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Bericht der

nationalrätlichen Kommission über die Geschäftsführung und die Rechnung der Alkoholverwaltung pro 1893.

(Vom 27. November 1894.)

Tit.

Die Bundesversammlung hat anläßlich der Behandlung des Geschäftsberichtes der Alkohol Verwaltung pro 1892 bezüglich der in jenem Zeitpunkte noch nicht erledigten Postulate am 16. Dezember 1893 Beschlüsse gefaßt, wodurch die Mehrzahl dieser Postulate erledigt wurden; aufrechterhalten wurde das Postulat betreffend Veranstaltung von Erhebungen über die Aufsicht der Kantone bei Fabrikation und Verkauf von nicht monopolpflichtigem Branntwein und beim Handel mit den vom Bunde abgegebenen Produkten und das Postulat betreffend Vorlage eines Organisationsgesetzes der Alkoholverwaltung.

Diese Postulate sind im Berichtsjahre nicht zur Erledigung gelangt aus Gründen, welche im Verlaufe unserer Berichterstattung zur Sprache kommen werden; sie sind also aufrechtzuerhalten.

Der diesjährige Bericht unterscheidet sich in der Form von den frühern dadurch, daß er, einem Wunsche der Kommissionen entsprechend, kürzer gefaßt, und daß der Text von den statistischen Tabellen getrennt ist; die Tabellen sind in einen Anhang verwiesen und im Inhaltsverzeichnis der Zusammenhang zwischen Text und Tabellen angegeben; wir sind mit diesem Verfahren einverstanden.

Die anläßlich der Behandlung des letzten Geschäftsberichts in Aussicht gestellte Vorsorge für eine regelmäßige Einsicht der parlamentarischen Kommissionen in den Geschäftsgang der Verwaltung ist inzwischen ins Leben getreten.

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Die vereinigten Kommissionen des Nationalrates und des Ständerates haben unterm 26. Februar 1894 ein Reglement betreffend die Aufstellung einer ständigen Delegation erlassen und deren Aufgaben und Befugnisse normiert.

Nach diesem Réglemente besteht die Delegation aus 5 Mitgliedern, von welchen die Kommission des Rates, welcher die Priorität filr die Behandlung des Geschäftsberichtes hat, 3, die Kommission des andern Rates 2 Mitglieder wählt, und zwar während der Juniaession auf die Dauer von einem Jahre; Präsident und Vizepräsident sollen nicht demselben Rate angehören; die Delegation versammelt sich vierteljährlich in Bern und behandelt den von der Direktion der Alkohol Verwaltung ihr zu unterbreitenden Quartalbericht über die Geschäftsvorkommnisse der abgelaufenen Periode, wobei die einzelnen Rubriken des Jahresberichtes zu berücksichtigen sind ; die Delegation legt das Ergebnis ihrer Beratungen, zu welchen der Direktor beigezogen werden kann, in einem Protokolle nieder, welches den Präsidenten der beiden Kommissionen und dem Vorsteher des Finanzdepartements mitzuteilen ist.

Die neue Einrichtung hat seit der Mitte dieses Jahres funktioniert, und Ihre Kommission hat den Eindruck erhalten, daß sich dieselbe sehr wohl bewährt habe, indem dadurch ein Organ geschaffen worden ist, welches geeignet ist, die verfassungsmäßige Aufsicht der Bundesversammlung zu fördern, ohne die Selbständigkeit und Verantwortlichkeit der Verwaltung zu schwächen.

Zu den einzelnen Abschnitten des Geschäftsberichtes pro 1893 haben wir folgende Bemerkungen zu machen : 3. Organisation und Personelles.

Durch den Beschluß betreffend Errichtung eines Gebäudes für die chemischen Untersuchungen der Alkoholverwaltung ist die Möglichkeit näher gerückt, in den frei werdenden Räumlichkeiten des Verwaltungsgebäudes einen besondern Kassendienst einzurichten; wir nehmen ao, daß auf diesen Zeitpunkt dann auch die gesetzliche Organisation der Verwaltung werde vorbereitet werden gemäß dem früher aufgestellten Postulate.

Aus den statistischen Aufstellungen ergiebt sich, daß die Geschäftslast der Verwaltung, soweit sie den Verkauf betrifft, trota der Abnahme, welche der Gesamtumsatz im Berichtsjahre erlitten hat, im Zunehmen begriffen ist, weil die direkten Bezüge bei der Verwaltung sich fortwährend vermehren.

672 5. Einkauf.

Die Durchführung des Beschlusses der Bundesversammlung, betreffend Berechnung des der Inlandsbrennerei reservierten Vierteils des Bedarfs erfolgte erst im laufenden Jahre; ebenso gehört die neue Redaktion des Pflichtenheftes der Inlandsbrennereien und die Neuvergebung der Brennlose nicht mehr dem Berichtsjahre an.

Die Notiz auf Seite 21 des Berichtes, wonach einem Straffälligen ein Quantum von 75 Liter (absoluten Alkohols) käuflich durch die Verwaltung abgenommen wurde, ist dahin zu erläutern, daß im Gesetz die Konfiskation von Ware, welche dem Monopol zuwider gebrannt worden ist, nicht vorgesehen ist, so daß die Verwaltung auf die Verständigung mit dem Eigentümer angewiesen ist; selbstverständlich wurde der Verkaufspreis an dem Betrage der Buße abgerechnet.

An Auslandssprit wurde auf das Jahr 1894 ein Vorrat von 28,000 Metereentner übergetragen, gegen 10,900 Metercentner im Jahre vorher; es hängt dies mit der in diesem Umfange nicht erwarteten Abnahme des Konsums zusammen.

7. Verkauf zu Trinkzwecken.

Aus den vergleichenden Zahlen über den Inlandskonsum per Kopf der Bevölkerung ergiebt sieh eine auffallende Konstanz des Konsums in den einzelnen Kantonen.

10. Verkauf zu technischen und Haushaltungszwecken.

Zu den 32,452 Metercentnern denaturierter Ware, welche von der Verwaltung abgegeben wurden, kommen noch 4500 Metercentoer Privatimport, so daß der Gesamtverbrauch denaturierter Ware 37,000 Metercentner ausmacht; es sind dies 1500 Metereentner mehr, als im Vorjahre. Die Zunahme des Konsums der denaturierten Ware mag neben der steigenden Verwendung in deiIndustrie auch darin ihren Grund haben, daß das Publikum sich daran gewöhnt, für einzelne Zwecke denaturierten Stoff zu brauchen, wo vor der Monopolisierung reiner Stoff verwandt wurde. Die Verwaltung schenkt der Verhinderung der betrüglichen Renaturierung fortwährend große Aufmerksamkeit.

11. Expropriation.

Die im Berichtsjahre vollzogene Entschädigung an einen Brenner im Amte Pruntrut betrifft eine nachträgliche Vergütung über die

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Feststellung der Schatzungskommission hinaus; die Schatzungskommission hatte aber in ihrem Befunde die Ansicht ausgesprochen, daß aus Billigkeitsgründen eine besondere Vergütung von Fr. 9200 sich empfehlen würde; die im Berichtsjahre wieder aufgenommenen Verhandlungen führten dann zu der Zusprechung einer Aversalsumme von Fr. 5500 durch den Bundesrat.

12. Kleinhandel.

In diesem Abschnitte wird die Eingabe einer großen Zahl von Spirituosenhändlern besprochen, worin die einheitliche Regelung des Branntweinhandels der Bundesversammlung dringend empfohlen wird; die Gesuchsteller machen mit Recht geltend, daß durch die jetzige kantonale Gesetzgebung, kraft welcher jeder Kanton befugt ist, für den Kleinverkauf in seinem Gebiete ein besonderes Patent zu verlangen, der Kleinhandel sehr erschwert ist, und es liât Ihre Kommission in frühern Berichten auf das Mangelhafte des jetzigen Zustandes hingewiesen. Es ist aber zuzugeben, daß eine richtige Abhülfe sehr schwierig ist. Am nächsten läge die Ausführung des Art. 8 des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser, in welchem der Erlaß eines Bundesgesetzes über den Kleinverkauf vorgesehen ist ; allein dieses Vorgehen würde nicht ohne weiteres den von den Petenten beklagten Übelständen abhelfen; ein solches Bundesgesetz könnte allerdings an Stelle der Mannigfaltigkeit der kantonalen Taxen einen einheitlichen Ansatz bringen; da aber uaeh Art. 32bi" der Bundesverfassung die Reineinnahmen aus der Besteuerung des Verkaufs der gebrannten Wasser den Kantonen verbleiben sollen, in welchen die Taxen zum Bezug gelangen, so ergäbe sich ein Vorteil für die exportierenden Kanlone gegenüber den konsumierenden, importierenden Kantonen, ein Verhältnis, das kaum die allgemeine Billigung finden würde; auch darf bezweifelt werden, ob der Bund in der Lage wäre, die Patuntansätze im ganzen Lande unter Berücksichtigung aller Verhältnisse richtig und gleichmäßig festzusetzen, da ihm zur Zeit wenigstens die Organe zu einer solchen Detailarbeit abgehen. Es wäre also zuerst das in der Verfassung liegende Hindernis durch deren Revision zu beseitigen, ein Vorgehen, zu dem nicht geraten werden kann. Ein anderer Weg, den Petenten in gewissem Maße entgegenzukommen, wäie die Herabsetzung des in Art. 8 des Bundesgesetzes festgesetzten Maßes des Kleinhandels von 40 Liter auf 2(1 Liter, so
daß also kantonale Patente erst für den Verkauf von 20 und weniger Liter nötig würden; Ihre Kommission glaubt nicht, daß dadurch der Konsum von Spirituosen, den man durch das Gesetz einschränken wollte, in erheblichem Maße wieder erleichtert würde; dagegen muß sie zugeben, daß eine

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Revision des Gesetzes in diesem Punkte leicht als ein Nachlassen in der durch die Gesetzgebung angestrebten und von der Mehrheit des Volkes begrüßten Strenge gegen den Alkoholisrnus aufgefaßt würde und jedenfalls ohne Ausgleichungen in Bezug auf andere Punkte der ganzen Materie nicht könnte an die Hand genommen werden ; wir glauben aber, daß es sich zur Zeit noch nicht empfehle, eine Revision der Gesetzgebung anzubahnen, da noch andere Punkte einer Abklärung bedürfen; wir sind deshalb der Ansicht, es sollte zur Zeit der Petition keine Folge gegeben werden.

13. Straf bestini mutigen.

Im Berichtsjahre sind der Verwaltung nur 15 kantonale Strafverfügungen betreffend Übertretungen des Alkoholgesetzes mitgeteilt worden, und zwar sind dabei nur wenige Kantone beteiligt.

Ihre Kommission ist angesichts dieser kleinen Zahl veranlaßt, wieder, wie schon in ihren zwei letzten Berichten, ihre Überzeugung bestimmt dahin auszusprechen, daß in den meisten Kantonen der Alkoholpolizei nicht die genügende Aufmerksamkeit geschenkt wird, soweit es sich um den Schutz der das eidgenössische Monopol betreffenden Vorschriften handelt. Wir erklären uns dies nicht aus einem Mangel an gutem Willen der kantonalen Organe, wohl aber aus einem Mangel an genügender Kenntnis der einschlagenden Bestimmungen und an Verständnis der schwierigen Materie und müssen daher die frühere Einladung an den Buudesrat wiederholen, den Kantonen in zweckdienlicher Weise die Aufgaben, welche ihnen zur Durchführung des für die Interessen der Kantone so wichtigen Monopols erwachsen sind, klarzulegen und ihnen zur Erfüllung derselben an die Hand zu gehen ; das Postulat betreffend Veranstaltung von Erhebungen über die Aufsicht der Kantone bei Fabrikation und Verkauf von nicht monopolpflichtigem Branntwein bietet hierzu Anlaß, und es würde insbesondere die Berufung von Konferenzen der kantonalen Aufsichtsorgane zur Aufklärung Erhebliches beitragen; es haben auch die Kantone, welche ihren bezüglichen Verpflichtungen eifrig nachkommen, einen Anspruch darauf, daß die andern Kantone ihnen nachfolgen.

Anlaß zu Erörterungen gab auch das Verfahren der Alkoholverwaltung bezüglich der Einnahmen aus dem sogenannten Verleideranteil.

Nach Art. 16 des ßundesgesetzes kommt ein Drittel der Bußen und Geldstrafen dein Anzeiger zu ; die Verwaltung hat nun seit einigen Jahren die Verleideranteile, welche an ihre Beamten, insbesondere die Controleure gelangten, denselben nicht mehr ausgezahlt.

675 sondern in einen Verleiderfonds gelegt, aus welchem Verwendungen zu gunsten der Gesamtheit der Beamten gemacht werden; so ist im Berichtsjahre die Unfallversicherungsprämie für die Controleure aus diesem Fonds bezahlt worden. Die Ansichten über die Richtigkeit dieses Verfahrens sind in Ihrer Kommission geteilt; die Verleideranteile bestehen in den kantonalen Gesetzgebungen meistens nicht mehr, während die Bundesgesetzgebung sie noch kennt; man kann über die Zweckmäßigkeit der Einrichtung verschiedener Meinung sein; sofern sie aber im Gesetze noch anerkannt ist, läßt sich doch fragen, ob auf dem Verwaltungswege an Stelle der Ausweisung an die bestimmte Person die Anlegung eines Fonds treten könne, welcher der Gesamtheit des Verwaltungspersonals zu gute kommen soll; dafür spricht die Erwägung, daß sehr oft die Entdeckung einer Zuwiderhandlung nicht einem einzelnen bestimmten Beamten zu verdanken sei, sondern dem wohl vorbereiteten Zusammenwirken einer Mehrzahl von Beamten, insbesondere der sorgfältigen Leitung seitens der obersten Beamtung, welche niemals den Verleideranteil für sich in Anspruch genommen hat; es darf aber in Erwägung gegeben werden, ob nicht wenigstens durch die Ausweisung von Gratifikationen an besonders eifrige Beamte am Schlüsse des Jahres der Zweck der Einrichtung und der Wortlaut des Gesetzes besser gewahrt würde, als durch die ausschließliche Verwendung der Gesamteinnahme zu Zwecken, welche allen Beamten gleichmäßig zu gute kommen.

Wir beehren uns schließlieh, den Antrag zu stellen, es sei der G e s c h ä f t s f ü h r u n g und der R e c h n u n g der A l k o h o l v e r w a l t u n g p r o 1893 d i e G e n e h m i g u n g z u e r t e i l e n .

B e r n , den 27. November

1894.

Namens der Kommission, Der Berichterstatter :

Dr. Paul Speiser.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch von Gottfried Weber, Weichenwärter, und Rudolf Eichenberger, Güterarbeiter, beide von und in Beinwyl (Vom 11. Dezember 1894.)

Tit.

Samstag den 7. Oktober 1893 hatte der von Beinwyl nach Reinach fahrende Seethalbahnzug Nr. 3 a auf der erstgenannten Station einen auf dem Maschinenschuppengeleise stehenden Güterwagen mitzunehmen. Hinter diesem Wagen standen in einer Entfernung von cirka l m. zwei leere zusammengekuppelte Reservepersonenwagen. Diese zwei Fahrzeuge waren am vorhergehenden Abend dorthin verbracht worden, wobei von den betreffenden Arbeitern unterlassen worden war, dieselben vorschriftsgemäß festzubremsen. Sie hatten sich damit begnügt, ein Rad des vordem Wagens mit einem Steine zu unterkeilen. Während der rückwärts erfolgten Ausfahrt des Zuges 3 a gerieten die beiden Reservepersonenwagen in Bewegung und rollten auf jenen zu. Das erste der entlaufenen Fahrzeuge prallte hierbei auf die Flanke des Personenwagens des Zuges und entgleiste mit der vordem Achse. Bei dem Unfall wurde niemand verletzt und der entstandene Materialschaden war nur ein geringer. Für das Vorkommnis wurden zur Verantwortung gezogen der Weichenwärter Gottfried Weber und der Güterarbeiter Rudolf Eichenberger. Diese beiden hatten die Reservewagen auf das Remisengeleise verbracht und unterlassen, die-

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Bericht der nationalrätlichen Kommission über die Geschäftsführung und die Rechnung der Alkoholverwaltung pro 1893. (Vom 27. November 1894.)

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1894

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53

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19.12.1894

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670-676

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