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Bundesrathsbeschluß über

die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Pregassona.

(Vom 14. Juli 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat in Sachen der Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Pregassona nach dem Bericht des Justiz- und Polizeidepartements folgenden T h a t b e s t a n d gefunden:

A. Betreffend die Gemeinde Scareglia.

I. Am 4. März schrieben Rossini, Antonio, fu Domenico, Rossini, Francesco, fu Giosuè, Borini, Natale, di Giuseppe, einen Protest gegen ihren Ausschluß von den Wahlen des 3. März, mit dem Beifügen, daß sie für die radikalen Kandidaten gestimmt haben würden. .

B. Betreffend die Gemeinde Cimadera.

II. Die nämliche Erklärung gab am 6. März Bossi, Antonio, fu Giovanni Maria, ab.

1094 C. Beireffend die Gemeinde Sonvico.

III. Ebenso am 3. März Gianini, Antonio, di Benedetto, von Brè, mit dem Zusatz, daß er bereit gewesen sei, die rückständigen Steuern sofort zu zahlen.

D. Betreffend die Gemeinde Brè.

IV. Am 27. Februar 1889 rekurrirte Carati, Beniamino, von und in Brè, an den Bundesrath gegen ein Dekret des Staatsrathes, nach welchem er in Brè gestrichen und dafür in Viganello eingeschrieben werden sollte, weil er sein Domizil mit seiner Familie dahin verlegt habe. Das sei nicht richtig, die Familie befinde sich stets in Brè, da zahle er auch die Steuern. In Viganello habe er Güter und auch ein Häuschen, das aber so klein sei, daß seine Familie darin gar keinen Platz hätte, er v/ohne nur von Zeit 7,11 Zeit in Viganello, besonders im Winter, um das Vieh zu fiiltern und andere landwirthschaftliche Arbeiten zu verrichten, uogefähr wie die Leute von Isone, die im Winter mit ihrem Vieh nach Lugano kommen, oder die Verzasker, die nach Gordola und Cugnasco gehen.

Schon sein Vater, wie er selbst, habe es von jeher so gemacht, und nie sei Jemandem eingefallen, sie in Brè zu streichen und in Viganello einzutragen.

Das beigelegte Dekret des Staatsrathes sagt nur, daß die Steuerzahlung in Brè nichts beweise.

Bei der Untersuchung durch den Bundesdelegirten stellte sich Folgendes heraus : Carati hat einen Sohn in Brè, seine Frau und kleine Kinder gegenwärtig in Viganello, die aber auch den Aufenthalt zwischen beiden Ortschaften wechseln. lu Brè besitzt er Haus und Güter, in Viganello ein Haus für die Feldarbeit.

Carati beschwerte sich zugleich beim Delegirten darüber, daß die Munizipalität von Brè am Wahltage die Stimmcouverts, m i t den S t i m m z e t t e l n d a r i n , zur Verfügung der Wähler auf den Tisch gelegt habe, statt sie vorher zu vertheilen. Der Sindaco bestritt nicht, daß er selbst das so gemacht habe, die Bürger hätten gewünscht, die Stimmzettel lieber da zu ihrer Disposition zu finden, als sie nach Hause geschickt zu erhalten.

E. Betreffend die Gemeinde Cadrò.

V. Am 28. Januar 1889 verlangten Pedrazzi, Stefano, und Maggiorini, Carlo, beim Regierungskommissär die S t r e i c h u n g von

1095 Reali, Giovanni, fu Giuseppe, Reali, Carlo, fu Giuseppe, Reali, Luigi, fu Giacomo, weil sie nicht in Cadrò, sondern in Lugano domizilirt seien, in Cadrò halten sie sich nur etwa einen Monat im Jahr auf zum Sommeraufenthalt, zahlen auch keine Steuern daselbst, seien auch in Lugano für die Wahlen vom 3. März eingeschrieben.

Reali, Luigi, antwortete, sie seien immer in Cadrò auf dem Stimmregister gestanden, ohne daß dagegen Opposition gemacht worden wäre, er selbst sei von der dortigen Gemeindeversammlung zum Rechnungsrevisor ernannt worden; er habe wiederholt verlangt, daß sie in Lugano gestrichen werden, sie nehmen dort auch nie an einer Abstimmung Theil. Dabei lagen zwei Steuerquittungen von Cadrò für R e a l i , C a r l o , über die Jahre 1887 und 1888 vor.

Am 26. Februar beschwerten sich Pedrazzi und Streitgenossen beim Staatsrathe darüber, daß sie vom Kommissär auf ihre Eingabe gar keine Antwort erhalten haben, und richteten daher ihr Streichungsbegehren an den Staatsrath.

Am nämlichen Tage schrieben sie dem Kommissär, sie haben im ,,Dovere" gelesen, daß der Regierungskommissär voi) Locamo angeordnet habe, es solle daselbst der Polizeisoldat Ronchetti, Bernardo, di Luigi, auf das Stimmregister genommen werden; demgemäß verlangen sie, daß er in Cadrò, wo er ebenfalls auf dem Stimmregister stehe, gestrichen werde.

Abschriften beider Eingaben wurden an den Bundesrath gesandt.

Der Staatsrath theilte die ihm gemachte Eingabe dem Kommissär mit, der sein Versehen, wie es scheint, zugab, und zog in Erwägung : Es ist notorisch, daß Reali, Giovanni, Dr., und Reali, Luigi, seit Jahren ihr Domizil in Lugano haben, daß aber Reali, Carlo, Ingenieur, von seinem Bruder getrennt, eigenen Haushalt in Cadrò führt.

Demgemäß wurden die beiden Ersteren gestrichen, der Letztere beibehalten.

Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab: Reali, Carlo, wechselt seinen Aufenthalt alljährlich zwischen Cadrò und Paris, ist unverheirathet.

Ronchettti hat in Locamo, nicht in Cadrò, gestimmt.

1096 F. Betreffend die Gemeinde Pregassona.

VI. Am 28. Januar 1889 schrieb die Munizipalität an den Regierungskommissär : Besomi, Luigi Giuseppe, von Gerra (Verzasca), hat seine Eintragung in unser Stimmregister verlaugt. Allein er hat im Jahre 1874 die Gemeinde verlassen und seinen Wohnsitz in Viganello aufgeschlagen. Am 15. Dezember 1888 kam er aus Algier wieder zu seinem hier wohnenden Vater zurück. Er stand längst nicht mehr auf unserem Stimmregister und hat auch keine Steuern hier bezahlt.

Der Kommissär wies demgemäß sein Gesuch ab. Er appellirte am 5. Februar an den Staatsrath, da nach der bestehenden Praxis die im Auslande wohnenden Bürger ihr politisches Domizil in ihrer Heirnatgemeinde haben, und erklärte sich bereit, die Steuerrückstände zu bezahlen.

Der Staatsrath aber bestätigte seinen Ausschluß aus den vom Kommissär angeführten Gründen.

Besomi beschwerte sich hierüber beim Bundesrath, indem er sich darauf berief, daß er dieses Jahr bereits seinen Militärdienst bei Bat. 94, Landwehr, geleistet habe, und sandte seinen Stimmzettel ein.

Vor dem Bundesdelegirten wurden die obigen Angaben bestätigt. Der Kommissär erklärte, er habe Besomi in Viganello, als seinem letzten tessinischen Domizil (das er vor 11 Jahren verlassen hatte), eintragen lassen.

Der B u n d e s r a t h zieht in E r w ä g u n g : 1. Von allen obigen Beschwerden können hierorts einzig diejenigen betreffend Carati, Beniamino, in B ré, Reali, Carlo, in Cadrò, und Besomi, Luigi, in Pregassona, behandelt werden, da in allen übrigen Fällen entweder der Kommissar und der Staatsrath, oder doch wenigstens der letztere, nicht gehört worden sind oder der Rekurs -- wie bei Ronchetti -- gegenstandslos geworden ist.

2. Was nun C a r a t i betrifft, so liegt in der That kein genügender Grund für die Annahme vor, daß er sein Domizil von Brè weg nach Viganello verlegt habe; er hat nichts von seinen an ersterem Orte gelegenen Gütern veräußert, nichts von seinen Lebens-

1097 gewohnheiten verändert, lebt nach wie vor einen großen Theil des Jahres hindurch in Brè und hat in Brè, auch wenn er selbst nicht dort ist, einen Theil seiner Familie. Er ist also dort e i n z u t r a g e n .

3. Carlo Reali ist offenbar nirgends anders als in Cadrò clomi^ilirt, nicht in Lugano, was weiterer Ausführung nicht bedarf.

e. Besomi war während seines Aufenthaltes in Algier nicht in Cadrò -- so wenig als in Viganello -- domizilirt. Sein seitheriges Domizil in Cadrò aber ist noch nicht drei Monate alt. Er wurde also mit Recht daselbst gestrichen.

5. Da die gewählten Deputirten dieses Wahlkreises das absolute Mehr weit überschritten haben, die Nichtgewählten weit unter demselben geblieben sind, so kann die Eintragung von Carati keinen Einfluß auf das Wahlresultat haben.

Demnach hat der Bundesrath beschlossen: 1. Der Rekurs von Carati, Beniamino, fu Giacomo, ist begründet, Carati ist auf dem Stimmregister von Brè einzutragen ; im Uebrigen werden die Beschwerden theils aus materiellen Gründen, theils wegen Inkompetenz des Bundesrathes abgewiesen.

2. Mittheilung an den Staatsrath des Kantons Tessin für sich und zu Händen der betheiligten Behörden und Bürger.

B e r n , den 14. Juli 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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März 1889 im tessinischen Wahlkreise Pregassona. (Vom 14. Juli 1891.)

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