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Bundesrathsbeschluss über

die Rekursbeschwerd betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Osogna (Riviera).

, (Vom 30. Juni 1891.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r ath hat in Sachen der Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Osogna (Riviera) nach dem Bericht des Justiz- und Polizeidepartements folgenden T h a t b e s t a n d gefunden: A. Betreffend die Gemeinde Biasca.

I. Am 15. Februar 1889 rekurrirte die Munizipalität gegen ein Dekret des Regierungskommissär an den Staatsrat und verlangte, daß in dem Stimmregister für die Großrathswahlen vom 3. Mär?, n i c h t g e s t r i c h e n werden: 1. Leoni, Bonifacio.

2. Fenazzi Giuseppe.

3. Ferrari, Augusto.

4. Arnoldi,$ Antonio.

5. Ineichen, Josef, von Altwies, Kanton Luzern.

6. Schindler, Eduard, von Arth, Kanton Schwyz.

1028 7.

8.

9.

10.

11.

Kopp, Heinrich, von Münster, Kanton Luzern.

Rüegg, Heinrich, von Wald, Kanton Zürich.

Maggetti, Arnoldo.

Seiler, Alfred, von Frauenfeld, Kanton Thurgau.

Lutiger, Josef, von Cham, Kanton Zug.

Der Staatsrath fand Folgendes: Ferrari hat sein Domizil in Biasca nachgewiesen ; Leoni und Fenazzi dagegen nicht; Schindler, Ineichen und Kopp, Bürger aus andern Kautonen, deren Stimmrecht vor Allem von der Niederlassungsbewilligung abhängt, haben diese erst seit dem 19. d. M.; sollte man aber auf das Gesuch um deren Ertheilung abstellen, so würde auch dieses erst in die Tage des 12., 13., 14. Januar d. J. fallen, ein Domizil von 3 Monaten also gleichwohl noch nicht vollendet sein ; Rüegg, ebenfalls aus einem andern Kanton, ging wieder heim, darum ist seine Niederlassungsbewilligung nichtig; Seiler und Lutiger haben eine Niederlassungsbewilligung weder verlangt noch erhalten, sondern nur Aufenthaltskarte, wollen sich also nicht in Biasca niederlassen; Arnoldi : seine Ausweise mögen angehen ; Maggetti steht noch auf dem Stimmregister von Darò.

Er wies demgemäß den Rekurs mit Bezug auf Alle, außer Ferrari und Arnoldi, ab.

Mit Datum vom 1. März erklärte die Munizipalität hiegegen die Appellation an den Großen Bath.

II. Schon am 19. Februar war dem Bundesrathe eine Eingabe eingereicht worden, unterzeichnet von A r n o l d i , I n e i c h e n , S c h i n d l e r , K o p p , S e i l e r und L u t i g e r , welche den Schutz des Bundesrathes gegen ihre Streichung anriefen, wobei sie erklärten, daß sie seit mehr als 3 Monaten in Biasca wohnen und rechtzeitig den Ausweis über den Besitz des Aktivbürgerrechts daselbst geleistet haben, als sie die Niederlassungsbewilligung verlangten.

Am 28. Februar wiederholten gegenüber dem Dekrete des Staatsrathes dieses Begehren Schindler, Ineichen, Lutiger, Kopp, denen sich R ü e g g anschloß. Sie führen aus: Schindler wohnt in Biasca mit Frau und Kindern seit 25. Juli 1888, an welchem Tage er als Heizer in den Dienst der Gotthardbahn trat; er wurde auch sammt seiner Familie hier gezählt

1029 in der eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dezember v. J., hat die Niederlassungsbewilligung nachgesucht am 20. Januar d. J. ; am 2. Februar theilte die Munizipalität von Biasca dem Gemeinderath von Arth mit, daß sie ihn im Stimmregister eingetragen habe.

Das Zeugniß über den Besitz des Ak ti v bürgerrech ts liege beim Staatsrath.

Ineichen, seit 2. Dezember als Angestellter der Gotthardbahn domizilirt in Biasca, im Besitze des Aktivbürgerrechtes, wie das beiliegende Telegramm des Gemeinderathes von Altwies bezeugt, im Besitz der Niederlassungsbewilligung von Biasca; die hiesige Munizipalität hat seine Eintragung in das Stimmregister dem Gemeinderathe Altwies mitgetheilt.

Kopp legte das Zeugniß, daß er im Besitze des Aktivbürgerrechtes sei, ausgestellt vom Gemeinderath Münster, ein, ließ sich am 24. November v. J. als Wagenkontroleur im Dienste der Gotthardbahn in Biasca nieder, verlangte ani 20. Januar d. J. beim Regierungskommissär die Niederlassungsbewilligung.

Lutiger, Heizer auf der Gotthardbahn, in Biasca seit 17. Juli 1888 wohnhaft, im Besitz der Niederlassungsbewilligung und nach Telegramm des Gemeinderathes von Cham, d. d. 6. Februar 1889, auch des Aktivbürgerrechts ; die Munizipalität von Biasca hat diesem Gemeinderath angezeigt, daß Lutiger nun in ihr Stimmregister aufgenommen sei.

Rüegg, als Gotthardbahnangestellter seit 2. Juni 1888 in Biasca, laut Telegramm des Gemeinderathes von Wald, d. d. 7. Februar 1889, im Besitze des Aktivbürgerrechts, hat die Niederlassungsbewilligung in Biasca verlangt und die hiesige Munizipalität hat auch seine Streichung auf dem Stimmregister von Wald veranlaßt.

Mit telegraphischer Depesche vom 1. März an den Bundesrath protestirte ,, R u t t i " gegen seinen Ausschluß vom Stimmregister von Biasca.

Das Nämliche that mit Eingabe an den Bundeskommissär vom 3. März 1889 L e o n i , Bonifacio, indem er seinen Stimmzettel beilegte. Aelmliche Eingaben langten bei demselben ein von Seite von Kopp und Schindler.

III. Mit Datum vom 3. März 1889 gelangte an den Bundeskommissär eine Eingabe, unterzeichnet von Amsler, Friedrich, Lokomotivführer, von Schinznach, Riesen, Johann, Lokomotivführer,

1030 Sonderegger, Jakob, Lokomotivführer, von Heiden, Franscella, Giuseppe, Heizer, Tonella, Giovanni, di Andrea, von Airolo.

worin erklärt wurde, die Unterzeichner haben als Eisenbahnangestellte an der heutigen Abstimmung erst von l Uhr 10 bis l Uhr 40 an der Urne erscheinen können, dieselbe aber schon geschlossen gefunden und sich somit ihres Stimmrechtes beraubt gesehen, trotzdem daß das Wahlbüreau von ihrem sicheren Eintreffen unterrichtet gewesen sei. Sie protestirten dagegen, da sie auf dem Stimmregister gestanden hatten und ihr Wahlrecht, nicht beanstandet worden war, und sandten ihre Stimmkarten dem Bundeskommissär ein.

IV.

Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab Folgendes:

Leoni, Holzspalter, von Cerentino, seit 2 Jahren in Biasca und früher daselbst eingeschrieben, zahlt daselbst die Steuern, ist unverheiratet, nach der Erklärung des Sindaco ständiger Angestellter bei dem Kaufmann Ferrari, Augusto, in Biasca ; Letzterer wurde aufgenommen, Brsterer gestrichen.

Rilegg hat seine Niederlassungsbewilligung in Biasca am 28. Januar 1889 verlangt, ist unverheiratet.

Seiler, provisoricher Heizer, ist vor dem 3. März wieder weggezogen, so daß sein Rekurs dahinfällt.

Lutiger, unverheiratet, verlangte seine Niederlassungsbewilligung am 20. November 1888.

Rutti war in Biasca in den Jahren 1881--1883, verreiste dann nach Spanien, fragte zwei oder drei Tage vor dem 3. März telegraphisch an, ob er in Biasca stimmen könne, was verneint wurde, soll gegenwärtig in Locamo sein.

Amsler und Streitgenossen betreffend wurde festgestellt: Sie erschienen am 3. März um l Uhr und 20 Minuten vor dein Wahllokal, fanden dasselbe jedoch geschlossen, obgleich der Vice-Sindaco ihnen versichert hatte, daß sie zur Abgabe ihrer Stimmen Zeit haben bis 2 Uhr, dem letzten gesetzlich zuläßigen Tenniu. Gemäß Zirkular der Direktion der Gotthardbahn hätten die Bahnangestellten auf ihr Gesuch sich am Wahltage ersetzen lassen können, um ihr Wahlrecht auszuüben; die Rekurrenten haben dieß jedoch nicht verlangt, indem sie sich darauf verließen, daß sie zum Stimmen noch Zeit haben bis 2 Uhr.

1031 B. Betreffend die Gemeinde Lodrino.

V. Mit Eingabe vom 5. Februar 1889 verlangte Cesare Orelli vom Regierungskommissär die S t r e i c h u n g einer Reihe von Bürgern, von welchen einzig noch in Frage kommt Sacchi, Matteo, fu Domenico, von dem er behauptete, daß er keine Kopfsteuer (testatico) bezahle. Der Kommissär wies jedoch das Begehren ab, weil dem Sacchi von der Munizipalität diese Steuer erlassen worden sei.

Hiegegen rekurrirte Orelli an den Staatsrath, indem er diesen Erlaß für unerheblich erklärte, und der Staatsrath ordnete in der That seine Streichung an ,,aus den vom Rekurrenten angegebenen Gründen11.

Am 3. März reichte Sacchi dem Bundeskommissär einen Protest gegen seinen Ausschluß ein und bat um den Schutz seines Stimmrechtes, indem er seinen Stimmzettel beilegte.

Sein Begehren wurde in besonderer Eingabe von fünf andern Bürgern der Gemeinde unterstützt, die noch besonders darauf hinwiesen, daß dagegen Stefani, Clemente, ohne Grund in das Stimmregister aufgenommen worden sei, der gestrichen werden müsse.

Sie erklären, daß eine Abschrift dieser Beschwerde auch dem Wahlbüreau des Wahlkreises eingereicht werde.

Die Untersuchung des Delegirten des Bundesrathes ergab Folgendes: Sacchi, Matteo, Bauer, von und in Lodrino, unverheiratet, hat alle Steuern bezahlt mit Ausnahme des testatico, das ihm die Munizipalität erließ.

C. Betreffend die Gemeinde Claro.

VI. Mit Telegramm vom 1. März 1889 beschwerten sich beim Bundesrath Giumelli, Pasquale, di Nazzaro, und Ciappi, Carlo, fu Paolo, über ihre Streichung, die wegen Steuerrückstandes erfolgt sei. Aus dem Auslande zurückgekehrt, haben sie die Rückstände zahlen wollen, die Munizipalität habe aber die Annahme verweigert; sie bitten um die Verfügung ihrer Eintragung.

Unterm 3. März wiederholten sie diese Erklärung schriftlich beim eidgenössischen Kommissär, indem sie ihre Stimmzettel beifügten.

Eiiieu ähnlichen Protest gegen seine Ausschließung gab beim nämlichen Beamten unter Beifügung seines Stimmzettels Totti, Francesco, mit Datum vom gleichen Tage, ab.

1032 Die Untersuchung des Bundesdelegirten ergab : Giumelli, Glaser, seit vielen Jahren in Lyon, kehrte gegen Ende Februar 1889 nach Claro zurück und reiste bald nach dem 3. März wieder ab, ist unverheiratet, hat nie Steuern in Claro bezahlt, verlangte am 28. Februar seine Eintragung unter Anerbietung der rückständigen Steuern; er wurde wegen Verspätung abgewiesen, rekurrirte weder an den Regierungskommissär noch an den Staatsrath; Ciappi, Glaser, seit vielen Jahren in Paris, kehrte vor 2 oder 3 Jahren für einige Monate zurück, ist unverheiratet, hat nie Steuern bezahlt; im Uebrigen gilt für ihn das Gleiche wie für Giumelli; Totti, Francesco, di Petronillo, Schreiner, seit vielen Jahren in Paris, brachte vor 3 Jahren l Va Monate in Claro zu, kam Ende .Februar 1889 wieder, um an der Wahl Theil zu nehmen unter Anerbietung der rückständigen Steuern, wurde aber wegen Verspätung abgewiesen und verreiste am 10. März wieder zu seiner Familie nach Paris.

D. Betreffend den ganzen Wahlkreis.

VII. Die Zählung der Stimmen dieses Wahlkreises ergab folgendes Resultat: Votanten . . . . . . 854 Gültige Stimmzettel . . . 8 5 3 Absolutes Mehr . . . . 4 2 7 Stimmen erhielten : Dr. Sacchi 442, gewählt.

Prof. Rossetti 412.

Derigo 415.

Delmuè 419.

Advokat Pagnamenta . . . . 430, gewählt.

Rossetti, Giuseppe 429, ,, Monighetti, Venanzio . . . . 428, ,, Mattei 410.

Ajn 7. März rekurrirten hiegegen Monighetti, Alessandro, und Streitgenossen an den Großen Rath aus folgenden Gründen: 1. Das Wahlbüreau habe für Pagnamenta, Rossetti, Giuseppe, und Monighetti 3 Stimmen mehr gerechnet, als abgegeben worden seien, was durch Zusammenzählen der Stimmen der einzelnen Gemeinden näher ausgeführt wird.

1033 2. Das Bureau des Wahlkreises habe verschiedene von den Gemeindebüreaux wegen des Papiers, vorhandener Zeichen, als ungültig erklärte Stimmzettel als gültig erklärt.

3. Es habe bei Addition der Stimmen für Monighetti sich geirrt.

4. Drei Stimmzettel von Biasca seien nicht in Ordnung, ebenso einer (mit rother Tinte geschrieben) in Claro.

5. Es seien ungesetzlich ausgeschlossen worden Ciappi, Totti, Giumelli, Sacchi, Lutiger, Kop|>, Rüegg, Schindler, Ineichen, Leoni.

6. Es hüben sich in die Funktionen des Wahlbüreau die Kandidaten Rossetti, Giuseppe, und Pagnamenta eingemischt, und der Kandidat Uelmue habe, obgleich in der Wahl interessirt, sich bei denselben betheiligt.

7. Die Munizipalität von Crosciano habe während der Funktionen des Wahlbüreau ihren liberalen Sindaco durch einen konservativen Abgeordneten ersetzt, um im Wahlbüreau eine konservative Mehrheit herzustellen, und das neue Wahlbüreau habe dann Alles, was das frühere gethan, annullirt, die ungültig erklärten Stimmzettel gültig erklärt und so die Wahl der 3 konservativen Mitglieder zu Stande gebracht.

Auf den Antrag der Wahlaktenprüfungskommission erklärte der Große Rath in seiner Sitzung vom 15. März die Wahl des Dr. M o s è S a e c h i für gültig und ordnete eine Untersuchung über die 3 übrigen Wahlen an.

Ueber die Appellation der Munizipalität von Biasca gab die Mehrheit der Kommission am 4. Mai folgenden Bericht ab : Leoni, ßonifacio, von Cerentino, wohnt seit 3 oder 4 Jahren als Tagelöhner in Biasca, zahlte da nur das testatico für das Jahr 1888, nichts in Cerentino; Fenazzi, Giuseppe, von Arbedo, wohnt als Tagelöhner seit 3 oder 4 Jahren in Biasca, ohne indessen sich von seiner in Arbedo domizilirten Familie zu trennen, zahlt die Steuern und stimmt in Arbedo; Lutiger' wechselte zuerst seine Wohnung zwischen Biasca und Bellinzona, wo er ein eigenes Zimmer hatte, und setzte sich am 4. oder 5. Dezember 1888 in Biasca fest; Kopp verlangte seine Niederlassung am 14. Januar 1889; Ineichen verlangte seine Niederlassung am 13. Januar 1889; Seiler hatte nur Aufenthaltskarte für 6 Monate, verlangte keine Niederlassungsbewilligung ;

1034 Rüegg blieb von Mai 1888 bis 1. Februar 1889 in Biasca, verlangte am 9. Oktober 1888 die Niederlassungsbewilligung; Maggett hat in Folge seines Ausschlusses in Biasca in Daro gestimmt.

Es fällt in Betracht: 1. Leoni betreffend. Abgesehen davon, daß es sehr zweifelhaft ist, ob sein Aufenthalt in Biasca als einfacher Tagelöhner genüge, um ein dortiges Domizil zu begründen, war er auszuschließen, weil er das in Art. 2 des Gesetzes vom 15. Juli 1880 verlangte Zeugniß seines Aktivbürgerrechtes nicht vorgewiesen und seit mehr als 2 Jahreu das testatico in Blasen und das focatico in seiner Heimatgemeinde Cerentino nicht bezahlt hat, obgleich er nach seiner eigenen Aussage einen von seinen Angehörigen getrennten Haushalt führt.

2. Fenazzi. Er gibt zu, daß er gemeinsamen Haushalt führt mit seiner übrigen Familie, die in Arbe domizilirt ist, dort immer die Steuern bezahlt und noch im laufendeu Jahre sein Aktivbürgerrecht ausgeübt hat; demnach ist er in Biasca als bloßer Aufenthalter zu betrachten.

3. Lutiger erst seit 4. oder 5. Dezember in Biasca niedergelassen, hatte am 3. März das Domizil von 3 Monaten noch nicht vollendet.

4. Seiler hatte in der kurzen Zeit, welche er im Kanton Tessin zubrachte, nie die Absicht eines bleibenden Wohnsitzes in einer Gemeinde; er ist ja auch nur provisorisch bei der Gotthardbah angestellt und hat darum auch nur eine Aufenthaltskarte für 6 Monate gelöst, ist auch in dea ersten Tagen des Monats März nach Rorschach abgereist, um dort in den Dienst einer andern Eisenbahngesellschaft zu treten.

5. Kopp, Ineichen, Schindler haben ihre Niederlassungsbewilligungen erst am 13., 14. und 16. Januar 1889 nachgesucht, demgemäß bis zum 3. März das Domizil von 3 Monaten nicht mehr vollenden können.

6. Maggetti hat das Zeugniß seines Aktivbürgerrechts nicht eingereicht und an den Wahlen von Daro Theil genommen.

Die Appellation der Munizipalität von Biasca ist daher zu verwerfen, soweit es die oben Genannten betrifft, dagegen gutzuheißen mit Bezug auf Rüegg, der schon am 9. Oktober 1888 seine Niederlassungsbewilligung nachgesucht hat; wenn auch richtig ist, daß er kein Zeugniß seines Aktivbürgerrechtes produzirt hat, so liegt doch eine telegraphische Erklärung der Gemeinderathskanzl

1035 Wald vor, welche erklärt, daß er das Aktivbürgerrecht niemals verloren habe, und dus genügt nach unserer Ansicht.

Dieser Fehler ist jedoch ohne Einfluß auf das Wahlresultat, und die Wahlen dieses Wahlkreises sind daher durchwegs zu bestätigen.

Die M i n d e r h e i t der Kommission berichtete: Die richtige Addition der eingereichten Stimmzettel ergibt für die einzelnen bestrittenen Kandidaten folgende Zahlen : Pagn«menta . . . . 4 2 9 Stimmen Rossetti, Giuseppe . . 426 ,, Moniahetti . . . . 4 2 6 ,, Notar Delmuè . . . 4 1 7 ,, Derigo 415 ,, Mattei 410 ,, Isidoro Rossetti . . . 408 ,, Nun sind in den Urnen von Biasca verschiedene Stimmen auf linirtem Papier, andere mit offenbaren Erkennungszeichen versehen, gefunden worden; diese sind alle ungültig, und, da sie die Namen u. A. von Rossetti und Monighetti tragen, von ihrer Stimmenzahl abzuziehen ; die Folge davon ist, daß diese Kandidaten das absolute Mehr nicht erreicht haben. Dies verlangt die bisherige Praxis des Großen Käthes, das Bestreben, Manipulationen entgegen zu treten, welche die geheime Stimmgabe illusorisch zu machen suchen.

Betreffend die Appellation der Munizipalität von Biasca: Leoni ist seit mehr als 10 Jahren von seiner Heimatgemeinde Cerentino abwesend, nachdem er 5 oder 6 Jahre laug in Arbedo gewohnt hat, in vollem Besitz seines Aktivbürgerrechts, hat ein Zimmer in Biasca genommen, mehr als ein Jahr vor dem 3. März, nämlich von dem Tage an, an welchem sein Meister, Ferrari, Augusto, sich in Biasca niederließ, mit dem zusammen er lebt und den Beruf des Holzspaltens ausübt. Er war da schon für die Ersatzwahl vom Oktober v. J. eingeschrieben, nuchdem die Gemeinde Cerentino bezeugt hatte, daß kein Grund vorhanden sei, ihm das Stimmrecht zu entziehen; denn dazu genügt nicht, daß er im Jahre 1883 von der Gemeinde eine Unterstützung erhielt, oder Militäreffekten oder Militärpfliehtersatz nicht zahlte. Von der Aufnahme Leoni's in das Stimmregister von Biasca wurde die Gemeinde Cerentino benachrichtigt und sie erhob keine Einwendung dagegen. Der Sohn Giuseppe Rossetti focht sie an mit der Behauptung, Leoni sei ,,ein herunfrfahrender Arbeiter (lavorante girovago), der in keiner Beziehung nach Biasca gehöre", während er doch hier das testatico zahlt, das man erst nach wirklichem

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Wohnsitz von 6 Monaten zahlen muß (Art. 12 des Gesetzes vom 7. Dezember 1861). Er hätte demnach aufgenommen werden sollen, und die Behauptungen der Mehrheit, daß er ein Zeugniß seines Aktivbürgerrechtes nicht produzirt habe und mit Steuern in der Heimatgemeinde im Rückstände sei, sind jetzt, 2 Monate nach der Wahl, als verspätet nicht mehr zu hören. Uebrigens geht das Wahlrecht des Leoni schon aus der Erklärung der Munizipalität Cerentino vom 13. Januar d. J. hervor, die auf Anfrage derer von Biasca abgegeben wurde. Ja der Staatsrath selbst hat in mehr als einem auf die Wahlen vom 3. März hin erlassenen Dekret ausdrücklich erklärt, daß das Zeugniß der Wahlfähigkeit nicht nothwendig sei: ,,Gemäß den vom Bundesrathe bei der Genehmigung des Gesetzes vom 15. Juli 1880 abgegebenen Erklärungen haben die Munizipalitäten, wenigstens was tessinische Bürger betrifft, immer von Amts wegen Diejenigen, welche das Domizil haben, einzuschreiben, ohne ein weiteres Zeugniß zu verlangen, das ist allgemein angenommen.11 So sprach sich der Staatsrath gegenüber der Munizipalität von Mendrisio am nämlichen Tage aus, da er sein Dekret gegen die Munizipalität von Biasca erließ !

Darum hat auch weder er noch der Regierungskommissär ein solches Argument gegenüber Leoni in Anwendung gebracht. Der Rückstand mit Militärsteuern und die Nichtrückzahlung genossener Unterstützung von Cerentino wird erst in einer Erklärung des dortigen Sindaco vom 2. Mai behauptet, und diese Erklärung ist nicht einmal vom Sekretär der Munizipalität mituuterzeiclmet; es steht daher gar nicht lest, daß eine diesfällige Zahlung von Leoni überhaupt verlangt worden ist.

Mnggetti, Arnoldo, di Paolo, von Intragna, seit dem 25. Juli 1888 als Heizer im Dienste der Gotthardbahn, in Bmsca domizilirt; er wurde in das dortige Stimmregister aufgenommen und seiner Heimatgemeinde hievon Kenntniß gegeben. Rossetti, Giuseppe, verlangte seine Streichung, weil er nicht da domizilirt sei und das Zeugniß seines Aktivbürgerrechtes nicht produzirt habe; der Stautsrath strich ihn auch in der That, aber nicht aus diesen Gründen, sondern weil er noch auf dem Stimmregister von Darò stehe.

Schon der Kommissär hatte gefunden, daß das Fehlen des Domizils eine leere Behauptung sei ; über das Fehlen des Zeugnisses gilt das oben Gesagte. Die Eintragung in Darò war ungesetzlich,
sowohl weil Maggetti daselbst kein Domizil hatte, als auch nach der Anzeige der Eintragung in Biasca; dort, in Darò, nicht hier, hätte er gestrichen werden sollen.- Daß nachher Maggetti, um nicht seines Stimmrechtes gaiiz verlustig zu gehen, an der Wahl von Darò Theil nahm, ändert hieran gar nichts.

1037 Kopp, Ineichen, Schindler. Es wird anerkannt, daß sie seit mehr als 3 Monaten in Biasca domizilirt waren, und das genügt nach der Bundesverfassung für die Ausübung des Aktivbürgerrechts.

Auch die kantonale Verfassung und das Gesetz vom 15. Juli 1880 stellen kein weiteres Requisit für diese Ausübung auf. Die Nichtbeachtung der kantonalen Polizeigesetze vom 10. Dezember 1849 und 7. Juni 1852 über die Niederlassungsbewilligungen oder die Verzögerung ihrer Befolgung kann wohl eine Buße zur Folge haben, aber nicht den Entzug oder die Suspension eines durch die Verfassung garantirten politischen Rechts. Wenn das aber auch unrichtig sein sollte, so ist doch nirgends vorgeschrieben, daß die 3 Monate des Domizils, von denen Art. 43 der Bundesverfassung spricht, erst von dem Begehren der Niederlassungsbewilligung an zu rechnen seien. Der Staatsrath hat ja selbst anerkannt, daß die fraglichen Bürger schon seit Oktober 1888 in Biasca domizilirt seien, denn alle ihre Niederlassungsbewilligungen verfallen nicht im Januar oder Februar 1893, sondern im Oktober 1892, mit dem Ablauf von 4 Jahren vom Beginn der Niederlassung an. Wie reimt sich nun der Entscheid des Staatsrathes zu der Thatsache, daß der nämliche Staatsrath in einem andern Fall die Eintragung eines Schweizers (Christen in Bellinzona) nicht erlaubt, sondern -- befohlen hat, der gar keine Niederlassungsbewilligung, nur eine Aufeuthaltskarte auf 6 Monate, besaß? Uebrigens müßte im Zweifel stets das Stimmrecht des Bürgers, und nicht dessen Ausschluß, angenommen werden.

Die Konsequenz der demnach vorzunehmenden Korrekturen ist, daß keine der 3 noch streitigen Wahlen zu Stande gekommen ist, und die Wähler von Biasca nochmals zur Vornahme der Wahl zusammengerufen werden müssen, und zwar nach Eintragung obgenannter Bürger.

In der Sitzung des Großen Rathes vom 8. Mai 1889 fand über die beidseitigen Anträge eine weitläufige Diskussion statt.

Es wurde, unter Wiederholung der schon in den Berichten niedergelegten Argumente, von der Minderheit auf die Ungleichheit der Behandlung der Bürger hingewiesen: Maggetti, der in Biasca wohnt, wird daselbst gestrichen, weil auch in Darò eingeschrieben ; Bernasconi, Elvezio, dagegen, wurde, als in Bellinzona wohnhaft, dort beibehalten, obgleich er auch in Carona eingeschrieben ist.

Die Mehrheit erklärte, daß nur
vier linirte Stimmzettel in Frage kommen. Solche sind auch in andern Gemeinden zugelassen worden. Wir müssen, sagt der Berichterstatter der Mehrheit, der Gefahr vorbeugen, daß die Gotthardbahn allzu leicht in unsern Kanton eine Legion falscher Wähler (elettori spurii) einschmuggle.

1038 Der Bundesrath hat durch Dekret vom 6. Februar 1885 in einem gleichen Fall der Munizipalität von Lugano erklärt, daß ein faktisches Domizil ohne Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung kein Stimmrecht verleihe. Nach einem bundesräthlichen Entscheid aus neuester Zeit ist der in der Niederlassungsbewilligung angegebene Beginn der Niederlassung unerheblich.

Die Minderheit entgegnete, der Staatsrath habe in Sachen Aufdermauer in Torre erklärt, daß das Domizil zu rechnen sei von dem Zeitpunkte an, in welchem der Schweizerbürger sich im Kanton wirklich niedergelassen habe. Der Bundesrath hat niemals entschieden, daß das Domizil erst vom Tage der Erlheilung der Niederlassungsbewilligung an zu datir sei. Leoni zahlt kein focatico in Biasca, weil er mit seinem Herrn zusammen gemeinsamen Rauch führt.

In der Sitzung vom 9. Mai wurde die Streichung von Leoni, Fenazzi, Lutiger, Kopp, Ineichen, Seiler, Schindler, Maggetti bestätigt, die von Rüegg aufgehoben, und die drei angefochtenen Wahlen wurden gutgeheißen.

Der B u n d e s r a t h zieht i n E r w ä g u n g : 1. Leoni Sein Stimmrecht ist angefochten worden mit der Behauptung, daß er ein herumfahrender Mensch sei, also keinen festen Wohnsitz habe. Diese Behauptung ist allseitig als unrichtig erkannt worden. Danach hätte schon der Regierungskommissär das Begehren seiner Streichung abweisen, jedenfalls aber dann der Staatsrath seinen Rekurs gegen diese Streichung gutheißen sollen.

Es muß als durchaus unzulässig bezeichnet werden, daß auf eine in seinem Interesse eingelegte Appellation hin eine Großrathskommission nach neuen Gründen für seine Ausschließung forscht, gegen welche sich zu vertheidig ihm keine Gelegenheit geboten war5 die Aufgabe des Großen Rathes in letzter Appellationsinstanz konnte nur die sein, zu prüfen, ob der Entscheid des Staatsrathes auf Grundlage des ihm vorliegenden Aktenmaterials gerechtfertigt war oder nicht. Uebrigens ist auch materiell der Entscheid des Großen Rathes nicht begründet; denn wenn, wie das vielfach aus den Akten hervorgeht, der Staatsrath bei den einen Bürgern, die nicht in ihrer Heimats- sondern in einer Niederlassungsgemeinde stimmen, ein Zeugniß über den Besitz des Aktivbürgerrechtes nicht verlangt, so kann er, bezw. der Große Rath, nicht auf der andern Seite einen Bürger desswegen von der Wahlurne ausschließen, weil ein solches Zeugniß nicht vorliege, da dies die durch die Bundesverfassung garantirte Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze ver-

1039 letzt. Uebrigens verlangt auch Art. 43 der Bundesverfassung einen solchen Ausweis von dem niedergelassenen Schweizerbürger nicht für sein Stimmrecht weder in eidgenössischen, noch in kantonalen Angelegenheiten, sondern es trifft Denjenigen, der das Stimmrecht bestreitet, die Beweislast (vgl- Entsch. des Bundesrathes in Sachen Bodenmüller e. Dürnten, Bundesbl. 1876, Bd. I, p. 437, vom Nationalrath bestätigt). Auch bei Prüfung des tessinischen Gesetzes vom 27. Mai 1878 hat der Bundesrath erklärt: ,,Es kann der Nachweis der bürgerlichen Rechte nicht in allen Fällen, sondern nur dann verlangt werden, wenn besondere Gründe zu einem Zweifel berechtigen" (Bundesbl. 1879, Bd. II, p. 587). Daß Leoni mit allen Steuern zweier Jahre itn Rückstande sei, wie das zu seinem Ausschlüsse vom Stimmregister nothwendig sein würde, wird von Niemandem behauptet. Daß er wegen im Jahre 1883 genossener Subsidien ausgeschlossen werde, scheint die Mehrheit des Großen Käthes selbst mit Recht nicht zu verlangen. Er ist also in Biasca einzutragen.

2. I n e i c h e n . Die Forderung des tessinischen Staatsrathes, daß der Schweizerbürger, um im Kanton Tessin stimmberechtigt zu sein, daselbst die Niederlassungsbewilligung nachgesucht haben müsse, kann nicht als dem Art. 43 der Bundesverfassung zuwiderlaufend bezeichnet werden ; denn so lange der Einwanderer ein solches Begehren nicht gestellt hat,- darf wohl als noch nicht feststehend angenommen werden, daß er hier als Aktivbürger seinen bleibenden Wohnsitz zu nehmen beabsichtige. Allerdings ist bei diesem Grundsätze schwer verständlich, wie die nämliche Behörde in dem Falle Christen in Bellinzona die bloße Aufenthaltskarte als genügend erklären konnte.

Eine andere Frage ist aber die, von wann an die vom Gesetze verlangten drei Monate des Domizils zu rechnen seien. Gewiß kann dafür nicht, wie der Staatsrath annimmt, der Tag der Krtheilung der Niederlassungsbewilligung maßgebend sein, da es ja sonst ganz in der Hand der Behörde, vielleicht sogar eines bloßen unteren Angestellten derselben, liegen würde, durch Verzögerung der Ausfertigung oder Zustellung einen Bürger um sein Stimmrecht bei irgend einer Abstimmung zu bringen. Es kann sich also nur noch fragen, ob das Datum des Gesuches maßgebend sein solle oder ein früheres. In der Regel wird wohl Ersteres der Fall sein.
Allein wenn in der ertheilten Niederlassungsbewilligung die formelle Anerkennung liegt, daß ihr Träger schon seit einem früheren Zeitpunkte in der Gemeinde domizilirt sei, so muß zweifellos für die politischen Rechte wie für die Pflichten des Niedergelassenen dieser frühere Zeitpunkt entscheidend sein. Dies ist nun bei Ineichen der

1040 Fall, indem die ihm ertheilte, übungsgemäß auf vier Jahre ausgestellte Niederlassungsbewilligung mit dem Oktober 1892 abläuft, die Niederlassung also schon vom Oktober 1888 an datirt wird, was zugestandenermaßen mit den thatsäclilichen Verhältnissen auch vollkommen übereinstimmt. Von da an waren aber bis zum 3. März 1889 mehr als drei Monate verstrichen, und Ineichen ist daher in das Stimmregister a u f z u n e h m e n .

3. Das Nämliche gilt für S c h i n d l e r und K o pp. Betreffend R ü e g g ist ein Entscheid nicht mehr zu fällen, da schon der Große Rath des Kantons Tessin seine Stimmberechtigung anerkannt h a t ; jedoch ist seine Stimme noch mit in Rechnung zu bringen. Da Seiler eine Niederlassungsbewilligung vor dem 3. März nicht verlangt hat, so ist sein Rekurs nach dem in Erwägung 2 Gesagten zu verwerfen. Bezüglich Maggetti, dessen Ausschluß in Biasca wohl kaum geschützt werden könnte, und Fenazzi ist der Bundesrath nicht angerufen worden.

Was L u t i g e r betrifft, so erweist sich die Annahme des Staatsrathes, daß er keine Niederlassungsbewilligung nachgesucht habe, als unrichtig; er hat dieselbe vielmehr schon am 20. November 1889, also mehr als drei Monate vor dem 3. März, verlangt; wenn er damals auch noch, wie die Mehrheit der Wahlaktenprüfungskommission behauptet, seine Wohnung zwischen Biasca und Bellinzona wechselte, so schließt dies doch keineswegs aus, daß er den einen dieser beiden Orte als sein Domizil betrachtete, und daß dies eben Biasca war, beweist sein Gesuch um die Niedevlassungsbewilligung, wie er ja auch nachher stets dort geblieben ist. Er ist also e i n z u t r a g e n .

Auf R i i t t i ist nicht einzutreten, da er sich weder an den Kommissär noch auch an den Staatsrath gewendet hat; Ubi'igens ist er auch offenbar nicht in Biasca domizilirt.

e. Die Reklamation der 5 G o t t h a r d b a h n a n g e s t e l l t e n von Biasca, denen die Abgabe ihrer Stimmzettel unmöglich gemacht worden ist, trotzdem daß sie unangefochten auf dem Stimmregister standen, ist materiell ohne jeden Zweifel begründet. Alleiu sie hätten ihre Beschwerde in erster Linie an den Großen Rath des Kantons Tessin richten sollen, und der Bundesrath ist nicht kompetent, in der Sache zu entscheiden, ohne daß irgend eine kantonale Instanz von den Rekurrenten angerufen worden ist.

5. Der Ausschluß
des M a t t e o S a c c h i vom Stimmregister von Lodi-ino erscheint als ungerechtfertigt. Es wird nur behauptet, daß er kein testatico bezahlt habe, es ist also jedenfalls nicht ge-

1041 sngt, daß er mit allen Steuern im Rückstande geblieben sei. Allein auch das Fehlen des testatico kann nicht mit Recht als ein Steuerrückstand bezeichnet werdeu, da die Munizipalität ein solches gar nicht von ihm verlangt, ihm dasselbe vielmehr erlassen hat. Und so gut in andern Gemeinden, z. B. Locamo, eia Erlaß oder eine Verrechnung der Steuer mit Recht als einen Steuerrückstand ausschließend erklärt worden ist, ebenso gut hätte dies gemäß dem verfassungsgemäßen Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz auch bei Sacchi angenommen werden sollen. Er ist daher a u f z un eh m en.

6. Auf die Rekurse aus der G e m e i n d e Claro kann deßwegen nicht eingetreten werden, weil die Rekurrenten nicht den Regierungskommissär, noch auch den Staatsrath angegangen haben. Uebrigens ist ohne Weiteres klar, daß die Rekurrenten sämrntiich nicht in Claro domizilirt sind, auch die Zahlung ihrer Rückstände zu spät angeboten haben und darum mit Recht von der Wahl ausgeschlossen wurden.

7. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sieh, daß in die Stimmregister noch hätten aufgenommen und zur W a h l zugelassen werden sollen die 7 Bürger Leoni, Ineichen, Schindler, Kopp, Rüegg, Lutiger und Sacchi. Auf die Frage, ob die linirten Stimmzettel hätten für ungültig erklärt werden sollen, ist nicht einzutreten, da deßwegen nicht an den Bundesrath rekurrirt worden ist; es mag geniigen, diesfalls auf den von der Bundesversammlung genehmigten Entscheid des Bundesrathes betreffend die Wahlen vorn 21. Januar 1877 im Wahlkreise Caneggio zu verweisen (Bundesblatt 1877, Bd. IV, p. 133, p. 802; 1878, Beilage Nr. 2, p. 10). Es fragt sich also bloß, welchen Einfluß die Betheiligung der 7 Bürger auf das Wahlresultat haben könne. Hiebei ist von den durch die Minderheit der Wahlaktenprüfungskommission verißzirten Ziffern, deren Richtigkeit die Mehrheit dieser Kommission nicht bestritten hat, auszugehen.

8. Die Stimmzettel der mit Unrecht ausgeschlossenen 7 Bürger sind dem Bundesrathe eingereicht worden. Sie ergeben für: Dr. Sacchi 7 Stimmen.

Delmuè 7 ,, Derigo 7 ,, Prof. Rossetti 7 ,, Demnach stellt sich das Resultat wie folgt: Gültige Stimmzettel 853 -j- 7 = 860 Absolutes Mehr 431 Bundesblatt. 43. Jahrg. Bd. IH.

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1042 Stimmen erhielten : Dr. Sacehi . . .

Pagnamenta Rossetti, Giuseppe Monighetti Delmuè . . .

Derigo . . . .

Prof. Rossetti .

Mattei .

442 + 7 = 449 439 426 426 417 -f 7 = 424 415 -f 7 = 422 408 -j- 7 = 415 410

Wenn nach dieser Berechnung die sämmllichen 4 als gewählt Proklamirten das relative Mehr erhalten haben, so hat doch nur e i n e r von ihnen, Dr. Sacehi, das absolute Mehr erreicht, und die Wahl der übrigen 3 muß kassirt werden; die 3 letzten Wahlen sind nicht zu Stande, gekommen.

Demnach hat der Bundesrath

beschlossen:

1. Die Rekurse gegen den Ausschluß der 7 in Erwägung 7 genannten Bürger sind gutgeheißen und diese Bürger in das Stimmregister aufzuaehmen; im Uebrigen sind die Rekurse abgewiesen.

2. Die Wahl der Abgeordneten Pagnamenta, Rossetti Giuseppe und Monighetti ist kassirt, und die Regierung wird eingeladen, an deren Stelle eine neue Wahl vornehmen zu lassen.

3. Mittheiiung an den Staatsrath des Kautons Tessin für sich und zu Händen der betheiligten Behörden und Bürger.

B e r n , den 30. Juni 1891.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: llingier.

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Bundesrathsbeschluss über die Rekursbeschwerden betreffend die Großrathswahlen vom 3. März 1889 im tessinischen Wahlkreise Osogna (Riviera). (Vom 30. Juni 1891.)

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