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Schweizerisches Bundesblatt.

46. Jahrgang. IV.

Nr. 54.

# S T #

26. Dezember 1894.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Motion Fonjallaz und Mitunterzeichner, betreffend die Weintarife.

(Vom 19. Dezember 1894.)

Tit.

Unterm 28. März dieses Jahres hat der Nationalrat die folgende Motion der Herren Fonjallaz, Ceresole und Mitunterzeichner erheblich erklärt und uns zum Bericht überwiesen: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, darüber Bericht zu erstatten, ,,welche -- in seiner Kompetenz liegenden oder auf gesetzgeberi"schem Wege zu treffenden -- Maßnahmen er als angezeigt erachtet, ,,damit die Weine schweizerischen Ursprungs für den internen Transport in den Mitgenuß der reduzierten Tarife gesetzt werden, welche ,,die schweizerischen Eisenbahnen den ausländischen Weinen be"willigen."

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend den gewünschten Bericht zu erstatten. Die in der Motion gestellte Frage ist keineswegs neu.

Dieselbe wurde zur Zeit der Behandlung der Fragen über das Gütertarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen in der Bundesversammlung eingehend erörtert. Im Bericht des Bundesrates vom 23. November 1883 an die Bundesversammlung, betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen (Bundesbl. 1883, IV, 477 u. ff.), ist den Differential- und Konkurrenztarifen ein besonderer Abschnitt gewidmet und haben sich auch die Kommissionen beider Räte (Bericht der nationalrätlichen Kommission vom 29. Mai 1884, Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. IV.

48

734

Bundesbl. 1884, III, 42 u. ff., und der ständerätlichen Kommission; vom 9. Dezember 1884, Bundesbl. 1885, I, 29 u. ff.) über diese Verhältnisse ausgesprochen. Die Bundesversammlung hat sodann mit Schlußnahme vom 19. Dezember 1884 (A. S. n. F. VII, 779) auch von den im erwähnten Bericht enthaltenen Auseinandersetzungen über die Behandlung der Differential- und Konkurrenztaxen genehmigend Vormerkung genommen und dienten sie seither als Wegleitung bei der Behandlung der Tariffragen, Wesentliche Neuerungen haben inzwischen auf diesem Gebiete nicht stattgefunden, dagegen hat sich die Konkurrenz der ausländischen Transportunternehmungen gegenüber den schweizerischen ganz bedeutend verschärft, und zwar sowohl durch Eröffnung neuer, den Transportweg abkürzender Linien, als auch durch entsprechende Tarifmaßnahmen der ausländischen Verwaltungen. Die schweizerische Aufsichtsbehörde machte es sich stets zur Pflicht, bei Konkurrenzfrachten den Vorschriften über Erstellung von Tarifen Nachachtung zu verschaffen. Wir könnten uns daher heute darauf beschränken, auf den Bericht von 1883 und die Erledigung, welche er im folgenden Jahre in der Bundesversammlung gefunden hat, hinzuweisen. Wenn wir gleichwohl auf die Angelegenheit näher eintreten, so geschieht es aus dem Grunde, weil wir Wert darauf setzen, daß in dieser Frage vollständige Klarheit herrsche.

Darstellung der gegenwärtigen Tarifverhältnisse für Wein.

Gemäß der Güterklassifikation der schweizerischen Eisenbahnen gehört Wein zu den Gütern der allgemeinen Wagenladungsklassen, d. h. zu der ersten Klasse der Wagenladungsguter. Als Einzelsendung wird Wein in Fässern aber nicht auf Grund der Stückgutklasse l, sondern in Abweichung von der allgemeinen Regel auf Grund der Stückgutklasse 2 taxiert, also der niedrigsten Stückgutklasse. Die von den schweizerischen Normalspurbahnen für diese Klassen zur Verfügung gestellten Grundtaxen sind die folgenden : Wagenladungen Einzelsendungen.

a. Streckentaxen.

Pro Tarif Kilometer: Gotthardbahn Nordostbahn, Südostbahn .

Übrige Normalspurbahnen .

von 5000k

9- 10000k 9Taxen in Centimes pro 100 kg.

.

.

.

.

l,SB 1,85 1,85

l ,15 1,26 1,35

l ,00 l,10 1,25

735 b. Expeditionsgebühren.

1. I n t e r n e r V e r k e h r : Nordostbahn, Südostbahn :

Wagenladungen von 5000kg. 10000kg.

Centimes pro 100 kg.

Einzelsendungen.

1--20 km 21--30 km. Zuschlag per km.

31 km. und mehr . . . .

Übrige Normalspurbahnen : 1 -- 20 km 21--40,km. Zuschlag per km.

41 km. und mehr . . . .

2. D i r e k t e r V e r k e h r : Für alle Bahnen gleichmäßig auf alle Distanzen . . . .

Taxen in

10,oo 0,so 15,oo

7,50 7,50 0,75 0,?5 15,oo 15,oo

10,oo 0,as 15,oo

7,50 7,so 0,875 0,375 15,oo 15,oo

20,oo

15,oo

15,oo

Die Gütertarife für den i n t e r n e n V e r k e h r der Gesellschaften sowohl, als auch für den d i r e k t e n V e r k e h r derselben unter sich, sind sämtlich auf Grund dieser Taxelemente erstellt und werden für Wein im schweizerischen Verkehr im allgemeinen keine reduzierten Taxen bewilligt. Eine Ausnahme von dieser Regel findet nur statt im Verkehr der Gotthardbahn. Hier mußte die Einwirkung des italienisch-schweizerischen Ausnahmetarifs für Wein auf den internen und direkten schweizerischen Verkehr berücksichtigt werden, indem sonst Sendungen ab näher gelegenen schweizerischen Stationen höhere Prachtsätze zu bezahlen gehabt hätten, als solche ab der weiter gelegenen ersten Auslandsstation des direkten Tarifes. Dies geschieht nun in der Weise, daß der direkte Frachtsatz ab einer schweizerischen Station nach der ersten Auslandsstation (Como oder Luino) auf die schweizerische Grenzstation übertragen und so lange nach rückwärts wirken gelassen wird, bis die normale Taxe sieh billiger stellt.

Wir wollen dies an einem Beispiel näher auseinandersetzen.

Die Taxe für Wein B e r n - L u i n o beträgt nach dem italienischschweizerischen Gütertarif, Teil II, pro 100 kg. 319 Cts. Diese Taxe wird nun auf Bern-Ranzo-Gera loco übertragen und wirkt auf die näher an Bern gelegenen Stationen der Gotthardbahn unter Abstoßung von je l Ct. per 100 kg. und Station so lange zurück, als sich bei normaler Taxbildung noch höhere Frachtsätze ergeben würden. Für Bern-Magadino beträgt die normale Taxe 331 Cts., dagegen die Rückwirkungstaxe nur 317 Cts., für BernBellinzona 328 Cts. gegen 314 Cts. und endlich für Bern-Lavorgo 308 Cts. gegen 307 Cts. Die Rückwirkung endet daher in Lavorgo.

736

In gleicher Weise wirken die Taxen für Como auf der Linie Chiasso-Lugano zurück.

Im i n t e r n a t i o n a l e n V e r k e h r , d. h. im Verkehr der schweizerischen Bahnen mit ausländischen Bahnen und im Transitverkehr durch die Schweiz, werden von den schweizerischen Verwaltungen vorbehaltlich des Verkehrs über den Gotthard, wo besondere Verhältnisse bestehen, auf welche wir unten zu sprechen kommen werden, die oben erwähnten normalen Grundtaxen ebenfalls eingerechnet und wird von Ermäßigungen abgesehen, sofern nicht eine Reduktion der Taxen über die schweizerische Route infolge der über ausländische Routen bestehenden billigeren Konkurrenzfrachtsiitze notwendig ist, um die Transporte auf die schweizerische Route zu lenken, dieselben möglichst lange dieser zu erhalten und ihr so den Wettbewerb ani Transportgeschäft zu ermöglichen. Für den Artikel Wein wurden neben dem Verkehr mit Italien nur für den Verkehr mit Österreich-Ungarn und weiter, sowie mit Frankreich, besondere Tarifraaßnahmen durch Erstellung von Ausnahmetarifen getroffen.

Im ö s t e r r e i c h i s e h - u n g a r i s c h - s c h w e i z e r i s c h en Verkehr tritt eine namhafte Konkurrenz ausländischer Routen nur im Verkehr mit den westschweizerischen Stationen ein und haben sich daher die Verwaltungen veranlaßt gesehen, um den Verkehr der längsten schweizerischen Route zu erhalten, die via Italien-Mont Cenis sich ergebenden Konkurrenztaxen auf die Route Bayern/Arlberg-Romanshorn/Buchs-Westschweiz zu übertragen. Dadurch entstehen zum Teil beträchtliche Reduktionen gegenüber den normalen Taxanteilen der schweizerischen Bisenbahnen. Wir lassen hier ebenfalls einige Beispiele folgen, um die Einwirkung der ausländischen Konkurrenzroute zahlenmäßig klarzumachen, und bemerken dabei nur, daß auf das zur Zeit der Erstellung der fraglichen Ausnahmentarife (1890) gültig gewesene Tarifmaterial abgestellt werden muß, das gegenwärtig mit Rücksicht auf die im Tarifwesen der Eisenbahnen des In- und Auslandes vorhandene Beweglichkeit nicht mehr in allen Teilen vollständig zutreffend ist.

Wien-Genf.

(Tarif vom 1. April 1890.)

T

TT ·

»i

i. n

·

I. V i a Mont G e n i a : Wien-Pevi Peri-Genf loco Wien-Genf loco oder abgerundet

Wagenladungen

5000kg.

von

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

429,o 408,6 TsT^ 838

286,2 311,8 5987~ 598

737 Wagenladungen von 5000kg.

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

II. Via A r l b e r g :

Wien-Buchs Buchs-Genf loco

337 520

264 478

Wien-Genf loco

857

742

19

144

501

334

Die Differenz der Taxen über beide Routen beträgt zu Ungunsten der schweizerischen Route Die Taxen via Mont Cenis wurde daher von derselben übernommen und beträgt der Anteil der schweizerischen Bahnen aus den reduzierten Frachtsätzen was unter Abzug der normalen Expeditionsgebühren als kilometrische Streckentaxe ergiebt*}

1,279

0,839

40,o 403,8 97

40,o 311,8 96

540,6 541

447,8 448

Trient-Lausanne.

(Tarif vom 1. April 1890.)

I. Via M o n t C e n i s : Trient-Peri Peri-Genf-transit Genf-transit-Lausanne Trient-Lausanne oder abgerundet II. Via A r l b e r g : Trient-Buchs Buchs-Lausanne Trient-Lausanne

247 453

199 415

700

614

*) Bei Berechnung der kilometrischen Einheitstaxen haben wir einfachheitshalber die Taxen proportional den Tariflängen verteilt, ohne Rücksicht darauf, daß die Grundtaxen der Bahnen verschieden sind. Daher ist es möglich, daß diese m i t t l e r e Streckentaxe sich höher stellt, als die normale einzelner Verwaltungen (Nordostbahn). In Wirklichkeit bezieht keine Verwaltung mehr, als ihre normalen Anteile, und werden allfällige Überschüsse zur Aufbesserung der Anteile derjenigen Verwaltungen verwendet, deren Anteile nnter normal geblieben sind.

738 Wagenladungen von 5000kg.

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

Hier beträgt die Differenz der Taxen wieder zu Ungunsten der längsten schweizerischen Route Die Taxen der Mont Cenis Route wurden auch hier auf die Route via Arlberg übernommen und beträgt der Anteil der schweizerischen Bahnen aus den Konkurrenzfrachtsätzen . .

woraus sich unter Abzug der normalen Expeditionsgebühren als kilometrische Streckentaxe ergiebt

159

166

294

249

0,845

0,709

Budapest-Genf.

(Tarif vom 1. Mai 1890.)

I. Via M o n t C e n i s : Budapest-Peri Peri-Genf loco Budapest-Genf loco oder abgerundet II. V i a A r l b e r g : Budapest-Buchs ßuchs-Genf loco Budapest-Genf loco Die Differenz der Taxen beider Routen beträgt zu Ungunsten der schweizerischen Route Die Taxen via Mont Cenis wurden daher auf die Route via Arlberg übertragen und verbleibt den schweizerischen Bahnen als Anteil aus dem reduzierten Satz Diesem entspricht nach Abzug der normalen Expeditionsgebühren als kilometrische Streckentaxe

Die der schweizerischen Route nach vorstehendem zukommenden Anteile werden bei Leitung des Verkehrs über andere ausländische Routen zum Teil noch bedeutend reduziert. So bezieht im letztgenannten Beispiel die schwei-

429,o 408,6

286,a 311,s

837,6 838

598,o 598

481 520 1001

371 478 849

163

251

357

227

0,900

0,558

739

Wagenladungen von

5000kg. 10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

zerische Route aus den Taxen Budapest-Genf loco bei Leitung des Verkehrs via Bayern-Bodensee-Romanshorn nur -was nur noch folgende kilometrische Grundtaxen ergiebt . .

319 0,87s

197 0,523

Direkte Tarife für Wein in Fässern bestehen im f r a n z ö s i s c h sch w e i z e r i s c h e n Verkehr ebensowenig, als für andere Güter.

Die schweizerischen Bahnen haben ab den französisch-schweizerischen Grenzpunkten Reexpeditionstarife erstellt. Dabei wurde die Konkurrenz, welche durch die längs der französischen und deutschen Grenze hinziehenden, der Grenze fast parallel laufenden Bahnlinien und durch das französische, auf dem Staffelsystem beruhende, durch viele Ausnahmetaxen noch wesentlich unterstützte Tarifsystem gebildet wird, von den schweizerischen Verwaltungen aufgenommen.

Hieraus entstehen für einen nicht unbedeutenden Teil des Verkehrs Ermäßigungen der Frachtsätze, und zwar sowohl bei den Normaltarifen, als auch bei Ausnahmetarifen. Wir geben auch hier einige Beispiele, welche sich auf die zur Zeit in Kraft bestehenden, allerdings zum Teil in Umrechnung begriffenen Tarife beziehen, und werden auch hier jeweilen die sich aus den Konkurrenztaxen ergebenden kilometrischen Einheitstaxen fesstellen.

Genf-transit (Provenienz Marseille)-Winterthur.

Wagenladungen von (Tarif vom 1. Mai 1888.)

5000kg.

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

Marseille-Petit-Croix Altmünsterol Grenze-Scbaffhausen Schaffhausen-Winterthur Konkurrenztaxen Marseille-Winterthur . . .

hiervon ab französische Taxe Marseille-Genf .

ergiebt für Genf-transit-Winterthur . . . .

gegenüber der normalen Taxe von . . . .

Aus den der Konkurrenz angepaßten Reexpeditionstaxen ergeben sich folgende kilometrische Grundtaxen unter Vorabzug der Expeditionsgebühr

337 158 53 548 260 288 404

297 130 48 475 220 255 373

0,985

0,832

740

Genf-transit (Provenienz Marseille)-Schaffhausen.

Wagenladungen (Tarif vom 1. Mai 1888.)

5000kg. 10000kg, Taxen pro 100 kg. in Cts.

Marseille-Petit-Croix Altmünsterol Grenze-Schaff hausen . . . .

Konkurrenztaxen Marseille - Schaff hausen über ausländische Strecken hiervon ab französische Taxe Marseille-Genf .

verbleibt als Reexpeditionstaxe Genf-transitSchaffhausen gegenüber der normalen Taxe von . . . .

Aus den aus den Konkurrenztaxen abgeleiteten Reexpeditionstaxen ergeben sich nach Abzug der Expeditionsgebühr folgende Grundtaxen

337 158

297 13°_

495 260

427 220

235 435

207 393

0,683

0,596

Genf-iransit (Provenienz Charolles)-Zürich.

(Tarif vom 1. Mai 1888.)

Charolles-Delle-transit Delle-transit-Zürich . .

Konkurrenztaxen Charolles-Zürich hiervon ab französische Taxe Charolles-Genf verbleibt als Reexpeditionstaxe Genf-transitZürich gegenüber einer normalen Taxe von . . . .

Aus den Reexpeditionssätzen ergeben sich wieder unter Abzug der Expeditionsgebühr folgende kilometrische Grundtaxen

214 230 444 162

214 199_ 413 162

282 379

251 351

0,982

0,868

337 225 562 260

297 199 496 220

302 356

276 33.0

Genf-transit (Provenienz Cette)-Luzern.

(Tarif vom 1. September 1891.)

Cette-Petit-Croix Altmünsterol Grenze-Luzern Konkurrenztaxen Cette-Luzern hiervon ab französische Taxe Cette-Genf . .

verbleibt als Reexpeditionsfrachtsatz Genf-transitLuzern gegenüber einer normalen Taxe von . . .

74Î

Wagenladungen von 5000kg.

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

Aus den vorstehenden Reexpeditionstaxen ergeben sich nach Abzug der Expeditionsgebühr folgende kilometrische Grundtaxen . . . .

1,139

l,ose

247 99 346 212 134 219

247 93 340 212 128 204

0,7ss

0,748

268,5 -- 86,5 -- 355 158 197 341

-- 254 -- 84 338 158 180 317

0,755

0,685

Genf-transit (Provenienz Arvant)-Biel.

(Tarif vom 1. September 1891.)

Arvant-Villers Grenze Villers Grenze-Biel Konkurrenztaxen Arvant-Biel hiervon ab französische Taxe Arvant-Genf .

verbleibt als Reexpeditionssatz Genf-transit-Biel gegenüber d e r normalen Taxe v o n . . . .

Aus den Reexpeditionstaxen ergeben sich nach Abzug der Expeditionsgebühr folgende kilometrische Grundtaxen Genf-transit (Provenienz Aspres)-Basel.

(Tarif vom 1. Januar 1890.)

Aspres-Petit-Croix Aspres-Delle-tranait Altmünsterol Grenze-Basel Delle-transit-Basel Konkurrenztaxen Aspres-Basel hiervon ab französische Taxe Aspres-Genf. .

verbleibt als Reexpeditionssatz Genf-transit-Basel gegenüber der normalen Taxe von . . . .

Aus den Reexpeditionstaxen ergeben sich nach Abzug der Expeditionsgebühr folgende kilometrische Grundlaxen

lu noch weit höherem Maße als im direkten Verkehr mit ausländischen Bahnen wirken die fremden Konkurrenzlinien (Route via Italien-Mont Cenis, süddeutsche Route, französische Route) auf den T r a n s i t v e r k e h r durch die Schweiz ein und nötigen zum Teil

742

zu so bedeutenden Taxreduktionen, daß die schweizerischen Verwaltungen dieselben nicht gewähren könnten, ohne aus der Übernahme des Transportes Schaden zu erleiden. In solchen Fällen wurde an Stelle der wirklichen Konkurrenztaxe eine fingierte gesetzt, welche auf Grund einer möglichst niedrigen und zum Teil die Selbstkosten wenig übersteigenden Einheitstaxe konstruiert worden und höher ist, als die aus der wirklichen Konkurrenz sich ergebende Taxe. Die Festsetzung dieser Minimaltaxe erfolgte bisher noch nicht überall ganz gleichmäßig, ihre Höhe schwankt zwischen 0,45 und 0,30 Cts. pro 100 kg. und km. plus 10--6 Cts. pro 100 kg. Expeditionsgebühr.

Wir wollen auch hier einige Beispiele anführen, um die Einwirkung der fremden Konkurrenzlinien klarzumachen und die von den schweizerischen Verwaltungen zur Bekämpfung dieser Konkurrenz gewährten Taxen darzulegen.

Budapest-Clermont-Ferrand.

(Tarif vom 1. Mai 1887,

resp. 1. Januar 1889.)

Wagenladungen von 10000 kg.

Taxen pro

I. Via M o n t Cenis: Budapest-Cormons Cormons-Modane Modane-Clermont-Ferrand Budapest-Clermont-Ferrand oder abgerundet II. Via A r i b e r g - S c h weiz: Budapest-Genf-transit Genf-transit-Clermont-Ferrand . . . .

Budapest-Clermont-Ferrand Die Verwaltungen, welche an der Route via Arlberg beteiligt sind, hatten die via Mont-Cenis sich ergebenden Konkurrenztaxen übernommen und erhalten die schweizerischen Verwaltungen folgende Anteile aus denselben : für Buchs-Genf-transit für Romanshorn-Genf-transit woraus sich nach Abzug der Expeditionsgebühr folgende kilometrische Grundtaxen ergeben : aus Buchs-Genf-transit aus Romanshora-Genf-transit

,00 kg. in Cts.

222,o 287,7 250,o 759,7 760 623 226 849

171 137 0,4ii 0,851

743 Marseille-Freiburg3 i./Br.

Wagenladungen von 5000 kg.

(Tarif vom 1. Januar 1890.)

I. Via f r a n z ö s i s c h e R o u t e : Marseille-Petit-Croix Altmünsterol Grenze-Freiburg i./Br.

Marseille-Freiburg i./Br II. Via s c h w e i z e r i s c h e R o u t e : Marseille-Genf Genf-Basel Basel-Freiburg i./Br Marseille-Freiburg i./Br

Taxen pro 100 kg in Cts.

337 . .

107,B_ "444,B~

260 341 88,5 689,6

Da nach Vorabzug der Taxen Marseille - Genf und BaselFreiburg i./Br. für die Strecke Genf-Basel nur eine Taxe von 36 Cts. pro 100 kg. übrig bleibt, welche niedriger ist als die in diesem Verkehr angenommene Minimaltaxe von 0,4 Cts. pro 100 kg.

und km. plus einem fixen Zuschlag von 10 Cts. pro 100 kg., so haben die schweizerischen Verwaltungen von der Übernahme des Konkurrenzfrachtsatzes abgesehen und denselben durch die mit der angegebenen Minimaltaxe konstruierte Taxe von 106,5 Cts. pro 100 kg. ersetzt.

Cette-Karlsruhe.

(Tarif vorn 1. Januar 1890.}

Wagenladungen von 10000 kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

I. Via f r a n z ö s i s c h e R o u t e :

Cette-Petit-Croix Altmünsterol Grenze-Karlsruhe . . . .

Cette-Karlsruhe II. Via s c h w e i z e r i s c h e R o u t e : Cette-Genf Genf-Basel Basel-Karlsruhe Cette-Karlsruhe

297 190 487 220 317 174 711

Die schweizerischen Verwaltungen haben den über die französische Route sich ergebenden Konkurrenzfrachtsatz übernommen und verbleibt ihnen nach Vorabzug der Taxen Cette-Genf uûd Basel-Karlsruhe für die Strecke Genf-Basel ein Frachtsatz nou 93 Cts.

pro 100 kg. Dieser Frachtsatz entspricht nach Abzug der Expeditionsgebühr einer kilometrischen Grundtaxe von 0,82* Cts. pro 100 kg.

744 Marseille-Straßburg.

(Tarif vom 1. Januar 1890.)

I. Via f r a n z ö s i s c h e R o u t e : Marseille-Petit-Croix Altmünsterol Grenze-Straßburg . . . .

Marseille-Straßburg II. Via s c h w e i z e r i s c h e R o u t e : Marseille-Genf Genf-Basel Basel-Straßburg Marseille-Straßburg

Wagenladungen von 10000 kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

297 121 418 220 317 120 657

Nach Vorabzug der Taxen Marseille-Genf und Basel-Straßburg verbleibt vom Konkurrenzfrachtsatz über die französische Route nur noch eine Taxe von 78 Cts., welche niedriger ist als die für Wagenladungen von 10 000 kg. im vorliegenden Tarif angenommene Minimaltaxe von 0,a Cts. pro 100 kg. und km. plus einem fixen Zuschlag von 6 Cts. pro 100 kg. Der Restfrachtsatz der schweizerischen Strecke wurde daher auf den sich aus dieser Minimaltaxe ergebenden Frachtsatz, d. h. auf 78,5 Cts., erhöht.

Es erübrigt uns nun noch, die für den V e r k e h r mit I t a l i e n via Gotthard bestehenden besondern Tarifverhältnisse näher zu beleuchten. Dieselben finden ihre Begründung einerseits in der durch die Staatsverträge betreffend die Subventionierung der Gotthardbahn geschaffenen Situation und anderseits in der Konkurrenz, die der Gotthardlinie durch den Brenner und die Arlbergbahn erwachsen.

Für Weinsendungen zwischen italienischen und schweizerischen Stationen, welche die g a n z e Gotthardbahn durchlaufen, werden von der Gotthardbahn folgende reduzierte Grundtaxen bewilligt: Wagenladungen von 5 OCO kg. 0,88 per 100 kg. und km.

,, 10000 ,, 0,7o ,, 100 ,, ,, ,, Die übrigen schweizerischen Verwaltungen gewähren in diesem Verkehr keine Ausnahmetaxeo, soweit nicht die Konkurrenz der Route via Mont Cenis zu Reduktionen nötigt. Die Einwirkung dieser ist aber auf den Verkehr mit der Westschweiz zum Teil eine nicht unbedeutende, wie wir hier an einigen Beispielen zeigen werden.

745 Asti-Genf.

(Tarif vom 1. August 1888.)

Wagenladungen von

5000kg.

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

I. Via Mon t C en i s:

Asti-Modane Modane-Genf Asti-Genf II. Via G o t t h a r d : Asti-Pino Grenze Pino Grenze-Genf Asti-Genf

111,6 143,o 254,5

111,5 143,o 254,5

108,2 550,6 658,8

108,2 493,8 602,o

146,3

146,3

.

Nach Abzug der italienischen Taxe für Asti-Pino Grenze von der Konkurrenztaxe via Mont Cenis verbleiben für die schweizerische Strecke noch folgende Taxen : Pino Grenze-Genf Diese Taxen sind aber bedeutend niedriger als diejenigen, welche sich aus den für diesen Verkehr von den Verwaltungen festgesetzten Minimaltaxen ergeben, welche betragen : pro Kilometer fixer Zuschlag Für die schweizerische Strecke wurden daher statt der Konkurrenzsätze die folgenden Taxen angenommen

0,46 7,5 230,7

0,as 7,6 18t,i

Barletta-Lausanne.

(Tarif vom 1. August 1888.)

I. V i a M o n t C e n i s : Barletta-Modano · . . . . 456,7 Modane-Genf-transit 140,o Genf-transit-Lausanne 98,o " Barletta-Lausanne 694,7 II. Via G o t t h a r d : Barletta-Chiasso-transit . . . . . . 389,7 Chiasso-transit-Lausanne 506,i Barletta-Lausanne 895,8

334,8 140,o 92,o 566,8 277,o 443,6 721,ß

746 Wagenladungen von 5000kg.

10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Cts.

Die schweizerischen Verwaltungen haben hier die sich nach Abzug der italienischen Taxe Barletta-Chiasso-transit ergebenden Konkurrenztaxen auf die Strecke Chiasso-transitLausanne übertragen, nämlich 305,o Diese ergeben nach Abzug der Expeditionsgebühr folgende kilometrische Grundtaxen . . 0,eo4

288,9 O,BTI

Venedig-St-Maurice.

(Tarif vom 1. August 1888.)

I. Via M o n t C e n i s : Venedig-Modane Modane-St-Gingolf Grenze Bouveret-transit-St-Maurice Venedig-St-Maurice II. Via G o t t h a r d : Venedig-Chiasso-transit Chiasso-transit-St-Maurice

. 270,s 166,0 47,o

204,T 166,o 44,o

483,a

414,7

172,4 575,i

140,8 508,6

Venedig-St-Maurice 747,5 Auch hier wurden die Konkurrenztaxen via Mont Cenis als maßgebend angenommen und aus denselben die folgenden reduzierten Taxen Chiasso-transit-St-Maurice abgeleitet . . 310,9 Diesen entsprechen folgende kilometrische Grundtaxen 0,557

649,4

273,9 0,4ss

Im deutsch-italienischen Verkehr via Gotthard werden von den schweizerischen Verwaltungen folgende reduzierte Grundtaxen für Wagenladungen von 10000 kg. zugestanden: Im Verkehr mit den Stationen nördlich der Linie BolognaFlorenz-Livorno O,TO Cts. per 100 kg. und km.

Im Verkehr mit den Stationen südlich dieser Linie und den Seehafenstationen 0,55 ,, ,, 100 ,, ,, ,,

747

Mit Bezug auf die Berücksichtigung der ausländischen Konkurrenz in den Tarifen ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht möglich ist, die genauen Konkurrenztaxen für jede ausländische Station in Berücksichtigung zu ziehen, ohne die Tarife unhandlich, ja sogar unbrauchbar zu machen. Man geht daher hier in der Regel so vor, daß getrachtet wird, die ausländischen Stationen in Gruppen einzuteilen. Die Konkurrenztaxe wird alsdann entweder für die Hauptstation der Gruppe oder als Mittelwert aus mehreren Stationen derselben gebildet, oder es wird endlich diejenige Station der Gruppe bestimmt, für welche sich die niedrigste Konkurrenztaxe ergiebt.

Neben der Konkurrenz der Eisenbahnen der Nachbarländer wirkt noch vielfach, namentlich auf den Transitverkehr, der Seeweg ein. Wir haben aber bisher die aus dieser Konkurrenz sich ergebenden Taxen nicht als Konkurrenztaxen im Sinne der Botschaft vom Jahr 1883 anerkannt, weil die Tarifverhältnisse der Seerouten nicht so geordnet sind, daß eine Berücksichtigung derselben im Eisenbahntarifwesen möglich wäre, ohne Gefahr zu laufen, große Willkürlichkeiten zu begehen.

Am Schlüsse der allgemeinen Darstellung der zur Zeit bestehenden tarifarischen Verhältnisse für Weintransporte angelangt, müssen wir noch der Vollständigkeit halber einer Tarifmaßnahme Erwähnung thun, welche die schweizerischen Eisenbahnen auf Veranlassung des Bundesr.ites getroffen haben, um dem durch die Anwendung der Differentialzölle im Verkehr mit Frankreich am meisten betroffenen westlichen Landesteile eine möglichst billige anderweitige Beschaffung der bisher aus Frankreich bezogenen Lebensmittel zu sichern. Unter den Artikeln, für welche diese Ausnahmebehandlung Gültigkeit hat, befindet sich auch ,,Wein", um einen Ersatz für die von den Zollmaßregeln betroffenen französischen Rotweine durch Bezug aus andern Ländern zu ermöglichen. Da diese Tarifmaßregehi aber nur einen temporären Charakter haben und auf die hier zu besprechende prinzipielle Frage keinen Einfluß auszuüben vermögen, so glauben wir an dieser Stelle von einer weitem Erörterung derselben absehen zu dürfen, zumal sich eine solche im Geschäftsbericht des Bundesrates vom Jahre 1893 (ßundesbl. 1894, I, 694) vorfindet, auf welche hier noch ausdrücklich verwiesen wird.

Untersuchung der Begehren der Motionssteller.

Die Motionssteller wünschen zu erfahren, welche Maßnahme» der Bundesrat angezeigt erachte, damit die ,,Weine schweizerischen Ursprungs" für den internen Transport in den Mitgenuß der redu-

748 zierten Tarife gesetzt werden, welche die schweizerischen Eisenbahnen den ausländischen Weinen bewilligen.

Hier ist in erster Linie zu betonen, daß im Tarifwesen der Eisenbahnen ein Unterschied in der Behandlung des Gutes rücksichtlich seines Ursprunges nicht gemacht wird. Eine Sendung, welche in Zürich zur Aufgabe gelangt und nach Bern befördert werden soll, wird ganz gleich behandelt, möge das Gut schweizerischen, deutschen, französischen oder überhaupt irgend welchen ausländischen Ursprungs sein. Die schweizerische Güterklassifikation und das schweizerische Gütertarifwesen im allgemeinen kennt nur eine Unterscheidung der Güter nach ihrer Natur und Art, nicht aber nach ihrem Ursprungsland. Eine solche Unterscheidung ließe sich praktisch übrigens gar nicht durchführen, selbst wenn man .zu Ursprungszeugnissen oder analogen Ausweisen seine Zuflucht nehmen wollte. Wir brauchen zum Beweise dieses Satzes nur auf die Manipulationen mannigfachster Art hinzuweisen, welche mit den Gütern im Handel und im Gewerbewesen vorgenommen werden.

Die Verkehrsinteressenten würden sich ganz zweifellos gegen eine derartige Erschwerung der Vei'kehrsbeziehungen auflehnen, und zwar mit gutem Recht, denn diese Behandlungsweise stände mit der gesetzlich verlangten gleichen Behandlung jedermanns (Art. 35, Ziffer 3, des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Dezember 1872) im schroffsten Widerspruch und wäre daher nicht zulässig. Was wir hier im allgemeinen gesagt haben, gilt auch im speciellen für den Artikel ,,Wein a .

Eine Unterscheidung zwischen ,,Weinen schweizerischen Ur·sprunges" und ,,Weinen fremden Ursprunges" möchte vielleicht den Interessen einzelner Produzenten entsprechen, im allgemeinen würde eine solche aber als belästigend, ja geradezu als schädlich befunden werden. Vielfach wäre es im Handel auch mit Rücksicht auf die vorkommenden Mischungen, wozu in der Regel inund ausländische Weinsorten verwendet werden, gar nicht möglich, eine bestimmte Provenienz anzugeben. * Eine tarifarische Unterscheidung zwischen ,,Weinen schweizerischen Ursprunges11 und Weinen andern Ursprungs müßte auch, wenn sie gesetzlich zulässig wäre, in verkehrspolitischer Hinsicht als ein entschiedener Rückschritt bezeichnet werden. Die Einführung des
Prinzipes der Nationalität der Güter in die Tarifierung derselben auf den Eisenbahnen ist entschieden zu verwerfen und dürfte, wenn dasselbe allseitig Annahme finden würde, speciell für die Schweiz von unberechenbaren volkswirtschaftlichen Folgen sein.

Die Motionäre verlangen ferner, daß die Taxen, welche von ·den schweizerischen Eisenbahnen den fremden Weinen bewilligt

749 werden, auch den schweizerischen Weinen im internen Transport gewährt werden müssen.

Wie wir bereits im ersten Teile unseres Berichtes auseinander gesetzt haben und wie leicht an Hand der besteheüden Tarife nachgewiesen werden kann, entsprechen die schweizerischen Eisenbahnen dieser Anforderung jetzt schon, indem sie grundsätzlich in allen Verkehren (schweizerischen und internationalen) dem Artikel ,,Wein" dieselben Taxen zur Verfügung stellen. Eine Bevorzugung des internationalen Verkehres gegenüber des schweizerischen Verkehres findet -- die auf internationalen Verträgen beruhenden Verhältnisse des Gotthardverkehrs vorbehalten -- nirgends statt, es sei denn, man wollte die Taxreduktionen-als eine solche bezeichnen, welche die schweizerischen Verwaltungen demjenigen internationalen Verkehr zugestehen, der durch die Konkurrenz ausländischer Eisenbahnen beeinflußt ist.

Damit kommen wir zur Untersuchung der Frage, kann den schweizerischen Eisenbahnen gestattet werden, in Verkehrsrelationen , welchen gleichzeitig eine ganz oder vorzugsweise ausländische Route und eine schweizerische Route zur Verfügung stehen, von denen die erstere billiger ist, als die letztere, die über erstere sich ergebende Fracht auf die schweizerische Route zu übertragen, ohne daß aus den hierdurch entstehenden Taxermäßigungen Konsequenzen für den schweizerischen Verkehr gezogen werden müssen, d. h. ohne daß die reduzierten Taxen auch dem schweizerischen Verkehr in irgend welcher Form zur Verfügung zu stellen sind.

Infolge der geographischen Lage der Schweiz und der auf den ausländischen Bahnen zum Teil bestehenden Tarifsysteme (Staffeltarife und Ausuahmefraehtsätze) ist die Zahl der Relationen, in welchen die Güter über ausländische Routen, an denen schweizerische Linien gar nicht oder nur mit kleinen Strecken beteiligt sind, sich billiger stellen als über die längste schweizerische Boute, eine nicht unbedeutende. Die Frachtdifferenzen zwischen der ausländischen und der schweizerischen Route sind teilweise beträchtliche. Da die Verkehrsinteressenten sich in der Regel jeweilen der billigsten Route bedienen werden, so befinden sich die schweizerischen Eisenbahnen in der Zwangslage, entweder auf den Wettbewerb am größten Teil des internationalen Verkehrs zu verziehten oder aber demselben die über ausländische Routen sich
ergebenden billigeren Frachtsätze zur Verfügung zu stellen. Sie haben in richtiger Würdigung der Sachlage das letztere vorgezogen, und zwar, wie wir bereits im Bericht vom 23. Novemher 1883, betreffend das Tarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen, eingehend erörtert hatten, mit Zustimmung der hierfür kompetenten AufsichtsBundesblatt. 46. Jahrg. Bd. IY.

49

750 behörden. Wir haben dort (Bundesbl. 1883, IV, 512) nachgewieseu, daß es ungerechtfertigt wäre, im Falle der Aufnahme der ausländischen Konkurrenz von den schweizerischen Eisenbahnen verlangen zu wollen, daß sie die nach derselben regulierten Taxen der Endstation auf die rückliegenden Stationen rückwirken lassen, wie das bei freiwillig ermäßigten Taxen verlangt wird, in der Weise, daß eine Sendung nach einer dem Ausgangspunkt näher gelegenen Station keine höhere Taxe zu bezahlen hätte, als eine solche nach der am meisten konkurrenzierten Endstation. Eine, solche Forderung müßte in den meisten Fällen den Verzicht auf die Übernahme der Konkurrenztaxen zur Folge haben, da der Gewinn aus dem Konkurrenzverkehr nicht so bedeutend wäre, um die Verluste zu decken, welche aus der oft sehr weitreichenden Rückwirkung entstehen würden. Ein Vorteil irgend welcher Art würde hierbei aber für die schweizerischen Landesteile nicht erreicht.

Die Güter gelangten ganz zu denselben Taxen nach den betreffenden Stationen, nur wäre der schweizerische Handelsstand auf die ausländischen statt auf die einheimischen Traosportanstalten angewiesen, und würden jene wohl nicht ermangeln, im Falle der Lahm legung der Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Bahnen die Taxen ganz nach ihrem eigenen Ermessen zu gestalten. Für die schweizerischen Eisenbahnen würde aber der Verzicht auf die Teilnahme am Wettbewerb um den internationalen Verkehr eine ganz empfindliche finanzielle Schwächung bedeuten, deren Folgen naturgemäß sich im ganzen Verkehrsleben fühlbar machen müßten. Wir haben daher schon im Jahre 1883 erklärt, zur Erzielung eines solchen Resultates nicht Hand bieten zu können. Diese Erklärung wiederholen wir heute, wo dio Konkurrenzbedingungen einerseits sich verschärft haben und die Anforderungen, welche an die Leistungsfähigkeit der Bahnen gestellt werden, anderseits immer erhöht werden. Eine solche Schwächung der finanziellen Kraft der Bisenbahnen würde einem Schnitt ins eigene Fleisch gleich kommen und wäre vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus ganz verfehlt.

Wir haben bisher in Übereinstimmung mit den Ausführungen im Bericht von 1883 nur von einer R ü c k w i r k u n g der Taxen für den meistkonkurrenzierten Bndpunkt auf die rückliegenden Stationen gesprochen. Hiervon würde der allgemeine interne schweizerische
Verkehr vielfach gar nicht betroffen. Die Motiouäre wollen aber dem Wein schweizerischen Ursprunges im i n t e r n e n T r a n s p o r t den Mitgenuß der reduzierten Tarife zugesichert wissen, welche die schweizerischen Eisenbahnen den ausländischen Weinen bewilligt haben. Dies heißt mit andern Worten nichts anderes, als die schweizerischen Bisenbahnen sollen verhalten werden, dem Wein schweizerischen Ursprunges im internen Verkehr dieselben Grund-

751

taxen zur Verfügung zu stellen, welche sie dem internationalen, der Konkurrenz unterworfenen Verkehr bewilligen. Einen andern Sinn vermöchten wir wenigstens dem Wortlaut des Begehrens derselben nicht zu geben.

Wir haben nun in unserm Bericht von 1883 (Bundesbl. 1883, IV, 509) ausgeführt, daß das Begehren um Gewährung gleicher kilometrischer Taxen selbst in dem Falle nicht gerechtfertigt wäre, wo die Bahnverwaltungen zur Entwicklung des Verkehres gewisser Relationen es für angezeigt erachten, die Taxen für diesel ben zu reduzieren, und daß der gesetzlich geforderten ,,gleichmäßigen11 Behandlung vollständig Genüge geleistet werde, wenn die reduzierten Taxen so lange nuf die rückliegenden Stationen rückwirken gelassen werden, bis die normale Taxierung sich billiger stelle.

Wenn somit das Gesetz keinen Anhaltspunkt giebt, um bei vollständig freiwilliger Reduktion der Taxen deren kilometrische Anwendung auf den gesamten Verkehr zu verlangen, so ist dies noch viel weniger der Fall bei den durch die ausländische Konkurrenz bedingten Taxermäßigungen. Für diese kann die Vorschrift des zweiten Alineas der Zifier 3 des Art. 35 des Eisenbahngesetzes vom Jahre 1872 angerufen werden, nach welcher die Bahnen gehalten sind, Begünstigungen, welche sie unter irgend welcher Form einräumen, jedermann u n t e r d e n g l e i c h e n U m s t ä n d e n z u bewilligen. Diese gleichen Umstände, wie sie beim Konkurrenzverkehr vorliegen, bestehen eben beim internen Verkehr nicht.

Nachdem wir dargethan haben, daß nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften dem Begehren der Motionäre um Gewährung der gleichen kilometrischen Grundtaxen für den internen Transport wie für den internationalen Konkurrenztransport nicht entsprochen werden kann, erübrigt uns noch, auszuführen, daß die Schaffung neuer gesetzlicher Bestimmungen, welche sie eventuell anregen, um dieses Ziel zu erreichen, nicht empfehlenswert wäre, weil nicht im Interesse der Allgemeinheit gelegen. Der Beweis hierfür liegt bereits in den vorstehenden Ausführungen bei Anlaß der Besprechung der Frage der Rückwirkung der Konkurrenztaxen für die Endpunkte auf die rückliegenden, näher am Ausgangspunkt gelegenen Stationen.

Der Unterschied ist hier nur der, daß die Schwächung der finanziellen Kruft der Bahn Verwaltungen bei Aufoctroyierung der reduzierten Grundtaxen aus dem
Konkurrenzverkehr noch eine ganz bedeutend größere wäre und dieselben daher um so mehr sium Verzicht zur Teilnahme am Wettbewerb zur Bedienung des internationalen Verkehres veranlassen müßte, wollten sie nicht die finanziellen Grundlagen der Unternehmungen ernstlich gefährden und geradezu in Frage stellen. Es kommt hier aber noch ein weiteres Moment

752 in Betracht, welches, selbst wenn man sich über alle Wirtschaft liehen Folgen hinwegsetzen wollte, welche hieraus entstehen müßten, geeignet sein dürfte, die Unhaltbarkeit des gestellten Begehrens darzuthun.

In den im ersten Teil unseres Berichtes angeführten Beispielen der Einwirkung der Konkurrenz ausländischer Bahnen auf den Verkehr über die schweizerische Route haben wir jeweilen die kilometrischen Grundtaxen berechnet, welche sich aus den von der Konkurrenz aufgenötigten reduzierten Taxen ergeben. Wir lassen hier noch eine Zusammenstellung dieser Grundtaxen folgen.

Zusammenstellung der aus den oben angeführten Beispielen Über die Einwirkung der Konkurrenz ausländischer Linien sich ergebenden Grundtaxen (kilometrische Streckentaxe und Expeditionsgebuhr).

Kilometrische Strecken» Expéditionstaxe, gebühr.

Wagenladungen von 5000kg.

I. N o r m a l e T a r i f i e r u n g.

Gotthardbahn . . .

Nordostbahn, Südostbahn Übrige Normalspurbahnen . . . .

II. K o n k u r r e n z t a x e n , berechnet aus: Wien-Genf . . . .

Trient-Lausanne . .

Budapest - Genf via BuchS

Budapest - Genf via Romanshorn. . .

Marseille-Winterthur .

Marseille-Schaffhausen Charolles-Zürich . .

Cette-Luzern . . .

Arvant-Biel . . . .

Aspres-Basel . . .

Gotthardbahn, italienisch-schweizerischer Verkehr . . . .

10000kg.

5000kg. 10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Centimes.

l,is

l.oo

15

1,25

1,10

15

1,35

1,26

15

1,279 0,s*5

0,839 0,709

15 15

0,900

0,558

15

0,873 0,935 0,6ss 0,982 l,139 0,788 0,755

0,523 0,522 0,590 0,868 l,ose 0,743 0,685

15 15 15 15 15 15 15

0,880

0,roo

753 Kilometrische Streckentaxe,

Expeditionsgebühr.

Wagenladungen von 5000kg.

10000kg. 5000kg. 10000kg.

Taxen pro 100 kg. in Centimes.

Asti-Genf . . . . 0,48o(0,485) 0,86o(0,83s) 'S,6 (15) Barletta-Lausanne. .

0,60* 0,571 15 Venedig- St-Maurice .

0,66?

0,488 15 Budapest - ClermontFerrand via Buchs -- (\4ii -- 15 Budapest - ClermontFerrand via Romanshorn -- 0,86l -- 15 Marseille-Freiburg i./B. 0,4oo (0,88oi -- 10(15) -- Cette-Karlsruhe . .

-- 0,824 -- 15 Marseille-Straßburg .

-- 0,soo (0,268~) -- 6(15) Schweizerische Bahnen, italienisch-deutscher / .-.

·.

Verkehr . . . .

0,183o | "'70° \ - -- l 0,560 )

Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich, daß die Grundtaxen je nach der Relation, aus welcher sie berechnet werden, verschieden sind, und zwar variieren sie in den wenigen Beispielen, welche wir angeführt haben, zwischen 1,279 und 0,sso Cts. pro 100 kg. und km. für Wagenladungen von 5000 kg. und I,o8e und 0,288 Cts. für Wagenladungen von 10000 kg. Welche von diesen Grundtaxen ist nun die richtige, die niedrigste oder eine mittlere?

Eine mathematisch richtige mittlere Grundtaxe könnte hier gar nicht festgesetzt werden und man wäre daher genötigt, um sich nicht den Vorwurf der Willkürlichkeit zuzuziehen und dem Begehren der Motionäre in unanfechtbarer Weise Folge zu geben, auf die niedrigste abzustellen, d. h. es müßten die Bahnverwaltungen die Transporte von Wein im internen Verkehr annähernd zu den Selbst. kosten ausführen. Daß dies unmöglich ist, braucht hier wohl ebensowenig weiter ausgeführt zu werden, wie der Satz, daß mit einer derartigen Reduktion der Transportkosten für Wein auf die Selbstkosten jedes Tarifsystem verunmöglicht würde, denn es ist klar, daß die für den Artikel ,,Wein" bewilligte Behandlungsweise den andern Gütern nicht vorenthalten werden könnte, da die Argumente, welche für jenen als ausschlaggebend anerkannt würden, auch für diese als gültig erklärt werden müßten. Eine gesetzliche Regelung dieses Punktes im Sinne der Motionssteller käme daher in seiner Wirkung einem Verbote der Aufnahme der Konkurrenz mit den

754 ausländischen Eisenbahnen und der Beteiligung an der Bedienung des internationalen Verkehres gleich. Die Folge eines solchen Vorgehens wäre nicht etwa eine Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit des schweizerischen Produktes auf dem einheimischen oder ausländischen Markte, die ausländischen Güter könnten unter Umgehung der schweizerischen Hauptlinien ohne irgend welche Verteurung oder Erschwerung an ihre Bestimmung gelangen, sondern nur eine ganz beträchtliche Herabminderung der Einnahmen der schweizerischen Transportunternehmen, welche in allen Gebieten des Verkehrslebens sich sofort auf das Empfindlichste fühlbar machen müßte, da die schweizerischen Eisenbahnen nicht mehr in der Lage wären, den an sie gestellten Anforderungen auf Erleichterungen im Verkehrswesen entsprechen zu können, und vor die Prüfung der Frage gestellt würden, ob nicht von dem nach den Konzessionen ihnen vielfach zustehenden Rechte der Erhebung höherer als der gegenwärtigen Taxen Gebrauch gemacht werden sollte. Zu einem solchen Resultate könnte und dürfte die Aufsichtsbehörde nicht mitwirken, und glauben wir uns damit in voller Übereinstimmung mit der Bundesversammlung zu befinden, in deren Schoß diese Frage schon eingehend erörtert worden ist.

Damit sind wir am Schlüsse unserer Berichterstattung angelangt und resümieren wir die Ausführungen unseres Berichtes in folgsnden Sätzen : 1. Eine unterschiedliche Behandlung der Transportgüter je nach ihrem Ursprungslande ist mit den gesetzlichen Bestimmungen unvereinbar.

Eine Änderung dieser gesetzlichen Bestimmungen wäre verwerflich.

2. Die schweizerischen Eisenbahnen gewähren dem Artikel ,,Wein11 im internen Transport grundsätzlich dieselben Taxen wie im internationalen Verkehr.

Eine Ausnahme hiervon findet, neben dem durch Staatsverträge beeinflußton Verkehr, nur in dem von der Konkurrenz ausländischer Linien betroffenen internationalen Verkehr statt.

3. Die Übernahme der sieh über diese ausländischen Linien ergebenden Konkurrenztaxen durch die schweizerischen Eisenbahnen in der gegenwärtig üblichen Weise steht mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht im Widerspruch und kann nicht beanstandet werden.

4. Eine Übertragung der aus der Konkurrenz sich ergebenden reduzierten Taxen auf den internen Transport kann an Hand der

755

bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht gefordert werden, und zwar weder a. in der Form der Rückwirkung der Taxen für die Endpunkte auf die rückliegenderi Stationen, noch b. durch Übernahme der sich aus den Konkurrenztaxen ergebenden kilometrischen Grundtaxen.

5. In der möglichst ausgedehnten Beteiligung der schweizerischen Eisenbahnen am Wettbewerb um den internationalen Verkehr kann eine Schädigung schweizerischer Interessen nicht erblickt werden, sofern die schweizerischen Verwaltungen nur die von der Konkurrenz ausländischer Eisenbahnlinien diktierten reduzierten Taxen übernehmen.

6. Von einer Erschwerung der Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Eisenbahnen durch neue gesetzgeberische Erlasse, welche eventuell zum Verzicht der schweizerischen Eisenbahnen auf die Teilnahme am Wettbewerb um den internationalen Verkehr führen könnten, ist im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse Umgang zu nehmen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 19. Dezember

1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Bingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Motion Fonjallaz und Mitunterzeichner, betreffend die Weintarife. (Vom 19. Dezember 1894.)

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1894

Année Anno Band

4

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54

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26.12.1894

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733-755

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