635

# S T #

Schweizerische Bundesversammlung,

Die gesetzgebenden Räthe der Eidgenossenschaft sind am 7. De zember 1891 zur ordentlichen Wintersession zusammengetreten.

· Im Nationalrath eröffnete Herr Präsident Adr. L a c h e n a l , aus Genf, die Session mit folgenden Worten : Meine Herren !

Seit dem .Schluß der außerordentlichen Session im Monat Juli hat in unserm Land Ereigniß an Ereigniß gedrängt.

Zuerst haben wir mit der reinsten Freude in den Gauen, in denen sie entstanden, das sechshundert)ährige Jubiläum der Gründung der schweizerischen Eidgenossenschaft gefeiert und konstatiren können, daß das Schweizervolk in allen Kantonen, vom entlegenen Weiler bis zur großen Stadt, für einen Augenblick alle Meinungsverschiedenheiten und Parteigegensätze vergessend, einzig und allein in dem gleichen, allgemeinen Gefühl der unerschütterlichen Liebe «um Vaterland beseelt war.

Dann hat Bern uns eingeladen, die schönsten und interessantesten Seiten seiner Geschichte vor uns neu aufleben zu sehen, und Sie sind zahlreich herbeigeeilt zu seinem Feste, das im letzten Moment durch eine neue erschütternde Katastrophe unmittelbar vor seinen Thoren verdüstert werden sollte.

In diesem Saale traten fernerhin vor einigen Wochen zwei aus allen Gegenden der Welt besuchte Versammlungen zusammen, eine Auszeichnung für unser Land, welche Sie als ein Zeichen der Achtung, die dasselbe bei den andern Nationen genießt, gebührend werden schätzen können : Der geographische Kongreß hat bewiesen, daß das Studium und die vollständigere Kenntniß der Oberfläche unserer Erde nicht nur der Gelehrsamkeit dienen, sondern auch zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Völkern und zur Weiterentwicklung der allgemeinen Civilisation beitragen.

636

Und der Kongreß betreffend die Unfälle bei der Arbeit, der in noch höherm Maße die große Solidarität aller Mensehen bewiesen, hat, wenn auch nicht die Fundamente gelegt, so doch die ersten Umrisse des tröstlichsten Abschnittes des internationalen Rechts der Zukunft gezeichnet Das Schweizervolk und die Kantone, welche seit verflossenem Juli dreimal zur Stimmabgabe berufen wurden, haben mit der Annahme des Banknotenmonopols und des Zolltarifs Ihre parlamentarische Arbeit bestätigt. Gestatten Sie mir, daß ich mit aller Zurückhaltung, welche meine Stellung und namentlich die Umstände verlangen, den Wunsch ausspreche, daß das Werk unserer Delegirten für die Handelsvertragsunterhandlungen bald glücklich beendigt sein möge und daß die Anstrengungen, welche der Bundesrath, dem wir unser volles Vertrauen entgegenbringen, macht, um gute Handelsbeziehungen mit allen unsern Nachbarn aufrecht zu halten, zu gutem Ende führen werden.

Anderseits wollen wir im Vertrauen auf die Weisheit und Erfahrung der Exekutivbehörde und der Kammern hoffen, daß es gelingen werde, unter der Kontrole und der Mitwirkung des Bundes nicht nur das Privatkapital, sondern auch und zwar hauptsächlich die Kantone selbst »an der Gründung der künftigen Emissionsbank zu interessiren.

Gestern hat das Volk mit imposanter Mehrheit den ihm von Ihnen und dem Bundesrath gemachten Vorschlag, 100,000 Centralbahnaktien zu kaufen, abgelehnt. Die Ursachen dieser schweren Niederlage der Räthe und des Bundesrathes vor dem Volke sind mannigfacher Art und wir wollen denselben hier nicht näher nachgehen. Aber noch unter dem Eindruck dieser Abstimmung wollen wir nicht unterlassen, ein Symptom besonders hervorzuheben, das um so erfreulicher ist, als es den Ausdruck einer entschlosseneu öffentlichen Meinung bildet, die uns den Ausspruch in den Mund legt: der Centralbahnankauf ist todt, ans Werk für die Nationalisirung der Eisenbahnen.

Meine Herren ! Der Nationalrath hat zu seinem Bedauern zwei Mitglieder verloren, die ihm zur Ehre gereichten. Herr Campiche, der den Kanton Waadt so würdig vertrat, hat uns verlassen, da er vom Bundesrath zu einer wichtigen administrativen Thätigkeit berufen wurde. Herr Stößel, der so lange Jahre in diesem Rathe saß, den er auch zu präsidiren die Ehre hatte, verläßt glücklicherweise die Bundesversammlung nicht und wird seine große Erfahrung im Ständerath verwerthen können. Ich kann unsere beiden neuen Kollegenvon Zürich und Waadt nicht besser willkommen heißen, als wenn

63,7

ich der Hoffnung Ausdruck gebe, daß wir sie in die Fußstapfen ihrer ausgezeichneten Vorgänger vom 3. und 46, Wahlkreis treten und deren Beispiel befolgen sehen werden.

Meine Herren! Unser Traktandenverzeichniß ist übergroß; Ihre Arbeiten verlangen anhaltenden Fleiß und großen Eifer und ich wünsche, ohne daß ich es zwar hoffen darf, daß dieselben in den wenigen Tagen, die uns noch vom Jahresende trennen, beendigt werden könnten. Ich will sie Ihnen hier nicht aufzählen, noch weniger sie von dieser Stelle aus erörtern ; denn an Ihnen ist es jetzt, zu sprechen und zu handeln, und damit erkläre ich die ordentliche Session von 1891 als wieder aufgenommen, indem ich den Wunsch ausspreche, daß Ihre, wie immer, vom Geist des Nützlichen und Guten beseelten Berathungen dazu beitragen mögen, die Ehre und Wohlfahrt unseies vielgeliebten Vaterlandes zu vermehren.

Als neue Mitglieder sind erschienen : a. im N a t i o n a i r a th : Herr Albert K ü n d i g , Bezirksgerichtspräsident, von und in Pfäffikon, ^ Emil P a i l l a r d , Friedensrichter und Gemeindepräsident, von Ste-Croix, in Yverdon ; b. im S t ä n d e r a t h : Herr Dr. jur. Johannes S t ö ß e l , Regierungsrath, aus Zürich (alt Nationalrath), ,, Eduard Odier, Großrath und Advokat, von Eaux-Vives (Genf).

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Schweizerische Bundesversammlung,

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1891

Année Anno Band

5

Volume Volume Heft

50

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

09.12.1891

Date Data Seite

635-637

Page Pagina Ref. No

10 015 523

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.