Diese Bestimmung gewährt dem Bund eine allgemeine Zuständigkeit im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten. Der Bund kann völkerrechtliche Verträge abschliessen und hat sich auf internationaler Ebene für allfällige Vertragsverletzungen zu verantworten. Die interne Aufteilung der Zuständigkeiten wird in der BV geregelt: Für die Umsetzung internationaler Normen im Bereich Menschenrechte können sowohl der Bund als auch die Kantone zuständig sein. Der Bund kann die Umsetzung selbst vornehmen, wenn dies für die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen unerlässlich oder aufgrund der Vertragsinhalte angezeigt ist; dazu hat er eine allgemeine und stillschweigende Zuständigkeit. Der Bund wacht zudem über die Einhaltung des Bundesrechts und völkerrechtlicher Verpflichtungen durch die Kantone (Art. 49 Abs. 2 BV). Neben innerstaatlichen Menschenrechtsfragen umfasst das Mandat der NMRI auch Fragen in Bezug auf die Umsetzung internationaler Verpflichtungen im Bereich der
Menschenrechte in der Schweiz. Auf diese Weise berät sie die Behörden auf allen Ebenen des Bundesstaates sowie weitere Akteurinnen und Akteure. Dieser umfassende, themenübergreifende Ansatz kann nur in zentralisierter Form für den gesamten Bundesstaat wahrgenommen werden.

Insofern wird die NMRI neben Artikel 173 Absatz 2 BV auch auf die Zuständigkeit des Bundes für auswärtige Angelegenheiten abgestützt.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit allen internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar (vgl. auch Ziff. 6.6).

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7.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit Artikel 10a Absatz 2 wird eine neue Subventionsbestimmung geschaffen. Da die dadurch entstehenden jährlichen Kosten von 1 Million Schweizerfranken unter dem Schwellenwert für wiederkehrende Ausgaben von 2 Millionen bleiben (vgl.

Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV), ist die neue Bestimmung nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen.

7.4

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Tätigkeit und das Wirkungsfeld einer NMRI sind eng mit dem föderalen Aufbau der Schweiz verbunden. Daraus lässt sich eine Zuständigkeit des Bundes zur Finanzierung der Institution und zum Erlass der dafür notwendigen gesetzlichen Bestimmungen begründen. Dies umso mehr, als dass die NMRI keine verbindlichen Anordnungen treffen kann. Ihre Tätigkeit greift somit nicht in kantonale Zuständigkeiten bei der Umsetzung menschenrechtlicher Vorgaben ein.

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Anhang: Organigramm der NMRI

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