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Bundesrathsbeschluß über

die Beschwerde der Weinhandlung F. Giger in Béziers (Hérault, Frankreich) gegen ein Urtheil der Polizeikammer des Kantons Bern.

(Vom 15. Juni 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat in Betreff der Beschwerde der Weinhandlung F. G ig e r in B é z i e r s (Hérault, Frankreich), vom 27. Januar 1891, gegen ein Urtheil der Polizeikammer des Kantons Bern vom 10. gl. Monats, gefunden: Der Beschwerdeführer F. Giger verkaufte und lieferte laut Faktur vom 21. Mai 1890 dem Chr. Stucki, Wirth im Rothbad bei Diemtigen, 31 L i t e r C o g n a c und 31 L i t e r R h u m. Durch einen Polizei-Angestellten verzeigt, weil er kein Verkaufspatent besitze, wurde Giger sowohl erstinstanzlich, als auf Berufung hin auch durch die Polizeikammer des bernischen Obergerichts des u n b e f u g t e n K l e i n v e r k a u f s g e i s t i g e r G e t r ä n k e schuldig e r klärt und von der letztern am 10. Januar 1891, in Anwendung des Art. 8 des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser vom 23. Dezember 1886, der §§ 34, Ziffer 3, und 28 des kantonalen Gesetzes über das Wirthschaftswesen und den Hände] mit geistigen Getränken vom 4. Mai 1879, zu einer Geldbuße von Fr. 50 und zu den Kosten gegenüber dem Staate Bern verurtheilt.

Gegen dieses Strafurtheil erhebt der Verurtheilte Giger Beschwerde beim Bundesrathe, indem er nachzuweisen sucht, daß

454 dasselbe mit den angeführten Gesetzesbestimmungen im Widerspruch stehe.

Die Ausführungen der Beschwerde gehen im Wesentlichen dahin: Das kantonale Gesetz vom 4. Mai 1879 bestimme in Art. 28, daß zum Betrieb des Kleinhandels mit geistigen Getränken ein Verkaufspatent erforderlich sei und daß unter Kleinhandel der Verkauf in Quantitäten unter 15 Liter verstanden werde. Schon aus dem nachfolgenden Satze indessen erhelle, daß der Gesetzgeber hiebei an den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle und an den Kleinverkauf über die Gasse gedacht habe und nicht an den Versandt vom Auslande her. Art. 28 bestimme nämlich ferner, daß das Verkaufspatent nur solchen Personen ertheilt werde, welche ,,ehrenfähig, eigenen Rechts und im Besitze eines guten Leumunds"1 seien -- eine Vorschrift, die vernünftigerweise nur auf einheimische Debitanten anwendbar sei und gegenüber ausländischen Verkäufern keinen Sinn habe.

Ferner bestimme der Art. 30 des nämlichen Gesetzes, daß die Verkaufsgebühren zur Hälfte in die Staatskasse und zur Hälfte in die Kasse der Einwohnergemeinde, in deren Bezirk der Verkauf stattfinde, fallen. Da nun die Patentgebühr jährlich zum Voraus für den Verkauf im ganzen Kanton zu entrichten sei und der Kanton Bern einige Hundert Einwohnergemeinden zähle, so sei bezüglich auswärtiger Kaufleute eine Repartition der Hälfte der Patentgebühr auf die Gemeinden nicht denkbar, denn im Augenblicke der Entrichtung der Gebühr könne weder der Kaufmann, noch die Kantonsregierung wissen, ob jener überhaupt ein Geschäft in irgend einer Gemeinde, und eventuell in welcher, abschließen werde, und welche Gemeinden also auf die Hälfte der Patentgebühr Anspruch haben.

Daraus ergebe sich, daß der bernische Gesetzgeber unter Kleinverkauf nur die erwähnten beiden Arten desselben im Auge gehabt habe.

Unterstützt werde diese Ansicht durch den Art. 8 dos Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886, in welchem ausdrücklich bestimmt sei, der Kleinhandel zerfalle in : 1) den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle; 2) den Kleinverkauf über die Gasse.

Das seien also nach eidgenössischem Recht die beiden einzigen Arten von Kleinhandel mit gebrannten Wassern, für welche von den kantonalen Behörden Bewilligungen zu ertheilen und Verkaufssteuern zu beziehen seien.

Danach habe der Beschwerdeführer für die Einfuhr von Qualitätsspirituosen unter 40 Liter im Kanton Bern kein Verkaufspatent

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zu lösen, sondern er sei der Vergünstigung theilhaftig, welche Art. 3 des zitirten Bundesgesetzes enthalte, wonach die Einfuhr von Qualitätsspirituosen gegen Bezahlung der Monopolgebühr nebst Eingangszoll den Privatpersonen gestattet ist.

Eventuell stelle der Beschwerdeführer fest, er habe nicht unter 40 Liter verkauft, sondern die Sendung habe 62 Liter enthalten, allerdings in 2 Qualitäten ; es liege also auch von diesem Gesichtspunkte keine Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vor.

Bndlich stütze er sich auf den französisch-schweizerischen Handelsvertrag und behaupte, derselbe sei durch das Vorgehen der bernischen Gerichte verletzt. Die Beschwerde schließt mit dem Antrag : Der Bundesrath möchte das am 10. Januar abhin durch die Polizeikammer des Kantons Bern wider ihn -- den Rekurrenten -- ausgefällte Strafurtheil aufheben.

Der Bundesrath zieht in E r w ä g u n g : 1. Die Kompetenz des Bundesrathes zur Beurtheilung des vorliegenden Rekurses beruht auf Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung und Art. 59, Absatz 2, Ziffer 3 und 4 und 10, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 27. Juni 1874, und ist bereits durch mehrere vorgehende Entscheide festgestellt worden -- Bundesrathsbeschluß vom 28. Dezember 1889 über den Rekurs von L. Mayer & Cie. (Bundesblatt 1890, I, 57) -- Bundesrathsbeschluß vom 31. Dezember 1889 über den Rekurs von Joseph Schmidt (Bundesblatt 1890, I, 70) -- Bericht des Departements des Innern vom 17. März 1890, vom Bundesrathe genehmigt am 28. gl. Monats (Bundesblatt 1890, I, 863).

Wie aus dem zitirten Rekurs-Entscheid L. Mayer & Cie. hervorgeht, hat sich auch das Bundesgericht (Abtheilung Kassationsgericht) im Sinne der bundesräthlichen Kompetenz ausgesprochen. Dieselbe bedarf also hier keiner weitern Erörterung.

2. Auch die Frage, was ,als K l e i n h a n d e l im Sinne des Art. 8 des Alkoholgesetzes anzusehen sei, ist an maßgebender Stelle wiederholt zur Erörterung gelangt und muß nach diesen Vorgängen als entschieden betrachtet werden.

Der zitirte Art. 8 bezeichnet als G r o ß h a n d e l ,,den Verkauf von gebrannten Wassern aller Art in Quantitäten von mindestens 40 Litern" und als K l e i n h a n d e l ,,den.Handel mit kleinereu Quantitäten". -- Der erstere (Großhandel) ist ein freies Gewerbe, der letztere (Kleinhandel) dagegen an eine kantonale Bewilligung und Verkaufssteuer geknüpft. Diese Bewilligung und Verkaufs-

456 Steuer ist im Kanton Bern vorgesehen und bestimmt durch Art. 28 des Gesetzes über das Wirthschaftsweseu und den Handel mit geistigen Getränken, vom 4. Mai 1879, mit der durch das eidgenössische Alkoholgesetz eingetretenen Modifikation, daß als Kleinhandel nicht mehr, wie dort, der Verkauf in Quantitäten unter 15 Litern, sondern, wie gesagt, der Verkauf in Quantitäten unter 40 Litern gilt.

Der Beschwerdeführer macht nun freilich darauf aufmerksam, daß Art. 8 des Alkoholgesetzes nur den Ausschank «u Ort und Stelle und den Kleinverkauf über die Gasse als die beiden Formen des Kleinhandels benennt, indem er sich dahin ausdrückt: ,,Der Handel mit kleinen Quantitäten (Kleinhandel) zerfällt in: 1) den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle; 2) den Kleinverkauf über die Gasse."

Er folgert daraus, daß aller a n d e r e Kleinhandel (in Quantitäten unter 40 Litern), der nicht in einer dieser beiden Formen auftrete, nicht unter die vorgeschriebene kantonale Bewilligung und Verkaufssteuer falle, sondern ebenfalls, wie der Großhandel, ein freies Gewerbe sei. -- Dieß ist nun aber offenbar nicht der Sinn und die Absicht des eidgenössischen Alkoholgesetzes. Es mag dahingestellt bleiben, was den eidgenössischen Gesetzgeber bewogen habe, die beiden erwähnten Formen des Kleinhandels -- den Ausschauk und den Verkauf über die Gasse -- besonders hervorzuheben; so viel aber ist sicher, daß er nur den G r o ß h a n d e l von gebrannten Wassern, nämlich den Verkauf in Quantitäten von mindestens 40 Litern, als ein freies Gewerbe anerkennen, den K l e i n h a n d e l dagegen, d. h. jeden Verkauf in Quantitäten unter 40 Litern, der fraglichen Bewilligung und Verkaufssteuer unterwerfen wollte. Es liegt auf der Hand, daß die Grenzbestimmung zwischen Großhandel und Kleinhandel keinen Sinn hätte, wenn auch der Verkauf in Quantitäten unter 40 Litern gleich dem Großhandel freigegeben wäre, sobald er nicht in.den erwähnten beiden Formen aufträte.

Diese beiden Formen -- Ausschank und Verkauf über die Gasse -- reichen eben nicht an die vom Gesetze bestimmte Grenzlinie des Großhandels resp. des freien Gewerbes heran und lassen noch Raum für die übrigen Formen des Kleinhandels, welche ebenfalls der kantonalen Kontrole und Taxe unterliegen ; aus dem einfachen Grunde, weil sie jene Grenzlinie des freien Gewerbes (Großhandel) nicht
erreichen. Demgemäß spricht denn auch der folgende Alisatz 3 des Art. 8 nicht mein- vom Klein verkauf über die Gasse, sondern schlechtweg von ,,Kleinverkauf" 1 , unter welchen Begriff, wie gesagt, jeder Verkauf in Quantitäten unter 40 Litern fällt.

Sobald es sich aus dem Gesetze klar ergibt, daß der Gesetzgeber

457 bloß den Großhandel in Branntwein als freies Gewerbe anerkennen wollte, so folgt darau8 zuverlässig, daß er den Kleinverkauf, und zwar den Kleinhandel jeder Art, davon ausschloß.

Es betrifft dies nicht bloß den Import vom Auslande, sondern ebenso sehr auch den Import aus andern Kantonen und den Verkauf im Kanton selbst.

Daß durch diese Vorschriften verschiedene Inkonvenienzen für die auswärtigen wie die einheimischen Spirituosenhändler entstehen, liegt in der Natur der Sache. Der Bundesrath hatte schon früher Veranlassung, bezüglichen Reklamationen näher zu treten, konnte sich aber der Einsicht nicht verschließen, daß die beanstandeten Einschränkungen des Kleinhandels im Willen und in der Absicht des Gesetzgebers lagen.

Ein Bericht des Departements des Innern vom 17. März 1890, vom Bundesrathe genehmigt den 28. gl. Monats (Bundesblatt 1890, I, 863), beschäftigt sich einläßlich mit diesem Gegenstande, insbesondere mit der Ausführung des Art. 8 des Alkoholgesetzes in den Kantonen, bezw. dem Verhältnisse der kantonalen Vorschriften zu dieser Bestimmung des Bundesgesetzes. Daselbst wird gesagt: ,,Die wichtigste und für den Spirituosenhandel folgenreichste dieser Bestimmungen ist die neue, die bisherige Praxis in allen Kantonen verlassende Abgrenzung zwischen Großhandel und Kleinhandel. Der Art. 8 des Bundesgesetzes setzt diese Grenze auf 40 Liter. Was darüber ist, ist Großhandel und frei; w a s auf d i e s e r G r e n z e u n d d a r u n t e r i s t , ist. K l e i n h a n d e l u n d also s o l c h e r b e s c h r ä n k e n d e n B e s t i m m u n g e n u n t e r worfen. Diese neue Abgrenzung ist es, welche den Q u a l i t ä t s s p i r i t u o s e n h a n d e l , der sich j e t z t h a u p t s ä c h l i c h b e k l a g t , in e i n e n e u e L a g e v e r s e t z t hat. W a r e r früher, als die Grenze zwischen Großhandel und Kleinhandel in den Kantonen, wie oben bemerkt, durchschnittlich auf 5 Liter stand, frei, weil dessen Sendungen von Kanton zu Kanton in der Regel 5 Liter überstiegen, so sieht er sich jetzt, wo die Grenze auf 40 Liter gesetzt ist, a l l e n b e s c h r ä n k e n d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r K l e i n h a n d e l u n t e r w o r f e n , da er häufig in den Fall kommt, Quantitäten einer Sorte von Qualitätsspirituosen unter 40 Litern abzugeben. Diese Abgrenzung ist
in allen bezüglichen Gesetzen und Verordnungen der Kantone beobachtet und durchgeführt" (1. c. Seite 867 und 868).

Weiter: ,,Vom Standpunkte des Bundesgesetzes ist ebenfalls nichts einzuwenden, wenn die Kantone jegliche Branntweinabgabe unter 40 Litern, auch wenn es eine von einem andern Kanton herkommende ist, a l s B r a n n t w e i n k l e i n h a n d e l i m K a n t o n

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s e l b s t b e t r a c h t e n u n d b e h a n d e l n . Nur der G r o ß h a n d e l in Quantitäten über 40 Liter ist auch von Kanton zu K a n t o n frei" (1. c. Seite 868).

,,Sind somit die gesetzgeberischen Vorschriften der Kantone über die in Frage stehende Materie kompetent erlassen und stehen dieselben, so verschieden sie sind, weder mit der Bundesverfassung, noch mit dem maßgebenden Bundesgesetz im Widerspruch, so h a t s i c h der S p i r i t u ose n h a n d l e r e i n f a c h n a c h d i e s e n Vors c h r i f t e n zu r i c h t e n u n d k a n n n i c h t g e s c h ü t z t werd e n , w e n n er b e i N i c h t b e a c h t u n g d e r s e l b e n z u r Vera n t w o r t u n g g e z o g e n und b e s t r a f t w i r d " (1. c. Seite 870).

,,Einmal über die Sachlage im Klaren, wird sich der Spirituosenhandel bald über das einzuschlagende Verfahren zurechtfinden.

Da Sendungen in Quantitäten über 40 Liter unbehelligt in alle Kantone gehen, so sieht er seinen Absatz im Großen in keiner Weise beschränkt" (1. c. Seite 872).

,,Auf dem Wege der Interpretation des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser in einer der angegebenen Weisen zu Gunsten des Spirituosen-Kleinhandels zu interveniren, wie die klagenden Händler wünschen, ist nach unserer Ansicht unmöglich. Es könnte dies nur durch ein Bundesgesetz geschehenct (1. c. Seite 872).

,,Durch eine im Laufe der letzten Session der Bundesversammlung gestellte Motion wurde unter Hinweis auf die Unsicherheit und die Erschwerungen, welche durch eine 25fache kantonale Gesetzgebung für den Spirituosen-Kleinhandel von Kanton zu Kanton eingetreten seien, dem Erlaß jenes in Art. 8 vorbehaltenen Bundesgesetzes gerufen. V o m N a t i o n a l r a t h z u e r s t a n g e n o m m e n , wurde sie aber vom Stände rat h und hernach auch vom Natio n a l r a th a b g e l e h n t " (1. c. Seite 873).

Schließlich hebt der Bericht noch besonders hervor, daß es sich bei der mit der Alkoholgesetzgebung bezweckten Reform um E i n d ä m m u n g des Al k o h o l - K o n s ums im Lande und namentlich darum handelte, dieses Genußmittel aus dem regulären Verbrauch der ländlichen Haushaltungen zu vertreiben, wozu die fragliche Belastung des Kleinhandels (außer der Monopolisirung) als geeignetes Mittel erschien (1. c. Seite 876).

Demgemäß kam der Bericht zu dem vom Bundesrathe
genehmigten Antrage : ,,1) Es sei die Anfrage der 6 Kirschwasserfabrikationsfirmen des Kantons Zug dahin zu beantworten, daß S e n d u n g e n von Q, u a l i t ä t s s p i r i t u o s e n u n t e r 4 0 L i t e r n in a n d e r e K a n tone gleich d e m K l e i n v e r k a u f ü b e r die Gasse zu be-

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t r a c h t e n sind u n d d e n d i e ß b e z ü g l i c h e n V e r o r d n u n g e n resp. B e s t e u e r u n g e n u n t e r l i e g e n .

2) Es sei dermalen von der Einbringung eines besondern Buntlesgesetzes über den Kleinverkauf von Spirituosen Umgang zu nehmen."

Durch die Annahme dieses Antrages hat also der Bundesrath in der vorwurfigen Frage bereits Stellung genommen, und muß dieselbe auch für den gegenwärtigen Beschwerdefall als entschieden angesehen werden, da der Beschwerdeführer Giger, wie hienach (Ziffer 6) zu zeigen, keine bessere Stellung beanspruchen kann, als einheimische -- in oder außer dem Kanton niedergelassene -- Spirituosenhändler.

3. Wenn der Kekurrent zur Unterstützung seines Standpunktes den Art. 3 des Alkoholgesetzes anruft, wonach die Einfuhr von Qualitätsspirituosen gegen Entrichtung einer festen Monopolgebuhr nebst Zoll auch Privatpersonen gestattet ist, so darf nicht übersehen werden, daß diese Monopolgebühr nur das Aequivalent gegenüber dem monopolistischen Einfuhrverbot bildet und daß dadurch den Vorschriften des Art. 8 über die Belastung des Kleinhandels nicht derogirt wird. Der besagte Art. 3 delegirt bloß aus verwaltungstechnischen Gründen einen Theil der staatlichen (monopolistischen) Befugnisse an die Privaten, ohne damit diesen Befugnissen den Charakter des Monopols zu nehmen. -Hierauf deuten schon der Zusammenhang des Art. 3 mit den vorhergehenden Artikeln l und 2 des Gesetzes, sowie die Worte ,,Monopolgebühr"1 und ,, a u c h Privatpersonen"1 in Art. 3 selbst. Derselbe stellt nur eine besondere Form des allgemeinen Monopolgedankens dar, er setzt an die Stelle der in ihrem Maße wechselnden Monopolbelastung, welche die Oekonomie des Gesetzes für die gewöhnlichen Branntweine bedingt, für die aus dem Auslande stammenden Qualitätsspirituosen eine feste Monopolgebühr. Es liegt daher kein Grund vor, die Qualitätsspirituosen von den Verkaufssteuern zu entbinden, welche nach Art 8 des Gesetzes die gewöhnlichen Branntweine treffen, und selbst wenn daraus eine stärkere Belastung der Qualitätsspirituosen gegenüber dem gewöhnlichen Branntwein resultirt, so muß betont werden, daß diese stärkere Belastung eine vom Gesetzgeber gewollte ist; hat doch die nationalräthliche Kommission, welche den Monopol-Entwurf einbrachte, die Monopolgebühr des Art. 3 sogar auf Fr. 100
statt der jetzt zum Gesetz gewordenen Fr. 80 per q. fixiren wollen. (Vergleiche Bericht, Protokoll und Antrag der nationalräthlichen Kommission über den ErJaß eines Buudesgesetzes betreffend den Branntwein, d. d. 7. November 1886, insbesondere Seite 9, 10, 17, 18, 44, 50, 51 und 52.J Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. III.

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Die Vergünstigung des Art. 3 schließt deßhalb die Anwendung des Art. 8 des Alkoholgesetzes nicht aus, was um so mehr in die Augen springt, wenn man den einheimischen Handel mit nicht bundessteuerpflichtigen Spirituosen, der den Beschränkungen des Art. 8 ebenfalls unterliegt, damit in Parallele setzt.

4. Der Rekurrent erhebt ferner e v e n t u e l l den Einwand, er habe nicht unter 40 Litern verkauft, die Sendung habe vielmehr, allerdings in zwei verschiedenen Qualitäten, 62 Liter ausgemacht.

Allein auch diese Frage ist vorn Bundesralhe schon wiederholt in dem Sinne entschieden worden, daß es nicht als Großhandel anzusehen sei, wenn mehrere Sorten von Spirituosen, jede in kleinem Quantitäten als 40 Liter, zusammen aber dieses Mali erreichend oder übersteigend, auf einmal an den Käufer abgegeben werden (Rekursentscheid L. Mayer & Cie., vorn 28. Dezember 1889, dito in Sachen Joseph Schmidt, vom 31. gl. Monats -- Bundesblatt 1890,1, Seite 57 und 70 -- Geschäftsbericht pro 1889, Seite 19). Unter Verweisung auf die in den angeführten Entscheiden enthaltenen Motive ist daher auf diesen Einwand nicht weiter einzutreten.

5. Der Rekurrent versucht ferner nachzuweisen, daß der § 28 des bernischen Gesetzes über das Wirthschaftswesen und den Handel mit geistigen Getränken, vom 4. Mai 1879, auf Fälle der vorliegenden Art, nämlich auf den Versandt vom Auslande her, nicht anwendbar sei, sondern bloß den Ausschank zum Genuß an Ort und Stelle und den Kleinverkauf über die Gasse im Auge habe. Allein der Wortlaut des Gesetzes rechtfertigt diese Auslegung nicht, da es lediglich von ,,Kleinhandel" spricht und als solchen jeden Verkauf in Quantitäten unter 15 Litern bezeichnet, welch' letzteres Quantum durch das Alkoholgesetz des Bundes (Art. 8) auf 40 Liter erhöht worden ist. Vergleiche auch die Vollziehungsverordnung vom 6. Juni 1879, Art. 19 und 23.

Wenn der Rekurrent auf die Unzukömmlichkeiten hinweist, welche die Anwendung des zitirten Art. 28 des bernischen Gesetzes auf auswärtige Sprithändler mit sich bringe, nämlich : die persönlichen Requisite der Ehrenfähigkeit, des eigenen Rechts und guten Leumundes, sowie die Vertheilung der Hälfte der Verkaufsgebühren an die Einwohnergemeiude (§ 30 1. c.) -- so kommen diese möglichen Schwierigkeiten interner Natur vom eidgenössischen Standpunkte aus nicht in Betracht. Die
Eidgenossenschaft verlangt vielmehr von den Kantonen, laut dem mehrerwähnten Art. 8 des Alkoholgesetzes, ausdrücklich die Aufstellung von Vorschriften über Bewilligungen zum Kleinverkauf und Festsetzung daheriger Ver-

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kaufssteuern, und da der Kanton Bern andere gesetzliche Bestimmungen hierüber als die angeführten zur Zeit nicht besitzt, so muß vom bundesrechtlichen Standpunkte aus die Anwendung des fraglichen kantonalen Gesetzes auf den Kleinhandel mit Spirituosen nicht bloß als gerechtfertigt, sondern als geboten erachtet werden.

Wenn also die Polizeikammer des Kantons Bern die §§ 28 und 34, Ziffer 3, des mehrgedachten Gesetzes auf den Fragefall angewendet hat, so ist dieß von Bundeswegen nur zu billigen und kann, ungeachtet der angeführten Inkonvenienzen,7 die übrigens nicht bloß O ü für ausländische Händler zutreffen, hierorts nicht beanstandet werden.

6. Die Beschwerde beruft sich auf den französisch-schweizerischen Handelsvertrag und behauptet, ohne weitere Begründung, derselbe sei durch das angefochtene Urtheil verletzt. Es ist indessen nicht einzusehen, worin diese Verletzung bestehen sollte, da Franzosen und Schweizer in Bezug auf den vorliegenden Gegenstand -- Handel mit gebrannten Wassern -- vollkommen gleichgestellt sind.

Was speziell den Art. 22 des französisch-schweizerischen Handelsvertrages anbetrifft, so statuirt derselbe lediglich, daß die Handelsreisenden für das Aufsuchen von Einkaufsgelegenheiten und Bestellungen eines Patentes nicht bedürfen. Damit ist der Frage, ob die Einfuhr und der Kleinvertrieb von Spirituosen an eine Bewilligung und Verkaufssteuer geknüpft sei -- Gleichstellung von Franzosen und Schweizern vorausgesetzt -- in keiner Weise präjudizirt, und weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des fraglichen Artikels ist zu entnehmen, daß der Verkehr mit diesen Waaren einer Patentsteuer nicht unterworfen werden solle. -- Zum Ueberfluß bestimmt der Art. 26 des Handelsvertrages: ,,daß die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages auf die Waaren, welche in dem einen oder dem andern der beiden Länder den G e g e n s t a n d von S t a a t s m o n o p o l e n bilden oder bilden würden, k e i n e A n w e n d u n g zu f i n d e n haben." -- Daraus ergibt sich, daß bezüglich aller mit der Einfuhr von gebrannten Wassern zusammenhängenden Fragen die Abmachungen des Handelsvertrages nicht angerufen werden können, da dieser letztere durch die Monopolisirung des erwähnten Handelsartikels außer Kraft gesetzt ist.

Aus diesen Gründen wird erkannt:

Fr. G i g e r , W e i n h a n d l u n g in B é z i e r s , ist mit seiner Beschwerde vom 27. Januar 1891 abgewiesen.

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Dieser Entscheid ist dem Anwalte des Beschwerdeführers und der Polizeikammer des Kantons Bern zu eröffnen.

B e r n , den 15. Juni 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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24.06.1891

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