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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Rollbahn von der Station Murren zum Kurhaus Murren und eventuell seinen Dependenzen.

(Vom 11. April 1894.)

Tit.

Mit Eingabe vom 24. November 1893 suchte Herr J. SterchiW e t t a c h , Hotelbesitzer in Murren, um Konzessionierung einer bereits erstellten R o l l b a h n von der S t a t i o n M u r r e n zum K u r h a u s M u r r e n u n d e v e n t u e l l s e i n e n D e p e n d e n z e n nach.

Der Petent habe die von der Gesellschaft der LauterbrunnenMürren-Bahn erstellte und seither in das Hoheitsrecht des Staates übergegangene Straße von der Station zum Dorfe Murren benutzt, um auf deren Nordseite ein Geleise einzulegen und darauf eine Rollbahn in Betrieb zu setzen, welche dazu bestimmt sei, hauptsächlich das Gepäck der Reisenden und nötigenfalls auch diese zum Hotel zu führen. Durch die kompetente Behörde über die Bestimmungen des Eisenbahngesetzes belehrt, habe er den bereits eröffneten Betrieb eingestellt und sich veranlaßt gesehen, nachträglich das Gesuch um Konzessionierung dieser Rollbahn einzureichen.

Dieselbe sei als eine große Erleichterung für das reisende Publikum und die Hotelbesitzer anzusehen, hindere den allgemeinen Verkehr nicht, könne niemand belästigen und beeinträchtige auch die Anlage der Straße nicht.

Die Länge der bereits erstellten Bahn zwischen Station und Kurhaus Murren beträgt cirka 450 m., die projektierte Verlängerung beziehungsweise Abzweigung zu den Dependenzhotels Viktoria und Bellevue 180, beziehungsweise 65 m., die Spurweite 0,50 m., die Maximalsteigung 28 °/oo, der Minimalradius 8 m. Der Betrieb soll entweder, durch Pferde oder Angestellte des Hotels erfolgen.

Die Erstellungskosten für diese Anlage mit Geleisen und Betriebsmaterial belaufen sich total auf cirka Fr. 8000.

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Das Konzessionsgesuch wurde zur Vernehmlassung der Regierung des Kantons Bern mitgeteilt, welche gegen die Erteilung der Konzession nichts einzuwenden hat, da diese Rollbahn den Verkehr weniger beeinträchtige, als zum Beispiel ein Omnibus oder Fourgon.

Was die Benutzung der Straße anbetreffe, auf welcher das Geleise eingelegt sei, so habe sich der Konzessionsbewerber mit der Gemeinde abzufinden, da der Weg in deren Unterhalt und unter deren Aufsicht stehe. Die Einwohnergemeinde Lauterbrunnen giebt ihrerseits durch Beschluß vom 24. Februar 1894 zu der Konzessionserteilung ,,die gesetzliche Zustimmung unter der Bedingung, daß' Herr Sterchi alle Folgen, welche eine Wegverbreiterung nach sich ziehen könnte, auf sich nimmt.1* Obwohl es sich für die Gemeinde um keinerlei ,,gesetzliche Zustimmung11, sondern nur um die Bewilligung zur Straßenbenutzung handeln kann, so glaubten wir doch diese Form des Gemeindebeschlusses im Sinne einer thatsächlichen Bewilligung der Straßenbenutzung interpretieren und diese Frage als geregelt betrachten zu können, sofern seitens des Patenten die an die Bewilligung geknüpfte Bedingung acceptiert werden würde, was in der Folge geschehen ist, indem der Vertreter der Erbschaft des inzwischen verstorbenen Gesuchstellers an den konferenziellen Verhandlungen, welche unterm 21. März abhin stattfanden, die Erklärung zu Protokoll gab, daß die Erbschaft Sterchi die von der Gemeinde gestellte Bedingung annehme.

Seither ist in dieser Frage noch eine weitere Kundgebung erfolgt, indem unterm 3. April abhin ein von 37 Einwohnern des Dorfes Murren .unterzeichneter Protest bei uns eingegangen ist, worin verlangt wird, daß die nachgesuchte Konzession nur für die bereits erstellte Rollbahn, nicht aber für die projektierte Verlängerung zu den Dependenzen des Kurhauses Murren erteilt werde.

Zur Begründung dieser Eingabe wird bemerkt, daß an der Gemeindeversammlung vom 24. Februar, welche die Einwilligung erteilte, von Murren niemand teilgenommen habe, weil die ungünstige Witterung die Reise nach Lauterbrunnen sehr beschwerlich gemacht habe und zudem die wenigsten Leute Kenntnis von der Versammlung gehabt hätten. In materieller Beziehung wird geltend gemacht, daß die Gemeindestraße, welche zur Anlage der Rollbahn benutzt werden solle, sehr schmal sei und kaum der jetzigen Frequenz genüge. Werde
in dieselbe noch eine Rollbahn eingeführt, so sei vorauszusehen, daß die Einwohner in ihrer Bewegungsfreiheit erst recht gehindert und namentlich deren Kinder gefährdet würden.

Wir sehen uns durch diese Eingabe zu keiner Änderung in unserer Stellungnahme dem Konzessionsgesuch gegenüber veranlaßt, da das Requisit der Bewilligung der Straßenbenutzung durch den Beschluß

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der Gemeindeversammlung, dessen Rechtsgültigkeit nicht angefochten wird, als erfüllt zu betrachten ist, und überdies dem Einwand, daß die Straßenbreite für Aufnahme der Rollbahn nicht genüge, bereits in der dem Beschlüsse beigefügten Bedingung Rechnung getragen wird, wonach der Konzessionspetent für alle Folgen, welche eine Wegverbreiterung nach sich ziehen könnte, aufzukommen hat, so daß eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen bei effektiver Ausführung der projektierten Abzweigungen als ausgeschlossen erscheint.

Einer Konzessionierung der Bahn stehen somit unseres Erachtens keine Hindernisse mehr entgegen, sofern nicht grundsätzlich die Einwendung gemacht werden sollte, daß derartige einfache Rollbahnen überhaupt nicht als Eisenbahnen im Sinne des Gesetzes zu betrachten seien und deshalb auch nicht einer Eisenbahnkonzession bedürften.

Diese Frage ist indessen bereits präjudiziell entschieden, indem eine Pferdebahn von der Station Bellavista zum Hotel Pasta auf dem Monte Generoso, eine Anlage, welche durchaus analoge Verhältnisse aufweist, wie die hier in Frage kommende Rollbahn,, als Eisenbahn aufgefaßt und deshalb auch als solche durch Bundesbeschluß vom 9. Juni 1891 (Eisenbahnaktensammlung XI, 369) konzessioniert worden ist.

Wir stehen deshalb nicht an, Ihnen nachstehenden Besehlußentwurf, welcher in der Konferenz vom 21. März abbin allseitige Zustimmung gefunden hat, zur Annahme zu empfehlen. Derselbe trägt in seinem Wortlaute der Thatsache, daß die Bahn mit Ausnahme Her vorgesehenen Verlängerungen zu den Dependenzen des Kurhauses bereits erstellt ist, Rechnung, ist im übrigen den einfachen Verhältnissen des Falles angepaßt und bedarf im eiozelnen einer nähern Begründung nicht.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochschätzung.

B e r n , den 11. April 1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Biogier.

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(Entwurf.)

Bnndesbeschluß betreffend

Konzession einer Rollbahn von der Station Murren zum Kurhaus Murren und eventuell seinen Dependenzen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Herrn J. Sterchi-Wettach in Murren vom 16. November 1893 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 11. April 1894, beschließt: Der E r b s c h a f t des Herrn J. Sterchi-Wettach in Murren wird die Konzession für den Betrieb einer bereits erstellten Rollbahn mit Pferde-, eventuell Handbetrieb, von der S t a t i o n M u r r e n zum Kurhaus Murren und eventuell seinen Dependenzen unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt : Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3. Der Bundesrat ist berechtigt, eine Abänderung der Anlage und des Rollmaterials zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 4. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

31» Art. 5. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Konzessionärin, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben, und gegen welche die Konzessionärin nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 6. Die Bahn ist nur zur Beförderung von Personen und Gepäck verpflichtet.

Art. 7. Im allgemeinen hat sich der Fahrplan nach demjenigen der Lauterbrunnen-Mürrenbahn behufs Anschluß an deren Kurse zu richten. Die daherigen Projekte sind dem Bisenbahndepartemente vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Fahrgeschwindigkeit bestimmt der Bundesrat.

Art. 8. Die Taxe für den Personentransport beträgt 30 Rappen für jede Fahrt.

5 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Wagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 10 Kilogramm, im Maximum 30 Rappen bezogen werden.

Art. 9. Die für die Einzelheiten des Transportdienstes aufzustellenden Réglemente und Tarife unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 10. Betreffend die Benutzung der Straße für den Betrieb der Bahn hat die Einwohnergemeinde Lauterbrunnen durch Beschluß vom 24. Februar 1894 ihre Bewilligung erteilt, unter der Bedingung, daß die Konzessionärin alle Folgen, welche eine Wegverbreiterung nach sich ziehen könnte, auf sich nehme.

Art. 11. Vom 1. Mai 1915 an sollen sowohl der Bund als auch der Kanton Bern jederzeit das Recht haben, die Bahn samt dem Betriebsmaterial und allem Zubehör, gegen Ersatz der Erstellungskosten, an sich zu ziehen. Streitigkeiten, welche über die Feststellung dieser Kosten entstehen, sind durch das Bundesgericht zu entscheiden.

Wenn der Kanton Bern demgemäß die Bahn an sich gebracht hat, so kann der Bund sein Rückkaufsrecht auch ihm gegenüber geltend machen.

Art. 12. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung der Vorschriften dieser Konzession beauftragt.

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18.04.1894

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