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Bericht des

Bundesrates an die hohen eidgenössischen Räte betreffend die Motion der Herren Nationalrat Vogelsanger und Genossen vom 22. Dezember 1893.

(Vom 30. März 1894.)

Tit.

Unterm 22. Dezember vorigen Jahres haben die Herren Nationalräte Vogelsanger und Genossen folgende Motion auf dem Bureau des Nationalrates deponiert : Der Bundesrat ist eingeladen, eine Untersuchung darüber anstellen zu lassen und über das Ergebnis Bericht zu erstatten: 1. Ob Herr Oberst Schmidt, Direktor der eidgenössischen Waffenfabrik Bern, im Widerspruch mit Art. 12 der Bundesverfassung ein Geschenk von einem fremden Souverän angenommen hat; 2. ob derselbe berechtigt war, einem fremden Souverän ein eidgenössisches Ordonnanzgewehr zu schenken ; 3. ob er im Jahre 1888 mehrtägige Schießübungen mit dem neuen Gewehr im Beisein eines fremden Gesandtschaftsattaches vornehmen ließ; 4. ob ein Werkführer der Waffenfabrik Bern im Jahr 1891 einem fremden Kriegsministerium neue Gewehrmodelle (Modell 1889) vorgelegt hat; 5. ob der Direktor der Waffenfabrik von zwei neuen Ordonnanzgewehren einer fremden Macht, angeblich für die eidgenössische Waffensammlung bezogen, das eine dem Offizier einer andern fremden Macht abgegeben hat und ob er hierzu berechtigt war; Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. I.

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1034 6. ob bei der Fabrikation der neuen Gewehre Bestandteile, welche den eidgenössischen Kontrollstempel nicht trugen, bezw. ob Ausschußstücke, bei welchen der eidgenössische Kontrollstempel durch die liefernde Fabrik im geheimen entfernt worden war, zur Verwendung kamen.

Unser Militärdepartement glaubte die Behandlung dieser Motion im Schöße des Nationalrates nicht abwarten zu sollen, sondern hat es im Einverständnis mit uns vorgezogen, von 'sich aus die hierauf bezüglichen Erhebungen anzuordnen. Wir beehren uns, Ihnen im nachfolgenden über die Ergebnisse dieser Erhebungen Bericht zu erstatten.

Wir glauben dabei ausdrücklich vorausschicken zu sollen, daß diese neue Untersuchung über alle von den Motionsstellern aufgeworfenen Fragen durchgeführt wurde, obgleich sämtliche Punkte der Motion bereits durch die erste von unserm Militärdepartement angeordnete Untersuchung hinlänglich klargestellt worden waren und wir daher hinsichtlich der Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit des Direktors der Waffeufabrik unserseits keine Zweifel hegten.

Nach diesen Vorbemerkungen gehen wir über zur Beantwortung der ersten Frage der Motion: I.

,,Ob Herr Oberst Schmidt, Direktor der eidgenössischen Waffenfahrik in Bern, im Widerspruch mit Art. 12 der Bundesverfassung ein Geschenk von einem fremden Souverän angenommen hat ?a Aus der Vernehmlassung des Herrn Oberst Schmidt ergiebt sich, daß die Waffenfabrik öfters Besuche seitens der Militärattaches deibei der Eidgenossenschaft accreditierten Gesandtschaften, sowie anderer ausländischer Offiziere, welche sich um die Waffenfabrikation interessieren, erhält, welchen Besuchern der Direktor im Auftrage des Militärdepartements jede gewünschte Auskunft zu erteilen hat, soweit dies die bestehenden Instruktionen erlauben. Bei Anlaß solcher Besuche hat der Direktor der Waffenfabrik den Militärattaches von Deutschland, Frankreich und Rußland ein Widmungsexemplar seiner Fachschrift ^ A l l g e m e i n e W a f f e n k u n d e f ü r I n f a n t e r i e 1888 a überreicht, wobei sich der Militärattache für Deutschland geäußert haben soll, daß diese Arbeit auch dem deutschen Kaiser genehm sein dürfte; eine daherige Einfrage des genannten Militärattaches in Berlin sei hejahend beantwortet worden, worauf die Entgegennahme und Verdankung eines Exemplares der erwähnten Fachschrift erfolgte.

In gleicher Weise erfolgte auch die Entgegennahme der Schrift und die Verdankung derselben namens des Kaisers von Rußland, d. d.

1035 4.116. April 1888, begleitet von einem Brillantring. Von seiten des Kriegsministers von Frankreich erfolgte mit der Verdankung der Zusendung eines Exemplars gleichzeitig die Bestellung von 200 Exemplaren der französischen Ausgabe der Schmidtschen Schrift für die Militärkasinos und Regimentsbibliotheken.

Diese Publikation des Herrn Oberst Schmidt hat einen durchaus privaten Charakter, weshalb auch eine daherige Bewilligung des Militärdepartements weder eingeholt noch erteilt worden ist.

Anders verhält es sich hinsichtlich der Annahme des Ges.ehenkes, welches S. M. der Kaiser von Eußland dem Herrn Oberst Schmidt zu übermitteln sich veranlaßt gesehen hat. Hierüber liegt ein Protokollauszug der Sitzung des Bundesrates vom 20. April 1888 vor, wonach das Militärdepartement beauftragt wurde, Herrn Oberst Schmidt anzuweisen, das Geschenk im Hinblick auf Art. 12 der Bundesverfassung abzulehnen. Die Mitteilung dieses Beschlusses an Oberst Schmidt erfolgte am 24. gleichen Monats, nachdem ihm schon vor Abgang des Schreibens, am 23. April, der Brillantring durch die Militärkanzlei wieder zugestellt worden war. Herr Schmidt behauptet nun des bestimmtesten, dali ihm das vorhin erwähnte Schreiben nicht zugekommen und daß ihm bei Kückgabe des Einges erklärt worden sei, es sei seine Sache, ob er fragliches Geschenk annehmen wolle oder nicht. Wir sind nicht in der Lage, auf diese Kontroverse des weitern einzutreten.

II.

Übergehend zu Frage 2 der Motion : ,,Ob er (Schmidt) berechtigt war, einem fremden Souverän ein Ordonnanzgewehr zu schenken?"1 hat die angehobene Untersuchung diesfalls folgendes ergeben : Nachdem durch das Eegulativ vom 29. März 1892 die Abgabe von Gewehren, Modell 89, an Private gestattet worden war, machte auch Direktor Schmidt hiervon Gebrauch und bestellte unter Beobachtung der bezüglichen Vorschriften 3 Gewehre bei der Waffenfabrik, wovon 2 mit Widmungen zu Geschenken für das Ausland bestimmt waren. Die Bewilligung zum Bezug dieser Gewehre wurde ihm am 2. Juni erteilt. Das eine der Gewehre ließ Oberst Schmidt als Geschenk dem Kaiser von Rußland übermitteln; es war genau nach Ordonnanz gearbeitet, jedoch leicht im Gewichte. Es muß hier hervorgehoben werden, daß Direktor Schmidt die Ermächtigung zum Bezug der Gewehre erst nach Inkrafttreten des Regulatives vom 29. März 1892 eingeholt hat, und daß ihm für die Lieferung derselben von der Fabrik wie jedem Privaten Kechnung gestellt wurde. Wir halten dafür, daß, nachdem einmal die Abgabe von Gewehren an

1036 Private offiziell bewilligt worden war, dem Direktor Schmidt die freie Verfügung über die von ihm bezogenen Gewehre zustand, er somit auch berechtigt war, dieselben zu verschenken. Ob der Empfänger dieser Schenkung ein fremder Souverän oder eine Privatperson war, scheint nns unter den obwaltenden Verhältnissen irrelevant zu sein.

III.

Die Präge 3 der Motion lautet: ,,Ob er (Oberst Schmidt) im Jahr 1888 mehrtägige Schießübungen mit dem neuen Gewehr im Beisein eines fremden Gesandschaftsattacb.es vornehmen ließ?11 Hierüber ist folgendes zu berichten : Nach den großen Erfolgen, welche Direktor Kubin anfangs der achtziger Jahre mit Gewehrkalibern unter 10 mm. auf ballistischem Gebiete erreichte, fühlte der Direktor der Waffenfabrik den natürlichen Trieb in sich, den ballistischen Portschritten auch auf dem mechanischen Gebiete zu folgen, um auf diese Weise zu einem neuen Gewehre zu gelangen, mittelst welchem unsere Infanteriebewaffnung wieder auf die Höhe der Zeit gebracht und der schweizerische Ruf im Gewehrwesen wieder neu begründet werden sollte.

In der Verfolgung dieses Zieles konstruierte Oberst Schmidt mit Hülfe seiner technischen Mitarbeiter, Werkführer Müller und Vorarbeiter Krauser, ein neues Verschluß- und Repetiersystem und legte im August 1885 sein erstes Modell dem Militärdepartement vor, welches einläßliche Proben desselben durch eine besonders bestellte Kommission verfügte.

Die Prüfungen erstreckten sich auch auf verschiedene andere Konkurrenzmodelle : Krnka, Schulhof, Neuhausen, Manlicher u. a. : Bei den vielen Schießproben, welche erforderlich waren zur Erprobung der Funktionierung und der Haltbarkeit des Verschlusses, im Schnellfeuer, mit verschiedener Munition, erst mit komprimiertem Schwarzpulver, dann mit rauchschwachem Pulver, vorgenommen in Bern, Thun und Wallenstadt, konnte das Zusehen von Drittpersonen aus einiger Entfernung nicht immer verhindert werden ; wogegen .aber eine Einsichtnahme von Waffe und Munition sorgsamst vermieden und alle Versuche hierzu abgewiesen wurden. Je länger indessen die Periode der Schießversuche andauerte, desto größer wurde die Schwierigkeit, das Austragen von Geheimnissen zu verhindern, obgleich keine Mitteilungen über die Vornahme von Schießversuchen, noch Einladungen zu solchen erfolgten. Indessen wird von der Waffeni'abrik auch' nicht in Abrede gestellt, daß einheimische und empfohlene fremde Offiziere anläßlich von Besuchen in der Waffenfabrik gelegentlich auch ein Schnellfeuer mit den Modellgewehren angesehen haben, was aber ohne Bedeutung war.

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Am 24./2G. Juni 1889 beschlossen die eidgenössischen Kate die Adoption des Gewehres Modell 1889, und im September darauf ließ Oberst Schmidt sein Verschluß- und Kepetiersystem im Inland und Ausland patentieren.

Sollte Punkt 3 der Motion Vogelsanger und Genossen statt auf das Jahr 1888 sich auf das Jahr 1890 beziehen, also nach der erlaubten Patentnahme von Oberst Schmidt, so könnte sich dies nur auf kurze Versuche beziehen, welche während zwei Tagen im Frühjahr 1890 mit einem nichtschweizerischen Gewehre (Magazin für bloß 5 Patronen mit Rand statt Kerbe) stattfanden. Diesen Versuchen hat der Lieferant der Munition, Oberst v. Bertels, Militärattache der russischen Gesandtschaft, beigewohnt. Es handelte sich dabei um den Versuch der Patentverwertung des Schmidtschen Verschluß- und Eepetiersystems an einem a n d e r e n Gewehrmodelle, für welches ein Magazin für 12 Patronen ohne Band nicht beliebte. Der Versuch mit diesem Gewehr, in Gegenwart des russischen Militärattache, fand unter Mitwirkung des Werkführers und des nötigen Hülfspersonals auf dem Schießplatz der Waffenfabrik statt, und hat nach unserer Ansicht nichts Unerlaubtes an sich, wiewohl es seitens des Direktors passender gewesen wäre, über diese Versuche Meldung an seine Oberbehörde zu erstatten und eine Vertretung derselben bei den Versuchen zu veranlassen.

IV-

,,Ob ein Werkführer der Waffenfabrik Bern im Jahr 1891 einem fremden Kriegsministerium neue Gewehrmodelle (Modell 1889) vorgelegt hat?"

Wie bereits oben erwähnt, ließ Direktor Schmidt sein Verschlußund Eepetiersystem im September 1889 patentieren, und verkaufte sein Patent hierauf an das Haus F. Marti in Winterthur. Diese Firma offerierte das Gewehr der Regierung von Rumänien. Zur Vorlage des Gewehres in Bukarest wünschte der Patentinhaber, Fr. Marti in Winterthur, die Mitwirkung des im Schießen und mit dem Mechanismus des Gewehres vertrauten Werkführers der Waffenfabrik, K. Müller. Dieser kam bei der Direktion um einen achttägigen Urlaub, vom 20. bis 28. Juli 1891, ein, welcher ihm bewilligt wurde. In Bukarest angekommen, wurde Werkführer Müller vom dortigen Vertreter der Firma F. Marti mitgeteilt, daß die Gewehrprüfungskommissiou am Zusammentritt verhindert sei, und da der bewilligte Urîaub inzwischen ablief, unterblieb die Vorlage.

Wir gestatten uns hierzu zu bemerken, daß die ersten Gewehre Modell 1889 am 13. Juli 1891 an das Schützenbataillon 5 ausgegeben

1038 wurden. Die Vorweisung des Gewehres gegen Ende Juli konnte daher keine Geheimnisverletzung mehr sein; zu tadeln aber ist immerhin, daß Herr Schmidt mach dem Verkauf seines Patentes selbst noch Schritte zu dessen Verwertung unternahm, und den wichtigsten Angestellten der Waffenfabrik in der wichtigsten Fabrikationsperiode zu Privatzwecken auf Reisen schickte und so sein Privatinteresse in den Vordergrund stellte. Auch stund ihm die Befugnis nicht zu, dem Werkführer einen achttägigen Urlaub zu erteilen.

V.

,,Ob der Direktor der Waffenfabrik von zwei neuen Ordonnamgeweliren einer fremden Macht, angeblich für die eidgenössische Waffensammlung bezogen, das eine dem Offizier einer anderen fremden Macht abgegeben hat, und ob er hierzu berechtigt war?"

Aus der über diesen Punkt angehobenen Untersuchung ergiebt sich folgendes: Nachdem im Juli 1891 in der deutschen Presse die Freigebung des deutschen Gewehres Modell 88 gemeldet wurde, erkundigte sich der Direktor der Waffenfabrik am 28. Juli 1891 bei einer deutschen Waffenhandlung, ob dieses Gewehr im Handel erhältlich sei, und auf die bejahende Antwort hin bestellte er am 19. August zwei solche Gewehre für die eidgenössische Gewehrmodell-Sammlung. Am 21. August 1891, also zwei Tage später, wurde der Waffenfabrik durch dio technische Abteiluug die Anzeige gemacht, daß der Schweiz aus Deutschland bereits vier Gewehre und zwei Karabiner Modell 88 zugesagt seien, welche vorerst zu Schießversuchen zu verwenden seieu.

Nach Art. 5 des provisorischen Reglements für die eidgenössische Gewehrmodell-Sammlung in Bern, vom 8. Juni 1876, das jetzt noch in Kraft ist, hätte Direktor Schmidt für Anschaffungen für die genannte Sammlung um Ermächtigung einkommen sollen, was er nicht gethan hat, und jedenfalls hätte er nach Erhalt obiger Mitteilung der technischen Abteilung die Bestellung nocn rückgängig machen können. Bei der Ankunft der zwei von der Waffenfabrik bestellten Gewehre war -- ob zufällig oder nicht, bleibt dahingestellt -- der französische Militärattache zugegen, und äußerte den Wunsch, ein solches Gewehr für seine Sammlung zu erhalten. Direktor Schmidt überließ ihm ein Exemplar zum Costenpreis, um es gelegentlich wieder zu ersetzen. Er erklärte, daß ihm von seiten des Empfängers keinerlei unerlaubte Zumutung gemacht worden sei, und daß er mit der Überlassung des Gewehres lediglich einen Akt dor Gefälligkeit habe begehen wollen.

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1039 Auch hier hat Direktor Schmidt sich nichts zu Schulden kommen lassen, was mit der. Ehre eines eidgenössischen Beamten unverträglich ist, wenn auch konstatiert werden muß, daß er zweifelsohne seine Kompetenz überschritt, als er die Gewehre ohne Bewilligung bestellte und als er eines derselben wiederum ohne Bewilligung an eine dritte Person abtrat.

VI.

Ob bei der Fabrikation der neuen Gewehre Bestandteile, welche den eidgenössischen Kontrollstempel nicht trugen, ,,bezw. ob Ausschußstücke, bei welchen der eidgenössische Kontrollstempel durch die liefernde Fabrik im geheimen entfernt worden war, zur Verwendung kamen?

Diese Frage enthält so schwere Anklagen gegen die eidgenössische Kontrolle, daß unser Militärdepartement sich veranlaßt sah, hierüber nicht nur den Direktor der Waffenfabrik einzuvernehmen, sondern eine besondere, aus den Herren Nationalrat Oberst Thélin in La Sarraz und Oberst von Mechel in Basel zusammengesetzte Expertenkommission mit der Untersuchung der ganzen Angelegenheit zu betrauen. Wir gestatten uns, auf den einläßlichen und sachkundigen Expertenbericht zu verweisen, den diese Kommission erstattet hat, und dessen Schlußfolgerungen wir uns anschließen. Es ist konstatiert, daß in der Fabrik Neuhausen, welche das Verschlußgehäuse zum neuen Gewehr lieferte, von einigen Kontraktarbeitern der Versuch gemacht worden ist, Ausschußstempel zu entfernen, aber auch das steht außer Zweifel, daß in den ersten Fabrikationsperioden viele Stücke als Ausschuß und als nicht mehr herstellbar bezeichnet worden sind, die später ohne Anstand angenommen werden konnten. Der Chef der Kontrolle in Neuhausen hat indessen von; allen anormalen Vorkommnissen Meldung an die Waffenfabrik erstattet und ist energisch dagegen eingeschritten. Er kann auch nachweisen, daß keine Bestandteile nach Bern gesandt worden sind, die nicht von der Kontrolle genau untersucht und angenommen worden waren. Ja angenommen, es wären dennoch einzelne solcher Bestandteile nach Bern gelangt, so ist doch die Möglichkeit ausgeschlossen daß sie dann auch noch die Kontrolle der "Waffenfabrik und die eidgenössische Abnahmekontrolle unbeanstandet passieren konnten.

Direktor Schmidt hatte übrigens aus Gründen, deren Erörterung nicht hierher gehört, persönlich gar keine Veranlaßung, gegenüber Neuhausen besonders entgegenkommend zu sein; er hätte überhaupt unter Hinweis auf die Kontrollvorschriften auf die Frage 6 der Motion einfach antworten können, daß bezüglich der Kontrolle das Mögliche geleistet worden ist, was durch die Wechselbarkeit der Bestandteile und die verhältnismäßig wenigen und unbedeutenden Reparaturen bewiesen ist.

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Zu dem gleichen Resultate kommt auch die Expertenkommission in ihren Schlußfolgerungen, indem sie sagt: ,,1. daß von der Industriegesellschaft Neuhausen dieser außerordentlich schwierig' zu erstellende Bestandteil im großen und ganzen in sehr guter Qualität geliefert worden und es nur zu hedauern ist, daß die Arbeiter der Gesellschaft sich zu dem Versuche, minderwertige Ware einzuschmuggeln, herbeilassen konnten; ,,2. daß die eidgenössische Waffenkontrolle ihre Pflicht gethan hat, eher zu ängstlich als zu leichtfertig vorgegangen ist und keine verpfuschten Stücke, durchließ ; ,,3. daß ihr entgangene kleinere Dimensions-, Arbeits- und Materialfehler bei der nachherigen Ausarbeitung und Untersuchung in der eidgenössischen Waffenfabrik zum Vorschein kommen mußten, und ,,4. keine fehlerhaften Verschlußgehäuse unter den an die Mannschaft abgegebenen Gewehren sich befinden können.

,,Der beste Beweis hierfür liegt darin, daß im massenhaften Gebrauche der Waffe gerade dieser Bestandteil sich untadelhaft gehalten hat."

Wir schließen damit unsern Bericht über die Motion des Herrn Nationalrat Vogelsanger und Genossen, indem wir unsere bei Anlaß der Interpellation Vogelsanger abgegebene Erklärung wiederholen, daß Herr Direktor Schmidt sich eine Keine von Verstößen und Kompetenzüberschreitungen hat zu Schulden kommen lassen, daß aber keinerlei Thatsachen vorliegen, welche die Ehrlichkeit dieses Beamten in Zweifel stellen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 30. März 1894.

Im Namen des Schweiz; Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Ringier.

1041 Beilage.

Bericht der

Experten Oberst von Meohel und Nationalrat Oberst Thélin über die Ausführung der Kontrolle der Verschlussgehäuse, Modell 1889, An das eidgenössische Militärdepartement!

Auf Antrag der technischen Abteilung der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung verfügten Sie eine Untersuchung Über die Ausführung der Kontrolle der von der Industriegesellschaft in Neuhausen gelieferten Verschlußgehäuse durch die eidgenössische Waffenkontrolle.

Mit Schreiben Kontrollnummer 68/9 vom 8./13. Februar bezeichneten Sie als Experten: Oberst von Mechel in Basel, Nationalrat Oberst Thélin in La Sarraz.

Die Experten nahmen die ihnen aufgetragene Untersuchung im Beisein des Chefs der technischen Abteilung der Kriegsmaterialverwaltung am 22. und 23. Februar in Bern auf der technischen Abteilung und in der eidgenössischen Waffenfabrik vor, und beehren sich nun, über das Ergebnis dieser Untersuchung zu berichten.

Oberstlieutenant von Orelli gab uns zunächst Kenntnis der Ursachen, welche dazu geführt hatten, eine solche Untersuchung anzuordnen, und legte uns die einschlägigen Akten vor.

Nach hierüber gewalteter Diskussion stellten wir folgendes P r o g r a m m f ü r d i e V o r n a h m e u n s e r e r U n t e r s u c h u n g auf: 1. Auf welche Art ist die Kontrolle über die Verschlu/jgehäuse geübt worden?

2. Welche Reparaturen wurden als statthaft bezeichnet?

3. Prüfung der auf der technischen Abteilung vorliegenden gesprungenen Gewehre.

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4. Prüfung der Verzeichnisse Über Reparaturen und Ausschuß im Jahre 1893.

(Rapporte der Waffencontroleure.)

5. Prüfung der Reparaturenverzeichnisse aus den Infanterieschulen 1893.

(Rapporte der Kreisinstruktoren und des Schießinstruktors.)

6. Vornahme von Stichproben unter den Gewehren der ersten Fabrikationszeit.

Zur Orientierung über Punkt l und 2 nahmen wir eine Einvernahme vor mit: Contrôleur Vogelsang der technischen Abteilung, Contrôleur Schultheß und Werkführer Müller der eidgenössischen Waffenfabrik und ließen uns die Kontroll- und Korrespondenzbücher der eidgenössischen Kontrolle Neuhausen, sowie an diese eingegangene Schreiben vorlegen.

1. Vornahme der Kontrolle der Verschlußgehäuse durch die eidgenössische Waffenkontrolle.

Nachdem die Gehäuse durch die Controleure der Industriegesellschaft in verschiedenen Stadien vorkontrolliert waren, gelangten sie f e r t i g g e s c h l i c h t e t an die eidgenössische Kontrolle.

Die Gehäuse wurden zuerst von Auge und was das Innere anbelangt (speciell die Verschlußwarzenlager) mittelst Spiegel auf Material, Arbeits- und Dimensionsfehler durch Waffencontroleur Schultheß selbst, die Controleure Kretz und Züst geprüft. Hierbei ergab sich der größte Teil des Ausschusses, cirka 95°/o.

Nicht beanstandete Stücke wurden durch Gehülfen in allen Teilen eingehend schabloniert.

Den Ausschuß bestimmte Contrôleur Schultheß allein.

Die angenommenen Stücke gingen an die eidgenössische Waffenfabrik und daselbst an die mit Einpassen von Lauf und Verschluß betrauten Arbeiter. Diese hatten sich mit dem Gehäuse so eingehend zu befassen und sie zu den verschiedenen Operationen so oft zur Hand zu nehmen, daß Fehler, welche der Kontrolle in Neuhausen hätten entgehen können, notwendigerweise von ihnen bemerkt werden mußten. Solche Fehler rechtzeitig zu entdecken und zur Anzeige zu bringen, lag aber ganz im Interesse dieser Arbeiter, indem sie für Ausschuß, welcher durch ihre weitere Ausarbeitung entstand, verantwortlich waren und das Verheimlichen schon vorhandener Fehler dazu führen konnte, daß eine spätere Kontrolle sie ihnen zur Last legte.

1043 Die Schlußkontrolle, durch Contrôleur Vogelsang und seine GehUlfen, erstreckte sich auf das vollständig fertige Gewehr und nur zu Stichproben oder bei Teilen, welche zu Zweifeln über die Ausführung Anlaß gaben, auf Messungen. Die Kontrolle bediente sich hierbei auch der Meßinstrumente, so namentlich zum Nachmessen der Stärke an innern Stellen, des Greifzirkels.

Von den bis Februar 1893 gelieferten 171,900 Verschlußgehäusen wurden durch die eidgenössische Kontrolle in Neuhausen 13,838 Stücke = 8 °/o zur Reparatur zurückgegeben und 2616 als Ausschuß bezeichnet.

Später etwas erweiterte Toleranzen, namentlich des Verschlußwarzenlagers und infolge speciellen Anpassens der Läufe gestatteter Überzug der Gewinde, veranlaßten zu nochmaliger Sichtung der ausgeschossenen Stücke, wobei noch 413 zur Annahme gelangten.

Bei diesen nachträglich angenommenen Stücken entfernte Contrôleur Schultheß selbst den Ausschußstempel.

Zu wiederholten Malen sandte die eidgenössische Kontrolle in Neuhausen von ihr beanstandete Stücke mit Kapport an die Waffenfabrik, so am 1. November 1892 165 Gehäuse. 102 derselben wurden angenommen, 63 (oben mitgezählt) als Ausschuß erklärt.

Von den durch die eidgenössische Kontrolle in Neuhausen angenommenen Verschlußgehäusen kamen (abgesehen von solchen, welche durch Bearbeitung in der Waffenfabrik selbst Ausschuß wurden und hier nicht in Betracht fallen) nur 96 Stück als beanstandet zurück, 20 derselben erwiesen sich als reparaturfähig und wurden, nachdem sie repariert waren, angenommen. 76 davon, 5 wegen Materialfehlern und 6 wegen Rissen, die erst beim Härten und Bronzieren zum Vorschein kamen, der Rest (65) wegen Arbeitsfehlern, blieben Ausschuß.

Der T o t a l a u s s c h u ß der eidgenössischen Kontrolle stellt sich somit auf 2616 -- 413 -f- 76 = 2279 oder 1,3 %.

Die Industriegesellschaft giebt an, daß ihr im ganzen (eidgenössische Kontrolle inbegriffen) ein Ausschuß von 14,113 Stück erwachsen sei, in Anbetracht der außerordentlichen Schwierigkeiten, welche insbesondere in der ersten Zeit der Fabrikation (bis die nötigen Erfahrungen gemacht waren) die Herstellung des Verschlußgehäuses, des kompliziertesten Bestandteiles der ganzen Waffe, verursachte, kein ungünstiges Resultat.

2. Vorgekommene Reparaturen.

Es ist zu unterscheiden zwischen Reparaturen, welche unbeschadet der Kriegstüchtigkeit der Waffe und der Answechselbarkeit

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der Bestandteile ausgeführt werden konnten und daher als zulässig betrachtet werden müssen und Reparaturen, welche die Waffe schwächen, daher unzulässig (Pfuscherei) sind.

Zu den zulässigen Reparaturen gehören die von der eidgenössischen Kontrolle tolerierten und auch oft von ihr selbst angeordneten, wie : Schiene füllt den Einschnitt im Normalschaft nicht ganz aus : auftreiben derselben; vordere Cylinderbohrung oder Cylinderbohrung beim Laufgewinde rauh : eintreiben und glatt ausbohren ; Riegelnut weit oder Riegelbohrung weit: Eintreiben der Fiihrungshiilse ; alles nur dann, wenn die vorhandene Metallstärke das erlaubte, die Stücke nach der Behandlung noch wenigstens Minimaldimension hatten.

Verschlußhalterstollen, Bohrung zu hoch, zu nieder: ausbohren auf größere Dimension, verschrauben und vernieten und Loch neu bohren.

Von der Kontrolle beanstandet, von Technikern (Oberst Greßly und Professor Amsler), wenn kunstgerecht ausgeführt, als zulässig erklärt, wurde der von der Industriegesellschaft zur Verengerung etwas weiter Verschlußwarzenlager vorgenommene Versuch der Stauchung des Gehäuses mittelst hydraulischem Druck. (Es handelte sich dabei nur um Stauchung von Zehntelsmillimeter.)

Da die Verantwortung für die Ausführung Sache der Waffenfabrik war, so wurde der Entscheid dieser anheimgestellt, er lautete auf Nichtzulassung.

Entschieden verwerfliche Reparaturen (Pfuschereien), wie: Stauchen mit Stempeln oder Dornen oder Auftreiben eines Grates, um, andere Stellen schwächend, Material dahin zu ziehen, wo die Schablone angesetzt wurde, und so scheinbar die erforderliche Dimension zu schaffen, Verhämmern und Überfeilen von Rißstellen u. s. w., konnten der Kontrolle, die auch über Instrumente verfügte, welche der Fabrik nicht zur Disposition standen, kaum entgehen oder mußten bei Fertigstellung der Waffen zu Tage treten.

Der eidgenössische Waffen contrôleur hatte jederzeit Zutritt zu sämtlichen Werkstätten, auch denjenigen, in welchen die Reparaturen vorgenommen wurden.

3. Prüfung der auf der technischen Abteilung befindlichen gesprungenen Gewehre.

Bei den zwei den Experten vorgewiesenen Gewehren waren infolge zu starker Spannung (hervorgebracht bei einem Gewehr durch Auffüllen der Patronenhülse mit Schwarzpulver, beim andern durch Ausschießen einer im Laufe stecken gebliebenen Putzschnur) die Läufe aufgerissen und Stücke weggesprengt.

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Die Verschlußgehäuse sind nur im vorderen Teile, dem das Laufgewinde umfassenden Hinge, ebenfalls gerissen, im Kastenteil nur aufgebaucht, im Warzenlager intakt, und ist es gerade dem ausgezeichneten Verhalten der Verschlußgehäuse zuzuschreiben, daß keine Unfälle entstunden.

Die eidgenössische Waffenfabrik nahm mit verstärkten Ladungen Gewaltproben mit Gewehren vor, bei welchen die erwähnten Erscheinungen sich wiederholten: die Läufe sprangen, Verschluß und Verschlußgehäuse hielten aus.

4. Prllfung der Verzeichnisse über Ausschuß und Reparaturen im Jahre 1893. (Rapporte der Divisionswaffencontroleure.)

Nur im Rapport des Waffencontroleurs der II. Division ist das Verschlußgehäuse aufgeführt: Schule II Colombier. ,, B o î t e s de c u l a s s e g â t é e s p a r a r m u r i e r à l ' é c o l e d e s r e c r u e s : 5.".

Verschlußgehäuse, wahrscheinlich infolge unrichtigen Einspannens im Schraubstock, verdorben.

5. Prüfung der Reparaturverzeichnisse aus den Infanterieschulen 1893 (Berichte der Kreisinstruktoren und des Schießinstruktors.)

In keinem der Berichte werden Fehler oder Reparaturen an Verschlußgehäusen erwähnt.

6. Stichproben unter den ersten Gewehren Nr. 1--900.

Diese Gewehre wurden, weil ihre Verwendung (Abgabe an Schulen) eilte, was Verschlußgehäuse anbelangt, mit zu weiten Verschlußwarzenlagern unter Einpassen von Verschlüssen mit längern Warzen angenommen.

Bei den Nummern unter 800 sind die Verschlüsse nicht wechselbar, bei denjenigen über 800 war dies schon der Fall, ein Normalverschluß ließ sich einschieben, schließen und manipulieren.

Die geprüften Gehäuse waren in Metallstärke innerhalb der vorgeschriebenen Dimensionen und hatten sich vorzüglich gehalten.

Es liegen also hier nur bekannte und, weil die Lieferung für Schulzwecke eilte, zugelassene Dimensionsabweichungen vor, welche auf die Solidität der Waffe auch nicht den mindesten Einfluß ausübten und nur die Auswechselbarkeit der Bestandteile nicht gestatteten.

1016 Schlußfolgerungen.

Nach dem vorstehend im Resumé zusammengefaßten Ergebnisse ihrer Untersuchung konstatieren die Experten : 1. Daß von der Industriegesellschaft dieser außerordentlich schwierig zu erstellende Bestandteil im großen und ganzen in sehr guter Qualität geliefert worden und es nur zu bedauern ist, daß die Arbeiter der Gesellschaft sich zu dem Versuche, minderwertige Ware einzuschmuggeln, herbeilassen konnten; 2. daß die eidgenössische Waffenkontrolle ihre Pflicht gethan hat, eher zu ängstlich als leichtfertig vorgegangen ist und keine verpfuschten Stücke durchließ; 3. daß ihr entgangene kleinere Dimensions-, Arbeits- und Materialfehler bei der nachherigen Ausarbeitung und Untersuchung in der eidgenössischen Waffenfabrik zum Vorschein kommen mußten und 4. keine fehlerhaften Verschlußgehäuse unter den an die Mannschaft abgegebenen Gewehren sich befinden können.

Der beste Beweis hierfür liegt darin, daß im massenhaften Gebrauch der Waffe gerade dieser Bestandteil sich untadelhaft gehalten hat.

Basel, 3. März 1894.

Der Berichterstatter: T. Hechel.

Mit vorstehendem Berichte einverstanden.

Thélin, Oberst.

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Bericht des Bundesrates an die hohen eidgenössischen Räte betreffend die Motion der Herren Nationalrat Vogelsanger und Genossen vom 22. Dezember 1893. (Vom 30. März 1894.)

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04.04.1894

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