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Schweizerische Bundesversammlung,

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 4. Juni 1894 zur ordentlichen Sommersession zusammengetreten.

Neugewählte Mitglieder.

a. N a t i o n a l r a t : Herr H i r t e r , Joh., Kaufmann und Bankpräsident, von Bern und Mühlethurnen, in Bern.

b. S t ä n d e r a t : Herr W y r s c h , Jakob, Landammann, Dr. med., von und in Buochs.

Im S t ä n d e r a t e eröffnete der abtretende Präsident, Herr M u n z i n g e r , die Session mit folgender Ansprache: Hochgeehrte Herren Ständeräte !

Am 29. Mai dieses Jahres waren es 20 Jahre her, seitdem die bestehende Bundesverfassung in Kraft getreten ist. Unwillkürlich wenden sich unsere Gedanken bei Erwägung dieser Thatsache zurück in die Vergangenheit. Wir lassen die zwei Jahrzehnte schweizerischer Staatsentwicklung im Geiste an uns vorüberziehen.

Wir werfen einen Blick auf die fast verwirrliche Fülle von Bundesgesetzen und -beschlüssen, zum nicht geringen Teile von grundlegender und eingreifender Bedeutung, die seit dem Bestände der neuen Bundesverfassung erlassen worden sind. Und das Ergebnis unserer Betrachtung ist, daß wir heute nach 20 Jahren großer und schwerer Arbeit feststellen können, daß die Bundesverfassung vom Jahre 1874 in allen ihren wesentlichen Teilen und mit wenigen Ausnahmen in allen einzelnen Punkten zur Ausführung gelangt ist.

Ich denke, der Zeitabschnitt vom Jahre 1874 bis zum Jahre 1894 wird, trotz aller seiner Mängel und Unvollkommenheiten, vor

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dem unparteiischen Urteile der Geschichte in Ehren bestehen können.

Wohl harren einzelne wenige Gedanken, die in der Verfassung niedergelegt sind, noch ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, sei es, daß sie in den eidgenössischen Räten selbst nicht zur Reife gelangen konnten, sei es, daß sie in der ausgearbeiteten Form -vom Volke nicht genehmgehalten und verworfen wurden.

Doch werden wir uns hoffentlichinü nichtallzufernerr Zeit, mit der Frage der Vollziehung des Art. 27 betreffend das Unterrichtswesen neuerdings befassen können, nachdem sie in glücklicher, ein gutes Ende versprechender Weise wieder in Diskussion gestellt worden ist, und auch die politischen Rechte derSchweizerbürgerr dürften im dritten Anlaufe endlich ihreverfassungsgemäßee und gesetzliche Regelung finden. Es sei mir gestattet, hier auch die Frage desEisenbahnrückkaufesszuuerwähnen, wenngleich deren Lösung nicht Vorschrift der Verfassung ist. Trotz der Verwerfung des Centralbahnrückkaufes durch das Volk, oder vielleicht gerade wegen derselben, wird ,es die unabweisliche Aufgabe derscheizerischenn Behörden sein müssen, vor dem kritischenKündigungsjahree 1898 nach allseitiger Klarlegung des bezüglichen Gebietes und genauer Abwägung d e r Gründe u n d Gegengründe sich über die Frage Die Verfassung vom Jahre 1874 ist während der Zeit ihres Bestehens nicht unverändert geblieben. In mehr als einer Beziehung hat sie den Anforderungen der fortschreitenden Zeit Rechnung tragen müssen. Die Verfassungsrevision vom Jahre 1885 hat uns das Alkoholmonopol gebracht und diejenige vom Jahre 1887 die Kompetenz des Bundes zum Erlaß eines Gesetzes betreffend den Erfindungsschutz geschaffen. Im Jahre 1891 ha* der dritte Abschnitt der Bundesverfassung durch Einfuhrung der viel umstrittenen Verfassungsinitiative eine Revision erfahren. In Bezug ,auf alle diese neuen Verfassungsbestimmungen sind die ausführenden Gesetze bereits erlassen worden.. Die Wiederzulassung der Todesstrafe (1879) und das Verbot des jüdischen Schächtens (1893) erforderten den Erlaß bezügliche? Bondesgesetze nicht, Dagegen steht .uns die wichtige Beratung der Bundesgesetze betreffend die Kranke»- und Unfallversicherung und das Banknotenmonopol bevor, welche durch den neuen Verfassungsartikel 34bis und den umgeänderten Art. .39 gefordert werden. Der erste dieser Gesetzesentwürfe ist in
voller Ausarbeitung begriffen und es ist zu hoffen daß der Vollendung desselben durch unbemessene Begehren keine allzu großen Hemmnisse erwachsen. Das Ausführungsgesetz zu ,dem revidierten Art. 39 wird uns noch im Verlaufe dieser Sitzuqg vorgelegtwerden,, was ich mit besondererGenugthuunggerwähne..

885 Und die Zukunft wird uns neue Arbeit bringen, Arbeit in Hülle und Fülle, auf dem Gebiet der Verfassungsrevision zunächst und im Anschlüsse hieran auf demjenigen der Gesetzgebung. Noch ist das letzte Wort in Bezug auf das Zündhölzchenmonopol nicht gesprochen. Die am 4. März dieses Jahres zu Falle gekommene Idee eines schweizerischen Gewerbegesetzes wird kaum zur Ruhe kommen, bevor sie ihre Verwirklichung gefunden hat. Die Befürworter eines schweizerischen Civil- und Strafrechtes pochen lauter und lauter an die Pforte des Bundes, und was uns die Verfassungsinitiative fernerhin noch bringt, wird die Zukunft lehren.

Möge es dem schweizerischen Gesetzgeber je und je gelingen, unser Staatswesen auf der rechten Bahn zu erhalten, das Auge von hoher Warte aus auf das eine Ziel gerichtet, nach dem wir alle streben: Die Wohlfahrt unseres gesamten Volkes.

Die Bureaux beider Bäte wqrden wie folgt neu bestellt : i. Nationalrat.

Präsident: Herr B r e n n e r , Ernst, von und in Basel.

Vizepräsident: ,, B a c h j n a n n , Jak. Huldreich, von Stettfurt, in Frauenfeld, Stimmenzähler: ,, G p ö d , Wilhelm, von und in Mels.

,, T h é l i n , Adrien, von Bioley-Orjulaz, in La Sarraz.

,, Z i m m e r m a n n , Job., von Lyß, in Aarberg.

,, M o s e r, Johann, von und in Klein-Andelfingen.

Präsident; Vizepräsident; Stimtnenzähler;

Herr ,, ,, ,,

2. Ständerat. · de T o r r e n t e , Henri, von und in Sitten.

J o r d a n - M a r t i n , Adolphe, von (Dranges, in kaua&nne.

H o h l , Job. Jak., von Heiden, in Herisau.

H i l d e b r a n d , Josef, von Cham, in Zug.

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06.06.1894

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