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Bundesgesetz betreffend

die Stimmberechtigung der Aktionäre von Eisenbahngesellschaften und die Beteiligung der staatlichen Behörden bei deren Verwaltung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 3. Dezember 1894, beschließt:

Art. 1.

Die nachfolgenden Bestimmungen betreffen die Aktiengesellschaften für Bau und Betrieb von Normalbahnen.

Art. 2.

Das Stimmrecht in der Generalversammlung steht ausschließlich denjenigen Aktionären zu, deren Aktien auf den Namen lauten und seit wenigstens sechs Monaten oder seit dem Entstehen der Gesellschaft auf den betreffenden Namen im Aktienbuche eingetragen sind.

Denjenigen Aktionären, welche die Aktie nachweislich durch Erbschaft oder Vermächtnis erworben haben, wird die Zeit, während welcher die Aktie auf den Namen ihres Rechtsvorgängers eingetragen war, angerechnet.

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Art. 3.

Es steht jedem Aktionär frei, seine Aktien in der Generalversammlung selbst zu vertreten oder sie durch einen anderen Namensaktionär vertreten zu lassen. Hierbei dürfen jedoch sämtliche im Eigentum eines einzelnen Aktionärs befindlichen Aktien stets nur durch eine einzige Person vertreten werden.

Art. 4.

Mit einer Geldstrafe bis auf Fr. 10,000 werden bestraft solche Aktionäre, die selbst an der Generalversammlung teilnehmen und daneben noch einen Teil der in ihrem Eigentum befindlichen Aktien durch einen oder mehrere andere Aktionäre vertreten lassen; desgleichen solche Aktionäre, die, ohne selbst an der Generalversammlung teilzunehmen, ihre'Aktien durch mehr als einen anderen Aktionär vertreten lassen.

Der gleichen Strafe verfällt, wer in der Generalversammlung Aktien eines Aktionärs vertritt, welcher selbst in der Generalversammlung anwesend ist, oder von dem er annehmen muß, daß er noch einen anderen in der Genoralversammlung anwesenden Aktionär mit der Vertretung von ihm gehörenden Aktien beauftragt habe.

In schweren Fällen kann mit der Geldstrafe Gefängnisstrafe bis auf drei Monate verbunden werden.

Die Beurteilung unterliegt der Bundesgerichtsbarkeit.

Art. 5.

Die Anzeige an die Inhaber von Aktien über die in Art. 641, Abs. l, O.-R. genannten Vorlagen geschieht nur durch diejenigen öffentlichen Blätter, welche für Bekanntmachungen der Art bestimmt sind.

Art. 6.

In die Verwaltung sind nur Schweizerbürger, welche in der Schweiz wohnhaft sind, wählbar.

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Ausnahmen sind gestattet in den Fällen, in denen durch Staatsverträge die Wahl von Angehörigen anderer Staaten vorgesehen ist oder in denen der Bundesrat die Wahl solcher bewilligt hat.

Art. 7.

Wenn die Verwaltung aus mehreren Mitgliedern besteht, so ist der Bundesrat berechtigt, l--3 Mitglieder zu wählen.

Ebenso ist die Regierung eines jeden Kantons, auf dessen Gebiet das Bahnnetz einer Gesellschaft sich erstreckt, berechtigt, l--8 Mitglieder zu wählen. Die Gesamtzahl der kantonalen Vertreter darf jedoch höchstens den dritten Teil der Gesamtzahl der Verwaltungsmitglieder ausmachen. Bei der Verteilung derselben auf die Kantone ist die Größe des Interesses maßgebend, welches die einzelnen Kantone am Bahnunternehmen haben. Wenn über die Gesamtzahl oder die Verteilung Streit entsteht, so entscheidet darüber der Bundesrat.

Die übrigen Mitglieder der Verwaltung wählt die Generalversammlung.

Die von den staatlichen Behörden gewählten Mitglieder stehen in gleichen Rechten und Pflichten wie diejenigen, welche von der Generalversammlung gewählt sind, mit der Ausnahme, daß die ersteren nicht gehalten sind, Aktionäre zu sein.

Art. 8.

Die Beschlüsse der Generalversammlung und der Verwaltung sind dem Bundesrate vor dem Vollzuge zur Kenntnis zu bringen. Diese Vorschrift bezieht sich nicht auch auf die Beschlüsse der Geschäftsführer der Verwaltung (Direktion).

Art. 9.

Dem Bundesrate steht das Recht zu, Beschlüsse der Generalversammlung oder der Verwaltung, durch welche

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bedeutende öffentliche Interessen ernstlich gefährdet oder verletzt werden, aufzuheben.

Die Bahngesellschaft kann gegen die Verfügung des Bundesrates an die Bundesversammlung rekurrieren.

Art. 10.

Die Übertragung wichtiger Beamtenstellen, wie diejenige eines Direktors, Betriebschefs, Maschinenmeisters, Bahningenieurs, des Vorstandes einer Hauptstation, an Ausländer bedarf der Genehmigung des Bundesrates. Der Bundesrat ist auch berechtigt, die erteilte Genehmigung jederzeit zurückzuziehen.

Art. 11.

Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Übergangsbestimmungen.

Art. 12.

Die Eisenbahngesellschaften sind gehalten, die Statuten binnen einer vom Bundesrate zu bestimmenden Frist mit den Vorschriften dieses Gesetzes in Einklang zu setzen.

Art. 13.

Diejenigen Aktionäre, welche binnen dreißig Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes ihre Aktien auf den Namen im Aktienbuch eintragen lassen, erwerben das Stimmrecht.

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Schlussbestimmungen.

Art. 14.

Durch dieses Gesetz werden die demselben widersprechenden Bestimmungen des Obligationenrechtes, soweit dieselben die Normaleisenbahngesellschaften betreffen, aufgehoben.

Art. 15.

Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze nnd Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Bundesgesetz betreffend die Stimmberechtigung der Aktionäre von Eisenbahngesellschaften und die Beteiligung der staatlichen Behörden bei deren Verwaltung.

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Jahr

1894

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51

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.12.1894

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255-259

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