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Bericht der

Kommission des Ständerates betreffend Organisation und Geschäftsgang des Bundesrates.

(Vom 16. November 1894.)

Tit.

Mit Botschaft vom 4. Juni 1894 hatte der Bundesrat über die durch sachbezügliche Beschlüsse der Räte angeregte Frage der Organisation der eidgenössischen Exekutive und der Ordnung ihres Geschäftsganges einen einläßlichen Bericht erstattet und war dabei auch auf die im allgemeinen als ,,Reform der Bundesverwaltung" bezeichnete und schon vielfach erörterte Materie eingetreten. Das Resultat der vom Bundesrate gepflogenen Untersuchung war, organisatorische Änderungen fundamentaler Natur seien nicht zu treffen, sondern die als wünschenswert zu betrachtenden Maßnahmen könnten auf dem Boden der bestehenden Ordnung der Verhältnisse Platz greifen; dabei sei der Bundesrat in der Lage, die betreffenden Modifikationen zum größten Teile selbst ins Werk zu setzen, und nur hinsichtlich einer etwelchen Neuformation der Departemente und der Verteilung der Geschäfte an dieselben bedürfe es einer Beschlußfassung der eidgenössischen Kate. Die Botschaft des Bundesrates schloß demgemäß mit dem Antrage auf Erlaß eines Bundesbeschlusses, durch welchen die Einteilung der Departemente und die Zuweisung der Geschäfte an dieselben neu geordnet werden sollte; dabei war vorgesehen, daß diese Neuordnung mit dem 1. Januar 1895 in Kraft zu treten habe.

Die Priorität für dieses auf die letzte Junisession der Räte angesetzte Geschäft, welche zuerst dem Nationalrate zugeschieden Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. IV.

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gewesen war, wurde in der Folge, um eine gleichmäßigere Verteilung der Traktanden herbeizuführen, auf den Ständei-at übertragen, und es wurde die unterzeichnete Kommission mit der Vorprüfung der Sache betraut. Da bei der allgemeinen Beratung dieser Kommission die geäußerten Ansichten übereinstimmend dahin gingen, es sei jedenfalls zur Zeit nicht auf irgend eine weitgreifende organisatorische Änderung einzutreten, und da die vom Bundesrate im Rahmen des Bestehenden vorgeschlagenen Modifikationen schon mit dem 1. Januar 1895 wirksam werden sollten, glaubte die Kommission, ihren Berieht sofort erstatten zu können. Dieser Bericht, der in dem über die betreffenden Verhandlungen aufgenommenen stenographischen Bulletin niedergelegt ist, gab einen kurzen Überblick der geschichtliehen Entwicklung der Frage, trat dann auf eine zusammenfassende Würdigung der Sachlage ein und schloß mit dem von der Kommission gestellten Antrage, von der Botschaft des Bundesrates Akt zu nehmen und damit die au die genannte Behörde ergangenen Aufträge als erledigt zu erklären; von einer förmlichen Revision des Bundesbeschlusses vom 2l. August 1878 über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates wollte die ständerätliche Kommission Umgang nehmen, in der Meinung, daß der Bundesrat die erforderlichen Modifikationen,' unter Kenntnisgabe un die BundesverO Sammlung, von [sieh aus treffen könne. Dieser Antrag auf Nichteintreten wurde des nähern begründet, worüber wir uns auf den erwähnten, im stenographischen Bulletin gedruckt vorliegenden Bericht beziehen.

Von selten des h. Bundesrates und im Schöße des Ständerates selbst wurde aber dann den Anträgen und Ausführungen der Kommission gegenüber hervorgehoben, es wäre doch wünschenswert, daß die einzelnen Fragen speciell behandelt würden, auch wenn infolge hiervon das Geschäft auf die Dezembersession verschoben werden müßte. Der Rat pflichtete dieser Anschauung bei und wies demgemäß die Sache mit der Einladung an die Kommission zurück, auf eine nochmalige Erörterung der verschiedenen Punkte einzutreten und über das Ergebnis der Beratungen einen gedruckten Bericht zu erstatten. Dabei wurde bemerkt, es dürfte sich in diesem Falle empfehlen, daß die Kommissionen der beiden Räte zu einer gemeinschaftlichen Sitzung zusammentreten würden, um über die verschiedenen in Betracht
fallenden Fragen und Anschauungen einen Meinungsaustausch herbeizuführen, aus dem sich möglicherweise nach dieser oder jener Richtung positive Anträge ergeben könnten. Diese Anregung fand bei beiden Kommissionen Zustimmung, und so wurde denn noch in der Junisession von denselben vereinbart, eine derartige gemeinschaftliche Tagung anzu-

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ordnen. Dieselbe wurde.auf den 1. Oktober und die folgenden Tage angesetzt, und im weitern wurde den beidseitigen Kommissionsmitgliedern die Gelegenheit eröffnet, etwaige specielle Anträge bis zum Zusammentreten der Kommissionen zu Händen derselben einzureichen. Es gingen denn auch eine Reihe solcher Anträge ein, und so lagen den Kommissionen bei ihrer gemeinschaftlichen Beratung neben den Ausführungen und Anträgen des Bundesrates auch eine Anzahl individueller Anregungen vor. Als solche specielle Anregungen erwähnen wir insbesondere folgende: A. Auf Grund der j e t z i g e n V e r h ä l t n i s s e : A u s a r b e i t u n g eines O r g a n i s a t i o n s g e s e t z e s m i t A u s scheidung der dem B u n d e s r a t e in seiner Gesamtheit, den ein zelnen D e p a r t e m e n t e n und den Dienstchefs zustehenden Kompetenzen.

Errichtung eines Verwaltungsgerichtes.

E r r i c h t u n g eines Rechnungshofes.

Gesetzliche Regelung des administrativen Rekursw e s e n s.

S t ä n d i g e K o m m i s s i o n e u der Räte für diePrüt'ung der Staatsrechnungen und für die Rekurse.

Vorsorge für die Herstellung genau ü b e r e i n s t i m m e n de r Texte der Vorlagen und Erlasse in den drei Land essprachen.

Veranstaltung von Konferenzen zwischen den Dep a r t e m e n t s v o r s t e h e r n -und den Ver t retern der kantonalen Verwaltungen über die Verwaltungsmaterien, deren Besorgung zwischen Bund und Kantonen get e i l t ist.

B. Auf G r u n d einer a b g e ä n d e r t e n Organisation: Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Bundesrates auf neun.

Wahl des B u n d e s r a t e s d u r c h dis Volk.

In d i e s e m F a l l e f ü n f j ä h r i g e Amtsdauer des B u n d e s rates und des Nationalrates.

Aufnahme einer B e s t i m m u n g des Inhaltes, daß die Stelle eines N a t i o n a l - oder S t ä n d e r a t e s mit jeder anderen Stelle, deren Besetzung dem B u n d e s r a t e oder einem D e p a r t e m e n t e desselben zustehe, unv e r e i n b a r sei.

472 Die Kommissionen des Nationalrates und des Ständerates vereinigten sich nun, wie dies vorgesehen gewesen war, in den ersten Tagen des Monats Oktober in Bern zu einer gemeinschaftlichen Besprechung der ganzen als ,,Reform der Bundesverwaltung a bezeichneten Materie. Herr Bundesrat Schenk wohnte als Vertreter des Bundesrates diesen Sitzungen bei. Alle einzelnen Fragen, wie sie vom Bundesrate und von den Mitgliedern angeregt worden waren, wurden einläßlich erörtert. Dabei konnte es sich für einmal nur um einen Austausch der Meinungen handeln; Abstimmungen fanden nicht statt, weil sich jede der beiden Kommissionen die selbständige Behandlung der Sache reservieren wollte, und auch von der Führung eines Protokolls wurde Umgang genommen, um den einzelneu Mitgliedern für die Zukunft ihre freie Entschließung möglichst zu wahren.

Der Zweck dieser gemeinschaftlichen Beratung der Kommissionen, die beide vollzählig erschienen waren, bestand nur darin, die ganze Sache nach allen ihren Seiten unter Mitwirkung des Herrn Vertreters des Bundesrates durchzusprechen und dann zu gewärtigen, ob sich aus dieser Beleuchtung der verschiedenen Gesichtspunkte für die spätere materielle Behandlung bestimmte Anträge ergeben würden. Diese mehr präparatorische Natur der gemeinschaftlichen Beratungen bringt es auch mit sich, daß wir io dem vorliegenden an den Ständerat erstatteten Bericht nicht des näheren auf die verschiedenen kundgewordenen Anschauungen eintreten, wie es denn auch überhaupt nicht wohl anginge, in einem für die eine Abteilung der Bundesversammlung bestimmten Rapporte auch Voten wiederzugeben , die von Mitgliedern der andern Abteilung herrührten.

Mußten aber diese Voten von einem etwaigen Referate über den Gang der gemeinschaftlichen Kommissionalverhandlungen ausgeschlossen bleiben, so wäre dieses Referat doch nur lückenhaft geworden, und so sehen wir lieber des gänzlichen von einem Berichte über die gemeinsam gehaltenen. Sitzungen ab.

Nachdem die Sache in den Sitzungen der vereinigten Kommissionen nach allen Richtungen behandelt worden war, wurden diese gemeinschaftlichen Beratungen als geschlossen erklärt und die Kommission des Ständerates trat sodann separat auf die Materie ein, um sich über die von ihr zu stellenden Anträge schlüssig zu machen. Über das Ergebnis dieser von seiner Specialkommission
gepflogenen Verhandlung ist nun an den Rat zu berichten was folgt.

Als zweifellos konstatiert kann betrachtet werden, daß der Bundesrat als Behörde und die einzelnen Bundesräte als Vorsteher der Departemente bei der jetzigen Ordnung der Dinge mit Geschäften überladen sind. Der Bundesrat selbst erklärt dies ausdrücklich in seiner Botschaft und es ist die Thatsache dieser Über-

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ladung auch sehr wohl begreiflich, wenn in Erwägung gezogen wird, welchen Umfang im Laufe der Zeit die einzelnen Zweige der Bundesverwaltung angenommen haben. Eine Folge der großen Inanspruchnahme der einzelnen Mitglieder der Behörde durch ihre Departementalgeschäfte ist es denn auch, daß es zuweilen an der Zeit gebrechen mag, die zu anderen Ressorts gehörenden Angelegenheiten mit derjenigen Gründlichkeit zu prüfen, welche für die Erledigung jedes einzelnen Falles durch die Gesamtbehörde wünschenswert wäre. Es sind nun im Verlaufe der Zeit schon eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, wie der den Bundesrat belastenden Überbürdung mit Geschäften abzuhelfen sei, und der Buridesrat ist in seiner Botschaft im einzelnen auf eine Beleuchtung dieser Vorschläge eingetreten. Es kann nicht Aufgabe des vorliegenden Berichtes sein, diese Ausführungen zu reproduzieren.

Wir beschränken uns vielmehr darauf, unsere Stellung den verschiedenen Vorschlägen gegenüber im allgemeinen kurz darzulegen.

Ein Teil der zur Reform der Bundesvevwaltung gemachten Anregungen ging dahin, neue Organe zu schaffen, denen gewisse Kategorien der bisher vom Bundesrate besorgten Geschäfte übertragen weiden könnten. So war die Rede davon, neben den Bundesräten V e r w a l t u n g s d i r e k t o r e n aulzustellen, welche gewisse Kompetenzen zugeschieden erhalten sollten, wobei dann eben die Regierungs- und Verwaltungsthätigkeit auseinander zu halten wäre.

Auch die anderwärts bestehende Einrichtung von G e n e r a l s e k r e t ä r e n oder Un t, e r S t a a t s s e k r e t ä r e n , die vom Bundesrate zur Vertretung von Gesetzesvorlagen bei der parlamentarischen Behandlung derselben delegiert werden könnten, fiel in Erwägung. Der Bundesrat verhält sieh seinerseits diesen Anregungen gegenüber ablehnend, und wir stimmen ihm hiei-in vollständig bei. Organisationen der bezeichneten Art würden zu unseren einfachen Verhältnissen nicht passen; sie hätten etwas Gekünsteltes, dem Charakter volkstümlicher Institutionen Zuwiderlaufendes an sich. Auch wäre es jedenfalls schwierig, die Geschäfte in solche mehr reigimineller und solche mehr administrativer Natur auszuscheiden. Di» Aufstellung von Beamten sodann, welche an Stelle der Mitglieder des Bundesrates in den eidgenössischen Räten bei der Behandlung von Gesetzesvorlagen mitzuwirken hätten,
würde kaum die Billigung des Volkes finden; man ist bei uns daran gewöhnt und man hält darauf, daß die Regierung seihst zu ihren Vorlagen stehe und sich nicht durch Beamte, seien es auch noch so hochgestellte, vertreten lasse. Wir können also wohl ohne weiteres von Einrichtungen der bezeichneten Art Umgang nehmen.

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Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß nun alle und jede neue organisatorische Vorkehrung für alle Zukunft auszuschließen sei. Der Bundesrat macht selbst auf eine solche aufmerksam, mit deren Prüfung er sein Justizdepartement beauftragt habe: Die A u f s t e l l u n g u n d O r g a n i s i e r u n g eines A d m i n i s t r a t i v g e r i c h t s h o f e s . In Beziehung auf diese specielle Materie wäre also zu gewärtigen, zu welchen Resultaten der Bundesrat hei seiner Prüfung der einschlägigen Fragen gelangen werde. Immerhin möchten wir schon hier darauf aufmerksam machen, daß in diesem Gebiete wirklich gewisse genauere Vorschriften aufgestellt werden sollten, und wären es auch nur solche des Verfahrens. Durch das neu erlassene Bundesgesetz vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege sind wieder eine Reihe von Materien als Administrativstreitigkeiten nach Maßgabe von Art. 113 der Bundesverfassung, Absatz 2, dem Bundesrate, beziehungsweise der Bundesversammlung zur Behandlung übertragen worden, und außerdem ist durch Art. 189 jenes Organisationsgesetzes bestimmt, von den letztgenannten Instanzen seien zu erledigen Beschwerden betreffend die Anwendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetze, soweit nicht diese Gesetze selbst oder das Organisationsgesetz über die Bundesrechtspflege abweichende Bestimmungen enthielten. Der Bundesrat hat also in manchen Fallen als administrativrichterliche Instiinz zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn der Verfügung eines einzelnen Departementes gegenüber der Rekurs an die Gesamtbehörde ergriffen wird,' wie es gegebenen Falls z. B.

von Seiten einer kantonalen Regierung geschehen k»nn. Da sollte nun das Verfahren etwas genauer geregelt sein. Es sollten bestimmte Fristen angesetzt werden, binnen welcher von der kantonalen Instanz hinweg an das einschlägige Departement des Bundesrates und hinwiederum von diesem Departement hinweg au den Gesamtbundesrat Rekurs eingelegt werden könne, und dann sollte näher geregelt sein, wie sich das Verfahren in den von den einzelnen Departementen an den Gesamtbundesrat weitergezogenen Fällen gestalte. Allermindestens wäre dafür zu sorgen, daß über den rekurrierten Departementalentscheid von einem Korreferenten, in der Regel am besten vom Stellvertreter des betreffenden Departementsvorstehers,
Bericht und Antrag vorgelegt würde, um eine möglichst allseitige Behandlung der Sache zu sichern. Vorschriften dieser Art könnten sehr wohl in einem den Geschäftsgang des Bundesrates regelnden Gesetze getroffen werden, ohne daß dadurch eine Komplikation im Organismus der amtlichen Stellen eintreten würde.

Auch noch eine andere organisatorische Einrichtung ist schon öfters postuliert worden: Die E t a b l i e r u n g e i n e r s p e c i e l l e r e n

475 K o n t r o l l e des e i d g e n ö s s i s c h e n S t a a t s h a u s h a l t e s . Es besteht allerdings bereits eine ganz genau geregelte Finanzkontrolle, und dazu kommt dann noch die Prüfung der Staatsreehnung durch die eidgenössischen Räte und die von denselben bestellten Kommissionen. Soll aber gerade diese letztere Prüfung eine einläßliche sein und sich nicht bloß auf das Rechnungsmäßige, sondern auch auf das Materielle der Verwaltung erstrecken, so müßten doch andere Vorkehrungen getroffen werden. Die Kommission ist zwar nicht im Falle, zu beantragen, daß das Reglement vom 19. Februar 1877 betreffend die Organisation der eidgenössischen Finanzverwaltung und Führung des Kassen- und Rechnungswesens, welches nicht weniger als 110 Artikel umfaßt, erweitert oder abgeändert werde, obschon die Erfahrungen von bald 20 Jahren vielleicht hierzu Stoff geliefert haben mögen. Es wird insbesondere auch anerkannt, daß ohne Genehmigung des Bundesrates keine Zahlungsanweisungen honoriert werden, welche die von den eidgenössischen Räten fixierten Kredite irgendwie überschreiten würden. Aber es fragt sich, ob es nicht wesentlich zur Beruhigung dienen würde und als eine Verbesserung der Kontrolle des eidgenössischen Staatshaushaltes anzusehen wäre, wenn 1. nicht, nur thatsächlich, sondern organisch die Mitglieder der eidgenössischen Räte, welche der Budgetkommission für ein gegebenes Jahr angehören, auch Mitglieder der Kommission für Prüfung der auf das gleiche Jahr sich beziehenden Staatsrechnung wären ; 2. diese Mitglieder sich auch im Laufe des Rechnungsjahres, nicht nur in aller Eile am Schlüsse desselben, in näher festzustellender Weise mit der Kontrolle des eidgenössischen Staatehaushaltes zu beschäftigen hätten.

Gegen die Kreierung einer besondern Stelle außerhalb der Bundesverwaltung (Rechnungskammer) behufs Kontrolle des Bundeshaushaltes läßt sich das gewichtige Bedenken erheben, daß Konflikte entstehen könnten, welche die Verwaltung hemmen und manche Nachteile nach sich ziehen könnten.

Immerhin ist aber die ganze Frage gewiß wichtig genug, um einer näheren Untersuchung durch dea Bundesrat wert zu sein.

Im übrigen würden wir also, wie bemerkt, in Übereinstimmung mit dem Bundesrate von der Aufstellung neuer Organe absehen.

Es bezieht sich dies auch auf den speciell gemachten Vorschlag, den
Herren Bundesräten zum Zwecke der Geschäftserleichterung P r i v a t s e k r e t ä r e beizugeben. Die Kommission pflichtet nämlich hierin ebenfalls der ablehnenden Meinung des Bundesrates bei, da solche Funktionäre nach ihrer Auffassung eine Art Zwitterstellung erhalten würden, die nicht in den übrigen Organismus der Verwaltung passen dürfte.

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Ein anderer Vorschlag, die Geschäftslast des Bundesrates zu erleichtern, ging dahin, die Zahl der Mitglieder dieser Behörde möchte von s i e b e n auf n eu n erhöht werden. In dieser Beziehung nun wird wohl allseitig zugegeben werden, daß dadurch einzelne Departemente entlastet werden könnten, während andere nach wie vor ihren bisherigen Geschäftskreis beibehalten müßten, da sich der Natur der Sache nach nichts von demselben abtrennen ließe.

Ob aber jene Entlastung eine dauernde sein oder nicht vielmehr bei neuem Zuwachs von Geschäften wieder dahinfallen würde, wird in Frage gestellt; eine wirklich anhaltende Entlastung ließe sich' nach der betreffenden, einer Erhöhung der Mitglied erzähl des Bundesrates widerstrebenden Meinung nur durch eine richtige Verteilung der Geschäfte von oben nach unten erreichen. Der Bundesrat seinerseits spricht sich ebenfalls gegen eine solche Erhöhung der Mitgliederzahl aus, welche eine Änderung der Verfassung erheischen würde. Seine Bedenken stützen sich wesentlich darauf, daß unter einer allzu großen Zahl der Mitglieder die innere Kraft und Einheit der Behörde leiden würde; die bei einzelnen Départ erneuten etwa eintretende Vereinfachung werde durch den schwerfälligen Organismus der Gesamibehörde wieder aufgehoben. Die Mehrheit unserer Kommission teilt diese Bedenken und ist daher ebenfalls einer Vermehrung der Zahl der Bundesratsmitglieder abgeneigt. Dabei wurde auch noch speciell darauf aufmerksam gemacht, ob sich bei einer Zahl von neun Mitgliedern die jetzige Bestimmung der Verfassung, daß aus einem und demselben Kanton nur Ein Mitglied des Bundesrates gewählt wei-den dürfe, aufrechterhalten ließe, oder ob dann nicht dadurch ein der Proportionalität zur Einwohnerzahl widersprechendes Verhältnis entstehen würde. Eine Minderheit dagegen würde grundsätzlich der Erhöhung der Zahl der Mitglieder auf neun beistimmen, besonders auch im Hinblicke darauf, daß sieh die Aufgaben der Bundesverwaltung, zumal auf socialem Gebiete, noch immer erweitern werden und daß daher wirklich auch an der Spitze noch mehr Kräfte in den Dienst dieser Aufgaben gestellt werden sollten.

Aber diese Minderheit will ebenfalls davon Umgang nehmen, schon jetzt einen dahingehenden Antrag zu stellen und die Frage, sowie eventuell diejenige der Wahlart, Volkswahl oder Wahl durch die Bundesversammlung,
also gegenwärtig zum Austrage zu bringen.

Die letztere Frage wurde ebenfalls eingehend besprochen. Sie steht aber eigentlich nicht in direktem Zusammenhange mit der Organisation der Bundesverwaltung selbst, sondern ist mehr 'politischer Natur und kann daher um so eher hier unerörtert bleiben. Ein allseitiges Einverständnis ergab sich schließlich dahin, es sei zu gewärtigen, ob die Abhülfe nicht auf demjenigen Wege möglich

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sei, den der Bundesrat selbst als den einzig praktikabeln .bezeichnet, auf dem Wege einer A u s s c h e i d u n g der K o m p e t e n z e n nämlich, wodurch einerseits der Bundesrat als Gesamtbehörde und andererseits die einzelnen Departemente entlastet werden könnten.

Ein Vorgehen auf diesem Wege ist es denn nun auch, welches die Kommission, in voller Zustimmung zum Bundesrate, einhellig empfehlen möchte und welches nach ihrem Dafürhalten als das sachlich zweckmäßigste Resultat der gesamten Verhandlungen zu betrachten wäre.

Durch Art. 103 der Bundesverfassung ist allerdings bestimmt, die nach Departementen vorzunehmende Einteilung der Geschäfte des Bundesrates habe einzig zum Zwecke, die Prüfung und Besorgung dieser letzteren zu fördern; der jeweilige Entscheid müsse immerhin von dem Bundesrate als Behörde ausgehen. Dabei ist jedoch also ausdrücklich von den ,,Geschäften des Bundesrates a die Rede, wie dieselben in Art. 102 der Verfassung im einzelnen aufgeführt sind. Nun giebt es aber eine große Zahl von Geschäften der Bundesverwaltung, die nicht direkt y,\i jenen der obersten vollziehenden und leitenden Behörde der Eidgenossenschaft übertragenen Materien gehören und die daher füglich anderen Stellen zur Erledigung übertragen werden können. Die Gesichtspunkte, mich denen eine solche Ausscheidung zu treffen wäre, hat der Bundesrat selbst in seiner Botschaft des näheren entwickelt, und wir brauchen daher hier nicht des weiteren darauf einzutreten. Auch die gesetzliche Grundlage für eine solche Aussonderung der Geschäfte und für die Übertragung gewisser Kategorien an die Vorsteher der Departemente, beziehungsweise an die denselben unterstellten höheren Beamten ist insofern gegeben, als durch Art. 20, Abs. 2, des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 über die Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates bestimmt ist, die Departemente hätten, unter Vorbehalt des endgültigen Entscheides des Bundesrates, von sich aus diejenigen Geschäfte zu erledigen, welche ihnen, sei es kraft gesetzlicher Bestimmungen, sei es infolge besonderer Schlußnahmen des Bundesrates, überwiesen seien. Auf dieser Grundlage wäre also eine Ausscheidung der Kompetenzen zwischen dem Bundesrate als Gesamtbehörde, sodann den einzelnen Departementen und endlieh den höheren Dienststellen zu treffen, wobei allerdings durch die
betreffenden organisatorischen Bestimmungen Sorge dafür zu tragen wäre, daß je nach der Natur des Geschäftes in letzter Instanz noch der Entscheid des Bundesrates, beziehungsweise, gegebenen Falles, derjenige der eidgenössischen Bäte angerufen werden könnte.

Wir hatten den Bundesrat ersucht, eine Zusammenstellung der schon jetzt bestehenden Ausscheidung der Kompetenzen zu veranstalten und daran eine Übersicht dessen anzuschließen, was etwa

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in dieser Richtung weiter geschehen könnte. Diese Arbeit ist in verdankenswerter Weise gemacht worden, und es findet sich die diesbezügliche Übersicht, nach Departementen geordnet, dem gegenwärtigen Berichte beigegeben. Auf dieser Grundlage wäre nun, im Sinne der erwähnten Ausscheidung, vorzugehen.

Wir sind also nach erneuter Prüfung der Sache dazu gelangt, uns prinzipiell für die vorstehend entwickelte Lösung der Frage auszusprechen. Damit würde gleichzeitig auch das auf gesetzliche Regelung der Stellung der eidgenössischen Beamten gerichtete Postulat seine Erledigung finden.

Was sodann die schon jetzt vorzunehmende abgeänderte Gestaltung der einzelnen Departemente anbetrifft, so halten wir au der Ansicht fest, diese Neueinteilung und die Überweisung des politischen Departements an den jeweiligen Bundespräsidenten, wie sie der Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. Juni .abhin vorschlägt, möchte nicht in Form eines von den Räten zu erlassenden besonderen ßundesbeschlusses getroffen, sondern kraft Art. 30 des bestehenden Bundesbesehlusses vom 21. August 1878 dem Bundesrate, unter Kenntnisgabe an die Bundesversammlung, zur Regelung anheimgestellt werden. Durch jenen Art. 30 wird nämlich bestimmt, der Bundesrat sei ermächtigt, ausnahmsweise, unter Mitteilung an die Bundesversammlung, von der einmal festgesetzten Einteilung der Departemente und Zuweisung der Geschäfte Abweichungen eintreten zu lassen. Die Kommission hält nun dafür, dem Bundesrate, welcher die Geschäfte zu besorgen habe, sollte es auch überlassen werden, wie er dieselben im einzelnen am besten einzuteilen wünsche.

Bei der Regelung durch einen Beschluß der Räte könnte es ja wohl geschehen, daß das Verhältnis nach der einen oder andern Richtung unzweckmäßig geordnet würde. Eine Änderung könnte dann aber wieder nur auf dem Wege des Bundesbeschlusses erfolgen, und zwar, wie wir annehmen, eines dem Referendum unterliegenden Bundesbeschlusses. Denn es würde sich doch offenbar um eine organisatorische Materie allgemein verbindlicher Natur handeln, die also nur unter Referendumsvorbehalt normiert werden könnte, und so wäre die Entwicklung auf einem Gebiete, für welches wesentlich die Erfahrung maßgebend sein muß, eine schwerfällige. Wir möchten daher empfehlen, die vom Bundesrate in der dermaligen Einteilung der Departemente und bezüglich der Gestaltung der Präsidentschaft gewünschten Änderungen durch jene Behörde selbst treffen zu lassen und demgemäß auf den vorgelegten ßundesbeschluß nicht einzutreten. Auch dem Bundesgerichte ist es durch das neue

479 Organisationsgesetz bekanntlich zur selbständigen Regelung anheitngestellt worden, wie es die Geschäfte auf seine Abteilungen repartieren wolle.

Wir gelangen also dazu, Ihnen folgenden Beschlußentwurf zu unterbreiten :

33esdil~uss betreffend

die Botschaft des Bandesrates vom 4. Juni 1894 über die Organisation und den Geschäftsgang des Bnndesrates.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Juni 1894, beschließt : 1.

Die eidgenössische Verwaltungö ist in allen ihren zu bestimmter O Gestaltung gelangten Hauptteilen, soweit es noch nicht geschehen ist, gesetzlich zu ordnen und im Sinne der Geschäftsentlastung des Bundesrates, als der obersten Verwaltungsbehörde, und der einzelnen Departementsvorsteher, durch Ausscheidung der Kompetenzen zwischen Bundesrat und Departetnenten und Übertragung gewisser Kompetenzen an höhere Departementsbeamte, zu organisieren.

2.

Der Bundesrat wird eingeladen, den eidgenössischen Räten hierüber Vorlagen zu machen und denselben über die Fragen betreffend gesetzliche Regelung des Verfahrens in Administrativstreitigkeiten und betreffend Einführung einer umfassenderen Kontrolle des eidgenössischen Staatshaushaltes Bericht und Antrag zu hinterbringen.

3.

Es wird davon Umgang genommen, auf die vorgeschlagene Revision des Bundesbeschlusses vom 21. August 1878 über die

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Organisation und den Geschäftsgang des Bundesrates einzutreten, in der Meinung, daß die etwa dringlich wünschenswerten Modifikationen in der Organisation der Departemente kraft Art. 30 jenes Bundesbeschlusses vom Bundesrate selbst, unter Kenntnisgabe an die Bundesversammlung, getroffen werden können.

B e r n , den 16. November 1894.

Die Mitglieder der ständerätlichen Kommission :

Schoch.

Lienhard.

Munzinger.

Richard.

Schaller.

Stößel.

(Herr H e r z o g war durch Krankheit verhindert, der Sitzung beizuwohnen.)

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission des Ständerates betreffend Organisation und Geschäftsgang des Bundesrates. (Vom 16. November 1894.)

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1894

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12.12.1894

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469-480

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