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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Organisation und Geschäftsgang des Bundesrates.

(Vom 4. Juni 1894.)

Tit.

Mit Botschaft vom 5. April 1887 machte der Bundesrat der Bundesversammlung Mitteilung, daß er behufs Beseitigung mehrfacher Übelstände beabsichtige, in Anwendung von Art. 30 des Bundesbeschlusses über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 21. August 1878, lautend: ,,Der Bundesrat ist ermächtigt, ausnahmsweise bezüglich einzelner Geschäfte oder Geschäftszweige der Departemente von obiger Feststellung (Geschäftsverteilung unter die Departemente) Abweichungen zu beschließen. Von derartigen Beschlüssen ist der Bundesversammlung Mitteilung zu machen", versuchsweise eine Abänderung einzelner Bestimmungen des genannten Bundesbeschlusses vorzunehmen.

Die Botschaft bespricht die Übelstände, welche dem Bundesrat hierzu Veranlassung gaben, und faßt dieselben in folgenden Punkten zusammen: fortwährender Wechsel der Departemente in Bezug auf die Mitglieder des Bundesrates; mehr oder weniger bedeutende Entwicklung aller Departemente mit Ausnahme des politischen Departementes, bei dem es infolge des alljährlichen Vorsteherwechsels an Folgerichtigkeit und Kontinuität in der Behandlung der Geschäfte mangle ; ungleiche Verteilung der Geschäfte unter die Departemente.

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Sie deutet die Änderungen an, welche zu möglichster Abstellung dieser Übelstände in Aussicht genommen seien, und schließt mit der Erklärung, daß diese Revision als ein Versuch zu betrachten sei und daß der Bundesversammlung im Laufe der nächsten Legislaturperiode über die diesfälligen Erfahrungen Bericht erstattet werden solle.

Nachdem die Bundesversammlung diese Botschaft durch nachfolgenden Beschluß vom 9. Juni: ,,Die Bundesversammlung nimmt von der Mitteilung des Bundesrates vom 5. April 1887 betreffend versuchsweise Abänderung einzelner Bestimmungen des Bundesbeschlusses über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 21. August 1878 am Protokoll zustimmend Kenntnis und gevvärtigt seiner Zeit Bericht und Vorschlag des Bundesrates betreffend Revision jenes Bundesbeschlusses"1, erledigt hatte, schritt der Bundesrat zur Ausführung der angekündigten Revision durch seinen Beschluß vom 8. Juli 1887 betreffend die Organisation seiner Departemente .und setzte denselben mit dem 1. Januar 1888 in Kraft.

Die vorgenommene Abänderung des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 betraf ausschließlich die Artikel 22 bis und mit 29 mit dem Titel ,,Geschäfte der Departementea und bestand neben untergeordnetem Verschiebungen einzelner Geschäftszweige wesentlich in der Formation eines eigenen vollständigen Departements des ,,Auswärtigen", welches hauptsächlich aus dem bisherigen politischen Departement und der Handelsabteilung des bisherigen Handels- und Landwirtschaftsdepartements gebildet wurde.

Aber indem nun bei der Departementeverteilung für das Jahr 1888 dieses Departement des Auswärtigen nicht dem Bundespräsidenten, welcher bisher jeweilen während seines Amtsjahres das politische Departement zu führen hatte, sondern einem andern Mitglied des Bundesrates übertragen wurde, und es dabei auch in den folgenden Jahren sein Verbleiben hatte, so ergab sich als weitere Änderung das gänzliche Aufhören des Wechsels in der Departementeverteilung und eine wesentlich veränderte Stellung des Bundespräsidenten.

Seit dem Inkrafttreten dieser neuen provisorischen Einrichtung sind nunmehr sechs Jahre verflossen. Die Verwaltung des Bundes hat sich in dieser Zeit weiter entwickelt und für den Bundesrat und dessen Departemente fühlbare Vermehrung der Arbeit gebracht.

Neue Fragen und Aufgaben von weittragender Bedeutung sind aufgetaucht; die Programme der Parteien füllten sich mit Postulaten, denen man auf dem Wege der inzwischen eingeführten Verfassungs-

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initiative rasche Anhandnahme und Verwirklichung zu sichern sich anschickte. Der demokratische Gedanke machte sich in verstärktem Maße geltend, und eines seiner ersten Postulate war eine Änderung in der Bestellung der obersten Exekutivbehörde, die Wahl des Bundesrates durch das Volk, womit sich dann bald die Forderung einer den gesteigerten Anforderungen entsprechenden verbesserten Organisation des Bundesrates und seines Geschäftsganges verband.

Die ursprüngliche Absicht gewisser Kreise, daraus kurzerhand ein Verfassungsinitiativbegehren zu gestalten, machte indes rasch der Einsicht Platz, daß es doch wohl angezeigt sein möchte, bezüglich der Frage einer Modifikation der Organisation der Verwaltungsbehörde diese selbst zunächst anzuhören, und so kam es zu der am 23. Juni 1892 vom Nationalrat angenommenen Motion: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, gemäß seinem Bericht vom 5. April 1887, über die Reorganisation des Bundesrates beförderlich eine Vorlage über die Folgen jener Reorganisation und über die bei der stets steigenden Geschäftsvermehrung nötig werdenden Reformen in der Bundesverwaltung zu unterbreiten.* Wenn wir erst jetzt im Falle sind, diesem Auftrage nachzukommen, so wollen Sie die unliebsame Verzögerung damit entschuldigen, daß die Behandlung der Angelegenheit, welche sich nicht, wie andere, innerhalb eines einzelnen Departementes vollziehen konnte, sondern schon in ihrem ersten Stadium die persönliche Mitarbeit aller Departementschefs erheischte, durch verschiedene ungünstige Umstände, namentlich aber durch die lange Erkrankung und den schließlichen Verlust eines unserer vornehmsten Mitglieder gehindert wurde.

Die Schlußanträge, welche wir Ihnen nunmehr in Erledigung des erhaltenen Auftrages vorzulegen die Ehre haben, enthalten keine weitgreifenden Reformen und werden wahrscheinlich manchen Erwartungen nicht entsprechen. Sie sind aber die reiflich überlegten Ergebnisse einläßlicher und sorgfältiger Untersuchungen und Beratungen, was Sie schon daraus entnehmen wollen, daß wir denselben nicht weniger als acht Sitzungen gewidmet haben.

Der nachfolgende Bericht wird die wesentlichsten Fragen und Verhältnisse, welche in denselben zur Besprechung kamen, berühren und bezüglich seiner Anordnung, dem Gedanken des Postulates folgend, in zwei Abschnitte zerfallen, von denen der erste die mit der jetzigen Organisation des Bundesrates gemachten Erfahrungen, der zweite die Reorganisationsfragen zum Gegenstande haben wird.

769 I.

Die Reorganisation des Bundesrates im Jahre 1887 war zunächst durch Rücksichten persönlicher Natur veranlaßt. Man wünschte dem damaligen Vizepräsidenten, einem langjährigen verdienten Mitgliede des Bundesrates, die Annahme des Bundespräsidiums pro 1888 zu ermöglichen. Dies ließ sich, da das Hindernis sprachlicher Gründe wegen in der Übernahme des politischen Departements lag, das bis dahin immer mit dem Bundespräsidium verbunden gewesen war, nur durch Auflösung dieses Verhältnisses und durch eine andere Verteilung der Geschäfte erzielen.

Dem Bundesrate lag es nahe, darauf einzugehen, da schon wiederholt ernstlich die Frage zur Sprache gekommen war, ob es nicht angezeigt wäre, die nicht zu leugnenden Übelstände des jährlichen Wechsels in der Leitung des politischen Departements durch Errichtung eines eigenen, mit dem Amte des Bundespräsidenten nicht zusammenhängenden Departementes der auswärtigen Angelegenheiten zu beseitigen. Man kam bisanhin noch nicht dazu, diese Frage zur Entscheidung zu bringen und ihr weitere Folge zu geben, teils weil kein besonderer zwingender Anlaß dazu eintrat, teils weil man im Schöße des Bundesrates sich der Bedenken in betreff der Folgen einer solchen Änderung nicht ganz entschlagen konnte: Nachdem nun aber ein solcher Anlaß sich eingestellt hatte und die Personalfrage ausnahmsweise günstig lag, so entschloß man sich, jenen viel ventilierten Schritt versuchsweise zu thun.

Die Aufhebung des alten politischen Departements unter der Leitung des jeweiligen Bundespräsidenten und die Schaffung eines eigenen, von dem Wechsel des Bundespräsidiums unberührten Departements des Äußern war der Hauptgedanke der Reorganisation von 1887.

Daneben konnte nun auch in Berücksichtigung eines immer dringender gewordenen Bedürfnisses eine etwas gleichmäßigere Verteilung der Verwaltungsaufgaben und der bezüglichen Geschäfte auf die sieben Departemente vorgenommen werden, wobei man darauf Bedacht nahm, sie auch bezüglich der einzelnen Geschäftszweige möglichst rationell zu gestalten.

Dem neuen D e p a r t e m e n t e des Ä u ß e r n wurden mit Ausnahme der Ziff. 4 des alten Art. 23 : ,,Prüfung derjenigen Verträge, welche die Kantone von sieh aus mit ausländischen Behörden abzuschließen befugt sind", und der Ziffer 7 : ,,Aufrechterhaltung der öffentlichen Kühe und Ordnung im Innern", die sämtlichen Geschäfte des bisherigen politischen Departements zugewiesen, und überdies

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erhielt es die ganze Handelsabteilung samt den internationalen Ausstellungen, dem gewerblichen, litterarischen und künstlerischen Eigentum, der ,,Kontrollierung von und Handel mit Gold- und Silberwarena und der ,,Beaufsichtigung des Auswanderungswesens*.

Das D e p a r t e m e n t des I n n e r n gab das Civilstandswesen an das D e p a r t e m e n t der J u s t i z und P o l i z e i ab, welches auch die obgenannten Geschäfte der Ziffern 4 und 7 des alten Artikels 23 zu übernehmen hatte. Das M i l i t ä r d é p a r t e m e n t erhielt zu seinen bisherigen Geschäften noch die Militärpflichtersatzsteuer und die Pulverfabrikation und -Verwaltung von dem F i n a n z d e p a r t e m e n t , welches seinerseits die Alkoholverwaltuag in seineu Geschäftskreis aufnahm. Die bedeutendste Veränderung erfuhr das damalige H a n d e l s - und I n d u s t r i e d e p a r t e m e n t , indem es den Handel, den Schutz des gewerblichen und geistigen Eigentums, die internationalen Ausstellungen und das Auswanderungswesen an das neue Departement des Äußern abgeben konnte, während das E i s e n b a h n - und P o s t d e p a r t e m e n t von der neuen Geschäftsverteilung unberührt blieb.

Bei dem Inkrafttreten dieser neuen Geschäftsverteilung auf 1. Januar 1888 behielt der ins Amt tretende Bundespräsident sein bisheriges Departement; das Departement des Äußern wurde von einem andern Mitgliede des Bundesrates übernommen, welches dessen Führung bis zu seinem Austritt aus der Behörde beibehielt.

Überblicken wir nun die während der sechsjährigen Wirksamkeit des Regimes von 1887 mit dessen Neuerungen gemachten E r f a h r u n g e n , so haben wir einerseits von günstigen Ergebnissen, andererseits aber auch von weniger befriedigenden Wirkungen zu berichten.

Der Bestand und die Thätigkeit eines eigenen, dem Wechsel der Leitung nicht unterliegenden Departements des Äußern hat der V e r w a l t u n g d e r p o l i t i s c h e n A n g e l e g e n h e i t e n i m allgemeinen unzweifelhaft wesentliche Portschritte gebracht.

Die Mittel und Wege zur Wahrung und Förderung der schweizerischen Interessen im Auslande wurden eifriger studiert. Wo die bisherige Art der Vertretung nicht ausreichend schien, wie z. B.

in England und in Südamerika, wurde mit Entschiedenheit auf notwendige Verbesserung mittelst Entsendung diplomatischer
Repräsentanten hingearbeitet.

Die früher unter den stets wechselnden Chefs der Verwaltung der politischen Angelegenheiten veränderliche, mehr oder weniger laxe Führung unserer auswärtigen Organe, der Gesandtschaften und Konsulate, hat einer festern, bestimmtem und intensivem Leitung

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Platz gemacht. Es wurde für eine stetigere, sorgfältigere und allseitigere Informierung derselben gesorgt, indem, was jeweilen in einem Gesandtschaftsberichte den andern Gesandten von Wert sein konnte und mitgeteilt werden durfte, ihnen beförderlich und stetig zur Kenntnis gebracht wurde. Diese gegenseitige Orientierung wurde vervollständigt durch die jährliche Einberufung der Gesandten zur Konferenz mit dem Departemente, was notwendig eine nach verschiedenen Richtungen günstige Rückwirkung auf die Thätigkeit der Gesandtschaften zur Folge hatte.

Die längere Führung der Geschäfte des auswärtigen Amtes brachte größere Erfahrung und Vertrautheit mit der Natur dieser Geschäfte, bessere Kenntnis sowohl der eigenen diplomatischen Organe, als der Eigentümlichkeiten der fremden Kabinette und deren Vertreter und infolgedessen größere Gewandtheit und Sicherheit im Verfahren.

Systematischer und gewichtiger trat das konstante auswärtige Amt in die dem frühern politischen Departement mehr oder weniger entfallene Aufgabe ein, bei allen mit fremden Staaten zu verhandelnden Angelegenheiten, Verträgen und Übereinkünften, von welchem Ressort dieselben zunächst auch ausgehen mochten, mitzuwirken.

Das Wegfallen eines Unterbruches in der Geschäftsführung, der früher bei dem jährlichen Wechsel des politischen Departements hauptsächlich altanhängige, aktenreiche Angelegenheiten traf, die von dem neuen Chef wieder neu studiert werden mußten, förderte bei dem neuen System in glücklicher Weise deren Betreibung und Abwicklung. So kamen unter Benützung günstiger Umstände unter anderm die alte Forderung der Schweiz an Spanien betreffend die Guthaben der Schweizerregimenter, die Verständigung über die umstrittene Grenzlinie zwischen der Schweiz und Savoyen, beziehungsweise Frankreich, die Regelung der seit Jahrzehnten in Schwebe gebliebenen kirchlichen Verhältnisse des Kantons Tessin bald auf gute Wege und zur endlichen Erledigung.

Wenn es unter dem frühem Regime hin und wieder vorkam, daß in einer in diplomatischer Verhandlung stehenden Angelegenheit der Vertreter der beteiligten auswärtigen Regierung behufs Besprechung derselben neben dem Bundespräsidenten auch andere Mitglieder des Bundesrates aufsuchte, so ist seit der neuen Einrichtung die Verbesserung eingetreten, daß die Besuche der Diplomaten außerhalb des Departements
des Äußern überhaupt seltener geworden sind und, wenn sie stattfinden, sich korrekt innerhalb des betreffenden Departementalgebietes halten.

Schließlich mag auch der Erscheinung Erwähnung geschehen, daß Indiskretionen in politischen Angelegenheiten, wie sie früher

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manchmal in einer die öffentlichen Interessen der Schweiz schädigenden Weise vorgekommen waren, unter dem neuen Regime seltener eintraten.

Die genannten reellen Verbesserungen in der Führung der politischen Angelegenheiten hatten nach anderer Seite hin nicht unwichtige Veränderungen zur Folge, welche eher nachteilig als förderlich erscheinen.

Der B u n d e s r a t war früher in alle Vorgänge und Geschäfte des politischen Departements eingeweiht. Alle Berichte unserer Gesandten, auch die als konfidentiell bezeichneten, und auch alle nicht bloß kommerziellen und konkret geschäftlichen Berichte der Konsulate wurden vom Bundespräsidenten auf dem Wege der Cirkulation den Mitgliedern des Bundesrates zur Kenntnis gebracht.

Sie erhielten stetige Mitteilung von den eingelangten Noten der fremden Gesandtschaften und ebenso von bedeutsamen, dem Bundespräsidenten in persönlicher Audienz gemachten Eröffnungen. Die Verfügungen in politischen Angelegenheiten aller Art, auch Zwischenverfügungen, gingen auf Antrag des Bundespräsidenten vom Bundesrate aus. Letzterer stund zu den politischen Angelegenheiten immer in einem andern Verhältnisse als zu den Verwaltungsgeschäften der andern Departemente, und während der Bundesrat letztern längst eine ganze Reihe von Geschäftskategorien zu direkter selbständiger Verfügung delegiert hatte, wurden die politischen Angelegenheiten nach wie vor sozusagen vollständig in und vor dem Bundesrate abgewickelt. Mit dem neuen Regime trat hierin eine wesentliche Änderung ein. Die Cirkulationsakten wurden seltener; die Mitglieder des Bundesrates wurden nur mit denjenigen. Eingängen bekannt gemacht, welche dem auswärtigen Amte hierfür geeignet erschienen ; aus dem persönlichen offiziellen Verkehr des auswärtigen Amtes mit den Vertretern der auswärtigen Staaten wurden nur in seltenen außerordentlichen Fällen Eröffnungen gemacht; das auswärtige Amt stellte sich im ganzen auf den Standpunkt der andern Departemente, welche die Großzahl ihrer Verwaltungsgeschäfte direkt und selbständig besorgen und nur wichtigere oder solche Angelegenheiten personeller oder finanzieller Natur, in betreff welcher eine Delegation im allgemeinen nicht stattfindet, vor den Bundesrat bringen.

Man ist an dieses Regime jetzt schon gewöhnt ; aber beim Beginn desselben war der Eindruck, daß mit dem Bundesrat als
politischer Behörde eine wesentliche Veränderung vorgegangen sei, sehr deutlich. Man war nicht mehr so stetig berufen zur Kenntnisnahme von politischen Dingen ; man hatte sich seltener mit denselben zu beschäftigen; es war das Gefühl einer gewissen Ent-

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eignung und Entfremdung in betreff der politischen Interessen, welches freilich vielleicht nur solche Mitglieder des Bundesrates beschlich, die längere Zeit die frühere Praxis mitgemacht hatten.

Bei allem dem können wir uns nicht verhehlen, daß ein wesentlicher Teil der eingetretenen Verbesserungen mit dieser Veränderung zusammenhängt.

Eine weitere, aus der Reorganisation von 1887 entspringende und ebenfalls den Bundesrat als Behörde betreffende Veränderung finden wir in folgendem.

Bekanntlich fand früher jedes Jahr eine Änderung in der Departementsvorsteherschaft statt, indem der neu ins Amt tretende Bundespräsident sein bisheriges Departement verließ und das politische Departement überuahm. Gewöhnlich trat der abtretende Bundespräsiderit in das vakant gewordene Departement über; es kam aber auch vor, daß der Wechsel des Bundespräsidiums zu einem weitern Departementswechsel Anlaß gab. Dieses System brachte es mit sich, da& die einzelnen Mitglieder mit mehreren Departementalverwaltungen einläßlicher bekannt wurden und der Bundesr.it selbst bei Detailfragen eines Departements über die Erfahrungen Verschiedener verfügen konnte. Das besondere Interesse, das man für die Angelegenheiten und Fragen eines Departements behielt, welches man selbst verwaltet hatte, die dabei erworbene specielle Kenntnis der Qualität seiner Beamten, die vielseitigere Verwaltungsbildung der einzelnen Mitglieder kam dem Bundesrat als Gesamtbehörde zu gute, sowohl in seiner beratenden und entscheidenden als in seiner kontrollierenden Thätigkeit. Seit dem Jahre 1888 hat der Wechsel gänzlich aufgehört. Nur infolge von Austritten erhielten Departemente neue Vorsteher. Zwingende Veranlassung zu Änderungen war nicht mehr da, seit der Bundespräsident einfach Vorsteher seines Departements bleibt. Und sollte die jetzige provisorische Organisation definitiv werden, so wird ein Departementswechsel auch künftig nicht stattfinden.

Die Folgen dieses Systems sind dermalen noch nicht vollständig eingetreten ; sie werden sich aber mit Notwendigkeit mehr und mehr einstellen ; für den Bundesrat als Gesamtbehörde können sie nur nachteilige sein.

Am sichtbarsten wurde von der neuen Organisation von 1887 die Stellung des B u n d e s p r ä s i d e n t e n getroffen. Sie hatte sich zwar schon vor derselben successiv modifiziert. In den ersten
Perioden nach 1848, zur Zeit als die Bundesverwaltung noch eine verhältnismäßig einfache und beschränkte war, verlief der Geschäftsverkehr aus und mit den Kantonen zwischen Kantonsregierung und

m Bundesrat. Der Bundespräsident eröffnete die Korrespondenz, nahm von den einlangenden Akten Kenntnis und überwies sie den betreffenden Departementen, welche die vom Bundesrate zu treffenden Maßnahmen und Verfügungen vorbereiteten. Infolge dieses Geschäftsganges war und blieb der Bundespräsident in stetiger Kenntnis aller wesentlichen Vorgänge der gesamten Bundesverwaltung. Als aber mit der Zeit die Geschäfte sich häuften und drei wöchentliche lange Sitzungen des Bundesrates zu deren Bewältigung nicht mehr hinreichten, da wurde es zur Notwendigkeit, durch Décentralisation und Anwendung der Delegation an die Departemente, welche sich nunmehr direkt mit den kantonalen Regierungen und deren Direktionen in Verbindung setzten, die Gesamtbehörde zu entlasten.

Dieses System bildete sich immer mehr aus; der Kreis der den Departementen zu direkter Behandlung und Erledigung überlassenen Geschäfte erweiterte sieh von Periode zu Periode, und die notwendige Folge dieser Entwicklung war, daß dem Bundespräsidenten neben den Geschäften des politischen Departements von der übrigen innern Staatsverwaltung nur Kenntnis der verhältnismäßig kleinen Zahl von Geschäften blieb, welche noch direkt bei dem Bundesrate anhängig gemacht oder im Bundesrate erledigt wurden.

Aber er hatte bisanhin immer noch das politische Departement behalten : den Verkehr mit den auswärtigen Staaten und deren Vertretern, den Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsuln der Schweiz im Auslande, die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und ausländischen Staatsregierungen und deren Stellvertretern, die Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität und Sicherheit der Eidgenossenschaft gegen außen im allgemeinen, sowie der völkerrechtlichen Verhältnisse im besondern, die Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Innern -- Aufgaben und Funktionen, welche die Magistratur des Bundespräsidenten immerhin noch als höchste einheitliche Hüterin der vornehmsten Gesamtinteressen des Landes nach innen und außen erscheinen ließen.

Mit der Reorganisation von 1887 verlor er diese Funktionen.

Von dem alten Bundespräsidenten, dessen Stellung und Würde eine bedeutendere und inhaltreichere war, als die des einstigen Landammanus der Schweiz, blieb ihm nichts mehr übrig, als die formelle Repräsentanz bei solennen Anlässen, bei Gesandtschaftsempfängen
und nationalen Festen u. dgl. und das Ratspräsidium mit Entgegennahme der Vorlagen der Departemente und der Leitung der Verhandlungen.

Nichtsdestoweniger fuhr die Bundesversammlung fort, Jahr um Jahr dieses Amt selbst zu besetzen, wogegen die Bestellung der

775 Departemente, das auswärtige Amt mit Inbegriffen,' dem Bundesrate anheimgestellt blieb.

Was nun die Folgen der Reorganisation von 1887 auf die D e p a r t e m e n t e und d e r e n V o r s t e h e r anbelangt, so hat dieselbe, wie nebenbei bezweckt wurde, wohl etwelche Ausgleichung der Arbeit unter ihnen gebracht; durchgreifend konnte letztere nicht sein, weil Lostrennungen bei einzelnen Departementen nicht statthaft waren, und auch die Erleichterung war oder blieb nicht von Belang, weil nur allzubald neuer Zuwachs von Geschäften die etwa gewonnene Entlastung aufhob. Am schlimmsten daran ist in dieser Beziehung der Bundespräsident. Ohnedies von seinem eigenen Departement, welches es auch sein mag, voll in Anspruch genommen, hat er während seines Amtsjahres nun auch die Präsidialgeschäfte zu besorgen. Der zeitraubenden Eröffnung und der formalen Überweisung der täglichen Bundesratskorrespondenz ist er zwar enthoben; aber er sollte doch anläßlich der Visierung der Überweisungen von dem Inhalt der Eingaben Kenntnis nehmen. Ebenso sollte er Zeit haben, die von den Departementen zur Vorlage an den Bundesrat abgegebenen Berichte und Anträge durchzusehen, um auf allfällig Zweifelhaftes aufmerksam zu machen und zu beurteilen, ob eine Vorlage liquid genug sei, um sofort behandelt zu werden, oder ob eine nähere Prüfung der Akten durch die Mitglieder des Rates angezeigt erscheine. Er hat nach wie vor die neu accreditierten Gesandten zu empfangen und die abgehenden zu verabschieden. Er hat die nicht seltenen Delegationen anzuhören, welche den Bundesrat direkt mit ihren Anliegen bekannt zu machen wünschen, und in vielen beim Bundesrat anhängigen Angelegenheiten überhaupt Audienzen zu gewähren. Als Departementschef genötigt, seine Fachliteratur zu verfolgen, ist er als Bundespräsident im Falle, in umfassender Weise und möglichst stetig von den die Bundesverwaltung betreffenden Kundgebungen der Presse Kenntnis zu nehmen. Er hat die beschlossenen Motionen und Postulate im Auge zu behalten und sich um deren Behandlung durch die betreffenden Departemente zu bekümmern. Er hat alles wahrzunehmen, was die Bundesverwaltung und den Gang der Geschäfte im ganzen angeht, und sollte den Verhandlungen der Räte in ausgedehntem Maße beiwohnen und folgen können. Eine gleichzeitige vollständige Erfüllung der Departementalpflichten
und der Präsidialpflichten, wenn solche überhaupt möglich ist, erheischt unter vorhandenen Umständen eine Anspannung und Anstrengung, die nicht immer ohne Schädigung ausgehalten werden kann.

Was das Aufhören des Departementswechsels für den Bundesrat als Gesamtbehörde bedeute, haben wir oben zu berühren Ge-

776 legenheit gehabt. Etwas anders stellt sich die Sache vom Gesichtspunkt der Departementalverwaltung selbst und deren VorsteherSchaft. Die Kontinuität, welche wir als Vorteil erkannten für die Behandlung und Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten, ist es ebenso für die Verwaltung aller andern Geschäftszweige. Es ist klar, daß sie eine größere und detailliertere Kenntnis aller bezüglichen, sowohl sachlichen als personellen Verhältnisse mit sich bringt, umfassendere Vertrautheit mit allen den Geschäftszweig beschlagenden Gesetzen, Verordnungen, Reglementen und Beschlüssen; daß die Leitung der betreffenden Verwaltung dadurch an Erfahrung, Sicherheit und Präcision gewinnt, und daß sich nicht minder die Arbeit des Vorstandes wesentlich erleichtert. Von besonderem Belang ist dies namentlich dann, wenn es sich um Lösung bedeutenderer, vielseitige Untersuchungen und Studien erheischender gesetzgeberischer Aufgaben, sowie um die Einführung neuer Gesetze handelt.

Gleichwohl wird man nicht die Behauptung aufstellen wollen, daß der Wechsel in der Departementsverwaltung unter allen Umständen schädlich und zu vermeiden sei.

Wenn wir uns nun schließlich außerhalb des Bundesrates und der Departemente in der B u n d e s v e r s a m m l u n g und der offen tl i c h e n M e i n u n g umsehen und nach den Eindrücken und Ansichten fragen, welche sich seit der Reorganisation hier bemerklich machen, so begegnen wir einer einigermaßen auffallenden Erscheinung. Der Gang, den die politischen Angelegenheiten des Landes unter dem neuen Regime genommen haben, hat, soviel wir wahrzunehmen im Falle waren, namentlich was die internationalen Verhältnisse betrifft, entschiedene Zustimmung und Billigung gefunden, und auch die übrige Geschäftsverwaltuug wurde im ganzen von Kommissionen und Räten als gut und befriedigend anerkannt.

Nichtsdestoweniger sind in den letzten Jahren in der Presse Stimmen laut geworden, welche finden, daß etwas fehle, daß in der schweizerischen Bundesverwaltung etwas nicht in Ordnung sei. Dies präcisierte sich allmählich dahin, der Bundesrat sei zu sehr eine bloße Verwaltungsbehörde, ein Kollegium von Geschäftsministern, von denen jeder sich lediglich um die Angelegenheiten seines Ressorts bekümmere, darin ziemlich ungestört und autoritativ walte und auch einseitig, mitunter bureaukratisch werde;
dem Bundesrat sei der Charakter einer leitenden politischen Behörde abhanden gekommen, was wesentlich mit der fehlerhaften Einrichtung zusammenhänge, daß er von der Bundesversammlung und nicht direkt vom Volke gewählt werde.

Wenn auch die meisten dieser öffentlichen Bemerkungen über die Haltung und das Gebaren des Bundesrates und seiner De-

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pai-temente mit der Reorganisation von 1887 nicht in näherer Beziehung stehen, vielmehr außerhalb des engern Rahmens der Frage stehen, welche wir zu beantworten haben, und obwohl denselben unseres Wissens bis jetzt bestimmter, offizieller Ausdruck nicht gegeben worden ist, so glaubten wir nichtsdestoweniger auch sie in den Kreis unserer Prüfung und Besprechung ziehen zu sollen, da später bei der Erörterung der eventuellen Reformen nicht nur auf die speciellen Erfahrungen über die Reorganisation von 1887, sondern auf die Erfahrungen und Urteile über die Organisation und den Geschäftsgang der Bundesexekutive überhaupt Bezug genommen werden muß. Es sei deshalb gestattet, hier 'in Kürze auf jene Bemerkungen prüfend einzugehen.

Ob der schweizerische Bundesrat als oberste l e i t e n d e Behörde in Wirklichkeit ist, was er sein soll, ist nicht zu messen an dem Auftreten der Regierungen anderer Staaten, sondern lediglich an den Institutionen des eigenen Landes. Die Rolle der leitenden Staatsbehörde in einer Republik ist eine andere als in einem monarchischen Staate, in einem Bundesstaate eine andere als in einem einheitlichen centralisierten Staatej in einem Lande mit demokratischen Institutionen eine andere als in einem repräsentativ organisierten Staate. Unter den bestehenden Republiken der Welt, unter den bestehenden Bundesstaaten giebt es keinen, der auch nur annähernd dieselben Institutionen hätte, wie die gegenwärtige schweizerische Eidgenossenschaft. Wo die politische Leitung und die Landesverwaltung sich nach den Verfügungen der gesetzgebenden Räte zu richten hat; wo Gesetze und Beschlüsse der Volksabstimmung unterliegen; wo auf dem Wege formulierter Verfassungsinitiative jeder Zeit in die Entwicklung des Staates direkt eingegriffen und jeder konstitutionelle Faktor beliebig geändert werden kann; wo der zu leitende Gesamtstaat überdies aus zahlreichen besondem Staaten besteht, welche viele wichtige, die ganze Entwicklung mitbestimmende Gebiete aocialer und administrativer Natur autonom ordnen und leiten, da ist von der centralen Leitung nicht mehr zu verlangen, als was bei diesen Institutionen gewollt und möglich ist. Aber auch nicht weniger. Die Aufgabe, welche die Bundesverfassung dem Bundesrate stellt, indem sie ihn in Art. 95 die oberste leitende Behörde der Eidgenossenschaft nennt, ist kein
leerer Begriff.

Die Pflege der völkerrechtlichen Beziehungen, die für Ehre, Wohl und Unabhängigkeit des Landes so bedeutsame Wacht über dessen nationale Interessen gegenüber dem Auslande liegt in eminentem Maße in der Hand des Bundesrates. Mangel an Einsicht, an Energie, an Vorsicht in der Führung dieser Angelegenheiten,

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Versäumnisse und Übereilungen können unter Umständen weder von der Bundesversammlung noch von dem Volke wieder gut gemacht werden. Und was die innere Entwicklung des Laudes anbetrifft, so hängt trotz uùd inmitten der umfassenden Kompetenzen der Räte, sowie der Rechte des Volkes und deren intensiver Bethätigung von der Haltung des Bundesrates, seiner richtigen Initiative, seinen Vorschlägen, seiner entschiedenen Vertretung des bundesstaatlichen Gedankens, seinem unentwegten Einstehen für das Wohl des Ganzen, seiner Festigkeit und Entschlossenheit immerdar noch so viel ab, daß von einer leitenden Stellung und Aufgabe desselben mit Grund gesprochen werden kann.

Und nun fragt es sich, ob Erfahrungen gemacht worden sind, welche die Behauptung rechtfertigen, daß der Bundesrat dieser Aufgabe nicht mehr genüge und, wenn solche Erfahrungen gemacht worden sein sollten, ob dieselben auf die zufällige persönliche Zusammensetzung oder auf die Organisation oder die Wahlart der Behörde zurückzuführen seien.

Vereinzelte Erfahrungen können hier nicht in Betracht kommen wiederholte stetige Erfahrungen jener Art aber wären für die Interessen des Landes von solchem Belange gewesen, daß sie notwendigerweise längst offiziell hätten zur Sprache kommen müssen, was unseres Wissens nicht der Fall gewesen ist. In der Organisation jedenfalls und in dem Geschäftsgange des Bundesrates liegt nichts, was ihn hindern könnte, seiner verfassungsmäßigen Stellung als leitende Behörde der Eidgenossenschaft gerecht zu werden, und was durch die Änderung der Wahlart des Bundesrates, wenn alle übrigen Bedingungen dieselben bleiben, in dieser Beziehung Belangreiches gewonnen werden könnte, ist nicht einzusehen.

Unter dea Bemerkungen, welche sich auf die Geschäftsführung des Bundesrates als oberster V e r w a l t u n g s b e h ö r d e beziehen, tritt die Aussage in den Vordergrund, es existiere eigentlich kein Gesamtbundesrat mehr, die Verwaltung werde geführt von sieben isolierten, selbständigen Departementsvorständen, von denen jeder so viel zu thun habe, daß er sich um die Geschäfte der andern und das Ganze nicht bekümmern könne; es sei nicht die nötige Garantie vorhanden für allseitige Prüfung und Kontrolle und insbesondere nicht für unbefangene, solide Prüfung und unparteiischen Entscheid der gegen Départemental Verfügungen gerichteten
Beschwerden.

In der That hat sich seit dem Jahre 1848 in der innern Organisation des Bundesrates vieles verändert.

Der hierauf bezügliche Art. 91 der Bundesverfassung von 1848 lautete : ,,Die Geschäfte des Bundesrates werden nach Departementen

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unter die einzelnen Mitglieder verteilt. Diese Einteilung hat aber einzig den Zweck, die Prüfung und Besorgung der Geschäfte zu fördern; der Entscheid geht von dem Bundesrate als Behörde aus.a Der erste Bundesrat hatte die neue Bundesverfassung, welche gewaltige Veränderungen der eidgenössischen Verhältnisse in sich schloß, ins Leben einzuführen. Es gab noch keine ßundesgesetzgebung, keine Dienstorganisationen ;.alles, was vorzukehren und zu verfügen war, war neu und wichtig, und so erscheint es sehr begreiflich, daß man Wert darauf legte, alle Entscheide in die Hand des Bundesrates als Behörde zu legen. Aber es bedurfte nur weniger Monate wirklicher Geschäftsführung, um den Bundesrat von der Unmöglichkeit zu überzeugen, jene Vorschrift in formeller, strikter Weise zu vollziehen. Das erste Bnndesgesetz über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates von 1849 mußte schon sagen (Art. 22) : ,,Zur Vorbereitung und teilweisen E r l e d i g u n g der Geschäfte, soweit l e t z t e r e s besonders b e s t i m m t w i r d , teilt sich der Bundesrat in sieben Departemente'1, und fand keinen Widerspruch darin, den letzten Satz des Verfassungsartikels gleichwohl beizufügen. In gleichem Maße, wie sich die Bundesverwaltung erweiterte, mußte der Bundesrat darauf Bedacht nehmen, daß in seiner Thätigkeit das Allgemeine nicht durch das Besondere und Einzelne, das Wichtigere nicht durch die Masse des Unwichtigem, die Erfüllung der höhern Aufgaben nicht durch die Sorge für die untergeordneten Verwaltungssachen beeinträchtigt werde, und er konnte dies nicht auf anderem Wege erreichen, als durch Abgabe von Geschäften und vermehrte Kompeteuzübertragungen an die Departemente. Weil nun aber dabei immer vorbehalten blieb, daß Departementalverfügungen rekursvveise vor den Bundesrat gebracht werden können, der definitive Entscheid also doch vom Bundesrat als Behörde getroffen wurde, so hielt man es bei der Bundesrevision von 1874 nicht für nötig, den Art. 91 der Bundesverfassung von 1848 anders zu fassen, sondern nahm ihn unverändert als Art, 103 in die Bundesverfassung von 1874 hinüber. Dieser Auffassung gab denn auch der neue Bundesbeschluß über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates vom 21. August 1878 deutlichen Ausdruck, indem er in Art. 20 folgendes bestimmt : ,, U n t e r V o r b e h a l t
e n d g ü l t i g e n E n t s c h e i d e s des B u n d e s rates erledigen die Departem e n t e von s i c h aus die Geschäfte, welche ihnen, sei es kraft gesetzlicher Bestimmungen, sei es infolge besonderer Beschlußnahmen des Bundesrates, überwiesen sind."

Hiervon ist je nach den verschiedenen Geschäftsarten der einzelnen Departemente in mehr oder weniger ausgedehntem Maße vielfältig Gebrauch gemacht worden, und es steht nun so, daß in der

780 That eine große Menge von Geschäften in den sieben Departementen direkt behandelt und erledigt werden.

Gleichwohl können wir das Bild, das in jener Aussage, auf welche wir uns beziehen, von der Verwaltung des Bundesrats gegeben wird, nicht als richtig anerkennen.

Das Protokoll des Bundesrates beweist, daß seine Thätigkeit als Behörde, trotz der Kompetenzübertragungen an die Departeinente, keineswegs in Abnahme begriffen ist. Alle wichtigern Entscheide und Verfügungen gehen von ihm aus. Alle Entwürfe von Bundesgesetzen und Bundesbeschlüssen und die dazu gehörigen Botschaften, alle Berichte an die Räte, alle Verordnungen zur Vollziehung der Gesetze, alle organisatorischen Réglemente, alle die Dienstobliegen' heiten einzelner Ämter ordnenden Instruktionen, alle Kompetenzbestimmungen, alle Wahlen von Beamten und, mit Ausnahme gewisser Kategorien im Post- und Zolldienst, auch von Angestellten, die Festsetzung der. Gehalte innerhalb der Voranschläge, alle Rekurse gegen Entscheide kantonaler Behörden, soweit sie nicht Sache des Bundesgerichtes sind, alle Rekurse gegen départementale Verfugungen, alle Petitionen, Vorstellungen und Eingaben jeder Art, alle Subventionen und Finanzmaßregeln wichtiger Natur, alle Polizeiangelegenheiten von größerer Bedeutung, alle internationalen Vertrags-, Verkehrs- und Handelsfragen u. s. w. werden auf Grundlage schriftlicher Berichte und Anträge der Departennente im Plenum des Bundesrates behandelt.

Was dann diese Behandlung selbst betrifft, so muß die hin und wieder laut gewordene Andeutung, als ob jene nur mehr in einer formellen, höflichen Registrierung der Departementalanträge bestehe, sehr ernstlich abgelehnt werden. Von dem Bundespräsidenten vorher durchgesehen, werden alle Vorlagen, welche von größerer Tragweite sincToder nicht ganz liquid erscheinen, auf eine spätere Tagesordnung gesetzt und zur nähern Prüfung auf den Kanzleitisch gelegt. Überdies machen die Departementsvorsteher in der Regel, und namentlich wenn es sich um Rekurse gegen eigene Verfügungen handelt, selbst darauf aufmerksam, wenn in einem Antrage eine neue Frage zur Entscheidung kommen soll oder kritische Punkte vorliegen, und wünschen, wenn diese etwa speciell finanzieller oder rechtlicher Natur sind, direkten Mitbericht des Finanz- oder Justizdepartementes. Gegenseitige Rücksichtnahme,
welche unabhängige Kritik und entschiedene Pflichterfüllung irgendwie beeinträchtigen würde, war und ist im Bundesrate unbekannt.

Die wirklich vorhandenen Übelstände bestehen darin, daß der Bundesrat als Behörde jetzt noch mit einer Menge untergeordneter Geschäfte sich zu befassen hat, welche seine Zeit unnötigerweise

781 in Anspruch nehmen und wichtigere Arbeiten beeinträchtigen. Was die Departemente anbetrifft, so haben die successiv erfolgten Kompetenzübertragungen die Arbeit in ihren Bureaux wesentlich vermindert, insofern viele durch die frühere Berichterstattung und Autragstellung an den Bundesrat bedingte Redaktionsarbeiten, Kopiaturen und Registrierungen erspart werden konnten, womit im weitern zum Vorteile der Verwaltung eine promptere Erlediguog der Geschäfte gesichert wurde. Die Departementsvorsteher selbst aber befinden sich geschäftlich in einer Lage, welche ihnen zu Zeiten unmöglich macht, sich immer in gleich intensiver Weise wie mit den eigenen auch mit den Fragen und Angelegenheiten der ganzen übrigen Bundesverwaltung zu befassen, und für zusammenhängende Studien und Arbeiten sie einfach auf die Nacht verweist.

Wenn mit Bezug auf die eidgenössische Verwaltung von Bundesbureaukratie gesprochen wird, so kann dies, soweit es nicht überhaupt nur als oppositionelles Sehlagwort zu dienen hat, nur uneigentlich gemeint sein.

Allgegenwärtige Staatsgeschäftigkeit, Herrschaft des tötenden Buchstabens, schablonenhaftes, die Eigentümlichkeit der konkreten Verhältnisse vornehm oder nachlässig ignorierendes Abthun der Geschäfte, Druck eines viel regierenden und formalistisch regierenden groben Beamtentums, kastenmäßige Absonderung desselben von der bürgerlichen Gesellschaft und verletzende Wichtigthuerei -- kurz das, was man eigentlich unter Bureaukratie versteht -- kann nach unserem Dafürhalten der eidgenössischen Verwaltung nicht nachgesagt werden, kann in einer demokratischen Republik, wo Maß und Form staatlichen Eingreifens vom Willen der Bürger selbst abhängt und wo der Beamte oft wiederholten Wahlen unterstellt ist, überhaupt als System nicht aufkommen.

Es seheint häufig zu genügen, auf das Anwachsen der Zahl der Beamten und Angestellten des Bundes hinzuweisen. Wenn aber ein einfacher Einblick in die Staatskalender früherer und jetziger Jahre zeigt, daß der größte Teil der Zunahme auf die ausgedehnten Verwaltungen der Zölle, der Post, des Telegraphen und des Telephons fällt und man zugestehen muß, daß die Vermehrung des Personals in diesen Staatsbetrieben in direktester Weise den Interessen der Bevölkerung dient, so dürfte es ungereimt erscheinen, diese notwendige und von der Bevölkerung selbst als
willkommene Dienstverbesserung empfundene Entwicklung tadelnd bureaukratisch zu nennen. Ebenso ist es klar, daß der Bund ganz neue Aufgaben und Dienste, wie sie ihm durch Verfassung und Gesetz in zunehmendem Maße übertragen wurden, nicht übernehmen konnte, ohne für gehörige Erfüllung zu sorgen, was nicht anders geschehen konnte und kann, als durch Aufstellung der hierzu nötigen Organe.

Buadesblatt. 46. Jahrg. Bd. II.

53

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Nun geht, unserer bundesstaatlichen Einrichtung gemäß, die einheitliche Regulierung administrativer Gebiete so vor sich, daß das Bundesgesetz die allgemeinen, für alle Kantone'gültigen Vorschriften aufstellt, die Vollziehung derselben den Kantonen zuweist, die Bundesbehörde aber mit der Überwachung dieser Vollziehung beauftragt. So hat die Bundesverwaltung mit Ausnahme der wenigen vollständig centralisierten Administrationen, wie Post, Telegraph und Telephon, Zoll, Militär zum Teil, Polytechnikum, Medizinalprüfung, Pulver und Alkohol, auf allen andern Verwaltungsgebieten, welche überhaupt der Bundesgesetzgebung unterstellt sind, nicht mit den Bürgern direkt, sondern mit den kantonalen Behörden zu thun, denen die Vollziehung der Bundesgesetze obliegt.

Der Eintritt des Bundes in Administrationsgebiete, in denen sie bislang autonom schalteten und walteten, ist nicht immer und bei allen Kantonen willkommen. Abgesehen von der Verschiedenheit der Interessen, welche es mit sich bringt, daß in diesem oder jenem Falle in dem einen oder andern Kanton die Aufrechterhaltung der bisherigen Autonomie erwünschter gewesen wäre, begegnet die gesetzgeberische Bundesintervention da und dort einer grundsätzlichen Ungeneigtheit, welche die betreffenden kantonalen Behörden gegenüber der Bundesverwaltung von vorneherein empfindlich und schwierig macht. Es wird unter solchen Umständen ungern ertragen, wenn die Bundesbehörde auf Vollziehung der Bundesgesetze dringt, wenn sie Berichte verlangt, Nachschau hält, Aussetzungen macht, mahnt, einschreitet, und leicht bekommt sie dann von kantonalen Regierungsbeamten, nicht von Bürgern, auf dem Wege der Presse die Zulage von Bundesbureaukratie zu hören.

Ist diese Beschuldigung immer ungerechtfertigt, wenn sielediglich solch sachlichem Widerstreben gegen die auf Durchführung der Bundesgesetze gerichtete Thätigkeit der Bundesbehörde entspringt, so ist dies anderseits dann nicht der Fall, wenn von Seiten der Bundesorgane bei Ausübung dieser Thätigkeit in Form und Ton unangemessen verfahren wird. Die Regierungsbehörden der Kantone sind nicht vom Bunde gewählte, nicht der Bundesbehörde hierarchisch unterstellte Beamte, und sie empfinden es mit Recht, mag auch eine bundesbehördliche Verfügung sachlich wohl begründet sein, als ungehörig und unstatthaft, wenn sie in Stil und Ton der
Mitteilung als solche Untergebene behandelt werden wollen. Da wird denn wohl kurzer Hand über bureaukratisches Benehmen geklagt. Vereinzelte Fälle dieser Art mögen von Seiten ungeschickter und unerfahrener Bundesorgane hin und wieder vorgekommen sein ; es sind dies Ausnahmen, die, wenn die Departementschefs davon Kenntnis erhalten, nicht ungerügt bleiben.

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Charakter des bundesbehördlichen Verkehrs mit den kantonalen Regierungen ist bureaukratisehes Wesen in angedeutetem Sinne nicht.

Wenn endlich Bureaukratie darin gefunden werden will, daß jener Verkehr allzusehr nur schriftlich vor sich gehe, während eine Behandlung der Geschäfte, bei welcher die kantonalen Behörden persönlich mit zu Rate gezogen würden, populärer, demokratischer und glücklicher wäre, so sollen die Vorteile direkter konfefenzieller Besprechung keineswegs in Abrede gestellt werden. Diese Methode ist in kantonalen Verwaltungen um so leichter möglich, je beschränkter diese sind, wird aber progressiv schwieriger, je größer Gebiet und Bevölkerung eines Kantons ist, je zahlreicher dessen Bezirke und Funktionäre, je weiter die Entfernungen, je erheblicher die Zeitverluste und Kosten konferenzieller Einberufungen werden.

Manche Einrichtungen sind geradezu von diesen Faktoren abhängig, wie ja z. B. das Zusammentagen des ganzen Volkes mit seinen Behörden in Landsgemeinden, dieser in vielen Beziehungen idealen demokratischen Institution, nur in kleinen Kantonen möglich ist.

Die eidgenössischen Departemente wissen in ihren Verwaltungen den Wert persönlichen Benehmens mit den kantonalen Behörden wohl zu schätzen und machen sehr oft davon Gebrauch ; manche Differenz wird auf diesem Wege beseitigt, mancher Entschließung gehen persönliche Besprechungen voraus, Angelegenheiten, welche mehrere Kantone betreffen, werden nicht selten der Beratung größerer Konferenzen von einberufenen kantonalen Delegierten unterstellt; aber wenn die Anwendung dieser Methode auch in der Bundesverwaltung wie in den kantonalen Verwaltungen an den oben berührten hindernden Faktoren ihre Grenze findet und vieles auf dem Wege schriftliehen Verkehrs abgethan werden muß, so ist deswegen die abschätzige Zulage von Bureaukratie doch kaum gerechtfertigt.

ir.

Das Postulat, welches Gegenstand des vorliegenden Berichtes ist, ladet in seinem zweiten Teile den Bundesrat ein, den eidgenössischen Räten ü b e r die bei der s t e t s s t e i g e n d e n Geschäft svermehrung nötig werdenden Reformen der B u n d e s v e r w a l t u n g eine Vorlage zu unterbreiten.

Um von der gewaltigen Vermehrung der Geschäfte der Bundesverwaltung ein anschauliches Bild zu bekommen, genügt es, einen vergleichenden Blick zu werfen auf die Verwaltungsberichte aus den frühern und den jüngsten Perioden, auf die Budgets in Rubriken und Summen, auf die eidgenössischen Staatskalender, auf Zahl und

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Umfang der früher und jetzt für die Bundesadministration in Anspruch genommenen Lokalitäten, auf die Registraturen der Departemente, auf die Menge der in den verschiedenen Perioden an das Archiv abgegebenen Akten, auf die Traktandenlisten der eidgenössischen Räte.

Und was die fortdauernde stete Steigerung dieser Geschäftsvermehrung betrifft, so liegt diese hinlänglich klar vor in der Zahl und der Bedeutung der jetzt schon anhängigen, ihrer Lösung harrenden Aufgaben und ihrer Konsequenzen für die Verwaltung, in der Zunahme der Aufträge und Motionen und nicht um mindesten in den zahlreichen, gewichtigen und weitausgreifenden Volkspostulaten, welche so oder anders früher oder später an die Bundesbehörde herantreten werden. Dem Staate zu wenden sich aller Blicke und Hände, und dem Bunde zu bewegen sieh nicht nur die politischen Organisationsfragen, sondern alle großen wirtschaftlichen und socialen Aufgaben unseres Landes, und zwar mit zunehmender Ungeduld.

Wie die Bewegung in unserer Zeit überhaupt in allen Dingen eine raschere geworden ist, so duldet sie auch in den gemeinen öffentlichen Angelegenheiten keine Ruhe, keinen Aufschub, keine Vertagung. Manche der gegenwärtig anhängigen Fragen und Aufgaben sind keineswegs alt, und man weiß, daß sie einläßlichen, sorgfältigen Studiums bedürfen ; aber gleichwohl klagt man über Verzögerung, Verschleppung und ruft -nach Beschleunigung der Lösung.

Kann nun die Bundesverwaltung in ihrer jetzigen Organisation den so sich mehrenden, dringlich auftretenden Ansprüchen der Zeit, der Gegenwart schon, aber noch mehr der Zukunft gerecht werden ?

Die Bundesversammlung verneint die Frage; sie spricht in ihrem Auftrage ohne weiteres von ,,nötig werdenden Reformen der Bundesverwaltiing".

Wir haben, wie dem ersten Teil des Postulates betreffend die bisherigen Erfahrungen, so auch dem zweiten Teil betreffend Reformen in der Organisation und dem Geschäftsgange einläßliche Untersuchung gewidmet. Die allgemein interessierende Bedeutung und Wichtigkeit der Angelegenheit möge es rechtfertigen, wenn die Berichterstattung sich nicht einfach auf die Darlegung und Motivierung unserer Schlußanträge beschränkt, sondern auch die wesentlichsten Fragen berührt, welche bei unserer Untersuchung zur Sprache gekommen sind.

Einheitliche, centralisierte Staaten helfen sich gegen die
Geschäftshypertrophie bei der obersten Verwaltungsbehörde durch das Mittel der D é c e n t r a l i s a t i o n . Da sind Provinzen, in den Provinzen Bezirke, in den Bezirken Kreise, in diesen Gemeinden mit einer Hierarchie von Trägern der Staatsgewalt, denen von unten nach oben an Umfang und Bedeutung wachsende Kompetenzen

785 übertragen sind. Es bedarf nur qualitativer und quantitativer Erweiterung dieser Kompetenzen, um auf vollkommen organische Weise von der obersten Staatsbehörde eine Geschäfts- und Arbeitsüberhäufung fernzuhalten, welche ihr die richtige Erfüllung ihrer Aufgabe unmöglich macht. In dieser Lage befinden sich auch unsere schweizerischen Kantone mit ihren Regierungen, Regierungsstatthaltern und Gemeinderäten. Anders verhält sich die Sache im Bunde. Er hat mit Ausnahme der rein schweizerischen Verwaltungen, der Zölle, Posten und Telegraphen, für die Ausführung der ihm durch Verfassung und Gesetz zugewiesenen specifisehen Bundesaufgaben keine territorialbezirkliche Organisation im Lande, mit verantwortlichen Organen. Die Bundesverwaltung ist eine reine Centralverwaltung. Alle neuen Bundesaufgaben und alle neuen Bundesgeschäfte wachsen ausschließlich dieser Centralverwaltung zu, welche sich nicht durch Abgabe von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten an eigene, in den verschiedenen Teilen des Landes residierende Organe helfen kann. Die Vereinigten Staaten haben in dieser Beziehung eine andere Einrichtung, zu welcher man später bei uns auch kommen wird, dann aber freilich in demokratischer Weise so, daß mit Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit ausgerüstete Kreis- oder Bezirksbundesämter, wenn nicht direkt durch Volkswahl, so doch durch die Bundesversammlung bestellt würden. So wie die Verhältnisse jetzt sind, ist auf dem Wege der Décentralisation der Bundesverwaltung nicht zu helfen.

Ein radikales Mittel zur Entlastung des Bundesrates und seiner Departemente wäre in einer vollständigem Trennung der Gewalten zu finden. Nach unserer jetzigen Organisation hat der Buudesrat nicht nur als E x e k u t i v b e h ö r d e die ganze Summe der Verwaltungsgeschäfte des Bundes zu besorgen, sondern gleichzeitig als O r g a n der g e s e t z g e b e n d e n G e w a l t alle Arbeit zu vollbringen, welche mit der Vorbereitung, Entwerfung, Einbringung u und Durchberatung ö der Gesetze in allen Stadien verbunden ist.

Wenn eine Ausscheidung in dem Sinne stattfände, daß dem Bundesrat die Funktionen der Exekutive zugewiesen würden, die Gesetzgebung aber den beiden Räten und dem Volke, so würden Organisation und Kräfte der Bund es Verwaltung nicht nur vollkommen genügen, sondern es wäre sogar eine Reduktion der
Mitglieder des Bundesrates möglich. Was die Gesetzgebung anbelangt, so wären die Räte bei ihrem zahlreichen, taugliche Kräfte aller Art enthaltenden Bestand, und bei geeigneter Organisation vollständig im Fall, nicht nur die gesetzgeberische Aufgabe überhaupt zu übernehmen, sondern nach verschiedenen Richtungen hin gleichzeitig zu arbeiten.

Je nach den vorliegenden Fragen eigens zusammengesetzte, oder eine gewisse Zahl ständiger Kommissionen wären das Mittel dazu.

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Daß eine solche Ausscheidung praktisch durchführbar sei, beweist uns der viel ältere, in seinen Verhältnissen gewaltigere und kompliziertere Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika, mit welchem im übrigen die schweizerische Eidgenossenschaft die meiste Ähnlichkeit hat. Dort gehen die Bills (Gesetze und Beschlüsse) ausschließlich aus dem Repräsentantenhause und dem Senat hervor. Vorbereitung, Einbringung, Vertretung derselben ist Sache der permanenten Komitees, deren im letzten Kongresse das Repräsentantenhaus 54, der Senat 41 zählte. Der Kongreß versammelt sich ohne Dazwischenkunft der Exekutive, und den Ministern ist verboten, den Kammern beizuwohnen. Der Präsident der Vereinigten Staaten erläßt wohl beim Zusammentritt des Kongresses eine Botschaft, in welcher er die Beziehungen zu auswärtigen Staaten und große Fragen bespricht, sowie Anregungen zu gesetzgeberischen Arbeiten macht. Diese Botschaft und diese Anregungen bilden aber nicht einen Beratungsgegenstand des Parlaments; wenn in diesem nicht ein Mitglied die präsidiale Anregung aufnimmt, bleibt sie ohne Erfolg.

Solche Überlassung der Gesetzgebung an das Parlament mag allerdings einem planmäßigen Gange nicht eben förderlich sein, aber von einer Entwicklung der Gesetzgebung nach einem bestimmten Programm ist ja jetzt schon bei uns keine Rede; nicht nur hat jeder der beiden Räte und jedes einzelne Mitglied derselben das Vorschlagsrecht, welchem eine Reihe von Gesetzen ihr Dasein verdankt, sondern infolge des Rechts der Volksinitiative kann auch das Volk selbst'jederzeit intervenieren, und zwar auf dem Wege der formulierten Initiative in einer Weise, daß der Regierung nur die Registrierung des gefaßten Beschlusses übrig bleibt. Ist auch dermalen in eidgenössischen Dingen das Initiativrecht des Volkes auf die Revision der Bundesverfassung beschränkt, so ist durch den auf dem Wege der Verfassungsinitiative in die Bundesverfassung gekommenen Schächtartikel bewiesen, daß jene Beschränkung das Volk nicht hindert, auf dem Wege der partiellen Verfassungsrevision direkt das Gesetzgebungsrecht auszuüben. Und die Frage liegt nahe, ob nicht für die demokratische Entwicklung eine natürlichere, klarere und einfachere Base dadurch geschaffen würde, daß man, einmal auf dem Punkte angelangt, auf dem wir jetzt stehen, den weitern Schritt thäte, dem
Volke in Verbindung mit seinen Vertretern, den beiden Räten, die Gesetzgebung und der Exekutivbehörde die Verwaltung zuzuweisen. Es ist nicht gesagt, daß das Verhältnis der beiden Gewalten zu einander bezüglich seiner Besonderheiten in der Schweiz so organisiert werden müßte, wie es in den Vereinigten Staaten besteht und praktiziert wird. So wenig in diesem Staatswesen die Trennung der genannten

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Gewalten doktrinär konsequent durchgeführt ist, so modalitätsfähig wäre die Ausgestaltung des Grundsatzes auch in der Schweiz.

Eine Reform in diesem Sinne würde allerdings den Bundesrat in wirksamster Weise entlasten. Gleichwohl konnte sie nicht ernstlich in Betracht fallen. Das sonst in keinem Staate, außer den Vereinigten Staaten Amerikas, bestehende System gilt in seinem Heimatlande keineswegs als vorzügliche, empfehlenswerte Institution ; sie ist dort auch nur möglich in Verbindung mit der machtvollen Stellung des Präsidenten, ohne dessen Zustimmung keine Bill in Kraft treten kann. In unserm Lande, wo eine solche Machtausrüstung des Bundesrates undenkbar ist, würde sie zersetzend und desorganisierend wirken und den trotz Initiative doch noch bedeutenden Rest von Staatsleitung, welcher in dea gesetzgeberischen Funktionen des Bundesrates liegt, vollends zerstören. Gänzlich im Widerspruch mit den eidgenössischen und kantonalen Traditionen wie mit der Volksanschauung, unausführbar mit Rücksicht auf die entstehende Belastung der Bundesversammlung und ihrer Mitglieder, erscheint schließlich die fragliche, eine weitgehende Umwälzung bedingende Reform als ein Hülfsmittel, welches mit seinem Kraftaufwand außer aller Proportion steht zu dem zu erreichenden Ziele.

Eine andere Lösung, welche zur Beratung kam,, ist ohne Zweifel praktischer und unsern Verhältnissen entsprechender. Sie beruht auf einer qualitativen Ausscheidung der Verwaltungsfunktionen in leitende, abschließliehe und überwachende einerseits und in vorbereitende und ausführende andererseits und einer diesen beiden Kategorien von Funktionen entsprechenden behördlichen Organisation, bei welcher überdies speciell darauf Bedacht genommen ist, den Angelegenheiten politischer Natur die ihnen gegenüber den andern Verwaltungsgeschäften zukommende besondere Behandlung zu si ehern.

Tn allgemeinen Umrissen gezeichnet wäre die Organisation folgende : Au der Spitze der gesamten Verwaltung steht ein vom Volke gewählter Bundesrat von filnf Mitgliedern mit folgender Stellung und Aufgabe : Er besorgt direkt alle Geschäfte der politischen Abteilung des jetzigen Departements des Auswärtigen, sowie die Angelegenheiten, welche die Organisation und den Geschäftsgang der Bundesbehörden und die Organisation der eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen betreffen,
und hat unter sich die Bundeskanzlei und die Archive. Er erläßt für alle Verwaltungszweige die Verordnungen, Réglemente, allgemeinen Regulative und Instruktionen.

Er wählt mit Ausnahme der Verwaltungsdirektoren alle Beamte mit einer Besoldung von Fr. 3000 und darüber. Er entscheidet über alle durch Gesetz, Verordnung, Budget nicht speciell vorgesehenen Bundesausgaben. Er überwacht die ganze Bundesverwaltung.

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Er ist Rekursbehörde für Beschwerden gegen Verwaltungsvevfügungen.

Er stellt die Botschaften und Anträge an die Bundesversammlung fest und vertritt dieselben unter Zuziehung der Verwaltungsdirektoren, von denen sie ausgehen.

Unter dem Bundesrate stehen neun bis elf von der Bundesversammlung auf Vorschlag des Bundesrates gewählte Verwaltungsdirektoren, unter welche alle Verwaltungsgebiete, mit Ausnahme desjenigen, welches dem Bundesrate selbst vorbehalten ist, verteilt werden. Die Verwaltungsdirektoren haben, unter Vorbehalt der dem Bundesrate zustehenden Befugnisse, volle Verwaltungskompetenz innerhalb der gesetzlichen Vorschriften und direkte Verantwortlichkeit. Sie unterbreiten dem Bimdesrate die Vorlagen für die von ihm zu erlassenden Verordnungen, Réglemente, Regulative und Instruktionen, für die von ihm zu treffenden Wahlen, für die von ihm zu fassenden Beschlüsse, für die Botschaften und Anträge an die Bundesversammlung. Sie haben Zutritt zu den eidgenössischen Räten in allen Angelegenheiten ihrer Ressorts und vertreten mit dem Bundesrate die bezüglichen Vorlagen. Sie berichten dein Bundesrate schriftlich und mündlich über alle Angelegenheiten, über welche er Auskunft verlangt.

Die gegen eine solche Organisation sich erhebenden Bedenken sind mannigfacher Art. Sie geht weit über das Notwendige hinaus.

Was bisher sieben Bundesräte vollbracht, würde nunmehr mindestens die doppelte Zahl hochgestellter und demgemäß besoldeter Magistrate in Anspruch nehmen; wie die fünf Bundesräte, so hätten auch die Verwaltungsdirektoren, die in den wenigsten Fällen die vorhandenen technischen Abteilungschefs überflüssig machen würden, ihre Sekretäre, Registraturen, Kanzleien mit einem Lokalitätenbedürfnis, dem nur durch neue Bauten entsprochen werden könnte. Eine Reduktion der Mitgliederzahl des Bundesrates auf drei wäre nicht ratsam und auch nicht thunlich, da das Fehlen eines einzigen Mitgliedes die Sitzung und Beschlußfähigkeit des Rates verunmöglichen würde, und ebensowenig ließe sich die Zahl der Verwaltungsdirektoren wesentlich vermindern, da sonst bei ihnen, die die ganze eigentliche Verwaltungsarbeit zu bewältigen haben, sofort dieselben Übelstände eintreten würden, unter denen jetzt die Bundesräte zu leiden haben.

Was die direkte Verantwortlichkeit der Verwaltungsdirektoren anbelangt, in welcher
eine moralische und politische Entlastung des Bundesrates liegen soll, so würde sie sieh, wenn auch gesetzlich ausgesprochen, doch schließlich als illusorisch erweisen, indem nach wie vor der Bundesrat als oberste leitende Behörde dem Lande gegenüber für die Akte der Verwaltung verantwortlich bliebe. Die Wahl des Bundesrates durch das Volk würde ihm keineswegs unter

789 allen Urnständen die nötige Präponderanz und Autorität gegenüber den von der Bundesversammlung gewählten Verwaltungsdirektoren sichern, da letztere als eigentliche aktive Führer der Verwaltung einzig in direktem Verkehr mit den kantonalen Behörden und den Bürgern stehen und bald den Vorteil größerer Geschäftskenntnis haben würden. Mit dem Wegfall des persönlichen Verkehrs würde den Bundesräten mehr und mehr die Kenntnis der Personen und Verhältnisse abhanden kommen, was hinwiederum die richtige Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe gefährden mußte. DHS Auftreten der Verwaltungsdirektoren mit der hervorragenden Stellung, die sie inné haben, in der Bundesversammlung, wo sie mit und neben den Bundesräten die Gesetzesentwürfe, Budgets etc. zu diskutieren hätten, erscheint, wenn beide dasselbe vorzutragen haben, als überflüssig, wenn abweichende Standpunkte eingenommen werden, als verwirrend und schädlich, unter allen Umständen aber als eine Minderung und Schmälerung der Stellung der obersten Behörde vor den eidgenössischen Räten und vor dem Volke.

Aus diesen und andern untergeordneten Gründen konnten wir uns mit einer Organisation solcher Art nicht befreunden.

Es war damit die grundsätzliche Beibehaltung des jetzigen Systems ausgesprochen, das sich während seines bald fünfzigjährigen Bestandes im ganzen bewährt hat und welches gegen ein neues unbekanntes System auszutauschen so lange keine zwingende Notwendigkeit vorliegt, als sich innerhalb desselben zur Beseitigung oder Milderung dei' immerhin noch nicht eigentlich bedenklich gewordenen Übelstände noch genügende Auskunftsmittel finden lassen.

Als solches ist in der öffentlichen Diskussion der Angelegenheit längst eine Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesrates von Sieben auf neun proklamiert worden.

Diese Vermehrung würde gestatten, die Verwaltung auf neun Departemente zu verteilen, wodurch nicht nur eine fühlbare Entlastung, sondern auch noch andere Vorteile erzielt würden. Die einzelnen Departemente würden eine geringere Zahl von Aufgaben haben. Sie würden dadurch an Intensivität gewinnen. In allen Departementen würde für die Gesamtinteressen der Bundesverwaltung mehr Kraft und Zeit frei werden. Der nicht zu vermeidende, ja wünschbare Departementswechsel unter den Mitgliedern des Bundesrates würde weniger schwierig sein.

So einleuchtend auf den ersten Blick dieser Vorschlug ist, so führt derselbe Nachteile und Schwierigkeiten mit sich", welche sehr der Erwägung wert sind. Er erheischt eine Änderung der Bundesverfassung. Nun ist aber bekannt, daß der Vorschlag, wenn auch irn allgemeinen nicht ungünstig aufgenommen, doch sofort ver-

790 schiedenen ernsten Reservationen rief, welche im Lager seiner Freunde Spaltungen · und Sistierung der in Aussicht genommenen Initiativbewegung zur Folge hatten. Als conditio sine qua non wurde von der einen Seite verlangt, von der andern bestritten die Wahl des Bundesrates durch das Volk, eventuell bestimmte Sicherung gefordert für proportionelle Berücksichtigung der politischen und sprachlichen Minderheiten, und zwar Sicherung durch präcise Vorschriften in der Verfassung selbst. Wer die Natur und Tragweite von Fragen dieser Art kennt, wird nicht für zu pessimistisch halten, was ein einsichtsvoller Staatsmann der romanischen Schweiz, ein früheres Mitglied des Buudesrates, schreibt, daß nämlich die Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesrates zu einem Zankapfel werden werde unter den unser Volk bildenden Rassen. Durch Machtspruch der Majorität der Bundesversammlung oder des Volks und der Kantone kann allerdings ein solcher Streit erledigt werden ; aber es ist doch sehr fraglieh, ob es wohl gethan wäre, ihn mit allen seinen tiefgreifenden und langandauernden Folgen entstehen zu lassen wegen einer Veränderung, deren Notwendigkeit nicht bewiesen und die jedenfalls keine Kapitalfrage des Landes ist. War bis jetzt der Bundesrat mit seinen sieben Mitgliedern ein Kollegium, welches keine Koterien kannte und durch das seine Beratungen und Beschlußfassungen beherrschende Bestreben nach Verständigung seine Kraft und Einheit zu bewahren suchte, so ist zu befürchten, daß eine Vermehrung seiner Mitgliederzahl leichter schädliche Gruppierungen ermögliche, den festen innern Zusammenhalt lockere und damit die der Exekutive notwendige Kraft zum Schaden des Landes vermindere. In einer Frage, für deren Beurteilung die Erfahrung besondere Beachtung beanspruchen kann, mag ins Gewicht fallen, daß unsere frühem Kollegen übereinstimmend die ausgesprochenen Ansichten teilen und ernstlich von der Anwendung des fragliehen Auskunftsmittels abraten.

Nach Verwerfung aller prinzipiellen, so oder anders gearteten Änderung des jetzigen Systems und nach Verwerfung auch der Vermehrung der Mitgliederzahl des Bundesrates haben wir uns in dem nachgerade sehr eingeschränkten Kreise von möglichen Auskunftsmitteln weiter umzusehen.

Da hegegnet uns zunächst der Rat eines namhaften Historikers und politischen Schriftstellers unseres
Landes, welcher einen Hauptgrund der Überlastung des Bundesrates und seiner Departemente darin findet, daß in den eidgenössischen Räten Motionen Über Motionen, Postulate Über Postulate erheblich erklärt und dem Bundesrat zur Berichterstattung und Aniragstellung überwiesen werden, von denen oft von vornherein kein Erfolg erwartet wird,

791 die aber nichtsdestoweniger in vielen Fällen eine große Summe von Arbeit erheischen. Der Rat, es mit diesen Erheblichkeitserklärungen ernster zu nehmen .und dadurch der Vorberatungsbehörde viel Zeit und Arbeit zu ersparen, ist wohlgemeint und gewiß nicht ganz ohne Berechtigung. · In der That wird oft nicht hinlänglich bedacht, was die Überweisung eines Postulats samt der fröhlichen Aufforderung zu ,,beförderlicher Berichterstattung" mit sich bringt. Aber diese Anregung weiter zu verfolgen und sie etwa gar zu einer einschränkenden Maßregel umformen zu wollen, geht selbstverständlich nicht an, da es sich immerhin nur um Ausnahmen handelt und überdies für den Vertreter des Volks oder des Kantons bei Ausübung seiner Pflicht die Rücksichtnahme auf Mehroder Minderbelastung des Bundesrates ein maßgebender Gesichtspunkt nicht sein kann.

Zu derselben Kategorie von Hülfsmitteln u n d , wenn richtig, viel decidiverer Natur gehört die Zollinitiative, sofern sie als hochföderalistischer Aggressivgedanke gegen den Bund betrachtet werden kann. Sie ist dies, wenn wir sie nach ihren eigentlichen Urspruugsstätten beurteilen, ohne Zweifel. Es liegt in ihr die bewußte Tendenz, zu gunsten der Autonomie der Kantone den Bund zurückzudrängen und seine Fortentwicklung zu verunmöglichen. Wenn dies auf dem Wege prinzipieller Verfassungsänderung kaum zu erreichen wäre, so ist ein anderer praktikabler Weg, der auch zum Ziele führt, darin gefunden, daß man dem Bunde in intensivem Maße Mittel entzieht. Wird der Kreis der Aufgaben des Bundes reduziert oder auch nur die Zunahme derselben gehindert, so scheint unsere Sorge um eine verbesserte Organisation des Bundesrates zur Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben ziemlich gegenstandslos geworden zu sein.

Wir halten diese Bestrebungen und Aussichten für gänzlich irrtümlich und illusorisch. Sie setzen alternativ zweierlei voraus: entweder, daß die Aufgaben, zu denen der Bund, namentlich seit der Verfassung von 1874, herangezogen worden ist, wie diejenigen, mit denen man ihn im weitern zu betrauen sich anschickt, an und für sich nicht notwendige, vielmehr nur künstlich gemachte sind und ohne Schaden auch ungelöst bleiben können, oder aber, daß die Kantone selbst ohne Dazwischenkunft des Bundes ihnen gerecht zu werden im stände sind. Nun aber ist es nicht beliebiger
Parteimajoritätswille, sondern die Konsequenz und Gewalt der gänzlich veränderten Verhältnisse, die ernste Not der Zeit, welche die Aufgaben 'stellt. Sie ist es, welche die intensive Wehrhaftmachung unseres Landes, die Vereinfachung seiner Rechtsverhältnisse, die allseitige Steigerung seiner Leistungsfähigkeit in Handel, Industrie,

792

Gewerbe und Landwirtschaft, die zureichende Sicherung des Landes gegen die zerstörenden Naturgewalten, den wirksamen Schutz des Volkes gegen die Gefährdung von Gesundheit und Leben, die Mitarbeit der Schweiz an den idealen Kulturbestrebungeri der civilisierten Völker, die energische Wahrung der Gesamtinteressen des Landes gegenüber dem Auslande, der allgemeinen Interessen gegenüber den privaten Interessen mächtiger Gesellschaften verlangt, welche endlich jene großen socialpolitischen Aufgaben stellt, deren richtige Lösung die Zukunft unseres Landes in eminentem Maße mitbedingt.

Alle diese Aufgaben können die Kantone isoliert, wenn auch jährlich mit sechs oder mehr Millionen aus der Bundeskasse bereichert, nicht lösen. Sie können nur gemeinsam, durch Zusammenfassung der Kräfte gelöst werden, und hierfür haben die Kantone als solche nur e i n Mittel, das Konkordat, ein Mittel, über dessen Unzulänglichkeit und Unbrauchbarkeit kein Wort weiter zu verO Heren ist.

An den Bund wird man also gelangen in allen jenen allgemeinen Bedürfnissen und Aufgaben nach wie vor, und der große verhängnisvolle Unterschied wird nur der sein, daß der durch dea jährlichen Entzug vieler Millionen geschwächte, ia chronische Deßcite gestürzte Bund an jenen Aufgaben sich zwar abarbeiten, sie aber nicht mehr lösen wird.

In diesem Sumpfzustand würde die Thätigkeit des Bundesrates eine unendlich mühsamere und beschwerlichere sein als zuvor.

Keine Verminderung der Arbeit; je unbefriedigender der Zustand des Landes, je offenkundiger das verminderte Ansehen der Eidgenossenschaft bei den andern Staaten, desto zahlreicher würden die an den Bundesrat überwiesenen Motionen und Postulate sein, desto stürmischer die Forderungen, desto belasteter die mit Untersuchungen und Berichterstattungen überhäuften Departernente, die zudem unter dem lähmenden Eindruck vielfach erfolglosen, sogar voraussichtlich erfolglosen Bemühens zu arbeiten hätten.

Derselbe Schriftsteller, von dem wir oben schon einen plausibeln Rat entgegengenommen und besprochen haben, schlägt in seinem rühmlichst bekannten ,,politischen Jahrbuch" vor, den Bundesrat dadurch zu entlasten, daß die Behandlung gewisser Geschäfte ständigen parlamentarischen Kommissionen übertragen würde, wie es früher bei der Tagsatzung der Fall gewesen sei und womit man bereits den Anfang
gemacht habe.

Wir haben in der Bundesverwaltung eine Reihe ständiger, auf Grund von Gesetzen oder Beschlüssen gewählter und funktionierender Kommissionen oder Räte, wie z. B. den schweizerischen Schulrat, die Landesmuseumskommission, die meteorologische Korn-

793 mission, den leitenden Ausschuß für die Medizinalprüflingen, die Kunstkommission, den Betreibungs- und Konkursrat, die Pensionskommission, die Laodesverteidigiingskommission u. s. w. Diese Kollegien haben teils rein nur konsultativen, vorberatenden Charakter, teils sind sie mit beschränkten Kompetenzen ausgerüstet, werden aber vom Bundesrate gewählt, bleiben ihm untergeben und verantwortlich und sind also nicht die von obigem Vorschlage gemeinten Kommissionen. Wir kennen dann ferner auch ständige parlamentarische Kommissionen, wie die Petitionskommissionen, die Eisenbahnkommissionen der beiden Räte, welche sich aber von den gewöhnlichen parlamentarischen Kommissionen nur dadurch unterscheiden, daß sie jeweilen in jedem einzelnen Rate für die ganze Legislaturperiode gewählt werden. Auch auf diese paßt der Vorschlag nicht, da nicht abzusehen ist, wie ihre Thätigkeit diejenige des Bundesrafes, dessen Anträge den Gegenstand ihrer Beratung bilden, in irgend einer Weise zu ersetzen oder zu erleichtern geeignet wäre. Soll aber mit den ständigen parlamentarischen Kommissionen dieses in Wirklichkeit erzielt werden, so muß, da eine koordinierte Thätigkeit zweier Behörden in derselben Sache nicht möglich ist, der eigentliche Gedanke des Vorschlags der sein, daß gewisse stehende Verwaltungsabteilungen ab ovo der Leitung und Verantwortlichkeit des Bundesrates abgenommen und eigenen, von den Räten selbst gewählten Kommissionen, das heißt neuen, außerordentlichen Verwaltungsbehörden übertragen werden. Es braucht, wie uns scheint, nur dieser begrifflichen Präcisierung, um die Unannehmbarkeit einer solchen Organisationsmaßregel klar zu legen. Neben dem ordentlichen verfassungsmäßigen Bundesrat verschiedene Specialbundesräte, werden doch die einen wie die andern von der Bundesversammlung gewählt; bezahlte Behörden, von denen die letztern gleichzeitig Mitglieder der Räte sein können, die erstem nicht; Zerstörung des Zusammenhangs und der Einheit der Verwaltung ; Superfötation der Beamten, da auch jene ständigen parlamentarischen Verwaltungskommissionen der Sekretariate, Registraturen, Kanzleien mit Abwarten und Weibein nicht entbehren könnten u. s. w. Kurz, Anomalien, Nachteile, Verfassungswidrigkeiten und Unmöglichkeiten aller Art !

In verschiedenen großem Staaten finden wir die Institution der Generalsekretäre
oder Unterstaatssekretäre. Es sind dies hochstehende Beamte, das Mittelglied zwischen dem Minister und den verschiedenen Divisionen seines Verwaltungsgebietes. Der Generalsekretär nimmt die an das Ministerium gerichtete Korrespondenz entgegen und überweist die Geschäfte mit oder ohne weitere Instruktionen an die Chefs der Divisionen; er ordnet und überwacht deren Geschäftsgang ; er ist dem Minister für die ganze ihm

794 unterstellte Ministerialverwaltung verantwortlich ; bei ihm laufen die Berichte, die Verfügungsentwürfe, die Projektschreiben oder auch schon ausgefertigte Missiven aus den einzelnen Divisionen zusammen; er hat große Entscheidungsbefugnisse und erledigt direkt eine Menge von Geschäften mit eigener Unterschrift; was der Verfügung des Ministers vorbehalten ist, bereitet er demselben antragstellend in vollständiger Weise vor; er nimmt einzig dessen Weisungen für die Ministerialverwaltung entgegen und instruiert die Divisionschefa; er präpariert dem Minister die Materialien und Argumente für die Diskussion in den Kammern und vertritt ilm, da er gewöhnlich selbst Deputierter ist, nötigenfalls im Parlament.

Daß diese Einrichtung den Minister ganz ungemein entlastet, ohne den Zusammenhang und die Einheit der Verwaltung im geringsten zu gefährden, ist ohne weiteres klar. In. großen einheitlichen Staaten, wo jedes einzelne Ministerium, weil in seinem Ressort das ganze Land umfassend, eine ungeheure Ausdehnung und ein an Zahl derjenigen der ganzen schweizerischen Bundesverwaltu-ng gleichkommendes Beamtenpersonal hat, ist sie äußerst zweckmäßig, ja geradezu unentbehrlich. Ein Mano, sehr oft ohne administrative Vorschule, unmittelbar vom Barreau, aus dem journalistischen Redaktionszimmer, aus irgendwelchem industriellen Geschäft hinweg zur Führung einer gewaltigen Ministerialverwaltung berufen, deren inneres Getriebe und Details er nicht kennt, sofort vor eine Menge schwieriger Fragen und vor die Notwendigkeit massenhafter Verfügungen gestellt, durch die Verhandlungen der einen großen Teil des Jahres hindurch tagenden Kammern mit den vielen Interpellationen, den heftigen Angriffen, den kritischen Situationen, plötzlichen Kabinettsfragen schwer in Anspruch genommen, von den Deputierten mit ihren Zumutungen in zeitraubenden Audienzen belagert, in Kommissionen gerufen, in Ministerialkonferenzen und Kabinettssitzungen, daneben gezwungen, den mit der hohen Stellung verbundenen gesellschaftlichen Verpflichtungen Genüge zu leisten -- ein solcher Minister könnte ohne eine Einrichtung wie das beschriebene Generalsekretariat nicht existieren.

Unsere viel einfachem schweizerischen Bundesverwaltungsverhältnisse erheischen eine solche Einrichtung Dicht. Sie hat manche Ähnlichkeit mit einem oben bei · den Projekten,
welche eine prinzipielle Orgauisationsveränderung bedingen, bereits besprochenen Vorschlag, demjenigen nämlich der 5 Bundesräte mit den 9--11 Verwaltungsdirektoren. Das Einfügen von Generalsekretären in die bestehenden Departemente wäre eine prinzipielle Organisationsveränderung, welche eine Verfassungsänderung notwendig machen würde, nicht. Aber was wir, hiervon abgesehen,

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gegen jenes Projekt einzuwenden hatten, gilt auch gegenüber diesem Vorschlag, und wir können deshalb füglich unterlassen, hier nochmals auf die verschiedenen Gründe für dessen Ablehnung einzugehen. --

Nach diesem negativen Teile unserer Untersuchung kommen wir zu dem zweiten Teile, in welchem dargelegt werden soll, was nach unserem Ermessen innerhalb der grundsätzlich festzuhaltenden bisherigen Organisation der Bundesverwaltung zur Beseitigung vorhandener Mängel und Übelstände vorzukehren rätlich und möglich ist.

Was zunächst den Bundesrat als Gesamtbehörde betrifft, so muß dafür gesorgt werden, daß er seine Zeit und Kraft auf die wichtigen Angelegenheiten konzentrieren könne und nicht unnötig mit einer Masse untergeordneter Verwaltungsgeschäfte behelligt werde. Aber was vor den Bundesrat gehört und was nicht, das läßt sich nicht begrifflich bestimmen und in eine Formel bringen.

Im allgemeinen wird man sagen können, daß es darauf ankommt, ob es sich um eine alte oder eine neue Verwaltungsaufgabe, um die Ausführung eines alten oder eines neuen Gesetzes handle. Ist das letztere der Fall, so giebt es ein erstes Stadium der Vollziehung, in welchem die durch das Gesetz berührten Verhältnisse in ihren Besonderheiten und Verschiedenheiten auftreten; wo bestimmt werden muß, wie dieser, wie jener Punkt zu behandeln ist, welches die Methode der Ausführung sein soll, wie die Anwendung des Gesetzes unter diesen, wie unter andern sich darbietenden Umständen zu geschehen hat u. s. w. In diesem Stadium sind, von ganz unwesentlichen Exekutivmaßregeln abgesehen, alle Verfügungen von Wichtigkeit und hat sich der Bundesrat mit denselben zu befassen. Aber allmählich erschöpfen sich während der Vollziehung die Verschiedenheiten der Verhältnisse und Umstände wie die neuen Fragen, gleichartige Fälle wiederholen sich, bestimmte Normen bilden sich, und es kann die Ausführung des Gesetzes, die Behandlung einer gewissen Verwaltungsmaterie als geregelt betrachtet werden. Damit ist der Zeitpunkt gekommen, wo sich für den Bundesrat ihr Charakter ändert, wo nicht mehr wichtig ist, was früher für ihn wichtig war, und wo er ohne Schaden und Gefahr, immerhin unter Vorbehalt des Eutscheides in abnormen und in Rekursfällen, die bezüglichen Geschäfte dem Departement Überlassen kann. Dieses Verfahren hat der Bundesrat successive, je nach dem Stande der Entwicklung in den einzelnen Verwaltungsgebieten, angewendet, und er ist im Interesse seiner eigenen Thätigkeit als Gesamtbehörde im Falle, davon noch weiter Gebrauch zu machen, was ohne Änderung des Gesetzes auch geschehen kann.

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Eine Ausnahme von dieser Methode der Kompetenzübertragung machen wir aber ausdrücklich bezüglich der politischen Angelegenheiten und Geschäfte, wobei wir namentlich die internationalen Verhältnisse, die Beziehungen der Schweiz zu den andern Staaten, die größern hängigen Fragen sowohl wie einzelne Vorkommnisse, die Instruierung unserer Gesandtschaften, die Kenntnisnahme ihrer Berichte, Inbegriffen der sogenannten kònfidentielleii, wie die der mündlichen und schriftlichen Äußerungen der fremden Gesandten u. s. w. im Auge haben. Diese Angelegenheiten sind ganz eigener Natur; es handelt sieh hier nicht um Vollziehung von Gesetzen und Verordnungen, bei welcher sich feste Normen bilden können, vielmehr um stets neue wechselnde Fragen und Situationen von wesentlicher Bedeutung für das Land; nicht um gewöhnliche Verwaltungsgeschäfte, bei denen einleitende Behandlung und Schlußentscheid getrennt werden können ; sie gleichen auch darin nicht den Maßnahmen in der übrigen Verwaltung, daß einmal eingenommene Standpunkte nicht leicht modifiziert werden und Versehen auch in kleinen Dingen Folgen haben können, welche an Bedeutung interne Schwierigkeiten und Konflikte weit überragen. Es ist notwendig, daß der Bundesrat in den Angelegenheiten dieses Gebietes stets orientiert bleibe und in viel weiterem Umfang auf dem Laufenden erhalten werde, als dies in den Geschäften der übrigen Verwaltung notwendig ist. Dieser Standpunkt seheint una keiner weitern Begründung zu bedürfen, doch mag angeführt werden, was in dem vorzüglichen und zuverlässigen Werke von Dupriez, ,,les minisires dans les principaux pays d'Europe et d'Amérique*, von England berichtet wird : ,,Im Ministerium des Äußern geht es ,,anders zu, als in den andern Ministerien. Die Koutinegeschäfts,,thätigkeit untergeordneter Beamten ist hier sehr beschränkt. Der ,,Minister beschäftigt sieh mit den untergeordnetsten Fragen selbst.

,,Bei einer neuen Frage wendet er sich an den Ministerpräsidenten, ,,holt seine Meinung ein, unter Umständen auch die des ganzen ,,Kabinetts. Die einzelnen Depeschen und die zu erlassenden Ant,,worten werden dem Ministerpräsidenten mitgeteilt, durch ihn dem ,,Souverän und kommen nachher zur Kenntnis aller Mitglieder des ,,Kabinetts."

Neuer gesetzlicher Vorschriften zu etwelcher Änderung des Geschäftsganges in obigem Sinn bedarf es
nicht; es wird Sache des Bundesrates sein, denselben entsprechend zu ordnen.

Wir fügen hier zwei weitere Änderungen an, welche für die Geschäftsentlastung in Betracht kommen, obschon die Beurteilung der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derselben nicht einzig oder vorzugsweise von diesem Gesichtspunkte aus zu geschehen haben

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wird. Diese fraglichen Änderungen bestehen einerseits in der Überweisung der Rekurse im Betreibungs- und Konkurswesen an das Bundesgericht, andererseits in der Aufstellung und Organisierung eines Administrativgerichtshofes.

.Was den ersten Punkt betrifft, so wurde der Bundesrat deshalb als Rekursbehörde für Beschwerden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen bezeichnet, weil man dem administrativen Verfahren als dem raschern, formlosem und wohlfeilem vor dem gerichtlichen dea Vorzug gab. Nun ist die Zahl der Beschwerden eine so große geworden, daß sich fortwährend deren mehrere auf dem Kanzleitisch des Bundesrates befinden. Ihr Studium, das sich nicht nur auf die Prüfung der jeweiligen Beschlußentwürfe des Departementes beschränken kann, sondern Einsichtnahme der meistens umfangreichen Akten ei-heischt, macht so große Ansprüche an die Zeit der Mitglieder des Bundesrates, daß, wenn diesen Pflichten genügt werden soll, anderes, oft wichtigeres, hintangesetzt werden muß. In noch bedenklicherem Maße geschieht dies dem Bundesrat, wenn solche Rekurse zur Diskussion kommen, da dann infolge der eigentümlichen Natur derselben nicht selten ein einziger einen unverhältnismäßig großen Teil der Sitzung in Anspruch nimmt. Abgesehen von dieser sehr fühlbaren und nachteiligen Belastung des Bundesrates ist die gewünschte und gehoffte Raschheit der Erledigung nicht erzielt. Der Bestand eines aus mehreren Mitgliedern zusammengesetzten Betreibungs- und Konkursrates, die Notwendigkeit der Aktencirkulation unter diesen mit andern eidgenössischen oder kantonalen Amtsfunktionen betrauten Männern, die Diskussion aisdann der viele nette Kontroversen darbietenden Fragen in einem Kollegium von Juristen, die hierauf folgende Behandlung und Bearbeitung im Justizdepartement, die Auflage auf den Kanzleitisch des Bundesrates zu Händen seiner Mitglieder, die endliche, oft notwendig sich verzögernde Beratung und Erledigung macht es erklärlich, daß diese Rekurse sich stauen und oft viele Monate alt werden.

Wir enthalten uns, dermalen einen«, bestimmten Antrag auf Übertragung dieser Geschäfte au das Bundesgericht zu stellen. Es ist nicht nötig, daß ein Entscheid darüber, welcher bejahendenfalls eine Abänderung des Gesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs bedingen würde, jetzt erfolge. Die Frage bedarf näherer Untersuchung, bei
welcher selbstverständlich auch das Bundesgericht zu hören sein wird, und wir haben uns daher begnügt, unser Justizdepavternent mit der Prüfung und späteren Antragstelluug über dieselbe zu beauftragen.

Btmdesblatt. 46. Jahrg. Bd. II.

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798 Dieselbe Stellung nehmen wir ein in betreff des zweiten Punktes, der Aufstellung eines eigenen Administrativgerichtshofes. Es ist dieser Frage vom Gesichtspunkte der Geschäftserleichterung des Bundesrates und seiner Departemente keine große Bedeutung beizumessea ; man dürfte sogar im Zweifel sein, ob eine solche Institution nicht viel eher eine Komplikation und Erschwerung in der Geschäftsführung des Bundesrates herbeiführen würde. Aber auch hier kann dieser Gesichtspunkt nicht maßgebend sein. Wenn sich die von Zeit zu Zeit namentlich aus juristischen Kreisen wiederkehrende Behauptung, es fehle dem Bürger in administrativen Streitigkeiten mit dem Bunde an einer unparteiischen Rechtsprechung, als begründet herausstellen sollte; wenn man dann ferner zur Überzeugung kommen sollte, daß sich die erforderlichen Garantien nur in der Einfügung eines neuen besondern Gerichtshofes finden lassen, so müßte man wohl den Versuch der Konstruktion eines solchen mit klarer Abgrenzung seines Gebietes und praktischer Organisation desselben unternehmen. Wir waren nicht im Falle, bei Behandlung der jetzt zu machenden Vorlage auf obigen, auch aus unserer Mitte aufgenommenen Vorschlag weiter einzutreten, erachteten es aber immerhin für angezeigt, die bei einer frühern Prüfung negativ beantwortete Frage unserm Justizdepartement zu erneuter Untersuchung und Berichterstattung zu überweisen.

Wir haben in dem Abschnitt, in welchem von den Folgen der Reorganisation von 1887 die Rede war, konstatiert, daß sie zu einem gänzlichen Stillstand in dem Wechsel der Departemente, beziehungsweise deren Vorstände geführt habe, und darin einen wesentlichen Nachteil für die Thätigkeit des Bundesrates als Gesamtbehörde gefunden. Indem wir an das dort Gesagte anschließen, stellen wir nunmehr hier an die vorzunehmende Reform die bestimmte Forderung, daß jener wachsende Nachteil beseitigt, resp. ein zweckmäßiger Wechsel wieder herbeigeführt werde. Sollte es bei der gegenwärtigen Einrichtung, bei welcher der die Amtsfunktionen des Bundespräsidiums Übernehmende sein bisheriges Departement behält, sein Verbleiben haben, so würde man darauf angewiesen sein, den Wechsel durch eine gesetzliche Bestimmung, etwa derart, wie sie der Kanton Zürich hat, förmlich vorzuschreiben. Es müßte gesagt werden, daß ein Bundesrat niuht länger als zwei Amtsdauern
nacheinander das gleiche Departement führen darf. Allein es hat dieses Mittel denn doch etwas so formalistisch Gewaltthätiges, kann unter Umständen so augenscheinlich wichtige Interessen der Verwaltung gefährden, daß, wenn ein anderer, weniger bedenklicher Weg zu finden ist, um zu dem wirklich nötigen Maß von Wechsel zu gelangen, von einer Vorschrift obigen Inhalts Umgang genommen werden dürfte. Ein solcher Weg bietet sich dar in der Schaffung

799 eines eigenen Präsidial-Departementes, welches der jeweilige Bundespräsident unter Verlassung seines bisherigen Departements zu übernehmeu hat, womit weitere Veränderungen in der Departementsvorsteherschaft sich successiv von selbst ergeben. Es ist die Einrichtung, welche in praxi vor der Reorganisation von 1887 bestund und welche dem Bundesrat als Gesamtbehörde jene hochanzuschlagenden Vorteile brachte, welche wir oben (pag. 772 u. ff.) näher geschildert haben.

Eine weitere Frage ist nun die, was geschehen könne, um die

Mitglieder des Bundesrates als solche und als Vorsteher der Departemente zu entlasten.

Es handelt sich dabei nicht darum, halbe Sinekuren zu schaffen, wie dies mehr oder weniger der Fall wäre bei Einstellung von General- oder Unterstaatssekretären u. dgl., sondern lediglich darum, durch Beseitigung vorhandener Überbürdung den Bundesräten die Möglichkeit zu geben, ihre Kräfte so zu verwenden, wie es für die ihnen anvertrauten Interessen am ersprießlichsten ist.

Auf ihre Thätigkeit näher eingehend, kommen zunächst ihre Pflichten als Mitglieder der Gesamtbehörde in Betracht. Was von dieser ausgeht, muß allseitig geprüft sein, alle müssen sich ratend, urteilend, kontrollierend verhalten, kein Departementschef kann seine Aufmerksamkeit, sein Studium auf die Fragen und Geschäfte seiner Verwaltung beschränken, jeder muß allen wichtigen Vorlagen, Materien der verschiedensten Art Zeit und Arbeit widmen. So sehr diese Pflicht und Aufgabe die Sorge und Thätigkeit des Einzelnen in Anspruch nehmen mag, so ist hieran nichts zu ändern, nichts zu mindern, nichts zu entlasten. Es ist im Gegenteil von kapitaler Wichtigkeit, daß dieser Pflicht jederzeit Genüge geleistet werde, und deshalb fürzusorgen, daß dies auch wirklich geschehen könne.

Die Thätigkeit des Departementsvorstehers als solchen ist einerseits legislatorischer, andererseits administrativer Natur. Unter der ersteren verstehen wir alle Arbeit, welche auf die- Vorbereitung von Verfassungsbestimmungen, Gesetzen und Bundesbeschlüssen, auf deren Behandlung im Bundesrate und in den eidgenössischen Räten Bezug hat. Sie sind bei unsern vielfach differierenden Interessen und Grundanschauungen, bei unsern bundesstaatlichen Verhältnissen selten einfacher, oft sehr schwieriger Art. Umfangreiche Untersuchungen und Ermittelungen, Einvernahme kantonaler Behörden, Orientierung in neuen Materien, Studium der Gesetzgebung anderer Länder, Besprechungen mit Sachverständigen, Ausarbeitung von Projekten, Beratungen in Vorkommissionen u. s. w., u. s. w., alle diese verschiedenen Stadien legislatorischer Arbeit vom Beginn bis zur endlichen Annahme oder auch Verwerfung nehmen Interesse,

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Sorge, Zeit um so mächtiger in Anspruch, je wichtiger die Frage ist, um die es sich handelt. Nun ist es aber nicht selten, daß im einen und selben Departement nicht nur eine, sondern zwei, drei solcher schwerwiegenden Aufgaben in Behandlung und Arbeit sind, und daß das Arbeitsprogramm durch ,,beförderliche1 Berichterstattungen vermehrt wird, welche die Räte auf dem Wege der Motionen und Postulate zu verlangen sich veranlaßt sehen.

Entlastung der Departementsvorsteher auf diesem Teile ihrer Thätigkeit kann selbstverständlich nicht in Verminderung oder irgend welcher Hintanhaltung der Aufgaben gesucht werden, und noch viel weniger in jener oben besprochenen prinzipiellen Organisationsänderung, zufolge welcher nach amerikanischem Muster Gesetzgebung und Verwaltung in der Weise von einander geschieden würden, daß der Bundesrat nur mit der Verwaltung, mit der Gesetzgebung aber gar nicht sich zu befassen hätte. Seine relative Entlastung hat der Departementsvorsteher hier nur in einer richtigen Organisation seiner Arbeit zu suchen.

Er soll zunächst in seinen Bureaux tüchtige Beamte haben, denen er die vorbereitenden Arbeiten übertragen kann. Sind Enqueten notwendig zur Aufklärung der Verhältnisse, statistische Zusammenstellungen, geschichtliche Exposés, Beschaffung zur Orientierung dienlicher Materialien, präparative Behandlung derselben behufs leichterer Verwendung u. dgl., so kann sich der Chef darauf beschränken, unter Aufstellung eines allgemeinen Programms diese Arbeiten anzuordnen und deren Ausführung zu kontrollieren. Wollte er sich selbst in dieselben einlassen und vertiefen, so würde er Gefahr laufen, in Bälde die Übersicht über sein Departement zu verlieren und Stockungen in die Geschäfte zu bringen. Und hat er Gründe, nach Vollendung jener Vorarbeiten noch nicht selbst mit seiner Thätigkeit einzusetzen, Gründe, welche in der Natur der zu behandelnden Materie oder in dem Stande seiner Geschäfte, oder in andern Umständen liegen können, -- so bietet ihm die Bestimmung der Verfassung, laut welcher die Departemeute befugt sind, für besondere Aufgaben Sachkundige beizuziehen, die Möglichkeit, nun auch die weitere Behandlung der Angelegenheit, die eigentliche sachliche Bearbeitung, durch einen Fachbeamten oder eine andere besonders geeignete Persönlichkeit außerhalb des Departementes vornehmen zu
lassen. Und nicht nur das: es giebt legislatorische Aufgaben, wie die Werke der Civilgesetzgebung, der Strafgesetzgebung, der Militärgesetzgebung, der Kranken- und Unfallversicherung und andere, welche von vornherein ganz, bis und mit der Ausarbeitung des Gesetzes samt Botschaft, hervorragenden Sachverständigen übertragen werden, welches Verfahren von der Bundes-

801 Versammlung in den Voranschlägen einiger Departemente durch Aussetzung bedeutender Kredite für gesetzgeberische Arbeiten vorgesehen und anerkannt ist.

Das ist die mögliche Entlastung des Departementsvorstehers iu diesem Teile seiner Aufgaben. Weiter kann sie nicht gehen, namentlich nicht so weit, daß ihm auch die Behandlung und Vertretung des Gesetzes im Bundesrat oder gar iu deu eidgenössischen Räten abgenommen werden könnte, was uns wiederum in das amerikanische System hineinführen würde. (Aber selbst in den Vereinigten Staaten steht die Sache in Wirklichkeit nicht so, daß der Minister, welcher nach Inkrafttreten einer Bill diese zu vollziehen hat, der Bearbeitung und Beratung derselben fremd bliebe, wenn er schon nicht Zutritt zu den Kammern hat. Die Hauptarbeit geht nicht im Plenum dei- Deputiertenkammer und des Senats, sondern in den betreffenden permanenten Komitees vor, und hier ist es stehender Gebrauch, die Minister beizuziehen.) Mit jener mehr oder weniger weit gehenden Beiziehung besonderer Kräfte wird dem Departementschef viel Zeit und Arbeit erspart; aber selbst in dem Falle, wo die Gesamtbearbeitung einer gesetzgeberischen Aufgabe einem speciellen Sachverständigen übertragen wird, nimmt diese Aufgabe den betreffenden Departementsvorsteher intensiv und extensiv sehr in Anspruch. Er muß die gesammelten Materialien gründlieh studieren, muß sich mit der Frage selbst vollständig vertraut machen, muß Gutachten und Vorschläge unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse prüfen und erwägen, muß bei Differenzen in der Auffassung mit dem Bearbeiter konferieren und diskutieren, unter Umständen den Entwurf mit besondern Kornmissionen beraten, von den Urteilen und Besprechungen in den politischen und Fachblättern Kenntnis nehmen und die einzubringenden Anträge selbst schließlich so gestalten, daß er sie mit Überzeugung im Bundesrat, in den Kommissionen der Räte, in diesen selbst vertreten und verteidigen kann -- eine Summe von Zeitaufwand, Sorge und Arbeit, welche unter allen Umständen bleibt, wenn in dem Departement gleichzeitig mehrere legislatorische Aufgaben anhängig sind, sich potenziert und einer Einschränkung nicht weiter fähig ist.

Der andere Teil der Thätigkeit der Departementsvorsteher ist der administrative, die eigentliche Geschäftsverwaltung des Departements.

Die Bundesverwaltuno'
ist einesteils beschränkter als die Administratici! der Kantone, insofern sie mit einer Reihe von Gebieten der öffentlichen Angelegenheiten, die Gegenstand der kantonalen Staatsverwaltung sind, nichts zu thun hat, andererseits ist sie weiter und umfangreicher, insofern ihre Thätigkeit auf den Gebieten, die ö

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ihr unterstellt sind, sich auf alle Kantone erstreckt und entsprechend vervielfachte Geschäfte hat. Mit Ausnahme der Zweige, welche vollständig centralisiert in ihrer Hand sind und für deren Verwaltung sie durch die ganze Schweiz hindurch eigene, dienstlich abgestufte Organe hat, ist sie in allen übrigen ihr zukommenden Verwaltungsaufgabeo ohne solche Organisation. Die Folge dieser Eigentümlichkeit der Bundesverwaltung ist, daß die überall im Lande sich bildenden eidgenössischen Administrativgeschäfte keine Sichtung, keine Bearbeitung, keine teilweise Erledigung durch aufsteigende Instanzen erfuhren, sondern daß alle, kleine und große, lokale oder allgemeinere, wichtige und unwichtige, direkt an das betreffende Departement gelangen und dort behandelt und erledigt werden müssen. Daher die Geschäftsliberhäufung, über welche von den Departementen mehr und mehr Klage geführt wird.

Dieser Zustand der Dinge hängt so eng mit unsern bundesstaatlichen Institutionen zusammen, daß daran, wie wir schon oben gezeigt haben, nichts zu ändern ist. Weder können wir zu helvetischen Einrichtungen übergehen mit Regierungsstatthaltern und Verwaltungskammern in den Kantonen, Unterstatthaltern in den Bezirken, Agenten in den Gemeinden, noch können wir mit den der Bundesbehörde gegenüber den Kantonen zugewiesenen Vollziehungsfunktionen die kantonalen Behörden selbst betrauen.

Nichts zu ändern ist auch an einem zweiten Faktor der großen Inanspruchnahme der Departementschefs, nämlich an den Audienzen, den persönlichen Besuchen. Diese vervielfältigen und konzentrieren sich bei ihnen aus demselben Grunde, warum sich die Masse der Geschäfte bei ihnen konzentriert. Sie nehmen sehr viel Zeit weg und unterbrechen, da die meisten Besuche unvorhergesehen sich einstellen, häufig dringliche Arbeit; aber nicht nur dürfen sie, sobald es sich um Amtliches handelt, nicht abgelehnt werden, sondern sie bringen in Dielen Fällen nützliche Orientierungen. Bestimmte Audienztage und Audienzstunden anzusetzen, ist ebenso unthunlich als ein beliebiges Vertagen im einzelnen Falle, zumal die vorsprechenden Bürger und Delegationen oft aus entferntem Kantonen kommen. Aber mit alledem begegnet es gar nicht selten, daß halbe Tage vorübergehen, ohne daß der Depurtementschef die geringste eigene Arbeit verrichten könnte. -- Wir kennen nur e i n Mittel,
welches möglich und geeignet ist;, die Departementsvorsteher einigermaßen zu entlasten und ihnen auch bei vermehrten Aufgaben die Bewältigung ihrer administrativen Geschäfte neben ihren legislatorischen Arbeiten und ihren Pflichten als Mitglieder des Bundesrates zu ermöglichen. Es besteht in einer Sonderung jener Geschäfte je nach ihrer Wichtigkeit, in der Über-

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tragung gewisser Kategorien oder gewisser Stadien der Behandlung derselben an die dem Departementschef unterstellten höhern Beamten, verbunden mit entsprechender Erweiterung der diesen Organen zustehenden Kompetenzen und Verantwortlichkeit, also in einem ähnlichen Verfahren, wie das zur Verbesserung und Erleichterung der Thätigkeit des Bundesrates angewandte.

Am leichtesten und rationellsten macht sich jene Sonderung mit abgestufter Kompetenzübertragung in den einheitlichen, vollständig centralisierten Bundesverwaltungen. Da ist z. B. die eidgenössische Postadministration mit dem Departementsohef, dem Oberpostdirektor, den Chefs der ihm unterstellten Sektionen, dann den elf Kreispostdirektoren und endlich den Chefs der einzelnen über das ganze Land verbreiteten Postbureaux, bei welcher die Anwendung des Systems abgestufter Kompetenzübertragung eine Organisation geschaffen hat, die es dem Departementschef erlaubt, neben dieser ausgedehnten, vielzweigigen Verwaltung auch die gleich organisierte Telegraphen- und Telephonadministration und darüber hinaus auch noch die Geschäfte der Eisenbahn Verwaltung zu führen. Dieselbe Organisation hat die eidgenössische Zollverwaltung, die sich in demselben Departement neben dem eidgenössischen Finanzwesen, der Alkoholverwaltung u. a. w. befindet.

Schwieriger ist die Anwendung des fraglichen Systems in den andern Departementen. Es ist jedoch auch bei diesen, so oder anders gestaltet, keineswegs neu, und fehlt es uns nicht an Erfahrungen.

Alle diese Departemente haben eine geringere oder größere Anzahl von abgerundeten, gewissermaßen technisch-administrativen Verwaltungszweigen und Anstalten, welche zur Lösung besonderer Aufgaben organisiert sind. So im Departement des Äußern das Amt für Markenschutz, das Patentamt, das Kontrollamt für Goldund Silberwaren, das Auswanderungsamt; im Departement des Innern das Polytechnikum und dessen Annexanstalten, die meteorologische Centralanstalt, das eidgenössische statistische Bureau, das Gesundheitsamt, das Bauamt mit seinen zwei Abteilungen; im Justizund Polizeidepartement das Konkursamt, das Heimatlosenamt, das Polizeiamt; im Militärdepartement die Waffenchefämter, das Stabsbureau, das topographische Bureau, das Kriegsmaterial verwaltungsamt, das militärische Sanitätsamt, das militärische Justizamt, das Kommissariatsamt ;
im Finanzdepartement das Kontrollbureau, die Staatskasse, die Liegenschaftsverwaltung, das Banknotenkontrollamt, die Wertschriftenverwaltung, das Münzamt, das Alkoholamt; im Industrie- und Landwirtschaftsdepartement das Oberforstamt, das Maß- und Gewichtsamt, das Versicherungsamt: im Eisenhahndepartement das technische Kontrollbureau, das Rechnungsbureau, das eisenbahustatistische Bureau.

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Diese technisch-administrativen Ämter, welche verschiedentlich umfangreiche Verwaltungszweige repräsentieren, haben größtenteils höhere Beamte oder Direktoren an ihrer Spitze, denen teils durch Gesetze und Bundesbeschlüsse, teils durch Verordnungen mehr oder weniger ausgedehnte Verfügungsbefugnisse eingeräumt sind, denen gegenüber aber stets Rekurs an das Departement vorbehalten ist.

Diese Kompetenzübertragungen nehmen selbstverständlich den Departementschefs eine ansehnliche Anzahl von Detailgeschäften ab, und ohne sie wäre für letztere die Führung der Verwaltung schon längst zur Unmöglichkeit geworden. Zu diesem Mittel muß mit Vermehrung der Aufgaben und Zunahme der Geschäfte auch ferner Zuflucht genommen werden, und es wäre auch dann nicht zu entbehren, wenn dem Buudesrate zwei Mitglieder mehr gegeben würden.

Aber gewisse Schranken dürfen dabei nicht überschritten werden.

Die Abteilungschefs sollen in den hier in Frage stehenden Departementen nicht Kompetenz erhalten zur Ausstellung von Anweisungen, nicht zur Aufnahme von Angestellten, nicht zu Gehaltsbestimmuugen, nicht zum Erlaß von Instruktionen und Regulativen, nicht zu selbständigen Verfügungen in Angelegenheiten, bezüglich welcher bestimmte gesetzliche oder Verordnungsvorschriften nicht bestehen, nicht, zu grundsätzlichen Interpretationen von Bundesrats- oder Departementnlbeschlüssen, nicht zu eigentlichen Weisungen und Befehlen an kantonale Beamte, nicht zu direktem Verkehr mit andern Departementen oder mit kantonalen Regierungen, es sei denn, daß ein Abteilungschef durch eine solche Behörde in Anfrage gesetzt wird, und was die Departementssekretariate betrifft, so soll sich ihre Befugnis nicht erstrecken auf Erlaß sachlicher Verfügungen, sondern nur auf präparatorische und vollziehende Handlungen, und zwar mit eigener Unterschrift nur an Abteilungen des Departements, an kantonale Unterbehörden und an Private, nicht aber an andere eidgenössische Departemente und kantonale Regierungen.

Diese Beschränkungen sind notwendig zur Aufrechthaltung der Einheit in der Departernentsführung, zur Garantie für die Verantwortlichkeit der Departementschefs, zur Fernhaltung von willkürlichen Übergriffen und insbesondere zur Wahrung der Stellung und des Verhältnisses der Bundesverwaltung zu den Kantonen. Aber auch mit diesen Einschränkungen wird die
selbständige Aktion der genannten Departementsorgane zur Entlastung der Departementschefs sehr Wesentliches wirken.

Was schließlich den in der öffentlichen Diskussion der Verwaltungsreform aufgetretenen Vorsehlag anbelangt, daß sich der B u n d e s r a t , beziehungsweise die D e p a r t e m e n t s c h ef s, in den eidgenössischen Räten durch Beamte ihrer Ressorts

805 s o l l e n v e r t r e t e n l a s s e n können, so mag derselbe verschiedenen Motiven entspringen. Es soll damit vielleicht eine Erleichterung des Bundesrates während der Sessionen der Bundesversammlung erzweckt werden, oder man will, von der Annahme ausgehend, daß der Chef eines umfangreichen Departements unmöglich mit allen Einzelheiten seiner Verwaltung vertraut sein könne, den Räten doch vollkommen informierte Referenten sichern. Wir gestatten uns darüber folgende Bemerkungen.

Wir begegnen dieser oder einer ähnlichen Erscheinung auch anderswo, z. B. im Reichstage des deutschen Reiches, wo wir in einzelnen Fällen an der Stelle des Reichskanzlers oder des betreffenden Unterstaatssekretärs oder neben ihm noch Specialdelegierte auftreten sehen; in Frankreich, Italien etc., wo neben den Ministern auch Unlerstaats- oder Generalsekretäre der betreffenden Ministerien an der Diskussion sich beteiligen. Aber in den letztgenannten Staaten ist solche Beteiligung nur möglich, wenn die Betreffenden selbst Mitglieder des Parlaments sind, und im deutschen Reiche gehören die fraglichen Specialdelegierten dem Bundesrate an, welcher einer der drei Faktoren der Gesetzgebung ist. In unsern größern schweizerischen Kantonen, wo die Verhältnisse ähnlich liegen, wie beim Bund, kennen wir keinen Großen Rat, in welchem Unterbeamte der Regierung-, sei es von jenem gefordert, sei es von dieser delegiert, als Berichterstatter oder parlamentarische Mitberater erscheinen würden. Wohl aber sind es die -von den Großen Raten für die einzelnen Angelegenheiten niedergesetzten Kommissionen, in denen dieses Verfahren eingeschlagen werden kann und auch praktiziert wird. Hier ist es auch vollkommen am Platz, nicht aber im Plenum der Räte, sei es in den Kantonen oder beim Bunde. Aufgabe der Specialkomrnissionen ist es, die ihnen zugewiesenen Traktanden à fond und bis ins Detail zu untersuchen, und da kann ihnen, namentlich wenn es sich um specifisch technische oder technisch-administrative Punkte handelt, die direkte Eiuveraahme oder Anhörung derjenigen Verwaltungsorgane, in deren specielle Aufgabe die Behandlung und Bearbeitung der betreffenden Punkte einschlägt, wertvolle Dienste leisten. Die Räte müssen darauf vertrauen können, daß im gegebenen Falle solche Untersuchung von der Kommission vorgenommen worden ist; sie selbst
aber haben es nicht, mit der Detailuntersuchung, sondern mit den Resultaten zu thun, zu denen die Kommission auf Grundlage ihrer Prüfung gekommen ist. Wohl kann es geschehen, daß auch im Plenum, z. B. bei der Beratung des Geschäftsberichts oder des Budgets oder eines Gesetzentwurfs, Punkte berührt oder Anfragen gestellt werden, über welche der anwesende Departementschef im Moment sichere und vollständige Auskunft zu geben nicht im stände ist ;

806 in einem solchen Falle wird es niemand auffallend finden, wenn er sich nähere Information in den Akten oder bei seinen Beamten vorbehält und orientiert später darauf eintritt. Diese Beamten selbst jedoch in den Räten auf Pikett zu stellen und sie -- auf wessen Wunsch oder Befehl hin -- an die Stelle des Departementschefs treten zu lassen, würde ohne Nutzen Unzukömmlichkeiten verschiedener Art herbeiführen, welche näherer Beleuchtung nicht bedürfen.

Das Bild der Beschäftigung eines Bundesrats, welches wir nach ihren verschiedenen Richtungen in dem Vorangegangenen zu skizzieren versucht haben, wäre nicht vollständig, wenn wir nicht auch ein Wort von dem innern Getriebe seines Bureauhaushalts beifügen würden. Herr alt Bundesrat Droz Osiebt in einem höchst interessanten Aufsatz der Bibliothèque universelle über die Reorganisation des Bundesrates (Nr. 180, 1893J hiervon eine sehr anschauliche detaillierte Schilderung. Er erzählt aus seinen langjährigen Erfahrungen von der Masse supplementärer Arbeit, welche die halb offizielle, halb persönliche Korrespondenz eines Bundesrats verursacht, von den Hunderten von Briefen Stellensuchender, welche eine Antwort wünschen und sich persönlich vorstellen, von den Auskunftsbegehren aller Art, von nicht das eigene Departement berührenden Mitteilungen, welche Rückäußerurjg verlangen, von Kritiken und Ratschlägen gutmeinender Patrioten, welche eingehende Erwiderung erwarten, v.on den Anforderungen, welche das Inordnunghalten des unausweichlichen persönlichen Departementsarchivs stellt u. s. w., u. s. w., und würde eine Haupterieichterung für die Mitglieder des Bundesrates darin erblicken, wenn jedem zur Aushülfeleistung in diesen hundertfältigen, zeitraubenden Kleinigkeiten im Haushalt ein privater Sekretär zur Verfügung stünde. Wir halten die Schilderung, für welche wir gerne auf den Aufsatz des Herrn Droz selbst verweisen, für zutreffend und würden auch die vorgeschlagene Neuerung empfehlen, wenn nicht der Ausführung derselben Schwierigkeiten ganz realer Natur entgegenstünden. Wo sollten diese Attachés untergebracht werden ? In dem Zimmer des Chefs kann ein solcher nicht ständigen Aufenthalt nehmen, in das Bureau des Departementssekretärs kann er auch nicht verwiesen werden, je weiter er dem Departetnentschef von der Hand ist, desto weniger wird der Zweck erreicht,
geeignete Lokalitäten in unmittelbarer Nähe der Vorsteher lassen sich bei keinem Departemente ermöglichen, und so zwingt uns, von andern Schwierigkeiten abgesehen, schon die Raumfrage, von der Einführung der gedachten neuen Funktionäre Umgang zu nehmen. Immerhin ließe sich eine teilweise Erleichterung in obigem Sinne auf dem Wege erzielen, wenn jeder Departementsvorsteher in die Lage versetzt würde, je nach den besondern Umständen in

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der ihm geeignet scheinenden Weise sich Aushülfsdienste der gedachten Art zu verschaffen, was auf dem einfachen Wege einer bescheidenen Krediterteilung im Budget geschehen könnte.

Es bleibt uns nunmehr noch übrig, von der Verteilung der Geschäfte, beziehungsweise von der Bildung der Departements zu sprechen.

Es tritt hier maßgebend für das Weitere die Frage in den Vordergrund, wie die Magistrate des Bundespräsidenten gestaltet werden soll. Wie dieselbe gegenwärtig beschaffen ist, haben wir in dem ersten Teile des Berichtes dargelegt. Er ist nicht nur das allerbelastetste Mitglied der Behörde, nicht nur sind die Funktionen des Präsidenten des Bundesrates durch die Verbindung mit einem ganzen vollen Verwaltungsdepartement ernstlich beeinträchtigt, sondern es ist ein Bundespräsident überhaupt nicht mehr vorhanden.

Die Bundesverfassung sagt allerdings vom Bundespräsidenten nur das, daß er den Vorsitz im Bundesrate führe. Da sie sich mit der Verteilung der Geschäfte unter die Mitglieder des Bundesrates nicht befaßt, so hatte sie auch keinen Anlaß, über die dem Bundespräsidenten zu übertragenden Aufgaben der Staatsverwaltung und Staatsleitung nähere Bestimmungen aufzustellen. Aber man dachte sich doch von Anfang an unter dem Bundespräsidenten der schweizerischen Eidgenossenschaft etwas Anderes und Mehreres als den Chef irgend eines Verwaltungsdepartements, der zugleich die Sitzungen des Bundesrates präsidiere. Wie jeder Ötaat, monarchisch oder republikanisch, ein Haupt der Staatsleitung hat; wie jeder eidgenössische Stand, repräsentativ oder demokratisch, zur Zeit als er sein Verhältnis zu den andern Ständen und seine Beziehungen zu auswärtigen Staaten selbst zu ordnen hatte, in seinem Schultheiß oder Landammann sein Standeshaupt besaß, dem vornehmlich die Pflicht der Wahrnehmung der Staatsinteressen nach außen oblag, so wollte die Bundesverfassung in dem Bundespräsidenten ein Staatshaupt der schweizerischen Eidgenossenschaft einsetzen. Und so natürlich schien es, daß dieser obersten Magistratur nicht nur die äußerlich formale, sondern virtuelle Repräsentation des Staates nach außen und nach innen zukommen müsse, daß seit dem Bestehen des Bundes, von Anfang an bis auf die neueste Zeit, dem Bundespräsidenten die Leitung des politischen Departements, das heißt der Verkehr mit auswärtigen Staaten und deren Stellvertretern, der Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsulaten der Schweiz im Auslande, die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und auswärtigen Staatsregierungen oder deren Stellvertretern, die Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität und Sicherheit der Eidgenossenschaft gegen außen im allgemeinen, sowie der Völker-

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rechtlichen Verhältnisse im besoudern und auch die Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung im Innern übertragen wurde.

Mit solchem Inhalt war das Amt von Anfang an gedacht; deshalb der besondere Titel -- im Unterschied von ,,Präsident des Bundesratesa -- ; deshalb die Wahl durch die Bundesversammlung.

Wenn jetzt alle genannten Funktionen vom Amte des Bundespräsidenten abgelöst und einem andern Mitgliede des Bundesrates übertragen sind, so findet diese Einrichtung eine scheinbare Analogie in andern Staaten, wo auch ein besonderes Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten existiert, das in der Regel nicht vom Conseils- oder Ministerpräsidenten geführt wird. Aber wo solches angetroffen wird, da hat überall, in republikanischen wie in monarchischen Staaten, die Staatseinheit und oberste Staatsleitung neben und über dem Ministerium, dem Ministerpräsideuten und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, in dem eigentlichen Staatsoberhaupt seinen prägnanten Ausdruck : in den monarchischen Staaten in dem Fürsten ; in den republikanischen, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, der Französischen Republik, den Vereinigten Staaten von Mexiko, der Argentinischen Republik, dem Kanadischen Bunde, in dem auf mehrere Jahre gewählten Präsidenten, der die eigentliche oberste Staatsrepräsentation und Staatsleitung hat und dessen Staatssekretäre die Minister sind. Zu einer ähnliehen Organisation muß die schweizerische Eidgenossenschaft mit der Zeit kommen, wenn die jetzige Einrichtung, welche dem Bundespräsidenten seine Hauptattribute genommen und ihn lediglich zum Vorsitzenden des Bundesrates gemacht hat, fortdauert. Als Symptom eines erwachenden Bedürfnisses und des Suchens einer Befriedigung nach der angedeuteten Richtung hin mag es angesehen werden, daß nach einer politischen Oberleitung gerufen wird, welche man vorläufig in einer Trias von Oberbundesräten hat finden wollen.

Wir halten dafür, daß das frühere politische Departement wieder herzustellen, dem jeweiligen Bundespräsidenten zu übertragen und dadurch dieser obersten Magistratur die ihr gebührende Stellung und Dignität wieder zu geben sei.

Wir kommen zu dieser Ansicht trotz der Schwierigkeiten, welche der Umstand bereitet, daß das Präsidium alle Jahre wechselt, und trotz der Anerkennung der guten Dienste, welche das Departement der
auswärtigen Angelegenheiten bisanhin geleistet hat.

Wir haben von dem, was wir in unserem Berichte vom 5. April 1887 betreffend die Reorganisation des Bundesrates gesagt haben, nicht vieles zurückzunehmen. Unzweifelhaft leidet die Kontinuität in der Behandlung der politischen Geschäfte durch den jährlichen

809 Wechsel des Departementsvorstehers, wie sie unter gleichen Umständen auch bei allen andern Geschäften leiden würde. Die Frage ist nur die, ob die Kontinuität gerade im politischen Departement wichtiger und notwendiger ist als in allen andern, so wichtig und ausschlaggebend, daß, um sie aufrechtzuhalten, alle andern Rücksichten und Interessen hintangesetzt werden müssen.

Unsere internationalen Verhältnisse sind in gewöhnlichen Zeiten einfacher Natur. Sie betreffen hauptsächlich Handel und Verkehr, Niederlassung und Auslieferung, Grenzverhältnisse und Wahrung der Landesintegrität, europäische Kultur- und Humanitätsbestrebungen.

Wir haben keine Machtfragen, keine Ausdehnungsinteressen, keine internationalen Seeangelegenheiten, keine außereuropäischen Kolonien und bezügliche Politik, keine Allianzen oder Allianzprojekte, kein, zahlreiches Corps von Vertretern in allen Weltteilen wie die Großstaaten.

Diesen beschränkten Aufgaben und einfachem internationalen Verhältnissen entsprechend sind auch die bezüglichen Geschäfte. Es sind uur ausnahmsweise umfangreiche, durch Jahre hindurch sich ziehende Angelegenheiten, wie etwa die Dappenthalfrage, die Savoyerfrage, die spanische Pensionenfrage, die Gotthardangelegenheit, die Rheinregulierung, die Verhandlung von Handelsund andern Verträgen, die bündnerische Inkamerationsfrage, die tessinische Bistumsangeiegenheit, größere Grenzregulierungsfragen u. dgl., wobei in vielen Fällen die Materien selbst von andern Departementen behandelt werden, sondern, wie die Geschäftsberichte des Departements zeigen, meistens einzelne Vorkommnisse, kleinere oder größere, in der Regel innerhalb c kurzer Zeit diplomatisch sich abspielende Konfliktfälle, welche freilich dann nicht selten in dieser kurzen Zeit die Sorge und Arbeitskraft des Departementsvorstehers in intensivster Weise in Anspruch nehmen.

Das politische Departement ist im fernem nicht eine Verwaltung verschiedener, von Gesetzen, Verordnungen, Keglementen etc.

beherrschter Gebiete und Anstalten, mit welchen der Departementsvorsteher genau vertraut sein uud deren zahlreiches Personal er kennen muß ; es hat auch keine jener gesetzgeberischen Aufgaben, deren Studium, Behandlung und Lösung oft durch Jahre sich hindurchzieht.

Nimmt man nun noch dazu, daß die politischen Geschäfte nicht in der Weise und in dem
Umfang rein innerhalb des Departementes behandelt werden, wie dies' bei andern Departementen geschehen kann, sondern daß sie von ihrem Entstehen an dem Bundesrat zur Kenntnis gebracht werden, daß dieser, fortwährend orientiert, in den verschiedenen Stadien der Behandlung mitwirkt, die Gesamtbehörde selbst also gewissermaßen der stän-

810 dige, permanente Träger der politischen Geschäftsverwaltung ist, und berücksichtigt man im fernem den großen Vorteil, daß dasjenige Mitglied des Bundesrates, welches im nächsten Jahre das politische Departement zu übernehmen hat, dies zum voraus weiß und also in jeder Beziehung vollkommen vorbereitet in das Amt tritt, so ist es wohl gestattet, zu sagen, daß der jährliche Wechsel des politischen Departements nicht unthunlich uud bezüglich der Kontinuität der Geschäftsbehandlung nicht mit so großen Nachteilen verbunden ist, daß er absolut vermieden werden müßte. Vielen großen Staaten, deren auswärtige Angelegenheiten unvergleichlich mannigfacher, komplizierter und schwieriger sind als die unserigen, begegnet der Wechsel in der Führung desselben erstaunlich oft, und nicht selten ist er begleitet von einer Änderung des gesamten Kabinetts -- eine Betrachtung, welche geeignet ist, den jährlichen Wechsel unseres politischen Departements bei einem unveränderten Bundesrat bezüglich dessen Wichtigkeit in den richtigen Proportionen erscheinen zu lassen.

Nichts hindert übrigens, dem politischen Departement eine seiner ausnahmaweisen Lage entsprechende Organisation zu geben.

Es verhält sich damit im kleinen, wie mit dem KU Tagsatzungszeiten alle zwei Jahre wechselnden Vorort im großen. Eine stabile tüchtige Kanzlei, deren Registratur eine leichte und sichere Orientierung in den Geschäften bot, deren Personal für die Behandlung derselben nach allen Richtungen die nötige Aushülfe sicherte, deren Chef, der Kanzler, in den hängigen Angelegenheiten alles Geschehene kannte, mit Behandlung diplomatischer Angelegenheiten in Form und Inhalt wohl vertraut war und eine gewandte Feder führte, reduzierte für jeden neuen Vorort die Übernahme und Führung der Geschäfte in ganz erheblichem Maße. Ein Entwurf zur Neuorganisation des Departements ist vorbereitet und wird der Bundesversammlung nach Erledigung der Organisationsfrage überhaupt zur Schlußfassung vorgelegt werden.

Was nun die Verteilung der Geschäfte im übrigen betrifft, so ist dieselbe aus dem beiliegenden B e s c h l u ß e n t w u r f ohne weiteres ersichtlich. Es konnte dabei natürlich nicht ausschließlich auf systematische Gestaltung der Departemente gesehen, sondern es mußte auch darauf Bedacht genommen werden, die Arbeitslast unter den Mitgliedern des
Bundesrates möglichst auszugleichen, was freilich immer nur sehr unvollkommen zu erreichen ist. -- Wenn wir nun unsere Erörterungen und namentlich deren positive Ergebnisse bezüglich vorzunehmender Reformen in der Organisation und dem Geschäftsgang des Bundesrates überblicken, so sind wir auf keine großen Änderungen geführt worden.

811 Die Befreiung des Bundespräsidenten aus seiner unhaltbar gewordenen Stellung, die Sicherung eines Wechsels in der Departementsleitung, die Entlastung der Departementsvorsteher durch Arbeitsteilung innerhalb derDepartemente mit Kompetenzübertragungeu, die postulierte Änderung in der Behandlung der politischen Angelegenheiten, die Modifikationen in der Verteilung der Geschäfte unter die sieben Departemente und eine etwelche Änderung in der Formation derselben, das sind die bescheidenen Reformen, welche als Bndresultate einer weit ausgreifenden Untersuchung uns geblieben sind.

Der Intervention der eidgenössischen Räte bedürfen wir, da alles andere durch den Bundesrat selbst ins Werk gesetzt werden kann, nur für die Neubestimmung der Departemente und die Verteilung der Geschäfte an dieselben, respektive für die Abänderung der Art. 21--:28 des Bundesbeschlusses über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates.

Indem wir die Ehre haben, Ihnen hierfür den Entwurf eines Bundesbeschlusses vorzulegen und zur Annahme zu empfehlen, ergreifen wir den Anlaß, Sie unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Juni 1894.

·Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

812

(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Abänderung des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1894, beschließt:

Art. 1.

Die Artikel 22 bis und mit 29 und 36 des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates werden duich folgende Bestimmungen ersetzt.

Art. 22. Der Bundesrat teilt sich in folgende sieben D epartemente : 1. Das politische Departement; 2. ,, Departement des Innern; 3. ,, Justiz- und Polizeidepartement; 4. ,, Militärdepartement; 5. ,, Finanz- und Zolldepartement; x 6. ,, Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement; 7. ,, Eisenbahn-, Post- und Baudepartement.

813 Der jeweilige Bundespräsident übernimmt das politische Departement; im übrigen nimmt der Bundesrat alljährlich die Verteilung der Departemente vor, und jedes Mitglied ist gehalten, eines derselben zu übernehmen.

Für die Fälle von Abwesenheit und Verhinderung wird Jedem Departementsvorsteher ein Stellvertreter bezeichnet.

Art. 23. Dem p o l i t i s c h e n D e p a r t e m e n t liegt ·die Vorprüfung und Besorgung folgender Geschäfte ob : 1. Der Verkehr mit auswärtigen Staaten und deren Stell· Vertretern; 2. der Verkehr mit den Gesandtschaften und Konsulaten der Schweiz im Auslande; 3. die Vermittlung des amtlichen Verkehrs zwischen Kantonen und auswärtigen Staatsregierungen oder deren Stellvertretern ; 4. Prüfung derjenigen Verträge, welche die Kantone von sich aus mit ausländischen Behörden abzuschließen befugt sind; ·5. Wahrung der Unabhängigkeit, Neutralität und Sicherheit der Eidgenossenschaft gegen außen im allgemeinen, sowie der völkerrechtlichen Verhältnisse im besondern; ·6. Überwachung und Regulierung der Grenzverhältnisse . zu dem Auslande; 7. Einbürgerung von Ausländern und Optionsangelegenheiten ; 8. die Überwachung der Bundeskanzlei; 9. die Aufrechthaltung der Ruhe und öffentlichen Ordnung im Innern 5 "10. die Organisation und der Geschäftsgang der Bundesbehörden ; 11. die Organisation der eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen ; 12. die Grenz- und Gebietsverhältnisse der Kantone unter sich, soweit nicht das Bundesgericht hierin zuständig ist.

-ßundesblatt. 46. Jahrg, Bd. II.

55

814 Art. 24. Dem D e p a r t e m e n t des I n n e r n liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschäfte ob : 1. das Unterrichtswesen nach Maßgabe von Art. 27 der Bundesverfassung ; 2. die Beiträge an wissenschaftliche, litterarische und künstlerische Unternehmungen , bezw. Ausstellungen ; 3. die Ausübung von wissenschaftlichen Berufsarten ; 4. das öffentliche Gesundheitswesen ; 5. die Statistik der Schweiz; 6. die Aufsicht über die Verpflegung und Beerdigung armer Angehöriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton erkranken oder sterben ; 7. die Oberaufsicht über die Straßen und Brücken, an deren Erhaltung die Eidgenossenschaft ein Interesse hat ; 8. die Wasserbaupolizei nach Maßgabe von Art. 24 der Bundesverfassung ; 9. die Überwachung der Ausführung und Unterhaltung der Flußkorrektions- und anderer vom Bunde außerhalb des eidgenössischen Forstgebietes unterstützten Wasserbauvverke \ 10. die Forstpolizei nach Maßgabe von Art. 24 der Bundesverfassung ; 11. die Jagd und Fischerei nach Maßgabe von Art. 25 der Bundesverfassung ; 12. Beaufsichtigung des Auswanderungswesens; 13. Maß und Gewicht; 14. die Überwachung der Archive und der Bibliothek.

Art. 25. Dem J u s t i z - und P o l i z e i d e p a r t e n j e n t liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschäfte ob: 1. die Überwachung der allseitigen Erfüllung der Bundesverfassung und der Bundesgesetze im allgemeinen, soweit dieselbe nicht andern Departementen übertragen ist ; 2. Gewährleistung der Kantonsverfassungen ;

815 3. Bearbeitung der Bundesgesetze über civil- und strafrechtliche Materien; 4. Einbürgerung der Heimatlosen; 5. die Ausführung des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe; 6. das Handelsregister; 7. Prüfung der Verträge (Konkordate) u n t e r den K a n t o n e n und Mitwirkung bei dem Abschlüsse derselben, soweit der Inhalt dieser Verträge nicht in den Geschäftskreis eines andern Departements gehört; 8. Behandlung der Verträge und Übereinkünfte mit a u s w ä r t i g e n S t a a t e n über Auslieferung und über polizeiliche und civilrechtliche Verhältnisse (in Verbindung mit dem politischen Departement) ; 9. Verfügungen bezüglich der Handhabung der bundesmäßigen Rechte des Volkes und der Bürger, wie der Behörden, insbesondere die Prüfung von Beschwerden betreffend : a. die Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 und 39 der Bundesverfassung); b. die Spielhäuser und Lotterien (Art. 36) ; c. die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen; d. die Gültigkeit k a n t o n a l e r Wahlen und Abstimmungen ; e. die Verfügung über die Begräbnisplätze (Art. 53); f. die Anstände, herrührend aus denjenigen Bestimmungen der Staatsverträge mit dem Auslande, welche sich auf Niederlassung, Befreiung von Militärpflichtersatz und Freizügigkeit beziehen; 10. die Vollziehung der bundesgerichtlichen Urteile; 11. die Einleitung und Überwachung der Strafuntersuchungen, auf welche die Bundesgesetze über das Bundesstrafrecht und die Werbung sich beziehen, und die Vollziehung der Urteile, welche in Anwendung dieser Gesetze von kantonalen Gerichten erlassen worden sind ;

816

12. die Prüfung und Behandlung der Auslieferungsangelegenheiten, sowie die Überwachung der Vollziehung der in der Schweiz oder vom Auslande bewilligten Auslieferungen ; 13. die Handhabung der politischen und gewöhnlichen Fremdenpolizei, soweit letztere in der Kompetenz des Bundes liegt; 14. die Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens ; 15. gewerbliches, litterarisches und künstlerisches Eigentum ; 16. die Vollziehung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs.

Art. 26. Dem M i l i t ä r d e p a r t e m e n t steht die Vorprüfung und die Besorgung der das Militärwesen beschlagenden Geschäfte zu. Darunter sind nach Maßgabe der Militärorganisation namentlich verstanden: 1. Militärische Gebietseinteilung; 2. Rekrutierung; 3. Organisation des Heeres, Ernennung und Entlassung von Offizieren und Besetzung von Komraandostellen ; 4. Unterricht, einschließlich Vorunterricht und militärischer Unterricht am Polytechnikum ; 5. Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung; 6. Besoldung und Verpflegung; 7. Rechtspflege; 8. Landestopographie; 9. Landesbefestigung; 10. Mobilisierung des Heeres, Instruktionen für den General ; 11. Ergänzung der Feldarmee; 12. Militärpensionen;

817 13. Überwachung der Vollziehung der Militärorganisation in den Kantonen; 14. die Militärpflichtersatzsteuer; 15. die Pulververwaltung.

Art. 27. Dem F i n a n z - und Z o l l d e p a r t e m e n t liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschäfte ob : 1.

2.

, 3.

4.

5.

6.

7.

8.

a. Im F i n a n z w e s e n : Die Gesetze, Verordnungen und Instruktionen über die Finanz- und Staatskasseverwaltung; die Verwaltung der Liegenschaften, soweit nicht andere Departemente damit beauftragt sind, und der eidgenössischen Fonds, sowie die Vorkehrungen für Darleihen und deren Überwachung; Maßnahmen betreffend die Bestimmung der Geldskala und allfälliger Beiträge der Kantone an die Ausgaben der Eidgenossenschaft ; Aufstellung des jährlichen Voranschlages und der Staatsrechnung ; die Aufsicht über die Staatskasse und das gesamte Rechnungswesen der Eidgenossenschaft; die Vollziehung des Art. 39 der Bundesverfassung und Bundesbankangelegenheiten ; das Münzwesen.

die Vollziehung des Art. 32bi8 der Bundesverfassung und die Alkoholverwaltung.

b. Im Z o l l w e s e n : 1. Die Gesetze, Verordnungen und Instruktionen über Organisation, Tarife und Verwaltung des Zollwesens; 2. die Zollverwaltung und der Bezug der Zollgebühren ; 3. die Mitwirkung bei den Vorarbeiten und dem Abschluß der Handelsverträge.

818 Art. 28. Dem H a n d e l s - , I n d u s t r i e - u n d L a n d w i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschäfte ob: 1. Förderung des Handels im allgemeinen ; 2. Vorarbeiten für Abschließung von Handelsverträgen, sowie Mitwirkung bei der Zollgesetzgebung und der Aufstellung des Zolltarifs ; 3. das schweizerische Handelsamtsblatt; 4. Anstände im internationalen Handelsverkehr; 5. Patenttaxen der Handelsreisenden; 6. Kontrollierung von und Handel mit Gold- und Silberwaren; 7. Ausstellungswesen (mit Ausnahme der Schul- und Kunstausstellungen) ; 8. die Förderung der Industrie und des Gewerbewesens im allgemeinen 5 9. die Arbeitei-gesetzgebung (Fabrikgesetz, Haftpflicht, Kranken- und Unfallversicherung etc.); 10. die industrielle und gewerbliche Berufsbildung; 11. die Förderung der Landwirtschaft im allgemeinen und Beiträge an landwirtschaftliche Unternehmungen im besondern ; 12. das landwirtschaftliche Unterrichtswesen; 13. die Viehseuchenpolizei; 14. allgemeine Maßnahmen gegen die Schäden, welche die landwirtschaftliche Produktion bedrohen.

Art. 29. Dem D e p a r t e m e n t der V e r k e h r s a n s t a l t e n und der B a u t e n liegt die Vorberatung und Besorgung folgender Geschäfte ob: a. Im E i s e n b a h n w e s e n : 1. Die Gesetze und Verordnungen über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen ; Erteilung und Zurückziehung der Konzessionen ;

819 2. Expropriationsangelegenheiten und Eisenbahnverpfändungen ; 3. Aufsicht über die Erfüllung der Verpflichtungen, welche für die Eisenbahngesellschaften aus den Gesetzen und Konzessionen herfließen.

b. Im P o s t w e s e n : 1. Die Gesetze und Verordnungen über die Organisation des Postwesens; 2. die Leitung und Überwachung des Postdienstes.

c. Bei a n d e r n T r a n s p o r t a n s t a l t e n : 1. Die Erteilung und Zurückziehung von Konzessionen für Dampfschiffe u. s. w. ; 2. die Überwachung der technischen Einrichtungen und Verkehrsbedingungen der Dampfschiffe u. s. f.

d. Im T e l e g r a p h e n - und T e l e p h o n w e s e n : 1. Die Gesetze und Verordnungen über die Organisation des Telegraphen- und Telephonwesens ; 2. die Leitung und Überwachung des Telegraphen- und Telephondienstes.

e. Die B a u t e n.

Art. 36. Für die Überwachung der Bundeskanzlei ist der Kanzler dem Bundespräsidenten beigegeben und soll ·diesem dazu stets hülfreiche Hand leisten.

Art. 2.

Der Beschluß des Bundesrates vom 8. Juli 1887, betreffend die Organisation seiner Departemente, ist aufgehoben.

Art. 3.

Dieser Beschluß tritt auf 1. Januar 1895 in Kraft. Der Sundesrat ist mit dessen Vollziehung beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Organisation und Geschäftsgang des Bundesrates. (Vom 4. Juni 1894.)

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06.06.1894

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