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Aus den Verhandlungen des Schweiz, Bundesrathes, (Vom 25. August 1891.Ì

Mit Eingabe vom 14. Juli a. e. erhebt Herr Fürsprech Sahli in Bern Namens Ulrich Wüthrich, Säger, in Aeschau, Fritz Röthlisberger, Säger, in Langnau, Friedr. Hofer, Säger, in Signau Rekurs gegen die von der bernischen Direktion des Innern (Wüthrich und Röthlisberger 31. Januar a. c.), beziehungsweise vom eidgenössischen Industrie- und Landwirthschafts-Departement (Hofer 5. Juni a. c.)

verfügte Unterstellung der Genannten unter das Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

Der Bundesrath hat den Rekurs in folgender Weise beschieden : An die Spitze ihrer Ausführungen stellen die Rekurrenten das Argument, daß sie unter dem Bundesgesetz betreffend die Ausdehnung der Haftpflicht stehen, und das Wesentliche dessen, was die Arbeiterschutzgesetzgebung bezwecke, auf ihre Geschäfte somit unwidersprochen bereits anwendbar erseheine.

Diese Voraussetzung beruht auf Irrthum. Im genannten Gesetz könnte zu Gunsten der Rekurrenten höchstens litt, a in Ziff. 2 des Art. l, wo vom Baugewerbe die Rede ist, angerufen werden. Weder bei den Vorarbeiten des Bundesrathes, noch in der übrigen Entstehungsgeschichte des Gesetzes war aber je die Rede davon, unter letzteres auch die Holzsägereien zu subsurniren es hätte dies in der That auch gar keinen Sinn gehabt, da diese durch frühere Beschlüsse längst unter das Fabrikgesetz und somit unter die Fabrikhaftpflicht gestellt worden waren. Uebrigens ist die Auslegung, welche die Rekurrenten der erwähnten Gesetzesbestimmung geben, an sich schon eine gesuchte und unwahrscheinliche.

Die von den Rekurrenten besorgte und betonte Versicherung ihrer Arbeiter gegen Unfall, wenn sie auch zu begrüßen ist, kann daher, weil sie eine freiwillige ist, die dem Arbeiter von Gesetzeswegen -- aber auf anderer Basis -- zukommenden R e c h t e nicht ersetzen.

Ganz selbstverständlich sind itn Uebrigen die Ausführungen des rekurrirenden Anwaltes, wonach die dein erweiterten Haftpflicht-

315 gesetz unterstellten Gewerbe nicht auch unter das Fabrikgesetz subsumirt werden dürfen; der Buudesrath denkt wenigstens nicht daran, ,,gesetzlich unzulässig" vorzugehen. Jene Ausführungen sind aber deshalb gegenstandslos, weil die Sägereien, wie wir gesehen, nicht unter die erweiterte, sondern seit mehr als 10 Jahren unter die Fabrikhaftpflicht fallen.

Die Rekurrenten bestreiten im Fernern, daß den Sägereien der Charakter eines fabrikmäßigen Betriebes zukomme. Auch dieses Vorbringen ist unhaltbar. Wie nicht leicht in einem ändern Geschäft wiederholt sich auf einer Säge Tag für Tag dieselbe Operation, nämlich das Zuschneiden von Stämmen zu Laden u. s. w. Es ist dies eine typische Gleichmäßigkeit des Betriebs, wie sie z. B. in einer Maschinenfabrik kaum und in ähnlicher Weise nur in Spinnereien, Webereien etc. vorkommt. Ganz unerfindlich ist uns daher die Behauptung der Rekurrenten: ,,Auch fällt das Moment, welches bei der Fabrikarbeit besonders hervortritt, nämlich das fortwährende mechanische Bedienen der Maschine, wodurch eine gewisse geistige Abstumpfung erzeugt wird, bei der Arbeit in der Säge durchaus weg", da nach unserm Dafürhalten diese Einförmigkeit des Betriebs ein Charakteristikum der Sägen ist.

Die Rekurrenten geben zu, daß der Sägereibetrieb die Sicherheit der Arbeiter ,,wegen der Anwendung mechanischer Motoren11 in erhöhtem Maße gefährde, deshalb aber der strengen Haftpflicht (sc. dem Bundesgesetz vom 26. April 1887) unterworfen sei.

Wir haben bereits gesehen, daß letzteres nicht richtig ist, und heben noch besonders hervor, daß die Gefährdung durch Motorenbetrieb bei k e i n e m e i n z i g e n der in Art. l des erweiterten Haftpflichtgeselzes genannten Gewerbe das für die Unterstellung unter dieses Gesetz ausschlaggebende Motiv wrar, aus dem einfachen Grunde, weil die Gewerbe, welche mechanischen Betrieb aufweisen, etwa mit Ausnahme der landwirtschaftlichen, in dei1 Regel unter dem Fabrikgesetz standen. · Die große, nicht bestrittene Gefährlichkeit ist also ein Grund, warum die Unterstellung unter das Fabrikgesetz für die' Sägereien grundsätzlich aufrecht erhalten werden muß, denn ständen sie nicht darunter, so würden auf sie Vorschriften weder betreffend Haftpflicht (auch nicht erweiterte) noch betreffend Unfallverhütung mehr anwendbar sein.

Aber auch gesundheitsschädlich ist der übliche Sägereibetrieb, was von den Rekurrenten von ihrem Standpunkte aus in Abrede gestellt wird. Letztere scheinen gänzlich zu übersehen, daß auch

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316 eine übermäßige Anspannung der Kräfte, nicht nur die Einathmung schlechter Luft etc., in höchstem Maße gesundheitsschädlich wirkt.

Als eine Haupterrungenschaft unserer Fabrikgesetzgebung wird daher von jeher der Maximalarbeitstag angesehen, welcher dem erwähnten Uebel begegnet. Gerade in nicht unter dem Gesetze stehenden Sägereien besteht letzteres, beträgt doch die tägliche Arbeitszeit, bei geringem Lohn, bis 16 Stunden; ein solches Uebermaß der Leistung muß naturgemäß, auch wenn die Thätigkeit als solche keine sehr angestrengte sein sollte, die Gesundheit auf die Dauer gefährden und schließlich ruiniren.

Was den Begriff des geschlossenen Raumes betrifft, so hält der Bundesrath an seiner im Entscheid vom 13. Oktober 1885 (Kommentar pag. 27) niedergelegten Auffassung fest. Jedenfalls kann nach landläufigen Begriffen nicht davon die Rede sein, daß der Säger unter seinem Dach ,,im Freien"1 arbeite, wie die Rekurrenten behaupten.

Nicht unberichtigt darf der vom rekurrirenden Anwalt fernerhin aufgestellte Satz bleiben, wonach unter Umständen die bundesräthliche Expertenkommission; welche am 15./16. April 1878 gewisse Kriterien für den Begriff ,,Fabriken11 aufstellte, sich schon ,,auf dem oben geschilderten abschüssigen Wege" befunden haben könnte, ,,Fabrikordnung und erweiterte Haftpflicht zu identifiziren^ beziehungsweise zu verwechselnd Es bedarf wohl nur des Hinweises, daß das erweiterte Haftpflichtgesetz vom 26, April 1887 datirt, während jene Kommission neun Jahre früher tagte, um das Unzutreffende einer solchen Begründung zu zeigen.

Gänzlich übertrieben ist endlich die Behauptung, der Säger sei nicht im Stande, den formellen ,,minutiösen" Anforderungen des Gesetzes nachzukommen. Thatsächlich wird Jeder, der über die gewöhnlichste Schulbildung verfügt, die Vorschriften .betreffend Führung einer Arbeiterliste, eines Verletzuugsverzeichnisses etc.

mit Leichtigkeit befolgen .können, und wenn die Aufstellung einer Fabrikordnung Schwierigkeiten verursachen sollte, so wende man sich an den Fabrikinspektor, der noch immer gern ausgeholfen hat, wo man ihn darum anging.

Nochmals ist hervorzuheben, daß in keinem ändern Kanton als im Kunton Bern bezüglich der Stellung der Sägereien zum Fabrikgesetz Schwierigkeiten erhoben werden, ein Beweis, daß sie bei gutem Willen wohl überwunden werden könnten. Es
sind in 22 Kantonen zur Zeit total 132 Sägereien dem Fabrikgesetz unterstellt, wovon nur 20 im Kanton Bern; diese sollten nicht schlechter mit dem Gesetze auskommen können, wie die übrigen 112.

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Die vom Regierungsrath des Kantons Bern vorgeschlagene, Untersuchung durch eine Kommission von Sachverständigen erscheint nach obigen Ausführungen für den vorliegenden Fall nicht als erforderlich. .Dagegen ist, unabhängig von letzterm, das Fabrikinspektorat beauftragt worden, die gesammte Frage der Unterstellung der Sägereien zum Gegenstand genauerer Untersuchung und Antragstellung zu machen. Der Bundesrath behält sich vor, eventuell auch außerhalb des Inspektorats stehende, kompetente Persönlichkeiten zu gegebener Zeit in Sachen zu vernehmen, glaubt aber jetzt schon sich dahin äußern zu sollen, daß ebenso gut eine Ausdehnung wie eine Einschränkung des Kreises der Unterstellungspflichtigen das Endresultat sein hönnte.

Was die Angabe des Regierungsrathes (Schreiben vom 30.

Juli a. c.), daß die Unterstellung der rekurrirenden drei Geschäfte ,,entgegen dem Antrage unserer Direktion des Innern" erfolgt sei, betrifft, so ist sie bezüglich der Geschäfte Wüthrich und Röthlisberger eine irrthümliche, da diese von letzterer Direktion laut Schreiben vom 31. Januar a. c. selbst unterstellt wurden.

Die Einrede, daß in den genannten drei Geschäften die vorhandenen Betriebsverhältnisse (Arbeiterzahl etc.) die Unterstellung unter das Fabrikgesetz n a c h b i s h e r i g e r P r a x i s nicht rechtfertigten, ist nicht erhoben worden; sie wäre aber auch nicht begründet gewesen. Es ist demnach auf diesen Punkt nicht einzutreten.

Die Einwendungen aber gegen diese Praxis im Allgemeinen sind im Obigen zurückgewiesen worden.

Der Bundesrath hat daher beschlossen, den Rekurs als unbegründet abzuweisen.

"Wahlen.

(Vom 1. September 1891.)

Militär département.

Kanzlist des Waffenchefs der Infanterie:

Herr Eduard Tüscher, bisheriger Kanzlist der bernischen Militärdirektion.

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Post- und Eisenbahndepartement.

Postkommis in Genf

Postkommis in Bern

Herr Louis Gay, von Céligny (Genf).

Edouard Jacot, von Genf.

Job. Furrer, von Kiesen.

Gottfr. Liithy, von Kurzenberg.

Ernst Maillard, von Chésalles sur Oron.

Frl. A.nna Züttel, von Lüscherz.

Posthalter und Briefträger in Ettiswyl : Herr Nikiaus Isenschmid, von WillisauLand.

Etzgen : Eduard Zumstes;, von Etzaen.

Räterschen : Frau Emma Rubli, von Netstal.

Rüschlikon (Zürich): Herr Karl Rellstab, von Rüschlikon.

K. Rellstab, von Rüschlikon.

Telegraphist in Rüschlikon: Telegraphist in Ettiswyl (Luzern) : Nikiaus Isenschmid, von Willisau.

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