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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs des Josef Schibli, Lehrer in Mosen, und des Gemeinderates Mosen (Luzern) gegen den Kassations-beschluß des Regierungsrates des Kantons Luzern, vom 3. November 1893, betreffend die Lehrerwahlen in den Gemeinden Asch und Mosen vom 8.Oktoberr 1893.

(Vom 29. Mai 1894.)

Der schweizerische Bundesrat

hat über den Rekurs des Josef Schibli,Lehrer, in Mosen, und des Gemeinderates Mosen (Luzern) gegen den .Kassationsbeschluß des Regierungsrates des Kantons Luzern, vom 3. November 1893, betreffend die Lehrerwahlen in den Gemeinden Asch und Mosen, vom 8. Oktober 1893, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Die politischen Gemeinden Asch und Mosen im luzernischen Bezirke Hochdorf bildeten früher jede für sich einen eigenen Schulkreis. In ersterer Gemeinde amtete als Lehrer Herr Xaver Düggeli,, in letzterer Herr Josef Schibli.

1050 Am 3. September 1891 faßte der Regierungsrat des Kantons Luzern den Beschluß, es sei die Schule in Moseti aufzuheben und diese Gemeinde bis auf weiteres dem Schulkreise Asch zugeteilt.

Auf das Gesuch des Gemeinderates von Mosen wurde dieser Beschluß unterm 9. Oktober gleichen Jahres bis zum Herbste 1893 sistiert, mit Erkenntnis vom 22. September 1893 jedoch in Vollzug gesetzt.

Auf Grund dieses Vorganges richtete der Erziehungsrat des Kantons Luzern unterm 22. September 1893 folgendes Sehreiben an den Gemeinderat von Asch: ,,Mit Rücksicht darauf, daß der Regierungsrat heute Ihrem Gesuche um Vollziehung seines Beschlusses vom Jahre 1891 betreffend Zuteilung der Gemeinde Mosen zum Schulkreise Asch entsprochen hat, müssen wir Sie hiermit anweisen, die auf den nächsten Sonntag angesetzte Lehrerwahl nunmehr um 14 Tage zu verschieben und zur Teilnahme an derselben auch die Bürger von Mosen einzuberufen.a II.

Am 8. Oktober 1893 fanden dann in dem neugebildeten Schul.kreise Äsch-Mosen die Lehrerwahlen statt, wobei in jeder der beiden Gemeinden besonders abgestimmt wurde. Dieselben hatten laut Wahl verbal folgendes Resultat: Asch, eingelegte Stimmkarten 108 Mosen, anwesende Stimmfähige 32 Total der abgegebenen Stimmen somit 140 Absolutes Mehr: 71.

Es erhielten Stimmen : Lehrer Düggeli: in Asch 77 in Mosen 29 Total 106 Lehrer Schibli : in Asch in Mosen

46 32 Total ~~78

Daneben erhielten noch Stimmen : Schüpfer 47, Knüsel 24, etc.

Die Wahl wurde in Asch mittelst der Urne, in Mosen in offener Abstimmung vorgenommen.

Mit Eingabe vom 13. Oktober 1893 stellten Johann Rütlimann 4ind fünf Mitunterzeichner in Asch das Gesuch an die Regierung

1051 des Kantons Luzern, es sei die Wahl zu kassieren und ein neuer Wahlgang anzuordnen, eventuell solle der Erziehungsrat die nötigen Wahlen vornehmen.

Die Rekurrenten begründeten ihr Gesuch wie folgt: 1. Die Wahl in Mosen sei nicht, wie § 25 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen vorschreibe, mittelst der Urne, sondern offen vorgenommen worden. Bürgern, welche nicht gewillt gewesen seien, den Kandidaten zu stimmen, seien die Hände von andern Anwesenden mit Gewalt in die Höhe gehoben worden.

2. Ein gewisser Willi von Mosen, wohnhaft in Asch, habe unberechtigterweise an der Wahl teilgenommen.

3. In Asch seien mehrere Stimmkarten von ein und demselben Bürger beschrieben worden.

4. In Abwesenheit des Präsidenten sei in Äseh die Wahlverhandlung nicht von dessen Stellvertreter, sondern vom Schreiber geleitet worden.

Am 3. November 1893 beschloß der Regierungsrat, es seien die Lehrerwahlverhandlungen der Gemeinden Asch und Mosen vom 8. Oktober 1893 als ungültig aufgehoben und der Erziehungsrat eingeladen, die beiden Lehrstellen nach Maßgabe des § 90 des Erziehungsgesetzes provisorisch zu besetzen. Der Regierungsbeschluß stützte sich auf folgende Erwägungen : Laut § 82, Absatz 2, des Erziehungsgesetzes vom 26. September 1879 sind die stimmfähigen Bürger einer Gemeinde, welche keine eigene Primarschule besitzt, in Schulsachen dahin stimmberechtigt, wohin dieselbe schulpflichtig ist. Mosen ist nach Asch schulpflichtig, somit auch dort stimmberechtigt. Das Gesetz kennt für die Lehrerwahlen die getrennte Abstimmung in mehreren Gemeinden nicht.

Wenn diese getrennte Abstimmung auch geduldet werden wollte, dürfte jedenfalls nicht gestattet werden, daß in einer Gemeinde mittelst der Urne, in der andern offen abgestimmt würde, sondern es müßte verlangt werden, daß das Abstimmungsverfahren ein einheitliches sei. Die Wahlverhandlung von Äsch-Mosen müßte somit schon aus vorstehender Erwägung kassiert werden. Nun ergiebt sich aber auch sowohl aus den Anbringen der Kassationsbewerber als den Vernehmlassungen, daß bei den genannten Wahl Verhandlungen noch andere ünförmlichkeiten vorgekommen sind. Die Kassationsbeschwerde macht geltend, es seien mehrere Stimmkarten von der nämlichen Hand geschrieben gewesen. Das Wahlbureau von Asch giebt die Richtigkeit dieses Anbringens ausdrücklich zu.

Wenn dasselbe geltend macht, die betreffenden Stimmkarten haben

1052 nicht auf den Namen eines der als gewählt geltenden Lehrer gelautet, ändert dies an der Wertung dieser Thatsache nichts, vielmehr ließe dieser Einwand dazu noch eiue unzulässige Kontrolle der Stimmabgabe vermuten. Diese Verumständungen müssen um so mehr berücksichtigt werden, als einer der Kandidaten (Schibli) nur 7 Stimmen über das absolute Mehr erhielt.

III.

Gegen diesen Regierungsbeschluß hat Herr Fürsprech Dr. Weibel in Luzern namens des Josef Schibli persönlich und namens des Gemeinderates Mosen den staatsrechtlichen Rekurs an den Bundesrat ergriffen. In dem Rekursmemorial vom 27. November 1893 wird bemerkt, was folgt: J. Schibli wirkte seit 12 Jahren mit Erfolg als Lehrer an der Gesamtschule in Mosen und wurde 1892 auf vier Jahre wiedergewählt. Letzten Herbst nun schrieb der Erziehungsrat die Lehrerwahlen auf den 24. September aus, hob dann unter dem Kommando gewisser Treiber die Schule in Mosen auf und vereinigte sie mit der Schule in Asch. Die Anzeige dieses Beschlusses kam drei Tage vor der Wahl in Asch und Mosen an, und es wurde die Wahl verschoben. Herr Schibli, der wegen seiner politischen Gesinnung anstößig war, konnte sich auf keine Schule mehr melden, denn die Anmeldungsfrist war am 4. September abgelaufen. Am 28. September erfolgte im Amtsblatte die Publikation : ,,Infolge Eintretens einer seitens der Gemeinde Asch bei der Lehrerwahl vom 11. September 1892 vorgesehenen Eventualität betreffend Erweiterung des Schulkreises werden die beiden dortigen Primarschulen hiermit zur Wiederbesetzung ausgeschrieben.a Die Anmeldungsfrist lief bis 3. Oktober und wurde von Herrn Schibli benutzt. Es entstand nun die Frage, wie gewählt werden solle, ob in e i n e m Wahlkreise gemeinsam oder in den beiden Gemeinden Asch und Mosen getrennt. Herr Großrat Rüttimann von Asch fragte bei der Regierung in Luzern a D und brachte Bericht heim, man solle in den zwei Gemeinden getrennt stimmen.

Am 8. Oktober, da am 16. die Schule beginnen sollte, fand im so geschaffenen Schulkreise Asch-Mosen diese Lehrerwahl statt. Es waren zwei Lehrstellen neu zu besetzen. An der Abstimmung erhielten die beiden bisherigen Lehrer bei einem absoluten Mehr von 71 :

1053 Herr Düggeli : in Äseh . . .

77 Stimmen, in Mosen . . . 29 ,, total 106 Stimmen.

Herr Schibli: in Asch . . .

in Mosen . . .

total

46 Stimmen, 32 ,, 78 Stimmen.

Nun war der Ärger groß. Herr Joh. Rüttimann, Sohn des ·Großrates, verlangte Kassation, weil in zwei Gemeinden getrennt gewählt wurde. Auf dieses Kassationsgesuch hin beantragte der Erziehungsrat Kassation der ganzen Wahlverhandlung, und der Regierungsrat hatte wirklich nichts Eiligeres zu thun, als diesen Antrag -- ohne Einvernahme der Beteiligten -- zum Beschlüsse zu erheben und den Erziehungsrat einzuladen, die beiden Lehrstellen provisorisch zu besetzen. So die regierungsrätliche Erkenntnis vom 3. November 1893, zugestellt den 10. gl. Mts.

Bereits am 19. Oktober teilte man den beiden bisherigen und in der Wahlverhandlung durch das Volk wiedergewählten Lehrern mit, daß, weil das Kassationsgesuch noch nicht erledigt sei, der Schulanfang aber nicht mehr weiter hinausgeschoben werden dürfe, sie beide angewiesen werden, Montag den 23. Oktober mit dem Unterrichte zu beginnen und denselben bis auf weiteres fortzusetzen.

Nachdem am 3./10. November die beiden Lehrerwahlen kassiert waren, wurde dann plötzlich und zu seiner höchsten Überraschung am 22. November dem Herrn Schibli vom Erziehungsrat die lakonische Erkenntnis zugestellt : ,,1. Die obere Primarschule in Asch sei hiermit dem Lehrer Xaver Düggeli daselbst und die Unterschule der Schwester Sidwina Villiger in Baldegg übertragen.

,,2. Das Betreffnis der Besoldung des Herrn Schibli für seine bisherige Schulführung werde nach erfolgtem Schulantritte der besagten Lehrerin festgesetzt werden. lt Zur bessern Illustration dieses erziehungsrätlichen Beschlusses mag betont werden, daß Herr Lehrer Düggeli konservativ, Herr Lehrer Schibli dagegen liberal ist.

Damit ist letzterer, nach lejähriger Schulthätigkeit, auf die Gasse gesetzt, ein Lehrer, über dessen Lehrtüchtigkeit, Diensttreue und religiös-sittliches Verhalten sein zunächst Vorgesetzter, der als Staatsbeamter unverdächtige Herr Bezirksinspektor und Seminarlehrer Heller, das beste Zeugnis ausstellt, ein Lehrer, der trotz seiner liberalen Ansichten auch zur Stunde noch das Vertrauen der

1054 großen Mehrzahl des doch konservativen Schulkreises Asch-Mosen genießt. Dafür war, wie anderswo im Kanton, eine Lehrschwester versorgt. Man that das auf die Gefahr hin, den Lehrer Schibli für die drei Jahre, wo er noch gewählt ist, entschädigen zu müssen.

Was nun den Regierungsbeschluß vom 3. November 1893 anbelangt, so sind die in demselben angerufenen Momente bloße Scheingründe.

Die Bestimmung des Erziehungsgesetzes, § 82, Abs. 2, aus dem Jahre 1879 hat nicht den vom Regierungsrate ihr unterlegten Sinn, sie will bloß besagen, daß die Bürger einer Gemeinde, die keine eigene Schule besitze, ebenfalls das Recht haben, bei der Bestellung der Lehrer mitzusprechen, mitzustimmen. Wo diese» Stimmrecht ausgeübt werden solle, darüber verfügt das Erziehungsgesetz nichts Zwingendes. So wurde es auch in der Praxis stets gehalten: einigenorts üben die Bürger der keine eigene Schule besitzenden Gemeinden ihr Stimmrecht faktisch an der Gemeindeversammlung am Orte der Schule aus, andernorts stimmen sie daheim, an einer eigenen Gemeindeversammlung, wobei dann die Resultate beider Wahlversammlungen addiert und so das Gesamtresultat für den Schulkreis eruiert wird. Weder Erziehungsrat noch Regierungsrat hatten gegen diesen, die Ausübung des Stimmrechts erleichternden Modus je etwas einzuwenden. Mosen und Asch hatten bisher getrennte Schulen und fragten daher durch den Ratsherr» höhern Ortes an, wie man wählen solle. Der Antwort entsprechend wurde in beiden Gemeinden die Wahlverhandlung bloß für die stimmfähigen Bürger der betreffenden Gemeinde und im Wahllokale der Gemeinde ausgekündet und die Stimmregister bloß für diese bereit gehalten. Wenn jemand damit nicht einverstanden war, so mußte er da schon seinen Einspruch geltend machen. Solche erfolgten aber nicht; es geht daher nicht an, daß Kassationsbewerber nachträglich noch mit solchen gehört werden, um so weniger, da sie ja materiell ohnehin durchaus unbegründet sind. Der Regierungsrat giebt in seiner Motivierung selbst z u , daß man die nach Gemeinden getrennte Abstimmung allenfalls auch ,,dulden" könnte; jedenfalls hat er sie bis jetzt immer ,,geduldet"1 oder, besser gesagt, darin nie etwas Gesetzwidriges gefunden.

Liegt demnach in der nach Gemeinden getrennten Abstimmung, die ohnehin die Regel für alle Wahlen und Abstimmungen ist, kein Kassationsgrund,
so kann ein solcher noch viel weniger darin gefunden werden, weil das ^Abstimmungaverfahren kein einheitliches1'1" gewesen sei. Sowohl nach dem Erziehungsgesetz § 82, wie nach dem Gesetz über Wahlen und Abstimmungen § 25 liegt es im Belieben der Gemeinden, wie sie die Lehrerwahlen gestalten wollen.

105& Die Lehrerwahlen sind nach Form der Gemeinderatswahlen zu treffen, und da waren schon hisher die Gemeinden frei, ob sie in geheimer oder offener Abstimmung wählen wollten, jetzt haben sie für die geheime Wahl noch die Wahl zwischen dem gewöhnlichen.

Listenverfahren und dem Urnensystem.

Wenn man nun doch auch für die Lehrerwahlen das Gesetz über Wahlen und Abstimmungen als regelmachend ansehen will,, so steht es jedenfalls der betreffenden Gemeinde zu, ihre Abstimmungen vorzunehmen nach ihrem Willen, vorausgesetzt, daß sie dabei die Formalitäten des § 25 leg. cit. erfüllt. Die Gemeinde Mosen nun hat seiner Zeit beschlossen, die Urne nicht einzuführen und die Lehrerwahlen offen vorzunehmen. Dieser Beschluß besteht.

heute noch zu Kraft und in Gemäßheit desselben hat sie auch die kassierte Lehrerwahl offen vorgenommen. Wie die Gemeinde Asch abstimme, konnte ihr gleichgültig sein; Mosen braucht sich ebensowenig nach Asch zu richten, wie dieses nach jenem. ' Beide sind in ihren Angelegenheiten selbst Herr.

Ein zweiter Kassationsgrund -- es ist auch der letzte -- ist.

nach den regierungsrätlichen Motiven dei1 Umstand, ,,daß in Asch mehrere Stimmkarten von der nämlichen Hand geschrieben gewesen seien". Es betrifft das aber nicht Stimmkarten, auf den NamenSchibli lautend. Aber abgesehen davon, daß es in der Praxis in dieser Beziehung nicht genau genommen wird, ist diese Aussetzung eine unwahre. Das Wahlbureau von Asch hat in dieser Beziehung nichts zuzugeben. Thatsaehe ist, daß am Wahltage von keinem Bureaumitglied deswegen im Wahlverbal ein Vorbehalt gemacht wurde, was doch nach § 24, Abs. 2, des luzernischen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen hätte geschehen müssen. Andere Leute haben die Stimmzettel gar nicht gesehen. Übrigens könnte man sich bezüglich der Identität der Handschriften auch getäuscht haben ; man weiß ja, welchen Gefahren jede Schriftenvergleichung unterworfen ist.

Die andern Behauptungen der Kassationsbewerber sind derart unbegründet, daß sie auch der Kegierungsrat in seinen Motiven keiner Beachtung würdigt. Das wäre nicht der Fall, sofern sie auch nur einen Schein der Wahrheit für sich hätten. Wären aber auch die vorgegebenen angeblichen Inkorrektheiten alle richtig, so würde eine Kassation doch nicht begründet sein, da durch dieselben an dem Wahlresultate doch nichts geändert
würde. Der Regierungsrat hat wiederholt entschieden, daß, auch wenn Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien, eine Wahl deswegen nur kassiert werden, könne, sofern ohne sie das Wahlresultat wahrscheinlich ein anderes gewesen wäre. Freilich ist seit Jahren niemals auf liberales Ver-

1056 langen eine Wahl kassiert worden, dagegen finden alle konservativen Kassationsgesuche, man kann fast sagen, ausnahmslos Gnade. (Verweisung auf die Fälle Lehrer Habermacher in Littau und Lehrer Künzli in Nebikon.)

Es ist also die Kassation der Lehrenvahl in Äseh-Mosen eine
Ganz auf die gleiche Stufe gehört es, daß der Erziehungsrat den erprobten Lehrer, der schon seit 14 Jahren Schule hält, der mit ziemlicher Mehrheit wieder gewählt ist, der bereits die Schule begonnen hat, dem man es unmöglich machte, sich anderswohin zu melden, von heute auf morgen auf die Gasse setzt, um, entgegen dem Willen der Gemeinde, eine Lehrschwester zu versorgen. Dieses krasse Vorgehen steht im direktesten Widerspruch mit § 82 des Erziehungsgesetzes.

Die Rekursschrift schließt mit dem Gesuche: 1. der Bundesrat wolle in Aufhebung des regierungsrätlichen Beschlusses vom 3./10. November 1893 die Wahl des Josef Schibli zum Lehrer von Asch als gültig erklären; 2. bis zum Entscheide sei die Verfügung des Erziehungsrates vom 22. November, resp. die provisorische Übertragung der Lehrstelle an Schwester Sidwina Villiger zu sistieren, IV.

Sofort nach Anhängigmachung des vorstehenden Rekurses, den ^. Dezember 1893, wurde der Regierung des Kantons Luzern ein Doppel der Rekursschrift nebst den Beilagen zur Vernehmlassung mitgeteilt.

Gleichzeitig wurde dem Herrn Fürsprech Dr. Weibel in Luzern zu Händen der Rekurrentschaft eröffnet, daß der Bundesrat nicht in der Lage sei, die aubegehrte provisorische Verfügung (Suspension der erziehungsrätlichen Schlußnahtne vom 22. November) zu erlassen , und zwar aus folgenden Gründen : Nach Mitgabe der Akten handelt es sieh um die Besetzung der Lehrstellen für die neugebildete Schule Äsch-Rlosen. Herr J. Schibli war bisher Lehrer an der nun aufgehobenen selbständigen Schule Mosen. Nachdem ·der Regierungsrat durch 'Erkenntnis vom 3. November 1893 die Lehrerwahlen vom 8. Oktober für Äsch-Mosen kassiert hat, erscheinen die Lehrstellen für diesen Sehulkreis als unbesetzt, und es tritt der Fall der Anwendung von § 90 des luzernischen Erziehungsgesetzes vom 26. September 1879 ein, wonach der Erziehungsrat Verweser bezeichnen kann. Nun ist allerdings die Kassation der Lehrerwahlen vom 8. Oktober durch Rekurs beim

1057 ßundesrate in Frage gestellt, und der Bundesrat wird Ober die Rechtsbeständigkeit der fraglichen Schlußnahme der Regierung von Luzern zu entscheiden haben. Die Rechtsfrage, die er zu lösen hat, besteht aber materiell gerade darin, ob die Lehrerwahlen vom 8. Oktober, also speoiell auch die Wahl des Herrn J. Schibli, als gültig zu betrachten seien oder nicht. Daraus ergiebt sich, daß eine provisorische Verfügung, dahingehend, Herr J. Schibli habe bis zur Erledigung des Streites an der Schule Äsch-Mosen als Lehrer zu wirken, der Hauptfrage präjudizieren würde, was dem Charakter und Zweck einer provisorischen Verfügung, die den Status quo aufrechterhalten soll, zuwiderläuft. Der status quo, den der Bundesrat bei dieser Rekurssache vorfindet, ist die Thatsache, daß infolge eines Regierungsentscheides die Lehrstellen an einer Schule, die als solche bisher nicht bestanden hat, noch nicht besetzt sind.

V.

In seinem Vernehmlassungsschreiben vom 20. Dezember 1893 an den Bundesrat stellt der Regierungsrat des Kantons Luzern in erster Linie das Gesuch um Prüfung der Frage, ob der Bundesrat in der vorliegenden Rekursangelegenheit kompetent sei. Indem er seinerseits diese Kompetenz bestreitet, führt er aus : Es handelt sich in concreto nicht um eine kantonale Wahl im Sinne des Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege. Die Lehrerwahlen werden im Kanton Luzern alljährlich --r je nachdem eine Lehrstelle erledigt ist, das eine Jahr in diesen, das andere Jahr in andern Gemeinden -- vorgenommen. Das Verfahren regelt sich neben den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen nach den §§ 77 -- 91 des Erziehungsgesetzes vom Jahre 1879. Wir verweisen hier ausdrücklich auf § 82, Absatz 4, und § 90 des Erziehungsgesetzes, welche unter bestimmten Voraussetzungen das Recht der Lehrerwahl von den betreffenden Schulgemeinden auf Wahlausschüsse übertragen, resp. denselben ganz entziehen und dem Erziehungsrate übergeben. Es ist also eine dreifache Wahlform möglich: die unmittelbare Volkswahl, die Wahl durch die sogenannten Wahlausschüsse und die Wahl durch den Erziehungsrat. Bei den beiden letztgenannten Wahlarten ist ein Rekurs an den Bundesrat jedenfalls ausgeschlossen; es bliebe also eventuell nur noch die unmittelbare Volkswahl. Die Kompetenz des Bundesrates hinge also von einem Zufalle ab, ganz abgesehen davon, daß auch bei der Wahl der Lehrer durch das Volk von einer kantonalen Wahl nicht die Rede sein kann.

ßundesblatt. 46. Jahrg. Bd. II.

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1058 Der Regierungsrat beantragt also zunächst Nichteintreten auf die Rekursbeschwerde mangels Kompetenz.

Sollte jedoch, fährt die luzernische Kantonsregierung fort, der Bundesrat entgegen diesem Antrage sich in vorliegender Angelegenheit kompetent erachten, so wird in materieller Beziehung entgegnet was folgt: Der Rekurs führt sich ein als Rekurs des Johann (recte Josef) Schibli 'jUnd des Gemeinderates von Mosen. Nun hat der Bundesrat es zwar mit einzelnen Mitgliedern des Gemeinderates, nicht aber mit dem Gemeinderat als solchem zu thun ; ein gültiger Gemeinderatsbeschluß, welcher den Anwalt zur Ergreifung des Rekurses bevollmächtigt, liegt nämlich nicht vor, weil der die Vollmacht mitunterzeichnende Gemeindeammann Josef Schibli in Sachen Partei ist.

Der Sachverhalt ist folgender: Schon mit Schlußnahme vom 3. September 1891 hatte der Regierungsrat die Aufhebung der Schule in Mosen und die Vereinigung derselben mit derjenigen von Asch beschlossen. Die Vollziehung dieser Schlußnahme wurde auf Ansuchen des Gremeinderates von Mosen mit Erkenntnis vom 9. Oktober 1891 bis zum Herbste 1893 verschoben, dann aber mit Erkenntnis vom 22. September 1893 in Vollzug gesetzt.

Mit Rücksicht auf diese Schlußnahme des Regierungsrates vom 22. September 1893 wurde die Lehrerwahl in Asch, welche wie die Wahlen für die .übrigen erledigten Lehrstellen vom Erziehungsrate auf den 24. September angeordnet worden war, von letzterer Behörde verschoben und auf den 8. Oktober angeordnet.

Die Rekursschrift behauptet nun, Herr Großrat Rüttimann habe bei der Regierung angefragt, wie abgestimmt werden müssej und die Weisung erhalten, man solle in den zwei Gemeinden getrennt abstimmen. Eine solche Weisung der Regierung existiert nicht.

Wir verweisen dieser Behauptung der Rekursschrift gegenüber vielmehr auf die citierte Zuschrift des Erziehungsrates, welche den Gemeinderat von Asch ausdrücklich anweist, zur Teilnahme an der Wahl vom 8. Oktober auch die Bürger von Mosen einzuladen. Es bestand somit von vornherein beim Erziehungsrate kein Zweifel darüber, daß die Wahl in einer Gemeinde und zwar in Asch stattzufinden habe. Wir verweisen diesbezüglich des fernem auf eine Erklärung des Herrn Großrat Rüttimann vom 6. Dezember, wonach die Behauptung der Rekurrentschaft sich als total unrichtig herausstellt.

1059 Trotz dieser Weisung fand die Wahl am 8. Oktober in zwei getrennten Wahl Verhandlungen statt. Warum dies geschah, ist uns unbekannt. Diese Thatsache kam zu unserer und des Erziehungsrates Kenntnis erst durch die betreffenden Wahl verbale und die Kassationsbeschwerde der Herren Johann Kültimann und Genossen.

Die letztere datiert vom 13. Oktober und wurde vom Erziehungsrat unterm 19. gleichen Monats dem Gemeinderat von Asch übermittelt behufs Veraehmlassung der Gemeinderäte, respektive Wahlbureaux von Asch und Mosen. Die Vernehmlassungen der beiden Wahlbureaux erfolgten unterm 27. Oktober.

Es ist also unwahr, wenn der Beschwerdeführer wiederholt behauptet, der Entscheid des Regierungsrates sei ohne Einvernahme der Betreffenden bezw. Beteiligten erfolgt. Es war niemand einzuvernehmen als die beiden Wahlbureaux. Zum Überflüsse machen wir darauf aufmerksam, daß die Vernehmlassung des Wahlbureaus Mosen vom Beschwerdeführer Schibli selbst geschrieben und unterzeichnet ist, wie auch der Wahlverbal von Mosen von Schibli abgefaßt ist. Herr Schibli ist, nebenbei bemerkt, auch Gemeindeammann und Gemeindeschreiber von Mosen.

Der Entscheid des Regierungsrates erfolgte unterm 3. November.

Dieser Entscheid tritt nicht ausführlich auf alle Anbringen der Beschwerdeführer ein, sondern begnügt sieh damit, das Wichtigste daraus hervorzuheben. Wenn diese Punkte schon zur Kassation der angefochtenen W7ahl zwangen, war es unnötig, sämtliche Anbringen zu würdigen. Darin eine Tendenz zu erblicken, vermag wohl nur der Herr Verfasser der Rekursschrift.

Nach der Ansicht des Rekurrenten hat § 82, Abs. 2, des Erziehungsgesetzes von 1879 nur den Sinn, daß Bürger einer Gemeinde, welche keine eigene Schule besitzt, ebenfalls das Recht haben, bei der Bestellung der Lehrer mitzusprechen, mitzustimmen.

Um das festzustellen, was der Rekurrent durch § 82, Abs. 2, des Erziehungsgesetzes festgestellt wissen will, braucht es kein Gesetz.

Das versteht sich auch ohne gesetzliche Bestimmung, daß alle stimmfähigen Bürger einer Schulgemeinde in Schulsachen stimmberechtigt sind, wie auch alle die Pflicht haben, für die Ausgaben dieser Schulgemeinde aufzukommen.

§ 82, Abs. 2, des Erziehungsgesetzes will also nicht diesen Bürgern das Stimmrecht garantieren, sondern er will nur sagen, wo dieses Stimmrecht ausgeübt werden soll. Mit
dieser einzig vernünftigen Interpretation des § 82, Abs. 2, des Erziehungsgesetzes stimmt denn auch die Praxis überein. Rekurrent will zwar glauben machen, daß diese Praxis eine gegenteilige sei. Wir bestreiten

1060 dies. Rekurrent ist auch nicht im stände, eine einzige Gemeinde zu nennen, wo nach seiner Behauptung verfahren wird. Er würde dies nicht unterlassen haben, wenn er es gekonnt hätte. Dagegen sind wir im Falle, beweisen zu können, daß das Verfahren, wie wir es für Äsch-Mosen verlangt haben, wirklich nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch der Praxis entspricht. Wir citieren nur drei Fälle und zwar zwei aus der Zeit, da der gegenwärtige Erziehungsdirekter noch nicht im Amte war, und einen aus der neuesten Zeit. Zur Schulgemeinde Root gehören die Gemeinden Root, Dierikon, Gisikon und Honau. Das Schulhaus befindet sich in Root. Die Abstimmungen in Schulsachen finden in einer einzigen Versammlung in Root statt. Wir legen einen Wahlverbal aus dem Jahre 1891 bei. Der Schulkreis Retschwyl besteht aus den Gemeinden Retschwyl und Herrlisberg -- Nachbargemeinden von Mosen --. Die Lehrerwahlen finden in ungetrennter Versammlung in Retachwyl, wo das Schulhaus sich befindet, statt.

Wir legen einen Wahlverbal aus dem Jahre 1891 bei. Am 11. Oktober 1893 hat der Regierungsrat eine Kassationsbeschwerde aus der Gemeinde Marbach -- die Kassationsbewerber sind konservativ, wir bemerken das wegen einer Äußerung des Verfassers der Rekursschrift -- abgewiesen. Wir legen den betreffenden Rekursentscheid bei und verweisen auf Motiv l desselben.

Zum Beweise, daß unsere Interpretation des § 82 des Erziehungsgesetzes die einzig richtige ist, verweisen wir endlich auf § 126 des nämlichen Gesetzes, welcher lautet: .,,Für jeden Schulpflegekreia besteht eine Schulpflege von ,,3 -- 7 Mitgliedern, welche von den stimmfähigen Bürgern des begreifenden Kreises und anderer schulpflichtiger Gremeindeteile am ,,Hauptorte unter Vorsitz des Gemeinderatspräsidenten dieses Ortes ,,gewählt werden.^ Zu bemerken ist, daß mehrere Schulpflegekreise aus mehreren Gemeinden bestehen. Nach § 125 des Erziehungsgesetzes zerfällt der Kanton in 92, Schulpflegekreise bei 108 Gemeinden.

§ 82, Abs. 2, zusammengehalten mit § 126 des Erziehungsgesetzes, läßt somit keine andere als die von uns angenommene Interpretation zu.

· Bei der Lehrerwahl in Âseh-Mosen wurde aber diese Gesetzesvorschrift zugegebenermaßen umgangen. Es ist das eine wesentliche Unförmlichkeit, welche schon von Amtes wegen zur Kassation der Wahl führen mußte, und zwar um so
mehr, ab der Gemeinderat von Asch durch das mehrerwähnte Schreiben des Erziehungsrates ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden war, daß die Wahl in e i n e r Gemeinde stattzufinden habe.

1061 Wenn nun aber auch die Behauptung des Rekurrenten, die getrennte Wahl sei zulässig, richtig wäre, was wir bestreiten, so wäre unter keinen Umständen zu dulden, daß die Wahl in einer Gemeinde nach diesem, in der andern nach einem andern Verfahren vorgenommen werde. Es kann niemals gestattet werden, daß ein Teil eines einheitlichen Wahlkörpers so, ein anderer Teil anders abstimme. Wir brauchen nur auf die Folgen hinzuweisen, welche durch Duldung eines derartigen Vorgehens entstehen würden. Eine Gemeinde A stimmt offen ab, die Wahlverhandlung ist in kurzer Zeit vollendet, eine Nachbargemeinde B stimmt geheim mittelst deiUrne ab, die Urne muß nach unserm Gesetze über Wahlen und Abstimmungen 2--4 Stunden aufgestellt sein. Das Resultat der Gemeinde A ist bekannt, es entspricht nicht den Erwartungen eines Teiles der Bürger. Die Folge ist der Versuch, die Bürgerschaft · von B, welche noch nicht abgestimmt hat, zu beeinflussen. Derartige Wahlmanöver dürfen nicht begünstigt werden; das geschähe aber, wenn man den Ausführungen des Rekurrenten gerecht werden wollte.

Wir weisen ferner hin auf die Verhältnisse, wenn eine Fortsetzungswahl stattfinden sollte. Bei der offenen Wahl halte eine solche Fortsetzungswahl sofort stattzufinden, bei der Urnenwahl erst nach 8 Tagen. Es ist aber möglich, zu Händen der Gemeinde, welche offen abstimmt, sofort zu konstatieren, daß eine Fortsetzungswahl stattzufinden habe. Die offene Abstimmung erscheint somit bei Wahlkörpern, welche aus mehreren Gemeinden bestehen, überhaupt als unzulässig.

Wir müssen hier noch auf zwei Umstände aufmerksam machen.

Unsere Gesetzgebung kennt nur noch zwei Wahlverfahren : die offene Wahl und das Urnensystem ; die geheime Abstimmung in versammelter Gemeinde existiert nicht mehr. Eine gegenteilige Bemerkung in der Rekursschrift ist unrichtig. Des fernem ist darauf hinzuweisen, daß die gegenwärtige Frage anläßlich der Beratung des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen auch unsern Großen Rat beschäftigte. Es war nämlich eine Zeit lang nur fakultative Einführung des Urnensystems beabsichtigt. Bei Großratswahlkreisen, die aus mehreren Gemeinden bestehen, wäre also die Möglichkeit gegeben gewesen, daß in einer Gemeinde nach dem Urnensystem, in der andern in versammelter Gemeinde abgestimmt werde. Der Große Rat war einstimmig darin, daß dies nicht
geduldet werden könne, und hat daher in jenem Stadium der Beratung eine Bestimmung in das Gesetz aufgenommen, welche ein derartiges Verfahren verbot und ein einheitliches Verfahren vorschrieb.

Zu alledem ist übrigens noch zu bemerken, daß ein gültiger Beschluß der Gemeinde Musen, alle Wahlen offen vorzunehmen,

1062 wahrscheinlich nicht existiert. Der bezügliche Beschluß vorn 7. Juni wurde laut Protokoll der Gemeindeversammlung mit Mehrheit gefaßt. § 25 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen verlangt für einen derartigen Beschluß Zweidrittelstnehrheit.

Die Kassationsbeschwerde hat im weitem geltend gemacht, es seien in der Gemeinde Asch mehrere Stimmkarten von der gleichen Hand geschrieben gewesen. Die Vernehmlassung des Wahlbureaus Asch giebt diese Thatsache unumwunden zu und will sogar wissen, wer mehrere Stimmkarten beschrieben hat, giebt also noch weiter zu, daß eine Kontrolle der Stimmabgabe ausgeübt wurde. Es widerspricht dies den Vorschriften der §§ 31 und 33 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen.

Der Rekurrent macht schließlich geltend, es könne nach ,,konstanter Praxis"1 des Regierungsrates eine Wahl, auch wenn Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien, deswegen nur kassiert werden, wenn ohne sie das Wahlresultat wahrscheinlich ein anderes gewesen wäre.

Abgesehen hiervon, daß letzteres im vorliegenden Falle nicht ausgeschlossen ist, muß darauf verwiesen werden, daß eine solche ,,konstante Praxis"1, wie sie Rekurrent konstruieren will, nicht existiert. Der Regierungsrat hat immer zwischen wesentlichen und unwesentlichen Unregelmäßigkeiten unterschieden. Im vorliegenden Falle handelt es sich aber um wesentliche Unförmlichkeiten. Des fernem ist darauf hinzuweisen, daß wir seit kurzer Zeit ein neues Gesetz über J/Vahlen und Abstimmungen besitzen. Eine ,,konstante Praxis" kann sich während dieser kurzen Zeit noch nicht gebildet haben. Es liegt übrigens im allgemeinen Interesse, wenn die Bestimmungen des neuen Gesetzes gleich von Anfang an mit aller Schärfe gehandhabt werden; so nur können Unregelmäßigkeiten unterdrückt werden. Wir könnten denn auch aus allerneuester Zeit Fälle -- speciell bei Lehrerwahlen -- citieren, wo wegen ähnlicher Unförmlichkeiten Lehrerwahlen kassiert wurden, selbst dann, wenn ein Kandidat fast sämtliche Stimmen auf sich vereinigte.

Was schließlich die Qualifikation des Lehrers Schibli anbetrifft, so verweist der Regierungsrat namentlich auf ein Schreiben des Erziehungsrates vom Jahre 1891. Schon damals hat der Erziehungsrat Schibli zur Einreichung eines Entlassungsgesuches aufgefordert, ferner auf die Noten des Kantonalschulinspektors, welche von jenen des Bezirksinspektors
differieren. Daß politische Motive bei der Übergehung Schiblis durch den Erziehungsrat und der Belassung des Lehrers Uüggeli maßgebend waren, ist unwahr. Düggeli gehörte stets und gehört auch jetzt noch der liberalen Partei an.

1083 Der Regierungsrat beantragt für den Fall, daß sich der Bundesrat kompetent erachtet, Abweisung der Rekursbeschwerde.

VI.

Zu der Vernehmlassung der Regierung machte Herr Fürsprech Dr. Weibel unterm 4. Januar \ 894 im wesentlichen folgende Gegenbemerkungen : i. In formeller Beziehung.

a. Die Kompetenz des Bundesrates steht außer Zweifel, denn Art. 189 des Bundesgesetzes über die Bundesrechtspflege überträgt dem Bundesrate die Kompetenz für alle Stimmrechtsbeschwerden und alle Beschwerden betreifend kantonale Wahlen auf Grund sämtlicher Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechtes und des Bundesrechtes. Der Ausdruck ,,kantonale Wahla bezeichnet nur den Gegensatz zu eidgenössischen Wahlen und will natürlich die Kompetenz nicht auf solche Wahlen beschränken, welche die jeweiligen kantonalen Gesetzgebungen als kantonale Wahlen im Gegensätze z. B. von Bezirkswahlen, Gemeindewahlen etc. zu erklären belieben.

Der angeführte Art. 189 des Organisationsgesetzes ist also kein Blankettgesetz, das seinen Inhalt erst von der kantonalen Gesetzgebung erhielte, und die Bestimmungen weder des luzernischen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen, noch die des Erziehungsgesetzes kommen ihm gegenüber irgendwie in Betracht. Indes ist in Ergänzung der regierungsrätlichen Antwort doch zu bemerken, daß die in derselben nicht angegebene bestimmte Voraussetzung, unter welcher das Recht der Lehrervvahl von der Schulgemeinde auf Wahlausschüsse übertragen werden kann, in einem in gehöriger Gemeindeversammlung gefaßten Gemeindebeschluß besteht, also in einer ebenfalls in Art. 189 inbegriffenen Abstimmung und nicht, wie der Regierungsrat glauben machen möchte, in einem ,,Zufall*.

Übrigens sagt § 3, Abs. 4, der Luzerner Kantonsverfassung : },Den Gemeinden wird die Wahl der Volksschullehrer gewährleistet."

b. Die Einrede bezüglich der Vollmacht ist unbegründet, denn nachdem ein gültiger Gemeinderatsbeschluß gefaßt war, konnten gestützt auf denselben die zeichnenden Mitglieder des Gemeinderates, Präsident und Schreiber oder deren Stellvertreter, die Vollmacht unterzeichnen. Wenn ein bei der Sache beteiligtes Gemeinderatsmitglied mitunterzeichnete, so wird dadurch weder der vorherige Gemeinderatsbeschluß umgestoßen, noch der in Ausführung desselben ausgestellte Vollrnachtsakt ungültig.

1064 2. In materieller Besiehung.

a. Das von der Regierung als Belegstück produzierte Schreiben des Erziehungsrates vom 22./28. September 1893 an den Gemeinderat von Asch, worin derselbe angewiesen wird, die Lehrerwahl um 14 Tage zu verschieben und zur Teilnahme an derselben auch die Bürger von Mosen einzuberufen, gelangte an die Adresse des Herrn Rüttimann, als Gemeinderatspräsidenten von Äseh. Anstatt dasselbe, wie es seine Pflicht war, dem Gemeinderate vorzulegen oder doch für Ausführung dieser Weisung zu sorgen, blieb es in den Händen des Herrn Rüttimann, und es erhielt weder der Gemeinderatsschreiber noch ein anderes Gemeinderatsmitglied darüber irgend welche Kenntnis. Unter den Auspizien des Gemeinderatspräsidenten und Großrates Rüttimann wurde die Wahl ausgekündet, wie jede Gemeindewahl von Asch, bloß die Bürger von Asch wurden dazu eingeladen, bloß ein Stimmregister für diese angelegt.

b. In Bezug auf die Interpretation der Bestimmungen des Erziehungsgesetzes ist zu bemerken, daß der Regierungsrat sich in "Widerspruch setzt mit § 27, Absatz l, der kantonalen Verfassung, welcher bestimmt : ,,Das politische Stimmrecht für kantonale Wahlen wird ausschließlich in der Wohngemeinde ausgeübt"1.

Wenn der Regierungsrat auf § 126 des Erziehungsgesetzes verweist, so kann das der Rekurrentschaft nur dienen, denn hier handelt es sich um Schulpflegewahlen, und der Gesetzgeber läßt keinen Zweifel, daß alle stimmfähigen Bürger des betreffenden ,,Kreises14 am ,,Hauptorte" desselben stimmen müssen. Hätte der Gesetzgeber dies auch für die Lehrerwahlen gewollt, so hätte er dies iu § 82 auch gesagt. Da ist aber bloß von ,,Gemeindeversammlungen1* gesprochen, und in § 84, welcher von der Wahlausschußwahl für die Sekundarlehrer handelt, und wo auch der Regierungsrat nicht bestreiten wird, daß derselbe nach Gemeinden getrennte Wahlverhandlungen vorsehe, ist zum Überflusse noch ausdrücklich auf das Verfahren bei den Primarlehrerwahlen hingewiesen. Wenn man auch in § 126 des Erziehungsgesetees betreffend die Wahl der Schulpflege nicht gerade eine Verletzung des Art. 27, Absatz l, der Kantonsverfassung erblicken will, so hat diese Verfaasungsbestimmung doch jedenfalls überall da Regel zu machen, wo das Gegenteil nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, also auch bei Primarlehrerwahlen, wozu noch die Garantie des § 3,
Absatz 4, der Verfassung kommt.

Thatsache ist sodann, daß außer bei Lehrerwahlen früher auch in den aus mehreren Gemeinden zusammengesetzten Friedensrichterkreisen in getrennten Gemeindeversammlungen da offen, dort geheim abgestimmt wurde. Durch das neue Gesetz über Wahlen und Ab-

1065 Stimmungen ist nun allerdings dies für die Friedensrichterwahlen abgeändert worden (§ 52). Für die Lehrerwahlen dagegen ist durch dieses Gesetz nichts geändert worden; es erklärt vielmehr ausdrücklich, daß dieselben sich nach dem Erziehungsgesetze richten (§ 58). Die Gemeinden sind also, da das Erziehungsgesetz bezüglich der Form der Wahl diejenige für Gemeinderatswahlen für anwendbar erklärt und das Gesetz über Wahlen und Abstimmungen bezüglich dieser den Gemeinden die Anordnung der offenen Wahl durch 2/a Mehrheit freistellt, befugt, mit 2/a Mehrheit offene Wahl zu beschließen.

Das hat auch Mosen in der Gemeindeversammlung vom 7. Juni gethan.

c. Gegen die Art und Weise der Schulführung durch Herrn Schibli können keine begründeten Aussetzungen gemacht werdeu.

Herr Bezirksinspektor Heller hat demselben laut einem Auszuge aus dem Scbulberichte für den Winterkurs 1892/93 in Bezug auf Lehrtüchtigkeit die Note 16, in Bezug auf Diensttreue die Note l erteilt. Herr Heller hat laut dem Tagebuch Schibüs seit 1887 die Schule 31 mal besucht und ist daher jedenfalls am ehesten kompetent, über den Stand der Schule ein richtiges Urteil abzugeben.

Der Herr Kantonalschulinspektor hat dagegen die Schule während desselben ganzen Zeitraumes bloß 3mal mit seinem Besuche beehrt.

Er hat nie irgend welche Unzufriedenheit geäußert, vielmehr am 18. Januar 1892 sogar positiv sich mit den Leistungen als gut zufrieden erklärt. Die jeweiligen Schlußprüfungen sind stets zur vollen Zufriedenheit des sie Abnehmenden ausgefallen, und selbst Herr Großrat Küttimann, das Haupt der heutigen Gegnerschaft Schiblis, hat als Schulpfleger bei wiederholten Schulbesuchen sich als vollbefriedigt erklärt.

VII.

In der Duplik vom 24. Januar 1894 hält der Kegierungsrat des Kantons Luzern die Einrede der Inkompetenz des Bundesrates aufrecht und bemerkt im weitern bezüglich des von der Rekurrentschaft angerufenen § 3. Absatz 4, der Staatsverfassung, daß in den Bestimmungen des § 90 des Erziehungsgesetzes vom Jahre 1879 keine Verletzung der Staatsverfassung liege. Das Wahlrecht wird den Gemeinden durch diesen § 90 nicht entzogen, sondern es wird dadurch nur Vorsorge getroffen, daß nicht infolge Nachlässigkeit oder aus andern Gründen eine Lehrstelle unbesetzt bleibe. Es handelt sich auch nicht um eine eigentliche Wahl durch den Erziehungsrat auf die gesetzliche Amtsdauer von vier Jahren, sondern nur um Bestellung eines Verwesers für ein Jahr.

1066

Die Behauptung der Rekurrentschaft, es liege bezüglich der ausgestellten Vollmacht ein förmlicher Gemeinderatsbeschluß vor, ist unrichtig, wie einer amtlichen Erklärung des Amtsgehülfen von Hochdorf vom 17. Januar 1894 zu entnehmen ist. Ein solcher Gemeinderatsbeschluß existiert nicht. Herr Schibli als Gemeinderatsschreiber würde nicht unterlassen haben, einen derartigen Beschluß zu protokollieren, wenn er gefaßt worden wäre. Es wird auf diesen Umstand aufmerksam gemacht, da sich die Rekursbeschwerde auch als solche des Gemeinderates von Mosen einführt.

In materieller Beziehung wird noch folgendes bemerkt: Die Auffassung des Rekurrenten, wonach die Bestimmungen des Erziehungsgesetzes vom Jahr 1879, beziehungsweise die Interpretation derselben durch die Regierung der Vorschrift von § 27, Absatz l, der luzornischen Staats Verfassung, dahin lautend, daß das Stimmrecht für kantonale Wahlen und Abstimmungen ausschließlich in der W o h n g e m e i n d e auszuüben sei, widersprechen, ist unrichtig. Sie wäre richtig, wenn die Begriffe ,,politische Gemeinde" und ,,Wohngemeinde" identisch wären. Dies ist aber nicht der Fall. Eine aus mehreren politischen Gemeinden oder aus Teilen mehrerer Gemeinden zusammengesetzte Schulgemeinde oder Kirchgemeinde etc. ist ebenso eine Wohngemeinde im Sinne der Staatsverfassung, wie eine politische Gemeinde. Die Ortschaft Asch in dem aus den Gemeinden Asch und Mosen zusammengesetzten Schulkreis Asch ist für die stimmfähigen Bürger beider Gemeinden Wohngemeinde im Sinne des § 27 der Staatsverfassuag und steht als solche im Gegensatze z. B. zur benachbarten Schulgemeinde Hitzkirch, wo ihre Bewohner kein Stimmrecht ausüben dürfen nach § 27 der Staatsverfassung.

Ebenso unzutreffend wie die Anrufung dei: Staatsverfassung ist diejenige des § 84 des Erziehungsgesetzes. Die Wahlart der Sekundarlehrer ist wesentlich verschieden von derjenigen der Primarlehrer. Dieselbe wird niemals direkt von den Gemeinden, sondern immer von Wahlausschüssen vorgenommeu. Diese Wahlausschüsse werden in den einzelnen Gemeinden gewählt, die Zahl der Ausgeschossenen bestimmt sich durch die Einwohnerzahl der betreffenden Gemeinde. Schon aus letzterm Grunde ist also der Zusammentritt zu einer Wahlgemeinde am Sekundarschulorte unmöglich. Es ist dies aber auch unmöglich wegen der Größe der Sekundarschulkreise. Der
Kanton Luzern zählt bei 108 Gemeinden 28 Sekundarschulkreise. Der letzte Satz von § 84, Absatz 2, des Erziehungsgesetzes, welchen der Rekurrent speciell für seine Ansicht noch anführen will, bezieht sich nicht auf Absatz l bis 3 des § 82 des Erziehungsgesetzes, sondern auf die vier letzten Absätze desselben.

1067 Die Bestimmungen des § 84 des Erziehungsgesetzes können also, weil die Wahlart der Sekundarlehrer von der der Primarlehrer wesentlich verschieden ist und verschieden sein muß, in keiner Weise zur Interpretation des Wahlverfahrens bei den Primarlehrerwahlen, beziehungsweise des § 82, Absatz 2, des Erziehungsgesetzes angerufen werden, wohl aber dürfte dies geschehen mit § 126 des nämlichen Gesetzes, handelnd von Primarschulpflegen. Zum Vergleiche wird noch verwiesen auf § 133 des Erziehungsgesetzes betreffend Wahl der Sekundarschu (pflegen. Es ist daraus zu ersehen, daß das Gesetz Primär- und Sekundärschulen konsequent wesentlich verschieden behandelt.

Endlich wird noch verwiesen auf § 82, vorletzter Absatz, des Erziehungsgesetzes: ,,Nach stattgefundener Wahl stellt das Bureau der Gemeindeversammlung den Wahlakt austt. Es giebt also nur ein Bureau, nur eine Gemeindeversammlung und nur einen Wahlakt. Dieser Gesetzesbestimmung könnte bei getrennter Wahl in mehreren Gemeinden gar nicht nachgekommen werden.

Die fernere Behauptung, daß es -- eventuell -- unzulässig erscheine, für die nämliche Wahl in einer Gemeinde offen, in einer andern Gemeinde geheim abzustimmen, muß die Regierung ebenfalls aufrecht erhalten. Der Eekurrent kann dieselbe nicht widerlegen. Wenn er auf das frühere Verfahren bei den Friedeusrichterwahlen hinweist, so vergißt er dabei, zu bemerken, daß diesbezüglich das Gesetz am Tage nach der Wahl den Zusammentritt der Wahlpräsidenten der verschiedenen Gemeinden am Hauptorte des Kreises behufs Feststellung des Wahlresultates vorsah. Von einer derartigen Feststellung des Wahlresultates weiß aber das Erziehungsgesetz und überhaupt alle Gesetzesbestimmungen, welche über das Verfahren bei Lehrerwahlen handeln, nichts. Es beweist dies, daß getrennte Wahl in mehreren Gemeinden bei den Primarlehrerwahlen nicht zulässig ist, sonst würde das Gesetz auch bezüglich der Feststellung des Wahlresultates etwas Ähnliches verfügen. Es verfügt aber gerade im Gegenteil s o f o r t i g e Feststellung und Beurkundung des Wahlresultates unmittelbar nach der Wahlverhandlung, was bei getrennter Versammlung geradezu unmöglich würde (vergleiche § 82, Absatz 5 und 10).

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: a. In betreff der Kompetenzfrage, Ì. Es steht bundesrechtlich fest, daß unter dem Ausdrucke ,,kantonale Wahlen und Abstimmungen" in Art. 189, vorletzter

1068 Absatz, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 auch Bezirks- und Gemeindewahlen zu verstehen sind. C Vergi. Bundesbl. 1892, H, 564 u. ff.; III, 1161 und 1162.)

Ebenso steht fest, daß die politischen Bundesbehörden das Recht der Kognitiou auch über Beschwerden betreffend Kirchgemeindewahlen haben, überhaupt über alle Wahl- und Abstimmungsbeschwerden , bei welchen eine Verletzung des den Bürgern durch die kantonale oder die eidgenössische Verfassung gewährleisteten Stirnmrechts behauptet ist und in Frage kommt.

(.Vergi. Bundesbl. 1882, I, 33; II, 708.)

2. Danach kann es keinem rechtlich begründeten Zweifel unterliegen, daß der Bundesrat und eventuell als Oberinstanz die Bundesversammlung auch Beschwerden betreffend Lehrerwahlen der Gemeinden oder betreffend Abstimmungen der Gemeinden über Schulfragen zu beurteilen hat.

b. Über die Sache selbst.

1. Die Bundesbehörden haben durch eine Reihe von Entscheidungen die Kompetenz der eidgenössischen Rekursinstanz zur materiellen Beurteilung von Beschwerden betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen in dem Sinne festgestellt, wie dieselbe in dem Organisationsgesetze über die Bundesrechtspflege vorn 22. März 1893, Art. 189, vorletzter Absatz, zum Ausdrucke gelaugt ist: der Bundesrat oder, im Falle der Weiterziehung, die Bundesversammlung haben Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung und betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen auf Grundlage sämtlicher einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts und des Bundesrechts zu beurteilen.

Dagegen wurde von den Bundesbehörden zu keiner Zeit die Kompetenz in Anspruch genommen, auch solche Beschwerden materiell zu erledigen, welche, ohne daß ein bundesrechtlicher oder kantonalverfassungsrechtlicher Grundsatz in Frage käme, die den Bestimmungen und Vorschriften kantonaler Gesetze von den Kantonshehörden gegebene Auslegung und Anwendung anfechten. Dabei wurde indessen von jeher betont, daß die Anwendung der kantonalen Gesetzgebung namentlich auch dadurch zu einer verfassungsrechtswidrigen werden könne, daß sie gegen die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze verstößt.

2. Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat die vom Schulkreise Äsch-Mosen in den Gemeinden Asch und Mosen am 8. Oktober 1893 getrennt vorgenommene Lehrerwahl durch Beschluß vom 3. November 1893 aus folgenden Gründen als ungültig erklärt:

1069 a. weil nicht gemäß § 82, Absatz 2, des luzernisehen Erziehungsgesetzes vom 26. September 1879 eine für beide Gemeinden, aus denen der Sehulkreis besteht, gemeinsame Wahlverhandlung in Asch stattgefunden habe; eventuell b. weil nicht in beiden Gemeinden das gleiche Wahlverfahren (Urnenabstimmung) angewendet, sondern in Asch mittelst deiUrne, in Mosen offen abgestimmt worden sei; c. weil in Asch, wie das dortige Wahlbureau zugebe, mehrere Stimmkarten von der nämlichen Hand beschrieben worden seien ; wenn das Wahlbureau geltend mache, daß diese Karten nicht auf den Namen eines der Gewählten gelautet haben, so ließe das noch eine unzulässige Kontrolle der Stimmabgabe vermuten ; dieser Thatbestand falle um so mehr ins Gewicht, als einer der Kandidaten -- Schifali -- nur 7 Stimmen über das absolute Mehr erhalten habe.

Gleichzeitig hat der Regierungsrat den kantonalen Erziehungsrat eingeladen, die beiden Lehrstellen nach Maßgabe des § 90 des Erziehungsgesetzes provisorisch zu besetzen.

Die provisorische Besetzung ist am 16. November 1893 erfolgt.

Dabei wurde der eine der am 8. Oktober von den Gemeinden Asch und Mosen gewählten Lehrer -- Schibli -- Übergängen und durch eine Lehrschwester, die ihr Amt am 24. November antrat, ersetzt.

Der Regierungsrat beruft sieh für seine Verfügungen auf § 82 des Erziehungsgesetzes, §§ 58 und 31 des Wahl- und Abstimmungsgesetzes.

Dagegen ist von Herrn Dr. Weibel in Luzern namens des Lehrers Schibli persönlich und gestutzt auf eine vom Gemeinderatspräsidenten, Waisenvogt und Gemeindeammann unterzeichnete schriftliche Vollmacht vom 25. November 1893 auch namens des Gemeinderates von Mosen beim Bundesrat Beschwerde eingelegt worden ; im Gemeinderatsprotokoll ist indessen eine dahin lautende Schlußnahme der Behörde nicht verurkundet ; die Vollmachterteilung stellt sich daher als Beauftragung des Herrn Dr. Weibel seitens der genannten Gemeinderatsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Bürger der Gemeinde Mosen dar.

Die Rekursschrift schließt mit dem Gesuche: Der Bundesrat möge iu Aufhebung des regierungsrätlichen Entscheides die Wahl des Josef Schibli zum Lehrer von Asch als gültig erklären und bis zur Erledigung der Sache die erziehungsrätliche Schlußnahme betreifend die Übertragung der Lehrstelle an Schwester Sidwina Villiger sistieren.

1070 Zur rechtlichen Unterstützung ihres Begehrens beruft sich die Rekursschrift teils auf die kantonale Gesetzgebung über das Erziehungswesen und über Wahlen und Abstimmungen in Verbindung mit § 27, Absatz l, der Kantons Verfassung, teils auf § 3, Absatz 4, dieser letztern. In der einen Richtung will sie darthun, daß es nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen (§ 82 Erziehungsgesetz und §§ 58 und 25 Wahl- und Abstimmungsgesetz) in Verbindung mit § 27, Absatz l, der Kantonsverfassung durchaus statthaft war, daß die Gemeinde Mosen die Lehrerwahl getrennt von der Gemeinde Asch und iu offener Abstimmung vornahm, in der andern Richtung ficht sie das Vorgehen des Regierungsrates und Erziehungsrates im Hinblick auf die provisorische Besetzung der Lehrstellen des Schulkreises Äsch-Mosen als verfassungswidrig an, indem § 3, Absatz 4, der Kantonsverfassung den Gemeinden die Wahl der Volksschullehrer gewährleiste.

3. In Ansehung der Frage, ob die Gemeinde Mosen ein verfassungs- oder gesetzmäßiges Recht darauf besaß, auch nachdem sie ihre eigene Primarschule verloren hatte und mit der Gemeinde Asch zu einem Schulkreise verschmolzen worden war, für die Lehrerwahl eine besondere Abstimmung vorzunehmen, ist es der Rekurrentschaft nicht gelungen, nachzuweisen, daß die Praxis ihre Auffassung bestätigt. Dagegen hat die Regierung an der Hand mehrerer Antecedentien dargethan, daß bei Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Schulkreise die Abstimmungen regelmäßig in der Gemeinde stattfinden, welche die Schule besitzt.

Diese Praxis ist mit dem Wortlaute von § 82 des luzernischen Erziehungsgesetzes vom 26. September 1879 sehr wohl vereinbar, ja es scheinen einige Bestimmungen dieses Paragraphen wirklich nur unter der Voraussetzung eines einzigen Wahlbureaus, einer einheitlichen Wahlverhandlung, aufgestellt und ausführbar zu sein.

Sprechen demnach Gesetzestext und Praxis für die Einheit des Wahlaktes, so kann von Bundesrechts wegen nichts dagegen eingewendet werden, wenn der luzernische Regierungsrat in dieser Einh e i t e i n e w e s e n t l i c h e Förmlichkeit und in der Nichtbeobachtung derselben eine Unregelmäßigkeit erblickt, die zur Ungültigkeitserklärung der ganzen Verhandlung führen muß.

Es ist ohne weiteres klar, daß es hierbei nicht darauf ankommen kann, aus welchem Beweggrunde die Unregelmäßigkeit
begangen wurde. So kann im vorliegenden Falle für die Rekursinstanz rechtlich nicht in Betracht kommen, daß die getrennte Wahlyerhandlung auf ein Verschulden des Gemeinderatspräsidenten von Asch, Großrat A. Rüttimann, zurückzuführen ist, der, wie es scheint, das Schreiben des Erziehungsrates an den Genieinderat von Asch, das die Einberufung der Bürger von Mosen zur Teilnahme

1071 an der Lehrerwahl in Asch verlangte, dem Gemeinderat von Asch nicht vorlegte, so daß die Vollziehung unterblieb und der Gemeinderat von Mosen annehmen konnte, Mosen habe wie bisher in selbständiger Weise abzustimmen. Noch weniger kann selbstverständlich für die Rekursbehörde rechtserheblich sein, daß der Sohn des Herrn Gemeinderatspräsidenten und Großrates A. Rüttimann der erste Unterzeichner der Beschwerde ist, welche den Regierungsrat des Kantons Luzern veranlaßte, die Wahl Verhandlung vom 8. Oktober zu kassieren, wie denn überhaupt das Verhalten dieses Gemeindebeamten in der ganzen Wahlangelegenheit wohl die Luzerner Regierung als Aufsichtsbehörde, nicht aber die kantonale und die eidgenössische Rekursinstanz interessieren kann.

Demgemäß erscheint die Kritik der Rekurrentschaft gegenüber dem von der Regierung in erster Linie angeführten Kassationsgrunde als nicht sichhaltig.

4. Steht es fest, daß am 8. Oktober in einer gemeinsamen Verhandlung der Bürger von Asch und von Mosen in Asch hätte abgestimmt werden sollen, so kann sich die eidgenössische Rekursinstanz der Untersuchung der Frage entschlagen, ob in Mosen die gesetzlich richtige Abstimmungs a r t zur Anwendung gekommen sei.

5. Was sodann die von den Kassationsklägern und von der Kegierung gerügte und als Kassationsgrund geltend gemachte UQförmlichkeit betrifft, die darin besteht, daß mehrere Stimmkarten von der nämlichen Hand beschrieben worden seien, so kann in diesem Punkte die kantonsbehördliche Auffassung nicht gebilligt werden.

Der auch bei Lehrerwahlen anwendbare § 31 des luzernischen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen vom 29. November 1892 schreibt vor, daß geschriebene Stimmzettel, welche weder von ihrem rechtmäßigen Inhaber, noch von Mitgliedern des Bureaus beschrieben werden, als ungültig zu betrachten seien, und § 32 des nämlichen Gesetzes bestimmt, daß ein ungültiger Stimmzettel wie ein leerer bei Berechnung des absoluten Mehrs außer Betracht falle.

Wenn nun das Wahlbureau von Asch in seiner Vernehmlassung vom 27. Oktober 1893 über die Wahlbeschwerde des Job. Rüttimann und Konsorten dem Erziehungsrate schreibt, das Bureau habe allerdings beim Verlesen der Stimmzettel vermutet, daß mehrere Zettel von der Hand des Sohnes des Gemeinderatspräsidenten und Großrates Rüttimann geschrieben worden seien, von denen aber
keiner zu gunsten der gewählten Lehrer gelautet habe, so liegt in dieser Richtung kein Grund, ,,eine unzulässige Kontrolle der Stimmabgabe" zu vermuten, wie dies die Regierung thut, sondern nur ein Grund zur Anwendung des Gesetzes, nämlich zur Verfügung, daß die Zettel, welche vom Bureau als von derselben Hand ge-

1072 schrieben erkannt worden sind, alle bis auf einen als ungültig erklärt und bei Berechnung des absoluten Mehrs nicht in Betracht gezogen werden sollen, was zur Folge haben würde, daß die Zahl der gültigen Stimmen und das absolute Mehr sich niedriger stellten und Lehrer Schibli nicht bloß mit 7, sondern mit einer größern Stimmenzahl über das absolute Mehr als gewählt erschiene.

Die regierungsrätliche Argumentation übersieht, daß das Gesetz selbst dem Wahlbureau eine die Beschreibung des Stimmzettels durch den Stimmberechtigten überwachende und kontrollierende Aufsicht zur Pflicht macht, indem es das Bureau anweist, Stimmzettel, die weder von ihrem rechtmäßigen Inhaber, noch von Mitgliedern des Bureaus beschrieben sind, als ungültig zu erklären.

Das Gesetz sieht also vor, daß das Bureau in den Fall kommen kann, dio auf den Zetteln sich findende Handschrift in dem S i n n e zu kontrollieren, daß es die auf mehrern Zetteln bemerkbare g l e i c h e Handschrift als einen Beweis der unrechtmäßigen Beschreibung derselben ansieht und daher die bezügliche Stimmabgabe als ungültig erklärt. Wenn das Wahlbureau von Asch zu wissen glaubt, wer der Urheber der ungültigen Stimmzettel ist, so könnte dies noch zur strafrechtlichen Verfolgung dieser Person Anlaß geben, nicht aber, wie gesagt, zur Vermutung, das Bureau habe eine unerlaubte Kontrolle ausgeübt.

6. Es erübrigt für die eidgenössische Rekursinstanz noch die Betrachtung des von der Rekurrentschaft im allgemeinen zur Unterstützung ihrer Beschwerde angerufenen kantonalen Verfassungsgrundsatzes, der den Gemeinden die Wahl der Volksschullehrer gewährleistet, und der Anwendung desselben im vorliegenden Falle.

Der verfassungsmäßige Grundsatz der Volkswahl der Lehrer ist auch in § 82 des Brziehungsgesetzes vom 26. September '1879 ausgesprochen. Dieses Gesetz sieht jedoch Fälle vor, wo dem Erziehungsrate die Befugnis zusteht, Lehrerstellen provisorisch für ein Schuljahr zu besetzen. Der Erziehungsrat des Kantons Luzern hat durch Verfügung vom 16./22. November 1893 von dieser Befugnis in der Weise Gebrauch gemacht, daß er dem einen der am 8. Oktober gewählten Lehrer, Xaver Düggeli, die ohere und der Schwester Sidwina Villiger an Stelle des Lehrers Schibli die untere Primarschule übertrug. Die Lehrschwester sollte ihren Unterricht am 24. November antreten,
nachdem derselbe am 23. Oktober auf Weisung des Erziehungsrates vom 19, Oktober durch Lehrer Schibli provisorisch, bis auf weiteres, begonnen worden war. Trotz dieses Saehverhältnisses hat der Bundesrat das Eintreten auf das von 100 Bürgern aus Asch und Mosen unterstützte Begehren der Rekurrentschaft um Aufhebung der erziehungsrätlichen Verfügung vom 16./22. November ablehnen zu müssen geglaubt, weil nach Ver-

1073 einigung der Schule von Mosen mit derjenigen von Äsoh nicht mehr die Lehrstelle von Mosen und die Fortführung derselben durch den bisherigen Inhaber in Frage kam, sondern eine neugeschaffene Lehrstelle von Äsch-Mosen, für welche noch keine gültig erklärte Volkswahl stattgefunden hatte.

Es ist klar, daß die dem Erziehungsrate nach § 90 des Erziehungsgesetzes zustehende Befugnis der provisorischen Besetzung einer Primarlehrerstelle nur a u s n a h m s w e i s e und nur in den vom Gesetze vorgesehenen b e s o n d e r e n Fällen zur Anwendung kommen darf, soll nicht die verfassungsrechtlicheRegel der Volkswahl zur Ausnahme werden. Das Gesetz sieht drei Anwendungsfälle vor : 1. wenn eine Gemeinde oder Wahlbehörde bezüglich der Besetzung einer Lehrstelle im Verzüge sich befindet; 2. wenn eine Lehrstelle aus anderweitigen Gründen bis spätestens acht Tage vor Beginn der Schule noch nicht besetzt ist; 3. wenn eine Lehrstelle während des Schuljahres ledig wird.

Bei Aufstellung dieser Bestimmungen hat offenbar das Interesse der Schule den Gesetzgeber geleitet.

Wenn nun die Rekurrentschaft glaubt, daß gegenüber § 3, Absatz 4, der Kantonsverfassung, welcher den Gemeinden die Wahl der Volksschullehrer gewährleistet, das Vorgehen des Regierungsund des Erziehungsrates in Anwendung des § 90 des Erziehungsgesetzes unzulässig sei, indem durch dasselbe ein Wahlrecht des Volkes verkümmert werde, so ist zu bemerken, daß hierüber, als über eine verfassungsrechtliche Frage, die nicht die Gültigkeit einer kantonalen Wahl oder Abstimmung beschlägt, nicht der Bundesrat zu urteilen kompetent ist.

D e m n a c h wird b e s c h l o s s e n : 1. Das Rekursbegehren wird abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der h. Regierung des Kantons Luzern sowie dem Anwalt der Rekurrenten schriftlich mitzuteilen B e r n , den 29. Mai 1894.

Im Namen des schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

E. Frey.

DerKanzler der Eidgnossenschaft : Ringier.

Bundesblatt 46. Jahrg. Bd. II.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über den Rekurs des Josef Schibli, Lehrer in Mosen, und des Gemeinderates Mosen (Luzern) gegen den Kassationsbeschluß des Regierungsrates des Kantons Luzern, vom 3. November 1893, betreffend die Lehrerwahlen in den Gemeinden Äsch u...

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1894

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25

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20.06.1894

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1049-1073

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