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Schweizerisches Bundesblatt.

46. Jahrgang. IV.

Nr. 51.

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5. Dezember 1894.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Unterstützung von Koch-, Haushaltungs-, Dienstbotenund Krankenwärterkursen durch den Bund (Postulat vom 28. März 1893).

(Vom 23. November 1894.)

Tit.

Zum Traktandum ,,Weltausstellung in Chicago" stellte Herr W ir z im Ständerat am 24. Juni 1892 folgenden Postulatsantrag: ,,Der B u n d e s r a t wird e i n g e l a d e n , d a r ü b e r B e r i c h t u n d A n t r a g zu h i n t e r b r i n g e n , o b n i c h t K o c h - , H a u s haltungs-, Dienstboten- und K r a n k e n w ä r t e r k u r s e v o n d e r E i d g e n o s s e n s c h a f t z u u n t e r s t ü t z e n seien. " Der Antrag wurde gleichen Tages vom Ständerat und am 28. März 1893 vom Nationalrate zum Beschluß erhoben und arn 29. März 1893 durch Verfügung des Herrn Bundespräsidenten dem Industrie- und Landwirtschaftsdepartement, sowie dem Departement des Innern zugewiesen. Auf Antrag des erstem wurden am 7. April die Departemente des Innern und des Militärs zum Mitbericht über die Angelegenheit veranlaßt.

Die Berichterstattung des Militärdepartements, vom 18./26. April 1893, bezog sich speciell auf die K r a n k e n w ä r t e r k u r s e und schloß mit dem Vorschlag: ,,Es wolle der Bundesrat gegenüber den eidgenössischen Räten die Geneigtheit aussprechen, die Ausbildung von Krankenwärtern Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. IV.

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230 beiderlei Geschlechts aus Bundesmitteln zu unterstützen, immerhin aber unter dem Vorbehalte : 1. daß der Unterricht ein zweckentsprechender und ausreichender sei und in der Hauptsache praktisch in auf der Höhe der Zeit stehenden größern und kleinern Spitalanstalten erteilt werde; 2. daß die betreffenden Krankenwärter und -Wärterinnen sich verpflichten, sich im Kriegsfall der Leitung des militärischen Spitaldienstes direkt oder indirekt (z. B. in vom Bunde anerkannten Anstalten des Roten Kreuzes) zur Verfügung [zu stellen.11 Wir halten indes dafür, die Frage der Subventionierung von Krankenwärterkursen sei noch zu wenig abgeklärt und sie sei wohl besser im Zusammenhang mit der Kranken- und Unfallversicherung zu lösen. Außerdem ist sie ihrer Natur nach von derjenigen betreffend die Koch-, Haushaltungs- und Dienstbotenkurse sehr verschieden; letztere bilden ein in sich geschlossenes Gebiet, welches auf Grund des Bundesbeschlusses betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung zu behandeln ist und von diesem Gesichtspunkte aus ausschließlich in den Geschäftskreis unseres Industrieund Landwirtschaftsdeparternents fällt, was für die Krankenwärterkurse nicht zutrifft. Wir lassen die letztern daher einstweilen, d. h.

in unserer gegenwärtigen Berichterstattung, beiseite und beschränken uns im folgenden auf die Koch-, Haushaltungs- und Dienstbotenkurse und einige analog zu behandelnde Institutionen.

Das schweizerische Departement des Innern übermittelte mit Schreiben vom 23. September 1893 als seinen Beitrag zur Bearbeitung der Vorlage einen von ihm veranlaßten B e r i c h t der F o r t bildungsschulkommission der schweizerischen gem e i n n ü t z i g e n G e s e l l s c h a f t an deren Centralkommission, vom 30. August 1893. Dieser Bericht befaßt sich, der erhaltenen Fragestellung gemäß, vorwiegend mit den Haushaltungs- und Kochschulen, beziehungsweise -kursen. Wenn wir auch, namentlich was die formelle Auffassung des Gegenstandes betrifft, mit den Auseinandersetzungen jener Kommission nicht durchweg einverstanden sind, glauben wir doch einige Hauptsätze und Schlußfolgerungen der sehr beachtenswerten Arbeit hier anführen zu sollen.

Sie geht zunächst von der Voraussetzung aus, daß die Unterstützung der Haushaltungs- und Kochschulen durch den Bund ,,eine Ausführungsmaßregel im Kampf gegen
den Alkoholmißbrauch sei, deren Organisation damit auch folgerichtig nicht dem Industrie- und Landwirtschaftsdepartement, sondern dem Departement des Innern zustehen würde"1. Insbesondere werden folgende Thesen aufgestellt :

231 ,,1. Die Bekämpfung des Alkoholismus verlangt nicht nur das negative Hülfsmittel der Monopolisierung, sondern auch positive Leistungen gegenüber den Ursachen und Wirkungen desselben. Unter den Leistungen gegenüber den Ursachen des Alkoholismus nehmen die Bestrebungen zur Hebung eines geordneten Familienlebens und Familienhaushaltes die erste Stelle ein.

2. Koch- und Haushaltungsschulen sind eines der wirksamsten Mittel zu diesem Zwecke und werden auch immer mehr als solches anerkannt.tt Im übrigen wird betont, daß die Unterstützung des weiblichen Geschlechts bis jetzt gegenüber derjenigen des männlichen in ganz unverhältnismäßiger Weise zurücktrete. In der relativ geringen Berücksichtigung des weiblichen Geschlechts bei Gewährung der Bundessubventionen, welche bis jetzt im wesentlichen nur den eigentlichen Frauenarbeitsschulen galten, liege auch ein entsprechend veränderter m o r a l i s c h e r Antrieb für kantonale und lokale Kreise, sich mit Gründung von Anstalten für das weibliche Geschlecht zu befassen und zu diesem Zwecke Opfer zu bringen ; vielmehr ,,drücken die durch die Bundessubvention provozierten Anstrengungen dieser Kreise für gewerbliche Bildung positiv auf die Möglichkeit, daß die nämlichen Kreise nun auch für weibliche Bildung Erhebliches leisten können". Während zur Entstehungszeit des Bundesbeschlusses betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung vom 27. Juni 1884 die specifisch weibliche Berufsbildung bei uns noch in den Anfängen gestanden und darum, abgesehen von den Frauenarbeitsschulen, für die Mitwirkung des Bundes außer Betracht gefallen sei, hätten die lokalen und kantonalen Bestrebungen des letzten Jahrzehnts in einer Weise vorgearbeitet, daß eine längere Ignorierung derselben seitens des Bundes nicht mehr gerechtfertigt und an Stelle vereinzelter Maßnahmen zu ihrer Förderung eine systematische Mitwirkung des Bundes nun ebenfalls wünschbar erscheine.

In interessanter Weise spricht sich sodann der Bericht über die Frage aus, wie weit die Unterstützung des Bundes zu gehen hätte und nach welchen Grundsätzen sie zu verabfolgen wäre. Wir eitleren den betreffenden Passus nachstehend wörtlich: ,,Das Unterstützungsgebiet sollte nach unserer Ansicht umfassen : a. Koch- und Haushaltungsschulen und -kurse. b. Heranbildung von Lehrerinnen an solchen.

a In der vorangehenden Darstellung haben wir dargelegt, daß die hauswirtschaftliche Unterweisung der Mädchen der elementaren

232 Stufe der gewerblichen Bildung, also ungefähr dem entspricht, was Zeichen- Jund Gewerbsfortbildungsschuleu auf dem letztgenannten Gebiete für das männliche Geschlecht zu leisten bestrebt sind. Nun belauft sich die Ausgabe des Bundes für Anstalten dieser elementaren Stufe gewerblicher Bildung nach siebenjähriger Wirksamkeit des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884 auf Fr. 78,562, und dabei ist weiterhin in Betracht zu ziehen, daß speciell der Zeichenunterricht teilweise sehr kostspieliger Lehrmittel bedarf, die für den hauswirtschaftlichen Unterricht wegfallen. Wir denken daher nicht irre zu gehen, wenn wir eine Maximalsumme der Bundessubvention von Fr. 50,000 jährlich für lange Zeit als genügend betrachten.

Selbstverständlich wäre die Bundesunterstützung auch an eine Anzahl sachlicher Bedingungen zu knüpfen.

Vor allem ist notwendig ein zweckdienliches P r o g r a m m dieser Veranstaltungen. Der Lehrplan darf sich nicht auf lediglich praktische Eindrillung bestimmter Fertigkeiten beschränken, sondern hat die allgemeine Bildung mit zu berücksichtigen und der Entwicklung derselben Vorschub zu leisten. Auf der andern Seite ist Überanstrengung der Mädchen zu vermeiden und daher namentlich auch auf ein richtiges Verhältnis der für den Kurs bestimmten Zeitdauer zu den Forderungen des Lehrplanes zu sehen : Kurse unter 3 Wochen für Haushaltungs- und Kochkunde zusammen sind von vornherein auszuschließen. Ebenso auch die Verbindung von Einrichtungen mit diesen Kursen, die den Zweck der letztern schädigen, z. B. die sogenannten ,,Gastereien* bei Kochkursen.

Namentlich aber ist darauf zu sehen, daß Übertreibungen ferne bleiben, die diese Kurse der Einwirkung auf das wirkliche Volksleben entfremden.

Mit der Notwendigkeit eines zweckdienlichen Programms hängt zusammen die Notwendigkeit einer t ü c h t i g e n B i l d u n g der A n s t a l t s l e i t u n g . Wir verstehen darunter keineswegs weitgehende theoretische Schulung und Gelehrsamkeit, aber die Befähigung zu selbständiger Auffassung der Aufgaben ihres Wirkens und zu verständiger erzieherischer Einwirkung auf die Zöglinge.

Diese Forderung ist bezüglich der Leitung ständiger Schulen in erhöhtem Maße zu stellen. Endlich ist die Erteilung der Bundessubvention davon abhängig zu machen, daß die hauswirtschaftliche Unterweisung auch wirklich den b r e
i t e s t e n V o l k s s c h i c h t e n z u g ä n g l i c h g e m a c h t w e r d e u n d b l e i b e . F ü r lokale Kurse sollte geradezu Unentgeltlichkeit verlangt, für Haushaltungsschulen mit Kursen längerer Dauer ein Maximum des Kostgeldes festgesetzt und die Errichtung einer bestimmten Zahl von Freiplätzen einbeduugen werden.

233 Neben der an die einzelnen Kurse zu erteilenden Subventionierung giebt es aber noch Gelegenheit, in anderer Weise das Zustandekommen solcher Veranstaltungen zu erleichtern. Zu den hauptsächlichsten Erfordernissen gehört ohne Zweifel der Kochherd, und ein transportabler Kochherd kann einer Reihe von Kochkursen nacheinander vorzügliche Dienste thun. Anschaffungen solcher Art durch centrale Behörden oder Vereine sollten ebenfalls auf einen Bundesbeilrag rechnen können.

b. Heranbildung von Lehrerinnen. Die bisherige Entwicklung des hauswirtschaftlichen Bildungswesens zeigt, daß vorderhand wenigstens hier die Hauptbedingung eines raschen Fortschrittes besteht; die Analogie mit den Verhältnissen der industriellen Berufsbildung (Art. 5 des Bundesbeschlusses) rechtfertigt die Aufnahme der Ausbildung von Lehrkräften in den Bereich der Bundesunterstiltzung, und der internationale Charakter dieser Aufgabe läßt dieselbe als ein besonders für Bundeshülfe sieh eignendes Gebiet erscheinen.

Aus diesen Gründen empfiehlt sich einerseits die Aufnahme einer mit Art. 5, lemma 2, des Bundesbeschlusses vom 27, Juni 1884 analogen Bestimmung: ,,Bei der Festsetzung des Bundesbeitrags (an die einzelnen Anstalten) ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob an einer Anstalt Lehrer für den gewerblichen Berufsunterricht herangebildet werden*, anderseits auch die Erteilung von Stipendien an die Kosten der Ausbildung selbst, wie sie in lemma 3 des gleichen Artikels für die gewerbliche Bildung vorgesehen ist.

Wenn eine Tochter im erwerbsfähigen Alter die nötigen Fähigkeiten und Eigenschaften besitzt, um sieh zur Lehrerin in hauswirtschaftlichen Kuiven und Anstalten auszubilden, so soll die Unmöglichkeit, für die Kosten dieser Ausbildung ganz oder teilweise selbst aufzukommen, kein Hindernis bilden ; das Opfer, das sie durch Preisgebung ihrer Erwerbsthätigkeit während der Bildungszeit auf sich nimmt, ist das von ihr zu fordernde Äquivalent. Aber erst indem der Bund hier mithelfend eingreift, wird die Möglichkeit gesichert sein, ihr die Ausbildung seihst mit dem während der Dauer derselben erforderlichen Lebensunterhalt unentgeltlich ziu bieten. Auch in dieser Beziehung scheinen uns die Bestimmungen betreffend gewerbliche Bildung das Richtige zu treffen, wenn das bezügliche Reglement d. d. 27. Januar 1885 in Art. 5, lemma 2, sagt:
Die Ausrichtung von Stipendien an Lehramtskandidaten wird davon abhängig genwcht, dali auch von der Kantonsregierung ein solches zugesichert sei; das Stipendium des Bundes kann bis auf den Betrag des kantonalen gehen. Als Gegenwert müßte die Ver-

234 pflichtung der Kandidatin verlangt werden, eine bestimmte Zahl von Jahren sich als Lehrkraft zur Verfügung zu halten. Da die bisherige Erfahrung zeigt, daß für Ausbildung hauswirtschaftlicher Lehrkräfte die bisher inné gehaltene Bildungszeit eines Jahres ohne Überbürdung kaum ausreichend erscheint und eine Ausdehnung auf 1^2 Jahre durchaus wünschbar ist, würden die Kosten für die Kandidatin auf rund Fr. 1000, das reguläre Bundesstipendium also auf Fr. 500 zu berechnen sein; da nun anderseits es genügen dürfte, jährlich 20 Lehrkräfte mit Beihülfe von ßundesmitteln auszubilden, so würde sich die für diesen Zweck zu budgetierende Summe auf Fr. 10,000 belaufen.

Die G e s a m t s u m m e der jährlichen Bundessubv e n t i o n f ü r h a u s w i r t s c h a f t l i c h e B i l d u n g des weibl i c h e n G e s c h l e c h t e s w ü r d e d e m g e m ä ß F r . 60,000 b e tragen." 1 Für das genannte Gebiet der hauswirtschaftlichen Unterweisung sollte nach dem Vorschlag des Berichtes eine Centralstelle mit Aufsichts- und Kontrollrecht bestehen, die aus einer Specialkommission der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft und Mitgliedern des schweizerischen gemeinnützigen Frauenvereios oder einem Ausschuß von Mitgliedern dieser beiden Vereine bestellt würde. Man meint, daß eine solche mehr den Charakter einer gemeinnützigen Korpo-.

ration tragende Stelle der eigentümlichen Natur des weiblichen Bildungswesens besser entsprechen würde, als die direkte Leitung durch eidgenössische Beamte oder ein ständiges Expertenkollegium, wie es für die gewerbliche und industrielle Berufsbildung besteht.

Außer den Kantonsregierungen, welche für letztere ausschließlich als die vermittelnden Organe gelten, sollten auch kantonale Sektionen jener Vereine diese Funktionen übernehmen dürfen ; überhaupt wird eine Delegation der Ausführung der Bundesbestrebungen (auf dem Gebiet des weiblichen Bildungswesens) an freie Verbände als zweckdienlich hingestellt.

Nach dem Vorbilde des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884 wird schließlich der Entwurf zu einem Bundesbeschluß betreffend die hauswirtschaftliche Bildung aufgestellt, lautend : ,,1. Zur Förderung der hauswirtschaftlichen Bildung des weiblichen Geschlechts leistet der Bund an diejenigen Unternehmungen, welche zum Zweck jener Bildung bestehen oder zur Ausführung gelangen,
Beiträge aus der Bundeskasse.

2. Als Anstalten hauswirtschaftlicher Bildung sind die für das weibliche Geschlecht ausschließlich bestimmten Kurse und Schulen für Haushaltungsgeschäfte, inkl. Kochkunde, zu betrachten, mit

235 Einschluß der diesem Zwecke dienenden, für die Einführung in die Praxis eingerichteten Mädchenfortbildungsschulen. Wenn Anstalten zugleich der hauswirtschaftlichen Ausbildung im allgemeinen und verwandter fachlicher Berufsbildung dienen, wie Dienstbotenschulen, so kann auch diese letztere Bethätigung mit in Anschlag gebracht werden.

3. Der Bund kann auch an die Kosten von Wandervorträgen und an die Honorierung von Preisangaben für hauswirtschaftliche Bildung des weiblichen Geschlechtes Beiträge leisten.

4. Die Beiträge des Bundes belaufen sich je nach dem Ermessen des Bundesrates bis auf die Hälfte der Summe, welche jährlich von den Kantonen, Gemeinden, Korporationen und Privaten aufgebracht wird.

5. Bei der Festsetzung des Bundesbeitrages ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob an einer Anstalt Lehrkräfte für den hauswirtschaftlichen Unterricht herangebildet werden.

Der Bund unterstützt gleichzeitig die Ausbildung solcher Lehrkräfte durch Stipendien; solche Stipendien können bis auf den gleichen Betrag gehen, der den Kandidaturen vorgängig von nähern Instanzen (durch Kantonsregierungen, gemeinnützige Vereine, Gemeinden und Private) zugesichert ist.

6. Der Bundesrat kann mit Kautonsregierungen oder gemeinnützigen Vereinigungen zur Förderung der hauswirtschaftlichen Bildung in Verhandlung treten und seine Mitwirkung auf eine die Dauer eines Jahres übersteigende Frist vertraglich zusichern, wenn er dies für angezeigt erachtet.

7. Die Beiträge des Bundes dürfen keine Verminderung der bisherigen Leistungen der Kantone, Gemeinden, Korporationen zur Folge haben; sie sollen vielmehr dieselben zu vermehrten Leistungen auf dem Gebiete der hauswirtschaftlichen Bildung veranlassen.

8. In das Budget des Bundes wird ein jährlicher Kredit bis auf Fr. 60,000 für hauswirtschaftliche Bildung aufgenommen.

Der Bundesrat unterstellt die Aufsicht und Kontrolle über die Verwendung der für diesen Zweck bestimmten Summe dem Departement des Innern; ein Reglement wird die diesbezüglichen nähern Bestimmungen festsetzen.tt Unser Industrie- und Landwirtschaftsdepartement faßte hierauf zunächst die Dienstbotenkurse als unbestrittenermaßen in seinen Geschäftskreis gehörend ins Auge, und Brauchte Herrn P r o f e s s o r H. B e n d e l , eidgenössischen Experten für gewerbliches Bildungswesen, um die Begutachtung der Frage ihrer Subventionierung durch

236 den Bund, indem es bemerkte, daß ihm eine etwas extensive Interpretation des Bundesbeschlusses betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung die Möglichkeit zu bieten scheine, jene Kurse in diesen einzubeziehen und mit den darin genannten Anstalten gleich zu behandeln. Das gewünschte Gutachten datiert vom 13. Dezember 1893 und wurde vom genannten Departement demjenigen des Innern mitgeteilt. Letzteres äußerte sich infolgedessen am 5. Januar 1891 wie folgt über die Frage : ,,Indem wir Ihnen die Vorlage des Schriftstückes bestens verdanken, können wir Ihnen erwidern, daß wir den darin geäußerten Ansichten beistimmen, namentlich derjenigen, daß die Absonderung der Dienstbotenschulen von den Koch- und Haushaltungsschuleu wegen der engen Verwandtschaft der Lehrziele dieser 3 Arten von Anstalten und der in ihnen gepflegten Unterrichtsfächer kaum statthaft sei, und daß sie daher am besten der Aufsicht nur eines Departements und einer Inspektion unterstellt werden sollten und zwar, im Verein mit den übrigen Fach- und gewerblichen Fortbildungsschulen, dem Ihrigen, wozu denn die rechtliche Basis durch authentische Interpretation des Bundesbeschlusses vom 27. Juni 1884 geschaffen werden könnte." Es empfehle sich somit, ,,diese Frage in einer einheitlichen, alle 3 Arten von Kursen zusammenfassenden Vorlage zur Lösung zu bringen".

Endlich legte das Industrie- und Landwirtschaftsdepartement die Frage der Unterstützung von Koch-, Haushaltungs- und Dienstbotenschulen durch den Bund noch seiner ständigen E x p e r t e n kommission betreffend das gewerbliche Bildungsw e s e n zur Beratung vor, welche in ihrer Sitzung vom 9. Mai 1894 einstimmig folgende Thesen des Referenten, Herrn H. Bendel, guthieß : ,,1. Mit dem Gutachten der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft habe ich die Überzeugung, daß der Bund durch finanzie.lle Förderung der weibliehen Fortbildung und Fachbildung, soweit diese von Fortbildungsschulen, Frauenarbeitskursen, Haushaltungs-, Koch- und Dienstbotenschulen vermittelt werden, eine notwendige Ergänzung bietet zu. seinem erfolgreich begonnenen Werk der finanziellen Förderung der Anstalten für gewerbliche und industrielle Berufsbildung männlichen Geschlechts.

2. Diese Anstalten für die praktische Fortbildung der weiblichen Jugend sind miteinander nahe verwandt; der Ausschluß
einzelner Gruppen von der Bundessubvention schafft unbillige Verhältnisse.

3. Es ist, um diese Mitwirkung des Bundes zu ermöglichen, einzig eine diesbezügliche Interpretation von Art. l und 2 des

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Bundesbeschlusses betreffend die gewerbliche und industrielle Berufsbildung anzustreben.

4. Eine Zuteilung einzelner Anstaltsgruppen an das schweizerische Departement des Innern ist aus praktischen Gründen, d. h.

im Interesse namentlich einer einheitlichen Beratung und Förderung aller dieser der weiblichen Fortbildung dienenden Anstalten, nicht zu empfehlen.

5. Dem schweizerischen Industriedepartement sollen dagegen mit den gewerblichen Bildungsanstalten für das männliche Geschlecht auch die Kurse und Schulen für die analoge Ausbildung und Fortbildung des weiblichen Geschlechts unterstellt werden.

6. Es soll erst auf Grund der Erfahrung entschieden werden, ob ein besonderes Vollziehungsreglement für die weiblichen Anstalten notwendig sei; vorläufig soll das bestehende seine analoge Anwendung finden."· Diese Thesen resümieren auch den Inhalt des oben genannten Berichts des Herrn H. Bendel vom 13. Dezember 1893.

Wir haben noch der Thätigkeit, welche der s c h w e i z e r i s c h e g e m e i n n ü t z i g e F r a u en v e r e i n behufs Erlangung einer BundesUnterstützung entwickelte, zu gedenken.

Nachdem wir Ende der 80er Jahre Gesuche um Subventiouierung von Koch-, Haushaltungs- und Dienstbotenkursen jeweilen abgewiesen, weil damals weder eine Vorschrift bestand, noch die nötigen Kredite gewährt waren, welche uns erlaubt hätten, solchen Gesuchen zu entsprechen, richtete der schweizerische gemeinnützige Frauenverein am 19. November 1892, unterstützt vom Centralvorstand der aargauischen Kulturgesellschaften (Schreiben vom 21. November), eine neue Eingabe an uns, in welcher er u. a. die Subventionierung seiner Frauenarbeitskurse, sowie der Haushaltungs- und Diensibotenschulen in Buchs, Lenzburg, Bern und Boniswyl postulierte, in welchen 4 Anstalten jährlich mehr als 200 Mädchen meistens aus den armem Klassen für einen selbständigen Erwerb (Dienstmädchen, Köchinnen, Näherinnen, Glätterinnen u. s. w.) ausgebildet würden. Die Eingabe konnte unsererseits keine unmittelbare Erledigung finden, vielmehr verwies das Industrie- und Landwirtschaftsdepartement in seiner Antwort vom 2. Dezember auf das eingangs erwähnte, noch in Behandlung liegende Postulat. Nachträglich erklärte dann der Vereinsvorstand, daß seine Eingabe zu Händen der Bundesversammlung hätte erfolgen sollen. Bei der Beratung des Budgets stellte hernach im Ständerat die Kommission -- die Veranlassung dazu ist uns nicht bekannt -- den Antrag, ,,dem schweizerischen gemeinnützigen Frauen-

238 verein für die von ihm veranstalteten Koch-, Haushaltungs- und Dienstbotenkurse einen einmaligen Beitrag von Fr. 2000 zu gewähren". Der Vorschlag wurde vom Rat am 7. Dezember 1892 angenommen, und der Kredit, nachdem er zuerst beim Departement des Innern eingestellt worden, endgültig in der Rubrik F. Industrieund Landwirtschaftsdepartement, VII. Verschiedenes (Budget für 1893) untergebracht.

In dea Jahren 1893 und 1894 wandte sich der Frauenverein neuerdings an die Bundesbehörden, um die Einstellung eines Bundesbeitrages in das eidgenössische Budget zu erlangen; in der That wurde in demjenigen für 1894 der Betrag von Fr. 2000 wieder aufgenommen (s. unsere Budgetbotschaft, Bundesbl. 1893, IV, 769); das Budget für 1895 ist noch in Behandlung. Der Bundesbeitrag von Fr. 2000 für 1893 wurde vom Verein zu gleichen Teilen den Haushaltungs- und Dienstbotenschulen von Lenzburg, Bern (Ruhigen), Boniswyl und Meggen zugewandt, derjenige von Fr. 2000 für 1894 mit Fr. 500 an die Dienstbotenschule Lenzburg und mit je Fr. 750 an die Koch- und Haushaltungsschulen Boniswyl und Rubigen verteilt. Der rührige Vorstand des schweizerischen gemeionützigen Frauenvereins begleitet eines seiner Gesuche um BundesunterstUtzung (29. Mai 1894) mit folgenden eindringlichen Worten : ,,Wir glauben, mit unentgeltlicher Aufnahme von aller Mittel und Protektion baren Zöglingen einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen und jungen Mädchen -- ohne diese Hülfe moralischem Untergang anheimfallend -- den sichern Weg zu weisen, durch Anstrengung ihrer körperlichen und geistigen Kräfte, durch Belehrung und Arbeit sich eine rechte Existenz zu schaffen.

,,Wir machen Sie, hochgeachteter Herr Bundesrat, an dieser Stelle aufmerksam auf den Unterschied der Unterstützungen, die Sie für Erziehung und Ausbildung der männlichen Jugend gewähren; wir machen Sie auch aufmerksam auf das sich allerorts kundgebende Streben, den Frauen zu ihren Rechten zu verhelfen.

Wir bitten nicht um Machtstellungen im Staat, wir bitten nur um Gleichberechtigung der weiblichen Jugend mit der männlichen Jugend insoweit, daß derselben die gleiche väterliche Bundes-Fürsorge zu teil werde und ebenfalls jährlich wiederkehrende bescheidene, aber bestimmte Unterstützungen zu ihrer Ausbildung gewährt werden möchten.

,,Diese Ausbildung soll sie befähigen, als M u t t e r die
Kinder zu erziehen zu einfachen, mäßigen, arbeitskräftigen Bürgern, als H a u s f r a u durch unermüdliche Thätigkeit, durch Pflichttreue und milden Sinn die Familie zur Stätte des Friedens und des Glückes zu machen.11

239 Werfen wir noch einen Blick auf den g e g e n w ä r t i g e n S t a n d des w e i b l i c h e n B i l d u n g s w e s e n s in unserm Lande.

Willkommenen Aufschluß giebt hierüber die in der schweizerischen Zeitschrift für Gemeinnützigkeit (31. Jahrgang, Heft 4) abgedruckte Arbeit von Rud. D i e t r i c h , Archiv-Sekretär des Pestalozzianums in Zürich, betitelt: ,,Die schweizerischen Schulen und Kurse für allgemeine, hauswirtschaftliche und berufliche Fort- oder Ausbildung des weiblichen Geschlechts nach Erhebungen in den Jahren 1891 und 1892". Nach den Feststellungen dea genannten Autors, die er allerdings nicht als ganz vollständige betrachtet wissen will, finden sich in den verschiedenen Kantonen vor: Fortbildungsschulen mit hauswirtschaftlicher Ausbildung . . 1 3 Handarbeitsschulen ohne Haushaltungskunde 27 Handarbeitsschulen mit Haushaltungskunde 6 Haushaltungs- und Kochschulen 14 Dienstbotenschulen 3 Abteilungen an Gewerbe- und andern Schulen 9 S c h u l e n 72 Näh- und Flickkurse Glättekurse Haushaltungs- und Kochkurse

9 8 14 K u r s e 31

In unserer Aufzählung lassen wir die eigentlichen Frauenarbeitsschulen, weil sie schon unter dem Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 stehen, sowie einige hier weniger in Betracht fallende Anstalten weg.

Von den 72 Schulen und 31 Kursen sind gegründet oder unternommen durch Private . . . 14 Schulen, 9 Kurse, ,, Vereine . . . 28 ,, 18 ,, ,, Gemeinden . . 39 ,, 3 ,, ,, Kantone . . . l ,, l ,, und zwar in den Jahren von 1880 14 Schulen, -- Kurse, ,, 1880--1884 . . 14 ,, l ,, ,, 1885--1889 . . 31 ,, 8 ,, 1890--1892 . . 13 ,, 22 ,, Von Gemeinden wurden 47 Schulen und 8 Kurse, ,, Kantonen ,, 53 ,, ,, 5 ,, unterstützt.

240

Unentgeltlichen Unterricht boten . . . 46 Schulen, 11 Kurse, vorwiegend unbemittete Schülerinnen wiesen auf 42 ,, 13 ,, Der Gesamtaufwand für alle diese Anstalten konnte nicht ermittelt werden.

Aus unserer bisherigen Darstellung dürfte sich schon ergeben, daß die Verhältnisse nach Herbeiziehung des Bundes zur Mitwirkung auf dem besprochenen Gebiet drängen. Der springende Punkt ist auch in diesem, wie in vielen andern Fällen, die von ihm zu leistende finanzielle Unterstützung, jedoch darf schon hier erwähnt werden, daß dem Bund wohl auch ein gewisser Einfluß auf den von ihm zu subventionierenden Zweig weiblicher Bildung zuzusprechen ist, ja dali sich dieser Einfluß von selbst einstellen wird, wenn ihn der Bund nur geltend machen will, wie es auf dem bisher von ihm kultivierten Gebiet der gewerblichen und industriellen Berufsbildung der Fall ist. Zu hüten hat man sich allerdings vor bureaukratischem oder pedantischem Hineinregieren, denn besonders die Anstalten für hauswirtschaftliche Bildung bedürfen für ihr Gedeihen freie Bewegung und das bisher für sie rege Interesse privater und lokaler Gemeinnützigkeit darf nicht lahmgelegt werden.

Wir halten nun in der That die S u b v e n t i o n i e r u n g der Schulen und Kurse, welche der praktischen Bildung des weiblichen Geschlechts dienen, durch den Bund für w ü n s c h e n s w e r t und für b e r e c h t i g t . Hierbei möchten wir, diesen Grundsatz einmal angenommen, keinen Unterschied machen in Bezug auf Aller und Civilstaud derjenigen Personen, denen die Hülfe des Bundes zu gute käme, und zu letzterer die der allgemeinen Schulpflicht entwachsene Jugend ebenso zulassen, wie solche, welche schon längere Zeit in einem Berufe oder in einer Haushaltung stehen, den ledigen Dienstboten ebenso wie die verheiratete Fabrikarbeiterin.

Es sind verschiedene Paktoren, welche für die Beurteilung der Frage, ob der Bund mit seinen Mitteln der weiblichen Berufsbildung näher treten solle, in Betracht fallen. Die besteheudeu Anstalten (Schulen und Kurse) haben im großen und ganzen einen rein gem e i n n ü t z i g e n C h a r a k t e r und werden durch freiwillige Leistungen philanthropischer Kreise, durch Beiträge von Gemeinden und Kantonen, durch persönliche Aufwendungen (Schul- und Kursgelder) der Beteiligten unterhalten. Nur sehr wenige dienen ihren lohabern als
Erwerbsquelle; diese kommen hier nicht in Frage, denn nach unserm Dafürhalten kann von Mitwirkung des Bundes bei solchen Unternehmungen, die rein g e s c h ä f t l i c h e r N a t u r sind, n i c h t die Rede sein ; durch Prüfung der jeweiligen finanziellen Verhältnisse werden diejenigen, welche unter diese Voraussetzung fallen, gegebenenfalls leicht auszuscheiden sein.

241 Man hat nun den bestimmten Eindruck, daß die private Thätigkeit, weiche in anerkennenswerter Weise das weibliche Bildungswesen in den letzten Jahren zu heben trachtete, wegen Mangel an weitern Hülfsquellen Mühe hat, das Errungene festzuhalten und auszubauen, und daß jedenfalls neue Fortschritte mit vermehrten Schwierigkeiten ökonomischer Natur zu kämpfen haben werden.

Die Hülfeleistung des Bundes erscheint daher von diesem Gesichtspunkte aus wohlangebracht, indem es sich um den Fall des wirklichen Bedürfnisses handelt.

Auf der andern Seite verfolgen die in Frage stehenden Anstalten Kiele, deren Verwirklichung an sich z w e c k m ä ß i g und w ü n s c h e n s w e r t ist und der Gesamtwohlfahrt dient. Sie vermitteln Kenntnisse und Fertigkeiten, welche von der allgemeinen Schule nicht gelehrt werden, über welche das weibliche Geschlecht aber verfügen muß. Die Erlernung in der Familie ist häufig aus Gründen, die wir hier nicht erörtern wollen, ausgeschlossen oder ungenügend, und so ist wirklich das Vorhandensein und die Gründung von Institutionen, die in die Lücke treten, ein dringendes Erfordernis. Die oben erwähnte Dietrich'sehe Zusammenstellung zeigt, daß dies bei uns in weit verbreiteten Kreisen stark empfunden wird. Hier werden junge Mädchen in rationeller, den Verhältnissen unseres Landes angepaßter Weise zu D i e n s t b o t e n herangebildet, während bisher über die Qualität dieser Haushaltungsangehörigen die Klagen sich stets vermehrten, und auch intensive Einwanderung eioheimisehen Töchtern zuvorkam und den Erwerb vorwegnahm.

Dort lernen Frauen und Mädchen die kundige Führung von H a u s h a l t und K ü c h e ; es ist sattsam bekannt, wie sehr dieser wichtige Zweig unserer Volkswirtschaft in weiten Kreisen vernachlässigt wird, und welch gewaltiger Schaden in moralischer und ökooomischer Beziehung daraus entsteht; die Schaffung von Gelegenheiten, wo das Versäumte nachgeholt werden kann, ist um so mehr zu fördern, als sie vorwiegend der unbemittelten Bevölkerung zu gute kommt, welche, wie die Töchter vieler Arbeiterfamilien, weder die finanziellen Mittel noch die Lehre finden, wo sie die nötigen Kenntnisse sich verschaffen könnten. Die Schulen und Kurse für weibliche H a n d a r b e i t aller Art füllen ebenfalls eine stark empfundene Lücke aus und vervollständigen die Reihe der Anstalten,
welche es sich zur lobenswerten und zeitgemäßen Aufgabe machen, der auf die Arbeit angewiesenen weiblichen Bevölkerung die Erfüllung ihrer Pflichten und ihres Berufes zu ermöglichen, die Wohlfahrt der Familie dadurch in ethischer und .materieller Beziehung zu fördern und die Lebensführung des Volkes auf eine rationelle und gesunde Bahn zu leiten.

242

Hierbei lassen sich zwei Personengruppen unterscheiden..1; Die eine umfaßt diejenigen, welche die Unterrichtsresultate nur fUr den h ä u s l i c h e n B e d a r f d e r e i g e n e n F a m i l i e verwenden wollen; die andere macht sie dem Zwecke p e r s ö n l i c h e n E r w e r b e s dienstbar, d. h. sie sucht sie durch Ausübung eines Berufes zu verwerten. Beide Gruppen lassen sich in der Praxis nicht genau trennen, vielmehr gehen sie ineinander über, indem ein Mädchen z. B. durch Verheiratung der Erwerbsthätigkeit enthoben werden kann, während ein anderes aus der Familie heraus in dienende oder überhaupt erwerbende Stellung versetzt wird. Auch die bestehenden Schulen und Kurse verfolgen nicht rein entweder die eine oder die andere Richtung, offenbar gerade mit Rucksicht auf die zu Unterrichtenden selbst, indem diese sehr oft nicht in der Lage sind, sich von vornherein für die eine oder andere zu entscheiden, und noch in der Ungewißheit sind, wie ihr späteres Lebensschicksal sich gestalten werde.

Wir gelangen durch diese Erwägungen hinüber auf den Boden des B u n d e s b e s c h l u s s e s b e t r e f f e n d die g e w e r b l i c h e und i n d u s t r i e l l e B e r u f s b i l d u n g , vom 27. Juni 1884. Er findet schon längst Anwendung auf einen Teil weiblicher Berufsbildung, indem auf Grund desselben Frauenarbeitsschulen (in Zürich, Bern, Basel, St. Gallen, Chur), gewerbliche Fortbildungsschulen für Töchter (in Winterthur, Herisau, Chaux-de-Fonds, Neuenburg), weibliche Kurse an andern Anstalten (z. B. an kunstgewerblichen Fachschulen), ebenso auch isolierte Kurse verschiedener Art (für Handstickerei, Maschinennähen etc.) vom Bund subventioniert werden.

Nach strenger Interpretation kommt der genannte Bundesbeschluß nur der Ausbildung für einen gewerblichen oder industriellen Beruf, z. B. in den Branchen Konfektion, Lingerie, Kunststicken, Porzellanmalen, zu gute, aber es ging nicht, sich an diesen engen Rahmen zu halten, wollte man überhaupt die soeben genannten Anstalten, wie sie es verdienten, unterstützen, und zwar aus dem Grunde, weil an diesen Schulen und Kursen von jeher neben den der Berufserlernung sich Widmenden auch solche sich befinden, die das hier zu Erlernende nur für die Familie, den Haushalt oder die eigene Person, also nicht zu Zwecken des Erwerbes verwerten wollen,
welche man aber vernünftigerweise von einer der Anstalt als Ganzem zugesprochenen Subvention nicht ausschließen konnte.

Es wurde also der weitherzigere Standpunkt eingenommen, und es darf hier wohl betont werden, daß auch W ü r t t e m b e r g und S a c h s e n von Staats wegen die Anstalten für weibliche Bildung, namentlich auch in Hinsicht auf ihre Bestrebungen für Haushalt und Familie, unterstützen. Außerdem werden in den b e r e i t s s u b v e n t i o n i e r t e n A n s t a l t e n zum Teil Fächer (wie Haushaltungs-

243 künde, Flicken, Glätten, Buchführung etc.) gelehrt, die auch in den bisher nicht berücksichtigten Anstalten für weibliche Bildung betrieben werden, ein Verhältnis, welches unbedenklich als ein unbilliges betrachtet werden kann, insofern, als den einen die Unterstützung des Bundes vergönnt, den andern versagt war. Es kommt hinzu, daß, wie schon bemerkt, die Koch-, Haushaltungs-, Dienstboten-, Handarbeitsschulen und -kurse zu einem sehr wesentlichen Teil im Dienst der ärmern Bevölkerung stehen, welche doch wohl auf die Mithülfe des Bundes noch mehr Anspruch hat, als besser situierte Kreise, welche in der Lage sind, ihre Angehörigen die Techniken, die technisch- und kunstgewerblichen Fachschulen, die Frauonarbeitsschulen u. s. w. passieren zu lassen.

Zieht man also in Betracht, was jetzt schon von Bundes wegen für diejenigen Anstalten geleistet wird, welche unter den Bundesbeschluli vom 27. Juni 1884 gestellt wurden, so ist es nur billig und konsequent, noch einen Schritt weiter zu gehen und a l l e Anstalten für hauswirtschaftliche und berufliche B i l d u n g , welche wir oben bezeichnet haben, ebenfalls in denselben einzubeziehen und der Fürsorge des Bundes teilhaftig werden zu lassen. Es ist nämlich sehr wünschenswert, den Erlaß eines neuen Bundesbeschlusses, beziehungsweise die Revision des bestehenden, zu vermeiden, um nicht alle möglichen Begehren zu wecken und eventuell Errungenes zu gefährden ; nach unserer Ansicht kann aber das Ziel durch eine bloße I n t e r p r e t a t i o n des b e s t e h e n d e n B e s c h l u s s e s erreicht werden. Erhebliche Schwierigkeiten stehen dem vorgeschlagenen Verfahren nicht im Wege, und die Modalitäten des Bundesbeschlusses .lassen sieh auch auf die neuen Anstalten anwenden ; namentlich wird es zweckmäßig sein, die letztern in diesem Sinne zu behandeln in Bezug auf die Höhe der Bundessubvention (Art. 4. ,,Die Beiträge des Bundes belaufen sich je nach dem Ermessen des Bundesrates bis auf die Hälfte der Summe, welche jährlich von den Kantonen, Gemeinden, Korporationen und Privaten aufgebracht wird.") und auf die Sicherung der bisherigen Leistungen (Art. 7. ,,Die Beiträge des Bundes dürfen keine Verminderung der bisherigen Leistungen der Kantone, Gemeinden, Korporationen und Privaten zur Folge haben; sie sollen vielmehr dieselben zu vermehrten Leistungen
auf dem Gebiete der gewerblichen und industriellen Berufsbildung veranlassen.tt). Folgende Zahlen mögen zeigen, welchen Erfolg diese Grundsätze bisher aufweisen; es darf angenommen werden, dali die Subventionierung der neu hinzukommenden Anstalten für praktische Bildung des weiblichen Geschlechts die nämlichen erfreulichen Resultate aufweisen werde.

244

Jahr.

Zahl der vom Bund subventionierten Gesamtausgaben.

Bildungsanstalten.

Fr.

Beiträge von Kantonen, Gemeinden, Korporationen und Privaten.

Bundesbeiträge.

Fr.

Fr.

1884

43

438,234. 65

304,674.65

42,609. 88

1885

86 98 110 118 125 132 139 156 177

811,872.16

517,895.38

151,940. 22

958,569. 70

594,045. 64

200,375. 25

1,024,462.84

636,751. 62

219,044. 68

1,202,512.29

724,824. 01

284,257. 75

1,390,702. 29

814,696. 77

321,364. --

1,399,986. 67

773,614. 30

341,542. 25

1,522,431. 10

851,567. 67

363,757. --

1,750,021.99

954,299. 70

403,771. --

1,764,069.52

981,137. 12

447,476. --

12,262,863. 21 7,153,506. 86

2,776,138. 03

1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1884

)is 1893

Der Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 bestimmt nun in Art. 2: ,,Als (subventionierbare) Anstalten für die gewerbliche und industrielle Ausbildung sind zu betrachten: ,,Die Handwerkerschuleo , die gewerblichen Fortbildungs- und Zeichnungsschulen, auch wenn sie in Verbindung mit der Volksschule stehen; die höhern industriellen und technischen Anstalten, die Kunst- und Fachschulen, die Muster-, Modell- und Lehrmittelsammlungen, die Gewerbe- und Industriemuseen.tt Die Anstalten, welche wir hier ebenfalls unterbringen möchten, sind allerdings in Art. 2 nicht ausdrücklich genannt, dagegen widerspricht deren Unterstellung nicht dem Sinne des letztern. Sie bezwecken auch die ,,Berufsbildung 1 * (s. Art. l des Bundesbeschluases), und zwar teilweise ebenfalls ,,gewerbliche Berufsbildung" nicht des männlichen, aber des weiblichen Geschlechts, das wohl in diesen Fragen Anspruch auf Gleichbehandlung mit jenem hat. Überdies

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müssen nach Lehrzweck und Organisation die für die praktische Thätigkeit des weiblichen Geschlechts in Gewerbe und Haushalt vorbildenden Schulen und Kurse als K o r r e l a t der in A r t . 2 g e n a n n t e n g e w e r b l i c h e n F o r t b i l d u n g s - u nd F a c h s c h u l e n betrachtet werden.

Eine T r en n u n g etwa der mehr den gewerblichen Charakter tragenden Dienstboten- und Handarbeitsschulen von den Koch- und Haushaltungsschulen und eine verschiedene administrative Behandlung (Zuweisung der Dienstboten- und Handarbeitsschulen an das Industrie- und Landwirtschaftsdepartement, der Koch- und Haushaltungsschulen an das Departement des Innern) ist nicht thunlich, da die vorhandenen Anstalten selbst sich nicht in diesem Sinne gruppieren lassen; so sind z. B. die Haushaltungsschulen in Buchs und Boniswyl zugleich auch Dienstbotenschulen, während die Dienstbotenschule in Lenzburg gleichzeitig auch Koch- und Haushaltungsschule ist, welches Ineinandergehen der Unterrichtszwecke jeweilen durch die Verhältnisse selbst bedingt ist.

Offenbar ist es ferner aus didaktischen wie praktischen Gründen wünschenswert, daß alle diese Anstalten einer sachkundigen I n s p e k t i o n und K o n t r o l l e unterstellt werden, ähnlich der vom Bunde organisierten, sich gut bewährenden Inspektion der bisher subventionierten gewerblichen und industriellen Bildungsantalten.

Die Inspektion muß ebenfalls von Bundes wegen organisiert werden und kann vernünftigerweise nur von einem, nicht von zwei Departementen ausgehen, wenn sie, wie es notwendig erscheint, nach e i n h e i t l i c h e n Gesichtspunkten erfolgen soll; voraussichtlich würde sich eine rein fachliche Inspektion aller subventionierten weiblichen Bildungsanstalten am meisten empfehlen.

Im Interesse geordneter objektiver Behandlung des Gegenstandes und sicherer Regelung der Verantwortlichkeitsverhältnisse ist es auch, daß die Vermittlung der K a n t o n s r e g i e r u n g e n beibehalten wird; inwieweit gemeinnützige Gesellschaften zur Mitwirkung herbeigezogen werden könnten, wird die künftige Praxis lehren, jedenfalls dürfte es nicht zweckmäßig sein, in dieser Beziehung sich zum voraus die Hände zu binden. Es sei hier noch bemerkt, daß wir vorläufig auch mit dem bisherigen V o l l z i e h u n g s r e g l e m e n t vom 27. Januar 1885 auszukommen
glauben und für dessen allfällige Revision die zu machenden Erfahrungen vorbehalten.

Endlich erwähnen wir, daß nach unserer Auffassung die Kandidaten, beziehungsweise Kandidatinnnen für ein L e h r a m t an den neu zu subventionierenden Anstalten die nämliche Behandlung, d. h. Unterstützung erfahren sollen, wie sie in Art. 5, Absatz 3, Bundesblatt. 46. Jahrg. Bd. IV.

17

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des Bundesbeschlusses und Art. 5 des Reglements vorgesehen ist.

Ausgeschlossen ist, nach Analogie der bisherigen Praxis, die Beteiligung des Bundes an der Ausbildung von Arbeitslehrerinnen für die Volksschule, da letztere unbedingt nicht, in den Rahmen jenes Beschlusses fällt, sondern nach dessen eigenem Wortlaut und Sinn von der Subventionierung und Aufsicht des Bundes auf dieser Grundlage ausgeschlossen ist.

Da genauere Anhaltspunkte fehlen, müssen wir es unterlassen, über die aus der Verwirklichung unseres Vorschlages sich ergebende f i n a n z i e l l e B e l a s t u n g des Bundes eine Berechnung aufzustellen ; so viel dürfte mit einiger Sicherheit gesagt werden, daß die von der Fortbildungsschulkommission der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft ermittelte Summe (siehe oben) in den ersten Jahreo schwerlich erreicht würde. Der nötige Kredit wird auf Grund detaillierter Gesuche auf dem Budgetwege nachzusuchen sein.

Unser A n t r a g geht dahin, es sei d e r B u n d e s b e s c h l u ß v o m 2 7 . J u n i 1884 b e t r e f f e n d d i e g e w e r b l i c h e u n d industrielle Berufsbildung dahin zu interpretieren, daß ihm auch die A n s t a l t e n für die p r a k t i s c h e Ausbildung des weib.lichen Geschlechts, wie K o c h - , Haushaltungs-, Dienstboten-, Handarbeitsschulen u n d - k u r s e , u n t e r s t e l l t seien.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 23. November 1894.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: E. Frey.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

--i-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Unterstützung von Koch-, Haushaltungs-, Dienstboten- und Krankenwärterkursen durch den Bund (Postulat vom 28. März 1893). (Vom 23. November 1894.)

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1894

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

51

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.12.1894

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229-246

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