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Bericht des

Bundesrathes ari die Bundesversammlung über die Frage, der rechtlichen Natur der schweizerischen Eisenbahnrente.

(Vom 23. Oktober 1891.)

Tit.

Bei Anlaß der Berathung des Bundesbeschlußes vom 19. Dezember 1890, betreffend die Verwaltung und Verwendung des Eisenbahnfonds (A. S. n. F., 2. S., I, 742), in den eidgenössischen Räthen wurde im Nationalrath darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei der Schaffung der eidgenössischen Eisenbahnrente um eine neue Rechtsbildung handle, welche im Obligationenrecht nicht vorgesehen sei und welche daher eventuell, namentlich mit Bezug auf die Verjährungsfrage, legislatorischen Bestimmungen rufen dürfte.

Es wurde der Wunsch ausgesprochen, der Bundesrath möchte erwägen, ob nicht behufs Regulirung dieses neuen Rechtsverhältnisses eine Novelle zum Obligationenrecht geschaffen werden sollte.

Wir kommen diesem Wunsche durch Erstattung gegenwärtigen Berichtes nach.

I.

Auf Einladung unseres Justiz- und Polizeidepartements hat die Schweizerische Gesandtschaft in Paris den 30. Januar 1891 ein Gutachten über die französische Staatsrente (rente perpétuelle, rente .amortissable sur l'État français) ausgearbeitet, in welchem neben ·einer historischen- Darstellung der Entwicklung der französischen Staatsschuld folgende Punkte hervorgehoben werden:

621 1. Die Bestimmungen der Art. 1905--1913, 530 des französischen Code civil, enthaltend die Bestimmungen des gemeinen Rechts über den Reatenvertrag, eine spezielle Art des zinsbaren Darlehens (prêt à intérêt"), finden auf Staatsrenten keine Anwendung.

2. Die Rentenschuld des Staates entsteht, nach vorausgegangenem Emissionsgesetz, durch deren Eintragung im Grand Livre de la Dette publique. Vergi, z. B.

Loi du 21 juin 1871 : ,,Le ministre des Finances est autorisé à faire inscrire sur le Grand Livre de la Dette publique et à aliéner la somme de rente 5 pour 100 nécessaire pour produire un capital de 2 milliards de francs."

Loi du 24 août 1793, Art. 6: ,,Le Grand Livre de la Dette publique sera le titre unique et fondamental de tous les créanciers de la République. tt 3. Zu Händen des Rentengläubigers (Rentiers) wird auf Grund der Inscription im Grand Livre ein Titel ausgefertigt, und zwar entweder auf seinen persönlichen Namen lautend oder nicht auf seinen persönlichen Namen lautend ; danach werden unterschieden : 1. rentes nominatives, 2. rentes mixtes, 3. rentes au porteur.

4. Der Rentenanspruch (und zwar der Renteuanspruch als solcher, wie der Anspruch auf die einzelne Rente) ist insaisissable, unpfändbar; im Konkurse des Rentiers dagegen bildet die Rente ein zu seiner Konkursmasse gehöriges Aktivum, welches von 'der Konkursverwaltung veräußert werden kann. Dieser letztere Rechtssatz hat übrigens erst im Laufe dieses Jahrhunderts Anerkennung gefunden.

Die Insaisissabilité de la rente, zuerst gewährt als Vergünstigung für die Reduktion der Rentonansprüche auf einen Drittel des Betrages im Jahr 1797, wird festgesetzt in folgenden gesetzlichen Bestimmungen : Loi du 8 nivose, an VI, Art. 4: ,,II ne sera plus reçu à l'avenir d'oppositions sur le tiers consolidé de la dette publique inscrite ou à inscrire."1 Loi du 22 floréal, an VU, Art. 7 : ,,II ne sera plus reçu à l'avenir d'oppositions au paiement des arrérages de rentes, à l'exception de celle qui serait formée par le propriétaire de l'inscription. "· 5. Der Rentenanspruch ist steuerfrei. Während ein Gesetz vom 24. August 1793 den Rentenanspruch als steuerpflichtiges Ein-

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kommen behandelte, befreite dasjenige vom 30. September 1797 (9 vendémiaire, an VI) den sogenannten ,,tiers consolidé"1 (d. h.

den dem Rentier verbleibenden Drittheil seines bisherigen Rentenanspruchs) von jeder Steuer (gegenwärtigen wie zukünftigen). Diese Steuerfreiheit ist seither jeder neuen Rentenemission zu Theil geworden, und nur ein Gesetz vom 18. Mai 1850 hat die Renten einem droit de mutation après décès unterworfen.

6. Die französische Praxis faßt die Staatsrente, wie die durch Vertrag zwischen sonstigen Kontrahenten bestellte Rente, als den jährlichen (in drei Raten zu bezahlenden) Zins eines dem Staate geleisteten Darlehens auf. Sie spricht daher auch von einem Rentenkapital, als dessen Erträgniß sich eben die Rente darstellt. Handelt es sich um eine ewige (nicht ablösbare) Rente, so ist die Rentenkapitalforderung unverjährbar, und zwar weil es an einem bestimmten Datum, welches als Beginn der Verjährungsfrist dienen könnte, fehlt. Handelt es sich um eine ablösbare (amortisirbare) Rente, so beginnt die dreißigjährige Verjährung der Rentenkapitalforderung mit dem Moment der Ausloosung behufs Rückzahlung.

7. Von der Verjährbarkeit der Rentenkapitalforderung ist zu unterscheiden die Verjährung der einzelnen fälligen Rente. Die einzelne fällige Rente verjährt nach 5 Jahren, gemäß Art. 156 des Gesetzes vom 24. August 1793 und Art. 2277 des Code civil.

156 cit. : ,,Aucun créancier ne pourra réclamer que les cinq dernières années avant le semestre courant.11 2277 cit.: ,,Les arrérages de rentes perpétuelles . . . . se prescrivent par 5 ans."

Nach Ablauf von 5 Jahren werden verjährte Renten nur ausbezahlt auf Grund einer ,,demande de rétablissement dûment timbrée11.

Die Erhebung der einzelnen Rente geschieht trimesterweise, und zwar bei Namensrenten gegen Quittung des Berechtigten, bei Inhaberrenten, resp. gemischten Renten, gegen Einlösung der den Rententitel begleitenden Coupons.

8. Nicht nur die einzelne, bereits fällige Rente kann Gegenstand des vermögensrechtlichen Verkehrs sein, sondern auch die Rentenberechtigung als solche.

Die französische Praxis unterscheidet in dieser Beziehung zwischen ,,transfert"1, womit dasjenige Rechtsgeschäft, über eine Rente, welches durch Vermittlung der ,,agents de change"1 erfolgt, verstanden wird, und ,,mutation a , womit jedes andere Rechtsgeschäft bezeichnet wird.

9. Die Rentenberechtigung als solche erlischt nie, wenn es sich um eine ewige, nicht amortisirbare Rente handelt. In der

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französischen Praxis ist freilich, entgegen diesem Prinzip, auf dem Wege von legislativen Erlassen erklärt worden, daß auch die ewige Rentenberechtigung einer Aenderung in ihrem Rechtsbestande unterworfen werden kann. Zweierlei Aenderungen kommen in Betracht: erstens diejenige, die erfolgte durch das bereits erwähnte Gesetz vom 9. vendémiaire, an VI ein Staatsbankerottgesetz, welches zwei Dritttheile der Staats-Rentenschuld ohne Weiteres als erloschen erklärte; zweitens diejenige, welche erfolgt in der Form der Konversion, der Umwandlung, z. B. in der Umwandlung der 5 °/o in eine 3 °/o Rente.

Die Frage, ob in dieser Umwandlung, welche slets in der Form eines die Organe der Staatsverwaltung ermächtigenden Gesetzes sich vollzog, ' eine Rechtsbeugung liege oder nicht, ist in den französischen Kammern wiederholt erörtert worden (z. B. anläßlich eines Gesetzes vom 27. April 1825, ferner unter Louis Philipp in den Jahren 1837--1848).

10. Die als amortisirbare Rente errichtete Staatsschuld erlischt, sobald ordnungsgemäß zu ihrer Amortisation geschritten wird, sei es nun, daß eine wirkliche Ablösung stattfindet, sei es, daß das Erlöschen in der Form der Umwandlung vor sich geht.

11. Hat der Rentenberechtigte die Urkunde über seine Berechtigung (den ,,extrait de rinscription a ) verloren (ist sie ihm abhanden gekommen), so erlischt damit sein Recht nicht; die Urkunde ist zu ersetzen, und zwar kommt hier ein wichtiger Unterschied zwischen Nameasurkunden und Inhaberurkunden (inscription nominative, inscription au porteurj zur Geltung.

a. Bei der inscription nominative erhält der im Grand Livre als berechtigt Eingetragene einen neuen Titel ausgefertigt auf Grund einer vor dem Maire seines Domizils und zwei Zeugen erfolgten Erklärung über den Verlust des Titels.

6. Der Inhaber einer verlorenen inscription au porteur kann deren Umwandlung in eine inscription nominative verlangen unter der Voraussetzung, daß er diese während 20 Jahren zur Sicherheit beim Fiskus hinterlegt, und unter der weitern Voraussetzung, daß er eine inscription nominative, welche den Wertli der am verlorenen Titel noch vorhandenen Coupons plus 5 weiteren Jahresbeträgen der Rente repräsentirt, gleichfalls als Sicherheit hinterlegt. Diese Praxis ist durch eine ministerielle Entscheidung vom 8. Juli 1890 eingeführt worden ; früher wurden
verlorene Inhaberrenteu gar nicht ersetzt, seit 1850 in der Weise, daß der Eigenthümer der verlorenen Rente eine neue Namensrente im Werthe der verlorenen Inhaberrente plus 5 Jahres-Rentenbeträgen als Sicherheit beim Fiskus während 20 Jahren hinterlegte.

12. Der Finder einer verlorenen Rente erwirbt dieselbe unter keinen Umständen zu Eigenthum.

624 II.

Die Prüfung der besonderen Rechtsverhältnisse der schweizerischen Eisenbahnrente ergibt, daß die B e s t i m m u n g e n des eidgenössischen Obligationen rechts ausreichen für die B e h e r r s c h u n g dieser R e c h t s v e r h ä l t n i s s e , daß es d a h e r e i n e r N o v e l l e zu d e m B u n d e s g e s e t z e nicht bedarf.

1. Das Rechtsverhältniß zwischen Rentenschuldner (Eidgenossen. schaft) und Renteugläubiger ist nicht dasjenige eines Darlehens. Es kommen also die Bestimmungen des Titels X des Obligationenrechtes nicht zur Anwendung. Die einzelne Jahresrente ist nicht der Jahreszins eines geschuldeten Kapitals. Es kommt namentlich auch nicht, zur Anwendung die Vorschrift des Art. 336 des Obligationenrechts, wonach ,,ein Darlehen, für dessen Rückzahlung weder ein bestimmter Termin, noch eine Kündigungsfrist, noch der Verfall auf beliebige AufforderungO hin vereinbart wurde,1 innerhalb sechs Wochen von der ersten Aufforderung an zurückzubezahlen ist". Ein Darlehen setzt unter allen Umständen voraus, daß der Darlehensschuldner (Borger), dem das Eigenthum an einer Summe Geldes oder an ändern vertretbaren Sachen ühergeben worden ist, die Verpflichtung der Rückerstattung von Sachen nämlicher Art .in gleicher Menge und Güte hat (Obligationenrecht, Art. 329). Diese Pflicht der Rückerstattung ist das Wesentliche des Darlehensvertrages. E i n e sol che Pflicht hat aber der Renten Schuldner prinzipiell nicht. Der Rente n S c h u l d n e r v e r p f l i c h t e t sich n i c h t z u r R ü c k e r s t a t t u n g e i n e r G e l d s u m m e , s o n d e r n zu e i n e r r e g e l m ä ß i g w i e d e r k e h r e n d e n L e i s t u n g . Wenn allerdings schon bei Errichtung der Rentenschuld die Möglichkeit einer Ablösung in Aussicht genommen wird, so ist dieselbe kein wesentlicher Bestandtheil des Vertrages; sie hat nur nebensächliche Bedeutung, für die Charakterisirung des Vertrages muß sie außer Betracht lallen.

2. Das Rechtsgeschäft, welches die Errichtung der schweizerischen Rentenschuld hervorrief, war der Erwerb einer großem Partie von Prioritätsaktien der Jura-Simplon-Bahn, also der dießbezüglich von der Eidgenossenschaft abgeschlossene Kaufvertrag. In diesem Kaufvertrag wurde festgesetzt, daß der Kaufpreis ,,in dreiprozentigen, von der Eidgenossenschaft zu emittirenden Rententiteln,
welche zum Kurse von 90 °/o an Zahlung gegeben und genommen werden, zu leisten sei".

Damit wurde die Kaufpreisschuld nicht in eine in besagter Weise zu liquirende Darlehensschuld umgewandelt. Die Eidgenossenschaft versprach dem Verkäufer nicht, den Kaufpreis als

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Darlehens (Kapital-) schuld zu übernehmen, und der Verkäufer wurde nicht für die betreffende Summe Darlehensgläubiger, sondern die Eidgenossenschaft versprach an Stelle des vereinbarten Kaufpreises eine jährliche (in drei Raten zu entrichtende) Leistung, deren Höhe wiederum mit Rücksicht auf den Kaufpreis festgesetzt wurde. Mit rechtsförmlicher, vertragsmäßiger Eingehung dieses Ersatzversprechens ist die Kaufpreisschuld der Eidgenossenschaft getilgt worden.

Aus dem Wortlaut der mitgetheilten Vereinbarung geht klar hervor, daß die Eidgenossenschaft keine Kapitalschuld übernommen hat, sondern nur die Verpflichtung einer wiederkehrenden Leistung, deren Ablösung der Schuldner sich allerdings in besonderer Vertragsklausel ·vorbehalten hat: ,,Die Eidgenossenschaft behält s i c h das R e c h t vor, diese Rententitel insgesammt oder serienweise gegen zwölfmonatliche Kündigung auf einen Zinsverfalltag al pari abzulösen" (Rundesbl. 1890, III, 109). Der Gläubiger dagegen hat nie und nimmer das Recht, von der Eidgenossenschaft die Ablösung, die Liquidation der Rentenschuld zu verlangen. Es handelt sich also urn nichts Anderes, als um ein so lange andauerndes Schuld- und Forderungsverhältniß, bis der Schuldner von seinem Ablösungsrecht Gebrauch machen will und Gebrauch zu machen in der ökonomischen Lage ist.

3. Diesen eigenartigen Vertrag hat das eidgenössische Obliga(ionenrecht nicht vorgesehen; es fehlen besondere Rechtssätze im Gesetze, welche auf diese Vertragsart Bezug hätten. Daraus folgt, daß, soweit nicht durch die Vereinbarung der Kontrahenten selbst die rechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses normirt ist, für dasselbe die allgemeinen Grundsätze des eidgenössischen Vertragsrechtes zur Anwendung zu kommen haben. Am nächsten steht dem Rentenvertrag der im Titel XXII des Obligationenrechtes normirte ,,Leibrentenvertrag" ; aber auch von dieser Vertragsart ist er wesentlich verschieden. Kein Bedenken gegen die Rechtsbeständigkeit des Renten Vertrages darf aus dem Umstände hergeleitet werden, daß -bei der Rentenschuld die Möglichkeit einer ewigen Schuld gegeben ist und daß nach moderner Rechtsanschauung die Eingehung ewiger Verpflichtungen als rechtlich ungültig erscheint.

Diese Frage würde erst dann von praktischer Bedeutung, wenn sich der Rentenschuldner nicht ausdrücklich die Ablösungsbefugniß
der Schuld vorbehalten hätte.

4. In Ausführung der vertraglichen Festsetzung stellte die Eidgenossenschaft für die ihr obliegenden Leistungen (die Rentenleistungen) Urkunden aus, und zwar in der Weise, daß für die Rentenberechtigung von je 30 oder 150 oder 300 Franken per annurn eine Urkunde nebst einem besonderen Couponbogen mit Talon ausgefertigt wird.

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Diese Urkunden haben den Charakter von Wertpapieren, das heißt: Die Rentenberechtigung als solche ist mit der Urkunde in der Art verbunden, daß sie ohne Weiteres déni rechtlichen Schicksal der Urkunde folgt. Der Rentenschuldner, die Eidgenossenschaft, anerkennt nur Denjenigen als Rentengläubiger (Rentier), der die entsprechende Urkunde in seiner rechtlichen oder faktischen Herrschaft hat.

Des Fernern gehören alle Rentenurkunden zu den I n h a b e r w e r t h p a p i e r en; als solche wurden die sog. Rententitel erstmals ausgestellt, d. h. dem Kontrahenten, dem ersten Nehmer, dem ersten Rentengläubiger zugestellt. Es lautet denn auch der Eingang und Hauptpassus der Titel : ,,Die eidgenössische Finanzverwaltung beurkundet hiemit, daß der I n h a b e r dieses Titels eine jährliche Rente von dreißig (resp. einhundert und fünfzig, resp. dreihundert) Franken zu fordern hat, zahlbar am 1. Januar, 1. Mai und 1. September jeden Jahres.a Es können nun aber die Rententitel über 150 und 300 Franken Jahresrente ,,auf den Namen" des Berechtigten gestellt werden und auf Antrag als solche in die Register der Finanzkontrole eingetragen werden. Die betreffenden Titel haben dann auf der Rückseite folgende zur eventuellen Ausfüllung bestimmte Rubriken : 1. Einschreibungen und Uebertragungen. 2. Bescheinigung der Finanzkontrole (sc. über diese Einschreibungen und Uebertrngungen).

Dieses Auf-den-Namen-Stellen ist aber bloß bezüglich der Rentenberechtigung als solcher als zuläßig und möglich vorgesehen. Es ist durchaus ausgeschlossen nicht nur bezüglich der auf dreißig Franken lautenden Rententitel, sondern auch be/üglich der Couponsbogen (Coupons und Talon) aller Rententitel.

Durch die Eintragung einer bestimmten Person als Rentengläubiger auf dem Titel selbst und in den Registern der Finanzkontrole wird der Titel selbst indessen nicht in ein Namenswerthpapier (in ein sog. reines Rektapapier) umgewandelt. Nach mehrfacher Richtung hin ist zwar diese Eintragung einer bestimmten Person von rechtlicher Bedeutung, vgl. 2. B. Art. 205 ff., 847 ff.

des eidgenössischen Obligationenrechtes. S e i n e n h a u p t s ä c h lichen und w e s e n t l i c h e n C h a r a k t e r als I n h a b e r p a p i e r b e h ä l t j e d o c h d e r T i t e l bei.

Dieß ergibt sich zunächst aus dem Umstand, daß auch diese auf den Namen
gestellten Rententitel jenen oben mitgetheilten Eingaugspassus enthalten, wonach der Inhaber des Titels als der Berechtigte erklärt wird ; sodann ist auf die Art und Weise hinzu-

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weisen, wie die in Frage stehenden Eintragungen und Bescheinigungen Seitens des Rentenschuldners vorgenommen werden. Die eidgenössische Finanzkontrole theilte den mit der Bundesfinanzverwaltung in geschäftlicher Verbindung stehenden Geschäftshäusern Folgendes mit : ,,Nous vous rappelons que le Département fédéral des Finances ne peut assumer aucune responsabilité quant à la validité des inscriptions nominatives et des transferts (de rentes). Les propriétaires (des titres de rentes) doivent donc les effectuer eux-mêmes; le Contrôle des finances se borne à en prendre note et à donner son visa."

Dem Antrug irgend eines Inhabers des Titels auf Einschreibung seines Namens, als des Berechtigten, wird vom Rentenschuldner Folge geleistet (vergi. Art. 847, ferner 846, Abs. 2, des Obligationenrechts); aber die Einschreibung erfolgt ohne jede Verantwortlichkeit, ohne jede Garantie seitens des Rentenschulduers dafür, daß der Eingetragene nun auch wirklich der Berechtigte ist und Berechtigter bleibt, daß er gegenüber jeder Anfechtung gesichert ist.

Und ferner nimmt der Rentenschuldner von einer Uebertrugung des Titels Vormerk, sobald eine schriftliche Uebertragûng seitens des bisher Eingetragenen auf dem Titel sich findet und diese ihm vorgelegt wird. Aber auch hier entschlägt sich der Rentenschuldoer jeder Verantwortlichkeit; er hat sich nicht verpflichtet zur Prüfung der Rechtsgültigkeit der Uebertragung, so wenig wie er etwa eine Prüfung der Aechtheit der Unterschrift des Uebertragenden vornimmt ; deßhalb verlangt er auch nicht Vorlage einer beglaubigten Unterschrift.

Indem der Rententitel auf den Namen einer bestimmten Person eingetragen wird, ist es wohl als zuläßig zu erklären, daß diesem Namen die ,,Ordreklausel" beigefügt werde. Die Beifügung der Ordreklausel wäre gewiß von rechtlicher Bedeutung (namentlich würde das Indossament ermöglicht); aber auch in einem solchen Falle würde der Titel nicht zum reinen Ordrepapier, sondern er würde seinen eigentlichen Charakter als Inhaberpapier bewahren.

5. Das Privilegium der ,,Steuerfreiheit"' und der ,,Unverpfändbarkeit" hat die schweizerische Eisenbahurente nicht. Ein Bedürfniß, ihr diese Privilegien zu gewähren, besteht zur Zeit nicht. Allerdings möchten wir nicht ohne Weiteres die Kompetenz des Bundes, solche Privilegien den von ihm emittirten Werthpapieren
zu ertheilen, abgelehnt wissen. Wie aber die Geschichte der französischen Rente zeigt, soll der Staat von der Ertheilung derartiger Privilegien nur im Falle der Noth Gebrauch machen, wenn schwerwiegende Billigkeitserwägungen sie verlangen.

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6. Ist die Rentenberechtigung in einem Inhaberpapier verkörpert, so besitzen wir auch in den Bestimmungen desXXXIL Titels des Obligationenrechtes die für die schweizerische Eisenbahnrente anwendbaren Rechtssätze.

Im Einzelnen gilt Folgendes : a. Der Rententitel ist ein Objekt des vermögensreclitlichen Verkehrs. Der Rentier kann Rechtsgeschäfte unter Lebenden wie von Todeswegen mit Bezug auf seinen Rententitel abschließen. Die Rente als Ganzes sowohl, wie der einzelne fällige Rentenbetrag bildet ein Aktivum des Vermögens des Rentiers.

b. Will der Rentier durch Vertrag sein Rentenrecht auf einen Ändern übertragen, so bedarf es der Besitzübergabe des Rententitels, vergi. Art. 199 ff. des Obligationenrechts. Die Vindikatiou der Rententitel ist möglich in gleicher Weise wie diejenige der Inhaberpapiere überhaupt, namentlich kommt auch Art. 208, Ziff. 2, zur Anwendung.

Handelt es sich um einen auf den Namen des Berechtigten lautenden Rententitel, so genügt zum Uebergang des Rechtes gleichfalls die bloße Uebergabe des Titels ; der Veräußerer muß aber überdies auf Verlangen des Erwerbers den Uebergang auf dem Titel bescheinigen, sei es in der Weise, daß er den Uebergang auf den Erwerber vormerkt, sei es, daß er den Titel auf den Inhaber stellt. Unter keinen Umständen bedarf es zur Bewirkung des Rechtsübei'ganges einer Vorlegung des Titels behufs Vormerkung in den Registern der eidgenössischen Finanzkontrole ; es sind also auch in diesem Falle die Art. 199 ff. des Obligationenrechtes maßgebend und nicht die Art. 183 ff. des Gesetzes, wie dies der Fall wäre bei einem reinen Namenspapier.

c. Die Verpfändung des Rententitels und zwar des einfachen Inhabertitels wie desjenigen, der auf den Namen des Berechtigten gestellt ist, geschieht durch Uebergabe des Titels zu Faustpfand im Sinne der Art. 210 ff. (vergi. 216) des Obligationenrechtes. Die auf den Namen des Berechtigten ausgestellten Titel unterliegen durchaus nicht den Bestimmungen der Art. 214 und 215 des Obligationenrechtes.

d. Die Rententitel bilden unterschiedslos ein Objekt des Retentionsrechtes im Sinne der Art. 224 ff. des Obligationenrechtes.

e. Die einzelne fällige Rente wird seitens der Eidgenossenschaft nur auf Vorweisung des detachirten Coupons dem lohaber des Coupons bezahlt, vergi. Art. 846 und 847 des Obligationenvechtes.

629 f. Die Amortisation eines Reutentitels, und zwar wiederum sowohl die des einfachen Inhabertitels, wie die auf den Namen des Rentiers gestellte, findet nach Maßgabe der Art. 845 ff. des Obligationenrechtes statt. Bei der auf den Namen des Rentiers gestellten Rente kommt nicht etwa Art. 105 des Obligationenrechtes zur Anwendung.

g. Die einzelne fällige Rente verjährt durch Ablauf von fünf Jahren, vergi. Art. 147, Ziff. 1.

h. Sollte die Eidgenossenschaft von ihrem vorbehaltenen Recht der Ablösung der Renten Gebrauch machen, so würde der Anspruch der bisherigen Rentenberechtigten auf die Ablösungssumme verjähren durch Ablauf von zehn Jahren vom Tage des Ablösungstermins (vergi. Art. 146 und 149 des Obligationenrechtes).

i. So lange die Eidgenossenschaft von der eben erwähnten Befugniß der Ablösung der Renten keinen Gebrauch gemacht hat, besteht für den Rentenberechtigten kein Kapitalanspruch gegen die Eidgenossenschaft, es kann also auch nicht die Verjährung eines solchen Anspruchs in Frage kommen.

k. Die eidgenössische Finanzverwaltung übernimmt gegen Ausstellung eines sogenannten ,,Certificat de dépôt'-1 Rententitel in Verwahrung. Die eidgenössische Finanzverwaltung hat in solchem Fall gegenüber dem Rentier die Rechtsstellung eines Aufbewahrers (Depositars); soweit demnach nicht durch Vereinbarung zwischen Hinterleger und Aufbewahrer etwas Besonderes verabredet ist, kommen die Vorschriften des XIX. Titels des Obligationenrechtes für diesen Hinterlegungsvertrag zur Anwendung. Der Charakter der von der eidgenössischen Finanzverwaltung ausgestellten Certificats de dépôt ist derjenige einfacher Beweisurkunden (Schuldscheine). Würde dem Deponenten das Certificat abhanden'kommen, so könnte derselbe nur nach Maßgabe der Vorschrift des Art. 105 des Obligationenrechtes die Herausgabe der Rententitel verlangen.

l. Verwendet der Bundesrath den ,,Eisenbahnfonds11 zum ,,Rückkauf von Rententiteltf am offenen Markt" (vgl. Art. 3, litt, c, des Bundesbeschlusses betreffend die Verwendung des Eisen bahnfond.s, vorn 19. Dezember 1890, A. S. n. F., U. S., I, S. 743), so hört die Eidgenossenschaft bezüglich der von ihr angekauften Rententitel auf, Rentenschuldnerin zu sein, weil sie Gläubiger- und Schuldnereigenschaft in eigener Person vereinigt. Sollte sie aber die angekauften Rententitel nicht kanzelliren,
so kann, durch Weiterbegebung derselben seitens der Eidgenossenschaft, die Rentenschuld jederzeit wieder in Kraft treten. Es ist diese Konsequenz keine Eigenthümlichkeit der Rentenschuld ; sie gilt für die in Inhaberwerthpapieren

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verkörperten Schulden überhaupt (vgl. auch Art. 144, Abs. 2, des Obligationenrechtes).

m. Die Rentenberechtigung als solche, wie die einzelne fällige Rente, können wohl nicht zur Verrechnung (Art. 131 ff. des Obligationenrechtes) verwendet werden.

n. Auf eine Erörterung derjenigen Fälle, in welchen der Rentenschuldner nicht ordnungsgemäß die fälligen Renten einlöst, oder in welchen er nicht Willens ist, eine ordnungsmäßige Ablösung der Renten vorzunehmen, ist, weil unpraktisch., nicht einzutreten. Ordnungsgemäß erfolgen aber zur Zeit des Verfalls die Zahlungen der Rentenbeträge und die eventuellen Rentenablösungen laut dem ausdrücklichen Wortlaut der Titel ,,bei den eidgenössischen Staatskassen, sowie bei den übrigen hiezu bezeichneten Banken in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und England, ohne irgend welchen Abzug seitens der schweizerischen Eidgenossenschaft"1. Der Rentengläubiger hat also das Recht, zu bestimmen, an welchem dieser Orte er Zahlung verlangen will.

Genehmigen Sie, Tit., bei diesem Anlasse die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung;.

"O" B e r n , den 23. Oktober

1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über die Frage, der rechtlichen Natur der schweizerischen Eisenbahnrente. (Vom 23. Oktober 1891.)

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1891

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28.10.1891

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