665

# S T #

Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend den Rückzug der italienischen Silberscheidemünzen.

(Vom 18. Mai 1894.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Uns auf die frühern Kreisschreiben und Mitteilungen unseres Finanzdepartements betreffend den Rückzug der italienischen Silberscheidemünzen beziehend, beehren wir uns, Sie über die gegenwärtige Situation aufzuklären und gleichzeitig Ihre gefällige Mitwirkung zur weitern bestmöglichen Durchführung dieses Miinzenabschubes in Anspruch zu nehmen.

Unsere erste Bekanntmachung vom 24. März 1894 hat im Sinne des Kreisschreibens des Finanzdepartements vom 5. März 1894 die weitgehendste Verbreitung gefunden ; in einer Auflage von mehr als 20,000 Plakaten ist dieselbe in allen Gemeinden, in allen Zoll- und Postbureaux, in allen Eisenbahn- und Dampfschiffstationen durch Anschlag zu allgemeiner Kenntnis gebracht worden.

Wie Sie der Bekanntmachung selber und den nähern Erläuterungen des Pinanzdepartements (Kreisschreiben vom 22. März 1894) haben entnehmen können, haben wir noch keinen eigentlichen Auswechslungsdienst eingeführt; ein solcher kann auch nicht organisiert werden, solange es nicht durch Maßregeln diesseits und jenseits der Grenze gelungen ist, die spekulative Einfuhr zu unterdrücken, welche auch nach neuesten Berichten beinahe ungeschwächt ihr Unwesen treibt.

Wäre ein solcher Auswechslnngsdienst von Anfang an und mit Fortdauer bis zum 24. Juli organisiert worden, so hätte das ferner die unvermeidliche Folge gehabt, daß jedermann bis gegen den Ablauf

666

des Rtickzugstermines diese italienischen Silberscheidemiinzen sorglos eingenommen und wieder ausgegeben hätte, und wir wären der Gefahr ausgesetzt gewesen, daß in den letzten 14 Tagen vielleicht für 15--20 Millionen Franken solcher MUnzen auf einmal zur Auswechslung sich präsentiert hätten.

Wenn nun auch im großen und ganzen die Operation des Rückschubes in ziemlich regelmäßiger Weise sich vollzieht und von vielen Orten bereits eine starke Abnahme der italienischen Münzen gemeldet wird, so wird auf der andern Seite vielfach die Befürchtung ausgesprochen, es könnte ohne weitere Maßregeln im Sinne einer Erleichterung des Münzenabschubes der Termin bis zum 24. Juli für solche Leute zu kurz bemessen sein, welche keine oder nur wenige Beziehungen zu den öffentlichen Kassen haben und welchen deshalb die Gelegenheit fehle, italienische MUnzen, deren Annahme vielfach nicht zu verweigern sei, an Zahlungsstatt anzubringen.

Diesen Wünschen und Verhältnissen Rechnung tragend, hat der Bundesrat die sämtlichen Post- und Telegraphenbureaux angewiesen, vom 24. Mai an Beträge von Fr. 10 auf die einzelne Person berechnet zur Auswechslung anzunehmen, immerhin unter dem Vorbehalte, daß bei größerem Andränge denselben die nötige Zeit zum Bezüge von Barschaft bei der vorgesetzten Kassenstelle einzuräumen sei und daß dieselben in Fällen von offenbarem Mißbrauche berechtigt seien, die Auswechslung zu verweigern.

Wir hoffen, daß der Bundesrat mit dieser Verfügung, welche unter anderm durch Anschlag in sämtlichen Post- und Telegraphenbureaux zur Kenntnis des Publikums gebracht worden ist, einem weit verbreiteten Bedürfnisse entgegengekommen sei.

Nun ist es aber noch ein anderer Punkt, auf welchen wir die Aufmerksamkeit der h. Kantonsregierungen lenken möchten.

Während in den einen Kantonen und Kantonsgegenden die Kantonsbehörden und die Presse Anstrengungen machen, unsere Bevölkerung über die durch das neue Pariser Abkommen geschaffene Situation und die Gefahren aufzuklären, von welchen der Einzelne bei Nichtbeachtung der erlassenen Bekanntmachungen bedroht ist, geschieht in andern Gegenden sozusagen nichts, und wir glauben, es als richtig voraussetzen zu müssen, wenn von verschiedenen Seiten an uns berichtet wird, daß die bisherigen Publikationen noch nicht genugsam zu allgemeiner Kenntnis gelangt sind und daß
insbesondere die Gefahren, welche daraus entstehen könnten, noch nicht zu allgemeinem Verständnis gelangt sind.

Unter diesen Umständen halten wir es für unsere Pflicht, uns des Beistandes und der Unterstützung der Kantonsregierungen zu

667

versichern, indem wir dieselben angelegentlichst einladen, die zu weiterer und fortgesetzter Aufklärung der Bevölkerung nötigen Maßnahmen zu treffen. Wir glauben dies um so eher thun zu dürfen, als es sich um eine für unsere ganze Einwohnerschaft höchst wichtige Angelegenheit handelt und als die Kantonsregierungen in erster Linie das Maß des Bedürfnisses in ihren resp. Kantonen und die geeignetsten Mittel der Publizität zu beurteilen im stände sind.

Die wesentlichsten Punkte, welche bei dieser Aufklärung der Bevölkerung in Betracht fallen, sind folgende : 1. Die R U c k z u g s p e r i o d e d a u e r t nur bis zum 24. Juli 1894, und es ist nach den Bestimmungen des internationalen Übereinkommens vom 15. November 1893 jede Fristverlängerung ausgeschlossen.

2. Die italienischen Silberscheidemünzen hatten bis jetzt schon für den privaten Verkehr keinen legalen Kurs. K e i n P r i v a t e r ist gehalten, italienische Silberscheidemünzen anz u n e h m e n , und das beste Mittel, vor drohendem Schaden sich zu bewahren, ist die Verweigerung der Annahme solcher Münzen.

3. Wer aus geschäftlichen Gründen oder andern Erwägungen diese Verweigerung nicht konsequent durchführen zu können glaubt, dem bieten sich folgende Wege zum nochmaligen Abschub dieser Münzen : a. Die Bundeskasse, "die Hauptzoll- und Kreispostkassen, die Kassen der eidgenössischen Pnlververwaltung, die Grenzzoll-, Post- und Telegraphenbureaux und die öffentlichen Kassen in den Kantonen, welche von der betreffenden Kantonsregierung als solche bezeichnet worden sind, haben die vertragliche Verpflichtung, italienische Silberscheidemünzen bis auf den Betrag von 100 Franken auf jeder einzelnen Zahlung an Z a h l u n g s s t a t t anzunehmen. D i e s e V e r p f l i c h t u n g h ö r t a b e r m i t d e m 2 4 . J u l i 1894 u n w i d e r r u f l i c h a u f .

In diese Kategorie von Zahlungen fallen: die Entrichtung von Steuern und Gebühren, von Zollbeträgen, Postnachnahmen, die Aufgabe von Postmandaten, Bezahlung von Frankaturen, Ankauf von Briefmarken, überhaupt alle gegenüber den öffentlichen Kassen zu erfüllenden Verpflichtungen.

b. Die sämtlichen Post- und Telegraphenbureaux sind gehalten, Beträge bis auf 10 Franken auf die einzelne Person auszuwechseln, immerhin unter dem Vorbehalte, bei großem Andränge schweizerische Silberscheidemünzen vorerst von der vorgesetzten Kasse beziehen und in Fällen von offenbarem Mißbrauche die Auswechslung verweigern zu können.

668

4. Die sämtlichen schweizerischen Eisenbahngesellschaften und Dampfbootunternehmungen haben sich einverstanden erklärt, während der Rückzugsperiode vom 24. März bis zum 24. Juli 1894 an ihren Billetschaltern die italienischen Silberscheidemünzen an Zahlungsstatt anzunehmen.

Überzeugt, daß die hohen Kantonsregierungen unter Mitwirkung der Gemeindebehörden nichts unterlassen werden, um die Bundesbehörden in einer befriedigenden Abwicklung dieser Operation des Rückzuges der italienischen Silberscheidemünzen thatkräftig zu unterstützen , erlauben wir uns noch den Wunsch auszusprechen, Sie möchten den Bundesrat von der Art und Weise des Vollzuges unserer vorstehenden Einladung in Kenntnis setzen.

Im übrigen benutzen wir diesen Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu. empfehlen.

B e r n , den 18. Mai 1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend den Rückzug der italienischen Silberscheidemünzen. (Vom 18. Mai 1894.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1894

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

21

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.05.1894

Date Data Seite

665-668

Page Pagina Ref. No

10 016 616

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.