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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Handels- und Niederlassungsvertrag mit Norwegen.

(Vom 10. April 1894.)

Tit.

Der Vertrag, welchen wir Ihnen hiermit unterbreiten, ist der erste, welcher mit Norwegen über Handel und Niederlassung abgeschlossen worden ist. Frühere Versuche, mit Schweden und Norwegen gemeinsam über einen solchen Vertrag zu unterhandeln, blieben ohne Erfolg. Die unmittelbare Veranlassung zu denselben, wie zu den Unterhandlungen über den vorliegenden Vertrag, bildeten die Patenttaxen für Handelsreisende. In Schweden wurden seiner Zeit diese Taxen in Verbindung mit lästigen Formalitäten und Verkehrsbeschränkungen verschiedener Art auf den hohen Betrag von 100 Kronen (cirka Fr. 140) für jeden Kalendermonat festgesetzt, so daß in unserem Handelsstande der Wunsch laut wurde, es möchten die bezüglichen Verhältnisse auf dem Vertragswege gemildert werden.

Die jüngsten Unterhandlungen wurden durch unsere eigene Gesetzgebung über die Patenttaxen veranlaßt. Dieselbe bestimmt nämlich, daß in der Schweiz nur die Reisenden derjenigen Staaten auf gleichem Fuße wie die inländischen behandelt werden dürfen, mit welchen eine Vereinbarung zu diesem Zwecke getroffen worden ist. Bei der Gelegenheit des Notenaustausches, welcher deshalb gegen Ende des Jahres 1892 mit den Regierungen der beiden Länder stattfand, wurde von jeder derselben der Wunsch geäußert, mit uns einen allgemeinen Vertrag zu vereinbaren. Als Unterhandlungsort wurde Bern vorgeschlagen. Wir nahmen selbstverständlich diese Offerten gerne an, und hatten sodann das Vergnügen, im Frühjahr 1893 den bevollmächtigten Minister der beiden Staaten, Herrn Christophersen, in Bern zu begrüßen.

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Die Unterhandlungen wurden zunächst auf Norwegen beschränkt.

Es bestand anfänglich beidseitig die Absicht, umfassende Zolltarife zu vereinbaren ; unserseits wurden hierfür die Resultate der Enquête zu Grunde gelegt, welche der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins auf unsern Wunsch veranstaltet hatte. Es machte sich jedoch sehr bald die Schwierigkeit geltend, daß an den meisten der projektierten Konzessionen andere Länder mehr interessiert wären als die Schweiz und Norwegen selbst.

Außerdem trat in diesem letztern Lande während den Unterhandlungen ein Regierungswechsel ein, welcher dem Fortgange derselben nicht förderlich war. Man sah sich schließlich genötigt, die Zollerleichterungen auf einige wenige Specialartikel zu beschränken.

Für Norwegen kamen hierbei in erster Linie frische Meerfische in Betracht. Unsere Nachfragen bei Händlern ergaben, daß von den cirka 8000 q. frischer Fische, welche in unserer Handelsstatistik für das Jahr 1892 als Einfuhr in die Schweiz verzeichnet sind, reichlich zwei Drittel, also cirka 5500 q. im Werte von ungefähr l Million Franken, aus Norwegen kommen, und daß darunter fast nur Schellfisch (cirka 3500 q.) und Lachs (cirka 2000 q.) vertreten sind. Unser Generalzoll für frische Fische beträgt zur Zeit Fr. 2. 50 pei1 100 kg., wobei zu beachten ist, daß dieser Zoll brutto erhoben wird, also auch für die Umhüllungen und die Eislagen in denselben entrichtet werden muß, infolgedessen unter Umständen fast das Doppelte des Zolles betragen kann, welcher die Fische in unverpacktem Zustande treffen würde.

Die Zollfreiheit, welche wir auf den Wunsch Norwegens schließlich für frische und gefrorene Fische gewährten, hat für uns einen Einnahmeverlust von cirka Fr. 26,000 per Jahr zur Folge.

Diesem stehen die erheblichen Konzessionen gegenüber, welche uns von Norwegen für undichte Baumwollgewebe, Stickereien, Seidenbeuteltuch und Kindermehl gemacht worden sind und deren fiskalische Tragweite ungefähr die gleiche wie diejenige unserer Konzession für Fische ist. Für Baumwollgewebe und Stickereien wird der Zoll um nahezu 40°/o, für Seidenbeuteltuch um die Hälfte reduziert und für Kindermehl gänzlich erlassen. Ferner mußten wir uns sagen, daß unsere Konzession für Fische den regelmäßigen Konsum eines billigen und vorzüglichen Volksnahrungsmittels, als welches
besonders der frische Schellfisch anzusehen ist, in der Schweiz erleichtern werde und daher nicht nur vom fiskalischen Standpunkte aus betrachtet werden dürfe. In den meisten europäischen Staaten sind für frische Fische gar keine Zölle aufgestellt.

261 Daß die norwegischen Zugeständnisse für unsern Export von Bedeutung sind, ist außer Zweifel, kann aber nicht ziffernmäßig ausgedrückt werden. Unsere Handelsstatistik behandelt Schweden und Norwegen als ein einziges Gebiet und scheidet also unseren Verkehr mit Norwegen nicht aus. Aber auch abgesehen hiervon könnte sie kein richtiges Bild dieses Verkehrs bieten, weil sich derselbe zum großen Teile durch Vermittlung hamburgischer Häuser vollzieht und daher mehr in den Ziffern betreffend Deutschland enthalten ist. Aus eben dem Grunde können unsere Exporteure keine genügenden Angaben machen, da sie nicht wissen^ wohin ihre Waren von ihren Hamburgerklienten verkauft werden.

Der Bedarf Norwegens, das nur 2 Millionen Einwohner hat und wenig größere Städte besitzt, ist selbstverständlich mit Bezug auf unsere genannten Industrieartikel nicht sehr groß und eröffnet keine weiten Perspektiven. Von unseren Exporteuren wird jedoch inmitten der Zollschranken und Verkehrsschwierigkeiten aller Art, welche sich ihnen entgegenstellen, auch auf die kleineren Absatzgebiete Wert gelegt.

Die T e x t b e s t i m m u n g e n des Vertrages entsprechen denjenigen, welche in den neueren Handels- und Niederlassungsverträgen üblich sind.

Art. l garantiert den Angehörigen der beiden Staaten in jeder Hinsicht und namentlich auch mit Bezug auf die N i e d e r l a s s u n g und den A u f e n t h a l t die Rechte der meistbegünstigten Nation.

Art. 2 bezeichnet die erforderlichen A u s w e i s s c h r i f t e n für die Niederlassung.

Art. 3 und 4 stipulieren die gegenseitige Meistbegünstigung mit Bezug auf die B o d e n - und I n d u s t r i e e r z e u g n i s s e , Einund Ausfuhrverbote, den Konsum, die Einlagerung, Wiederausfuhr, Durchfuhr, den Umlad und überhaupt auf alles was den Handel betrifft.

Art. 5 stellt den gleichen Grundsatz für die gegenseitige Behandlung der H a n d e l s r e i s e n d e n und ihrer M u s t e r auf.

In Norwegen werden zur Zeit keine Taxen von Handelsreisenden erhoben.

Art. 6 nimmt von den Wirkungen des Vertrages die S t a a t s m o n o p o l e , ferner die Specialbegünstigungen zwischen Schweden und Norwegen und diejenigen zu gunsten des G r e n z v e r k e h r s aus.

Zwischen den beiden skandinavischen Ländern besteht mit einigen Ausnahmen Zollfreiheit.

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Art. 7 behält die Entscheidung von Anständen einem Schiedsg e r i c h t vor.

Wie die zur Zeit obschwebende Differenz mit Italien betreffend die Angelegenheit der Valuta für die Zollzahlung zeigt, kann trotz dieser Klausel, die in vielen neueren Verträgen Eingang gefunden hat, das Zustandekommen eines Schiedsgerichts mit großen Schwierigkeiten verbunden sein, wenn die eine der beiden Parteien für diese Lösung eines Auslandes nicht eingenommen ist. Wir glaubten aber nichtsdestoweniger der Klausel auch in dem Vertrag mit Norwegen Eingang verschaffen zu sollen, da dieselbe unter allen Umständen wenigstens einen moralischen Anhaltspunkt für diejenige Partei gewährt, die den Vertrag für verletzt hält.

Art. 8 ordnet die I n k r a f t s e t z u n g des Vertrages auf den 1. August d. J. an, mit welchem Tage das norwegische Finanzjahr beginnt ; die D a u e r des Vertrages soll sich, wie diejenige unserer Verträge mit Deutschland, Österreich-Ungarn und Spanien, bis Ende 1903 erstrecken.

Im S c h l u ß p r o t o k o l l sind die bereits besprochenen Zollvereinbarungen niedergelegt. Außerdem wird darin bestimmt, daß der französische Text des Vertrages, welch letzterer auch in norwegischer Sprache ausgefertigt und unterzeichnet ist, bei Meinungsverschiedenheiten maßgebend sein soll.

o Indem wir Ihnen nach diesen Erläuterungen den beiliegenden Beschlußentwurf und damit den Vertrag aelbst zur Genehmigung empfehlen, erneuern wir Ihnen den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 10. April 1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

den am 22. März 1894 zwischen der Schweiz und Norwegen abgeschlossenen Handels- und Niederlassungsvertrag.

Die ß u n d e s v e r s a m m l u u g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. des am 22. März 1894 mit Norwegen abgeschlossenen Handels- und Niederlassungsvertrages; 2. der betreffenden Botschaft des Bundesrates vom 10. April 1894, beschließt: Art. 1. Dem genannten Vertrage wird die vorbehaltene Genehmigung erteilt.

Art. 2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt..

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