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Schweizerisches Bundesblatt.

43. Jahrgang. L

Nr. 10.

11. März 1891.

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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs des Giuseppe Messi von Beride gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 2. Januar 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister der Gemeinde Biogno e Beride.

(Vom 5. März 1891.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Giuseppe M e s s i fu Domenico von Beride gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 2. Januar 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister der Gemeinde Biogno e Beride ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse:

I.

Mit Dekret vom 2. Januar 1891 hat der Staatsrath des Kantons Tessin die Streichung des Rekurrenten im Stimmregister der Gemeinde Biogno e Beride verfügt, gestützt darauf, daß aus der angehobenen Untersuchung sich ergebe, daß derselbe seit zirka 8 Jahren abwesend sei, während welcher Zeit er nur zweimal auf die Dauer von je 8--14 Tagen, sich wieder zu Hause eingefunden habe.

II.

Gegen diesen staatsräthlichen Beschluß ergriff Giuseppe Messi mittelst Eingabe vom 25. Januar 1891 den Rekurs an den Bundesrath.

Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. I.

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Er führt aus: Es sei allerdings richtig, dass er nach Italien ausgewandert sei, um dort sein Grundeigentum .zu bewirtschaften ; allein seit 1888 sei er jedes Jahr heimgekehrt, und zwar jeweilen auf länger als einen Monat; im Jahre 1890 habe er im April einige Zeit und nachher wieder die Zeit vom l, Oktober bis zum 12. November zu Hause zugebracht.

In Italien habe er keine Familie, in Beride aber lebe er mit seinem Bruder zusammen.

Seine Ausschließung sei einfach das Werk politischer Ungerechtigkeit und Parteilichkeit.

Während man ihn als Liberalen unerbittlich ausgeschlossen habe, seien dagegen mit staatsräthlichem Dekret vom gleichen Tage (2. Januar 1891) die Herren Luigi und Francesco Marceli fu Lorenzo im Stimmregister festgehalten worden, weil sie, wie es im Dekrete heißt, ,,zu Biogno di Beride Haushalt führen und sehr häufig dahin zurückkehren".

Das Gegentheil sei thatsächlich richtig! Die Brüder Marceli befinden sich seit etlichen Jahren mit ihren Frauen und Kindern in Italien, der eine in der Provinz Bergamo, der andere in der Provinz Pavia, wo sie, von einander getrennt, eigene Geschäfte betreiben und den festen Sitz ihrer Haushaltungen haben. Wenn sie etwa einmal den Heimatkanton besuchen, so kommen sie allein, indem sie ihre Familien in Italien zurücklassen, und halten sich nicht länger als höchstens 8--10 Tage daheim auf.

Der Kekurrent verlangt: 1. Seine Wiedereinschreibung im Stimmregister von Biogno e .Beride.

2. Die Streichung der Brüder Luigi und Francesco Marceli fu Lorenzo in demselben Stimmregister.

3. Die Bestrafung der Urheber der falschen Angaben über seine, ·des Rekurrenten, Verhältnisse.

III.

In einer Fjrklärung vom gleichen Tage (25. Januar 1891) bezeugt der Sindaco und der Gemeindeschreiber von Biogno e Beride im Namen des Gemeinderathes, daß zufolge eingezogener Erkundigungen und nach den erforderlichen Feststellungen Herr Giuseppe Messi fu Domenico, ledig, seit drei Jahren seinen Aufenthaltsort zwischen Bonate (Provinz Bergamo) und seiner Heimatgemeinde wechsle und daselbst jeweilen während Perioden, welche einen Monat übersteigen,

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verweile, und daß derselbe zuletzt in Beride vom 1. Oktober bis zum 12. November 1890 mit seinem Bruder in dessen Haus zusammen gelebt habe, da er weder hier noch in Italien eine eigene Familie habe.

IV.

Per Staatsrath bemerkt in seiner Zuschrift an den Bundesrath ·vom 7. Februar 1891: , .

.

Aus der Untersuchung, deren Ergebnisse dem .staatsrätblicheu Dekrete zur Grundlage dienten, ist hervorgegangen, daß der Bekurrent seit zirka 8 Jahren den Sitz seines Hauswesens zu Sonate (Provinz Bergamo) aufgeschlagen hat, wo er sich beständig aufhält, indem er nach langen Zwischenräumen jeweilen nur für wenige Tage 'in1 seine Heimat zurückkehrt. Zu Biogno di Beride besitzt er kein eigenes Absteigequartier, weßhalb er genöthigt ist, die wenigen Tage seines Aufenthaltes in der Heimat im Hause seines Bruders zu verbringen, mit welchem er indessen nicht in Gütergemeinschaft lebt.

Auch bei Annahme der Richtigkeit der vom Gemeinderath von Biogno e Beride bezeugten Umstände wäre .der Rekurrent mit Recht ausgeschlossen worden, da er einerseits unzweifelhaft den Sitz seines Haushaltes im Auslande hat, andrerseits die Heimkehr für einen Monat im Jahre nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 3 der Uebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 5. Dezember 1890 nicht genügen würde, um ihn als einen Bürger erscheinen zu lassen, der den Sitz seines Haushalts zwischen dem Ausland und Biogno e Beride wechselt, um so mehr, als, wie schon bemerkt, der Rekurrent zu Biogno-Beride keinen eigenen Haushalt führt, sondern bloß bei seinem Bruder zu Gaste ist.

Nun sind aber die Erklärungen des Gemeinderathes weit entfernt davon, dem wirklichen Sachverhalt zu entsprechen. Der Beweis liegt darin, daß der Sindaco Euspini, in der vom Staatsrath angehobenen Untersuchung als Zeuge vernommen, ausgesagt hat was folgt : ,,Messi Giuseppe fu Domenico ist seit ungefähr 8 Jahren abwesend, während welcher Zeit er mehrmals heimkam, jedesmal für 8 oder 14 Tage.

Anläßlich der Abstimmung vom 5. Oktober kam er ebenfalls nach Hause und verblieb daselbst bis zu den ersten Tagen des November.

,,Bei seinem Aufenthalt im Kanton steigt er bei seinem Bruder ab. Er selbst wohnt in Sonate (Bergamo), wo er Grundeigentum besitzt, aus dessen Ertrag er lebt.a Durchaus verschieden hievon ist nach den Ergebnissen der Untersuchung die Lage der Herren Gebrüder Marceli, deren Streichung der Rekurrent verlangt. Dieselben haben beständig in der Gemeinde

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Biogno-Beride den Sitz ihrer Haushaltung und kehren alljährlich für länger als einen Monat dahin zurück, befinden sich somit in den von Art. 3, letztes Lemma, der Uebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 5. Dezember 1890 vorgesehenen Verhältnissen; in Erwägung: 1. Der Staatsrath des Kantons Tessin legt seinem Entscheide die Erwägung zu Grunde, daß der Rekurrent nicht als ein sogenannter ,,Alternante "·, d.h. als eüiBürger angesehen werden könne, der zwischen dem Auslande und einer Gemeinde. des Heimatkantons den Sitz seiner Haushaltung wechsle, da derselbe in der Heimat keine eigene Haushaltung führe und jeweilen, in den letzten 3 Jahren, für Perioden von höchstens einem Monat, als Gast seines Bruders nach Hause gekommen. Die Kantonsbehörde erblickt dagegen in den Verhältnissen der Gebrüder Marceli die Voraussetzungen der Zulassung zum Stimmrecht nach Maßgabe der Littera e des Art. 3 der Uebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 5. Dezember 1890.

Diese Littera c bestimmt, daß diejenigen, welche sich nicht in den von Litt, a und 6 des genannten Artikels, vorgesehenen Verhältnissen befinden, d. h. weder im Auslande eine feste Anstellung belleiden, die ihren beständigen Aufenthalt dort erfordert, noch den Sitz ihrer Haushaltung im Auslande aufgeschlagen haben, welche aber seit mehr als 4 Jahren beständig im Auslande leben, als im Auslande ^wohnhaft vom Stimmrecht auszuschließen seien, es wäre denn, daß sie dazwischen für Zeiträume von mehr als einem Monat, heimkommen.

Nun sind aber die Gebrüder Marcoli, wie vom Staatsrathe nicht bestritten wird, mit ihren Familien im Auslande fest angesessen; sie fallen somit unter Litt, b des Gesetzes, und es ist wohl nur einem Versehen zuzuschreiben, wenn der Staatsrath Litt, c auf sie anwendbar erachtet; der Staatsrath erklärt jedoch, daß die Marcoli auch in Biogno e Beride einen eigenen Haushalt führen, mag auch ihr heimatlicher Aufenthalt jeweilen nicht länger als etwas über einen Monat dauern.

Daraus ergibt sich, daß die Kantonsbehörde für die Annahme des eigenen Haushaltes (economia domestica) auch eine kurze Aufenthaltsdauer als zureichend erachtet, wenn nur die übrigen objektiven Merkmale dieses Begriffes vorhanden sind.

Der Bundesrath schließt sich dieser Auffassung um so bereitwilliger an, als das Gesetz a. a. 0. gänzlich davon absieht, für den Begriff -des Sitzes der Haushaltung eine zeitliche Dauer des Aufenthaltes in der Heimat zu .verlangen, und zwar, wie der Bundesratli glaubt, mit vollem Kecht.'

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2. Nach dem Gesagten erscheint der Ausschluß des Rekurrenten vom Stimmregister zu Bioguo-Beride als begründet. Denn der Rekurrent hat erwiesener Maßen den festen Sitz seines Haushalts im Auslande, im Inlande aber führt er keine eigene Haushaltung.

Was das Begehren des Rekurrenten um Ausschließung der Gebrüder Marcoli anbetrifft, so ist zu bemerken, daß nach den Akten der Rekurs gegen deren Eintragung im Stimmregister nicht vom Kekurrenten ausgegangen ist, der Bundesrath also nicht als obere Kekursbehörde von ihm angerufen werden kann.

Zu einem Einschreiten ex officio gegen den Staatsrathsbeschluß in Sachen Marcoli sieht sich der Bundesrath, da er die Gesetzesauslegung der Kantonsbehörde nicht beanstanden und die thatsächlichen Angaben derselben nicht in Zweifel ziehen will, nicht veranlaßt, beschlossen: 1. Der Eekurs des Giuseppe Messi betreffend seine Ausschließung vom StimniTegister der Gemeinde Biogno-Beride wird abgewiesen.

2. Auf das Eekursbegehren betreffend die Streichung der Gebrüder Marcoli im nämlichen Stimmregister wird nicht eingetreten.

3. Dieser Beschluß ist dem Staatsrathe von Tessin und dem 'Eekurrenten schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 5. März 1891.

Im. Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs des Giuseppe Messi von Beride gegen den Beschluß des tessinischen Staatsrathes vom 2. Januar 1891, betreffend Ausschluß vom Stimmregister der Gemeinde Biogno e Beride. (Vom 5. März 1891.)

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