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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Verehelichung von Angehörigen des Großherzogtums Baden in der Schweiz.

(Vom 8. Dezember 1894.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Im Nachgange zu unserem Kreisschreiben vom 12. Juni 1884 betreffend die Verehelichung ' von Angehörigen des Großherzogtums Baden in der Schweiz (Bundesbl. 1884, III, 314 ff.), sowie unter Bezugnahme auf unser Kreisschreiben vom 21. Dezember 1889 betreffend die Verehelichung von Angehörigen des deutschen Reiches in der Schweiz und auf die diesbezüglichen Ausführungen im Geschäftsberichte des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes für das Jahr 1890, Abteilung Civilstand und Ehe, Ziffer 11 (Bundesbl.

1889, IV, 1339, und 1891, II, 550), beehren wir uns, Ihnen auf Ansuchen des großherzoglich badischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten folgendes zur Kenntnis zu bringen.

Die Übereinkunft zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche vom 4. Juni 1886 betreffend die Erleichterung der Eheschließung der beiderseitigen Staatsangehörigen (Bundesbl. 1886, II, 760) besagt in Artikel 2, daß die beiderseitigen Angehörigen, falls dies in ihrer Heimat oder an dem Orte der Eheschließung gesetzlieh vorgeschrieben ist, verpflichtet sind, eine Bescheinigung ihrer zuständigen Landesbehörde darüber vorzulegen, daß der Abschließung ihrer Ehe nach dem bürgerlichen Rechte ihrer Heimat kein bekanntes Hindernis entgegensteht.

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Für badische Staatsangehörige nun, welche in der Schweiz eine Ehe schließen wollen, enthält eine solche Vorschrift die Bestimmung in § 23, Absatz 2, in Verbindung mit Absatz 3 des badischen Einführungsgesetzes vom 9. Dezember 1875 zum Personenstandsgesetz für das deutsche Reich vom 6. Februar 1875.

Gemäß dieser Bestimmung hat nämlich der badische Verlobte das Eheaufgebot auch im Großherzogtum Baden selbständig zu erwirken und hierbei das Vorhandensein der deutschrechtlichen Eheerfordernisse nachzuweisen. Die nach erfolgtem Aufgebot von dem badischen Standesbeamten auszustellende Beurkundung, ,,daß der Abschließung der Ehe nach dem bürgerlichen Rechte ,,des Großherzogtums kein bekanntes Hindernis entgegensteht", ist die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde im Sinne des Artikels 2 der erwähnten Übereinkunft.

In letzter Zeit scheinen sich nun die Fälle zu mehren, in welchen die Vorschrift des § 23, Absatz 2, des citierten badischen Einführungsgesetzes unbeachtet bleibt und ohne Erwirkung des Aufgebotes im Großherzogtum von badischen Verlobten die Ehe in der Schweiz geschlossen wird.

Die Durchführung dieser Vorschrift erscheint aber um so mehr als ein dringendes Bedürfnis, als jede mit Verletzung derselben geschlossene Heirat nach § 191 des badischen Landrechtes von den Beteiligten, wie von dem Staatsanwalt, als nichtig angefochten werden kann, und die bestehende Verschiedenheit des schweizerischen und des badischen materiellen Eheschließungsrechtes einer solchen Anfechtung nach Landrechtssatz 6, k, in vielen Fällen Erfolg verspricht.

Zur Erläuterung des Vorstehenden fügen wir gestutzt auf eine Note, welche das badische Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts in einem Specialfalle am 29. Oktober 1894 an die Direktion des Innern des Kantons Aargau gerichtet hat, noch folgendes bei: Der Vorschrift des mehrfach erwähnten § 23, Absatz 2, des badischen Einführungsgesetzes zum Reichspersonenstandsgesetze wird durch Verkündung (Anschlag) des etwa von dem ausländischen Standesbeamten erlassenen Eheaufgebotes nicht genügt, sondern nur durch selbständige Erwirkung des letzteren auch bei dem zuständigen badischen Standesbeamten.

Des weitern ist den badischen Standesbeamten (Bürgermeistern) der unmittelbare Schriftwechsel mit ausländischen Staats- und Gemeindebehörden untersagt, und sie sind augewiesen, einlaufende Ersuchen dem zuständigen Amtsgerichte vorzulegen, welches über deren weitere Behandlung zu befinden hat.

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Schließlich schreibt die Dienstweisung für die Bürgermeister des Großherzogtums Baden insbesondere vor, das Ersuchen um Bekanntmachung ausländischer Eheaufgebote durch inländische Standesbeamte bezüglich badischer Staatsangehöriger jedenfalls so lange abzulehnen, als das Aufgebot nicht auch im Großherzogtum erwirkt ist.

Indem wir Sie ersuchen, von vorstehenden Mitteilungen Vormerk nehmen und dieselben auch den Oivilstandsämtern Ihres Kantons in geeigneter Weise zur Kenntnis bringen zu wollen, ergreifen wir den Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in den Machtschutz Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 8. Dezember

1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Ringier.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Verehelichung von Angehörigen des Großherzogtums Baden in der Schweiz. (Vom 8.

Dezember 1894.)

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